TU München, Zentrum Mathematik Lehrstuhl für Mathematische Physik WS 2012/2013 Prof. Dr. Silke Rolles Dipl.-Math. Christian Döbler Blatt 2 Fallstudien der mathematischen Modellbildung [MA2902] Ausgabe: 22. Oktober 2012 Die Aufgaben werden in den Übungen in der Woche vom 22. bis zum 26.10.2012 besprochen. Aufgabe 1. (a) Die Positionen der Äpfel, die an einem bestimmten Tag von einem Apfelbaum auf die Wiese fallen, seien modelliert durch einen Poisson-Prozess auf der zweidimensionalen Kreisscheibe S := B3 (0) = {(x, y) ∈ R2 : x2 + y 2 ≤ 9}, versehen mit der zugehörigen Borelschen σ-Algebra S. Die Intensität des Prozesses werde gegeben durch die Funktion % : S → [0, ∞) mit %(x, y) := 9 − x2 − y 2 . Berechnen Sie die Wahrscheinlichkeit, dass an diesem Tag insgesamt 5 Äpfel auf die Wiese fallen, so dass genau 3 in der Kreisscheibe B1 (0) und genau einer auf der Seite rechts von dem Baum, der im Nullpunkt stehe, landen. (b) Sei Π ein Poisson-Prozess auf dem messbaren Raum (S, S) mit Intensitätsmaß µ. Seien A, B, C beliebige Mengen aus S. Betrachten Sie die 8 nicht notwendig nichtleeren, paarweise disjunkten Mengen M1 := A ∩ B ∩ C, M2 := A ∩ B ∩ C c , M3 := A ∩ B c ∩ C, . . . , M8 := Ac ∩ B c ∩ C c . Zeigen Sie, dass es eine 3 × 8-Matrix M , die nur Einsen und Nullen enthält, gibt, so dass die gemeinsame N8 Verteilung von N (A), N (B) und N (C) das Bildmaß des Produktmaßes j=1 P oisson(µ(Mj )) unter der von der Matrix M induzierten linearen Abbildung ϕM : R8 → R3 ist. Insbesondere ist also die gemeinsame Verteilung von N (A), N (B) und N (C) durch die gemeinsame Verteilung von N (M1 ), . . . , N (M8 ) festgelegt. (c) Es sei Π ein homogener Poisson-Prozess auf (Rd , B(Rd )) mit Intensität % > 0. Weiter sei ϕ : Rd → Rd eine Bewegung, d.h. es gibt eine orthogonale d × dMatrix U und einen Vektor b ∈ Rd , so dass ϕ(x) = U x + b ist. Zeigen Sie, dass die Verteilung von Π bewegungsinvariant ist, d.h. für beliebige A, B, C ∈ S haben (N (A), N (B), N (C)) und (N (ϕ(A)), N (ϕ(B)), N (ϕ(C))) dieselbe Verteilung. 1 Bemerkung/Hinweis: Analoge Aussagen lassen sich auch im Falle endlich vieler Mengen A1 , . . . , An zeigen. Für (c) verwende man die Aussage von (b) sowie die Bewegungsinvarianz des d-dimensionalen Lebesguemaßes. Aufgabe 2. Sei n ≥ 1 eine natürliche Zahl. Bei einer Versicherungsgesellschaft gehen Schadensmeldungen nur zu Zeitpunkten aus der diskreten Zeitmenge (n) Zn := { nk : k ∈ N} ein. Die Schadensfälle lassen sich durch eine Folge (Xk )k∈N unabhängiger, Bernoulli(pn )-verteilter Zufallsvariablen modellieren, wobei (n) Xk = 1 bedeute, dass zum Zeitpunkt k/n ein Schaden gemeldet wird. Wir nehmen an, dass die pn ∈ (0, 1) die Bedingung limn→∞ npn = λ ∈ (0, ∞) erfüllen. Für (n) Intervalle I = (a, b] ⊆ (0, ∞) endlicher Länge bezeichne NI die Anzahl der ge(n) (n) meldeten Schäden im Zeitintervall I und weiter schreiben wir kurz Nt für N(0,t] . Weiter definieren wir für k ∈ N den Zeitpunkt der k-ten Schadensmeldung durch (n) (n) Tk := inf{t ∈ (0, ∞) : Nt ≥ k}. Beweisen Sie die folgenden Aussagen: (n) (a) Für ein Intervall I = (a, b] ⊆ (0, ∞) hat NI Binomial(bnbc − bnac), pn )-Verteilung. eine (b) Für paarweise disjunkte Intervalle I1 , . . . , Ir sind die Zufallsvariablen (n) (n) NI1 , . . . , NIr unabhängig. (c) Für k ∈ N0 und ein Intervall I = (a, b] ⊆ (0, ∞) gilt (n) limn→∞ P (NI = k) = P oisson(λ(b − a))({k}). (n) (d) Für jedes t ≥ 0 gilt limn→∞ P (Tk ≤ t) = P (T ≤ t), wobei T eine Gamma(k, λ)-verteilte Zufallsvariable mit Dichte λk tk−1 1(0,∞) (t) ist. fT (t) = e−λt (k−1)! Hinweis/Bemerkung: Für (a),(b) und (c) überlege man sich eine geeignete Dar(n) (n) stellung der Zufallsvariablen NI durch die Xk . Für Teil (d) sind evtl. die Äqui(n) (n) valenz Tk ≤ t ⇔ Nt ≥ k und Teil (c) nützlich. Diese Aufgabe liefert eine weitere Motivation für die geforderten Eigenschaften eines Poisson-Prozesses im eindimensionalen Fall. 2