Korrektheit und Vollständigkeit von F0 Frage: Lassen sich alle Tautologien als Theoreme in System F0 herleiten? Satz 2.14 (Korrektheit und Vollständigkeit von F0 ) Sei A ∈ F0 eine Formel der Aussagenlogik. a) Korrektheit: Gilt ⊢F0 A, dann auch |= A d.h. jedes Theorem in T (F0 ) ist eine Tautologie. b) Vollständigkeit: Gilt |= A, dann auch ⊢F0 A d.h. alle Tautologien lassen sich in F0 herleiten. A. Poetzsch-Heffter (TU Kaiserslautern) Logik SoSe 2017 57 / 194 Korrektheit und Vollständigkeit von F0 (Fort.) Als Hilfsmittel dient: Lemma 2.15 Seien A ∈ F0 und p1 , . . . , pn , n > 0, die in A vorkommenden Aussagevariablen. Sei ψ eine Belegung. Mit A, falls Bψ (A) = 1 pi , falls Bψ (pi ) = 1 ′ A := Pi := ¬A, falls Bψ (A) = 0 ¬pi , falls Bψ (pi ) = 0 gilt P1 , . . . , Pn ⊢ A′ . A. Poetzsch-Heffter (TU Kaiserslautern) Logik SoSe 2017 58 / 194 Folgerung Folgerung 2.16 Sei Σ ⊆ F0 , A ∈ F0 . Σ ⊢F0 A gilt genau dann, wenn Σ |= A gilt. Σ ist genau dann konsistent, wenn Σ erfüllbar ist. Ist Σ endlich und A ∈ F0 , dann ist Σ ⊢F0 A entscheidbar. A. Poetzsch-Heffter (TU Kaiserslautern) Logik SoSe 2017 59 / 194 Beweis der Folgerung Beweis: 1. Aussage: Σ ⊢F0 A 2.8 ⇐⇒ Es gibt A1 , . . . , An ∈ Σ mit A1 , . . . , An ⊢F0 A D.T. ⇐⇒ Es gibt A1 , . . . , An ∈ Σ mit ⊢F0 (A1 → (A2 → . . . (An → A) . . .)) 2.14 ⇐⇒ Es gibt A1 , . . . , An ∈ Σ mit |= (A1 → (A2 → . . . (An → A) . . .)) D.T. ⇐⇒ Es gibt A1 , . . . , An ∈ Σ mit A1 , . . . , An |= A K.S. ⇐⇒ Σ |= A A. Poetzsch-Heffter (TU Kaiserslautern) Logik SoSe 2017 60 / 194 Beweis der Folgerung (Fort.) Beweis: 2. Aussage: Σ ist konsistent ⇐⇒ Es gibt kein A mit Σ ⊢ A und Σ ⊢ ¬A ⇐⇒ Es gibt kein A mit Σ |= A und Σ |= ¬A ⇐⇒ Σ ist erfüllbar (Lemma 1.11(c)). 3. Aussage: Sei also Σ endlich: Σ ⊢F0 A ist entscheidbar ⇐⇒ Σ |= A ist entscheidbar ⇐⇒ Die endlich vielen Belegungen, die Σ erfüllen, lassen sich berechnen und für jede lässt sich prüfen, ob sie A erfüllt A. Poetzsch-Heffter (TU Kaiserslautern) Logik SoSe 2017 61 / 194 Sequenzenkalkül Es gibt weitere korrekte und vollständige deduktive Systeme für die Aussagenlogik. Das folgende System geht auf Gerhard Gentzen (1909–1945) zurück. Es erleichtert das automatische Finden von Beweisen. Definition 2.17 (Gentzen-Sequenzenkalkül) Seien Γ, ∆ ⊆ F endliche Mengen von Formeln. Eine Sequenz ist eine Zeichenreihe der Form Γ ⊢G ∆ . Die Menge der Sequenzen bezeichnen wir mit FG . Wir betrachten die Sequenzen als spezielle Form von Formeln. Semantische Interpretation von Sequenzen: Eine Sequenz Γ ⊢G ∆ mit Γ = {A1 , . . . , An } und ∆ = {B1 , . . . , Bm } ist allgemeingültig, wenn für jede Belegung ψ gilt: es gibt ein Ai ∈ Γ mit Bψ (Ai ) = 0 oder ein Bj ∈ ∆ mit Bψ (Bj ) = 1. Semantisch entspricht Γ ⊢G ∆ also der Formel (A1 ∧ · · · ∧ An ) → (B1 ∨ · · · ∨ Bm ). A. Poetzsch-Heffter (TU Kaiserslautern) Logik SoSe 2017 62 / 194 Sequenzenkalkül (Fort.) Definition 2.17 (Gentzen-Sequenzenkalkül (Fort.)) Die folgenden Schemata definieren die Axiome des Sequenzenkalküls: (Ax1) Γ, A ⊢G A, ∆ (Ax2) Γ, A, ¬A ⊢G ∆ (Ax3) Γ ⊢G A, ¬A, ∆ Die folgenden Schemata definieren die Regeln des Sequenzenkalküls: Γ ⊢G A, B, ∆ Γ, A, B ⊢ ∆ R∧,∨ : Γ, A ∧ B ⊢G ∆ Γ ⊢G A ∨ B, ∆ G Γ ⊢G A, ∆ ; Γ, B ⊢G ∆ Γ, A → B ⊢G ∆ R→ : Γ, A ⊢G ∆, B Γ ⊢G A → B, ∆ R¬ : Γ, A ⊢G ∆ Γ ⊢G ¬A, ∆ R∧′ : Γ ⊢G A, ∆ ; Γ ⊢G B, ∆ Γ ⊢G A ∧ B, ∆ R∨′ : Γ, A ⊢G ∆ ; Γ, B ⊢G ∆ Γ, A ∨ B ⊢G ∆ A. Poetzsch-Heffter (TU Kaiserslautern) Γ ⊢G A, ∆ Γ, ¬A ⊢G ∆ Logik SoSe 2017 63 / 194 Sequenzenkalkül (Fort.) Eine Sequenz Γ ⊢G ∆ heißt herleitbar oder ableitbar , falls es eine endliche Folge von Sequenzen Γ1 ⊢G ∆1 , . . . , Γr ⊢G ∆r gibt mit Γr ≡ Γ, ∆r ≡ ∆, so dass gilt: Jedes Γj ⊢G ∆j mit 1 ≤ j ≤ r ist ein Axiom oder geht aus vorangehenden Folgegliedern aufgrund einer Regel hervor. Satz 2.18 Der Sequenzenkalkül ist korrekt: Wenn Γ ⊢G ∆ herleitbar ist, gilt Γ |= ∆ . vollständig: Wenn Γ |= ∆ gilt, ist Γ ⊢G ∆ herleitbar. W Dabei ist Γ |= ∆ definiert als Γ |= B∈∆ B. A. Poetzsch-Heffter (TU Kaiserslautern) Logik SoSe 2017 64 / 194 Beispiel Beispiel 2.19 Es gilt p ∨ q, ¬p ∨ r ⊢G q ∨ r . Beweis: q, ¬p ∨ r ⊢ q, r p, r ⊢ q, r p, ¬p ⊢ q, r p, ¬p ∨ r ⊢ q, r p ∨ q, ¬p ∨ r ⊢ q, r p ∨ q, ¬p ∨ r ⊢ q ∨ r Ax1 Ax1 Ax2 R∨′ R∨′ R∨ Beweise im Sequenzenkalkül werden typischerweise aber nicht als eine Folge von Sequenzen angegeben, sondern bottom-up konstruiert und baumartig notiert (siehe Vorlesung). A. Poetzsch-Heffter (TU Kaiserslautern) Logik SoSe 2017 65 / 194