01|Überuns scinexx.de Wissensmagazin - Das scinexx® - sprich ['saineks], eine Kombination aus “science” und “next generation” - bietet als Onlinemagazin seit 1998 einen umfassenden Einblick in die Welt des Wissens und der Wissenschaft. Mit einem breiten Mix aus News, Trends, Ergebnissen und Entwicklungen präsentiert scinexx.de anschaulich Informationen aus Forschung und Wissenschaft. Die Schwerpunktthemen liegen in den Bereichen Geowissenschaften, Biologie und Biotechnologie, Medizin, Astronomie, Physik, Technik sowie Energie- und Umweltforschung. Das Internetmagazin spricht alle wissbegierigenUseran-obinBeruf,StudiumoderFreizeit. scinexxwurde1998alsGemeinschaftsprojektderMMCDNEWMEDIA GmbHinDüsseldorfunddesHeidelbergerSpringerVerlagsgegründet und ist heute Teil der Konradin Mediengruppe mit dem bekannten Magazin Bild der Wissenschaft sowie den Wissensangeboten: wissen.de, wissenschaft.de, scienceblogs.de, natur.deunddamals.de. 02|Inhalt 01 02 ÜBERUNS INHALT 03 AIDS Auf der Suche Wunderwaffe 04 IMPRESSUM nach der 03|Aids AufderSuchenachder Wunderwaffe VONNADJAPODBREGAR WieistderStandderAids-Forschungheute-knapp20Jahrenachdem AuftretenderEpidemie?WirdeseinenImpfstoffgeben,derMenschen weltweitvorderInfektionmitdemtödlichenVirusschützt? UNAIDS:AIDSWÜTETWIENIEZUVOR D rei Millionen Tote in diesem Jahr: London (rpo). Die Immunschwäche Aids wütet weiter weltweit. Allein in diesem Jahr werden drei Millionen Tote erwartet, so viele wie nie zuvor. Und auch die Zahl der Neuinfektionen war niehöher.DieZahleninDeutschlandgehenauchwiederindieHöhe.Zu diesem deprimierenden Resultat gelangen das AidsBekämpfungsprogramm der Vereinten Nationen (UNAIDS) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrem Jahresbericht zur Ausbreitung der Krankheit, der am Dienstag in London veröffentlicht wurde.DemnachstarbenindiesemJahretwadreiMillionenMenschen an Aids, fünf Millionen infizierten sich mit HIV. “Unsere derzeitigen weltweiten Bemühungen bleiben gänzlich unangemessen angesichts einer Epidemie, die weiter außer Kontrolle gerät”, sagte UNAIDSDirektorPeterPiot.Weltweitderzeitetwa40MillionenHIV-InfizierteDer Bericht korrigiert vorangegangene Schätzungen leicht nach unten. Die Zahlen von 5 Millionen Neuinfizierten und 3,1 Millionen Aidstoten aus dem vergangenen Jahr hätten sich als etwas zu hoch erwiesen, erläuterte UNAIDS-Epidemiologe Peter Ghys. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Zahl der HIV-Infizierten gesunken oder etwa die Aidsepidemie rückläufig sei, betonte UNAIDS. Bessere Daten hätten lediglichzugenauerenSchätzungengeführt.DemneuenBerichtzufolge leben weltweit derzeit etwa 40 Millionen HIV-Infizierte, darunter 2,5 MillionenKinderundJugendlicheunter15Jahren.ImJahr2003steckten sich täglich 14 000 Menschen neu mit dem Virus an, hieß es. Von diesenlebtenmehrals95ProzentinLändernmitdurchschnittlichenoder niedrigenEinkommen. 39.000InfizierteinDeutschland InDeutschlandistdieZahlderHIV-NeuinfektionenimvergangenenJahr erstmals seit 1997 wieder gestiegen. Dies geht aus dem UNJahresberichthervor,derallerdingskeineZahlennennt.NachZahlendes Robert-Koch-InstitutslebtenEnde2002rund39.000MenschenmitHIVInfektion in der Bundesrepublik. Die Neuinfektionen im vergangenen Jahrwurdenauf2.000beziffert.ImGegensatzzuUNAIDSsprichtdas Institut bei den Neuinfektionen des vergangenen Jahres offiziell noch nicht von einem Anstieg. Ein Sprecher des Instituts erläuterte der AP, dass aus dem Datenmaterial in der Tat ein leichter Anstieg herausgelesen werden könne, der aber möglicherweise mit dem Meldeverhaltenzuerklärensei.DeshalbinterpretieredasRobert-KochInstitut die Daten vorsichtiger. Fest stehe, dass ein abnehmendes Schutzverhalten und eine Zunahme riskanter Sexualpraktiken bei homosexuellenMännernzubeobachtensei.Vondaherkönnemiteiner Tendenz zur Zunahme von HIV-Erkrankungen gerechnet werden. Das belegtenauchdieZahlendeserstenHalbjahres2003. SüdlichesAfrikaamschlimmstenbetroffen AmschlimmstenbetroffensindweiterhindieLänderimsüdlichenAfrika. Dort seien mittlerweile 20 Prozent aller Erwachsenen infiziert, dies sei die höchste Rate seit Ausbruch der Aids-Epidemie. “Effektive HIVVorbeugeprogrammemüssendrastischverstärktwerden,wennwireine realistische Chance haben wollen, die Zahl der Neuinfektionen einzudämmen”,sagtePiot.EineneueHIV-WellebedroheChina,Indien, Indonesien und Russland, hieß es weiter. Die meisten Infektionen rührten dort von ungeschütztem Sex und Drogenspritzen her. Es gebe klareWarnsignale,dassOsteuropaundZentralasienAusgangspunktfür neueAids-Epidemienwerdenkönnten,heißtesindemBericht.Obwohl politischeKampagnenunddieAusgabenfürdenKampfgegenAidsin den vergangenen Jahren ständig zugenommen hätten, seien die Verbesserungen zu gering. Besonders der Zugang zu Behandlungen müsse dringend verbessert werden. Außer den unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten kritisiert der UNAIDS-Bericht insbesondere, dass in vielen betroffenen Ländern “überraschend wenig” getan werde, um grundlegende und kostengünstige Vorbeugemaßnahmen umzusetzen. IMMERMEHRHIV-INFIZIERTEINDEUTSCHLAND R obert Koch-Institut: Jährlich 700 Aidstote: In Deutschland leben derzeit nach aktuellen Schätzungen des Robert Koch-Institutsetwa40.000bis45.000Menschenmiteiner HIV-Infektion.“DieZahlderHIV-Infiziertenwirdauchinden kommenden Jahren weiter steigen, da dank der Behandlungserfolge wenigerMenschensterben,alssichimselbenZeitraumneuinfizieren”, sagt Reinhard Kurth, Präsident des RKI. Jedes Jahr stecken sich rund 2.000MenschenneumitHIVan,600bis700proJahrsterbenanden FolgenderHIV-Infektion.EtwadieHälftederNeuinfiziertensindMänner mit gleichgeschlechtlichen Sexualpartnern. Nach einem leichten Rückgang der HIV-Erstdiagnosen am Ende der Neunzigerjahre haben die Infektionsepidemiologen im RKI in dieser Gruppe aktuell wieder einenleichtenAnstiegregistriert.Etwazeitgleichistseitetwa1999die Zahl der Syphilisinfektionen bei Männern mit gleichgeschlechtlichen Sexualkontakten deutlich gestiegen. Untersuchungen zum sexuellen Risikoverhalten homosexueller Männer in Deutschland belegen seit Mitte der Neunzigerjahre einen allmählichen Rückgang des Kondomgebrauchs und eine Zunahme von sexuellen Risikokontakten. EinzunehmendesProblembeiderBehandlungderHIV-Infektionistdie EntwicklungvonResistenzengegendieverfügbarenMedikamente. Die unter der Therapie resistent gewordenen Viren könnenaberbeiungeschützten Sexualkontakten auch auf andere übertragen werden. Eine vom Robert Koch-Institut initiierte Studie zeigt: etwa jeder sechste steckt sich mit HI-Viren an, die bereits bei mindestens einem der gängigen Medikamente eine verringerte Empfindlichkeit zeigen. “Daher sollte HI-Virus©CDC entsprechend der europäischen Therapierichtlinien vor Behandlungsbeginn eine Resistenztestung durchgeführt werden”, unterstreicht Reinhard Kurth. Auf einem europäischen Treffen der nationalen HIV-Epidemiologen kürzlich in Paris wurde aus einigen Ländern Westeuropas über eine zunehmende Zahl von neu diagnostizierten HIV-Infektionen vor allem unter Personen aus so genannten Hochprävalenzgebieten berichtet. Gleichzeitig gewinnen insbesondere die HIV-Infektionen bei Drogengebrauchern aus Osteuropa zunehmend an Bedeutung. “Vor diesem Hintergrund ist die Ankündigung über das Auslaufen der EUFörderung für das Projekt EuroHIV auf völliges Unverständnis der versammelten nationalen Experten gestoßen”, sagt Dr. Osamah Hamouda, Leiter des Fachgebietes Sexuell übertragbare Infektionen, der das Robert Koch-Institut in Paris vertreten hat. EuroHIV sammelt, bewertet und veröffentlicht regelmäßig die aktuellen epidemiologischen Daten aus den Mitgliedsstaaten der EU sowie den 51 Staaten der WHO-EURO-Region. WAFFEGEGENEINVIRUSGESUCHT… D as Problem der richtigen Ansatzstelle: Wenn der AidsErregereinBakteriumwäre,gäbeesheutevermutlichkein Aids-Problem mehr. Denn während gegen BakterienErreger meist früher oder später ein wirksameres Mittel gefundenwird,istgegenvieleViren,darunterauchdasGrippevirusoder derErregerderHirnhautentzündung,nochimmerkeinKrautgewachsen. ObwohldiewinzigenOrganismennurwenigmehrsindalseinPaketvon Erbinformation mit Hülle, ist auch die moderne Medizin gegen die meisten Viruserkrankungen machtlos. Eine Ursache für diese scheinbare Unbesiegbarkeit ist die Lebensweise des Virus: Im GegensatzzueinemBakteriumzerstörteinVirusdieZellenseinesWirts nichtvonaussen,sondernvoninnen.EsdringtindieZelleeinundbringt sie dazu, ihre gesamte Arbeit in den Dienst der Virusvermehrung zu stellen. DurchdieindieWirts-DNAeingeschleuste ErbinformationdesViruswirddieZelleso umprogrammiert, dass sie statt der zellund körpereigenen Proteine nun Virusbausteine produziert. Dem HI-Virus reichen dazu ganze neun Gene, sie enthalten alle Information, die es braucht, um in gesunde menschliche Zellen einzudringen und sie zu HI-Virusfabriken umzuprogrammieren. Diese Methode der VermehrungdesAids-Virusin Vermehrung ist nicht nur enorm effektiv derZelle©Podbregar,verändert nachNIH und sparsam - die Arbeit erledigt ja praktischerweise die Wirtszelle - sie schützt das Virus bis zu einem gewissen Grad auch vor Angriffen der körpereigenenAbwehrodereinementsprechendenMedikament.Jeder Wirkstoff gegen das Virus muss so konstruiert sein, dass er zwar das Virus vernichtet oder blockiert, dabei aber die Wirtszelle verschont. Aidsforscher suchen daher gezielt nach Stadien im Lebenszyklus des HI-Virus,diesichdeutlichvomLebenszyklusderWirtszelleabhebenund dadurchdenVirusfüreineTherapieangreifbarmachen… PRINZIP:BLOCKIERENWOESNURGEHT D ie Ansatzstellen der gängigen Aids-Medikamente: Einige derheutegebräuchlichenAids-Medikamente,darunterauch AZT und 3TC, setzen an einer typischen Eigenschaft von Retrovirenan,zudenenauchHIVgehört:WenndasVirus in eine T-Helferzelle eindringt, nutzt es als erstes die chemischen BausteinederZelle,umseineErbinformationumzuformatieren.Ausder Virus-RNA wird mithilfe eines speziellen Enzyms, der reversen Transkriptase, eine DNA. Hemmt man dieses Enzym, kann das Virus seine Erbinformation nicht umbauen, ein Einbau in die Wirts-DNA ist damit unmöglich. Eine weitere Ansatzstelle bietet der nächste Schritt, der Einbau der Virus-DNA in die Erbinformation der Wirtszelle. Auch hierfüristeinEnzym,dieIntegrase,nötigundauchdiesesversuchtman mitgezieltenMedikamentenzuhemmen. EbenfallsnochimVersuchsstadiumsindWirkstoffe,diedieTranslation verhindern sollen, den Schritt, bei dem die vom Virus veränderte ZellDNABefehlezumVirusbauan die Produktionsstätten der Zelle sendet. Bisher gängige Therapien setzen aber auch noch später im Lebenszyklus des HI-Virus an: Wenn die Zelle neue Virusbausteine produziert, müssen diese wiedermithilfeeinesEnzymszerschnittenundzukompletten neuenVirenzusammengesetzt werden. Proteasehemmer wie Ritonavir, Indinavir oder AnsatzstellengängigerAids-Medikamente© Podbregar,verändertnachNIH Nelfinavir blockieren diesen Schritt, indem sie das Enzym hemmen. Sie verhindern so, dass die neuen Viren funktionsfähig werden. Versuche, dem Virus bei seiner Vermehrung“Steine”indenWegzulegen,gibtesbisherviele-einige davon mehr, einige weniger erfolgreich. Aber eines ist ihnen allen gemeinsam:EineendgültigeHeilungbewirkensienicht.Schulddaranist unteranderemdieWandelbarkeitdesVirus:DurchMutationenverändert es nicht nur immer mal wieder seine Oberflächenproteine und lässt damit beispielsweise Impfstoffe ins Leere laufen, auch die Strukturen seiner Enzyme wandeln sich mit der Zeit bis zu einem gewissen Grad und machen damit einige der Waffen gegen das Virus schnell wieder stumpf… DIEÜBERSETZUNGVERHINDERN R everseTranskriptaseInhibitoren:WiealleRetrovirenmuss das HI-Virus, wenn es erfolgreich eine Zelle “kapern” will, erst einmal sein eigenes Erbmaterial in eine der Zelle verständliche “Sprache” übersetzen. Es muss dazu seine virale RNA in eine DNA umwandeln. Das dafür nötige Enzym, die reverseTranskriptase,bringtdasVirusderEinfachheithalbergleichmit, die Bausteine für die neue DNA-Kopie seines Erbguts aber nimmt es ausderWirtszelle.DasEnzymbautdieneueDNA-Ketteauf,indemes dieRNAalsSchablonebenutzt,andasesnacheinanderdiepassenden Gegenstücke aus den Nucleosidbausteinen der Wirtszelle anlagert, bis ein kompletter DNA-Strang entstanden ist. Um diesen entscheidenden Übersetzungsprozess zu blockieren, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Die meisten der heute gängigen Medikamente, darunter auch das AZT, sind sogenannte Nucleosid-Analogika, Substanzen, die sich als Nucleosidbausteine der Wirtszelle tarnen. Das Übersetzungsenzym des Virus kann nicht zwischen den “falschen” und den echten Bausteinen unterscheiden, und baut daher auch die “falschen” in die neue DNA-Kette ein. Doch die Analogika bilden keine Querverbindungen zu benachbarten Bausteinen aus und unterbrechen so die DNA-Kette, die Übersetzung des Virus-Erbguts ist verstümmelt unddamitnichtmehrlesbar. Leider hat diese Therapie auch einen Haken: Die “falschen Bausteine” können nämlich auch von gesunden menschlichen Zellen aufgenommen werden, und dort irrtümlich in DNA-Moleküle eingebaut werden. Zwar kann das entsprechende menschliche Umbauenzym, die DNAPolymerase, offenbar die falschen Bausteine von den echten unterscheiden und baut sie daher nicht in die Kern-DNA ReverseTranskriptase©CDC ein. Aber die Enzyme, die für die Mitochondrien-DNA zuständig sind, können dies nicht. Wenn sie die “Mogelpackungen” in die Mitochondrien-DNA einbauen, geht das Mitochondrium und mit ihm die gesamte Zelle zugrunde. Die typischen Nebenwirkungen einer AZT-Therapie, darunter Muskelschwund, Neuropathie und Pankreasbeschwerden sind auf dieses Zellensterben zurückzuführen. Auf der Suche nach Medikamenten mit weniger gravierenden Nebenwirkungen wurden inzwischen auch reverse Transkriptase-Hemmstoffe gefunden, die keine Nucleosid-Analogika sind. Auch sie scheinen die Übersetzung der Virus-RNA erfolgreich blockieren zu können, wie und warum dies allerdings geschieht, ist bei den meisten dieser Mittel noch nicht klar. Zu dieser Gruppe gehören WirkstoffewieNevirapin,DelavirinundEfavirez. DIEPROTEIN-SCHERESTUMPFMACHEN… P rotease-Inhibitoren: Auch eine der neueren und bislang wirkungsvollsten Aidstherapien basiert auf “Mogelpackungen”, die in die befallenen Zellen geschleust werden: Ähnlich wie die reverse Transkriptase-Hemmer setzen auch die sogenannten Protease-Hemmer an einem Enzym an, ohne das sich das Virus in der Wirtszelle nicht vermehren kann. Die Protease spielt eine entscheidende Rolle beim Zusammenbau der neuproduziertenViren:Esistgewissermaßendie“Schere”,mitderdie vomVirengenomerzeugtenProteineinkleinereStückeunddamitindie eigentlich funktionellen Einheiten wie beispielsweise Enzyme zerschnitten werden. Erst diese kurzen Stücke können dann zu neuen Viren zusammengesetzt werden. Die neuentwickelten ProteaseHemmer ähneln in ihrer Struktur den Proteinketten, die die Protease normalerweise zerschneidet. Wenn jedoch das Enzym bei diesen vermeintlichen Proteinketten zum Schnitt ansetzt, verklebt die “falsche Kette”dieSchnittflächenderEnzymschereundsetztsiedadurchausser Gefecht. Als Folge entstehen nur wenige, fehlerhafte Viruskopien und die Vermehrung des Virus ist gestoppt. Drei ProteaseHemmer - Indinavir (Crivixan), Ritonavir (Norvir) und Saquinavir (Invirase) sind inzwischen in den USA zur Nutzung in Kombination mit Protease-Inhibitor©verändertnachNIH reverse TranskriptaseHemmernfreigegeben,einviertesPräparat-Nelfinavir(Viracept)-wird zur Zeit noch getestet. In Studien gelang es mit diesen Mitteln, die Viruskonzentration bei HIV-Infizierten um bis zu 99 Prozent zu reduzieren. Allerdings kann auch der Protease-Inhibitor das Virus nicht ganz vernichten, auch er ist keine Wunderwaffe gegen Aids. Die Protease-HemmersetzennuranZellenan,indenendasVirussichaktiv vermehrt, Viren, die sich gerade in einer Latenz- oder Ruhephase in einer Zelle befinden, bleiben verschont. Da Protease-Inhibitoren wie AZTundanderereverseTranskriptase-Hemmerauch,meistlebenslang genommen werden müssen, um ein neues Ansteigen der Viruskonzentrationen zu verhindern, ist die Gefahr von Resistenzbildungensehrhoch.Umdieszuvermeiden,werdenheutein der Aids-Therapie meistens Kombinationen aus reverse-TranskriptaseundProtease-Hemmerneingesetzt.DennochkönnendieForschernicht sicher sein, dass sie das Rennen gegen die Resistenz gewinnen. Sie suchen daher nach immer neuen Wirkstoffen, die die Protease blockieren und bei Auftreten einer Resistenz den alten Wirkstoff ersetzenkönnen. DIESELBSTMORD-STRATEGIE A poptose-Induktion bei HIV-befallenen Zellen: Fast alle gängigen Ansätze in der Aids-Therapie konzentrieren sich bisher darauf, in den Lebenszyklus des Virus einzugreifen und ihn dadurch an der Vermehrung und am Befall neuer Zellen zu hindern. Inzwischen verfolgen jedoch einige Forscher eine völlig neue Strategie, sie wollen nicht den Virus stören, sondern kurzerhandgleichdiegesamtebefalleneZelleeliminieren.IhrArgument: Nicht die neu “vom Band laufenden” Viren müssen bekämpft werden, sonderndie“Virusfabriken”selbst.GeradedieinfiziertenZellensindes, die für den andauernden Nachschub von Viren im Körper sorgen. Bei denüblichenTherapienwirdzwardieVirusvermehrunginihremInneren blockiert, aber diese Wirkung hält nur solange an, wie auch genügend Hemmstoffevorhandensind.SinktdieWirkstoffkonzentration,läuftdie Produktion in den “Virusfabriken” wieder an und der Viruspegel im Körper steigt. Eine Lösung für dieses Problem könnten nun Forscher der amerikanischen Washington Universität gefunden haben. Sie entdeckteneineArt“Selbstmord-Enzym”,dass,einmalineinebefallene Zelle eingeschleust, diese dazu bringt, sich selbst zu zerstören. Das Enzym,dieCaspase,gehörtzurGruppederProteasen,denEnzymen, diealsSchereninderZelleAminosäurekettenzerschneiden.Dochwie läßt sich dieses Selbstmord-Enzym in die Zellen einschleusen? Auch hierfürfandendieForschereineLösung:SienutzeneinHIV-Proteinals Träger.DieCaspasewurdesogenetischverändert,dasssieeinenTeil eines HIV-Proteins mit sich führt. Dieses Protein hilft normalerweise demVirus,relativproblemlosindieWirtszelleneinzudringen,undeignet sich daher optimal als Schleusermolekül für das “Selbstmord-Enzym” Caspase.EinmalinderbefallenenZelleangelangt,nutztdastrojanische PferdnunauchnochdieDiensteeinesweiterenVirusproteins,umsich vonseinemTrägerzubefreien.DasfreieCaspase-Molekülmachtsich prompt an die Arbeit und programmiert die Zelle so um, dass sie Selbstmord begeht und abstirbt. Erste Laborversuche haben gezeigt, dassdieseMethodeoffenbarnichtnurhocheffizientinderVernichtung der infizierten Zellen ist, sondern auch die gesunden Zellen verschont. Da bei diesem Therapieansatz nicht in den Lebenszyklus des Virus sondern in den der Zelle eingegriffen wird, ist auch die Gefahr einer Resistenzbildung sehr gering. Der Vorteil dieser Therapie liegt auf der Hand: Da der Wirkstoff nicht ständig in hoher Konzentration präsent sein muss, um seine Wirkung zu entfalten, könnte es genügen, diese BehandlungeinpaarMalinunregelmäßigenAbständenzuwiederholen, umnachundnachallebefallenenZellenunddamitauchdie“Nester”der VirenimKörperzueliminieren.DieTherapiewäredamiteinfacherund erheblich billiger als alle bisher gängigen Behandlungsmethoden. Ist damit vielleicht endlich die Wunderwaffe gegen Aids in Sicht? Die Hoffnungensindgroß,dochnochsindkeineklinischenTestsgelaufen. ObdieMethodetatsächlichauchbeimMenschensoeffektivfunktioniert wieimLabor,musssicherstnocherweisen. DASÜBELANDERWURZELPACKEN… G entherapiegegenAids?:LangeZeithatdieAidsforschung vor allem nach immer neuen Möglichkeiten gesucht, die Protein-undEnzymfunktionendesHI-Viruszustörenund damit seine Vermehrung zu verhindern. Doch mit den FortschritteninderGentechnikkönnteesnunmöglichwerden,dasÜbel anderWurzelzupacken-direktdieVirus-Geneanzugreifen,diefürdie Bildung der Proteine und Enzyme verantwortlich sind. Die bisher laufendenForschungenzurGentherapiebeschränkensichmeistaufdie Heilung von vererbten Gendefekten durch eine “Reparatur” des menschlichenGenoms.DochdergleicheMechanismuskönntevielleicht auch genutzt werden, um den “erworbenen Gendefekt HIV” zu heilen. Dazu müsste die DNA von HIV-befallenen Zellen vom eingeschleusten Viruserbgutbefreit,dieviraleDNAsozusagen“herausrepariert”werden. Auf der Suche nach einer Gentherapie gegen Aids konzentrieren die ForscherihreSucheaufdreimöglicheStrategien:dertherapeutischen, bei der das Virus-Genom in den befallenen Zellen zerstört wird, der protektiven,beiderdiegesundenZellensoverändertwerden,dasssie nicht mehr vom HI-Virus befallen werden können, und schließlich der unterstützenden, bei der das Immunsystem so gestärkt wird, dass es aus eigener Kraft HIV-infizierte Zellen angreifen und zerstören kann. In den USA sind seit 1995 zwölf Studien genehmigt worden, die unterschiedliche therapeutische Strategien untersuchen. In einigen soll die Körperzelle selbst spezielle Moleküle produzieren, die Virus-RNA erkennt und sie zerschneidet, noch bevor sie in DNA übersetzt und in den Zellkern eingeschleust werden kann. Forscher der Universität von Michigan wollen dagegen Gene in die Zellen einschleusen, die die Produktion von mutierten Virus-Proteinen steuern. Diese als “transdominante Mutantenproteine” bezeichneten Fehlkonstruktionen werden zwar in neue Viren eingebaut, blockieren dann aber die Vermehrung.ErsteTests,beidenenHIV-positivenProbandeninfizierte T-Helferzellen entnommen, mit den entsprechenden Genen versehen und wieder in die Blutbahn gespritzt wurden, zeigten, dass die so behandelten Zellen erheblich länger überlebten, als unbehandelte Helferzellen. Wieder andere Forschergruppen verfolgen eher die unterstützende Strategie, bei der entweder die T-Killerzellen gestärkt oder aber gegen die Infektion durch das HI-Virus geschützt werden sollen. Bei beiden Ansätzen werden den behandelten Personen zunächst die betreffenden Immunzellen entnommen und durch den Einbau eines neuen Gens verändert. Um möglichst viele von diesen gentechnisch veränderten Zellen zu erhalten, werden sie anschließend geklontunddemPatientendurcheineInfusionwiederinjiziert.Bisherist diese auch als “adoptive cell therapy” bekannte Technik jedoch nicht sehr erfolgreich: In klinischen Tests wurden die frisch injizierten Zellen sofort vom Körper als “fremd” erkannt und zerstört. Zwar hat unlängst einPharmaunternehmenverkündet,manhabenuneinenneuenTransferVektor gefunden, der keine Abstoßungsreaktion hervorrufe, doch umfangreichereTestsindbisherdamitnichtgelaufen.DasProblem,wie die veränderte Erbinformation am besten in die Zellen des Patienten kommt, konnte bisher für keinen der gentherapeutischen Ansätze befriedigendgelöstwerden.Wederdiein-vitro-VeränderungvonZellen mit anschließendem Klonen und Rückinfusion, noch die gängige Methode,beidereinunschädlichgemachtesVirusdasveränderteGen in die Zell-DNA einbauen soll, sind bisher effektiv genug. Und selbst wennderTransfergelingensollte,bleibtdieUngewissheitübermögliche Spätfolgen eines solchen Eingriffs in das Erbgut. Hinzu kommt, dass dieseArtdergentherapeutischenBehandlungextremteueristunddamit wohlkaummassentauglichseindürfte. STOCHERNIMNEBEL…. I mpfstoffforschungmitHindernissen:Auchwennesinzwischenfür die Aids-Therapie einige vielversprechende Ansätze gibt, in der Impfstoffforschung sind die Ergebnisse eher kümmerlich. Nach mittlerweile15JahrenderSuchehatesmehrfalscheHoffnungen und Holzwege als tatsächlich erfolgreiche Ansätze gegeben. Keinem derexperimentellenImpfstoffeistesbishergelungen,denHindernislauf derTestsbiszumSchlusszudurchlaufen.UnddiePrognosenfüreinen effektiven Impfstoff lauten nach wie vor: “Frühestens in fünf bis zehn Jahren.” Dies ist um so fataler, da nur ein Impfstoff einen echten DurchbruchimKampfgegendiesichnochimmerausbreitendeSeuche bringen kann. Er könnte im Idealfall eine Neuinfektion verhindern oder aber wenigstens - so die Hoffnung der Forscher - den Ausbruch der Krankheit bei bereits Infizierten blockieren. Weltweit sind die Aidsforscher deshalb schon seit Jahren fieberhaft auf der Suche nach einer solchen Waffe gegen die Krankheit. Sie verfolgen dabei sehr unterschiedliche Ansätze und testen sowohl die Wege der klassischen Impfstoffforschung, als auch völlig neue, bisher noch nie im Kampf gegeneinViruseingesetzteMethodenundStrategien. DieWandelbarkeitdesVirusunddienoch immer nicht vollständig verstandenen Mechanismen,diebeiderHIV-Infektionim KörperundindenZellenablaufen,machen ihre Suche nach einem Impfstoff nicht nur zueinemRennengegendieZeit,sondern stellenweise auch zu einem Hindernislauf im Nebel. An den bisher mangelnden konkreten Erfolgen sind jedoch auch die Pharmakonzerne nicht ganz unschuldig: Während für die Entwicklung von AidsHI-Viren©CDC Therapien Milliardensummen investiert werden, erhält die Impfstoffforschung nach wie vor nur einen Bruchteil dieser Förderung. Ein Impfstoff, der im besten Falle nach einmaligem Einsatzdauerhaftschützt,istebenlangenichtsolukrativwieeinAidsMedikament, dass von den HIV-Infizierten lebenslang genommen werden muss. Inzwischen beginnt sich allerdings diese Haltung zu verändern,derpolitischeDruckaufdieKonzernewächst:1997erklärte der amerikanische Präsident Bill Clinton die Entwicklung eines AidsImpfstoffs innerhalb der nächsten zehn Jahre zu einem offiziellen nationalen Ziel der USA. Auf internationaler Ebene riefen die G7 und G8-GipfelzumKampfgegenAidsundderverstärktenSuchenacheiner wirksamen Impfung als globale Aufgabe auf. Die 1996 gegründete InternationaleAids-VaccineInitiative(IAVI),eineregierungsunabhängige Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Entwicklung eines sicheren, effektiven und weltweit allen zugänglichen Impfstoffes zu fördern, hat sich inzwischen zu einer der treibenden Kräfte in der internationalen Koordinierung der unterschiedlichen Forschungsansätze entwickelt. Unterstützt wird die Initiative nicht nur durch Spenden von Privatmenschen und Organisationen, auch politisch Verantwortliche tragendieIAVImit.1999gehörtedahernichtnurBillGatesmitimmerhin 25 Millionen Dollar zu den Spendern, auch die britische Regierung unterstützte die IAVI mit 14 Millionen Pfund. Doch selbst unter den mittlerweileetwasbesserenfinanziellenBedingungenistdieSuchenach einerwirksamenStrategiegegenAidsnichteinfach.Vielederanfänglich favorisiertenklassischenAnsätzehabensichinzwischenalsungeeignet herausgestellt, die neuen Techniken und Methoden sind zwar vielversprechend, aber noch unerforscht und wegen ihrer Komplexität erheblichzeitaufwendiger. ERSTERVERSUCH:DIEKLASSISCHEVARIANTE S chutzimpfung mit abgeschwächten oder abgetöteten Erregern:ImPrinziphabenalleImpfstoffedasgleicheZiel: zuverhindern,dasseineKrankheitausbricht.UmdiesesZiel zu erreichen, nutzen sie jedoch ganz unterschiedliche Strategien. Am besten wäre es natürlich, schon von vornherein jede Infektion mit einem Krankheitserreger zu verhindern, doch dies gelingt bisher kaum einem Impfstoff. In den allermeisten Fällen setzt der Imfpschutz erst ein, wenn die Erreger bereits in den Körper eingedrungen sind. Auf unterschiedliche Weise mobilisiert dabei der Impfstoff schon frühzeitig die Immunabwehr des Körpers gegen den Erreger und verhindert so dessen Ausbreitung und Vermehrung. Die meisten klassischen Impfstoffe wirken nach diesem Prinzip: Sie bestehen entweder aus einer harmlosen Form des Erregers oder einigen Teilkomponenten, die schon vor der eigentlichen Infektion die Produktion von Antikörpern gegen den speziellen Erreger auslösen. Zusätzlich werden B- und T-Gedächtniszellen gebildet, die den “Feind” bereits kennen, und bei einer Infektion daher nicht erst lernen müssen, mit wem sie es zu tun haben. Im Falle des Aidserregers ist diese Strategie der klassischen Schutzimpfung allerdings problematisch: Alle bisherigen Versuche, geschwächte oder teilweise inaktivierte HI-Viren alsImpfstoffzunutzen,erwiesensichalsnichtsichergenug:1992sah es zunächst sehr hoffnungsvoll aus: Forschern des New England Primate Center in den USA war es gelungen Affen vor einer Infektion mit der Primatenvariante von Aids (SIV) zu schützen, indem sie ihnen eindurchdieZerstörungeinesGensgeschwächtesVirusverabreichten. Schon hoffte man auf den lange ersehnten Durchbruch. In Frankreich und Großbritannien begannen umgehend auch andere Wissenschaftlergruppen, mit dem geschwächten Virusstamm zu experimetierenundsovieleAidsgenewiemöglichauszuschalten,ohne dieSchutzwirkungzuschwächen.NeueNahrungerhieltdasGanzeauch durchBerichteausAustralienunddenUSA,nachdenenMenschen,die bereitsaufnatürlichemWegemiteinemdurchdenVerlustdieses“nefGens” geschwächten Virus infiziert worden waren, kaum Anzeichen einer Verschlechterung ihres Zustands zeigten. Doch schon wenige JahrespätermusstendieForscherihreHoffnungaufeinenDurchbruch aufgeben: Bei zahlreichen Tests hatte sich herausgestellt, dass auch das durch den Genverlust abgeschwächte Virus noch eine Immunschwäche auslösen konnte. Versuche, noch mehr Gene des HIVirus auszuschalten, um diese Gefahr abzuwenden, schlugen fehl: FehltenzuvieleGene,unterschiedsichdiegeschwächteFormzusehr vom“echten”Virus,derImpfschutzwarnichtmehrausreichend.Ähnlich erging es auch den Versuchen, durch Abtötung inaktivierte Viren als Impfstoffe einzusetzen. Das Risiko, unbeabsichtigt eine Infektion auszulösen,wirdheutebeibeidenVariantenderklassichenMethodeals viel zu hoch angesehen, sie werden daher nicht mehr weiter verfolgt. Stattdessen sind die Forscher gezwungen, auf der Suche nach einem SchutzvorAidsneueWegezubeschreiten… ZWEITERVERSUCH:BRUCHSTÜCKESTATTGANZERVIREN P rotein und Peptid-Impfstoffe: Nachdem klar war, dass die klasssichen Strategien der Schutzimpfung bei HIVInfektionen zu riskant sind, suchten die Aidsforscher neue Wege. Einer davon waren die sogenannten “Sub-Unit”- Impfstoffe. Statt eines ganzen abgeschwächten oder getöteten Virus bestehensieausProteinenodersogarnurProteinbruchstückenvonder Zelloberfläche des HI-Virus. Da die Abwehrzellen des Körpers sich primärandiesenOberflächenproteinenorientieren,umEindringlingevon körpereigenen Zellen zu unterscheiden, könnte man, so die Idee der Forscher, das Immunsystem mithilfe dieser Zellbruchstücke in Alarmbereitschaft versetzen, ohne eine echte Infektion riskieren zu müssen. Doch die Effektivität dieses Ansatzes ist ebenfalls umstritten: der HI-Virus verändert gerade die Proteine und Peptide der Zelloberfläche durch Mutationen sehr schnell und bildet dadurch neue Unterstämme. Ein auf einem Oberflächenprotein basierender Impfstoff könntedaherimmernurgegeneinenbestimmtenUnterstammschützen, wäre aber gegen andere Virusvarianten völlig nutzlos. Trotz aller VorbehalteistjedochindenUSAderersteSub-Unit-Impfstoffbereitsin der Testphase. Der von einem Tochterunternehmen des Gentechnikpioniers “Genentech” hergestellte Impfstoff “Aidsvax” nutzt gp120-einProteinderHIV-Zelloberfläche-umeineAntikörperreaktion zuprovozieren.NacherstenAngabenderHerstellersollendieseit1998 mit rund 5.000 HIV-infizierten Freiwilligen laufenden Tests gezeigt haben, dass die Antikörperproduktion nach der Impfung tatsächlich deutlich ansteigt. Doch die Mehrheit der Aidsforscher bleibt dennoch skeptisch. Da die Antikörper im Körper sehr schnell wieder abgebaut werden, reicht eine solche kurzfristige Immunantwort als Schutz gegen eine Infektion nicht aus. Ein langfristiger Impfschutz käme nur dann zustande, wenn durch den Impfstoff auch genügend Gedächtniszellen produziert werden, die noch Jahre später bei einer Infektion sofort die passenden Antikörper produzieren können. Und diesen Effekt scheint Aidsvaxnichtzuhaben.NochmüssendieFreiwilligenallesechsMonate zurAuffrischungsimpfung,undkönnennurhoffen,dassdieWirkungdes Proteins ausreicht, um wenigstens die Vermehrung der Viren in ihrem Körperzuverlangsamen.DieAidsforscherallerdingshabenkeineallzu übersteigerten Hoffnungen. Sie halten Aidsvax bestenfalls für einen mehroderwenigereffektivenSchutzgegeneinigederzahlreichenHIVStämme, aber noch lange nicht für die Wunderwaffe, nach der alle suchen: den Aids-Impfstoff, der gegen alle Varianten langfristig und sicherschützt… DRITTERVERSUCH:SCHAFEIMWOLFSPELZ A ndereImpfstoffealsTräger:DieIdeeistganzeinfach:Man nehme einen bereits existierenden Impfstoff, der gute Erfolge und erprobte Sicherheit vorweisen kann und kombiniereihnmitwichtigenaberharmlosenStrukturendes HI-Virus.ImgünstigstenFallruftdieserKombinationsimpfstoffdieselbe starke Immunreaktion wie das erprobte Serum hervor, richtet sie aber statt gegen das ursprüngliche Ziel jetzt gegen den Aidserreger. Als Kandidaten für diese “Schafe im Wolfspelz” kommen mehrere klassische Impfstoffe in Frage, die Mehrzahl der Experimente konzentrierten sich jedoch zunächst auf Pockenviren als Vektoren. Abgeschwächte oder nicht auf Menschen wirkende Pockenviren produzierenbeieinerImpfungvorallemeinestarkeVermehrungderTKillerzellen, ein Effekt, der auch bei der Bekämpfung des HI-Virus von entscheidenderBedeutungist.InerstenVersuchenwurdeVaccinia,ein abgeschwächter Pockenvirus als Vektor eingesetzt. Im Tierversuch erzeugtedieKombinationvonPocken-TrägervirusundHIV-Bausteinen wie erhofft zunächst auch eine starke Killerzell-Antwort auf zwei Oberflächenproteine des HI-Virus. Doch die ersten Versuche am Menschen machten den Hoffnungen schnell ein Ende: Eine der freiwilligen Versuchspersonen starb trotz aller Vorsichtsmaßnahmen an einerPockeninfektion. Inzwischen werden bei der Suche nach geeigneten Trägerviren nur noch Erreger berücksichtigt, die sich erwiesenermaßen auch im aktiven,lebendenZustandnicht im Menschen vermehren können. Dazu gehören unter anderem die Erreger der Kanarienpocken,aberauchdie nur auf Vögel wirkende Variante des “klassischen” Pockenvirus, die “Modified Vogelpocken-Virus©NIH Vaccinia Ankara” (MVA). Eine französischeFirmatestetbereitseinenersten,aufKanarienpockenals Vektor basierenden Impfstoff. Bei diesem “Alvac” getauften Konstrukt wurdenindasTrägervirussowohldasGenfürdieOberflächenproteine des HI-Virus, als auch zwei weitere Strukturgene des Aidserregers eingebaut. Erste Tests zeigten, dass “Alvac” tatsächlich bei 25 bis 50 ProzentderVersuchspersonenerhöhteKillerzell-Reaktionengegenden HI-Virushervorrufenkonnte,allerdingsbezogsichdiesejeweilsnurauf einenderzahlreichenVirusstämme.AuchwenndieseErgebnisserecht erfolgversprechendscheinen,vieleAidsforschersindderAnsicht,dass ein Impfstoff sowohl eine Antikörperreaktion als auch eine KillerzellReaktionhervorrufenmussumeffektivzusein.ErsteErfolgeindieser Richtung brachten die Versuche amerikanischer Forscher, die einen Tollwut-Impfstoff - aus einem Verwandten des Pockenvirus - mit HIVGenen kombinierten. Der Tollwut-Impfstoff gilt als relativ sicher, da er zwar menschliche Zellen infiziert, aber dort keinen Schaden anrichtet. Durch die lange Verweildauer im Körper könnte wiederum die Schutzwirkung des veränderten Vektorvirus gegen HIV um so länger anhalten. Tests mit Mäusen zeigten, dass der kombinierte Tollwut-HIVImpfstoffnichtnur,wieerwartet,dieProduktionvonKillerzellenanregte, sondern zusätzlich auch eine starke Antikörperreaktion gegen den HIVirus hervorrief. In einer anschließend mit zehn Schimpansen durchgeführten Sicherheitsstudie wurden zwar auch Antikörper gegen Tollwut gefunden, das veränderte Virus löste jedoch offenbar keine Tollwut aus. Doch auch dieser Ansatz ist von einem Einsatz am Menschennochweitentfernt… DERVIERTEVERSUCH:DIEDO-IT-YOURSELFMETHODE P lasmide als DNA-Überträger: Angesichts der immer dramatischer steigenden Infektionsraten gerade in den ärmeren Regionen der Welt wird zunehmend nach einer Möglichkeit gesucht, die Epidemie nicht nur möglichst schnell, sondern vor allem auch billig aufzuhalten. Auch wenn die Versuche mit rekombinanten oder Protein-Impfstoffen vielleicht sogar eines Tages erfolgreich sein sollten, werden sie für die Mehrheit der Betroffenen finanziell unerschwinglich sein. Muss damit halb Afrika schutzlos dem Aids-Erreger ausgesetzt bleiben? Vielleicht nicht: DNAImpfstoffe-einvölligneuerSerum-TypkönntendieLösungausdiesem Dilemma sein. Die Methode funktioniert nach dem Do-it-YourselfPrinzip:NichtderfertigeImpfstoffwirdinjiziert,sonderndiegenetische Information,diedieKörperzellendazubringt,selbstdasentsprechende Serumherzustellen. Billig und einfach wird diese Methode dadurch, dass für die Herstellung der genetischen“Arbeitsanweisung”bakterielle Plasmideverwendetwerden.Diewinzigen Ringe aus DNA enthalten zusätzliche Erbinformation und liegen im Inneren von Bakterienzellen. In sie lassen sich sehr leicht artfremde Gene einschleusen, die dann zusammen mit dem Rest des Plasmids bei der Zellteilung jeweils an die Tochterzellen weitergegeben werden. PlasmidmitFremdgen©NIH Noch entscheidender ist aber eine zweite Eigenschaft der Plasmide: Genauso leicht, wie sie fremde Erbinformation aufnehmen, geben sie sie auch wieder ab: Einmal injiziert, schleust das Plasmid nun seinerseits seine DNA in die der Wirtszelle ein und bringt diese damit dazu, die fremde genetische Arbeitsanweisung auszuführen. Eine menschliche Körperzelle könnte mithilfedieserTechnikdazugebrachtwerden,bestimmteungefährliche StrukturendesHI-Viruszuproduzierenunddadurcheinevorbereitende Immunantwort hervorzurufen. Der Vorteil dieser Methode liegt auf der Hand:FürdiemassenweiseProduktiondieserDNA-Impfstoffebraucht man nicht viel mehr als die richtigen Temperaturen und ein geeignetes Nährmedium,denResterledigendieBakterien.UndauchderTransport ist einfacher als bei herkömmlichen Impfstoffen: Während diese meist gekühltwerdenmüssen,damitsiesichnichtzersetzenoderanderweitig verderben, sind die Plasmid-Impfstoffe relativ robust. Ist damit die SuchenachdemAids-ImpfstoffzuEnde? SINDDNA-IMPFSTOFFEDIELÖSUNG? E rste Erfolge, aber auch erste Enttäuschungen: Bei Mäusen haben sich die neuen DNA-Seren bereits bestens bewährt: ImVersuchreichteeineeinzigeInjektion,umdiegeimpften Mäuse lebenslang vor allen bekannten Varianten des Grippevirus zu schützen. Für die erfolgreiche Impfung reicht sogar die Gabe des DNA-Impfstoffs per Nasenspray. Vor dem Einsatz dieses SerumsbeimMenschensindjedochnocheinigeHürdenzuüberwinden. ImGegensatzzuMäusenistbeiPrimaten,derEinbauderFremd-DNA erheblicher schwerer und die durch die DNA-Impfstoffe erzeugte Immunantwort meist weniger ausgeprägt. Um einen ausreichenden Schutz zu erreichen, müssen daher Dosierung, Ort und Zeitpunkt der Injektion genau stimmen. Doch auch hier gibt es bereits erste Erfolge: So ist es beispielsweise gelungen, Affen mit dieser Methode effektiv gegen Tollwut zu schützen und auch erste Tests mit HIV scheinen bei Affen anzuschlagen. Beim Menschen lieferte ein Versuch mit einem Hepatits-B-Serum,dernachdiesemPrinziphergestelltwurde,zunächst ermutigende Ergebnisse. Die Immunantwort der “DNA-Geimpften” war genau so stark wie die von Testpersonen mit einer konventionellen Hepatitis-Impfung. Inzwischen laufen einige klinische Testreihen mit DNAImpfstoffen, die ein oder mehrere HIV-Gene in die Zellen einschleusen, die Ergebnissesindallerdingseher enttäuschend: Zwar zeigten in einer Studie 58 Prozent der Probanden eine deutliche HIVspezifische Immunreaktion nach der zweiten Impfung, die Labormaus©IMSIMasterclips Wirkung hielt jedoch nicht an. Auch ein zweiter Test mit einer anderen Genkombination konnte nur schwache Reaktionen auslösen. Mehr Hoffnung knüpfen die Forscher daher an eine Kombinationsstrategie, bei der eine DNA-Impfung mit einer Impfung des “Schaf im Wolfspelz”-Typs kombiniert wird. Das DNA-Serum dient dabei als Auslöser und Anschub der Immunantwort, während der aus einem mit HIV-Proteinen ausgestatteten Träger bestehende zweite Impfstoff, als Verstärker wirkt. Eine der umfangreichsten Versuchsreihen überhaupt findet derzeit als gemeinsamesProjektkenianischerundenglischerForscherstatt.Unter der Leitung der englischen Oxford Universität wird dabei seit diesem Jahr eine Kombination aus DNA-Impfstoff und dem für Menschen ungefährlichen MVA-Virus als Träger für HIV-Oberflächenproteine getestet. Noch liegen dafür allerdings keine Ergebnisse vor, die Suche nachdemAids-SerumwirdwohlnocheineWeileweitergehen. EINESEUCHEBREITETSICHAUS… D ieChronikderEreignisse: 1981 Ärzte in den USA werden auf eine Reihe von ungewöhnlichenInfektionenbeihomosexuellenMännernin San Francisco, New York und anderen Großstädten aufmerksam. Obwohl diese Infektionen, darunter auch die PneumocystisLungenentzündung und das Karposi-Sarkom, vorher extrem selten waren und wenn überhaupt dann nur bei extrem immungeschwächten Menschenauftraten,beginnensichdieFällezuhäufen.Zusätzlichfielen bei vielen scheinbar gesunden Schwulen dauerhaft geschwollene Lymphdrüsenauf. Ende1981 Allmählich beginnen die Mediziner, die Häufung so vieler seltener Infektionen mit einer Erkrankung des Immunsystems in Verbindung zu bringen. Bei allen Erkrankten scheint ein dramatischer Mangel an THelferzellenundT-Killerzellenvorzuliegen. 1982 Das amerikanische Centers of Disease Control (CDC) erklärt die rätselhafte Immunschwäche offiziell zu einer Epidemie und tauft sie “Acquired Immune Deficiency Syndrome” (Aids). Die Anzahl der Menschen mit Aids scheint sich alle sechs Monate zu verdoppeln, inzwischen werden Fälle aus allen Gebieten der USA bekannt. Auf der Suche nach möglichen Erklärungen kursieren zwei Theorien, die entweder eine Immunüberlastung durch multiple Faktoren oder aber eineneinzelnenFaktoralsAuslöserderEpidemiesehen. 1983 AmfranzösischenInstitutPasteuridentifiziertLucMontagnieralserster einVirusalsVerursachervonAids.ErtauftesLAV(LymphadenopathyAssociated Virus). Schon vor dieser Entdeckung hatte man aus der Tatsache, das die meisten Erkrankten viele wechselnde Sexualpartner hatten, geschlossen, dass die Seuche auf sexuellem Wege übertragen werdenmüsse. 1984 Nur wenig später verkündet auch der amerikanische Aidsforscher Robert Gallo, er habe das Aidsvirus entdeckt und nennt es seinerseits HTLV-III (Human T-cell Lymphotropic Virus Type III). Im gleichen Jahr wirdauchderersteTestaufAntikörpergegendasVirusentwickeltund eingesetzt. Es zeigt sich, dass die an Aids-Erkrankten nur einen BruchteilderinsgesamtvomVirusInfiziertenausmachen.Eswirdklar, dassdieLatenzphasezwischenInfektionunddemAuftretenderersten Symptomeextremlangist. 1986 Eine neue Variante des nun allgemein als HIV (Human Immunodeficiency Virus) bezeichneten Virus wird entdeckt und HIV-2 getauft.EsscheintnichtganzsovirulentzuseinwiederersteStamm. Forscher halten die Existenz noch weiterer HIV-Stämme für sehr wahrscheinlich. 04|Impressum scinexx.de-DasWissensmagazin MMCDNEWMEDIAGmbH Elisabethstraße42 40217Düsseldorf Tel.0211-94217222 Fax03212-1262505 www.mmcd.de [email protected] Geschäftsführer:HaraldFrater,[email protected] Chefredakteurin:NadjaPodbregar,[email protected] Handelsregister: Düsseldorf,HRB56568;USt.-ID.:DE254927844; FinanzamtDüsseldorf-Mitte Konzeption/Programmierung YOUPUBLISHGmbH Werastrasse84 70190Stuttgart M:info(at)you-publish.com Geschäftsführer:AndreasDollmayer ©2016byKonradinMedienGmbH,Leinfelden-Echterdingen