Nahrungssicherung durch nachhaltige Aquakultur Die Bevölkerung unserer Erde wächst unaufhaltsam. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden im Jahr 2050 9,15 Milliarden Menschen unseren Planeten bevölkern. Diese müssen auch ernährt werden. Dazu müsste die allgemeine Nahrungsmittelproduktion bis dahin um etwa 70% gesteigert werden. Aus diesem Grund erhöht sich der Druck auf die Lebensmittelindustrie, neue Methoden zur Lebensmittelproduktion zu entwickeln. In erster Linie geht es darum, die Nahrungsmittelerzeugung effizienter zu gestalten. Ein besonderes Problem stellt hier das Fleisch dar: 2007 verzehrte jeder EU-Bürger im Durschnitt etwa 22 kg. Bei deutschen Rindern liegt der Futterquotient (FQ) – das Verhältnis von aufgenommenem Futter zur Gewichtszunahme in kg – im Durchschnitt bei 8. Das ist eine ganze Menge, zumal ihr Schlachtgewicht bei 430 bis 600 kg liegt. Bei Geflügel sieht das schon ganz anders aus: Pro Kilogramm Futter nehmen sie immerhin ein halbes Kilo zu. Doch der absolute Spitzenreiter in Sachen FQ ist die Regenbogenforelle. Bei ihr liegt der Wert häufig unter 1 – das bedeutet, dass der Fisch mehr wächst als er frisst! Außerdem ist die Schlachtausbeute bei Fischen wesentlich höher als bei Rindern, Schweinen und anderen Masttieren. Von einem 500 kg schweren Rind sind lediglich 180 Kilogramm Fleisch zum Verzehr geeignet. Im Vergleich dazu können von einem 4,5 kg schweren Lachs 3,2 kg Fleisch als Nahrung verwendet werden. Aus diesen Gründen eignet sich der Fisch besonders gut zur umweltfreundlichen Haltung. Im Jahr 2009 wurden erstmals über 50% des weltweiten Fischbedarfs in Aquakulturen produziert. Voraussichtlich wird diese Zahl weiter steigen, da sich der Sektor der Aquakulturen weltweit sehr schnell entwickelt. In Deutschland wird der Bau neuer Anlagen durch strenge Auflagen allerdings sehr erschwert. Das benötigte Wasser wird meistens aus angrenzenden natürlichen Gewässern entnommen und später wieder zurückgeleitet. Für die Errichtung eines solchen Durchlaufsystems benötigt man viele Genehmigungen. Da das Wasser bei der Fischzucht allerdings z.B. durch den Kot der Tiere verschmutzt wird, stellen die Behörden diese die in den allerwenigsten Fällen auch aus. Doch es gibt eine Lösung für dieses Problem: In der Fischereiforschungsstelle des Landes Baden-Württemberg in Langenargen wird an so genannten Kreislaufsystemen geforscht. Durch eine sehr gute Reinigung des Wassers kann es vor Ort weiter verwendet werden und wird nicht mehr abgeleitet. Frischwasser wird für die Reinigung des Wassers in den Zuchtbecken zwar benötigt, insgesamt ist ein Zufluss von außen aber nur noch in sehr geringer Menge erforderlich. Eine Methode zur Reinigung des Wassers innerhalb des Kreislaufs besteht darin, die Schmutzpartikel mit Filtern zu entfernen. Eine weitere Möglichkeit ist die Veränderung der physikalischen Eigenschaften des Kotes. So können spezielle Bindemittel wie z.B. Guaran, das man z.B. auch in Speiseeis findet, den Fischkot verfestigen. Außerdem wird durch Beimischung von Kork in das Fischfutter die Dichte des Kotes reduziert, was ihn zum Schwimmen bringt. So kann man die Exkremente leicht von der Wasseroberfläche abschöpfen. Doch diese umweltschonenden Systeme stehen erst am Anfang ihrer Entwicklung und sind bisher nur für wenige Fischereibetriebe rentabel. Deshalb gibt es derzeit in Deutschland weniger als zehn dieser Kreislaufsysteme. Die steigende Nachfrage nach Fischprodukten wird aber sicher zu einer weiteren Entwicklung beitragen. Felix Albers, Merlin Ehlers, Jonas Gierer, Jan-Philipp Meurer, Selda Sahin Qualität statt Quantität Ein Besuch in der Forellenzuchtanstalt Bad Saulgau Es ist frisch. Die Sonne steht hoch am Himmel. Der Wind bringt Kälte und Fischgeruch. In den Becken, die sich über den gesamten Hof erstrecken, tummeln sich hunderte Forellen in verschiedensten Größen und Farben. Peter Störk, der Inhaber der Forellenzuchtanstalt Bad Saulgau, erklärt, dass er drei verschiedene Forellenarten züchtet: Bach-, Gold- und Regenbogenforellen. Mit seinem Kescher holt er geschickt einige zappelnde und bunt schillernde Regenbogenforellen aus dem Becken. „Das ist mein Hauptprodukt, da es am besten zu vermarkten ist“, erläutert er stolz. Ein weiteres Erzeugnis sind Kleinfische und Fischeier, die von den Käufern zur eigenen Zucht im heimischen Teich benutzt werden. Insgesamt verkauft er mehrere Millionen Exemplare monatlich, wobei es sich vor allem um Jungtiere handelt. Ein schwindend geringer Teil geht an lokale Verkäufer, unter anderem auch schon selbst weiterverarbeitete Räucherfische. Der Rest wird an Großunternehmen verkauft, die sich teilweise im Ausland befinden. Für die Forellenzucht braucht man verschiedene spezielle Geräte. Es fallen Fachbegriffe wie Sauerstoffbelüfter, Absetzbecken, Elevator und vollautomatische Fütterungsanlage. Diese Maschinen sollen eine artgerechte Haltung der Tiere ermöglichen. Der ständig ratternde Belüfter und die Fütterungsanlage sorgen für die lebensnotwendige Versorgung der Fische mit Sauerstoff und Nahrung. Der Elevator ist dagegen für die Produktion zuständig. Er befördert die Fische zu einer Maschine, wo sie nach Größe sortiert werden. Im Absetzbecken wird das Wasser gereinigt. Es läuft durch mehrere Becken, in denen die Schmutzpartikel auf den Grund absinken, bis das Wasser gänzlich gesäubert ist und wieder verwendet werden kann. So wird v.a. der Fischkot gesammelt, der anschließend als Dünger weiterverwertet werden kann. Durch diese Methoden wird eine hohe Qualität der Forellen gesichert. Peter Störk betont mehrfach eindringlich, dass die Einhaltung dieser Standards streng von den Behörden kontrolliert wird. Bedauerlicherweise ist die ausländische Fischindustrie nicht an solche strengen Richtlinien gebunden, so dass sie billiger produzieren kann. Diese Konkurrenzprodukte machen einheimischen Fischzuchtanstalten mehr und mehr zu schaffen. Dies sollte zu denken geben: Wollen wir einfach nur viel für wenig haben oder doch wenig, dafür aber gut. Unser Grundsatz sollte lauten: „Qualität statt Quantität.“ Adriano Tornincasa, Maik Grote Infobox: Aquakulturen Aquakulturen sind Anlagen, die schon im alten China genutzt wurden, um Fische oder andere Lebewesen im Wasser zu züchten, z.B. Muscheln oder Wasserpflanzen. Mittlerweile stammen schon 50% unserer Speisefische aus solchen Zuchtbetrieben. Die am meisten produzierte Fischart ist dabei die Regenbogenforelle. Experten vermuten, dass Aquakulturen sich zu einer wichtigen Nahrungsquelle für die immer weiter anwachsende Weltbevölkerung entwickeln werden. Der Grund für ihre große Popularität sind die niedrigen Futterkosten und die Einsparung von Treibhausgasen im Vergleich zu der Zucht von anderen Tieren, wie z.B. Rindern. Um Problemen, wie zu vielen Exkrementen und dem Einsatz von Antibiotika, vorzubeugen, nutzen modernere Anlagen heute ein verändertes Futter und moderne Impfstoffe. Die Fischereiforschungsstelle des Landes Baden-Württemberg in Langenargen, die im Jahre 1920 gegründet wurde, arbeitet daran, solche Fragen zu lösen und die Fischzucht immer weiter zu optimieren. Philipp Dyroff