2006_k Christus kosmotheandrisches Symbol

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2006_k Christus, das kosmotheandrische Symbol. Mission und Dialog im
pluralistischen Kontext, in: Im Blickpunkt. Mitteilungen von Theologie
im Fernkurs. Katholische Akademie Domschule Wu rzburg, 32/2006, 2-4.
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CHRISTUS, DAS KOSMOTHEANDRISCHE SYMBOL
Mission und Dialog im pluralistischen Kontext
Francis X. D’Sa S.J.
Das Christentum sieht sich immer stärker in der Situation, nur eine Religion im Konzert
vieler Religionen zu sein. Der Pluralismus stellt die Kirche vor die Herausforderung, wie sie
einerseits authentisch ihrem Wahrheitsanspruch genügen wie ihrem missionarischen Auftrag
entsprechen kann, andererseits den Wahrheitsansprüchen der anderen Religionen im Dialog
begegnen kann. Dieser Problemstellung, die zu den grundlegenden Zeichen der Zeit in der
Gegenwart gehört, geht der vorliegende Beitrag nach, in dem er vor allem das Verhältnis
Christentum und Islam thematisiert.
1. Dialog ist nur möglich in Treue zur eigenen Offenbarung
Obwohl es die verschiedenen Religionen fast immer gegeben hat, waren sie nicht immer in
der geographischen Nähe des christlichen Europas. Jetzt aber findet sich das christliche
Europa gleichsam auf ein Mal zum Beispiel dem Islam direkt gegenüber und entdeckt, dass es
schwierig ist, Dialog mit ihm zu führen. Die Gründe dafür sind zweierlei: Zum einen hat das
christliche Europa bisweilen Dialog so verstanden und ihn in der Erwartung geführt, dass der
Islam eine Resonanz zur christlichen Auslegung religiöser Symbole zeige. Es hat vergessen,
dass der Islam eine eigene Glaubenserfahrung der Offenbarung an den Tag legt und dass er
daher ein eigenes und einzigartiges Verständnis von Gott, Mensch und Welt bekennt. Zum
anderen beharrt der Islam auf seinem Bekenntnis allein und vergisst, dass auch dem
Christentum eine eigene Glaubenserfahrung der Offenbarung widerfahren ist und dass es
daher ein eigenes und einzigartiges Verständnis von Gott, Mensch und Welt bekennt. Es stellt
sich aber die Frage: Wie sollen wir Christen vorgehen und uns für den Dialog vorbereiten?
Zunächst dürfen wir ein wichtiges Prinzip des Dialog-Prozesses nicht vergessen. Die Dialog-
Partner müssen ihrer Offenbarung treu bleiben. Denn jede Bemühung die Eigenart einer
Religion zu nivellieren, schadet der Authentizität des Dialogs. Wenn das so ist, was hat es
dann für einen Sinn, von Mission und Dialog zu sprechen? Es ist klar, dass unser Kontext
zunehmend pluralistischer wird. Gerade in dieser Situation stellt sich die Frage ein kleines
bisschen anders: Wie hat man in diesem Kontext Mission und Dialog zu verstehen?
2. Die religionstheologischen Modelle: Exklusivismus, Inklusivismus, Pluralismus
Pluralistisch bezieht sich auf eine Situation, in der die Vielfalt von Religionen und Kulturen
zum Thema geworden ist. In diesem Kontext sind Antworten aus den Perspektiven des
Exklusivismus (= die eigene Religion allein ist wahr), Inklusivismus (= die anderen
Religionen sind in dem Maße wahr, in dem sie an der Wahrheit unserer Religion teilhaben),
und Pluralismus (= es gibt eine Vielfalt von Wahrheit beanspruchenden Religionen und sie
sind alle wahr) entstanden. Die Argumente, die gegen diese Antworten vorgebracht werden,
sind kurz gefasst folgende: Der exklusivistische Standpunkt nimmt nur die eigene Religion
ernst, nicht die anderen. Damit bestreitet er den Wahrheitsanspruch der anderen. Das
überzeugt nicht, weil man heute so weit ist, dass man zugibt, Wahrheiten in jeder Religion zu
begegnen. Die inklusivistische Perspektive macht es sich zu leicht, indem sie sich die zentrale
Stelle aneignet und von dort aus die anderen Religionen beurteilt. Dabei übersieht sie die
Möglichkeit, dass jede Religion den Spieß umdrehen und sich selbst die zentrale Stelle unter
den Religionen aneignen kann. Der populäre Pluralismus leidet an theologischer Faulheit,
nicht weil er einfach annimmt, dass alle Religionen wahr sind, sondern weil er sich einerseits
nicht bemüht, Rechenschaft über die diversen Wahrheitsansprüche der Religionen
auszuarbeiten und sie irgendwie mit dem eigenen Wahrheitsanspruch in Einklang zu bringen,
und weil er andererseits von Mission nichts hält. Rechenschaft über die Wahrheitsansprüche
der Religionen geben heißt, sie in ihrer je eigenen Verschiedenheit wirklich ernst nehmen.
Das bedeutet, dass man sich über die Bedeutsamkeit dieser Verschiedenheit Gedanken macht
und zwar vis a vis der Wahrheit der eigenen Religion. Kann es z.B. sein, dass die
Wahrheitsansprüche miteinander etwas zu tun haben, eben gerade wegen ihrer
Verschiedenheit? Und hat [nicht] etwa unser Wahrheitsanspruch auch eine Verwandtschaft
mit den Wahrheitsansprüchen der Religionen? Der populäre Pluralismus gibt den eigenen
Wahrheitsanspruch zu leicht auf oder zumindest verwässert er ihn ziemlich stark, sodass der
Ernst des eigenen Wahrheitsanspruchs kompromittiert erscheint bzw. nicht zur Geltung
kommt. Das alles ist nicht befriedigend. Eine einigermaßen befriedigende Antwort muss auf
vieles Acht geben. Auf alle Fälle, meine ich, müssen thematisiert werden: der Unterschied
zwischen Seinsbereich (bzw. Glaubensbereich) und Sprachbereich (bzw. Sprachbereich des
2
Glaubens);
die
Beziehung
zwischen
dem
eigenen
Wahrheitsanspruch
und
den
Wahrheitsansprüchen der anderen, wie auch die Beziehung zwischen der absoluten Wahrheit
und ihrer relativen Rezeption.
3. Die fundamentale Differenz zwischen Glaubenserfahrung und Glaubensausdruck
Diskussion und Austausch zwischen den Religionen werden an Tiefe gewinnen, wenn die
fundamentale Differenz zwischen der Glaubenserfahrung und dem Glaubensausdruck bzw.
dem Bekenntnis anerkannt wird. Denn Glaube ereignet sich als Glaubenserfahrung zunächst
und vor allem auf der Seinsebene, erst dann folgt der sprachliche Ausdruck bzw. das
Bekenntnis. Man hat Zugang zum Glauben nur anhand von Bekenntnissen, sei es unseres
Glaubens, sei es des Glaubens unserer Mitmenschen. Das heißt aber nicht, dass die
Seinsebene hinter der Sprachebene liegt. Ein authentisches Bekenntnis kann man nicht selber
erzeugen; es kann allein einem Glaubenswiderfahrnis entspringen. Die Wichtigkeit dieser
Unterscheidung liegt auf der Hand. Bekenntnisse sind Sprachereignisse, die mit
Glaubensereignissen verbunden sind. Dennoch können Bekenntnisse niemals mit dem
Glaubensereignis Schritt halten. Ein Glaubensereignis findet auf der Seinsebene statt. Die
Gefahr liegt meistens darin, Glaube mit Bekenntnissen zu verwechseln. Das führt dazu, dass
die Bekenntnisse überbewertet werden und der Glaube vernachlässigt wird. Dennoch sind
Bekenntnisse äußerst wichtig und deshalb unaufgebbar. Nur müssen wir darauf achten, dass
sie in unserer Zeit (einigermaßen) verständlich und für die heutigen Menschen von Relevanz
sind. In der Regel stammen Bekenntnisse aus ganz alten Zeiten und ganz anderen Kulturen.
Die Metaphern, derer sie sich bedienen, gehören in ein anderes Zeitalter und in andere
Kulturkreise. Wenn Bekenntnisse nicht verstanden werden, sind sie in Gefahr Worthülsen zu
werden. Eine solche Entwicklung birgt eine doppelte Gefährdung des Glaubens in sich:
Aufschwung des Fundamentalismus und Aufstieg des Indifferentismus. Bekanntlich sind
beides Merkmale von Religion in unserer Zeit. Daher ist es von Nöten, Bekenntnisse
zeitgemäß auszulegen. Das heißt jedoch noch lange nicht, sich an den Zeitgeist anzupassen.
Es heißt nur, sie auf dem Hintergrund der Fragen und Probleme unserer Zeit auszulegen.
Biblisch gesprochen, die Zeichen der Zeit erkennen und sie zeitgemäß deuten.
4. Die Notwendigkeit, funktionale Entsprechungen zwischen den Glaubenswelten zu suchen
Der Wahrheitsanspruch einer Religion, dessen Bereich das Leben in dieser Welt umfasst und
daher auf die Zeichen der Zeit bezogen werden muss, drückt sich in solchen zeitgemäßen
Auslegungen aus. In solch einem Unterfangen wird auch der Missionsauftrag verwirklicht.
Denn Mission ist nicht einfach „Missionierung“ im alten Sinne, sondern sie heißt im Kontext
3
der
Zeichen
unserer
Zeit
die
Verkündigung
der
Glaubenserfahrung,
die
dem
Wahrheitsanspruch zugrunde liegt. „Unsere“ Wahrheit, um relevant zu sein, muss Bezug auf
die Fragen und Probleme unseres Kontextes nehmen. Glaube ermöglicht Lebenssinn und zwar
in unserer Lebenssituation. Wenn wir den Wahrheitsanspruch unseres Glaubens nicht
wahrnehmen, dann ist es wahrscheinlich aus mit einer relevanten Glaubensverkündigung und
auch mit der Mission. Konkreter gesprochen: Wir Christen haben die Aufgabe, unsere
Glaubenserfahrung unseren (vielleicht sehr säkularisierten) Mitmenschen und unseren DialogPartnern (den Muslimen nämlich) in einer Sprache auszudrücken, in der sie re-sonieren,
mitschwingen können. Das heißt, der Dialog mit säkularisierten Menschen läuft anders als der
mit Menschen muslimischen Glaubens. Beide Gruppen haben eine jeweils andere Einstellung
zur Welt des Glaubens. Dieser Einstellung entsprechend hat unsere Verkündigungssprache zu
sein. Für die säkularisierten Menschen ist das Säkulum wichtig und wesentlich. Davor braucht
ein christliches Bekenntnis keine Bedenken zu haben. Auch im christlichen Glauben ist die
Welt wichtig und wesentlich. Selbst wenn säkularisierte Menschen für „Gott“ nicht viel übrig
haben, darf man nicht vergessen, dass auch sie ein Gespür für Lebenssinn haben. Für unser
Dialog-Anliegen ist dies die „funktionale Entsprechung“ zu Gott. Dort ist die Begegnung mit
Transzendenz, denn niemand kann allen Ernstes sich einbilden, dass man selber sich den
Lebenssinn herbeiholen kann. Bei den Muslimen ist die Antenne für die Erhabenheit Gottes
außerordentlich empfindlich. Die christliche Erfahrung des drei-einen Gottes kann nicht in
den Aussagen der frühen Konzilien den Muslimen verständlich sein. Die Glaubenswelten der
beiden sind, trotz gemeinsamen Berufens auf den Glaubensvater Abraham, erschreckend
verschieden. Den Christen, die Islam-Experten sind, kommt die Aufgabe zu, funktionale
Entsprechungen zwischen den beiden Glaubenswelten auszuarbeiten/zu identifizieren.
Funktionale Entsprechung heißt, die Instanzen, die in den diversen Traditionen eine ähnliche
Funktion haben. Was z.B. Jahwe für eine bedeutsame Funktion in der jüdischen Religion hat,
hat Allah in der islamischen Religion. Was Buddha für eine bedeutsame Funktion im
buddhistischen Glauben hat, hat Jesus im christlichen Glauben. Was Inkarnation für eine
bedeutsame Funktion im Christentum hat, hat der Avatara (= Herabstieg Gottes) im
hinduistischen Glauben. Wir merken dabei, dass der Jahwe der Juden mit dem Allah der
Muslime nicht gleichzusetzen ist, dass Jahwe nicht mit Allah und die Inkarnation nicht mit
dem Avatara identisch ist. Jedoch lassen uns diese funktionalen Entsprechungen ein bisschen
erahnen, wie die andere Glaubenwelt ist.
5. Der kosmotheandrische Christus als Geheimnis des Christentums
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Von christlicher Seite aus ist es wichtig, die Unterscheidung zwischen dem ewigen Christos
und dem Geschichtsmenschen Jesus aufrechtzuerhalten. Jesus ist der Christos aber der
Christos ist mehr als Jesus. Der Christos existierte zu allen Zeiten. Hingegen lebte Jesus für
eine bestimmte Zeit in der Welt. Die Welt wurde durch den ewigen Christos und nicht durch
den Menschen Jesus geschaffen. Wahrer Gott und wahrer Mensch heißt also, der Mensch
entäußerte sich voll und ganz, damit er voll und ganz von Gottes Geist erfüllt und
aufgenommen wurde. Er nahm teil am Gotteswesen, er war wahrlich Gottes Sohn.Auf diesem
Hintergrund können wir nun sinnvoll von Mission und Dialog im heutigen pluralistischen
Kontext sprechen. Raimon Panikkar hat diesen Christos den kosmotheandrischen Christus
genannt, weil in ihm der Kosmos, der Theos und der Aner (Welt, Gott und Mensch)
gegenwärtig sind. Dieser Christus ist das Real-Symbol von Gott, Mensch und Welt. In Ihm
werden all drei wirk-lich präsent. In diesem Geheimnis, das die Christen Christos anerkennen
und nennen, begegnet man wirklich Gott, Mensch und Welt. Den Christen ist das Geheimnis
Christos in Jesus geoffenbart worden. Den anderen aber ist dieses Geheimnis anders
geoffenbart worden und daher haben sie andere Namen für dieses Geheimnis, das wir
Christen als den Christos bekennen. Das eine Geheimnis, das sich immer, überall,
unaufhörlich und vor allem verschiedentlich offenbart, ist der Lebensort der verschiedenen
Offenbarungen. Nur aus diesem Geheimnis leben sie alle und sie alle wissen, dass dieses
Geheimnis über alle Namen hinaus ist und dass kein Name das ganze Geheimnis ausschöpfen
und es zum Ausdruck bringen kann. Keine Offenbarung ist jedoch eine Teil-Offenbarung,
sondern eine Offenbarung des ganzen Geheimnisses. Ist diese Denkweise nicht gerade das,
was Papst Benedikt XVI. der Diktatur des Relativismus bezichtigt hat? Für den Relativismus
gibt es keine absolute Wahrheit. In der dargelegten Vision hingegen ist das große Geheimnis
die absolute Wahrheit, die sich offenbart. Die menschliche Beschaffenheit ist nicht imstande
die absolute Wahrheit absolut zu rezipieren. Geschichtliche Wesen sind geschichtlich bedingt,
bestimmt und beschränkt. Daher kann die menschliche Rezeption der absoluten Wahrheit nie
absolut sein. Andererseits darf man nicht vergessen, dass die Offenbarung, die eine Religion
verkündet, immer in Beziehung zu der Welt steht, in der sie geoffenbart und aufgenommen
wurde. Sie steht in Relation zu der die Offenbarung empfangenden Welt. Die Beziehung
stimmt nur in Bezug auf ihre Kultur-Welt. Das ist die Dynamik der Relativität. Nur in der
jeweiligen Relation zu Gott, Welt und Mensch hat jedwede Wahrheit ihre Bedeutung, ihren
Anspruch und ihre Geltung. Solch ein Vorverständnis kann uns befähigen einen fruchtbaren
Dialog mit den Religionen zu führen. Das wird bestens dargestellt in der Enzyklika von Papst
Johannes Paul II. Redemptoris Missio, 56, das sich auch als Schlusswort hier eignet: „Der
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Dialog gründet auf der Hoffnung und der Liebe und wird im Geist Frucht bringen. Die
anderen Religionen stellen eine positive Herausforderung für die Kirche dar; sie regen sie
sowohl dazu an, die Zeichen der Gegenwart Christi und des Wirkens des Geistes zu entdecken
und anzuerkennen, als auch dazu, die eigene Identität zu vertiefen und die Gesamtheit der
Offenbarung zu bezeugen, dessen Wahrerin sie zum Wohl aller ist.“
Francis X. D’Sa SJ, geb. 1936 in Gokak Falls/Indien, 1953 Eintritt in den Jesuitenorden, ist
seit 2003 Gastprofessor am Stiftungslehrstuhl für Missionswissenschaft und Dialog der
Religionen an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Würzburg. 2006 erhielt
er vom Fachbereich Katholische Theologie der Universität Frankfurt für seine Bemühungen
um die interkulturelle Theologie und den Dialog zwischen den Religionen, vor allem
zwischen Christentum und Hinduismus, die Ehrendoktorwürde. Er ist ein sehr geschätzter
Referent bei Veranstaltungen für Theologie im Fernkurs.
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