AO - Klassifikation

Werbung
Hauptvorlesung Chirurgie
Unfallchirurgischer
Abschnitt
Klinik für Unfallchirurgie
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein,
Campus Lübeck
Das Becken
Anatomie
Das knöcherne Becken,
Pelvis, besteht aus:
• den beiden Hüftbeinen,
Ossa coxae
• dem Kreuzbein, Os sacrum
• dem Steißbein, Os coccygis
Das Becken
Anatomie
Das Hüftbein, Os coxae,
wiederum setzt sich aus drei
Knochen zusammen, die in der
Fossa acetabuli synostosieren:
• Schambein, Os pubis
• Darmbein, Os ilium
• Sitzbein, Os ischii
Das Becken
Anatomie
Innerhalb des Beckens existieren
keine knöchernen Verbindungen,
die Kräfte werden über Synchondrosen
(ventral: Symphyse
dorsal: Iliosacralgelenke) weitergeleitet.
Der Hauptkraftfluß geht von der Wirbelsäule auf
Iliosacralgelenke und dann auf beide Pfannendächer.
die
Der Discus interpubicus der Symphyse hat die Funktion eines
bandscheibenartigen Druckkissens
Das Becken
Anatomie
Die beim aufrechten Gang
auftretenden Verschiebekräfte
werden durch starke
Bandstrukturen neutralisiert:
• Die Ligamenta sacroiliaca dorsalia
verhindern ein Wandern des
Kreuzbeines nach ventro-caudal.
• Die Ligamenta sacrospinalia und
sacrotuberalia neutralisieren
Rotationskräfte und dienen als
intrapelvine ligamentäre
Zuggurtung.
Das Becken
Anatomie
Beckenverletzungen sind fast immer das
Resultat massiver Gewalteinwirkung
(mehr als 20% der Polytraumatisierten
haben Beckenfrakturen
Schwere Begleitverletzungen sind
• Harnröhren abriß
• Blasenruptur
• Retro- und intraabdominelle Blutungen
(Blutverlust bis zu 5l möglich)
Das Becken
Diagnostik
•
Röntgen:
•
Beckenübersicht (Füße 20° innenrotiert)
•
Hüftgelenke: a.p.
Seitlich
•
Inlet-Aufnahme (40° fußwärts gerichteter Zentralstrahl),
gute Beurteilbarkeit von rotatorischer Instabilität
•
Outlet-Aufnahme (40° kopfwärts gerichteter
Zentralstrahl), gute Burteilbarkeit von vertikaler
Instabilität
Das Becken
Diagnostik
•
Beckenverletzungtraumatologisch-orientierte
Anamnese
•
Inspektion:
Beinverkürzung
Rotationsfehlstellung
Hämatome
•
Palpation:
Beckenkompressionsschmerz
Stauchungs- und Klopfschmerz
über dem Trochanter major
Das Becken
Diagnostik
•
Funktionsprüfung:
Flexion/Extension
Innen- und Außenrotation
Ab- und Adduktion
•
Rektale (vaginale) Untersuchung gibt Hinweis auf
Begleitverletzungen
Das Becken
Diagnostik
•
Sonographie des Abdomens gibt Aufschluß über frei
Flüssigkeit und/oder retroperitoneales Hämatom
•
Computertomographie (2-3-dimensional) ermöglicht eine
genaue Beurteilung des hinteren Beckenrings
•
Retrograde Urethrographie erfolgt bei Blut aus der
Harnröhre und erlaubt die Beurteilung der ableitenen
Harnwege (urologisches Konsil)
Das Becken
Klassifikation
Die Klassifikation orientiert sich am Ausmaß des
Stabilitätsverlustes des dorsalen Ringsegmentes
(als vorderen/ventralen Beckenring bezeichnet man
Os pubis und Os ischii,
als hinteren/dorsalen das Os ilium).
Das Becken
AO - Klassifikation
A-Frakturen: Stabile Beckenringfraktur
Keine rotatorische oder vertikale Instabilität
Häufigster Verletzungstyp
A-1:
Abrißfraktur der Spina iliaca anterior superior
oder inferior und des Tuber ischidicum
(Beckenring bleibt unbetroffen)
Das Becken
AO - Klassifikation
A-2:
Einfache Frakturen des vorderen Beckenringes
ohne Dislokation (z.B. Schmetterlingsfraktur =
bds. vordere Beckenringfraktur)
A-3:
Extrapelvine Kreuz- und Steißbeinfrakturen
Das Becken
AO - Klassifikation
B-Frakturen: Beckenfraktur mit rotatorischer Instabilität
B-1:
Symphysenruptur: „Open-book-Injury“
Symphysendistraktion unter 2,5 cm bedeutet
Läsion ist auf die Symphyse beschränkt
Symphysendistraktion mehr als 2,5 cm bedeutet
Teilzerreissung an den Sacroiliacalgelenken
Das Becken
AO - Klassifikation
B-2:
Vordere Beckenringfraktur mit
Kompressionsfraktur des Kreuzbeines (vorderer
und hinterer Beckenring derselben Seite sind
verletzt).
B-3:
Beidseitige Frakturen des vorderen Beckenringes
Das Becken
AO - Klassifikation
C-Frakturen: Schwere Beckenfraktur mit kompletter dorsaler
und translatorischer Instabilität, woraus eine
Dislokation in vertikaler (rotatorischer) und
horizontaler Richtung resultiert.
C-1:
Einseitige Läsion
Das Becken
AO - Klassifikation
C-2:
Beidseitige Läsion
B-3:
Bilateraler Typ mit Acetabulumfraktur
Das Becken
Symptomatik
Der Patient ist:
• schmerzgeplagt
• kann das Bein der betroffenen Seite nicht bewegen
• retroperitoneale Massenblutungen können zu einem
hämorrhagischen Schock führen
• Verletzungen des Urogenitalsystems liegen in 10% vor: es
überwiegen Blasenrupturen, gefolgt von
Harnröhrenrupturen (Cave: Katheterisierung)
• intraabdominelle Verletzungen zeigen sich in 2-3%: Leberoder Milzverletzungen
• Darmverletzungen (besonders Enddarm) gibt es in 1-2%
• Nervenschäden betreffen meist den N. ischiadicus oder
den Plexus lumbosacralis
Das Becken
Therapie
Typ A-Frakturen: Konservativ, ggf. 1-2 Tage Bettruhe,
Analgetika, Antiphlogistika und Kühlung,
dann schmerzorientierte Vollbelastung
Das Becken
Therapie
Typ B-Frakturen:
B1:
Größer als 2,5 cm Symphysensprengung
erfordert eine Plattenosteosynthese
(ME frühzeitig!)
B2:
Seitliche Kompressionsfrakturen werden
i.d.R. konservativ behandelt (gelegentlich
Fixateur externe): Bettruhe, Gehwagen
B3:
Meist Anlage eines Fixateur externe, nach
6 Wochen Mobilisation
Das Becken
Therapie
Typ C-Frakturen: Offene Reposition und Retention mittels
Platten- und Zugschrauben sind die
Regel, nach 6 Wochen Teilbelastung.
Das Becken
Therapie
Beckenfrakturen sollten innerhalb
von 5 Tagen operiert werden.
Im Rahmen eines Polytraumas
erfolgt die operative Stabilisierung
des Beckens nach Revision der
intraabdominellen Verletzungen.
Ein Fixateur externe kann zur
temporären Notfallstabilisierung
ventral– und dorsalseitig eingesetzt
werden.
Das Becken
Therapie
Eine Beckenzwinge dient nur der
Kompression des dorsalen
Beckenringes (reduziert Blutungen
aus Sacralvenenplexus und
Knochen).
Das Becken
Nachbehandlung
• Thromboseprophylaxe bis zur vollständigen
Mobilisation.
• Physiotherapie mit isometrischen Übungen,
Durchbewegen mit initialer Limitierung der
Bewegungsexkursion, Kontrakturprophylaxe.
Das Becken
Komplikationen
• postop.Arthrose (Hüfte, Iliosacralgelenk)
• Beinlängendifferenz, Rückenbeschwerden
(veränderte Statik möglich)
• Miktions- und Defäkationsbeschwerden
• Sexualfunktionsstörungen
• Geburtshindernis
• Thrombose
Acetabulum
Anatomie
Das Acetabulum besteht aus:
Os ilium, Os ischii und Os pubis
Der ventrale Pfeiler besteht aus:
• der vorderen Darmbeinschaufel
• der vorderen Hälfte des
Acetabulums
• und dem oberen und unteren
Schambeinast
Der dorsale Pfeiler bezeichnet
• das Sitzbein
• die hintere Hälfte des Acetabulums
• und die hintere Darmbeinschaufel bis zur Incisura ischiadica
major
Acetabulum
Klassifikation
Eine gängige Einteilung erfolgt
nach Judet und Letournel
Typ I: Dorsale Pfannenrandfraktur
(häufigste Form)
Typ II: Dorsale Pfeilerfraktur
Typ III: Pfannenbodenquerfraktur
(beide Pfeiler sind betroffen)
Typ IV: Ventrale Pfeilerfraktur
Acetabulum
Klassifikation
AO-Klassifikation:
A-Fraktur: Fraktur eines Pfeilers
bei intaktem zweiten Pfeiler
B-Fraktur: Querfraktur, wobei ein
Teil des Pfannendaches am
Os ilium verblieben ist
C-Fraktur: Fraktur beider Pfeiler,
wobei das Acetabulum vom
übrigen Becken getrennt ist
Acetabulum
Symptomatik
• Schmerzhafte Bewegungseinschränkung im betroffenen Hüftgelenk
(keine Belastung möglich)
• Intensiver Stauchungs- und Beckenkompressionsschmerz
• Beinfehlstellung (oft innenrotiert und verkürzt!)
• Oft zusätzlich:
• Beckenringfraktur
•Hüftkopfluxation
•Parese Nervus ischiadicus (N. peroneus)
Acetabulum
Verletzungsmechanismen
Acetabulumfrakturen entstehen oft durch indirekte Gewalteinwirkung:
• Typisch ist ein Anpralltrauma am Armaturenbrett (Dashboardinjury).
• Auch ein schweres indirektes Trauma ist möglich.
• 50% der Patienten sind polytraumatisiert.
Der vordere Pfeiler ist eher bei Extension und Außenrotation des
Hüftgelenkes betroffen.
Der hintere Pfeiler ist eher bei Flexion und Innenrotation verletzt.
Acetabulum
Diagnostik
Klinisch:
wie bei Beckenfraktur
Röntgen:
• Beckenübersicht
• Ala-Aufnahme
(die nicht verletzte Beckenhälfte wir um 45°
angehoben. Dies führt dazu, daß der
Röntgenstrahl senkrecht auf die
Beckenschaufel auftrifft) dient der Beurteilung
des dorsalen Pfannenrandes, Pfeilers, des
Pfannendaches und der Linea terminalis sowie
des Beckeneinganges.
Acetabulum
Diagnostik
Röntgen:
• Obturator-Aufnahme
(verletzte Beckenhälfte wird um 45°
angehoben. Dies führt dazu, daß der
Röntgenstrahl senkrecht auf das Foramen
obturator trifft) stellt den ventralen
Pfannenrand, beckenseitigen Pfannengrund,
den dorsalen Rand des Os ilium und die
Ala ossis ilii dar.
Acetabulum
Diagnostik
Röntgen:
• CT und 3D-Rekonstruktion.
Acetabulum
Therapie
Konservativ:
• Bei nicht bis minimal dislozierten Frakturen: ggf. 3-6 Wochen
supracondyläre Extension
Operativ:
• Alle dislozierten Frakturen werden reponiert, die Gelenkfläche
rekonstruiert und mittels Platten und Schrauben stabilisiert.
Nachbehandlung:
• Frühfunktionell unter Entlastung für 12 Wochen
Acetabulum
Komplikationen
• Posttraumatische Arthrose
• Hüftkopfnekrose (besonders bei Luxationsfrakturen)
• Periartikuläre Verkalkungen
• Läsion des Nervus ischiadicus (N. peroneus)
Herunterladen
Study collections