Sozialpsychologie Vorlesung Pädagogische Psychologie IV Psychologie der Gruppe Psychologie der Gruppe Grundbegriffe Gruppe = relativ überschaubare Anzahl von Personen, die mit irgendeiner Gemeinsamkeit (Ziel, Absicht, Interesse) in Interaktion steht und bestimmte Strukturen und Rollen aufweist Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 2 1 Psychologie der Gruppe Ordnungsschema nach HOFSTÄTTER Familie Menge Masse Klasse Gruppe Verband Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 3 Gruppenbildung und Rollendifferenzierung Voraussetzungen für Gruppenbildung: Gemeinsame Ziele, die über Interaktion und Rollendifferenzierung erreicht werden können. Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 4 2 Gruppenbildung und Rollendifferenzierung Beispiel für Rollendifferenzierung in einer Straßenbande (WHYTE, 1947) Status Doc hoch Mike Danny Long John Nulsy Angelo Frank Fred Carl Joe Lou Tommy Alec niedrig Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 5 Beispiel für das von S. Asch benutzte Reizmaterial (nach ASCH 1952) 1 Standardkarte 2 3 Vergleichskarte Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 6 3 Effekte von Gruppendruck ASCH (1956) wies nach, dass sich der Gruppeneinfluss auf die Urteile von Einzelpersonen auswirkt. Experiment: Phase 1: Im Einzelversuch wird eine Linie links auf eine Leinwand projiziert; aus drei Vergleichslängen auf der rechten Seite der Leinwand soll die richtige Lösung gefunden werden. (Ergebnis: kein Fehler) Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 7 Effekte von Gruppendruck (Fortsetzung) Phase 2: Im Gruppen – „Test“ befand sich die Versuchsperson konsistent im Widerspruch zur gesamten Gruppe; Maß für Konformität = Zahl der Urteile, die die „naive“ Vp. Entgegen ihrem Sinneseindruck im Sinne der Gruppenmehrheit abgab. Ergebnis: Ein Drittel der Probanden unterlag dem Gruppendruck in mehr als 6 von 12 Fällen. Nur ein Viertel der Probanden widerstand dem Gruppendruck in allen Fällen. Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 8 4 Das Verhältnis von Kompetenz und Gruppengröße zur Konformität Verhältnis von Kompetenz und Gruppengröße zur Konformität Konformität 8 Vp inkompetent und Gruppe kompetent 6 4 Vp und Gruppe kompetent 2 0 12 2 3 43 4 5 Gruppengröße (nach ROSENBERG, 1961) Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 9 Beziehungen zwischen Gruppen Theorie realistischer Gruppenkonflikte nach SHERIF 1) Wenn Personen, die sich bislang nicht kennen, in eine Gruppensituation mit gemeinsamen Zielen zusammengeführt werden, entwickeln sich hierarchische Gruppenstrukturen, Rollen und Normen. 2) Zwei auf diese Weise gebildete Gruppen werden positive oder negative Einstellungen sowie freundschaftliche oder feindselige Verhaltensweisen gegenüber der anderen Gruppe entwickeln, je nachdem, ob die Gruppenziele zueinander in Einklang stehen oder sich gegenseitig ausschließen. Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 10 5 Beziehungen zwischen Gruppen Jugendlager – Untersuchungen von SHERIF in den 50-er Jahren bestätigen diese Annahmen sehr eindrucksvoll; es ließ sich zeigen, dass Aggressivität eine gelernte Verhaltensweise ist, die durch Frustration aufgebaut wird (Ziele werden auf Kosten einer anderen Gruppe erreicht). Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 11 Schulklasse als soziales System Die Schulklasse gilt als Beispiel für das soziale System „Gruppe“, in dem sich das Individuum norm- und rollengemäß zu verhalten hat. Auf der einen Seite stellt die Schulklasse ein formales System dar, das extern organisiert ist, andererseits kann sie auch als informales System gelten, in dem Interaktionen zwischen Schülern durch Sympathie und Freundschaftsbeziehungen beeinflusst werden. Die sozialpsychologische Forschung hat wiederholt darauf hingewiesen, dass der Lehrer für diese informellen Prozesse sensibilisiert sein sollte. Wenn er das informale System nicht hinreichen berücksichtigt, muss er mit Konflikten rechnen. Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 12 6 Schulklasse als Arbeitsgruppe ? Schulklassen sind nach WEISS (1961) als „Zwangsaggregate“ anzusehen. Die Zusammensetzung wird durch die Zufälligkeit der elterlichen Wohnsitze und die Aufteilungskriterien der örtlichen Schulleitung bestimmt. Lerninhalte sind in staatlich verordneten Lehrplänen vorgeschrieben. Schulklassen werden also nicht primär gebildet um unter Ausnutzung des „Leistungsvorteils der Gruppe“ individuelle Lernprozesse zu optimieren. Die soziale Gruppierung ist vorwiegend ökonomisches Erfordernis und ergibt sich nicht zwingend aus dem curricularen Lernziel. Lehrpläne sind demnach nicht gemeinsames Gruppenziel im Sinne einer Arbeitsgruppe, weil Interaktion und Kooperation der Schüler nicht zwingend notwendig sind. Es kann in unseren Schulen kaum von gemeinsamen Gruppenzielen gesprochen werden, die in Gruppenarbeit besser zu erreichen sind. (vgl. BAUS & JACOBY, 1976) Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 13 Erfassung von Gruppenstrukturen und -prozessen Erfassung von Gruppenstrukturen durch die Soziometrie (Begründer: MORENO) Beispiel Soziogramm: Der Lehrer befragt z.B. seine Schüler: „Neben wem möchtest Du am liebsten sitzen?“ Wer-wen-Beziehungen werden durch Pfeile graphisch als Soziogramm dargestellt. Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 14 7 Darstellung eines vereinfachten Soziogramms P1 I P2 S C1 C2 C3 Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 15 Erfassung von Gruppenstrukturen und -prozessen Problem: Zuverlässigkeit vieler soziometrischer Untersuchungen muss mehr als sehr gering angesehen werden, da Wiederholungen von soziometrischen Befragungen oft stark veränderte Ergebnisse bringen. Erfassung von Gruppenprozessen durch unterschiedliche Beobachtungsverfahren (z.B. die Interaktions-Prozess-Analyse von BALES). Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 16 8 Leistungsfähigkeit von Gruppen Beim Lösen von Problemen sind Gruppen prinzipiell dem Einzelnen überlegen. Dies lässt sich u.a. auch unter Zugrundelegung mathematischer Modelle zeigen. Wenn auch die grundsätzliche Gültigkeit solcher Modelle mehrfach belegt werden konnte, ließ sich andererseits jedoch auch häufig zeigen, dass die Gruppenleistungen schlechter ausfielen als durch das Modell vorhergesagt. Mögliche Gründe für diese Diskrepanz: Voraussetzungen des Modells (Lösungswahrscheinlichkeiten der Individuen sind unabhängig voneinander; gefundene Lösung wird von der ganzen Gruppe akzeptiert) sind in der Realität oft nicht gegeben. Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 17 Entscheidungsprozesse und –ergebnisse in Gruppen 1. „Risky shift“-Phänomen: Gruppe fasst Entscheidungen, die allgemein riskanter sind als die Entscheidungen der einzelnen Gruppenmitglieder vor der Diskussion. Es gibt verschiedene Erklärungsversuche für dieses Phänomen (Abschiebung von Verantwortlichkeit; risikofreudige Personen sind einflussreicher). 2. „Groupthink“-Phänomen: Verantwortungslose, im Nachhinein dumm erscheinende Entscheidungen lassen sich durch den Gruppengeist eines politischen Gremiums erklären (GruppenEuphorie, Gruppen-Kohäsion, sozialer Druck auf die Mitglieder sind mögliche Gründe) Beispiel: Invasion in der Schweinebucht Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 18 9 Entscheidungsprozesse und –ergebnisse in Gruppen 3. „Bystander Intervention“-Phänomen: Helfendes Verhalten hängt in erster Linie von der Situation und nicht so sehr von Persönlichkeitsmerkmalen ab; je größer die Anzahl der Zeugen, desto geringer die Bereitschaft zur Hilfeleistung (Abschieben der Verantwortung fällt leichter) Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 19 Probleme bei Gruppenentscheidungen „False Consensus Effect“: Gruppenmitglieder tendieren dazu, ihre eigene Meinung als repräsentativ für die gesamte Gruppe zu halten. „Entscheidungsautismus“: Einstellungen und Meinungen, die schon vor dem Entscheidungsprozess bestehen, haben erheblichen Einfluss auf den Informationsverarbeitungsprozess während der eigentlichen Entscheidungsfindung in der Gruppe. Das Fatale am Entscheidungsautismus besteht darin, dass an Fehlentscheidungen selbst dann festgehalten wird, wenn dies von außen betrachtet irrational erscheint. „Social Loafing“: Die einzelnen Teilnehmer strengen sich in der Gruppensituation weniger stark an als in der Einzelsituation. Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 20 10 Gruppenführung Probleme des eigenschaftstheoretischen Ansatzes: es gibt nur wenige „Führereigenschaften, die sich in mehreren Untersuchungen durchgängig gezeigt haben: - höhere Intelligenz - bessere schulische Leistungen - höherer sozio-ökonomischer Status - größere Ausdauer - größere Sachkenntnis - größere Beliebtheit - größeres Selbstvertrauen Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 21 Gruppenführung Interaktionstheoretischer Ansatz: Führung ist eine Funktion der Persönlichkeit, der sozialen Situation und der Wechselbeziehungen zwischen beiden Größen. 3 1 Positionsgut macht des Führers schwach 1 Kontingenzmodell nach FIEDLER 7 5 5 7 5 8 2 6 6 Aufgabenstruktur unstrukturiert strukturiert mäßig/ schlecht Führer-Mitglied-Beziehung gut Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 22 11 Auswirkungen von Führungs- und Erziehungsstilen Bahnbrechend waren die frühen Arbeiten von Kurt LEWIN (1890 - 1947) und seiner Mitarbeiter LIPPITT und WHITE: Thema: Wirkung autoritärer und demokratischer Atmosphären; Aufgaben waren Bastelarbeiten, die von ca. 10-jährigen Kindern ausgeführt wurden. Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 23 Auswirkungen von Führungs- und Erziehungsstilen Insgesamt 3 Führungsstile realisiert: a) „demokratisch“ (Entscheidungen trifft Gruppe unter Anregung/Betreuung des Führers) b) „autoritär“ (Entscheidungen liegen beim Führer, der festlegt, wer mit wem zusammenarbeitet) c) „laissez-faire“ (Führer hält sich vom Gruppengeschehen fern, stellt lediglich Arbeitsmaterial zur Verfügung, reagiert nur auf Anfrage) Wichtigste Ergebnisse: Autoritäre Führung steigert gruppeninterne Aggressivität und Rivalität; Äußerungen mit „Wir“-Charakter kamen in der demokratisch geführten Gruppe doppelt so häufig vor; aggressives Verhalten war auch in der „laissez-faire“-Gruppe sehr häufig. Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 24 12 Kennzeichnung von Führungsstilen Maximale Lenkung Dirigierung und Kontrolle Typenkonzept: autokratisch Geringschätzung Emotionale Kälte Abneigung 6 Typenkonzept: sozialintegrativ -3 +3 Wertschätzung Emotionale Wärme Zuneigung Typenkonzept: Laissez-Faire 0 Kennzeichnung der Führungsstile autokratisch, sozialintegrativ und laissez-faire nach zwei Merkmalsdimensionen (TAUSCH und TAUSCH, 1970) Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 25 Gruppenkonflikte Forschungsarbeiten über Gewalt an Schulen haben gerade in den letzten drei Jahrzehnten eine Reihe interessanter Befunde erbracht. In der (englischsprachigen) Literatur findet sich meist der Begriff „Bullying“, wenn es um Gewalt zwischen Schülern geht. Mit dem Begriff „mobbing“ ist dagegen in der Regel das Schikanieren am Arbeitsplatz gemeint. Definition von „bullying“: aggressives Verhalten bzw. absichtliches Schädigen anderer Schüler, das wiederholt und über längere Zeit in Beziehungen ausgeübt wird, die ein Machtungleichgewicht aufweisen. Der Begriff „bully“ bezeichnet eine brutale Person. Ein grundlegendes Problem der einschlägigen Forschung ist darin zu sehen, dass der Begriff „Gewalt“ nicht einheitlich definiert wird. Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 26 13 Der Gewaltbegriff in der Perspektive unterschiedlicher Gruppen (Bochumer Untersuchung) Einschätzen von Verhalten als Gewalt; nur „ja“ – Antworten. Die auffälligsten Werte sind unterlegt. Verhaltensweisen Bedrohung mit einer Waffe Erpressung: jmd. zur Herausgabe von Sachen zwingen Vandalismus am Schulinventar Zerstören oder Entwenden fremden Eigentums Raufen/Prügeln mit Verletzungen „Spasskloppe“: Kräfte messen Verbale Aggressionen: Beleidigungen unter Schülern Verbale Aggressionen: Beleidigungen von Lehrern durch Schüler Verbale Aggressionen: abfällige Bemerkungen eines Lehrers über Schüler Drohungen: Lehrer droht mit schlechten Noten Lehrer Hausmeister Sekretärinnen Schüler Kl. 7-13 Eltern 97,3% 100% 66,7% 100% 86,4% 99,0% 96,4% 99,4% 66,7% 100% 84,4% 97,9% 94,6% 97,5% 76,2% 95,7% 78,6% 97,9% 92,8% 95,7% 76,2% 82,6% 75,4% 93,8% 64,0% 15,3% 68,9% 13,0% 33,3% 38,1% 43,5% 4,3% --30,6% 67,0% 12,4% 63,1% 62,7% 57,1% 30,4% 30,3% 32,0% 55,9% 52,2% 33,3% 21,7% 22,3% 38,1% 64,0% 62,1% 38,1% 43,5% 39,5% 50,5% 56,8% 50,3% 19,0% 34,8% 37,7% 46,4% Schulleiter Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 27 „Maßgebende“ Gründe für Gewalt in der Perspektive unterschiedlicher Gruppen (Bochumer Untersuchung) Die auffälligsten Werte sind unterlegt. Gründe Gewaltdarstellungen in den Medien Nationalitätenkonflikte Ungünstige familiäre Verhältnisse Emotionale Kälte in der Eltern – Kind Beziehung Berufstätigkeit beider Eltern Abkehr der Schule vom Erziehungsauftrag Verzicht auf Ordnungs- und Erziehungsmaßnahmen Unangemessene Lehrerausbildung Fehlende Identifikation der Schüler mit der Schule Schulleiter Lehrer Hausmeister Sekretärinnen Eltern 94,4% 22,5% 88,2% 96,5% 30,7% 92,9% 81,0% 23,8% 95,3% 72,7% 22,7% 86,4% 86,0% 38,8% 68,8% 87,4% 91,0% 66,6% 77,3% 87,2% 81,9% 39,8% 89,1% 49,4% 90,5% 47,6% 77,3% 28,5% 77,5% 46,2% 39,8% 43,3% 47,6% 28,5% 46,2% 66,7% 69,9% 52,4% 50,0% 57,5% 53,3% 66,4% 42,8% 27,2% 58,5% Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 28 14 „Bullying“ in der Schule (1) Die Prävalenz von „bullying“ unterscheidet sich interessanterweise nicht in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht, wenn man „Gewalt“ sehr breit definiert und darunter sowohl physische als auch verbale Aggression fasst. Sie beträgt zwischen 3 und 5%. Bei Fokussierung auf körperliche Gewalt gibt es jedoch sehr viel mehr männliche Täter, und das Phänomen nimmt in höheren Altersstufen ab. Die Täter (bullies) werden meist als aggressiv, physisch stark (im Fall von Jungen) impulsiv, sozial durchsetzungsfähig und wenig sensibel beschrieben. Die Opfer (victims) sind wenig aggressiv, sozial unsicher, körperlich schwächer und meist im Klassenkontext eher isoliert. In einer Studie von Schuster (1997) an Jugendlichen der 5., 7. und 11. Klassenstufe ließ sich zeigen, dass die Korrelation zwischen Viktimisierung und Ablehnung in der Klasse mittelhoch ausfällt (r = .52). Unklar blieb hier, wodurch Schüler charakterisiert werden können, die abgelehnt werden, jedoch keine Opfer sind. Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 29 „Bullying“ in der Schule (2) Entstehungsbedingungen des „bullying“ liegen nach Ergebnissen von OLWEUS (1995) primär in familiären und persönlichkeitsspezifischen Faktoren. Die Erziehung ist meist dadurch gekennzeichnet, dass sie einerseits permissiv ist und keine klaren Grenzen setzt, andererseits inkonsistent und übermäßig streng (Eltern sind vielfach aggressive Modelle). In der Schule können eine Reihe von Faktoren wie sehr große Klassen oder starker Leistungsdruck „bullying“-Aktivitäten fördern. Die Art und Weise, wie Lehrer und Mitschüler auf Aggressionen reagieren, trägt weiterhin zur Ausprägung des Phänomens bei. Interessant scheint, dass „bullies“ in anderen sozialen Konstellationen durchaus auch Opfer sein können. Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 30 15 „Bullying“ in der Schule (3) z Untersuchung von Lösel, Averbeck und Bliesener (1997) an insgesamt 1163 Jugendlichen des 7. und 8. Schuljahrs erbrachte eine Reihe von interessanten Ergebnissen. z Ca. 46% der Jugendlichen berichteten, selten oder nie Gewalt in der eigenen Klasse zu erleben. Etwa 10% der Jugendlichen gab an, dass dies in ihren Klassen sehr oft vorkommt. Was die erlebten Aggressionen anging, überwog das Hänseln, gefolgt vom Schlagen oder Treten. Während sich bei den Opfern keine Geschlechtsunterschiede zeigten, überwogen bei den „bullies“ klar die männlichen Jugendlichen. Die Studie zeigte weiterhin klare Zusammenhänge zwischen der schulischen Aggression mit der außerschulischen Delinquenz sowie außerschulischen Verhaltensproblemen. z z Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 31 „Bedeutende“ Präventions- und Repressionsmaßnahmen aus der Perspektive unterschiedlicher Gruppen (Bochumer Studie) Die auffälligsten Werte sind unterlegt. Maßnahme Verbesserung der Übersichtlichkeit der Schule (kleinere Schulen/Klassen) Stärkung der Verantwortlichkeit der Schüler für Schuleigentum Mehr Pausenaufsicht Förderung und Mitwirkungsmöglichkeiten der Schüler Vermittlung prosozialer Werte in der Schule Reduzierung der Gewaltdarstellung in den Medien Schulleiter Lehrer Hausmeister Sekretärinnen Eltern 91,7% 97,4% 76,2% 90,9% --- 89,0% 94,1% 95,0% 81,0% --- 25,0% 32,7% 80,0% 42,8% --- 44,9% 48,3% 52,4% 54,6% --- 98,1% 96,1% 95,2% 100% --- 95,4% 92,9% 81,0% 77,3% 82,9% Verbesserung sozialer Bedingungen 89,6% 89,6% 90,5% 90,9% 89,5% Monitorüberwachung Waffendurchsuchung Polizeipräsenz 9,3% 1,9% 0,9% 12,3% 2,1% --- 28,6% 21,0% 9,5% 13,6% 9,1% 0% 31,2% 15,4% 5,5% Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 32 16 Schulisches Interventionsprogramm nach Olweus (1995) Wichtige Maßnahmen in der Schule: - Lehrer agieren als positive (emotional eher warme) Modelle, loben viel - Lehrer definieren feste Grenzen für inakzeptable Verhaltensweisen - Bei Regelverletzung wird konsequent (jedoch nicht feindselig) sanktioniert - Das Schülerverhalten wird hinreichend überwacht (gerade in Pausen) - Es werden regelmäßig Klassengespräche zum Thema Gewalt geführt Im Unterricht wird Wert auf kooperative Lernmethoden gelegt. Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 33 Literatur zum Thema „bullying“ z Lösel, F. F., Averbeck, M. & Bliesener, T. (1997). Gewalt zwischen Schülern der Sekundarstufe: Eine Untersuchung zur Prävalenz und Beziehung zu allgemeiner Aggressivität und Delinquenz. Empirische Pädagogik, 11, 327-349. z Krappmann, L. & Oswald, H. (1995). Alltag der Schulkinder: Beobachtungen und Analysen von Interaktionen und Sozialbeziehungen. Weinheim: Beltz. z Olweus, D. (1995). Gewalt in der Schule: Was Lehrer und Eltern wissen sollten – und tun können (2. Aufl.). Bern: Huber. z Schuster, B. (1997). Bullying in der Schule. Empirische Pädagogik, 11, 315-326. Sozialpsychologie Prof. Dr. Wolfgang Schneider 34 17