1 Mengen und Abbildungen

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Bertram Huppert, Wolfgang Willems
Lineare Algebra
Bertram Huppert, Wolfgang Willems
Lineare Algebra
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.
Prof. Dr. rer. nat. Bertram Huppert
Geboren 1927 in Worms. 1946-1951 Studium der Mathematik und Physik an der Universität Mainz.
1952-1963 Assistent und Dozent an der Universität Tübingen, dort 1952 Promotion und 1957 Habilitation. 1965-1995 Professor für Mathematik an der Universität Mainz. 1958/59 British Council Scholar
University Manchester, Gastprofessuren 1963/64 in Urbana (Ill., USA) und 1968/69 in Chicago.
Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Willems
Geboren 1948 in Daun. 1968-1973 Studium der Mathematik und Physik an der Universität Mainz.
1974-1995 Assistent und Hochschuldozent an der Universität Mainz, dort 1976 Promotion und 1985
Habilitation. 1986/87 und 1989-1991 Gastprofessor an der Universität Essen und IEM Essen. 1995-2000
Vertretungsprofessor an den Universitäten Magdeburg und Mainz. Seit 2000 Professor für Reine Mathematik an der Universität Magdeburg. Forschungsaufenthalte u. a. University of Chicago, ETH Zürich,
University of Florida.
1. Auflage Februar 2006
Alle Rechte vorbehalten
© B.G. Teubner Verlag / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006
Lektorat: Ulrich Sandten / Kerstin Hoffmann
Der B.G. Teubner Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media.
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berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne
der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von
jedermann benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de
Druck und buchbinderische Verarbeitung: Strauss Offsetdruck, Mörlenbach
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier.
Printed in Germany
ISBN 3-8351-0089-0
Réduites aux théories générales, les
mathématiques deviendraient une belle
form sans contenue, elles mourraient
rapidement.
Lebesgue
Vorwort
Der Stoff der Linearen Algebra besteht aus einem strengen axiomatischalgebraischen Begriffsgebäude. Der Anfänger hat meist nicht nur Schwierigkeiten mit der allgemeinen Abstraktheit, sondern er sieht vor allem auch
selten, wozu er all dies lernen soll. Dem entgegenzuwirken, haben wir uns
in dem vorliegenden Buch bemüht, die abstrakte Theorie schrittweise soweit wie möglich mit einer Fülle von interessanten Anwendungsbeispielen
aus verschiedenen Bereichen zu beleben. Dies dient nicht nur dem besseren Verstehen der Theorie sondern auch der Motivation, sich mit dem Stoff
auseinanderzusetzen.
Im kurzen Kapitel 1 beschränken wir uns auf einfache Aussagen über
Mengen und Abbildungen. Wir behandeln jedoch bereits in 1.3 Abzählprobleme. Dies entspricht einem gestiegenen Interesse an kombinatorischen
Fragen, nicht zuletzt durch die Informatik ausgelöst.
Kapitel 2 beginnt mit der Einführung der algebraischen Strukturen Gruppe, Ring und Körper. Wir behandeln zunächst nur die einfachsten Aussagen
über Gruppen, benutzen diese aber bereits hier, um Sätze der elementaren
Zahlentheorie zu beweisen. Diese finden in 2.3 Anwendung auf das RSAVerfahren der Kryptographie (das ist die Lehre der Sicherung von Daten
gegenüber unerlaubten Zugriffen). In 2.4 führen wir den Körper C der komplexen Zahlen ein. Anschließend beweisen wir in 2.5 einfache Eigenschaften über endliche Körper, die in 3.7 bei der Codierungstheorie (das ist die
Lehre der Sicherung von Daten gegen zufällige Störungen) Verwendung finden. Nach der Behandlung zentraler Konzepte der linearen Algebra in 2.7,
nämlich Basen und Dimension von Vektorräumen, wenden wir diese Begriffe
in 2.8 an, um lineare Rekursionsgleichungen zu lösen. Einige der Ergebnisse
finden in 3.4 bei Beispielen von stochastischen Matrizen Verwendung.
Kapitel 3 enthält die zentralen Aussagen über lineare Abbildungen und
Matrizen, einschließlich der Behandlung von linearen Gleichungssystemen
in 3.9. Bereits in 3.4 gehen wir auf eine interessante Anwendung ein, die Behandlung von stochastischen Prozessen mit Hilfe stochastischer Matrizen.
Für Prozesse mit absorbierenden Zuständen gelangen wir schon hier zu recht
allgemeinen und abschließenden Resultaten, welche bei Vererbungsproblemen, Glücksspielen und Irrfahrten Anwendung finden. Unter Ausnutzung
der Ergebnisse über endliche Körper entwickeln wir in 3.7 die Grundzüge
der Codierungstheorie.
viii
Vorwort
Im Kapitel 4 ergänzen wir zunächst die Gruppentheorie um die Begriffe
Homomorphismus und Normalteiler. Dies liefert den natürlichen Hintergrund für das Signum von Permutationen und die Determinante von linearen Abbildungen bzw. Matrizen. In 4.4 finden Fragen über die Erzeugung
der linearen Gruppe ihren natürlichen Platz. Wir beschließen Kapitel 4 mit
einem Abschnitt über die Graßmann-Algebra, welcher die Kraft universeller
Definitionen zeigt und den Zugang zu weiteren Sätzen über Determinanten
liefert.
Im zentralen Kapitel 5 entwickeln wir zuerst Grundbegriffe der Ringtheorie, wobei wir systematisch vom Idealbegriff Gebrauch machen. Wir behandeln in 5.3 die feinere Arithmetik von kommutativen Ringen, wobei wir den
elementaren Begriff des kleinsten gemeinsamen Vielfachen als Ausgangspunkt nehmen. Dies führt zur Arithmetik des Polynomrings, ausgedrückt
durch die Begriffe kleinstes gemeinsames Vielfaches, größter gemeinsamer
Teiler und Primfaktorzerlegung. Damit haben wir das entscheidende Hilfsmittel zur Hand, um subtilere Aussagen über lineare Abbildungen zu beweisen, die von Eigenwerten, Diagonalisierbarkeit und Jordanscher Normalform
handeln.
Im Kapitel 6 führen wir auf Vektorräumen über R und C Normen ein,
was zu Normen für lineare Abbildungen und Matrizen führt. Dies erlaubt
die Untersuchung der Konvergenz von Matrizen. In 6.3 behandeln wir die
grundlegenden Sätze von Perron und Frobenius über nichtnegative Matrizen. Diese erlauben wichtige Anwendungen auf stochastische Matrizen und
Suchverfahren im Internet (Google). In 6.4 führen wir die Exponentialfunktion von Folgen von Matrizen ein, mit deren Hilfe wir Systeme von linearen
Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten lösen. Die Natur der
in den Lösungen auftretenden Funktionen (Exponentialfunktion, Polynome)
wird dabei durch die Jordansche Normalform geklärt. Schließlich führen wir
in 6.5 die Theorie der stochastischen Matrizen unter Verwendung der Eigenwerte zu einem Abschluß und behandeln als Anwendung Mischprozesse
(Kartenmischen, Polya’s Urnenmodell).
Das Kapitel 7 beginnt mit Skalarprodukten auf Vektorräumen über beliebigen Körpern. In 7.4 studieren wir damit den Dualen eines Codes, beweisen den grundlegenden Dualitätssatz von MacWilliams und untersuchen
optimale Codes. Anschließend behandeln wir in 7.5 den Minkowskiraum und
seine Isometrien, die Lorentztransformationen. Dies gestattet in 7.6 einen
schnellen Zugang zur Kinematik der speziellen Relativitätstheorie von Einstein. Lorentzkontraktion, Einstein’s Zeitdilatation und Einstein’s Additionsgesetz für Geschwindigkeiten finden hier ihre einfache Erklärung.
Vorwort
ix
Gegenstand von Kapitel 8 ist die klassische Theorie der Vektorräume
über R oder C mit positiv definitem Skalarprodukt. Hier kommen Ergebnisse aus den Kapiteln 6 und 7 zusammen. Das Spektralverhalten von normalen, hermiteschen und unitären Abbildungen steht im Vordergrund. Ein
kurzer Abstecher in Vektorräume von unendlicher Dimension liefert die Heisenberg’sche Unschärferelation der Quantentheorie. In 8.5 verbinden wir die
Spektraltheorie der hermiteschen Matrizen mit den Ergebnissen über lineare
Differentialgleichungen aus 6.4, um mechanische Schwingungen zu behandeln. Hier wird die technische Bedeutung der Eigenwerte sichtbar.
Im abschließenden Kapitel 9 sind wir mit positiv definitem Skalarprodukt auf R-Vektorräumen bei der klassischen euklidischen Geometrie angekommen. Nach den orthogonalen Abbildungen betrachten wir in 9.2 die
Liealgebra zur orthogonalen Gruppe. In der Dimension drei führt dies auf
natürliche Weise zum vektoriellen Produkt. In 9.3 führen wir den Schiefkörper der Quaternionen ein und untersuchen mit seiner Hilfe die orthogonalen
Gruppen in den Dimensionen drei und vier. Der letzte Abschnitt 9.4 handelt
von den endlichen Drehgruppen in drei Dimensionen, die mit den platonischen Körpern eng verbunden sind.
Wir waren bestrebt, so früh wie möglich Anwendungen der algebraischen
Theorie zu geben. Diese möglichst vielseitigen Anwendungen dienen einerseits der Einübung von Rechentechniken, aber auch zur Erweiterung des
Blickfelds. Beim ersten Studium können einige dieser Abschnitte übergangen werden, aber wir glauben, daß sie für die Motivierung des Lesers eine
große Rolle spielen. Einige dieser Abschnitte könnten auch in Proseminaren
verwendet werden.
Unter der Überschrift Ausblick geben wir gelegentlich Informationen an,
die der Leser an dieser Stelle zwar verstehen kann, deren Beweis mit den
vorliegenden Hilfsmitteln jedoch nicht möglich ist. Mitunter handelt es sich
dabei um berühmte Sätze oder Vermutungen, z.B. über transzendente Zahlen, endliche Gruppen oder projektive Ebenen.
Beim ersten Auftreten des Namens eines bedeutenden Mathematikers geben wir in einer Fußnote kurze Informationen über Lebenszeit, Wirkungsstätten und Beiträge zur Forschung an.
Die Aufgaben behandeln mitunter Aussagen, welche den Text ergänzen.
Im Anhang geben wir zu einigen die Lösung an.
Wir danken Frau Dipl.-Math. Christiane Behns für viele Hilfen bei der
Erstellung der Latex-Version des Manuskriptes und Herrn Dipl.-Wirtsch.Math. Ralph August für sein sorgfältiges Korrekturlesen.
Limburgerhof,
Magdeburg, im Februar 2006
Bertram Huppert
Wolfgang Willems
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
vii
1 Mengen und Abbildungen
1
1.1 Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.3 Binomialkoeffizienten; elementare Abzählungen . . . . . . . . 13
2 Vektorräume
2.1 Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Ringe und Körper . . . . . . . . . . . . .
2.3 Das RSA-Verfahren in der Kryptographie
2.4 Der komplexe Zahlkörper . . . . . . . . .
2.5 Endliche Körper . . . . . . . . . . . . . .
2.6 Vektorräume und Unterräume . . . . . . .
2.7 Lineare Abhängigkeit, Basen, Dimension .
2.8 Rekursionsgleichungen . . . . . . . . . . .
2.9 Der Faktorraum . . . . . . . . . . . . . .
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21
21
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42
49
53
59
72
80
3 Lineare Abbildungen und Matrizen
3.1 Lineare Abbildungen . . . . . . . . . . .
3.2 Das Rechnen mit linearen Abbildungen
3.3 Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.4 Stochastische Matrizen I . . . . . . . . .
3.5 Die Spur . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.6 Projektionen und direkte Zerlegungen .
3.7 Codierungstheorie I . . . . . . . . . . . .
3.8 Elementare Umformungen . . . . . . . .
3.9 Lineare Gleichungen . . . . . . . . . . .
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83
83
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117
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165
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4 Determinanten
182
4.1 Gruppenhomomorphismen, Normalteiler, Faktorgruppen . . . 182
4.2 Permutationen und Signum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
xii
Inhaltsverzeichnis
4.3
4.4
4.5
Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
Erzeugung von GL(V) und eine Charakterisierung der Determinante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
Die Graßmann-Algebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
5 Normalformen von Matrizen
5.1 Polynome und ihre Nullstellen . . . . . . . .
5.2 Ringe und Ideale . . . . . . . . . . . . . . .
5.3 Arithmetik in Integritätsbereichen . . . . .
5.4 Charakteristisches Polynom und Eigenwerte
5.5 Minimalpolynom und Diagonalisierbarkeit .
5.6 Moduln über Hauptidealringen . . . . . . .
5.7 Die Jordansche Normalform . . . . . . . . .
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230
230
243
253
268
283
293
305
6 Normierte Vektorräume und Algebren
6.1 Normierte Vektorräume . . . . . . . .
6.2 Normierte Algebren . . . . . . . . . .
6.3 Nichtnegative Matrizen . . . . . . . .
6.4 Die Exponentialfunktion von Matrizen
6.5 Stochastische Matrizen II . . . . . . .
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312
312
323
337
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355
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371
371
388
391
404
418
429
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436
436
449
459
477
483
9 Euklidische Vektorräume und orthogonale Abbildungen
9.1 Orthogonale Abbildungen euklidischer Vektorräume . . . .
9.2 Liealgebra und vektorielles Produkt . . . . . . . . . . . . .
9.3 Quaternionen und die Gruppen SO(3) und SO(4) . . . . . .
9.4 Endliche Untergruppen von SO(3) . . . . . . . . . . . . . .
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498
498
510
523
535
7 Vektorräume mit Skalarprodukt
7.1 Skalarprodukte und Orthogonalität .
7.2 Orthogonale Zerlegungen . . . . . .
7.3 Isotrope Unterräume . . . . . . . . .
7.4 Codierungstheorie II . . . . . . . . .
7.5 Minkowskiraum und Lorentzgruppe .
7.6 Spezielle Relativitätstheorie . . . . .
8 Hilberträume und ihre Abbildungen
8.1 Endlichdimensionale Hilberträume .
8.2 Adjungierte Abbildungen . . . . . .
8.3 Hermitesche Abbildungen . . . . . .
8.4 Eigenwertabschätzungen . . . . . . .
8.5 Lineare Schwingungen . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
xiii
Lösungen zu ausgewählten Aufgaben
545
Literatur
573
Namensverzeichnis
575
Index
577
1 Mengen und Abbildungen
In diesem kurzen Kapitel führen wir in die Sprache der Mengenlehre ein
und behandeln einige Grundbegriffe über Abbildungen und Mengen. Der
abschließende Abschnitt ist dem Abzählen gewidmet. Hier stehen Methoden (Inklusions-Exklusions-Prinzip, doppeltes Abzählen) im Vordergrund,
die sich als sehr nützlich erweisen werden und die der Anfänger frühzeitig
erlernen sollte.
1.1
Mengen
Georg Cantor1 gab folgende Erklärung für den Begriff Menge:
Unter einer Menge verstehen wir jede Zusammenfassung von bestimmten
wohlunterschiedenen Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkens zu
einem Ganzen.
Dies ist keine mathematisch exakte Definition, da ja der zu definierende
Begriff Menge durch die nicht definierte Umschreibung Zusammenfassung
.... zu einem Ganzen erklärt wird. In der Tat ist Cantors Vorgehen zu einer
sauberen Begründung der Mengenlehre nicht ausreichend, wie schon früh
erkannt wurde. Es bedarf vielmehr einer viel genaueren Festlegung, was
man unter einer Menge verstehen soll und welche Operationen mit Mengen zulässig sind. Unvorsichtiges Umgehen mit dem Mengenbegriff führt zu
Widersprüchen. Eine sachgemäße Grundlegung der Mengenlehre erfordert
Betrachtungen, die in einem Lehrbuch für Anfänger fehl am Platze sind.
Stattdessen müssen wir uns mit einem naiven Standpunkt zufriedengeben.
In der Tat betreiben wir auch nicht wirklich Mengenlehre, sondern führen
nur eine sehr zweckmäßige Sprache ein.
Wir stellen uns im folgenden auf den naiven Standpunkt von Cantor, daß
eine Menge definiert ist, wenn feststeht, welche Objekte ihr angehören. Diese bezeichnen wir als Elemente der Menge. Mengen werden oft (aber nicht
immer) mit großen lateinischen Buchstaben bezeichnet. Ist a ein Element
der Menge M , so schreiben wir a ∈ M und sagen a gehört zu M , a liegt in
M oder auch a ist aus M . Ist a kein Element von M , so schreiben wir a ∈ M .
1 Georg Cantor (1845-1918) Halle. Begründer der Mengenlehre als mathematische Disziplin; Arbeiten über trigonometrische Reihen.
2
1 Mengen und Abbildungen
In den folgenden Beispielen legen wir weitere Bezeichnungen fest.
Beispiele 1.1.1 a) Mit N = {1, 2, 3, ...} bezeichnen wir die natürlichen
Zahlen. Die 0 ist somit keine natürliche Zahl. Wollen wir die 0 auch zulassen, so schreiben wir N0 = {0, 1, 2, 3, ...}. Ferner sei Z = {0, 1, −1, 2, −2, . . . }
die Menge der ganz-rationalen Zahlen. Schließlich sei Q die Menge der rationalen und R die Menge der reellen Zahlen. (Wir benötigen für lange
Zeit keine speziellen Kenntnisse über die reellen Zahlen; diese vermittelt die
Vorlesung Analysis.)
b) Sei F die Menge der sogenannten Fermatschen2 Primzahlen, also
F = {p | p ist eine Primzahl der Gestalt p = 2k + 1, wobei k ∈ N0 }.
Man sieht leicht, daß dann k = 2n für ein n ∈ N0 sein muß (siehe Aufgabe 1.1.1). Für n = 0, 1, 2, 3, 4 erhält man die ersten fünf Fermatschen
Primzahlen
3, 5, 17, 257, 65537.
n
Aber nicht jede Zahl der Gestalt 22 + 1 ist eine Primzahl. Für n = 5 fand
Euler3 1732 die Zerlegung
5
22 + 1 = 641 · 6700417
(siehe 2.2.5)
n
Man weiß heute, daß 22 + 1 für 5 ≤ n ≤ 30 niemals eine Primzahl ist.
Auch aufwendigste Bemühungen unter Einsatz von Computern haben keine
weitere Fermatsche Primzahl zutage gefördert. Man darf daher
F = {3, 5, 17, 257, 65537}
vermuten. Unbekannt ist bis heute sogar, ob F nur endlich viele Zahlen
enthält.
n
Für jedes einzelne n läßt sich grundsätzlich entscheiden, ob 22 + 1 eine
Primzahl ist. Die praktische Entscheidung scheitert jedoch sehr schnell an
der Größe der Zahl und der Leistungsfähigkeit der Computer. Trotzdem
stellen wir uns auf den Standpunkt, daß die oben angegebene Definition
von F eine Menge festlegt.
2 Pierre Fermat (1601-1665) Toulouse. Jurist und bedeutender Mathematiker; wichtige
Beiträge zur Zahlentheorie.
3 Leonardt Euler (1707-1783) Basel, Berlin, St. Petersburg. Der vielseitigste Mathematiker des 18ten Jahrhunderts; Beiträge zur Analysis, Algebra, Zahlentheorie, Mechanik,
Astronomie.
3
1.1 Mengen
Die Fermatschen Primzahlen sind von geometrischem Interesse wegen
des folgenden Satzes von Gauß4 (1801):
Das reguläre n-Eck ist genau dann mit Zirkel und Lineal alleine konstruierbar, wenn n die Gestalt
n = 2m p1 . . . pk
hat, wobei m ∈ N0 beliebig und die pi paarweise verschiedene Fermatsche
Primzahlen sind.
Stimmt die obenstehende Vermutung, so ist k ≤ 5. Das regelmäßige
5-Eck konnten schon die Griechen konstruieren. Neu war hingegen die Konstruktion des 17-Ecks, aber auch die Unmöglichkeit der Konstruktion eines
7- oder 9-Ecks. (Insbesondere kann man also den Winkel 2π
3 mit Zirkel und
Lineal nicht dritteln.)
c) Ähnlich wie in b) betrachten wir nun die Menge
M = {p | p ist eine Primzahl der Gestalt p = 2n − 1 mit n ∈ N}
der sogenannten Mersenneschen5 Primzahlen. Eine Zahl 2n −1 ist höchstens
dann eine Primzahl, wenn n eine Primzahl ist (Aufgabe 1.1.1). Für n =
2, 3, 5, 7, 13 ist 2n − 1 eine Primzahl, für n = 11 jedoch nicht. Bisher sind
42 Mersennesche Primzahlen bekannt. Unentschieden ist bis heute, ob es
unendlich viele gibt, aber einige Indizien sprechen dafür. Die zur Zeit größte
bekannte Mersennesche Primzahl ist
225964951 − 1.
Sie hat 7816230 Dezimalstellen und wurde im Februar 2005 gefunden.
Definition 1.1.2 Sei M eine Menge.
a) Wir nennen eine Menge N eine Untermenge, auch Teilmenge von M ,
falls jedes Element von N in M liegt. Dann schreiben wir N ⊆ M . Ist
N ⊆ M und gibt es wenigstens ein m ∈ M mit m ∈ N , so schreiben
wir N ⊂ M .
4 Karl
Friedrich Gauß (1777-1855) Göttingen. Die überragende Gestalt zu Beginn der
modernen Mathematik. Grundlegende Beiträge zur Algebra, Zahlentheorie, Differentialgeometrie, nichteuklidischen Geometrie stehen neben praktischen Arbeiten zur Astronomie, Geodäsie und Elektrizitätslehre (mit Wilhelm Weber 1831 erster Telegraph).
5 Marin Mersenne (1588-1648), als Minorit meist in Pariser Klöstern; Arbeiten zur
Mathematik und Physik.
4
1 Mengen und Abbildungen
b) Aus Gründen, deren Zweckmäßigkeit in d) klar wird, führen wir die
leere Menge ∅ ein, die keine Elemente enthält. Wir setzen im Einklang
mit a) fest, daß die leere Menge ∅ Untermenge einer jeden Menge ist.
c) Gilt Nj ⊆ M für j = 1, 2, so definieren wir die Vereinigung N1 ∪ N2
von N1 und N2 durch
N1 ∪ N2 = {m | m ∈ N1 oder m ∈ N2 }.
Ist allgemeiner Nj ⊆ M mit j aus einer Indexmenge J (nicht notwendig endlich), so setzen wir
Nj = {m | m ∈ Nj für mindestens ein j ∈ J},
j∈J
falls J = ∅ und
j∈J
Nj = ∅, falls J = ∅. ist.
d) Für Nj mit j ∈ J definieren wir analog zu c) den Durchschnitt der
Nj durch
Nj = {m | m ∈ Nj für alle j ∈ J}.
j∈J
Im Fall, daß J = ∅ ist, setzen wir j∈J Nj = M . (Man beachte, daß
N1 ∩ N2 erst nach Einführung der leeren Menge immer definiert ist.)
e) Mit P(M ) bezeichnen wir die Menge aller Untermengen von M . Diese enthält insbesondere ∅ und M selbst. Die Menge P(M ) heißt die
Potenzmenge von M .
Für das Rechnen mit Untermengen gelten einfache Regeln, deren trivialen Beweis wir dem Leser überlassen.
Lemma 1.1.3 Seien A, B, C, Nj (j ∈ J) Untermengen einer Menge M .
Dann gilt:
a) A ∪ B = B ∪ A und A ∩ B = B ∩ A.
b) A ∪ (B ∪ C) = (A ∪ B) ∪ C und A ∩ (B ∩ C) = (A ∩ B) ∩ C
(Assoziativgesetze).
c) A ∩ ( j∈J Nj ) = j∈J (A ∩ Nj ) und A ∪ ( j∈J Nj ) = j∈J (A ∪ Nj )
(Distributivgesetze).
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