Über Erweiterungen des Axioms der

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Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Mathematisches Institut
Prof. Dr. Peter Koepke
Diplomarbeit
Über Erweiterungen des
Axioms der Determiniertheit
März 2001
vorgelegt von
Philipp Rohde
Friedrichstr. 52
53111 Bonn
Inhaltsverzeichnis
Symbolverzeichnis
iii
Einleitung
1
Kapitel 1. Grundlagen
5
1.1.
Auswahlprinzipien und eine Mengenlehre ohne AC. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.2.
Reelle Zahlen, stetige Funktionen, Kodierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.3.
Die Borel-Hierarchie und die projektive Hierarchie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.4.
Uniformisierungen, Club-Mengen und Partitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
1.5.
Bäume, Suslin-Mengen und Skalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
1.6.
Konstr. Modelle, Definierbarkeit, Substrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
1.7.
Die Jensen-Hierarchie für L(R) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
Kapitel 2. Das Axiom der Determiniertheit
47
2.1.
Unendliche Spiele und die Einführung von AD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
2.2.
Einige grundlegende Konsequenzen von AD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
2.3.
AD und die Existenz Großer Kardinalzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Kapitel 3. Erweiterungen von AD
73
3.1.
Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
3.2.
Erweiterung der Komplexität der Züge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
3.3.
Erweiterung der Länge der Spiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
Kapitel 4. Konstruktible Modelle der Determiniertheit
99
4.1.
Konstruktible Modelle von AD und ADR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
4.2.
Konsistenzbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
4.3.
L(R) ist kein Modell von ADR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
4.4.
Die Wadge-Hierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
4.5.
Θ – ein Maß für die Größe des Kontinuums. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
4.6.
Weitere konstruktible Modelle von ADR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
Kapitel 5. Das Axiom AD+
5.1.
125
Die kleinste stabile Ordinalzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
i
ii
I NHALTSVERZEICHNIS
5.2.
5.3.
5.4.
Ordinalzahl-Determiniertheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
∞-Borel-Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
Die Definition von AD+ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
Literaturverzeichnis
157
Index
163
Symbolverzeichnis
Wir geben hier eine Auflistung von grundlegenden Notationen an, die in dieser Arbeit verwendet
werden und für die es in der Literatur keine einheitliche Schreibweise gibt. Alle anderen Notationen entsprechen weitgehend den üblicherweise Verwendeten.
V :≡ sei die Klasse aller Mengen oder Allklasse;
Ord :≡ sei die Klasse der Ordinalzahlen;
Succ(α) :≡ α ist eine Nachfolgerordinalzahl;
Lim(α) :≡ α ist eine Limesordinalzahl.
Seien x, y Mengen.
x ⊆ y :≡ ∀z z ∈ x ⇒ z ∈ y , x ist Teilmenge von y;
x − y :≡ {z | z ∈ x ∧ z 6∈ y} sei die Differenz von x und y;
℘(x) :≡ {z | z ⊆ x} sei die Potenzmenge von x;
Even(ω) :≡ {n ∈ ω | ∃k ∈ ω (n = 2k)} sei die Menge der geraden natürlichen Zahlen;
Odd(ω) :≡ {n ∈ ω | ∃k ∈ ω (n = 2k + 1)} sei die Menge der ungeraden natürlichen
Zahlen. Vgl. auch Definition 1.16.
Seien R, X, A Klassenterme. R heißt Relation, falls R ⊆ V × V gilt. Ist R ⊆ X × X, so heißt R
eine Relation über X.
dom(R) :≡ {x | ∃y (hx, yi ∈ R)} sei der Definitionsbereich von R;
ran(R) :≡ {y | ∃x (hx, yi ∈ R)} sei der Wertebereich von R;
R00 A :≡ {y | ∃x (x ∈ A ∧ hx, yi ∈ R)} sei das Bild von A unter R;
R−100 A :≡ {x | ∃y (y ∈ A ∧ hx, yi ∈ R)} sei das Urbild von A unter R.
Seien F, A, B Klassenterme. F heißt Funktion, falls F eine Relation ist und ∀x, y1 , y2
F ∧ (x, y2 ) ∈ F ⇒ y1 = y2 gilt.
(x, y1 ) ∈
F : A → B :≡ F Funktion ∧ dom(F ) = A ∧ ran(F ) ⊆ B, F ist eine Funktion von
A nach B;
F : A B :≡ F : A → B ∧ ran(F ) = B, F ist eine Surjektion;
F : A ,→ B :≡ F : A → B ∧ ∀x1 , x2 ∈ A
F ist eine Injektion;
(x1 , y) ∈ F ∧ (x2 , y) ∈ F ⇒ x1 = x2 ,
iii
iv
S YMBOLVERZEICHNIS
F : A ↔ B :≡ F : A ,→ B ∧ F : A B, F ist eine Bijektion;
B A :≡ {f | f : A → B} sei die Klasse der Funktionen von A nach B, so daß
f ∈ V gilt. Eine Verwechslung mit der ordinalen oder kardinalen
B <α
B ≤α
Exponentiation ist in dieser Arbeit nicht zu befürchten;
[
:≡ {B β | β < α} für α ∈ Ord;
[
:≡ {B β | β ≤ α} für α ∈ Ord;
sat :≡ die Konkatenation zweier Folgen s und t.
Einleitung
In der Sphäre eines Spiels haben die Gesetze und Ge”
bräuche des gewöhnlichen Lebens keine Geltung.“
Johan Huizinga, Homo ludens
Spiele haben eine jahrtausendalte Tradition und sind eine enorm wichtige Größe in der Entwicklung des menschlichen Geistes und der Kultur. Sie haben nicht nur eine fundamentale Bedeutung
in den ersten Entwicklungsstufen des Individuums, sondern sind eine entscheidende Komponente
jedweder Kultur: der Mensch ist ein homo ludens“ 1 .
”
Die mathematische Untersuchung von Spielen hat ebenfalls eine lange Geschichte. So haben z.B.
die mathematischen Aspekte der Würfel- und anderer Glücksspiele ganz wesentlich zur Entwicklung des Wahrscheinlichkeitsbegriffs im 17. und 18. Jahrhundert beigetragen. Derartige Fragestellungen wurden unter anderem von Blaise Pascal, Pierre de Fermat und Pierre-Simon Laplace
behandelt.
Eine andere Art von Spielen sind die sogenannten Zwei-Personen-Nullsummenspiele mit perfekter Information. Damit werden Spiele bezeichnet, bei denen zwei Spieler abwechselnd Züge nach
vorher festgelegten Regeln ausführen und die Spieler zu jedem Zeitpunkt den gesamten bisherigen
Verlauf der Partie und – zumindest prinzipiell – alle möglichen Ausgänge des Spiels kennen. Das
Ziel dieser Art von Spiele ist nur der Gewinn bzw. der Verlust für genau einen der beiden Spieler, d.h. es existiert kein unentschiedener Spielausgang. Die Entscheidung, wer das Spiel gewinnt,
hängt nur von den Zügen der Spieler ab. Zu dieser Art von Spielen zählen die meisten Brettspiele:
z.B. Dame, Go und das Schachspiel, wenn man von der Möglichkeit eines Remis einmal absieht.2
Diese Art der Spiele wurden Anfang des 20. Jahrhunderts von Ernst Zermelo, Johann von Neumann, Dénes König und anderen mit Hilfe mathematisch formulierbarer Kriterien untersucht. So
formulierte schon 1913 Zermelo das Problem, ob
der Wert einer beliebigen während des Spiels möglichen Position für eine der spie”
lenden Partien sowie der bestmögliche Zug mathematisch-objektiv bestimmt oder wenigstens definiert werden [kann].“ 3
Der erste Schritt bestand also in der Entwicklung einer mathematischen Beschreibung dieser Spiele. Man untersuchte auch die Frage, welche Konsequenzen sich ergeben, wenn das Spiel nicht
schon nach endlich vielen Zügen entschieden ist, sondern erst nachdem zwei – natürlich nur hypothetische – Spieler eine unbegrenzte Zahl von Zügen spielen. Diese unendlichen Spiele wurden
1
Vgl. Huizinga, J.: Homo ludens. Versuch einer Bestimmung des Spielelements der Kultur. Pantheon, Basel 1944.
Für weitere Spiele und ihre mathematische Formalisierung vgl. [Bel79], [BCG85], [Gar83] und [Gar86].
3
Ernst Zermelo [Zer13], S. 501.
2
1
2
E INLEITUNG
zunächst intensiv von polnischen Mathematikern in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts untersucht. Hier seien vor allem Stefan Banach, Stanisław Mazur und Hugo Steinhaus
erwähnt. Sie waren es auch, die die Verbindung dieser Spiele zu bestimmten Eigenschaften von
Teilmengen der reellen Zahlen entdeckten.
Bei den hier zu betrachtenden Spielen wählen zwei Spieler abwechselnd natürliche Zahlen. Nach
unendlich vielen Zügen erhält man so eine ω-Folge natürlicher Zahlen – d.h. ein Element des
Baire-Raumes ω ω – als Partie des Spiels. Liegt diese Partie in einer vor dem Spiel festgelegten
Teilmenge des Baire-Raumes – die sogenannte Auszahlungsmenge – so gewinnt der Spieler, der
den ersten Zug gemacht hat. Ansonsten gewinnt der andere Spieler. Eine der dabei untersuchten
Fragen war, ob einer der beiden Spieler durch geschickte Wahl seiner Züge stets das Spiel für sich
entscheiden kann, unabhängig von den Zügen seines Opponenten. Hat ein Spiel diese Eigenschaft,
so heißt es bzw. die damit assoziierte Auszahlungsmenge determiniert. Da andererseits der BaireRaum eng mit den reellen Zahlen verbunden ist, erhalten wir dadurch letztlich ein Eigenschaft von
Mengen reeller Zahlen.
David Gale und Frank Stewart zeigten aber schon bald, daß auf der Grundlage der üblichen axiomatischen Mengenlehre, d.h. unter der Voraussetzung des Zermelo-Fraenkel-Skolem-Axiomensystems mit Auswahlaxiom ZFC nicht-determinierte Mengen reeller Zahlen existieren. Ähnlich wie bei anderen Existenzaussagen von Mengen, die gewisse Regularitätseigenschaften nicht
erfüllen – z.B. Mengen, die nicht Lebesgue-meßbar sind, das Banach-Tarski-Paradox usw. – ist
auch in diesem Fall ganz wesentlich das Auswahlaxiom für die Nicht-Determiniertheit von Mengen verantwortlich. Andererseits impliziert die Determiniertheit bestimmter Spiele die klassischen
Regularitätseigenschaften von Mengen reeller Zahlen, wie die Lebesgue-Meßbarkeit, die BaireEigenschaft und die Perfekte-Mengen-Eigenschaft.
Jan Mycielski und Hugo Steinhaus formulierten 1962 die Determiniertheit aller Mengen reeller
Zahlen als ein neues Postulat: das Axiom der Determiniertheit AD, welches anstelle des Auswahlaxioms zum System ZF hinzugefügt werden kann. Es zeigte sich in den folgenden Jahren,
daß das System ZF + AD reichhaltige Konsequenzen für die gesamte Mengenlehre, insbesondere für die Deskriptive Mengenlehre besitzt. In der Tat ist AD eng mit anderen Bereichen der
modernen Mengenlehre, wie z.B. mit der Theorie der Großen Kardinalzahlen verbunden.
Ziel dieser Arbeit ist die Analyse von Erweiterungen des Axioms der Determiniertheit. Betrachtet man die oben angegebene Formalisierung der unendlichen Spiele, so ergeben sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten, die Beschreibung dahingehend zu erweitern, daß neue Forderungen von
Determiniertheit möglich werden, ohne dabei die grundlegende Struktur der unendlichen Spiele
zu verändern. Zum einen können die Spieler kompliziertere mathematische Objekte anstelle von
natürlichen Zahlen für ihre Züge wählen. Zum anderen kann man – entlang der transfiniten Skala
der Ordinalzahlen – die Länge der Spiele erhöhen.
Wir werden zunächst in Kapitel 1 die grundlegenden Begriffe einführen, die wir für diese Arbeit
benötigen und einige allgemeinere Resultate zeigen, die für spätere Abschnitte von Bedeutung
sind. In Kapitel 2 werden wir noch einmal ausführlich den Formalismus der unendlichen Spiele entwickeln, Interpretationsmöglichkeiten von Determiniertheit aufzeigen und auf grundlegende
Konsequenzen des bereits erwähnten Axioms der Determiniertheit AD eingehen, insbesondere
auf die Existenz gewisser Großer Kardinalzahlen. Kapitel 3 wird sich ausführlich mit der Betrach-
E INLEITUNG
3
tung der oben genannten verallgemeinerten Spiele und ihren assoziierten Determiniertheitsforderungen beschäftigen. Wir werden einen einheitlichen Formalismus entwickeln und Konsequenzen
der erweiterten Formen zeigen. Wir werden aber auch Grenzen dieser Verallgemeinerung auf der
Basis von ZF aufzeigen: um als Postulat noch konsistent mit dem Axiomensystem ZF zu sein,
dürfen die Spiele weder aus zu komplizierten Zügen bestehen, noch dürfen die Spiele zu lang
sein, wenn man die Determiniertheit beliebiger Mengen fordern will. Desweiteren werden wir
vielschichtige Äquivalenzen der einzelnen Formen feststellen. Wir werden zu der verblüffenden
Feststellung kommen, das letztlich zwei Axiome dieser Art ausreichen, da sie ihrerseits alle anderen der hier betrachteten und mit ZF konsistenten Formen implizieren. Es genügt, zum einen das
Axiom AD und zum anderen das stärkere Axiom der reellen Determiniertheit ADR zu betrachten. Letzteres fordert die Determiniertheit aller Spiele, bei denen die Spieler abwechselnd reelle
Zahlen spielen und das Spiel nach ω Zügen endet.
In Kapitel 4 beschäftigen wir uns mit Betrachtungen zur relativen Konsistenz der beiden genannten
Axiome. Wir werden aufzeigen, daß man unter bestimmten Voraussetzungen konstruktible Modelle dieser Axiome erhält. Einerseits erhalten wir konstruktible Modelle der Determiniertheit, wenn
die entsprechende Determiniertheit schon im Universum gilt. Wir werden andererseits kurz darauf
eingehen, daß unter der vorausgesetzten Existenz gewisser Großer Kardinalzahlen die Determiniertheit in eben diesen konstruktiblen Modellen folgt. Bei der genaueren Analyse der relativen
Konsistenzstärke werden wir einen Einblick in die tiefliegende Verbindung von Determiniertheit
zu der Theorie der Großen Kardinalzahlen erhalten. Es wird sich zeigen, daß unter der Annahme,
daß AD im Universum gilt, L(R) ein Modell von AD ist. Entsprechende ist L(℘(R)) ein Modell
von ADR , falls ADR im Universum gültig ist. Andererseits werden wir zeigen, daß ADR im
konstruktiblen Modell L(R) nicht erfüllt ist. Es wird sich heraustellen, daß dabei die Betrachtung
der Uniformisierbarkeit von Mengen sowie das Konzept der Baumdarstellung bzw. der Begriff der
Suslin-Menge entscheidend ist. Wir werden dadurch in der Lage sein, exakt zu bestimmen, an welcher Grenze L(R) als Modell von ADR scheitert. Der zweite Teil dieses Kapitels beschäftigt sich
mit einer Verfeinerung des konstruktiblen Modells L(℘(R)). Mit Hilfe des Begriffs der WadgeReduzibilität und der für die Deskriptive Mengenlehre wesentlichen Invariante“ Θ können wir
”
Submodelle von L(℘(R)) angeben und zeigen, daß unter gewissen Voraussetzungen in diesen
Modellen ADR erfüllt ist, falls ADR im Universum gilt. Diese Betrachtung geht auf Robert M.
Solovay zurück und ist der Grundstein für eine differenzierte Hierarchie von Theorien, die umso
stärker werden, je größer die Kardinalzahl ist, mit der die Konfinalität von Θ fixiert wird.
Das Scheitern von L(R) als Modell von ADR wird die Beschäftigung mit einem neuen Axiom
als Erweiterung von AD in Kapitel 5 motivieren: das Axiom AD+ . Ausgehend von dem Konzept der Suslin-Mengen verallgemeinert dieses Axiom – zumindest formal – die Forderung von
AD, so daß es allerdings immer noch schwächer als ADR bleibt und so daß L(R) immer noch
Modell von diesem Axiom ist, sofern AD im Universum gilt. Es ist aber eine offene Frage, ob
AD+ tatsächlich eine stärkere Forderung als AD ist. Das Axiom AD+ besteht neben einem Auswahlprinzip im wesentlichen aus zwei Teilen. Zum einen die Forderung nach der Determiniertheit
bestimmter Spiele mit komplexeren Zügen (die Forderung nach der Determiniertheit aller Spiele
dieser Art ist nach Kapitel 3 inkonsistent mit ZF). Zum zweiten die Forderung, daß eine gewisse
Erweiterung des Begriffs der Borel-Menge auf alle Mengen reeller Zahlen zutrifft: die Eigenschaft
∞-Borel. Wir werden ausführlich zeigen, daß beide Forderungen unter geeigneten Prämissen für
4
E INLEITUNG
Suslin-Mengen erfüllt sind. In bezug auf die Spiele benötigen wir dazu die von Alexander S. Kechris, Eugene M. Kleinberg, Yiannis N. Moschovakis und W. Hugh Woodin gezeigte Existenz von
unbeschränkt vielen starken Partitionskardinalzahlen unterhalb von Θ.
Um schließlich zeigen zu können, daß L(R) tatsächlich ein Modell von AD+ ist, benötigen wir
sehr substantielle Resultate über das Modell L(R). Erstens eine auf John R. Steel zurückgehende,
feinstrukturelle Analyse in bezug auf die kleinste stabile Ordinalzahl. In diesem Zusammenhang
wird sich zeigen, daß die entsprechende Stufe des Modells L(R) bereits eine elementare Substruktur von L(R) in bezug auf Σ1 -Definierbarkeit ist. Zweitens das sehr wichtige Resultat von Donald
A. Martin und John R. Steel, daß in L(R) jede Σ21 -Menge bereits eine Suslin-Menge ist. Drittens
das ebenfalls sehr bedeutende Ergebnis über die Lokalität der ∞-Borel-Codes.
Aufgrund des Rahmens dieser Arbeit werden wir die Beweise mancher Theoreme nur skizzieren
können oder müssen sie sogar als blackboxes“ übernehmen, sofern es eine halbwegs zufrieden”
stellende Darstellung in der Literatur gibt. Wir werden trotzdem versuchen, die Zusammenhänge
so klar wie möglich darzustellen.
Kapitel 1
Grundlagen
In diesem Kapitel werden einige grundlegende Konzepte der Mengenlehre sowie Begriffe und
Notationen angeben, die für diese Arbeit gebraucht werden. Der größte Teil der gegenwärtigen
Mathematik wird – häufig ohne explizite Angabe – im Rahmen der ZFC-Theorie, also auf der
Grundlage der Zermelo-Fraenkel-Skolem Mengenlehre mit Auswahlaxiom betrieben. Diese Arbeit beschäftigt sich allerdings mit einem Axiom der Mengenlehre, daß dem (vollen) Auswahlaxiom widerspricht. Die meisten Betrachtungen sind daher nur im Kontext eine Mengenlehre
ohne Auswahlaxiom sinnvoll. Die zugrundeliegende Theorie dieser Arbeit ist ZF, bestehend aus
Existenz-, Extensionalitäts-, Paarmengen-, Vereinigungs-, Potenzmengen- und Unendlichkeitsaxiom sowie die Schemata der Aussonderungs-, Fundierungs- und Ersetzungsaxiome.1 Jedes andere
Postulat, daß wir für einen Beweis benutzen, werden wir explizit angeben.
1.1
Auswahlprinzipien und eine Mengenlehre ohne AC
In diesem Abschnitt geben wir die verschiedenen Formen von Auswahlprinzipien unterschiedlicher Stärke an, die in dieser Arbeit auftreten werden. Wir beschäftigen uns mit Aspekten einer
Mengenlehre ohne Auswahlaxiom und stellen verschiedene Konzepte vor, die bereits in der Theorie ZF angewandt werden können.
I. Verschiedene Auswahlprinzipien
Zunächst definieren wir den Begriff der Auswahlfunktion:
Definition 1.1: Sei X eine Menge und {Ai | i ∈ I} eine Familie nicht-leerer Teilmengen von X.
S
Dann heißt f : {Ai | i ∈ I} → i∈I Ai eine Auswahlfunktion, falls ∀i ∈ I f (Ai ) ∈ Ai gilt.
Mit Hilfe der Auswahlfunktionen können wir verschiedenen Formen an Auswahlprinzipien definieren:2
Definition 1.2:
(1) ACI (X) :⇔ jede I-indizierte Familie {Ai | i ∈ I} nicht-leerer Teilmengen von X besitzt
eine Auswahlfunktion:
1
2
Vgl. [BK96], Kapitel 3.
Üblicherweise wird das Auswahlaxiom in einer etwas abgewandelten Form angegeben. Die hier angegebene Formulierung ist aber dazu äquivalent. Vgl. [BK96], Satz 8.1.
5
6
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
∀g ∃f g : I → ℘(X) ∧ ∀i ∈ I g(i) 6= ∅ ⇒
[
f : ran(g) →
ran(g) ∧ ∀i ∈ I f (g(i)) ∈ g(i)
;
(2) ACI :⇔ ∀X ACI (X) ;
(3) Das auf X eingeschränkte Auswahlaxiom AC(X) :⇔ ∀I ACI (X) ;
(4) Das Auswahlaxiom AC :⇔ ∀I∀X ACI (X) .
Es gilt die folgende Verfeinerung des Wohlordnungssatzes von Zermelo:
Lemma 1.3: Es gilt AC(X) ⇔ X ist wohlordenbar.
Beweis. Vgl. [BK96], Satz 8.1. Der dort angegebene Beweis kann leicht entsprechend modifiziert
werden.
Eine weitere Abschwächung des vollen Auswahlaxioms ist das Axiom der abhängigen Auswahlen
(axiom of dependent choices). Dieses Axiom wurde 1942 von Paul Bernays eingeführt:3
Definition 1.4: Sei X eine nicht-leere Menge.
(1) DC(X) :⇔ ∀R R ⊆ X × X ∧ ∀x ∈ X ∃y ∈ X (x, y) ∈ R
ω (f (n), f (n + 1)) ∈ R ;
(2) DC :⇔ ∀X 6= ∅ DC(X) .
⇒ ∃f ∈ X ω ∀n ∈
Das Axiom DC besagt, daß man eine abzählbare Anzahl an Elementen aus einer Menge auswählen kann, wobei jede einzelne Auswahl von der vorangehenden Auswahl abhängt. DC besitzt
bereits einige wichtige Implikationen:
Lemma 1.5: [DC] Es gilt:
(1) Eine binäre Relation ohne unendlich echt absteigende Kette ist fundiert;
(2) Die abzählbare Vereinigung von abzählbaren Mengen ist abzählbar.
Beweis. Vgl. [Jec97], Lemma 5.2 und 39.2.
Für die verschiedenen Auswahlprinzipien erhalten wir die folgenden Implikationen:
Lemma 1.6: Seien X, Y nicht-leere Mengen. Angenommen, es existiert eine Surjektion f : X Y . Dann gilt:
(1) ACI (X) ⇒ ACI (Y );
(2) DC(X) ⇒ DC(Y ).
Beweis. (1) Sei {Ai | i ∈ I} eine Familie nicht-leerer Teilmengen von Y . Aufgrund der Surjektivität von f ist {f −100 Ai | i ∈ I} eine Familie nicht-leerer Teilmengen von X. Wegen ACI (X)
existiert also eine Auswahlfunktion:
[
g : {f −100 Ai | i ∈ I} →
f −100 Ai mit ∀i ∈ I g f −100 Ai ∈ f −100 Ai .
i∈I
3
Vgl. [Ber42].
1.1. AUSWAHLPRINZIPIEN UND EINE M ENGENLEHRE OHNE AC
7
Durch Anwendung von f auf beiden Seiten folgt daraus:
∀i ∈ I f g f −100 Ai ∈ f 00 f −100 Ai .
Da stets f 00 f −100 Ai ⊆ Ai gilt, ist also durch:
h : {Ai | i ∈ I} →
[
Ai , h(Ai ) :≡ f g f −100 Ai
i∈I
die gewünschte Auswahlfunktion gegeben.
(2) Vgl. [And], Exercise 1.5.
Lemma 1.7: Sei X eine nicht-leere Menge.
(1) ACX (X) ⇒ DC(X), insbesondere also AC ⇒ DC;
(2) DC(X) ⇒ ACω (X), insbesondere also DC ⇒ ACω .
Beweis. (1) Sei R ⊆ X × X eine Relation auf X, so daß ∀x ∈ X ∃y ∈ X (x, y) ∈ R gilt,
d.h. es ist dom(R) = X. Sei weiter A :≡ {y ∈ X | (x, y) ∈ R} | x ∈ X . Dann ist A eine
X-indizierte Familie von Teilmengen von X, die nach Voraussetzung alle nicht-leer sind. Wegen
ACX (X) existiert also eine Funktion g : X → ran(R), so daß ∀x ∈ X (x, g(x)) ∈ R gilt. Da
X 6= ∅ ist, können wir ein beliebiges x0 ∈ X wählen. Wir definieren dann induktiv f : ω → X
durch f (0) :≡ x0 und f (n + 1) :≡ g(f (n)). Dann gilt ∀n ∈ ω (f (n), f (n + 1)) ∈ R . Also gilt
DC(X).
(2) Sei {An | n ∈ ω} eine abzählbare Familie nicht-leerer Teilmengen von X. Wir können
ohne Einschränkung annehmen, daß die An disjunkt sind. Wir definieren eine Relation R auf
S
A :≡ n∈ω An durch:
(x, y) ∈ R :⇔ ∃n ∈ ω x ∈ An ∧ y ∈ An+1 .
Nach Voraussetzung gilt DC(X). Da A ⊆ X, gilt nach Lemma 1.6(2) auch DC(A). Da alle An
nicht-leer sind, gilt ∀x ∈ A ∃y ∈ A (x, y) ∈ R . Also existiert eine Funktion f : ω → A, so
daß f (n), f (n + 1) ∈ R für alle n ∈ ω gilt. Sei n0 ∈ ω, so daß f (0) ∈ An0 gilt. Dann ist f
eine Auswahlfunktion für {An | n0 ≤ n < ω}. Für eine endliche Familie nicht-leerer Teilmengen
existiert auf der Grundlage von ZF stets eine Auswahlfunktion. Ist nun n0 > 0 und verknüpft
man f mit einer Auswahlfunktion f 0 für die endliche Familie {An | n < n0 }, dann erhält man
eine Auswahlfunktion für {An | n ∈ ω}. Also gilt ACω (X).
Wir werden in Satz 2.27 zeigen, daß aus ACω wiederum die Regularität von ℵ1 folgt. Ronald
Jensen zeigte allerdings 1966, daß in der Umkehrung ACω nicht das Axiom DC implizieren
kann.4
4
Vgl. [Jen66].
8
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
II. Eine Mengenlehre ohne Auswahlaxiom
In einer Welt ohne Auswahlaxiom müssen einige Konzepte der Mengenlehre neu überdacht werden, die in einer Theorie mit AC selbstverständlich sind. Es ist also besondere Vorsicht geboten,
wenn man nicht doch ungewollt Prinzipien der Auswahl verwenden möchte. Eines dieser Konzepte, das ohne AC differenzierter betrachtet werden muß, ist der Begriff der Mächtigkeit eine
Menge bzw. deren Kardinalität und der darauf basierende Begriff der Kardinalzahl. Steht uns AC
zur Verfügung, dann wissen wir durch den zu AC äquivalenten Wohlordnungssatz von Zermelo5 , daß jede Menge wohlgeordnet werden kann. Somit ist jede Menge gleichmächtig zu einer
Ordinalzahl und wir können die Kardinalität einer Menge definieren als die minimale Ordinalzahl
mit dieser Eigenschaft.6 Eine Kardinalzahl ist dann eine Ordinalzahl α, so daß eine Menge existiert, die die Kardinalität α besitzt. Ohne AC gilt der Wohlordnungssatz nicht, d.h. es existieren
Mengen, die nicht wohlordenbar sind.7 Wir müssen daher die Begriffe Kardinalzahl“ und Kardi”
”
nalität“ allgemeiner definieren, damit diese auch uneingeschränkt im ZF-Kontext zur Verfügung
stehen:
Definition 1.8: Eine Kardinalzahl κ ist eine Ordinalzahl, so daß diese nicht bijektiv zu eine kleineren Ordinalzahl ist, d.h.:
κ :≡ min α ∈ Ord | ∃f f : α ↔ κ ist eine Bijektion .
Ist X eine wohlordenbare Menge, dann sei die Kardinalität von X – in Zeichen |X| – die eindeutige Kardinalzahl κ, so daß eine Bijektion f : X ↔ κ existiert. Ist X nicht wohlordenbar, dann
sei die Kardinalität von X definiert durch:
|X| :≡ Y | ∃f f : X ↔ Y ist eine Bijektion ∧ rang(Y ) ist minimal .
Würden wir bei der Definition auf die Minimalität des Ranges von Y verzichten, dann wäre
ungünstigerweise für X 6= ∅ die Kardinalität |X| stets eine echte Klasse, wodurch viele mengentheoretische Operationen nicht erlaubt wären. Durch die Einschränkung auf diejenigen Y mit
minimalem Rang bleibt gewährleistet, daß |X| eine Menge ist. Dieses Verfahren wird als Scotts
”
Trick“ bezeichnet und geht auf Dana S. Scott zurück.8 Wir definieren weiter:
|X| ≤ |Y | :≡ ∃f f : X ,→ Y ist eine Injektion .
Durch diese Definition bleibt der Satz von Cantor-Bernstein9 im ZF-Kontext gültig:
|X| ≤ |Y | ∧ |Y | ≤ |X| ⇔ |X| = |Y | .
Es sei betont, daß bei einer alternativen Definition mit Hilfe von Surjektionen statt Injektionen die
analoge Aussage in der Theorie ZF nicht gilt:10
ZF 6` X Y ∧ Y X ⇒ |X| = |Y | .
Wir werden weiter unten ein Gegenbeispiel unter geeigneten Voraussetzungen angeben, vgl. S. 64.
5
Vgl. [Zer04] und [RR85], S. 1.
Zum Begriff der Gleichmächtigkeit und Kardinalität einer Menge vgl. [BK96], Kapitel 9.
7
Z.B. kann gezeigt werden, daß in der Theorie ZF + AD die reellen Zahlen R nicht wohlordenbar sind. Vgl.
Satz 2.21.
8
Vgl. [Sco55], S. 442.
9
Dieser Satz wird auch häufig als Satz von Schröder-Bernstein bezeichnet. Vgl. [BK96], Satz 9.3.
10
Hierbei bedeutet X Y “, das eine Surjektion f : X Y existiert.
”
6
1.1. AUSWAHLPRINZIPIEN UND EINE M ENGENLEHRE OHNE AC
9
Bezüglich einer in der Mathematik häufig verwendeten Charakterisierung von Injektionen und
Surjektionen ist ohne das Auswahlaxiom ebenfalls Vorsicht geboten. Sei f : X → Y eine Funktion zwischen den nicht-leeren Mengen X und Y . Die folgende Aussage ist bereits in ZF beweisbar:
f injektiv ⇔ ∃g g : Y → X ∧ g ◦ f = idX .
Ein entsprechendes g ist notwendigerweise surjektiv, denn sei x0 ∈ X. Dann ist y0 :≡ f (x0 ) ∈ Y
und es gilt g(y0 ) = g(f (x0 )) = x0 .
Andererseits braucht man aber für den Beweis der analogen Aussage für Surjektionen
f surjektiv ⇒ ∃g g : Y → X ∧ f ◦ g = idY
schon das volle Auswahlaxiom, wenn man beliebige Funktionen zwischen beliebigen Mengen
betrachten will. In der Tat gilt sogar die folgende Äquivalenz zum Auswahlaxiom:11
AC ⇔ ∀f Fun(f ) ⇒ ∃g Fun(g) ∧ dom(g) = ran(f ) ∧ ∀x ∈ dom(g) f (g(x)) = x
.
Wir können also in der Theorie ZF für eine Injektion f : X ,→ Y stets die Existenz einer Surjektion g : Y X mit g ◦ f = idX folgern. Die oben angegebene analoge Aussage für Surjektionen
gilt aber im Allgemeinen nicht. Dies spielt eine entscheidende Rolle bei der Kodierung von Mengen durch andere Mengen. Z.B. werden wir weiter unten zeigen, daß in der Theorie ZF eine
Surjektion f : R ω1 existiert.12 Würde nun aus ZF alleine folgen, daß damit auch eine Funktion g : ω1 → R mit f ◦ g = idω1 existiert, dann wäre die Funktion g notwendigerweise injektiv.13
Korollar 2.30 sagt uns aber, daß unter ZF + AD keine derartige Injektion existieren kann.
1.2
Die reellen Zahlen, stetige Funktionen und Kodierungen
Wie in der Deskriptiven Mengenlehre üblich, werden wir die reellen Zahlen R mit dem BaireRaum ω ω identifizieren. In diesem Abschnitt wiederholen wir kurz die Definition und geben einige grundlegenden Eigenschaft des Baire-Raumes bzw. allgemeiner des Raumes αω für α ∈ Ord
mit α ≥ ω an. Wir betrachten die stetigen Funktionen f : αω → ω ω bzgl. der zugrundeliegenden Topologie des Raumes αω . Im letzten Teil werden wir uns mit dem Begriff der Kodierung
beschäftigen und einige Kodierungen herleiten. Wir werden zeigen, daß wie stetige Funktionen
von R nach R, abzählbare Mengen reeller Zahlen und abzählbare Ordinalzahlen durch eine reelle
Zahl kodieren können. Für diesen Abschnitt sei stets α ∈ Ord mit α ≥ ω.
I. Der Baire-Raum und seine Topologie
Wir identifizieren in der gesamten Arbeit die reellen Zahlen R mit dem Baire-Raum ω ω , d.h. reelle
Zahlen werden als ω-Folgen natürlicher Zahlen aufgefaßt. Der Grund dafür liegt in einem für
die meisten Betrachtungen der Deskriptive Mengenlehre einfacheren Umgang mit den Elementen
von ω ω als mit den üblichen reellen Zahlen, die über Dedekindsche Schnitte definiert sind.14 Als
Grundlage dienten [Lév79], Kapitel VII und [Kec94], Kapitel I.
11
Vgl. [RR85], S. 7.
Vgl. Lemma 1.22.
13
Sei g : Y → X mit f ◦ g = idY und seien y1 , y2 ∈ Y gegeben. Dann gilt g(y1 ) = g(y2 ) ⇒ f (g(y1 )) =
f (g(y2 )) ⇒ y1 = y2 . Also ist g injektiv.
14
Vgl. [BK96], Abschnitt 7.3.
12
10
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
Wir geben eine Basis der Topologie des Raumes αω an:
Definition 1.9: Für eine endliche Folge s ∈ α<ω sei Osα definiert als die Menge aller unendlichen
Folgen, die s als Anfangsstück enthalten, d.h.:
Osα :≡ {x ∈ αω | s ⊆ x}.
Die Menge {Osα | s ∈ α<ω } bildet die Basis einer Topologie von αω , d.h. jede offene Menge
U ⊆ αω läßt sich in der folgenden Form darstellen:
U=
[
{Osα | s ∈ S} mit S ⊆ α<ω .
Im folgenden schreiben wir auch kurz Os statt Osω . Der Raum ω ω zusammen mit der von dieser
Basis erzeugten Topologie wird als Baire-Raum bezeichnet.
Lemma 1.10: Für s, t ∈ ω <ω gilt Osα ∩ Otα ∈ {∅, Osα , Otα }. Außerdem ist jede der offenen
Mengen Osα auch abgeschlossen.
Beweis. Falls s ⊆ t gilt, dann ist offensichtlich Osα ∩ Otα = Otα . Ist s 6⊆ t und t 6⊆ s, d.h. s und
t sind inkompatibel, dann muß Osα ∩ Otα = ∅ sein. Weiter gilt αω − Osα = {x ∈ αω | s 6⊆ x} =
S
{x ∈ αω | x len(s) 6= s} = {Otα | t ∈ ω <ω ∧ len(t) = len(s) ∧ t 6= s}. Also ist αω − Osα die
Vereinigung von offenen Mengen und damit selbst offen. Damit ist Osα abgeschlossen.
Das folgende Lemma stellt einige fundamentale topologische Eigenschaften des Raumes αω zusammen:
Lemma 1.11:
(1) Wenn α mit der diskreten Topologie ausgestattet ist, d.h. jede Teilmenge von α ist offen,
dann entspricht die obige Topologie des Raumes αω der Produkttopologie des ω-fachen
kartesischen Produkts von α;
(2) Die genannte Topologie von αω wird von der Metrik dα : αω × αω → R,
α
d (x, y) =
(
1
2n+1
, falls x 6= y und n = min{i | i ∈ ω ∧ x(i) 6= y(i)}
0
, sonst.
induziert, d.h. αω ist ein metrischer Raum. Für die induzierende Metrik des Baire-Raumes
schreiben wir auch d(x, y) statt dω (x, y);
(3) Der Raum αω ist ein Hausdorff-Raum, d.h. je zwei verschiedene Punkte besitzen disjunkte,
offene Umgebungen;
(4) Der Raum αω ist null-dimensional, d.h. er ist Hausdorffsch und besitzt eine Basis aus offenen und abgeschlossenen Mengen;
(5) Der Raum αω ein vollständiger metrischer Raum, d.h. jede Cauchy-Folge in αω konvergiert
gegen ein Element aus αω ;
(6) Ist α abzählbar, dann gilt |α<ω | = ℵ0 , insbesondere erfüllt dann der Raum αω das zweite
Abzählbarkeitsaxiom;
1.2. R EELLE Z AHLEN , STETIGE F UNKTIONEN , KODIERUNGEN
11
(7) Ist α abzählbar, dann ist der Raum αω separabel, d.h. er enthält eine abzählbare, dichte
Teilmenge.15 Insbesondere ist αω für abzählbares α ein Polnischer Raum;
(8) Der Raum αω ist nicht zusammenhängend, d.h. es gibt eine Partition αω = U ∪ V mit
nicht-leeren, disjunkten, offenen Mengen U, V ;
(9) Der Raum αω ist nicht kompakt, d.h. es gibt eine offene Überdeckung von αω ohne endliche
Teilüberdeckung.
Beweis. Vgl. [Lév79], Kap. VI und VII und [Kec94], Kap. I.
Für 0 < k ≤ ω sei (αω )k das k-fache kartesische Produkt von αω zusammen mit der Produkttopologie, d.h. die Mengen der Form ×i<k Osαi mit si ∈ α<ω für alle i < k und so daß Osαi = αω
für alle bis auf endlich viele i < k gilt, bilden eine Basis der Topologie. Man überprüft leicht, daß
jede endliche oder abzählbare Potenz von αω ebenfalls eine ω-fache Potenz von α ist, wir erhalten
also:
Lemma 1.12: Für 0 < k ≤ ω sind die Räume (αω )k und αω homöomorph, d.h. es existiert eine
stetige Bijektion f : (αω )k ↔ αω , so daß die Umkehrabbildung f −1 : αω ↔ (αω )k ebenfalls
stetig ist.
Man bezeichnet den Raum αω daher auch als dimensionslos“. Andererseits zeigte L. E. J. Brou”
wer bereits 1910, daß für m, n ∈ ω, m 6= n die Räume Rm und Rn nicht homöomorph sind.
Daraus folgt, daß ω ω und R nicht homöomorph sein können. Tatsächlich ist ω ω homöomorph
zu der Menge der irrationalen Zahlen.16 Diese Homöomorphie reicht aber für fast alle Betrachtungen der Deskriptiven Mengenlehre aus: die Borel-Hierarchie17 auf R und auf ω ω sind ab der
dritten Stufe identisch und die üblichen Regularitätseigenschaften von Mengen – z.B. analytisch,
nirgends dicht, mager oder meßbar sein – werden durch den Homöomorphismus vom Baire-Raum
auf die reellen Zahlen übertragen. Dabei ist wesentlich, daß die rationalen Zahlen Q abzählbar
sind und daher bzgl. des Lebesgue-Maßes eine Nullmenge sowie eine magere Menge sind. Es ist
also gerechtfertigt, in der Deskriptiven Mengenlehre den Baire-Raum mit R zu identifizieren. Wir
werden das in dieser Arbeit auch so halten.
II. Stetige Funktionen
Wir stellen im folgenden ein Mittel zur Verfügung, mit dem wir jede stetige Funktion f : αω → R
als Supremum einer Funktion darstellen können, die endliche Folgen von α auf endliche Folgen
von ω abbildet.
Definition 1.13: Sei ϕ : α<ω → ω <ω .
(1) ϕ heißt monoton :⇔ s ⊆ t ⇒ ϕ(s) ⊆ ϕ(t);
(2) ϕ heißt stetig :⇔ ϕ monoton ∧ ∀x ∈ αω ∀n ∈ ω ∃m ∈ ω n ≤ len(ϕ(xm)) . Die zweite
Bedingung fordert also, daß limm→∞ len(ϕ(xm)) = ∞ für alle x ∈ αω gilt;
15
Eine Teilmenge D eines topologischen Raumes heißt dicht, wenn der Durchschnitt von D mit jeder nicht-leeren
offenen Menge nicht-leer ist.
16
Vgl. [Mil95], Theorem 1.1.
17
Wir gehen in Abschnitt 1.3 näher auf die Borel-Hierarchie ein.
12
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
(3) Für ein stetiges ϕ definieren wir:
fϕ : αω → R, x 7→
[
ϕ(xm);
m∈ω
(4) Sei f : αω → R eine stetige Funktion. Für s ∈ α<ω definieren wir:
G(s) :≡ {t ∈ ω <ω | f 00 Osα ⊆ Ot }.
G(s) wird durch ⊆ linear geordnet. Wir definieren weiter:
ϕf : α<ω → ω <ω , s 7→ max{t ∈ G(s) ∧ len(t) ≤ len(s)}.
Lemma 1.14: Ist ϕ : α<ω → ω <ω stetig, dann ist fϕ : αω → R stetig. Ist andererseits f : αω →
R eine stetige Funktion, dann ist ϕf stetig und es gilt f = fϕf .
Beweis. Sei ϕ : α<ω → ω <ω stetig. Wir zeigen die Stetigkeit von fϕ über die Metriken dα (x, y)
und d(x, y). Seien x ∈ αω und n ∈ ω beliebig. Da ϕ stetig ist, existiert ein m ∈ ω mit n ≤
1
für ein y ∈ αω , dann ist nach Definition der Metrik xm = ym.
len ϕ(xm). Ist dα (x, y) < 2m+1
1
Also gilt fϕ (x)n = fϕ (y)n und damit d(fϕ (x), fϕ (y)) < 2n+1
. Da x ∈ αω beliebig war, ist fϕ
stetig.
Sei andererseits f : αω → R eine stetige Funktion und x ∈ αω . Seien s0 , s1 ∈ α<ω mit s0 ⊆ s1
und sei t ∈ G(s0 ). Es gilt Osα1 ⊆ Osα0 , also auch f 00 Osα1 ⊆ f 00 Osα0 ⊆ Ot und damit t ∈ G(s1 ). Es
gilt also G(s0 ) ⊆ G(s1 ). Ist t ∈ ϕf (s0 ), dann ist t ∈ G(s0 ) ⊆ G(s1 ) und len(t) ≤ len(s0 ) ≤
len(s1 ), also t ∈ ϕf (s1 ). Damit gilt ϕf (s0 ) ⊆ ϕf (s1 ), also ist ϕf monoton. Da f stetig ist, gilt:
α
∀n ∈ ω ∃m ∈ ω n ≤ m ∧ f 00 Oxm
⊆ Of (x)n .
Dann ist f (x)n ∈ G(xm) und n = len(f (x)n) ≤ len(xm) = m, also f (x)n ⊆ ϕf (xm)
nach Definition von ϕf und damit n ≤ len(ϕf (xm)). Also ist ϕf stetig.
Es ist:
f (x) =
[
f (x)n ⊆
n∈ω
[
ϕf (xm) = fϕf (x),
m∈ω
da nach dem oben gesagten ∀n ∈ ω ∃m ∈ ω f (x)n ⊆ ϕf (xm) gilt. Sei andererseits m ∈ ω.
α . Außerdem ist ϕ (xm) ∈ G(xm), also f (x) ∈ f 00 O α
Dann ist x ∈ Oxm
f
xm ⊆ Oϕf (xm) . Nach
Definition von Os folgt ϕf (xm) ⊆ f (x). Da m ∈ ω beliebig war, gilt also:
[
fϕf (x) =
ϕf (xm) ⊆ f (x).
m∈ω
Beide Teile zusammen ergeben f = fϕf .
Wir können also jede stetige Funktion f : αω → R als Supremum einer stetigen Funktion ϕf :
α<ω → ω <ω darstellen.
Wir benötigen noch eine grundlegende Operation für Folgen von Ordinalzahlen, die uns ermöglichen soll, zwei derartige Folgen zu verschachteln“. Dazu erwähnen wir zunächst:
”
1.2. R EELLE Z AHLEN , STETIGE F UNKTIONEN , KODIERUNGEN
13
Lemma 1.15: Jedes α ∈ Ord besitzt eine eindeutige Darstellung α = λ+n mit n ∈ ω und λ = 0
oder Lim(λ).
Beweis. Vgl. [BK96], Satz 5.7.
Wir definieren nun eine Erweiterung der geraden und ungeraden Zahlen:
Definition 1.16: Nach dem letzten Lemma besitzt jede Ordinalzahl α eine eindeutige Darstellung
der Form α = λ + n mit λ = 0 oder Lim(λ) und n ∈ ω. Den natürlichen Anteil n bezeichnen wir
durch N (α) und den Limesanteil λ durch Λ(α). Sei dann:
Even(α) :≡ β < α | ∃m ∈ ω N (β) = 2m ;
Odd(α) :≡ β < α | ∃m ∈ ω N (β) = 2m + 1 ;
sowie
Even :≡ β ∈ Ord | ∃m ∈ ω N (β) = 2m ;
Odd :≡ β ∈ Ord | ∃m ∈ ω N (β) = 2m + 1 .
Dann ist insbesondere Even(ω) die Menge der geraden bzw. Odd(ω) die Menge der ungeraden
natürlichen Zahlen.
Definition 1.17: Sei α ∈ Ord. Wir definieren den ∗-Operator durch Induktion über die Ordinalzahlen:
f∗1 : α1 × α1 → α2 ,
(s, t) 7→ hs0 , t0 i;
f∗β+1 : αβ+1 × αβ+1 → α2·(β+1) ,
f∗λ : αλ × αλ → αλ ,
a
(s, t) 7→ f∗β (sβ, tβ) hsβ , tβ i;
[
(s, t) 7→
f (sβ, tβ)
für Lim(λ).
β<λ
Sei s ∗β t :≡ f∗β (s, t). Wenn aus dem Zusammenhang klar ist, welches β ∈ Ord gemeint ist, dann
schreiben wir auch s ∗ t statt s ∗β t.
Für s, t ∈ αn gilt also s ∗ t = hs0 , t0 , . . . , sn−1 , tn−1 i ∈ α2n . Für s, t ∈ αβ und γ ≤ β gilt
(sγ) ∗γ (tγ) ⊆ s ∗β t. Jedes f∗β ist bijektiv und stetig.
Für x ∈ αβ definieren wir:
xI :≡ hxγ | γ ∈ Even(β)i;
xII :≡ hxγ | γ ∈ Odd(β)i.
Dann gilt x = xI ∗ xII . Ist β = λ + 2n die Darstellung gemäß Lemma 1.15, dann sei β 0 :≡ β 00 :≡
0
β + n. Ist β = λ + (2n + 1), dann sei β 0 :≡ β + (n + 1) und β 00 :≡ β + n. Dann gilt xI ∈ αβ und
00
0
00
xII ∈ αβ . Die Funktionen fI : αβ → αβ , x 7→ xI und fII : αβ → αβ , x 7→ xII sind surjektiv,
aber offensichtlich nicht injektiv. Man zeigt leicht, daß fI und fII stetig sind.
14
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
III. Kodierungen
Wir geben zunächst allgemein an, was wir unter einer Kodierung verstehen.
Definition 1.18: Seien C, X nicht-leere Mengen. Eine Kodierung ist eine partielle Surjektion
π : C X, d.h. es gilt ∀x ∈ X ∃c ∈ C x = π(c) . Gilt x = π(c) für x ∈ X und c ∈ C, dann
sagen wir, daß c das Element x kodiert bzw. daß x von c kodiert wird. In dieser Arbeit wird in den
meisten Fällen C ⊆ R sein. Wir nennen eine Kodierung elementar, wenn die Funktion π absolut
definierbar, d.h. absolut für alle transitiven Modelle der Mengenlehre ist.
Wir definieren nun einige grundlegende Kodierungen, die in dieser Arbeit häufiger verwendet
werden.
Definition 1.19: Der Satz von Hessenberg18 beweist in ZF die Existenz einer Bijektion π : ω ×
ω ↔ ω. Wir können z.B. die Diagonal-Abzählung von ω × ω verwenden, die wie folgt definiert
ist:
n+m
X
(n + m)(n + m + 1)
=n+
π(n, m) :≡ n +
.
2
i=0
Definition 1.20: Sei x ∈ R. Für n, m ∈ ω definieren wir
(x)n (m) :≡ x(π(n, m)).
Dann ist
Γ : R ↔ Rω , x 7→ h(x)n | n ∈ ωi
eine Bijektion. Wir erhalten ein Diagramm ähnlich der Abzählung der rationalen Zahlen durch
die Cauchy-Funktion. Die abzählbaren Mengen reeller Zahlen werden auf die angegebene Weise
durchlaufen“ und somit durch eine reelle Zahl kodiert:
”
x0 (0)
x1 (0)
x2 (0)
x3 (0)
x0 (1)
x1 (1)
x2 (1)
···
x0 (2)
x1 (2)
···
x0 (3)
···
···
Für fundierte Relationen können wir rekursiv eine Rangfunktion sowie die Länge von R definieren:19
Definition 1.21: Sei X eine Menge und R eine binäre Relation auf X. R heißt fundiert, falls jede
nicht-leere Teilmenge A ⊆ X ein R-minimales Element besitzt, d.h. es existiert ein a ∈ A, so daß
(x, a) 6∈ R für alle x ∈ A gilt. Ist R eine fundierte Relation auf X, so können wir jedem x ∈ X
rekursiv eine Ordinalzahl, den Rang von x in R zuordnen:
ρR (x) :≡ sup{ρR (y) + 1 | (y, x) ∈ R}.
18
19
Vgl. [BK96], Satz 6.17 und Satz 10.7.
Vgl. auch [Jec97], Theorem 5.
1.2. R EELLE Z AHLEN , STETIGE F UNKTIONEN , KODIERUNGEN
15
Das Bild von ρR ist ein Anfangsstück der Ordinalzahlen und daher selbst eine Ordinalzahl für eine
Menge X. Diese Ordinalzahl heißt die Länge der fundierten Relation R:
kRk :≡ sup{ρR (x) + 1 | x ∈ X}.
Lemma 1.22: Es existiert eine surjektive Abbildung Ψ : R ω1 . Wir können also jede abzählbare Ordinalzahl durch eine reelle Zahl kodieren.
Beweis. Sei m, n ∈ ω, x ∈ R und (x)n (m) wie oben angegeben. Wir definieren die binäre
Relation Rx ⊆ ω × ω durch:
hn, mi ∈ Rx :⇔ xn (m) = 0.
Ist Rx eine fundierte Relation, dann ist die Länge von Rx abzählbar: kRx k ∈ ω1 . Ist Rx eine
Wohlordnung, dann ist ρRx eine ordnungserhaltende Bijektion von hω, Rx i nach hkRx k, ∈i und
es gilt kRx k = otp(hω, Rx i). Wir definieren nun:
Ψ : R → ω1 , x 7→
(
kRx k , falls Rx fundiert ist
0
, sonst.
Beh. 1: Ψ ist eine Surjektion.
Beweis. Sei α ∈ ω1 . Für α ≤ ω sei <∗ :≡∈ ∩ α × α. Ist α > ω, dann existiert eine Bijektion
f : ω ↔ α. Sei n, m ∈ ω. Wir definieren dann die Relation <∗ ⊆ ω × ω durch:
n <∗ m :⇔ f (n) ∈ f (m).
In beiden Fällen ist <∗ eine Wohlordnung mit Ordnungstyp α. Sei nun x ∈ R wie folgt definiert:
x(k) :≡
(
0 , falls k = π(n, m) und n <∗ m
1 , sonst.
Dann ist Rx = <∗ eine Wohlordnung und nach dem oben gesagten gilt kRx k = α. Also ist
Ψ(x) = α.
(1)
Damit ist das Lemma gezeigt.
Als nächstes geben wir Kodierungen von endlichen Folgen natürlicher Zahlen durch eine natürliche Zahl bzw. von endlichen Folgen reeller Zahlen durch eine reelle Zahl an.
Definition 1.23: Sei hpn | n ∈ ωi die Abzählung der Primzahlen, so daß pi die i-te Primzahl ist.
Wir definieren dann:
(
ps00 +1 · . . . · pskk +1 , falls s = hs0 , . . . , sk i
<ω
Φ0 : ω → ω, s 7→
0
, falls s = ∅.
(
hΦ0 (hs0 (m), . . . , sk (m)i) | m ∈ ωi , falls s = hs0 , . . . , sk i
Φ1 : R<ω → R, s 7→
h0, 0, 0, . . .i
, falls s = ∅.
16
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
Aufgrund der Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung sind Φ0 und damit auch Φ1 Injektionen. Aber
weder Φ0 noch Φ1 sind surjektiv. Φ0 ist keine Surjektion, da es keine endliche Folge s ∈ ω <ω mit
Φ0 (s) = 1 gibt. Φ1 ist ebenfalls keine Surjektion, denn damit das Urbild von einem x ∈ R
unter Φ1 gebildet werden kann, muß gelten: für alle m ∈ ω ist xm 6= 1 und die durch Φ−1
0 (xm )
gegebenen endlichen Folgen besitzen die gleiche Länge, d.h. m 7→ len(Φ−1
(x
))
ist
konstant.
m
0
Wegen der Injektivität von Φ0 existiert nun eine Surjektion Ψ0 : ω ω <ω , so daß Ψ0 ◦ Φ0 ≡
idω<ω gilt. Die Existenz derartiger Funktionen läßt sich bereits in ZF beweisen.20 Aus dem gleichen Grund existiert auch eine Surjektion Ψ1 : R R<ω , so daß Ψ1 ◦ Φ1 ≡ idR<ω gilt. Ψ0 und
Ψ1 sind also die gewünschten Kodierungen.
Für den Rest der Arbeit fixieren wir eine Abzählung hsn | n ∈ ωi von ω <ω – also der endlichen
Folgen natürlicher Zahlen –, so daß sn 6= sm für n 6= m gilt.
Wir geben abschließend eine Kodierung der stetigen Funktionen f : R → R durch reelle Zahlen
an.
Definition 1.24: Für x ∈ R definieren wir:
ψx : ω <ω → ω <ω , ψx (sn ) =
Sei weiter:
cx : R → R, cx (y) =
(
(
sm
, falls x(π(n, m)) = 0
∅
, sonst.
fψx (y)
, falls ψx stetig ist
h0, 0, . . .i , sonst.
Ist also ψx stetig, dann ist cx die stetige Abbildung, die durch ψx induziert wird: cx = fψx . Ist ψx
nicht stetig, dann ist cx die stetige Abbildung, die konstant 0 ist, d.h. ∀y ∈ R ∀n ∈ ω cx (y)(n) =
0 .
Ist nun f : R → R stetig, dann existiert nach Lemma 1.14 ein stetiges ϕf : ω <ω → ω <ω mit
f = fϕf . Ist dann
x(k) =
(
0 , falls k = π(n, m) und ϕf (sn ) = sm
1 , sonst.
dann ist ϕf = ψx und ψx ist stetig. Also existiert ein x ∈ R, so daß f = cx gilt und wir erhalten
damit die gewünschte Kodierung jeder stetigen Funktion durch eine reelle Zahl.
1.3
Die Borel-Hierarchie und die projektive Hierarchie
In diesem Abschnitt führen wir die beiden wichtigsten Klassifizierungen von Teilmengen der reellen Zahlen in der klassischen Deskriptiven Mengenlehre ein: die Borel-Mengen und die projektiven Mengen. Wir erhalten in beiden Fällen eine Hierarchie der Teilmengen von R mit zunehmender Komplexität. Man kann beide Hierarchien allgemein für jeden Polnischen Raum – d.h.
für jeden separablen, vollständigen metrischen Raum – definieren. Für diese Arbeit genügt allerdings der Spezialfall für die reellen Zahlen – d.h. für den Baire-Raum, der nach den Bemerkungen
20
Vgl. dazu auch Abschnitt 1.1.
1.3. D IE B OREL -H IERARCHIE UND DIE PROJEKTIVE H IERARCHIE
17
in Abschnitt 1.2 selbst ein Polnischer Raum ist – und dessen k-faches kartesisches Produkt. Als
Grundlage dienten [And], Abschnitt 3 und 4 sowie [Kan97], Abschnitt 12. Dort finden sich auch
die Beweise der unten angegebenen Aussagen.
Wir führen zunächst den Begriff der Punktklasse ein:
Definition 1.25: Eine Punktklasse (pointclass) ist eine nicht-leere Menge Γ von Mengen reeller
k-Tupel für k ∈ ω, d.h. es gilt:
[
℘(Rk ) | k ∈ ω .
Γ⊆
Für eine Punktklasse Γ sei die duale Punktklasse ¬Γ definiert durch:
[
Rk − A | k ∈ ω ∧ A ⊆ Rk ∧ A ∈ Γ .
¬Γ :≡
Eine Fettdruck-Punktklasse (boldface pointclass) ist eine Punktklasse Γ, die abgeschlossen unter
stetigen Urbildern ist, d.h. ist A ∈ Γ und f : Rn → Rk eine stetige Funktion, dann ist auch
f −100 A ∈ Γ.
I. Die Borel-Hierarchie
Wir definieren zunächst die Begriffe der Abgeschlossenheit unter γ-Vereinigung und der γ-Algebra auf einer Menge X. Sei dazu im folgenden γ ∈ Ord mit γ > ω.
Definition 1.26: Eine Menge A heißt abgeschlossen unter γ-Vereinigung, falls für alle β < γ und
alle (wohlgeordneten) Folgen hAα | α < βi mit Aα ∈ A für α < β gilt:
[
{Aα | α < β} ∈ A.
Definition 1.27: Sei X eine Menge. Eine Teilmenge A ⊆ ℘(X) heißt γ-Algebra auf X, falls
sie die leere Menge enthält sowie gegenüber der Komplementbildung und der γ-Vereinigung abgeschlossen ist. Für eine ω1 -Algebra findet man auch häufig die Bezeichnung σ-Algebra. Sei
E ⊆ ℘(X). Da Durchschnitte von γ-Algebren wieder eine γ-Algebra bilden, ist die folgende
Definition sinnvoll:
\
Aγ (E) :≡ {A | E ⊆ A ∧ A ist γ-Algebra auf X}.
Aγ (E) ist also die kleinste γ-Algebra, die jede Menge aus E enthält. Aγ (E) heißt die von E erzeugte γ-Algebra. Statt Aω1 (E) schreiben wir auch A(E). Für einen topologischen Raum (X, O) heißt
B(X) :≡ A(O) die σ-Algebra der Borel-Mengen von X und jedes A ∈ B(X) heißt Borel-Menge
von X.
Als nächstes definieren wir die Borel-Hierarchie:
Definition 1.28: Sei A ⊆ Rk für ein k ∈ ω. Für α > 0 definieren wir über simultane Rekursion
die Borel-Hierarchie:
A ∈ Σ01 :⇔ A ist offen;
A ∈ Π01 :⇔ A ist abgeschlossen;
18
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
A ∈ Σ0α :⇔ A =
[
Bn , so daß jedes Bn ∈ Π0βn für ein 0 < βn < α;
n∈ω
A∈
Π0α
n∈ω
Σ0α ∩
Π0α .
S
Lemma 1.29: [ACω (R)] Es gilt Σ0ω1 = 0<α<ω1 Σ0α .
A∈
∆0α
:⇔ R − A ∈ Σ0α
\
⇔A=
Bn , so daß jedes Bn ∈ Σ0βn für ein 0 < βn < α;
k
:⇔ A ∈
Daraus folgt insbesondere: ∀α ≥ ω1 Σ0α = Σ0ω1 . Es genügt also, unter ACω (R) nur die Stufen
der Borel-Hierarchie für α < ω1 zu betrachten.
Durch Induktion nach α zeigt man leicht, daß die Elemente von jedem Σ0α und jedem Π0α für
α > 0 tatsächlich Borel-Mengen im Sinne der Definition 1.27 sind, d.h. es gilt:
∀α > 0 Σ0α ⊆ B Rk ∧ Π0α ⊆ B Rk .
Für die ersten Stufen der Borel-Hierarchie sind noch einige ältere Bezeichnungen üblich: Fσ für
Σ02 , Gδ für Π02 , Gδσ für Σ03 , Fσδ für Π03 etc.
Lemma 1.30: Sei α > 0 und k, m ∈ ω. Ist f : Rk → Rm stetig, dann gilt:
A ∈ Σ0α ⇒ f −100 A ∈ Σ0α
und
A ∈ Π0α ⇒ f −100 A ∈ Π0α .
Insbesondere sind Σ0α und Π0α für α > 0 Fettdruck-Punktklassen.
Die Punktklassen Σ0α und Π0α sind aber im Allgemeinen nicht abgeschlossen unter stetigen Bildern. Dagegen sind sie offensichtlich abgeschlossen unter homöomorphen Bildern. Nach Lemma 1.12 ist R – als Baire-Raum ω ω – homöomorph zu seinem k-fachen kartesischen Produkt Rk .
Es genügt also nach dem vorherigen Lemma, nur die Borel-Hierarchie auf R zu betrachten. Sei
also im folgenden k = 1.
Da jede offene Menge von R die Vereinigung von abzählbar vielen abgeschlossenen Mengen ist,
gilt Σ01 ⊆ Σ02 . Dieses Ergebnis kann man entsprechend erweitern:
Lemma 1.31: Für alle 0 < α < β gilt:
Σ0α ⊆ Σ0β ,
Σ0α ⊆ Π0β ,
Π0α ⊆ Π0β
und Π0α ⊆ Σ0β .
In der Tat ist die Borel-Hierarchie eine echte Hierarchie von Punktklassen:
Lemma 1.32: [ACω (R)] Es gilt:
(1) Für alle 0 < α < ω1 gilt:
Σ0α 6= Π0α ,
(2)
S
0<α<ω1
∆0α $ Σ0α $ ∆0α+1
und
Σ0α ist eine σ-Algebra und es gilt:
[
Σ0α =
B(R) =
0<α<ω1
[
∆0α $ Π0α $ ∆0α+1 ;
Π0α .
0<α<ω1
Insbesondere ist also jede Borel-Menge ein Element von Σ0α für ein 0 < α < ω1 .
1.3. D IE B OREL -H IERARCHIE UND DIE PROJEKTIVE H IERARCHIE
19
Ohne eine (schwache) Form von Auswahlprinzip kann die Punktklasse B(R) trivial werden, d.h.
es kann B(R) = ℘(R) gelten. Z.B. ist im Feferman-Lévy-Modell jede Teilmenge von R bereits
eine Borel-Menge.21 Wir erhalten insgesamt unter ACω (R) das in Abbildung 1.1 dargestellte
Diagramm.
Σ02
⊂
⊂
Π02
{z
⊂
⊂
⊂
⊂
...
∆03
⊂
⊂
⊂
∆02
Π01
|
⊂
⊂
∆01
Σ03
⊂
Σ01
Π03
ω1
Abb. 1.1: Die Borel-Hierarchie B(R) unter ZF + ACω (R)
}
II. Die projektive Hierarchie
Als nächstes definieren wir die projektive Hierarchie. Dazu benötigen wir den grundlegenden
Begriff der Projektion:
Definition 1.33: Seien X, Y Mengen und A ⊆ X × Y . Dann heißt
p(A) :≡ {x ∈ X | ∃y ∈ Y hx, yi ∈ A }
die Projektion von B (vgl. Abbildung 1.2).
Definition 1.34: Sei A ⊆ Rk für ein k ∈ ω. Für n ∈ ω definieren wir über simultane Rekursion:22
A ∈ Σ10 :⇔ A ∈ Σ01 ,
A ∈ Π1n :⇔ Rk − A ∈ Σ1n ,
A ∈ Σ1n+1 :⇔ A = p(B), wobei B ⊆ Rk+1 und B ∈ Π1n ,
A ∈ ∆1n :⇔ A ∈ Σ1n ∩ Π1n .
Mengen aus der Punktklasse Σ11 heißen auch analytisch.
Man überprüft leicht, daß es sich tatsächlich um eine Hierarchie von Punktklassen handelt:
Lemma 1.35: Es gilt:
Σ1n ⊆ Σ1n+1 ,
Σ1n ⊆ Π1n+1 ,
Π1n ⊆ Π1n+1
und Π1n ⊆ Σ1n+1 .
Setzt man eine schwache Form von Auswahlprinzip voraus, so ist die eben definierte Hierarchie
eine echte Hierarchie von Fettdruck-Punktklassen, d.h. die oben genannten Inklusionen sind echt:
21
Zum Feferman-Lévy-Modell vgl. [Jec97], S. 213f. In diesem Modell ist R die abzählbare Vereinigung von abzählbaren Mengen.
22
Hierbei ist wesentlich, daß für uns R = ω ω ist. Für die wirklichen“ reellen Zahlen müßten wir die projektive
”
Hierarchie anders definieren.
20
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
X
A
Y
p(A)
Abb. 1.2: Die Projektion einer Menge A
Lemma 1.36: [ACω (R)]
(1) Für alle n ∈ ω gilt:
Σ1n 6= Π1n ,
∆1n $ Σ1n $ ∆1n+1
und ∆1n $ Π1n $ ∆1n+1 .
Insbesondere ist die projektive Hierarchie eine echte Hierarchie von Punktklassen;
(2) Ist f : Rk → Rm stetig, dann gilt für alle n ∈ ω:
A ∈ Σ1n ⇒ f −100 A ∈ Σ1n
und
A ∈ Π1n ⇒ f −100 A ∈ Π1n .
Insbesondere ist jedes Σ1n und jedes Π1n eine Fettdruck-Punktklasse;
(3) Ist f : Rk → Rm stetig, dann gilt für alle n ∈ ω:
A ∈ Σ1n ⇒ f 00 A ∈ Σ1n .
Jedes Σ1n ist also abgeschlossen unter stetigen Bildern. Das Analogon für Π1n gilt aber im
Allgemeinen nicht.
S
S
Wir definieren daher P(R) :≡ n∈ω Σ1n = n∈ω Π1n . P(R) heißt projektive Hierarchie von R.
Das Verhältnis dieser Hierarchie zur Borel-Hierarchie wird von dem folgenden Satz erfaßt:
Satz 1.37 (Suslin): [ACω (R)] Für A ⊆ Rk mit k ∈ ω gilt:
A ∈ B(R) ⇔ A ∈ Σ11 ∧ Rk − A ∈ Σ11 .
Insbesondere ist also B(R) = ∆11 .
Wir erhalten also unter ACω (R) das in Abbildung 1.3 dargestellte Diagramm der projektiven
Hierarchie.
1.4. U NIFORMISIERUNGEN , C LUB -M ENGEN UND PARTITIONEN
Σ12
1.4
⊂
⊂
⊂
⊂
⊂
Π11
|
...
∆13
⊂
⊂
⊂
∆12
⊂
B(R) = ∆11
Σ13
⊂
⊂
⊂
Σ11
21
Π12
Π13
{z
ω
Abb. 1.3: Die projektive Hierarchie P(R) unter ZF + ACω (R)
}
Uniformisierungen, Club-Mengen und Partitionen
I. Uniformisierungen
Uniformisierbarkeit ist eine Regularitätseigenschaft von Mengen. Der Begriff wurde 1930 von
Nikolai Luzin eingeführt:23
Definition 1.38: Seien A, B ⊆ R2 . B ist eine Uniformisierung von A oder A wird von B unifor
misiert :⇔ B ⊆ A ∧ ∀x ∈ R ∃y ∈ R (hx, yi ∈ A) ⇒ ∃!y ∈ R (hx, yi ∈ B) .
B ist also der Graph einer Funktion, deren Definitionsbereich die Projektion von A auf die erste
Koordinate ist und so daß der Graph vollständig in A enthalten ist (vgl. Abbildung 1.4). Seien
B
R
A
R
Abb. 1.4: Uniformisierung von Teilmengen reeller Zahlen
Γ, ∆ Punktklassen. Dann sei:
(1) Unif (Γ, ∆) :⇔ alle Mengen A ∈ Γ können durch eine Menge B ∈ ∆ uniformisiert
werden;
(2) Unif (Γ) :⇔ Unif (Γ, Γ);
(3) Unif :⇔ Unif (℘(R2 )).
23
Vgl. [Luz30].
22
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
Unif bedeutet also, daß jede Teilmenge von R2 uniformisiert werden kann.
Es besteht die folgende Beziehung zwischen der Uniformisierbarkeit und der Existenz von Auswahlfunktionen:
Lemma 1.39: Die folgenden Aussagen sind äquivalent:
(1) ACR (R);
(2) Unif .
Beweis. ⇒“: Sei A ⊆ R2 . Ist A = ∅, dann uniformisiert nach Definition jede Teilmenge reeller
”
Zahlen die Menge A. Sei also A 6= ∅. Wir definieren:
X :≡ {y ∈ R | hx, yi ∈ A} | x ∈ dom(A) .
Nach Voraussetzung ist X eine Familie nicht-leerer Teilmengen von R. Wegen dom(A) ⊆ R und
ACR (R) existiert daher eine Auswahlfunktion:
f : dom(A) → ran(A)
mit ∀x ∈ dom(A) hx, f (x)i ∈ A .
Dann liefert uns der Graph von f die gewünschte Uniformisierung von A:
B :≡ {hx, f (x)i | x ∈ dom(A)} ⊆ R2 .
⇐“: Sei {Ax | x ∈ R} eine Familie nicht-leerer Teilmengen von R. Wir definieren dann:
”
[
A :≡
{x} × Ax ⊆ R2 .
x∈R
Sei B ⊆ R2 eine Uniformisierung von A. Wir können B als den Graphen24 einer Funktion f
betrachten:
[
f :R→
Ax .
x∈R
Da Ax 6= ∅ für alle x ∈ R ist, gilt ∀x ∈ R ∃y ∈ R hx, yi ∈ A . Da B eine Uniformisierung
ist, gilt daher: ∀x ∈ R ∃!y ∈ R hx, yi ∈ B . Da B ⊆ A der Graph von f ist, gilt also:
∀x ∈ R f (x) ∈ Ax , d.h. f ist die gewünschte Auswahlfunktion.
II. Club-Mengen
Der Begriff der Club-Menge ist einer der grundlegenden Begriffe der Mengenlehre, der in vielen Bereichen verwendet wird. Wir geben hier noch einmal die Definition an und zeigen einige
grundlegende Resultate, die in dieser Arbeit benötigt werden.
Definition 1.40: Sei κ eine Limesordinalzahl und C ⊆ κ.
(1) C heißt abgeschlossen in κ :⇔ ∀η < κ η ∩ C 6= ∅ ⇒ sup(η ∩ C) ∈ C ;
(2) C heißt unbeschränkt in κ :⇔ ∀η < κ ∃λ ∈ C η < λ ;
24
Gemäß der Definition von Funktionen bzw. funktionalen Relationen, die üblicherweise in der Mengenlehre angegeben wird, ist die Menge B selbst eine Funktion mit dom(B) = R.
1.4. U NIFORMISIERUNGEN , C LUB -M ENGEN UND PARTITIONEN
23
(3) C heißt club in κ :⇔ C ist abgeschlossen und unbeschränkt in κ.25
Die Abgeschlossenheit in κ bedeutet dabei gerade, daß für jedes η < κ und jede echt aufsteigende
Folge hαγ | γ < ηi von Elementen aus C der Limes sup{αγ | γ < η} wieder ein Element von C
ist, d.h. C ist abgeschlossen (im Sinne der Topologie) in der Ordnungstopologie von κ.
Lemma 1.41: Sei κ eine reguläre, überabzählbare Kardinalzahl und f : κ → κ. Dann ist die
Menge {α < κ | f 00 α ⊆ α} club in κ.
Beweis. Vgl. [Jec97], Exercise 7.9.
Definition 1.42: Sei κ ∈ Card und A ⊆ κ. Dann sei lim(A) die Menge der Häufungspunkte von
A:
lim(A) :≡ {λ < κ | sup(A ∩ λ) = λ}.
Lemma 1.43: Sei κ eine reguläre, überabzählbare Kardinalzahl und A ⊆ κ unbeschränkt in κ.
Dann ist lim(A) club in κ.
Beweis. (1) lim(A) ist unbeschränkt in κ.
Sei η < κ. Wir definieren durch Induktion über n ∈ ω eine echt aufsteigende Folge η < β0 <
β1 < . . . < κ. Nach Voraussetzung ist A unbeschränkt in κ, also existiert ein β0 ∈ A mit η < β0 .
Da A ⊆ κ gilt, ist insbesondere β0 < κ. Sei nun βn < κ bereits gegeben. Dann existiert wegen
der Unbeschränktheit von A ein βn+1 ∈ A mit βn < βn+1 und es gilt βn+1 < κ. Wir definieren
nun λ :≡ sup{βn | n ∈ ω}. Da nach Voraussetzung cof(κ) = κ > ω gilt, ist λ < κ.
Beh.: sup(A ∩ λ) = λ.
⊆“: Sei α ∈ sup(A ∩ λ). Dann existiert ein βn ∈ A ∩ λ mit α < βn . Da λ eine Ordinalzahl ist,
”
gilt also auch α < λ.
⊇“: Sei βn ∈ λ. Nach Konstruktion ist βn+1 ∈ A ∩ λ und βn < βn+1 , also βn ∈ sup(A ∩ λ).
”
Also gilt λ ∈ lim(A) und nach Konstruktion ist η < λ.
(2) lim(A) ist abgeschlossen in κ.
Sei η < κ und η ∩ lim(A) 6= ∅. Sei δ :≡ sup(η ∩ lim(A)). Es gilt δ < κ.
Beh.: sup(A ∩ δ) = δ.
⊆“: Sei α ∈ sup(A ∩ δ). Dann existiert ein β ∈ A ∩ δ mit α < β, also gilt auch α < δ.
”
⊇“: Sei α < δ. Dann existiert ein β ∈ η ∩ lim(A) mit α < β. Offensichtlich gilt β ⊆ δ. Da
”
β ∈ lim(A) ist, gilt sup(A ∩ β) = β. Wegen α < β existiert also ein γ ∈ A ∩ β ⊆ A ∩ δ mit
α < γ. Also gilt α ∈ sup(A ∩ δ).
Also ist δ ∈ lim(A) und lim(A) damit abgeschlossen.
III. Partitionen und Partitionseigenschaften
Partitionen sind ein grundlegender Begriff der infinitären Kombinatorik. Wir wiederholen noch
einmal die Definition einer Partition und geben einige grundlegende Resultate an. Für eine ausführlichere Darstellung vgl. [Kan97], Abschnitt 7.
25
Die Bezeichnung club“ steht als Abkürzung für closed and unbounded“.
”
”
24
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
Definition 1.44: Eine Partition einer Menge S ist Familie {Xi | i ∈ I} von paarweise disjunkten
S
Mengen, so daß S = i∈I Xi gilt. Zu jeder gegebenen Partition können wir eine Funktion F :
S → I angeben, so daß genau dann F (x) = F (y) gilt, wenn x und y Elemente der selben Menge
Xi ∈ P sind. Umgekehrt bestimmt jede Funktion F : S → I eine eindeutige Partition von S
durch {F −100 {i} | i ∈ I}.
Mit Hilfe von Partitionen erhalten wir ein nützliches Äquivalent der Vollständigkeit von Ultrafiltern:
Lemma 1.45: Sei U ein Filter auf einer Menge M und κ eine Limesordinalzahl. Dann sind äquivalent:
(1) U ist ein κ-vollständiger Ultrafilter;
(2) Für alle λ < κ und alle Partitionen {Xα | α < λ} von M existiert genau ein α0 < λ, so
daß Xα0 ∈ U gilt.
S
Beweis. (1)⇒(2)“: Sei λ < κ und {Xα | α < λ} eine Partition von M . Dann ist α<λ Xα =
”
S
T
M ∈ U. Da ∅ 6∈ U ist, muß also M −
α<λ Xα =
α<λ (M − Xα ) 6∈ U gelten. Da U κvollständig ist, existiert demnach ein α0 < λ, so daß M − Xα0 6∈ U ist. Da U ein Ultrafilter ist,
ist damit M − (M − Xα0 ) = Xα0 ∈ U. Damit ist die Existenz gezeigt. Angenommen, es existiert
α1 < λ mit α0 6= α1 , so daß Xα1 ∈ U gilt. Da die Xα paarweise disjunkt sind, wäre dann aber
wegen den Filtereigenschaften auch Xα0 ∩ Xα1 = ∅ ∈ U. Widerspruch.
(2)⇒(1)“: Sei X ⊆ M beliebig. Da X ∪ (M − X) = M und X ∩ (M − X) = ∅ gilt, ist
”
{X, M −X} eine Partition von M . Da 2 < κ gilt, ist nach Voraussetzung X ∈ U oder M −X ∈ U,
also ist U ein Ultrafilter. Sei nun λ < κ und {Aα | α < λ} eine Familie von Teilmengen von M ,
S
so daß α<λ Aα ∈ U gilt. Wir definieren nun für α < λ:
[
Bα :≡ Aα −
Aβ .
β<α
S
S
Dann gilt Bα ⊆ Aα und α<λ Bα = α<λ Aα ∈ U. Außerdem sind die Bα paarweise disjunkt.
S
Wir definieren nun die Menge P :≡ {Bα | α < λ} ∪ {M − α<λ Bα }. Dann ist P eine Partition
von M , denn die Vereinigung aller Mengen aus P ist gleich M und die Mengen sind paarweise
disjunkt. Da Lim(κ) gilt, ist λ + 1 < κ und nach Voraussetzung existiert eine Menge aus P , die
S
S
in U liegt. Da aber α<λ Bα ∈ U gilt, kann dies nicht die Menge M − α<λ Bα sein, denn
sonst wäre nach den Filtereigenschaften auch ∅ ∈ U. Also existiert ein α0 < λ mit Bα0 ∈ U. Da
Bα0 ⊆ Aα0 gilt, ist damit auch Aα0 ∈ U.
T
Sei nun {Xα | α < λ} ⊆ U. Angenommen, es gilt α<λ Xα 6∈ U. Da U nach dem bereits
S
T
gezeigten ein Ultrafilter ist, gilt dann M −
α<λ (M − Xα ) ∈ U. Nun ist {M −
α<λ Xα =
Xα | α < λ} eine Familie von Teilmengen von M , nach dem gerade gezeigten existiert also ein
T
α0 < λ, so daß M − Xα0 ∈ U gilt. Damit ist Xα0 6∈ U. Widerspruch. Also gilt α<λ Xα ∈ U
und U ist κ-vollständig.
Wir betrachten nun die sogenannten Partitionseigenschaften. Dazu definieren wir zunächst:
Definition 1.46: Für eine linear geordnete Menge S und ein ν ∈ Ord definieren wir:
[S]ν :≡ f | f : ν → S ∧ ∀α, β < ν α < β ⇒ f (α) < f (β) .
1.4. U NIFORMISIERUNGEN , C LUB -M ENGEN UND PARTITIONEN
25
[S]ν ist also die Menge aller echt aufsteigenden ν-Folgen aus S. Für n ∈ ω ist demnach [S]n die
Menge der n-elementigen Teilmengen von S.
Ist P = {Xi | i ∈ I} eine Partition von [S]ν , dann heißt eine Menge H ⊆ S homogen für die
Partition P , falls [H]ν ⊆ Xi für ein i ∈ I gilt. Die äquivalente Formulierung für Funktionen
F : [S]ν → I lautet: H heißt homogen für die Funktion F , falls F auf [H]ν konstant ist.
Wir führen nun die Pfeilnotation ein, die auf Paul Erdős zurückgeht. Mit dieser Notation lassen
sich viele Partitionseigenschaften übersichtlich formulieren. Seien α, µ, ν ∈ Ord und κ ∈ Card.26
Wir bezeichnen dann mit
α → (κ)νµ
die folgende Partitionseigenschaft: Für jede Funktion F : [α]ν → µ existiert eine Menge H ⊆ α
mit |H| = κ, so daß F auf [H]ν konstant ist.
Lemma 1.47: Es gelten die folgenden Beziehungen für die Pfeilnotation:
(1) Seien α0 ≥ α und κ0 ≤ κ, µ0 ≤ µ. Gilt α → (κ)νµ , dann gilt auch α0 → (κ0 )νµ0 ;
0
(2) Sei ν 0 < ν und ν 0 < cof(κ). Gilt α → (κ)νµ , dann gilt auch α → (κ)νµ .
Beweis. Vgl. Wissenschaftliche Arbeit von Ute Schmid [Sch99], Proposition 2.4.1 und Proposition 2.4.2.
Die Aussage der Pfeilnotation behält also ihre Gültigkeit, wenn wir den Parameter auf der linken Seite vergrößern oder die Parameter auf der rechten Seite verkleinern – mit der angegebenen
Einschränkung für den Exponenten ν.
Für Partitionen von [ω]n in endlich viele Teile gilt:
Satz 1.48 (Ramsey): Für alle n, m ∈ ω gilt ℵ0 → (ℵ0 )nm .
Beweis. Vgl. [Jec97], Lemma 29.1.
Ein frühes Ergebnis von Paul Erdős und Richard Rado zeigt aber, daß in der Theorie ZFC der
Exponent ν in der Pfeilnotation endlich sein muß:
Lemma 1.49 (Erdős-Rado): [AC] Angenommen, es ist µ ≥ 2 und es gilt α → (κ)νµ . Dann ist
ν < ω.
Beweis. Vgl. [Kan97], Proposition 7.1.
In Theorien, in denen das Auswahlaxiom nicht gilt, können wir auch Partitionseigenschaften von
Kardinalzahlen mit unendlichem Exponenten betrachten. Wir definieren hier eine sehr starke Form
einer derartigen Eigenschaft, die wir im Laufe der Arbeit verwenden werden:
Definition 1.50: Sei κ eine überabzählbare Kardinalzahl. κ heißt schwach kompakt, falls κ →
(κ)22 gilt. κ besitzt die starke Partitionseigenschaft, falls gilt:
∀µ < κ κ → (κ)κµ .
Eine Kardinalzahlen mit einer derartigen Partitionseigenschaft heißt starke Partitionskardinalzahl.
26
Man kann die Pfeilnotation noch allgemeiner definieren. Wir beschränken uns hier auf die Verwendung von
Kardinal- und Ordinalzahlen.
26
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
Aus der schwachen Kompaktheit erhalten wir bereits die Regularität der Kardinalzahlen:
Lemma 1.51: Sei κ schwach kompakt. Dann ist κ regulär.
Beweis. Angenommen, κ ist singulär. Dann existiert ein γ < κ und paarweise disjunkte TeilmenS
gen Xα ⊆ κ für α < γ mit |Xα | < κ, so daß κ = α<γ Xα gilt. Wir definieren eine Partition
durch:
(
0 , falls ein α < γ existiert mit f (0) ∈ Xα und f (1) ∈ Xα
F : [κ]2 → 2, f 7→
1 , sonst.
Nach Voraussetzung existiert ein H ⊆ κ mit |H| = κ, so daß H homogen für F ist.
Fall 1: F 00 [H]2 = {0}. Sei β ∈ H ⊆ κ beliebig. Nach Voraussetzung existiert genau ein α0 < γ
mit β ∈ Xα0 . Sei β 0 ∈ H mit β 0 6= β. Ist β < β 0 , dann ist f :≡ {h0, βi, h1, β 0 i} ∈ [H]2 . Da die
Xα paarweise disjunkt sind, gilt wegen F (f ) = 0 also auch β 0 ∈ Xα0 . Analog gilt: falls β 0 < β,
dann ist ebenfalls β 0 ∈ Xα0 . Es folgt H ⊆ Xα0 , also κ = |H| ≤ |Xα0 |. Widerspruch.
Fall 2: F 00 [H]2 = {1}. Wir definieren die Funktion g : H → γ durch: g(β) sei das eindeutige
α < γ, so daß β ∈ Xα gilt. Sind β, β 0 ∈ H mit β < β 0 , dann ist F ({h0, βi, h1, β 0 i}) = 1, d.h. es
existiert kein α < γ mit β ∈ Xα und β 0 ∈ Xα . Insbesondere ist g(β) 6= g(β 0 ), d.h. g ist injektiv.
Also gilt κ = |H| ≤ γ. Widerspruch.
für eine
Lemma 1.52: Sei κ ≥ ℵ0 eine Kardinalzahl mit der Partitionseigenschaft κ → (κ)ν+ν
2
Ordinalzahl ν < κ. Dann gilt auch:
∀µ < κ κ → (κ)νµ .
Beweis. Ein κ mit der angegebenen Partitionseigenschaft erfüllt nach Lemma 1.47 auch κ →
(κ)22 . Nach Lemma 1.51 ist also κ regulär. Sei µ < κ und F : [κ]ν → µ eine Partition. Für eine
Teilmenge Y ⊆ κ und f ∈ [Y ]ν+ν definieren wir:
f0 : ν → Y, α 7→ f (α);
f1 : ν → Y, α 7→ f (ν + α).
Da f streng monoton wachsend ist, sind auch f0 und f1 streng monoton wachsend, d.h. es gilt
f0 , f1 ∈ [Y ]ν . Außerdem ist sup(ran(f0 )) ≤ f1 (0). Seien andererseits g, h ∈ [Y ]ν mit sup(
ran(g)) ≤ h(0). Dann definieren wir g ⊕ h durch:
(
g(α) , falls α < ν
g ⊕ h : ν + ν → H, α 7→
h(β) , falls α = ν + β.
Dann ist g ⊕ h ∈ [H]ν+ν und es gilt (g ⊕ h)0 = g und (g ⊕ h)1 = h.
Wir definieren nun die Partition G durch:
G : [κ]
ν+ν
→ 2, f 7→
(
0 , falls F (f0 ) = F (f1 )
1 , sonst.
Nach Voraussetzung existiert ein H ⊆ κ mit |H| = κ, so daß H homogen für G ist. Wir wollen
zeigen, daß H auch homogen für F ist.
1.4. U NIFORMISIERUNGEN , C LUB -M ENGEN UND PARTITIONEN
27
Beh. 1: Es existiert eine Funktion f ∈ [H]ν+ν mit F (f1 ) = F (f2 ). Insbesondere ist G00 [H]ν+ν =
{0}.
Beweis. Sei hhα | α < κi eine streng monoton wachsende Aufzählung von H. Dann definieren
wir:
Hγ :≡ {hν·γ+α | α < ν}.
Da κ regulär ist, gilt für γ < κ auch ν · γ + α < κ für alle α < ν. Also ist Hγ für alle γ < κ
definiert. H wird durch die Hγ in κ Blöcke der Länge ν zerlegt. Für γ < κ sei nun:
fγ : ν → Hγ , α 7→ hν·γ+α .
Für alle γ < κ ist fγ streng monoton wachsend, wegen Hγ ⊆ H gilt also fγ ∈ [H]ν . Nach
Konstruktion gilt außerdem für α < β < κ:
sup(ran(fα )) ≤ fβ (0).
Sei nun g : κ → µ, γ 7→ F (fγ ). Da κ regulär und µ < κ ist, existieren nach dem Schubfachprinzip α, β < κ mit α < β und g(α) = g(β).27 Also gilt F (fα ) = F (fβ ) und sup(ran(fα )) ≤
fβ (0). Sei f :≡ fα ⊕ fβ . Dann ist f ∈ [H]ν+ν und es gilt f0 = fα und f1 = fβ , also
F (f0 ) = F (f1 ).
(1)
Seien nun zwei Funktionen g, h ∈ [H]ν gegeben. g ist eine Funktionen von ν nach H ⊆ κ. Da κ
regulär ist und ν < κ gilt, kann g nicht unbeschränkt in κ sein, d.h. es gilt λ :≡ sup(ran(g)) < κ.
Analog gilt λ0 :≡ sup(ran(h)) < κ. Andererseits ist die Menge {fγ (0) | γ < κ} unbeschränkt
in κ, also existiert ein α < κ und ein fα : ν → Hα mit max{λ, λ0 } ≤ fα (0). Dann ist g ⊕ fα ∈
[H]ν+ν und damit G(g ⊕ fα ) = 0, also gilt F (g) = F (fα ). Analog gilt h ⊕ fα ∈ [H]ν+ν , also
auch F (h) = F (fα ). Zusammen folgt demnach F (g) = F (h) für alle g, h ∈ [H]ν , also ist H
homogen für F .
1.5
Bäume, Suslin-Mengen und Skalen
Wir führen in diesem Abschnitt den grundlegenden Begriff des Baumes und die Kleene-BrouwerOrdnung ein. Mit Hilfe des Baum-Begriffes können wir die Suslin-Mengen definieren. SuslinMengen sind entscheidende Objekte dieser Arbeit. Wir werden einige wichtige Eigenschaften von
Bäumen und Suslin-Mengen angeben. Der letzte Teil des Abschnitt beschäftigt sich mit Normen,
Präwohlordnungen und Skalen.
I. Bäume und die Kleene-Brouwer-Ordnung
Wir definieren zunächst den grundlegenden Begriff des Baumes:
Definition 1.53: Sei X eine Menge und α ∈ Ord. Ist α eine Nachfolgerordinalzahl, dann ist T
ein Baum auf X der Höhe α, falls T eine Teilmenge der Folgen aus X mit Länge kleiner oder
gleich α ist, die abgeschlossen unter Anfangsstücken ist:
S
(1) T ⊆ X ≤α = β≤α X β ;
27
Vgl. [BK96], Satz 11.1.
28
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
(2) t ∈ T ⇒ ∀β ≤ len(t) tβ ∈ T .
Ist α eine Limesordinalzahl, dann ist T ein Baum auf X der Höhe α, falls T eine Teilmenge der
Folgen aus X mit Länge kleiner α ist, die abgeschlossen unter Anfangsstücken ist:
S
(1) T ⊆ X <α = β<α X β ;
(2) t ∈ T ⇒ ∀β ≤ len(t) tβ ∈ T .
Definition 1.54: Sei T ein Baum auf X der Höhe α.
(1) Seien s, t ∈ T . Die umgekehrte echte Inklusionsordnung % ist eine partielle Ordnung auf
T;
(2) Für Succ(α) sei [T ] :≡ T ∩ X α die Menge der Äste mit maximaler Länge;
(3) Für Lim(α) sei [T ] :≡ {x ∈ X α | ∀β < α xβ ∈ T } die Menge der Äste mit Supremumslänge. Im Fall α = ω ist [T ] gerade die Menge der unendlichen Äste;
(4) Für s ∈ X <α sei T /s :≡ {t ∈ X <α | sat ∈ T }.
Für einen Baum auf X der Höhe ω sagen wir auch kurz Baum auf X. Für den Rest dieses Abschnitts betrachten wir nur noch Bäume der Höhe ω, also Teilmengen von endlichen Folgen aus
X, da diese die Hauptanwendung in dieser Arbeit darstellen. Dann sei:
Definition 1.55: Ein Baum T auf einer Menge X heißt fundiert, falls (T, %) eine fundierte Relation ist.
Wir werden häufig Bäume auf kartesischen Produkten verwenden. Wir führen einige Konventionen ein:
Definition 1.56: Sei X = Y × Z. Ist T ein Baum auf X und u ∈ T , dann ist u = hu0 , . . . , un−1 i
und ui = hsi , ti i mit si ∈ Y und ti ∈ Z für i < n. Wir identifizieren (Y × Z)n mit Y n × Z n
und betrachten u = hs, ti als Paar von Folgen hs0 , . . . , sn−1 i ∈ Y n und ht0 , . . . , tn−1 i ∈ Z n .
Dann ist also T ⊆ Y <ω × Z <ω mit der Eigenschaft, daß len(s) = len(t) für hs, ti ∈ T gilt. Sei
un :≡ hsn, tni. Wir erweitern die Inklusion auf Paare von Folgen durch: hs, ti ⊆ hs0 , t0 i :≡
s ⊆ s0 ∧ t ⊆ t0 . Wir erhalten eine entsprechende Erweiterung der partiellen Ordnung % auf T .
Wir identifizieren ebenfalls (Y × Z)ω mit Y ω × Z ω . Mit dieser Konvention ist [T ] die Menge der
Paare hy, zi ∈ Y ω × Z ω mit hyn, zni ∈ T für alle n ∈ ω. Wir definieren schließlich:
(1) Für s ∈ Y <ω sei Ts :≡ {t ∈ Z <ω | len(t) ≤ len(s) ∧ hs len(t), ti ∈ T };
S
(2) Für x ∈ Y ω sei Tx :≡ n∈ω Txn = {t ∈ Z <ω | hx len(t), ti ∈ T }.
Wie man leicht einsieht, sind Ts und Tx Bäume auf Z.
Definition 1.57: Sei T ein Baum auf einer Menge X. Ein Element s ∈ T heißt terminal, falls
sahxi 6∈ T für alle x ∈ X gilt. Der Baum T heißt gestutzt (pruned), falls er keine terminalen
Elemente enthält, d.h. falls es für jedes s ∈ T eine echte Erweiterung s $ t mit t ∈ T gibt.
Lemma 1.58: Sei X eine nicht-leere Menge. Dann gilt DC(X <ω ) genau dann, wenn jeder gestutzte Baum T auf X einen unendlichen Ast besitzt, d.h. wenn [T ] 6= ∅ gilt.
Beweis. Vgl. [And], Proposition 1.12.
Lemma 1.59: [DC(X <ω )] Sei T ein Baum auf X. Dann gilt:
T ist fundiert ⇔ [T ] = ∅.
1.5. B ÄUME , S USLIN -M ENGEN UND S KALEN
29
Beweis. Vgl. [Kec94], Appendix B.
Lemma 1.60: Sei X eine nicht-leere Menge. Angenommen, es gilt |X <ω | = |X|. Dann gilt für
alle α ∈ Ord:
DC(X) ⇒ DC(α × X).
Beweis. Angenommen, es gilt DC(X). Sei α ∈ Ord und R ⊆ (α × X) × (α × X) eine Relation,
so daß gilt:
∀(β, x) ∈ α × X ∃(γ, y) ∈ α × X (β, x)R(γ, y) .
(∗)
Wir definieren einen Baum T auf α × X durch:
T :≡ {(∅, ∅)} ∪ {(h0i, hxi) | x ∈ X} ∪ {(hβ0 , . . . , βn i, hx0 , . . . , xn i) |
∀k < n (βk , xk )R(βk+1 , xk+1 ) ∧ ∀γ < βk+1 ∀y ∈ X ¬(βk , xk )R(γ, y) }.
T enthält also für alle x0 ∈ X die Elemente (h0i, hx0 i) und ist (hβ0 , . . . , βn i, hx0 , . . . , xn i) ∈ T ,
dann sei βn+1 < α der minimale Zeuge, so daß (βn , xn )R(βn+1 , y) für ein y ∈ X gilt. Dies ist
möglich, da α ∈ Ord ist. Dann enthält T gerade die Elemente (hβ0 , . . . , βn+1 i, hx0 , . . . , xn , yi),
so daß y ∈ X und (βn , xn )R(βn+1 , y) gilt. Wegen (∗) ist T ein gestutzter Baum. Wir definieren
nun den Baum T 0 auf X durch:
hx0 , . . . , xn−1 i ∈ T 0 :⇔ ∃hβ0 , . . . , βn−1 i ∈ αn (hβ0 , . . . , βn−1 i, hx0 , . . . , xn−1 i) ∈ T .
Der Baum T 0 ist ebenfalls gestutzt. Nach Voraussetzung gilt |X <ω | = |X|, insbesondere existiert also eine Surjektion X X <ω . Nach Lemma 1.6 gilt also auch DC(X <ω ). Nach Lem
ma 1.58 besitzt daher T 0 einen unendlichen Ast x ∈ [T 0 ], d.h. es gilt ∀n ∈ ω xn ∈ T 0 .
Nach Definition von T bzw. T 0 existieren also für jedes n ∈ ω eindeutige β1 , . . . , βn−1 , so daß
(h0, β1 , . . . , βn−1 i, xn) ∈ T gilt. Insbesondere ist also (βk , xk )R(βk+1 , xk+1 ) für alle k < n−1.
Wegen der Eindeutigkeit der βk ist also die Funktion f : ω → α ×X, n 7→ (βn , xn ) wohldefiniert
und es gilt ∀n ∈ ω f (n)Rf (n + 1) . Also gilt DC(α × X).
Wir geben nun eine feinere“ Ordnung auf einem Baum T an:
”
Definition 1.61: Sei (X, <) eine linear geordneten Menge. Die Kleene-Brouwer-Ordnung <KB
auf X <ω sei wie folgt definiert. Sind s = hs0 , . . . , sm−1 i, t = ht0 , . . . , tn−1 i ∈ X <ω , dann sei:
s <KB t :⇔ s % t ∨ ∃i < min{m, n} ∀j < i sj = tj ∧ si < ti .
Man überprüft leicht, daß <KB eine lineare Ordnung ist, die die partielle Ordnung % auf X <ω
erweitert.
Lemma 1.62: Sei T ein Baum auf einer wohlgeordneten Menge (X, <). Dann gilt:
T ist fundiert ⇔ (T, <KB T × T ) ist eine Wohlordnung.
Beweis. Vgl. [Kec94], Proposition 2.12.
30
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
Bemerkung 1.63: Sei X wohlgeordnet. Dann ist auch X <ω wohlgeordnet, nach Lemma 1.3 und
Lemma 1.7 gilt also DC(X <ω ).
Sei X = Y × Z wohlgeordnet und T ein Baum auf X. Für alle s ∈ Y <ω gilt [Ts ] = ∅, denn
Ts ist ein Baum, dessen Äste eine durch len(s) < ω beschränkte Länge haben. Insbesondere
besitzt dieser Baum also keine unendlich langen Äste. Damit ist Ts nach Lemma 1.59 fundiert und
<KB Ts × Ts eine Wohlordnung.
Für nicht-fundierte Bäume können wir einen kanonischen unendlichen Ast angeben. Diese Konstruktion ist nützlich, wenn man in einem Kontext ohne Auswahlaxiom dennoch unendliche Äste
auswählen“ möchte:
”
Definition 1.64: Sei T ein nicht-fundierter Baum auf einer wohlgeordneten Menge (X, <). Nach
Lemma 1.59 ist [T ] 6= ∅. Dann existiert ein rekursiv definierter, äußerster Ast (leftmost branch)
lmb(T ) ∈ [T ]. Dazu definieren wir lmb(T )(n) durch Rekursion über n ∈ ω als:
lmb(T )(n) :≡ min{x ∈ X | [T /(lmb(T )n)ahxi] 6= ∅}.
Da nach Voraussetzung [T ] 6= ∅ gilt, ist die Menge auf der rechten Seite nicht-leer, d.h. lmb(T )(n)
ist wohldefiniert. Es gilt lmb(T ) ∈ γ ω , d.h. lmb(T ) ist tatsächlich ein unendlicher Ast. Man
beachte aber, daß im Allgemeinen nicht für jeden anderen unendlichen Ast z ∈ [T ] und jedes
n ∈ ω gilt lmb(T )(n) ≤ z(n). Z.B. können f :≡ h0, 1, 1, 1, . . .i und g :≡ h1, 0, 0, 0, . . .i zwei
unendliche Äste eines binären Baumes und f der äußerste Ast sein. Vgl. auch Bemerkung 1.83.
Nach Definition 1.21 existiert in der Theorie ZF für fundierte Relationen eine Rang-Funktion:
Definition 1.65: Sei T ein fundierter Baum auf X. Sei ρT :≡ ρ% die Rang-Funktion auf hT, %i
gemäß Definition 1.21. Die Ordinalzahl kT k :≡ k%k heißt Rang des fundierten Baumes T . Man
zeigt leicht, daß folgendes gilt:
ρT (s) = sup{ρT (sahxi) + 1 | x ∈ X ∧ sahxi ∈ T }.
Ein s ∈ T ist offensichtlich genau dann terminal, wenn ρT (s) = 0 gilt. Für s 6∈ T definieren wir
ρT (s) = 0, so daß ρT eine Funktion auf ganz X <ω ist. Für T 6= ∅ gilt kT k = ρT (∅) + 1.
Lemma 1.66: Ist T ein fundierter Baum auf κ für κ ∈ Card, dann gilt kT k < κ+ .
Beweis. Vgl. [And], Exercise 1.30.
Bemerkung 1.67: Für einen nicht-fundierten Baum T auf κ definieren wir den fundierten Teil
WFT von T durch:
s ∈ WFT :⇔ s ∈ T ∧ T /s ist fundiert.
Für s ∈ WFT ist eine Rang-Funktion ρT wie in der obigen Definition gegeben. Den Rang von
T definieren wir dann durch kT k = sup{ρT (s) + 1 | s ∈ WFT }. Wir erweitern ρT auf ganz T ,
indem wir für s ∈ T − WFT definieren:
ρT (s) :≡ κ+ .
Dann gilt also zusammen mit dem vorherigen Lemma, daß kT k ≤ κ+ ist und kT k < κ+ gilt
genau dann, wenn T fundiert ist.
1.5. B ÄUME , S USLIN -M ENGEN UND S KALEN
31
II. Suslin-Mengen
Ein weiterer, in der Deskriptiven Mengenlehre häufig auftretender Begriff ist der der SuslinMengen.28 Für die Definition dieser Mengen benötigen wir den Begriff der Projektion, den wir im
letzten Abschnitt angegeben haben. Ist T ein Baum, dann schreiben wir p[T ] statt p([T ]) für die
Projektion von [T ]. Normalerweise werden in der Deskriptiven Mengenlehre die Suslin-Mengen
als Projektionen von Bäumen auf ω×γ definiert. Wir verallgemeinern aber diese Definition, indem
wir Bäume auf α × γ mit einer unendlicher Ordinalzahl α betrachten:
Definition 1.68: Sei A ⊆ αω .
(1) A heißt γ-Suslin auf α, falls ein Baum T auf α × γ existiert, so daß
A = p[T ] = {x ∈ αω | ∃y ∈ γ ω hx, yi ∈ [T ] };
(2) A heißt γ-Co-Suslin auf α, falls ¬A :≡ αω − A γ-Suslin ist;
(3) A heißt Suslin auf α, falls A γ-Suslin für ein γ ∈ Ord ist;
(4) A heißt Co-Suslin auf α, falls ¬A γ-Suslin für ein γ ∈ Ord ist;
(5) S γ (α) sei die Punktklasse der γ-Suslin-Mengen auf α;
S
(6) S ∞ (α) :≡ γ∈Ord S γ (α) sei die Punktklasse der Suslin-Mengen auf α.
Die Suslin-Eigenschaft einer Menge bedeutet also, daß diese Menge eine Baumdarstellung besitzt.
Wir schreiben S γ statt S γ (ω) bzw. S ∞ statt S ∞ (ω). Außerdem sagen wir auch Suslin“ statt
”
Suslin auf α“, wenn aus dem Kontext heraus klar ist, welches α gemeint ist.
”
Wie man leicht zeigt, gilt:
Lemma 1.69: Seien α, γ, δ Ordinalzahlen und sei |γ| ≤ |δ|. Dann gilt S γ (α) ⊆ S δ (α). Insbesondere gilt also S γ (α) = S |γ| (α).
Es genügt also, die Mengen S κ (α) für κ ∈ Card zu betrachten. In ZFC ist jede Teilmenge von
αω eine Suslin-Menge:
Lemma 1.70: [AC] Sei A ⊆ αω . Dann ist A eine |A|-Suslin-Menge. Insbesondere ist jede Menge
reeller Zahlen schon 2ℵ0 -Suslin.
Beweis. Sei κ :≡ |A| und f : κ ↔ A eine Bijektion. Dann ist f (ξ) ∈ αω für ξ < κ. Wir definieren
den folgenden Baum:
T :≡ {hf (ξ)n, n × {ξ}i | ξ < κ ∧ n ∈ ω}.
Wegen n × {ξ} = hξ, . . . , ξ i ist T ein Baum auf α × κ. Für x ∈ αω gilt:
| {z }
n
x ∈ A ⇔ ∃ξ < κ f (ξ) = a
28
⇔ ∃ξ < κ ∀n ∈ ω han, n × {ξ}i ∈ T
⇔ ∃ξ < κ ha, ω × {ξ}i ∈ [T ]
Durch die französische Übersetzung des Kyrillischen stößt man in der Literatur auch häufig auf die Schreibweise
Souslin“.
”
32
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
⇔ a ∈ p[T ].
Also gilt A = p[T ] und A ist κ-Suslin.
Es stellt sich die Frage, von welchen Mengen reeller Zahlen man ohne Verwendung des Auswahlaxioms zeigen kann, daß sie Suslin sind. Z.B. ist in ZF jede Menge reeller Zahlen genau dann
ω-Suslin, wenn sie analytisch ist. Suslin-Mengen sind also eine Verallgemeinerung von analytischen Mengen:
Lemma 1.71: Es gilt Σ11 = S ω .
Beweis. Vgl. [Kan97], Proposition 13.13.
Joseph R. Shoenfield konnte zeigen, daß für die Mengen der nächsten Stufe in der projektiven
Hierarchie ebenfalls eine Baumdarstellung existiert:
Satz 1.72 (Shoenfield): Es gilt Σ12 ⊆ S ω1 .
Beweis. Vgl. [Kan97], Theorem 13.14.
Aufgrund der Definition der Suslin-Mengen erhalten wir unmittelbar die folgende Darstellung:
Lemma 1.73: Sei A ∈ S γ (α) mit α, γ ∈ Ord. Dann gilt:
A = {x ∈ αω | Tx ist nicht-fundiert}.
Beweis. Sei A ⊆ αω eine γ-Suslin-Menge. Sei x ∈ αω . Dann gilt:
x ∈ A ⇔ x ∈ p[T ]
⇔ ∃y ∈ γ ω hx, yi ∈ [T ]
⇔ ∃y ∈ γ ω ∀n ∈ ω hxn, yni ∈ T
⇔ ∃y ∈ γ ω ∀n ∈ ω yn ∈ Tx
⇔ ∃y ∈ γ ω y ∈ [Tx ]
⇔ [Tx ] 6= ∅.
Die Suslin-Mengen besitzen gewisse Abgeschlossenheitseigenschaften. So sind die Urbilder von
Suslin-Mengen unter stetigen Funktionen wieder Suslin:
Lemma 1.74: Sei A ⊆ R eine γ-Suslin-Menge (auf ω) und f : αω → R eine stetige Funktion.
Dann ist B :≡ f −100 A ⊆ αω ebenfalls γ-Suslin (auf α).
Beweis. Sei A = p[T ] für einen Baum T auf ω × γ. Sei ϕf : α<ω → ω <ω die in Abschnitt 1.2
angegebene Funktion. Wir definieren einen Baum S auf α × γ durch:
S :≡ {hs, ti | len(s) = len(t) ∧ hϕf (s), t len(ϕf (s))i ∈ T }.
Dann gilt für jedes x ∈ αω :
x ∈ p[S] ⇔ ∃y ∈ γ ω hx, yi ∈ [S])
1.5. B ÄUME , S USLIN -M ENGEN UND S KALEN
⇔ ∃y ∈ γ ω ∀m ∈ ω hxm, ymi ∈ S
33
⇔ ∃y ∈ γ ω ∀m ∈ ω hϕf (xm), y len(ϕf (xm))i ∈ T
⇔ ∃y ∈ γ ω hf (x), yi ∈ [T ]
[
da f (x) =
ϕf (xm) und len(ϕf (xm)) → ∞.
m∈ω
⇔ f (x) ∈ p[T ] = A
⇔ x ∈ B = f −100 A.
Also ist B = p[S] und damit ebenfalls γ-Suslin.
Bemerkung 1.75: Die Aussage gilt auch für Mengen, die γ-Co-Suslin sind. Ist A ⊆ R eine γ-CoSuslin-Menge (auf ω) und f : αω → R eine stetige Funktion, dann ist nach Definition R − A eine
γ-Suslin-Menge. Nach dem Lemma ist dann f −100 (R − A) = αω − f −100 A eine γ-Suslin-Menge,
also ist B :≡ f −100 A ⊆ αω ebenfalls γ-Co-Suslin (auf α).
Aufgrund von Lemma 1.74 sind die Punktklasse S γ also für jedes γ ∈ Ord tatsächlich FettdruckPunktklassen.
Bezüglich Uniformisierbarkeit und Suslin-Menge besteht die folgende Beziehung:
Lemma 1.76: Sei A ⊆ R eine Suslin-Menge. Dann ist die Menge {hx, yi ∈ R2 | x ∗ y ∈ A}
uniformisierbar.
Beweis. Sei A ⊆ R eine γ-Suslin-Menge, d.h. es existiert ein Baum T auf ω × γ mit A = p[T ].
Sei B :≡ {hx, yi ∈ R2 | x ∗ y ∈ A}. Wir definieren:
[
S :≡
hs, t, ui ∈ ω n × ω n × γ n | h(s ∗ t)n, ui ∈ T .
n∈ω
Wie man leicht überprüft, ist S ein Baum auf ω × ω × γ. Man beachte: ist hv, ui ∈ T mit len(v) =
n, dann gilt für alle s, t ∈ ω n mit v = (s ∗ t)n, daß hs, t, ui ∈ S ist.
Beh. 1: Für x, y ∈ R gilt: x ∗ y ∈ p[T ] ⇔ hx, yi ∈ p[S].
Beweis.
x ∗ y ∈ p[T ] ⇔ ∃z ∈ γ ω hx ∗ y, zi ∈ [T ]
⇔ ∃z ∈ γ ω ∀n ∈ ω h(x ∗ y)n, zni ∈ T
⇔ ∃z ∈ γ ω ∀n ∈ ω hxn, yn, zni ∈ S
⇔ ∃z ∈ γ ω hx, y, zi ∈ [S]
⇔ hx, yi ∈ p[S].
Man beachte dabei, daß ((xn) ∗ (yn))n = ((x ∗ y)2n)n = (x ∗ y)n gilt.
(1)
Sei nun x ∈ R. Angenommen, es existiert ein y ∈ R mit hx, yi ∈ B. Nach Definition von B
ist x ∗ y ∈ A, also hx, yi ∈ p[S]. Sei hx, y, zi ∈ [S] für ein z ∈ γ ω . Dann ist hy, zi ∈ [Sx ]
für den Baum Sx auf ω × γ, insbesondere also [Sx ] 6= ∅. Da ω × γ wohlgeordnet ist, können
34
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
wir den kanonischen äußersten Ast lmb(Sx ) ∈ R × γ ω gemäß Definition 1.64 bestimmen. Sei
π0 : R × γ ω → R die Projektion auf die erste Koordinate. Wir erhalten zusammen eine Funktion
f : dom(B) → R, x 7→ π0 (lmb(Sx )). Sei C der Graph von f , d.h.:
C :≡ {hx, π0 (lmb(Sx ))i | x ∈ dom(B)}.
Ist nun hx, ui ∈ C, dann existiert nach Definition ein y ∈ R mit hx, yi ∈ B und u = π0 (lmb(Sx )).
Also existiert ein z ∈ γ ω mit lmb(Sx ) = hu, zi ∈ [Sx ]. Es gilt hx, u, zi ∈ [S] und damit hx, ui ∈
p[S]. Nach Behauptung (1) ist also hx, ui ∈ B. Zusammen gilt:
C ⊆ B ∧ ∀x ∈ R ∃y ∈ R (hx, yi ∈ B) ⇒ ∃!y ∈ R (hx, yi ∈ C) .
Also ist C eine Uniformisierung von B.
Aus dem Lemma erhalten wir unmittelbar:
Korollar 1.77: Angenommen, jede Teilmenge von R ist Suslin. Dann ist jede Teilmenge von R2
uniformisierbar, d.h. es gilt:
S ∞ = ℘(R) ⇒ Unif .
Beweis. Angenommen, jede Teilmenge von R ist Suslin, aber es gilt ¬Unif . Sei A ⊆ R2 ein
Gegenbeispiel, d.h. A wird durch keine Teilmenge von R2 uniformisiert. Wir definieren die Menge
B :≡ {x ∗ y | hx, yi ∈ B} ⊆ R. Die Funktion f∗ : R × R ↔ R, (x, y) 7→ x ∗ y ist eine
Bijektion.29 Nach Voraussetzung ist B eine Suslin-Menge. Nach Lemma 1.76 ist dann aber die
Menge {hx, yi ∈ R2 | x ∗ y ∈ B} = A uniformisierbar im Widerspruch zur Wahl von A.
III. Normen, Präwohlordnungen und Skalen
Definition 1.78: Sei A ⊆ Rk . Eine Norm auf A ist eine Funktion ρ : A → Ord. Sei γ ∈ Ord.
Eine γ-Norm von A ist eine Funktion ρ : A → γ.
Definition 1.79: Eine Präwohlordnung von A ist eine binäre Relation auf A, die reflexiv, transitiv,
konnex und fundiert ist. Eine Präwohlordnung auf A erfüllt also alle Bedingungen einer Wohlordnung mit der eventuellen Ausnahme der Anti-Symmetrie, d.h. es können zwei verschiedene
x, y ∈ A existieren mit x y und y x.
Bemerkung 1.80: Jede Norm ρ auf A induziert eine Präwohlordnung von A durch:
x y :⇔ ρ(x) ≤ ρ(y).
Andererseits existiert für jede Präwohlordnung von A nach Definition 1.21 eine kanonische Norm
durch die Rangfunktion ρ . Entsprechend sei kk = sup{ρ (x) + 1 | x ∈ A} die Länge der
Präwohlordnung.
Definition 1.81: Sei A ⊆ Rk . Eine γ-Skala auf A (γ-scale on A) ist eine ω-Folge hρn | n ∈ ωi
von γ-Normen auf A mit der folgenden Eigenschaft:
29
Vgl. Definition 1.17.
1.5. B ÄUME , S USLIN -M ENGEN UND S KALEN
35
Angenommen, es sind a0 , a1 , a2 , . . . ∈ A mit a = limm→∞ am und es existiert eine Funktion g : ω → γ, so daß für jedes n ∈ ω ein N ∈ ω existiert mit ρn (am ) = g(n) für alle
m ≥ N . Dann gilt a ∈ A und ∀n ∈ ω ρn (a) ≤ g(n) .
Dabei bedeutet limm→∞ die übliche Konvergenz von Folgen in bezug auf die Topologie von Rk .
Wir schreiben auch A besitzt eine Skala, falls eine γ-Skala auf A für ein γ ∈ Ord existiert.
Lemma 1.82: Sei γ ≥ ω und A ⊆ R. Wenn eine γ-Skala auf A existiert, dann ist A γ-Suslin.
Beweis. Sei hρn | n ∈ ωi eine γ-Skala auf A. Wir setzen:
T :≡ {ham, hρ0 (a), . . . , ρm−1 (a)ii | x ∈ A ∧ m ∈ ω}.
Offensichtlich ist T ein Baum auf ω × γ und es gilt A ⊆ p[T ]. Sei nun a ∈ p[T ]. Dann ist
a ∈ R und es existiert ein g : ω → γ mit ha, gi ∈ [T ]. Nach Definition von T existieren dann
a0 , a1 , a2 , . . . ∈ A mit ham m, hρ0 (am ), . . . , ρm−1 (am )ii = ham, gmi für jedes m ∈ ω. Da
limm→∞ am = a und ρn (am ) = g(n) für jedes m ∈ ω mit m > n gilt, ist a ∈ A nach Definition
der Skala. Also gilt A = p[T ] für einen Baum T auf ω × γ, d.h. A ist γ-Suslin.
Bemerkung 1.83: Man kann die obige Beziehung noch präzisieren. Die Existenz einer γ-Skala
auf A ist äquivalent zu einer Baumdarstellung von A durch A = p[T ] mit einem Baum T auf ω×γ,
so daß dieser einen echten äußersten Ast (honest leftmost branch) besitzt. Ein derartiger Ast ist
ein f ∈ [T ], so daß für jeden Ast g ∈ [T ] gilt: ∀n ∈ ω f (n) ≤ g(n) . Dieser echte äußerste Ast
garantiert, daß die Bedingung ρn (a) ≤ g(n) in der Definition einer Skala erfüllt ist.30
Definiert man andererseits eine γ-Semiskala auf A wie eine γ-Skala, nur daß wir auf diese zusätzliche Bedingung ρn (a) ≤ g(n) verzichten, dann ist die Existenz eine γ-Semiskala auf A äquivalent
dazu, daß A eine γ-Suslin-Menge ist.31
Definition 1.84: Sei Γ eine Punktklasse und A ⊆ Rk . Dann heißt die Skala hρn | n ∈ ωi auf A
eine Γ-Skala, falls zwei Relationen R+ ⊆ ω × R2k mit R+ ∈ Γ und R− ⊆ ω × R2k mit R− ∈ ¬Γ
existieren, so daß für jedes b ∈ A und n ∈ ω gilt:
a ∈ A ∧ ρn (a) ≤ ρn (b) ⇔ R+ (n, a, b) ⇔ R− (n, a, b).
Definition 1.85: Sei Γ eine Punktklasse. Γ besitzt die Skalen-Eigenschaft (scale-property), in
Zeichen Skala(Γ), falls für alle A ∈ Γ eine Γ-Skala auf A existiert. Wir schreiben auch kurz
Skala, falls jede Teilmenge von R eine Skala besitzt, d.h. falls Skala(℘(R)) gilt.
Da eine Γ-Skala auf A insbesondere auch eine γ-Skala auf A für ein γ ∈ Ord ist, gilt nach
Korollar 1.77 und Lemma 1.82:
Korollar 1.86: Sei Γ ⊆ ℘(R) eine Punktklasse und es gelte Skala(Γ). Dann ist Γ ⊆ S ∞ .
Insbesondere gilt Skala ⇒ S ∞ = ℘(R) und damit auch Skala ⇒ Unif .
30
31
Vgl. [Kan97], Proposition 30.2.
Vgl. [Mos80], Theorem 2B.1.
36
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
1.6
Konstruktible Modelle, Definierbarkeit und elementare Substrukturen
In diesem Abschnitt wiederholen wir kurz die Definition der konstruktiblen Modelle und geben
einige grundlegende Eigenschaften an. Wir betrachten ferner die Definierbarkeit von Mengen und
geben die Klasse OD der ordinalzahldefinierbaren Mengen an. Im letzten Teil beschäftigen wir
uns kurz mit dem Begriff der elementaren Substruktur und definieren die Punktklasse Σ21 .
I. Die konstruktiblen Modelle
Grundlegend für die Definition der konstruktiblen Modell ist der Begriff der definierbaren Mengen:
Definition 1.87: Sei A eine Struktur in der Sprache L mit Träger A. Sei FmlL die Menge der
Formeln (der Logik erster Stufe) in der Sprache L. Die definierbaren Teilmengen von A seien
definiert durch:
Def A(A) :≡ B ⊆ A | ∃ϕ ∈ FmlL ∃a0 , . . . , an−1 ∈ A ∀y ∈ A y ∈ B ⇔
A |= ϕ[y, x0 , . . . , xn−1 ]
.
˙ die Menge der Formeln in der Sprache der Mengenlehre, d.h. ForDefinition 1.88: Sei Fml(∈)
meln der Sprache, die als einziges nicht-logische Symbol ∈˙ enthält. Dann sei das Gödelmodell L
der konstruktiblen Mengen definiert durch:
L0 :≡ ∅;
Lα+1 :≡ Def hLα ,∈i (Lα );
[
Lλ :≡
Lα für Lim(λ);
α<λ
L :≡
[
Lα .
α∈Ord
Für eine Menge X wird der konstruktible Abschluß L(X) von X analog zu L konstruiert, nur daß
man die Rekursion statt mit der leeren Menge mit dem transitiven Abschluß von X beginnt:32
L0 (X) :≡ TC({X});
Lα+1 (X) :≡ Def hLα (X),∈i (Lα (X));
[
Lλ (X) :≡
Lα (X) für Lim(λ);
α<λ
L(X) :≡
[
Lα (X).
α∈Ord
˙ Ȧ) die Menge der Formeln in der Sprache der Mengenlehre zusamFür eine Menge A sei Fml(∈,
men mit dem einstelligen Relationssymbol Ȧ. Das Modell L[A] der relativ zu A konstruktiblen
32
Diese Verallgemeinerung von L wurde von András Hajnal 1956 in seiner Dissertation vorgestellt. Die Bildung der
transitiven Hülle wird vorgenommen, um sicherzustellen, daß die resultierende Klasse L(X) transitiv ist. Die Elemente von TC({X}) fungieren als Urelemente“ im Sinne der Idee von Ernst Zermelo, eine Basis der Mengenlehre
”
mit ausgezeichneten Elementen zu bilden.
1.6. KONSTR . M ODELLE , D EFINIERBARKEIT, S UBSTRUKTUREN
37
Mengen wird analog zu L definiert, wobei auch Formeln zugelassen sind, die das Prädikat Ȧ enthalten:33
L0 [A] :≡ ∅;
Lα+1 [A] :≡ Def hLα [A],∈,A∩Lα [A]i (Lα [A]);
[
Lλ [A] :≡
Lα [A] für Lim(λ);
α<λ
L[A] :≡
[
Lα [A].
α∈Ord
Bemerkung 1.89: Es gilt L |= ZFC, L[A] |= ZFC und L(X) |= ZF, aber solange TC({X})
keine Wohlordnung in L(X) besitzt, gilt L(X) 6|= AC. L[A] ist das kleinste innere ZFC-Modell
M, so daß für jedes x ∈ M auch A ∩ x in M liegt. L(X) ist das kleinste innere ZF-Modell,
das alle Ordinalzahlen und X als Teilmenge enthält. Wir können diese beiden konstruktiblen Modelle kombinieren und erhalten dann L(X)[A] als das kleinste innere ZF-Modell M, das alle
Ordinalzahlen und X als Teilmenge enthält, und so daß für alle x ∈ M auch A ∩ x ∈ M gilt.
Für die Beweise und weitere Eigenschaften der konstruktiblen Modelle vgl. [Kan97], Abschnitt 3
und [Mos80], Abschnitt 8.D.
Lemma 1.90: Sei A ⊆ R. Dann existiert eine in L(R)[A] definierbare Surjektion Φ : Ord × R L(R)[A].
Beweis. Wir konstruieren durch Induktion über α ∈ Ord elementare Surjektionen
Φα : γα × R Lα (R)[A],
so daß Φα ⊆ Φβ für α < β und α ≤ γα gilt. Dann ist Φ :≡
α = 0: Es ist:
S
α∈Ord Φα
die gesuchte Surjektion.
L0 (R)[A] = TC({R}) = ω ω ∪ ω × ω ∪ [ω]2 ∪ [ω]1 ∪ ω.
Sei γ0 :≡ 1. Die Surjektion Φ0 sei definiert durch:
Φ0 : γ0 × R L0 (R)[A],
Offensichtlich gilt 0 ≤ γ0 .


hxn+1 | n ∈ ωi





(x1 , x2 )




{x , x }
1 2
(0, x) 7→

{x1 }






x1




∅
, falls x0 = 0
, falls x0 = 1
, falls x0 = 2
, falls x0 = 3
, falls x0 = 4
, sonst.
α = β + 1: Sei Φβ : γβ × R Lβ (R)[A] bereits definiert. Sei hψn | n ∈ ωi eine Aufzählung der
˙ Ȧ). Für jedes n ∈ ω sei πn : R ↔ Rn eine Bijektion, z.B. die kanonische
Formeln aus Fml(∈,
33
Dieses Modell wurde 1957 von Azriel Lévy in seiner Dissertation entwickelt. Für das Prädikat Ȧ beabsichtigt man
dabei die folgende Interpretation: Ȧ trifft genau dann auf ein ẋ zu, wenn x ∈ A gilt.
38
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
Verallgemeinerung der ∗-Operation. Für jedes n ∈ ω sei ηn ∈ Ord der Ordnungstyp der lexikographischen Wohlordnung von (γβ )n und ρn : ηn ↔ (γβ )n die entsprechende Bijektion. Weiter
sei:
γα :≡ γβ + sup{ηn | n ∈ ω}.
Dann gilt α ≤ γα . Wir definieren Φα : γα × R Lα (R)[A] durch:


, falls δ < γβ ;
Φβ (δ, x)



, falls δ = γβ + γ̄,






x1 = n, γ̄ < ηn ,


(δ, x) 7→ {y | ψx(0) [y, Φβ (δ1 , y1 ), . . . , Φβ (δn , yn )]} πn (hx2 , x3 , . . .i) = hy1 , . . . , yn i,




ρn (γ̄) = hδ1 , . . . , δn i und





˙ Ȧ);
ψx0 ∈ Fmln+1 (∈,




∅
, sonst.
Lim(α): Für β < α seien Φβ : γβ × R Lβ (R)[A] bereits definiert. Dann sei γα :≡ sup{γβ |
β < α}. Damit gilt ebenfalls α ≤ γα . Da γα ≥ ω ist, existiert eine Bijektion g : γα ↔ γα × γα .
Diese Bijektion g kann mit Hilfe der Gödelschen Paarfunktion G : Ord × Ord ↔ Ord konstruiert
werden.34 Dann definieren wir:
(
Φg(δ)1 (g(δ)2 , x) , falls g(δ)2 < γg(δ)1
Φα : γα × R Lα (R)[A], (δ, x) 7→
∅
, sonst.
Beh. 1: Jedes Φα ist eine Surjektion.
Beweis. Wir beweisen die Aussage durch Induktion über α. Für α = 0 ist Φ0 offensichtlich eine
Surjektion.
Sei α = β + 1 und B ∈ Lα (R)[A]. Ist B ∈ Lβ (R)[A], dann existiert nach Induktionsvoraussetzung δ < γβ und x ∈ R mit B = Φβ (δ, x) = Φα (δ, x). Sei also B ∈ Lα (R)[A] − Lβ (R)[A].
˙ Ȧ) und x1 , . . . , xn ∈
Dann existiert nach Definition von Lα (R)[A] eine Formel ψm ∈ Fmln+1 (∈,
Lβ (R)[A], so daß:
hLβ (R)[A], ∈, A ∩ Lβ (R)[A]i |= ∀y y ∈ B ⇔ ψm [y, x1 , . . . , xn ] .
Da Φβ surjektiv ist, existieren δ1 , . . . , δn < γβ und y1 , . . . , yn ∈ R, so daß:
x1 = Φβ (δ1 , y1 ), . . . , xn = Φβ (δn , yn ).
a −1
Dann sei δ :≡ γβ + ρ−1
n (hδ1 , . . . , δn i) und x :≡ hm, ni πn (hy1 , . . . , yn i). Wie man leicht zeigt,
gilt dann B = Φα (δ, x).
Im Fall Lim(α) sei wieder B ∈ Lα (R)[A]. Dann ist B ∈ Lβ (R)[A] für ein β < α, also existiert
nach Induktionsvoraussetzung δ < γβ und x ∈ R, so daß B = Φβ (δ, x). Es gilt δ < γα und
β < γα . Sei δ̄ :≡ g −1 (β, δ) < γα . Dann ist δ = g(δ̄)2 < γg(δ̄)1 = γβ und damit Φα (δ̄, x) =
(1)
Φβ (δ, x) = B.
34
Vgl. [BK96], Satz 6.17.
1.6. KONSTR . M ODELLE , D EFINIERBARKEIT, S UBSTRUKTUREN
Alle durchgeführten Konstruktionen sind elementar. Damit ist Φ :≡
nierbar und die gesuchte Surjektion.
S
α∈Ord Φα
39
in L(R)[A] defi-
II. Ordinalzahldefinierbarkeit
In Kapitel 4 benötigen wir die Klasse OD der ordinalzahldefinierbaren Mengen. Wir geben hier
noch einmal kurz die Definition dieser Klasse an:
Definition 1.91: Eine Menge B heißt ordinalzahldefinierbar mit Prädikat A und Parametern aus
˙ Ȧ) existiert, so daß:
X, falls ein β ∈ Ord, x0 , . . . , xn−1 ∈ X und eine Formel ϕ ∈ Fml(∈,
B = {y | ϕ(y, β, x0 , . . . , xn−1 )}.
Sei ODA (X) die Klasse der ordinalzahldefinierbaren Mengen mit Prädikat A und Parametern aus
X. Durch ein Reflektionsargument kann man zeigen, daß ODA (X) eine definierbare Klasse ist:35
˙ Ȧ) ∃β < α ∃x0 , . . . , xn−1 ∈ X
ODA (X) = z | ∃α ∈ Ord ∃ϕ ∈ Fml(∈,
z ∈ Vα ∧ ∀y ∈ Vα y ∈ z ⇔ (Vα , ∈, A ∩ Vα ) |= ϕ[y, β, x0 , . . . , xn−1 ]
.
Eine wichtige Eigenschaft der Klasse OD ist, daß sie bereits in ZF eine Wohlordnung besitzt. Die
Konstruktion der Wohlordnung läßt sich unmittelbar auf die ordinalzahldefinierbaren Mengen mit
Prädikat A und einem zusätzlichen Parameter übertragen:
Lemma 1.92 (Myhill-Scott): ODA ({x}) besitzt eine definierbare Wohlordnung.
Beweis. Vgl. [Jec97], Lemma 15.8.
Lemma 1.93: Sei A ⊆ R. Dann gilt:
L(R)[A] |= ∀B ∃x ∈ R B ∈ ODA ({x}) .
L(R)[A]
Beweis. Sei Φ : Ord × R L(R)[A] die Surjektion aus Lemma 1.90. Sei B ∈ V
,
also B ∈ L(R)[A]. Dann existieren β ∈ Ord und x ∈ R mit B = Φ(β, x). Da Φ in L(R)[A]
˙ Ȧ) mit:
definierbar ist, existiert eine Formel ϕ ∈ Fml(∈,
(L(R)[A], ∈, A ∩ L(R)[A]) |= ∀y y ∈ B ⇔ ϕ[y, β, x] .
Nach dem Reflektionssatz von Lévy existiert ein α > β, so daß ϕ Lα (R)[A]-L(R)[A]-absolut ist.
Dann gilt also:
˙ Ȧ) ∃β < α ∃x ∈ R B ∈ Lα [A] ∧
∃α ∈ Ord ∃ϕ ∈ Fml(∈,
∀y ∈ Lα [A] y ∈ B ⇔ (Lα [A], ∈, A ∩ Lα [A]) |= ϕ[y, β, x] .
L(R)[A]
Damit ist B ∈ ODA ({x})
.
35
Vgl. [BK96], Satz 24.3.
40
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
III. Elementare Substrukturen und die Punktklassen Σ21 bzw. Σ21
Definition 1.94: Sei n ∈ ω und seien X ⊆ M Mengen.
M
(1) Σn (X)
sei die Klasse der Relationen über M , die in hM, ∈i über eine Σn -Formel mit
Parametern aus X definierbar sind, d.h.:
M
A ∈ Σn (X)
:⇔ A ⊆ M ∧ ∃ϕ ∈ Σn ∃x1 , . . . , xk ∈ X
(2) Σn
M
∀a a ∈ A ⇔ hM, ∈i |= ϕ[a, x1 , . . . , xk ] ;
M
:≡ Σn (∅) .
Für Πn und ∆n seien die Klassen analog definiert.
Definition 1.95: Seien X ⊆ M ⊆ N Mengen.
(1) Wir schreiben M ≺X
n N , falls für alle x1 , . . . , xk ∈ X und für alle Σn -Formeln ϕ gilt:
M |= ϕ[x1 , . . . , xk ] ⇔ N |= ϕ[x1 , . . . , xk ];
(2) Wir schreiben M ≺n N , falls M ≺M
n N gilt.
Wir erweitern nun die Definition der ersten Stufe Σ01 der Borel-Hierarchie bzw. der ersten Stufe
Σ11 der projektiven Hierarchie und erhalten die Fettdruck-Punktklasse Σ21 . Dazu verallgemeinern
wir die bestehende Verbindung der arithmetischen Hierarchie zu den endlichen Stufen der BorelHierarchie bzw. der analytischen Hierarchie zu der projektiven Hierarchie. Für eine ausführliche
Darstellung vgl. [Kan97], Abschnitt 12.
Definition 1.96: Sei A3 die Struktur der Arithmetik dritter Stufe:
A3 :≡ hω, ℘(ω), ℘(℘(ω)), ∈0 , ∈1 , +, ·, <, 0, 1i.
Dabei seien ω, ℘(ω) und ℘(℘(ω)) verschiedene Träger der Struktur. Die ∈-Relationen seien ∈0 :≡
∈ω × ℘(ω) und ∈1 :≡ ∈℘(ω) × ℘(℘(ω)). Die Funktionen + und ·, die Relation < und die
Konstanten 0 und 1 seien die üblichen Objekte der Arithmetik erster Stufe. Die Quantoren ∃0 und
∀0 laufen über ω, die Quantoren ∃1 und ∀1 laufen über ℘(ω) ∼
= R und die Quantoren ∃2 und ∀2
laufen über ℘(℘(ω)) ∼
= ℘(R). Z.B. gilt
A3 |= ∀0 ṅ ∃1 ẋ ṅ ∈0 ẋ
genau dann, wenn für alle n ∈ ω eine Teilmenge An ⊆ ω mit n ∈ An existiert.
˙ n, m) sei die Menge der ∈-Formeln mit Variablen für Mengen aus den Bereichen < n,
Fmlk (∈,
deren unbeschränkte Quantoren über die Bereiche < m laufen und deren freie Variablen in
S
˙ n, m) für k∈ω Fmlk (∈,
˙ n, m). Dann
{v0 , . . . , vk−1 } enthalten sind. Wir schreiben auch Fml(∈,
˙ 2, 0) die Menge der ∈-Formeln, für deren Variablen wir Mengen aus ω und ℘(ω)
ist also Fml(∈,
˙ 2, 1)-Formeln haben
einsetzen können und die keine unbeschränkten Quantoren enthalten. Fml(∈,
0
gleichartige Variablen, aber können unbeschränkte Quantoren der Art ∃ bzw. ∀0 enthalten. Ent˙ 3, 2)-Formel Variablen für Mengen aus allen drei Bereichen und
sprechend enthält eine Fml(∈,
unbeschränkte Quantoren der Form ∃0 bzw. ∀0 und ∃1 bzw. ∀1 .
1.6. KONSTR . M ODELLE , D EFINIERBARKEIT, S UBSTRUKTUREN
41
Sei x ∈ R. Dann sei A3 (x) die Struktur der Arithmetik dritter Stufe in x wie die Struktur A3 mit
dem zusätzlichen Prädikat x:
A3 (x) :≡ hω, ℘(ω), ℘(℘(ω)), ∈0 , ∈1 , +, ·, exp, <, 0, 1, xi.
˙ ẋ, n, m) seien Formeln aus Fmlk (∈,
˙ n, m) mit einem zusätzlichen Prädikat ẋ.
Fmlk (∈,
Bemerkung 1.97: Sei A ⊆ Rk und x ∈ R. Seien die ersten Stufen Σ01 bzw. Π01 der arithmetischen
Hierarchie in x definiert durch:
˙ ẋ, 2, 0) a ∈ A ⇔ A3 (x) |= ∃0 n ϕ[a, n] ;
A ∈ Σ01 (x) :⇔ ∃ϕ ∈ Fml(∈,
˙ ẋ, 2, 0) a ∈ A ⇔ A3 (x) |= ∀0 n ϕ[a, n] .
A ∈ Π01 (x) :⇔ ∃ϕ ∈ Fml(∈,
Dann erhalten wir die folgende Verbindung zu den ersten Stufen der Borel-Hierarchie:36
[
[
Σ01 =
Σ01 (x) und Π01 =
Π01 (x).
x∈R
x∈R
Analog gilt für die projektive Hierarchie: seien die ersten Stufen Σ11 bzw. Π11 der analytischen
Hierarchie in x definiert durch:
˙ ẋ, 2, 1) a ∈ A ⇔ A3 (x) |= ∃1 y ϕ[a, y] ;
A ∈ Σ11 (x) :⇔ ∃ϕ ∈ Fml(∈,
˙ ẋ, 2, 1) a ∈ A ⇔ A3 (x) |= ∀1 y ϕ[a, y] .
A ∈ Π11 (x) :⇔ ∃ϕ ∈ Fml(∈,
Dann erhalten wir die folgende Verbindung zu den ersten Stufen der projektiven Hierachie:
[
[
Σ11 =
Σ11 (x) und Π11 =
Π11 (x).
x∈R
x∈R
Wir benutzen nun umgekehrt diese Verbindung als Grundlage der Definition der Punktklasse Σ21 .
Definition 1.98: Sei A ⊆ Rk . Dann seien die folgenden Punktklassen definiert:
˙ ẋ, 3, 2) a ∈ A ⇔ A3 (x) |= ∃2 B ϕ[a, B] ;
A ∈ Σ21 (x) :⇔ ∃ϕ ∈ Fml(∈,
˙ ẋ, 3, 2) a ∈ A ⇔ A3 (x) |= ∀2 B ϕ[a, B] ;
A ∈ Π21 (x) :⇔ ∃ϕ ∈ Fml(∈,
A ∈ ∆21 (x) :⇔ A ∈ Σ21 (x) ∩ Π21 (x).
Wir definieren dann die entsprechenden Fettdruck-Punktklassen durch:
[
Σ21 :≡
Σ21 (x);
x∈R
Π21
:≡
[
Π21 (x) = {A ⊆ R | R − A ∈ Σ21 };
x∈R
∆21
:≡
[
∆21 (x) = Σ21 ∩ Π21 .
x∈R
Aus Gründen der Absolutheit gilt speziell für das konstruktible Modell L(R):
L(R)
˙ ẋ, 3, 2) a ∈ A ⇔ hL(R), ∈, xi |= ∃2 B ϕ[a, B] .
⇔ ∃x ∈ R ∃ϕ ∈ Fml(∈,
A ∈ Σ21
36
Vgl. [Kan97], Proposition 12.6.
42
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
Definition 1.99: Sei δ 21 wie folgt definiert:
δ 21 :≡ sup α ∈ Ord | es ex. ein Präwohlordnung von R mit ∈ ∆21 und kk = α .
Wir erhalten wieder aus Absolutheitsgründen:
L(R)
δ 21
= sup α ∈ Ord | es ex. ein Präwohlordnung von R
mit ∈ ∆21
L(R)
und kk = α .
Lemma 1.100: [ACω (R)] Sei A ⊆ Rk mit A ∈ Σ21 . Dann existiert eine ∆0 -Formel χ ∈
˙ ẋ, 3, 2) mit:
Fml(∈,
a ∈ A ⇔ A3 (x) |= ∃2 X ∀1 y χ[a, y, X] .
Beweis. Wir skizzieren hier nur die Idee des Beweises. Wir arbeiten dazu in A3 (x). Eine Formel
˙ ẋ, 3, 2) können wir durch die üblichen Methoden der Kodierung gleichwertig
ϕ(a, X) ∈ Fml(∈,
in der folgenden Form darstellen:37
Q̄0 m
Q1
ψ(a, m, y1 , . . . , yn , X) .
(∗)
Q11 y1 Q̄12 y2 . . . 1n yn 0
Q̄n Q m
Wobei ψ eine ∆0 -Formel und Q = ∃ oder Q = ∀ ist. Q̄ sei der komplementäre Quantor von
Q. Hierbei wird ACω (R) benötigt, um bei der Reduktionsregel ∀0 m ∃1 y ⇔ ∃1 y ∀0 m“ für jedes
”
m ∈ ω ein ym ∈ R wählen zu können.
Nun gelten die folgenden drei Reduktionsregeln“ für einen vorgestellten drittstufigen Existenz”
˙ ẋ, 3, 2) gilt:
quantor. Für eine beliebige Formel ϕ ∈ Fml(∈,
∃2 X ∃1 y ϕ(a, y, X) ⇔ ∃2 X ψ(a, X) ;
(1)
2
1
1
2
1
∃ X ∀ y ∀ z ϕ(a, y, z, X) ⇔ ∃ X ∀ y ψ(a, y, X) ;
(2)
2
1
1
2
1
∃ X ∀ y ∃ z ϕ(a, y, z, X) ⇔ ∃ X ∀ y ψ(a, y, X) .
(3)
Dabei hat ψ die gleiche Komplexität wie ϕ. (1) und (2) erhält man durch die Kodierungen. Für
(3) beachte man, daß der linke Teil gleichwertig mit der Existenz einer Funktion F : R → R ist,
die jedem y ein z mit ϕ(a, y, z, X) zuordnet. Nun ist aber F ⊆ R × R. Wir können F über eine
geeignete Kodierung als Teilmenge von R auffassen. Dann ist der linke Teil von (3) gleichwertig
mit:
∃2 X ∃2 F ∀1 y F : R → R ∧ ϕ(a, y, F (y), X) .
Die beiden Existenzquantoren über ℘(R) können wir mit Hilfe einer geeigneten Kodierung ℘(R)
↔ ℘(R) × ℘(R) durch einen Existenzquantor ausdrücken und wir erhalten die gewünschte Form
im rechten Teil von (3).
Durch sukzessive Anwendung der drei Regeln auf die Darstellung in (∗) erhalten wir für eine
Σ2 (x)-Formel“ als äquivalente Form:
” 1
∃2 X ∀1 y ∃0 m ψ(a, m, y, X)
mit einer ∆0 -Formel ψ. Den Quantor ∃0 können wir schließlich durch einen ∃1 -Quantor ausdrücken und noch einmal (3) anwenden. Wir erhalten zusammen die gewünschte Darstellung:
∃2 X ∀1 y χ(a, y, X) .
37
Vgl. dazu [Ste98], Proposition 4.14 und Hilfssatz 4.17.
1.7. D IE J ENSEN -H IERARCHIE F ÜR L(R)
1.7
43
Die Jensen-Hierarchie für L(R)
In diesem Abschnitt verallgemeinern wir die Jensen-Hierarchie Jα für L, so daß wir eine Feinstruktur Jα (R) für L(R) erhalten.38 Diese Verallgemeinerung ist weitgehend kanonisch“. Die
”
meisten Resultate für die Feinstruktur Jα lassen sich unmittelbar auf Jα (R) übertragen.
Definition 1.101: Sei M eine Menge. Sei rud(M ) der Abschluß von M ∪ {M } unter den rudimentären Funktionen.39 Wir definieren die Jensen-Hierarchie in R durch:
J1 (R) :≡ TC({R});
Jα+1 (R) :≡ rud(Jα (R))
[
Jα (R)
Jλ (R) :≡
für α > 0;
für Lim(λ).
α<λ
Lemma 1.102:
(1) Jedes Jα (R) ist transitiv;
(2) Jα (R) ∈ Jα+1 (R) und Jα (R) ⊆ Jβ (R) für 0 < α ≤ β;
(3) Jα (R) ∩ Ord = ωα für α > 1;
(4) ωα = α ⇔ Jα (R) = Lα (R);
S
(5) L(R) = α∈Ord Jα (R).
Beweis. Vgl. [Dev84], Lemma VI.2.1 und Lemma VI.2.4.
Für die Jensen-Hierarchie in R gilt das folgende Kondensationsprinzip:
Lemma 1.103: Sei M eine Menge mit R ∈ M . Angenommen, es gilt M ≺n Jα (R) für n ∈ ω
und α ∈ Ord. Dann existiert ein eindeutiges β ≤ α und ein eindeutiger Isomorphismus π : M ∼
=
Jβ (R). Außerdem gilt πA = idA für transitive Mengen A ⊆ M .
Beweis. Vgl. [Ste83], Lemma 1.2 und Corollary 1.3.
Als nächstes definieren wir zwei wichtige Begriffe:
Definition 1.104: Sei α ∈ Ord und n ∈ ω. Für X ⊆ Jα (R) definieren wir die Σn -Skolem-Hülle
für Jα (R) durch:
J (R) HullnJα (R) (X ∪ {R}) = a ∈ Jα (R) | {a} ∈ Σn (X ∪ {R}) α
.
Eine Σn -Skolem-Funktion für Jα (R) ist eine partielle Funktion
f : Jα (R) × R → Jα (R)
Jα (R)
J (R)
mit f ∈ Σn (Jα (R))
, so daß für alle A 6= ∅ mit A ∈ Σn ({b}) α
für ein b ∈ Jα (R)
gilt:
∃y ∈ R f (b, y) ∈ A .
38
39
Zur Jensen-Hierarchie Jα für L vgl. [Jen72] und [Dev84].
Vgl. [Dev84], Abschnitt VI.1.
44
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
J (R)
α
Wie man leicht zeigt, gilt Hulln+1
(R ∪ {R}) ≺n Jα (R) für alle n ∈ ω. Für n = 1 können wir
dieses Resultat noch verschärfen. Dazu brauchen wir das folgende Lemma:
Lemma 1.105: Für alle α
J (R)
Σ1 ({R}) α .
> 1 besitzt Jα (R) eine Σ1 -Skolem-Funktion f mit f
∈
Beweis. Vgl. [Ste83], Lemma 1.7 und Lemma 1.10.
Damit können wir zeigen:
J (R)
Lemma 1.106: Sei α > 1. Dann gilt H :≡ Hull1 α
(R ∪ {R}) ≺1 Jα (R).
Beweis. Wir müssen zeigen: ist x1 , . . . , xk ∈ H und ϕ eine Σ1 -Formel, dann gilt H |= ϕ[x1 , . . . ,
xk ] ⇔ Jα (R) |= ϕ[x1 , . . . , xk ]. Da H ⊆ Jα (R) ist und Σ1 -Formeln aufwärts-absolut sind,
folgt unmittelbar die Richtung ⇒“. Umgekehrt gelte nun Jα (R) |= ϕ[x1 , . . . , xk ]. Die einzi”
gen problematischen Fälle sind Existenzaussagen. Wir wollen zeigen: falls es einen Zeugen einer
Existenzaussage in Jα (R) gibt, dann existiert auch ein Zeuge der Aussage in H. Sei also
ϕ(x1 , . . . , xk ) ≡ ∃a ψ(a, x1 , . . . , xk )
mit einer ∆0 -Formel ψ. Wir suchen ein c ∈ H mit Jα (R) |= ψ[c, x1 , . . . , xk ]. Dann gilt offensichtlich auch H |= ψ[c, x1 , . . . , xk ] und damit H |= ϕ[x1 , . . . , xk ]. Wir definieren dazu:
A :≡ {a ∈ Jα (R) | Jα (R) |= ψ[a, x1 , . . . , xk ]}.
Nach Voraussetzung ist A 6= ∅. Sei b :≡ hx1 , . . . , xk , Ri. Dann gilt b ∈ Jα (R) und A ∈
J (R)
J (R)
∆0 ({b}) α
⊆ Σ1 ({b}) α . Sei f eine Σ1 -Skolem-Funktion für Jα (R) gemäß Lemma 1.105. Nach Definition gilt dann:
∃y ∈ R f (b, y) ∈ A .
J (R)
Sei y0 ∈ R ein entsprechender Zeuge. Wir setzen dann c :≡ f (b, y0 ). Da f ∈ Σ1 ({R}) α
J (R)
gilt, ist {c} ∈ Σ1 ({x1 , . . . , xk , y0 , R}) α . Da jedes xi ∈ H ist, gilt nach Definition von H,
J (R)
J (R)
daß {xi } ∈ Σ1 (R ∪ {R}) α . Da y0 ∈ R gilt, ist daher insgesamt {c} ∈ Σ1 (R ∪ {R}) α ,
also c ∈ H.
I. Kripke-Platek Mengenlehre und zulässige Ordinalzahlen
Eine Subtheorie der üblichen Zermelo-Fraenkel-Skolem Mengenlehre ZF ist die Theorie der
Kripke-Platek Mengenlehre KP, die wir in diesem Abschnitt einführen wollen. KP selbst ist
schon eine starke Theorie, die in vielen Bereichen der Mengenlehre ihre Anwendung findet.
Definition 1.107: Die Kripke-Platek Mengenlehre KP besteht aus den folgenden Axiomen und
Schemata:
(1) Extensionalitätsaxiom: ∀x ∀y ∀y z ∈ x ⇔ z ∈ y ⇒ x = y ;
(2) Induktionsschema: ∀~a ∀x ∀y ∈ x ϕ(y, ~a) ⇒ ϕ(x, ~a) ⇒ ∀x ϕ(x, ~a) , wobei ϕ eine
Formel in der Sprache der Mengenlehre ist;
(3) Paarmengenaxiom: ∀x ∀y ∃z ∀u u ∈ v ⇔ (u = x ∨ u = y) ;
1.7. D IE J ENSEN -H IERARCHIE F ÜR L(R)
(4) Vereinigungsmengenaxiom: ∀x ∃y ∀z z ∈ y ⇔ ∃u u ∈ x ∧ z ∈ u ;
(5) Unendlichkeitsaxiom: ∃x Ord(x) ∧ (x 6= 0) ∧ ∀y ∈ x ∃z ∈ x y ∈ z
45
;
(6) Kartesisches-Produktaxiom: ∀x ∀y ∃z ∀u u ∈ z ⇔ ∃v ∈ x ∃w ∈ y u = (v, w) ;
(7) Σ0 -Aussonderungsschema: ∀~a ∀x ∃y ∀z z ∈ y ⇔ (z ∈ x ∧ ϕ(z, ~a)) , wobei ϕ eine Σ0 Formel in der Sprache der Mengenlehre ist;
(8) Σ0 -Sammlungsschema: ∀~a ∀x ∃y ϕ(y, x, ~a) ⇒ ∀u ∃v ∀x ∈ u ∃y ∈ v ϕ(y, x, ~a) ,
wobei ϕ eine Σ0 -Formel in der Sprache der Mengenlehre ist.
Definition 1.108: Eine Menge M heißt fügsam (amenable), falls sie die folgenden Bedingungen
erfüllt:
(1) ∀x, y ∈ M {x, y} ∈ M ;
S
x∈M ;
(2) ∀x ∈ M
(3) ω ∈ M ;
(4) ∀x, y ∈ M x × y ∈ M ;
M
(5) Ist R ⊆ M eine Σ0 (M ) -Menge, dann gilt ∀x ∈ M R ∩ x ∈ M .
M
Gilt zusätzlich für jede Relation R ⊆ M × M mit R ∈ Σ0 (M ) , daß:
(6) ∀x ∈ M ∃y ∈ M hy, xi ∈ R ⇒ ∀u ∈ M ∃v ∈ M ∀x ∈ u ∃y ∈ v hy, xi ∈ R ,
dann heißt die Menge M zulässig (admissible).
Die Notation der Zulässigkeit ist gerade so definiert, daß wir folgendes Lemma erhalten:
Lemma 1.109: Ist M eine zulässige Menge, dann ist M ein transitives Modell von KP.
Die zulässigen Stufen der Jensen-Hierarchie in R sind identisch mit den entsprechenden Stufen
der konstruktiblen Hierarchie:
Lemma 1.110: Sei α > 1. Ist Jα (R) eine zulässige Menge, dann gilt ωα = α. Insbesondere ist
dann Jα (R) = Lα (R).
Beweis. Ist M eine zulässige Menge, γ ∈ OrdM und f : γ → OrdM eine Σ1 (M )-Funktion,
dann ist f 00 γ ∈ M , insbesondere ist also f beschränkt.40 Angenommen nun, es gilt α < ωα. Nach
Lemma 1.102 gilt Jα (R) ∩ Ord = ωα, also ist α ∈ Jα (R). Andererseits gibt es eine elementare
unbeschränkte Abbildung g : α → ωα, insbesondere also g ∈ Σ1 (Jα (R)). Nach dem oben
gesagten wäre damit Jα (R) nicht zulässig.
Wir übertragen nun den Begriff der Zulässigkeit auf Ordinalzahlen:
Definition 1.111: Eine Ordinalzahl α heißt zulässig, falls eine zulässige Menge M mit α =
M ∩ Ord existiert.
Lemma 1.112: Sei α > 1. α ist zulässig genau dann, wenn Jα (R) zulässig ist.
Beweis. Ist Jα (R) zulässig, dann gilt nach dem vorherigen Lemma Jα (R) ∩ Ord = ωα = α.
Also ist α eine zulässige Ordinalzahl. Für die Rückrichtung vgl. [Dev84], Lemma II.7.1.
40
Vgl. [Dev84], Lemma I.11.7.
46
K APITEL 1. G RUNDLAGEN
Wir benennen noch eine weitere Ordinalzahl mit einer besonderen Eigenschaft:
Definition 1.113: Eine Ordinalzahl α heißt R-stabil, falls Jα (R) ≺R
1 L(R) gilt. Eine Ordinalzahl
α heißt stabil, wenn Jα (R) ≺1 L(R) gilt.
Bemerkung 1.114: Es existieren stabile und R-stabile Ordinalzahlen. Man betrachtet dazu die
Σ1 -Skolem-Hüllen mit Parametern aus R bzw. aus L(R):
L(R)
(R) = {a ∈ L(R) | {a} ∈ Σ1 (R)
};
L(R)
L(R)
}.
H ∗ :≡ Hull1 (L(R)) = {a ∈ L(R) | {a} ∈ Σ1 (L(R))
L(R)
H :≡ Hull1
∗
Man kann zeigen ähnlich zu Lemma 1.106, daß H ≺R
1 L(R) bzw. H ≺1 L(R) gilt. Nach einem
Kondensationsprinzip gilt nun H ∼
= Jα (R) bzw. H ∗ ∼
= Jα∗ (R) für α, α∗ ∈ Ord. Man zeigt dann,
∗
daß α eine R-stabile und α eine stabile Ordinalzahl ist.
Satz 1.115: Ist α eine stabile Ordinalzahl, dann ist α auch zulässig.
Beweis. Ist α stabil, dann ist sicherlich α > 1. Unabhängig von der Stabilität von α zeigt man
aufgrund der Definition der rudimentären Funktionen leicht, daß jedes Jα (R) für α > 1 eine
fügsame Menge ist.41 Wir müssen noch die Eigenschaft (6) von Definition 1.108 zeigen. Sei nun
J (R)
also α eine stabile Ordinalzahl. Sei weiter R ⊆ Jα (R) × Jα (R) eine Σ0 (Jα (R)) α -Relation
mit:
∀x ∈ Jα (R) ∃y ∈ Jα (R) hy, xi ∈ R .
Dann existiert also eine Σ0 -Formel ϕ und x1 , . . . , xk ∈ Jα (R) mit:
hy, xi ∈ R ⇔ Jα (R) |= ϕ[y, x, x1 , . . . , xk ].
Sei nun u ∈ Jα (R) ⊆ L(R). Da L(R) ein ZF-Modell ist und damit das Ersetzungsschema erfüllt,
gilt wegen ran(R) ⊆ Jα (R) ∈ L(R):
L(R) |= ∃v ∀x ∈ u ∃y ∈ v ϕ[y, x, x1 , . . . , xk ] .
Da dieses eine Σ1 -Formel ist und nach Voraussetzung Jα (R) ≺1 L(R) gilt, folgt insbesondere:
Jα (R) |= ∃v ∀x ∈ u ∃y ∈ v ϕ[y, x, x1 , . . . , xk ] .
Zusammen erhalten wir also:
∀u ∈ Jα (R) ∃v ∈ Jα (R) ∀x ∈ u ∃y ∈ v hy, xi ∈ R .
Also ist Jα (R) zulässig. Nach Lemma 1.112 ist daher α eine zulässige Ordinalzahl.
41
Vgl. [Dev84], Lemma VI.1.6.
Kapitel 2
Das Axiom der Determiniertheit
2.1
Unendliche Spiele und die Einführung von AD
Wie wir bereits in der Einleitung skizziert haben, hat die mathematische Untersuchung von Spielen eine lange Geschichte. Die mathematische Beschreibung und Untersuchung von endlichen und
unendlichen Spielen der hier betrachteten Art wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von Ernst Zermelo, Johann von Neumann, Dénes König und anderen ausgelöst. Die Analyse wurde intensiv von
polnischen Mathematikern wie z.B. Stefan Banach, Stanisław Mazur und Hugo Steinhaus in den
20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts fortgesetzt. Sie entdeckten auch die vielschichtige
Verbindung dieser Spiele zu bestimmten Eigenschaften von Teilmengen der reellen Zahlen. Der
erste umfassende Artikel zu den unendlichen Spielen wurde aber erst 1953 von David Gale und
Frank Stewart veröffentlicht.1
Wir werden in diesem Abschnitt den mathematischen Formalismus für die Zwei-Personen-Spiele
”
mit perfekter Information“ entwickeln und die erwähnten Konsequenzen für Mengen reeller Zahlen aufzeigen.
I. Die mathematische Formalisierung der Spiele
Für eine Ordinalzahl α = Λ(α) + N (α) sei Λ(α) bzw. N (α) der in Definition 1.16 angegebenen
natürliche bzw. Limesanteil von α. Im folgenden sei stets α > 0 eine gerade Ordinalzahl, d.h.
N (α) ist gerade natürliche Zahl und X sei eine nicht-leere Menge.
Definition 2.1: Für eine Menge A ⊆ X α von α-Folgen aus X sei das Spiel GαX (A) über X der
Länge α wie folgt definiert. Zwei Spieler – im folgenden stets mit Spieler I und II bezeichnet –
wählen abwechselnd Elemente aus X. Spieler I beginnt das Spiel mit der Wahl eines x0 ∈ X,
Spieler II antwortet mit einem x1 ∈ X. Dann ist wieder Spieler I am Zug und wählt ein x2 ∈ X
usw. Dabei ist an jeder Limesstelle Spieler I am Zug.
Wir erhalten das folgende Schema eines unendlichen Spiels:
I
II
x0
x2
x1
x4
x3
x5
...
...
Jeder Spieler kennt vor seinem nächsten Zug den bisherigen Verlauf des Spiels ( perfekte Erinne”
rung“) und die möglichen weiteren Züge seines Gegenspielers bzw. die möglichen Spielverläufe
1
Vgl. [GS53].
47
48
K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT
ab diesem Zeitpunkt ( perfekte Information“). Jede Wahl eines Elements aus X heißt Zug des
”
entsprechenden Spielers. Das Spiel endet, sobald eine α-Folge hxξ | ξ < αi gespielt wurde. Ist
α keine Limesordinalzahl, dann wird nach Wahl von α der letzte Zug von Spieler II gespielt.2
Eine Folge hxξ | ξ < βi für β < α heißt partielle Partie und die Folge x = hxξ | ξ < αi heißt
Partie des Spiels. Spieler I gewinnt schließlich das Spiel GαX (A), falls die Partie x ein Element
der Menge A ist, andernfalls gewinnt Spieler II. A heißt daher die Auszahlungsmenge des Spiels.
Nach Definition gewinnt stets genau einer der beiden Spieler das Spiel ( Nullsummen-Spiel“).
”
Wir schreiben GX (A) statt GωX (A), d.h. falls die Länge des betrachteten Spiels ω ist und Gα (A)
statt Gαω (A), d.h. falls die einzelnen Züge der Spieler natürliche Zahlen sind.
Sei α̃ :≡ Λ(α) + N (α)/2. Dann ist xI ∈ X α̃ die Folge der Züge von Spieler I bzw. xII ∈ X α̃ die
Folge der Züge von Spieler II. Durch die ∗-Operation erhalten wir wieder die Partie des Spiels:
x = xI ∗ xII ∈ X α .
Definition 2.2 (Erste Definition von Strategien): Eine Strategie für Spieler I im Spiel GαX (A)
ist eine Funktion:
[
σ:
X β → X.
β∈Even(α)
Die Strategie σ gibt Spieler I an, welches Element von X er entweder als ersten Zug wählen oder
wie er auf den letzten Zug von Spieler II antworten soll – in Abhängigkeit von allen bisherigen
Zügen. Spielt Spieler I gemäß seiner Strategie σ, so ergibt sich das folgende Schema:
I
II
σ(hσ(∅), y1 i)
σ(∅)
y1
σ(hσ(∅), y1 , σ(hσ(∅), y1 i), y3 i)
y3
...
...
Analog ist eine Strategie für Spieler II eine Funktion:
[
τ:
X β → X.
β∈Odd(α)
Die Strategie τ gibt Spieler II an, welchen Zug er als Antwort auf den Zug von Spieler I machen
soll – wieder in Abhängigkeit von allen bisherigen Zügen.
Spielt Spieler II gemäß seiner Strategie τ , so erhalten wir das Schema:
I
II
x0
x2
τ (hx0 i)
τ (hx0 , τ (hx0 i), x2 i)
...
...
Bemerkung 2.3: Falls Spieler I gemäß einer Strategie σ und Spieler II die Folge y ∈ X α̃ spielt,
so ist die resultierende Partie eindeutig bestimmt und wird mit σ∗y bezeichnet. Das gleiche gilt für
Spieler II, der gemäß einer Strategie τ und Spieler I, der die Folge x ∈ X α̃ spielt. Die resultierende
Partie wird dann mit x ∗ τ bezeichnet.
Definition 2.4: Eine Gewinnstrategie für Spieler I ist eine Strategie σ, die stets zu einem Gewinn
für Spieler I führt, falls er gemäß dieser Strategie spielt, d.h. wenn gilt:
{σ ∗ y | y ∈ X α̃ } ⊆ A.
2
Die Voraussetzung, daß α gerade ist, dient nur zur Vereinfachung und ist nicht unbedingt notwendig.
2.1. U NENDLICHE S PIELE UND DIE E INF ÜHRUNG VON AD
49
Analog ist eine Strategie τ für Spieler II eine Gewinnstrategie, falls Spieler II immer gewinnt,
wenn er gemäß τ spielt, d.h. falls gilt:
{x ∗ τ | x ∈ X α̃ } ∈ X α − A.
Offensichtlich gilt:
Lemma 2.5: Es können nicht beide Spieler eine Gewinnstrategie in einem Spiel GαX (A) besitzen.
Wir geben noch eine alternative Definition von Strategien bzw. Gewinnstrategien an. Diese Form
ist für einige Betrachtungen leichter zu handhaben. Wir werden zeigen, daß die beiden Definitionen äquivalent sind in dem Sinne, daß wir aus einer Strategie (Gewinnstrategie) der ersten Form
stets eine Strategie (Gewinnstrategie) der zweiten Form konstruieren können und umgekehrt.
Definition 2.6 (Zweite Definition von Strategien): Eine Strategie für Spieler I im Spiel GαX (A)
ist ein Baum S auf X der Höhe α, so daß für alle s ∈ S gilt:
len(s) ∈ Even(α) ⇒ ∃!x ∈ X sahxi ∈ S ;
len(s) ∈ Odd(α) ⇒ ∀x ∈ X sahxi ∈ S .
Dabei bedeutet ∃!x“, daß ein eindeutiges x existiert. Analog ist eine Strategie für Spieler II ein
”
Baum T auf X der Höhe α, so daß für alle t ∈ T gilt:
len(t) ∈ Even(α) ⇒ ∀x ∈ X tahxi ∈ T ;
len(t) ∈ Odd(α) ⇒ ∃!x ∈ X tahxi ∈ T .
Ein Element von [S] bzw. [T ] heißt dann eine Partie des Spiels gemäß der Strategie S bzw. T . Eine
Strategie S für Spieler I heißt Gewinnstrategie im Spiel GX (A), falls [S] ⊆ A gilt. Eine Strategie
T für Spieler II heißt Gewinnstrategie, falls [S] ∩ A = ∅ gilt.
Lemma 2.7: Die beiden Definitionen von Strategien sind äquivalent, d.h. ist σ eine Strategie
von Spieler I im ersten Sinn, dann existiert eine entsprechende Strategie S im zweiten Sinn und
umgekehrt. Ist σ eine Gewinnstrategie, dann ist die entsprechende Strategie S ebenfalls eine Gewinnstrategien und umgekehrt. Für Strategien von Spieler II gilt die analoge Aussage.
Beweis. Wir beweisen nur den Fall α = ω. Der allgemeine Fall behandelt man entsprechend. Sei
σ eine Strategie von Spieler I im Spiel GX (A) im ersten Sinn. Wir definieren für t ∈ X n die Folge
σ ∗I t ∈ X 2n+1 durch:
σ ∗I t :≡ σ(∅), t0 , σ(hσ(∅), t0 i), t1 , . . . , tn−1 , σ(hσ(∅), t0 , σ(hσ(∅), t0 i), t1 , . . . , tn−1 i) .
Diese Folge ist also eine partielle Partie im Spiel GX (A) gemäß der Strategie σ und das letzte
Element der Folge ist ein Zug von Spieler I. Wir definieren dann:
S :≡ {s ∈ X <ω | ∃t ∈ X <ω s ⊆ σ ∗I t }.
Dann ist offensichtlich S ein Baum auf X. Da σ eine Funktion ist, erfüllt S die Bedingungen, um
eine Strategie für Spieler I im zweiten Sinn zu sein. Sei nun σ eine Gewinnstrategie. Ist z ∈ [S],
50
K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT
dann gilt ∀n ∈ ω zn ∈ S . Dann muß aber nach Definition von S ein y ∈ X ω existieren mit
z = σ ∗ y. Da σ eine Gewinnstrategie ist, gilt z ∈ A. Also ist [S] ⊆ A und S ist ebenfalls eine
Gewinnstrategie.
Sei nun S eine Strategie im zweiten Sinn und s ∈ S mit len(s) gerade. Es existiert dann ein
S
eindeutiges x ∈ X mit sahxi ∈ S. Wir definieren σ(s) :≡ x. Für s ∈ n∈ω X 2n − S sei
S
σ(s) ein beliebiges Element von X. Offensichtlich gilt σ : n∈ω X 2n → X. Sei nun S eine
Gewinnstrategie und y ∈ X ω . Dann gilt ∀n ∈ ω (σ ∗ y)n ∈ S , also σ ∗ y ∈ [S] ⊆ A, d.h. σ ist
eine Gewinnstrategie.
Für Spieler II verläuft der Beweis entsprechend.
Bemerkung 2.8: Nach der hier angegebenen Definition liefert eine Strategie (im ersten Sinn) als
S
S
Funktion den nächsten Zug als Antwort auf ein Element von β∈Even(α) X β bzw. β∈Odd(α) X β .
Die Definition einer Gewinnstrategie bezieht sich auf alle Elemente von X α̃ : für alle y ∈ X α̃ gilt
σ ∗ y ∈ A bzw. für alle x ∈ X α̃ gilt x ∗ τ ∈ X α − A. Man geht bei dieser Definition also nicht
davon aus, daß der Gegenspieler selbst nach einer Strategie spielt, sondern man betrachtet alle
möglichen Spielverläufe, die vom Gegenspieler gespielt werden können.
Alternativ kann man eine Gewinnstrategie auch wie folgt definieren. Wir beschränken uns hier
auf den Fall für Spieler I und Spiele der Länge ω, den allgemeinen Fall behandelt man analog.
σ sei genau dann eine Gewinnstrategie für Spieler I, falls σ ∗ τ ∈ A gilt für jede Strategie τ
von Spieler II. Die beiden Definitionen von Gewinnstrategien sind aber für die hier betrachteten
Spiele äquivalent. Denn sei σ eine Gewinnstrategie im Sinne der obigen Definition, d.h. es gilt
∀y ∈ X ω σ ∗ y ∈ A . Angenommen nun, es existiert eine Strategie τ von Spieler II, so daß σ
nicht gegen τ gewinnt, d.h. es gilt σ ∗ τ 6∈ A. Wir betrachten y :≡ (σ ∗ τ )II . Dann ist y ∈ X ω und
es gilt σ ∗ y = σ ∗ τ . Widerspruch, denn es ist σ ∗ y ∈ A, aber σ ∗ τ 6∈ A.
Andererseits erhalten wir aus einem Element y ∈ X ω unmittelbar eine kanonische Strategie für
Spieler II. Wir konstruieren diese Strategie so, daß sie stets die Folgenglieder von y als nächsten
Zug angibt, unabhängig von den Zügen von Spieler I. Wir definieren dazu die Funktion:
τy :
[
X 2n+1 → X, τy (hs0 , . . . , s2m i) = ym .
n∈ω
Sei nun σ eine Gewinnstrategie für Spieler I im Sinne der alternativen Definition, d.h. es gilt
σ ∗ τ ∈ A für jede Strategie τ von Spieler II. Sei weiter y ∈ X ω beliebig. Dann gilt σ ∗ y = σ ∗ τy ,
also σ ∗ y ∈ A. Damit ist σ auch eine Gewinnstrategie im Sinne der Definition 2.4.
Es existieren noch andere Möglichkeiten, eine Strategie bzw. eine Gewinnstrategie für einen der
Spieler zu definieren. Sofern nicht anders angegeben, werde wir in dieser Arbeit die erste Definition verwenden, da sich diese für unsere Betrachtungen am besten eignet. Für eine eingehende
Untersuchung vgl. [And], Abschnitt 8.A.
Wir definieren nun den Begriff der Determiniertheit eines Spiels:
Definition 2.9: Das Spiel GαX (A) heißt determiniert, falls einer der Spieler eine Gewinnstrategie
besitzt. Eine Menge A ⊆ X α heißt determiniert, falls das zugehörige Spiel GαX (A) determiniert
ist.
2.1. U NENDLICHE S PIELE UND DIE E INF ÜHRUNG VON AD
51
Bei der Analyse der Determiniertheit von Teilmengen reeller Zahlen A ⊆ R wird nach Abschnitt 1.2 also stets das Spiel Gωω (A) = G(A) gespielt. Für die Determiniertheit von Mengen
reeller Zahlen führen wir die folgende Schreibweise ein:
Definition 2.10: Sei Γ eine Punktklasse. Dann definieren wir:
Det(Γ) :⇔ ∀A ⊆ R A ∈ Γ ⇒ G(A) ist determiniert .
Die polnischen Mathematiker Jan Mycielski und Hugo Steinhaus formulierten 1962 das folgende
Axiom:
Definition 2.11: Das Axiom der Determiniertheit (axiom of determinacy) sei die folgende Aussage:3
AD :⇔ Det(℘(R))
⇔ jede Teilmenge A ⊆ R ist determiniert.
Wir verallgemeinern dieses Axiom für eine beliebige, nicht-leere Menge X und Spiele der Länge
α über X:
ADαX :⇔ jede Teilmenge A ⊆ X α ist determiniert.
In Kapitel 4 werden wir zeigen, daß die Eigenschaft einer Strategie, eine Gewinnstrategie zu sein,
absolut für transitive Modelle der Mengenlehre ist. Um diese Absolutheit von Gewinnstrategien
zeigen zu können, geben wir hier eine Formalisierung durch ∈-Formeln an. Wir betrachten hier
nur den Fall für Spiele der Länge ω:
Definition 2.12: Wir definieren die Formeln ϕI und ϕII durch:
[
ϕI (X, A, σ) :≡ σ :
X 2n → X ∧ ∀y ∈ X ω σ ∗ y ∈ A
n∈ω
≡σ:
[
X 2n → X ∧ ∀y ∈ X ω z ∈ X ω
[
X 2n+1 → X ∧ ∀x ∈ X ω x ∗ τ 6∈ A
n∈ω
und
∧ ∀n ∈ ω z(2n) = σ(z2n) ∧ z(2n + 1) = y(n) ⇒ z ∈ A
ϕII (X, A, τ ) :≡ τ :
n∈ω
≡τ :
[
n∈ω
X 2n+1 → X ∧ ∀x ∈ X ω z ∈ X ω
∧ ∀n ∈ ω z(2n) = x(n) ∧ z(2n + 1) = τ (z2n + 1) ⇒ z 6∈ A .
Dann behauptet ϕI (X, A, σ) gerade, daß Spieler I im Spiel GX (A) die Gewinnstrategie σ besitzt
und ϕII (X, A, τ ), daß Spieler II in diesem Spiel die Gewinnstrategie τ besitzt.
3
Vgl. [MS62]. In den frühen Schriften findet sich noch häufig der Begriff determinateness. Seit den siebziger Jahren
des letzten Jahrhunderts hat sich dann aber die Bezeichnung determinacy durchgesetzt.
52
K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT
Mit dieser Definition erhalten wir eine entsprechende Formalisierung von ADX :
ADX ≡ ∀A ⊆ X ω ∃σ ϕI (X, A, σ) ∨ ϕII (X, A, σ) .
Wir geben noch eine grundlegende Kodierung von Strategien in Spielen über natürlichen Zahlen
bzw. über reellen Zahlen an, die wir im weiteren Verlauf dieser Arbeit benötigen:
Lemma 2.13: Sei A ⊆ R und B ⊆ Rω .
(1) Jede Strategie für einen der Spieler im Spiel G(A) kann durch eine reelle Zahl elementar
kodiert werden;
(2) Jede Strategie für einen Spieler im Spiel GR (B) kann durch eine Teilmenge von R elementar
kodiert werden.
S
Beweis. (1) Sei σ : n∈ω ω 2n → ω eine Strategie für Spieler I im Spiel G(A). Wir erweitern zunächst σ zu einer Abbildung von ganz ω <ω nach ω. Dazu setzen wir σ(s) :≡ 0 für
S
s ∈ n∈ω ω 2n+1 . Seien Φ0 : ω <ω ,→ ω und Ψ0 : ω ω <ω mit Ψ0 ◦ Φ0 ≡ idω<ω die in
Definition 1.23 angegebenen Funktionen. Wir definieren dann:
σ̄ : ω → ω, n 7→ σ(Ψ0 (n)).
Insbesondere gilt σ̄ ∈ R. Wir erhalten:
σ̄(Φ0 (s)) = σ(Ψ0 (Φ0 (s))) = σ(s) für alle s ∈
[
ω 2n .
n∈ω
Also enthält σ̄ alle Informationen der ursprünglichen Strategie σ. Ist σ eine Gewinnstrategie für
Spieler I, d.h. es gilt ϕI (ω, A, σ), dann gilt auch:
ϕI (ω, A, σ̄ ◦ Φ0 ).
Die Kodierung für eine Strategie von Spieler II im Spiel G(A) durch ein Element τ̄ ∈ R verläuft
analog.
S
(2) Sei σ : n∈ω R2n → R eine Strategie für Spieler I im Spiel GR (B). Wir erweitern wieder σ
S
zu einer Abbildung von ganz R<ω nach R und setzen σ(s) :≡ h0, 0, 0, . . .i für s ∈ n∈ω R2n+1 .
Seien wieder Φ1 : R<ω ,→ R und Ψ1 : R R<ω die Funktionen aus Definition 1.23, so daß
Ψ1 ◦ Φ1 ≡ idR<ω gilt. Wir definieren dann:
σ̄ : R → R, x 7→ σ(Ψ1 (x)).
Insbesondere gilt σ̄ ∈ RR . Wir erhalten wieder:
σ̄(Φ1 (s)) = σ(Ψ1 (Φ1 (s))) = σ(s) für alle s ∈
[
R2n ,
n∈ω
d.h. σ̄ enthält alle Informationen der ursprünglichen Strategie σ. Ist σ eine Gewinnstrategie für
Spieler I, d.h. es gilt ϕI (R, B, σ), dann gilt auch:
ϕI (R, B, σ̄ ◦ Φ1 ).
2.1. U NENDLICHE S PIELE UND DIE E INF ÜHRUNG VON AD
53
Die Elemente von RR sind Funktionen R → R, also Teilmengen von R × R. Elemente von R × R
können wir mit Hilfe einer elementaren Operation – z.B. durch die Funktion hx, yi 7→ x∗y – durch
Elemente von R kodieren. Wir erhalten die Kodierung einer Strategie im Spiel GR (A) durch eine
Teilmenge S ⊆ R. Sei dazu σ : R<ω → R eine – entsprechend auf ganz R<ω erweiterte –
Strategie in Spiel GR (A). Dann definieren wir:
S :≡ {Φ1 (s) ∗ σ(s) | s ∈ R<ω } ∈ ℘(R).
Die Kodierung für eine Strategie von Spieler II im Spiel GR (B) durch eine Teilmenge T ⊆ R
verläuft entsprechend.
Bemerkung 2.14: Für x ∈ R ist x ◦ Φ0 eine Funktion von ω <ω nach ω. Durch
[
ΣI (x) :≡ (x ◦ Φ0 )
ω 2n ;
n∈ω
ΣII (x) :≡ (x ◦ Φ0 )
[
ω 2n+1 .
n∈ω
sind also Surjektion von R in die Menge der Strategien von Spieler I bzw. Spieler II in einem Spiel
über ω der Länge ω gegeben.
II. Quasi-Determiniertheit
Bevor wir uns weiter mit der Determiniertheit von Mengen und dem Axiom AD beschäftigen,
werden wir noch eine verallgemeinerte Definition von Determiniertheit betrachten. In der Definition von Strategien hatten wir gefordert, daß eine Strategie dem jeweiligen Spieler eine eindeutige Antwort auf den letzten Zug des Gegenspielers liefert (in Abhängigkeit von allen vorherigen
Zügen). Wir geben nun eine Definition an, die auf die Eindeutigkeit der Antwort verzichtet. Diese
Strategien liefern dem Spieler statt eines einzelnen Elements eine nicht-leere Menge, aus der er
S
den nächsten Zug wählen kann. Wir erhalten also statt einer Funktion σ : β∈Even(α) X β → X
S
eine Funktion σ̄ : β∈Even(α) X β → ℘(X) − ∅. Da die entsprechende Definition mittels Funktionen aber schwerer zu handhaben ist, definieren wir die verallgemeinerten Strategien mit Hilfe von
Bäumen:4
Definition 2.15: Eine Quasi-Strategie für Spieler I im Spiel GαX (A) ist ein Baum S auf X der
Höhe α, so daß für alle s ∈ S gilt:
len(s) ∈ Even(α)
⇒
len(s) ∈ Odd(α)
⇒
∃x ∈ X sahxi ∈ S ;
∀x ∈ X sahxi ∈ S .
Analog ist eine Quasi-Strategie für Spieler II ein Baum T auf X der Höhe α, so daß für alle t ∈ T
gilt:
4
len(t) ∈ Even(α)
⇒
len(t) ∈ Odd(α)
⇒
∀x ∈ X tahxi ∈ T ;
∃x ∈ X tahxi ∈ T .
Vgl. auch die Definition 2.6. Wir ersetzen also lediglich den Quantor ∃!“ durch den normalen Existenzquantor.
”
54
K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT
Wir können auf die jeweils erste Bedingung verzichten, wenn wir nur gestutzte Bäume betrachten.
Ein Element von [S] bzw. [T ] heißt dann eine Partie des Spiels gemäß der Strategie S bzw. T . Eine
Strategie S für Spieler I heißt Quasi-Gewinnstrategie im Spiel GαX (A), falls [S] ⊆ A gilt. Eine
Strategie T für Spieler II heißt Quasi-Gewinnstrategie, falls [T ] ∩ A = ∅ gilt.
Das Spiel GαX (A) heißt quasi-determiniert, falls einer der Spieler eine Quasi-Gewinnstrategie
besitzt. Eine Menge A ⊆ X α heißt quasi-determiniert, falls das zugehörige Spiel GαX (A) quasideterminiert ist.
Zuletzt sei das Axiom der Quasi-Determiniertheit die entsprechende Verallgemeinerung:
AQDαX
:⇔
jede Menge A ⊆ X α ist quasi-determiniert.
Wir schreiben wieder kurz AQDα statt AQDαω und AQDX statt AQDωX .
Lemma 2.16: DC(X <ω ) gilt genau dann, wenn nicht beide Spieler eine Quasi-Gewinnstrategie
in einem Spiel GX (A) besitzen.
Beweis. ⇒“: Angenommen, es gilt DC(X <ω ) und Spieler I besitzt eine Quasi-Gewinnstrate”
gie S und Spieler II eine Quasi-Gewinnstrategie T im Spiel GX (A) für ein A ⊆ X ω . Es gilt
S ∩ T 6= ∅, denn es ist ∅ ∈ S und ∅ ∈ T . Wir definieren die Relation R auf S ∩ T ⊆ X <ω durch:
R :≡ {hs, ti ∈ (S ∩ T ) × (S ∩ T ) | ∃x ∈ X t = sahxi }.
Sei s ∈ S ∩ T . Ist len(s) ∈ Even(ω), dann gilt nach den Eigenschaften einer Quasi-Gewinnstrategie von Spieler I bzw. Spieler II: es existiert ein x ∈ X mit sahxi ∈ S und für alle x ∈ X ist
sahxi ∈ T , d.h. es existiert ein t ∈ S ∩ T mit hs, ti ∈ R. Ist len(s) ∈ Odd(ω), dann gilt analog:
es existiert ein x ∈ X mit sahxi ∈ T und für alle x ∈ X ist sahxi ∈ S, d.h. es existiert ebenfalls
ein t ∈ S ∩ T mit hs, ti ∈ R. Nach Voraussetzung gilt DC(X <ω ) und nach Lemma 1.6 damit
auch DC(S ∩ T ). Es existiert also eine Funktion f : ω → S ∩ T mit hf (n), f (n + 1)i ∈ R für
alle n ∈ ω. Ist andererseits hs, ti ∈ R, dann gilt offensichtlich s ⊆ t und len(t) = len(s) + 1,
S
also ist y :≡ n∈ω f (n) wohl-definiert und es gilt y ∈ X ω . Außerdem gilt für alle m ∈ ω, daß
ym ∈ S ∩ T , also y ∈ [S] und y ∈ [T ]. Da S und T Quasi-Gewinnstrategien sind, gilt aber
[S] ⊆ A und [T ] ∩ A = ∅, insbesondere also [S] ∩ [T ] = ∅. Widerspruch.
⇐“: Angenommen, es gilt ¬DC(X <ω ). Nach Lemma 1.58 existiert daher ein gestutzter Baum
”
T auf X mit T 6= ∅, aber [T ] = ∅. Wir definieren die Funktion µ durch:
µ : X ≤ω → ω, s 7→
(
len(s)
, falls s ∈ T
max{m < len(s) | sm ∈ T }
, sonst.
µ(x) ist auch für x ∈ X ω wohldefiniert, da wegen [T ] = ∅ stets das Maximum existiert. Wir
definieren die Auszahlungsmenge A durch:
A :≡ {x ∈ X ω | µ(x) ∈ Odd(ω)}.
Sei nun:
SI :≡ T ∪ {s ∈ X <ω − T | µ(s) ∈ Odd(ω)};
2.1. U NENDLICHE S PIELE UND DIE E INF ÜHRUNG VON AD
55
SII :≡ T ∪ {s ∈ X <ω − T | µ(s) ∈ Even(ω)}.
SI ist ein Baum, denn sei t ∈ SI und s ⊆ t. Ist t ∈ T , dann ist s ∈ T ⊆ SI , da T ein Baum ist. Ist
t 6∈ T , dann ist µ(t) ∈ Odd(ω). Ist s 6∈ T , dann ist offensichtlich µ(s) = µ(t). Insgesamt gilt also
s ∈ SI . Analog zeigt man, daß SII ein Baum ist.
Wir zeigen weiter, daß SI eine Quasi-Strategie für Spieler I ist. Sei s ∈ SI und len(s) ∈ Even(ω).
Ist s ∈ T , dann existiert ein x ∈ X mit sahxi ∈ T , da T gestutzt ist. Ist s 6∈ T , dann ist
µ(s) ∈ Odd(ω) und damit µ(sahxi) ∈ Odd(ω) für jedes x ∈ X. Insgesamt gilt also sahxi ∈ SI
für ein x ∈ X.
Sei andererseits len(s) ∈ Odd(ω) und x ∈ X beliebig. Angenommen, es ist s ∈ T . Ist sahxi 6∈ T ,
dann ist µ(sahxi) = len(s) ∈ Odd(ω), insbesondere also sahxi ∈ SII . Ist s 6∈ T , dann ist
µ(s) ∈ Odd(ω) und damit µ(sahxi) ∈ Odd(ω). Insgesamt ist also sahxi ∈ SI für alle x ∈ X.
Demnach ist SI eine Quasi-Strategie für Spieler I. Durch Vertauschung von Even und Odd zeigt
man analog, daß SII eine Quasi-Strategie für Spieler II ist.
Da [T ] = ∅ ist, gilt nun für jedes x ∈ [SI ], daß µ(x) ∈ Odd(ω) und damit x ∈ A ist. Es folgt
[SI ] ⊆ A und SI ist eine Quasi-Gewinnstrategie für Spieler I im Spiel GX (A). Andererseits gilt
für jedes x ∈ X ω : x ∈ [SII ] ⇔ µ(x) ∈ Even(ω) ⇔ x 6∈ A. Es folgt [SII ] ∩ A = ∅ und SII
ist eine Quasi-Gewinnstrategie für Spieler II im Spiel GX (A). Also besitzen beide Spieler eine
Quasi-Gewinnstrategie in einem Spiel GX (A).
Eine Gewinnstrategie – im Sinne unserer zweiten Definition 2.6 – ist offensichtlich auch ein
Quasi-Gewinnstrategie, ADαX impliziert also AQDαX . Gilt AC, dann können wir eine QuasiGewinnstrategie soweit ausdünnen“, daß wir eine Gewinnstrategie erhalten. Tatsächlich zeigt
”
man leicht:
Lemma 2.17: Ist X wohlordenbar, dann gilt ADαX ⇔ AQDαX . Insbesondere gilt AD ⇔ AQD.
Für nicht-wohlordenbare X kann es Spiele geben, die quasi-determiniert, aber nicht determiniert
sind. Das Axiom AQDαX ist also eine schwächere Forderung als ADαX .5
Die wichtigste Anwendungen der Quasi-Determiniertheit, die wir auch im letzten Kapitel dieser
Arbeit verwenden werden, kann bereits in der Theorie ZF gezeigt werden. Aufgrund der besonderen Struktur der topologischen Basis von X ω steht bei abgeschlossen Mengen in den zugehörigen
Spielen bereits nach endlich vielen Zügen fest, wer gewinnt bzw. verliert. Daraus ergibt sich die
Quasi-Determiniertheit:
Satz 2.18 (Gale-Stewart): Ist A ⊆ X ω offen oder abgeschlossen, dann ist GX (A) quasi-determiniert.
Beweis. Sei A ⊆ X ω abgeschlossen in der Produkttopologie, wobei X mit der diskreten Topologie ausgestattet ist. Dann existiert ein Baum T auf X, so daß A = [T ] gilt.6 Wir definieren die
5
6
Vgl. [And], Exercise 8.67.
Vgl. [Kec94], Proposition 2.4.
56
K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT
Mengen Pα ⊆
S
X 2n der Gewinnpositionen von Spieler II durch Induktion über α:
[
P0 :≡ {s ∈
X 2n | s 6∈ T };
n∈ω
n∈ω
Pα+1 :≡ {s ∈
[
n∈ω
Pλ :≡
[
Pα
X 2n | ∀x ∈ X ∃y ∈ X sahx, yi ∈ Pα };
für Lim(λ);
α<λ
P∞ :≡
[
Pα .
α∈Ord
Wir führen eine Fallunterscheidung durch:
Fall 1: Es ist ∅ 6∈ P∞ . Wir definieren dann:
SI :≡ {s ∈ X <ω | ∃t ∈
[
n∈ω
X 2n − P∞ s ⊆ t }.
Wie man leicht überprüft, ist SI eine Quasi-Gewinnstrategie für Spieler I.
Fall 2: Es ist ∅ ∈ P∞ . Dann ist P∞ fundiert und wir können eine Rang-Funktion ρ auf den
Positionen s ∈ P∞ definieren:7
ρ(s) = min{α ∈ Ord | s ∈ Pα }.
Wir definieren nun:
SII :≡ s ∈ X <ω | ∃t ∈ P∞ s ⊆ t ∧ (len(s) gerade ⇒ ρ(t) < ρ(s)) .
Wie man leicht überprüft, ist in diesem Fall SII eine Quasi-Gewinnstrategie für Spieler II.
Da einer der beiden Fälle eintreten muß, ist das Spiel GX (A) quasi-determiniert.
Ist nun B ⊆ X ω offen, dann ist X ω −B abgeschlossen und das gleiche Argument mit vertauschten
Rollen von Spieler I und Spieler II zeigt, daß GX (B) quasi-determiniert ist.
Mit Hilfe des Auswahlaxioms erhalten wir daraus die ursprüngliche Formulierung von Gale und
Stewart, daß offene und abgeschlossene Menge in ZFC determiniert sind.8 Aus dem Satz erhalten
wir unmittelbar:
Lemma 2.19: Endliche Spiele sind quasi-determiniert, d.h. ist n eine gerade natürliche Zahl mit
n > 0 und ist A ⊆ X n , dann ist das Spiel GnX (A) quasi-determiniert.
Beweis. Wir zeigen, daß das Spiel GnX (A) äquivalent zu einem Spiel GX (B) mit einer abgeschlossenen Menge B ist. Wegen Satz 2.18 ist das Spiel quasi-determiniert. Sei:
B :≡ {b ∈ X ω | bn ∈ A} ⊆ X ω .
B ist abgeschlossen, denn es existiert offensichtlich ein Baum T auf X mit B = [T ]. Also
ist GX (B) quasi-determiniert. Ist S eine Quasi-Gewinnstrategie für Spieler I bzw. Spieler II in
S
GX (B), dann ist U :≡ S ∩ k≤n X k eine Quasi-Gewinnstrategie für Spieler I bzw. Spieler II in
GnX (A): ist b ∈ [S], dann ist bn ∈ [U ] und es gilt b ∈ B ⇔ bn ∈ A.
7
8
Vgl. [Kec94], Abschnitt 2.F.
Vgl. [GS53] und [Kan97], Proposition 27.1.
2.1. U NENDLICHE S PIELE UND DIE E INF ÜHRUNG VON AD
57
Mit Lemma 2.17 folgt direkt:
Korollar 2.20 (Zermelo-König): [AC] Sei n > 0 eine gerade natürlich Zahl. Dann gilt ADnX .
III. Welche Mengen reeller Zahlen sind determiniert?
In den Jahren nach der Einführung der unendlichen Spiele konnte gezeigt werden, daß viele Teilmengen der reellen Zahlen mit geringer Komplexität“ – im Sinne der Borel- bzw. projektiven
”
Hierarchie – in der Theorie ZFC determiniert sind. Gale und Stewart bewiesen die Determiniertheit der offenen und abgeschlossenen Mengen, d.h. es gilt Det(Σ01 ) und Det(Π01 ).9 Philip Wolfe
zeigte Det(Σ02 ) und Morton Davis bewies Det(Σ03 ).10 Der Beweis von Det(Σ04 ) stammt von
Jeffrey Paris.11
Andererseits zeigte Harvey M. Friedman, daß ein Beweis der Borel-Determiniertheit Det(∆11 )
essentiellen Gebrauch des Potenzmengenaxioms machen muß.12 Für einen derartigen Beweis sind
überabzählbar viele Iterationen zur Bildung der Potenzmenge notwendig. Anders formuliert: die
Konstruktion der Von-Neumann-Hierarchie muß mindestens bis einschließlich Vω1 möglich sein.
Insbesondere kann die Borel-Determiniertheit nicht in der Zermelo-Mengenlehre, d.h. in ZF −
(Ers) gezeigt werden.
Donald Martin bewies schließlich die Determiniertheit aller Borel-Mengen.13 Der Beweis verwendet exakt ω1 Iterationen der Potenzmengenoperation. Martin konnte darüber hinaus zeigen, daß in
der Theorie ZFC − (Pot) folgendes gilt: sei α < ω1 und angenommen, es existiert Vω+α . Dann
gilt Det(∆01+α+3 ), aber diese Voraussetzungen reichen nicht aus, um die Determiniertheit der
nächsten Stufe der Borel-Hierarchie, also Det(Σ01+α+3 ) zeigen zu können.14
Mittlerweile weiß man, daß ∆11 die letzte Stufe der projektiven Hierarchie ist, von deren Elementen man in ZFC direkt – d.h. ohne zusätzliche Annahmen – zeigen kann, daß sie determiniert
sind. Um die Determiniertheit der Elemente aus den höheren Stufen zu zeigen, muß man zusätzliche Reichhaltigkeitsannahmen machen. Diese fordern meistens die Existenz gewisser Großer
Kardinalzahlen. Wir werden darauf in Abschnitt 4.2 zurückkommen.
Zu Beginn der Beschäftigung mit unendlichen Spielen drängte sich die Frage auf, ob vielleicht
alle Teilmengen der reellen Zahlen determiniert sind. Aber Gale und Stewart zeigten schon in
ihrem Artikel von 1953, daß in ZFC die Existenz einer nicht-determinierten Teilmenge der reellen Zahlen bewiesen werden kann. Für dieses Resultat ist ganz wesentlich das Auswahlaxiom
verantwortlich:
Satz 2.21 (Gale-Stewart): [AC(R)] Es existiert eine Menge A ⊆ R, die nicht determiniert ist.
Insbesondere gilt also ZFC ` ¬AD und die reellen Zahlen sind unter ZF + AD nicht wohlor9
Vgl. [GS53]. Siehe auch Satz 2.18.
Vgl. [Wol55] bzw. [Dav64].
11
Vgl. [Par72].
12
Vgl. [Fri71].
13
Vgl. [Mar75].
14
Vgl. [Kan97], S. 441. Dieses Resultat von Martin ist bisher unveröffentlicht, der Beweis wird aber in seinem
Buch [Mar] zu finden sein, das in absehbarer Zukunft erscheinen wird. Für eine ausführliche Darstellung des notwendigen Gebrauchs von mengentheoretischen Grundlagen für die verschiedenen Forderungen der Determiniertheit
vgl. auch [Fri81].
10
58
K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT
denbar.
Beweis. Eine Strategie für Spieler I im Spiel G(A) ist eine Funktion:
[
σ:
ω 2n → ω.
n∈ω
S
Da n∈ω ω 2n = ℵ0 und |ω ω | = 2ℵ0 , gibt es also insgesamt 2ℵ0 verschiedene Strategien für
Spieler I in diesem Spiel und genauso viele für Spieler II. Wegen AC(R) existiert eine Aufzählung
hσα | α < 2ℵ0 i der Strategien für Spieler I und eine Aufzählung hτα | α < 2ℵ0 i der Strategien für
Spieler II. Wir definieren nun rekursiv für alle α < 2ℵ0 reelle Zahlen aα und bα wie folgt: seien
x0 , y0 ∈ R so gewählt, daß:
b0 :≡ σ0 ∗ y0 6= x0 ∗ τ0 ≡: a0 .
Sind nun {aβ | β < α} und {bβ | β < α} für 0 < α < 2ℵ0 bereits definiert, dann wähle mit Hilfe
von AC(R) xα , yα ∈ R, so daß gilt:
bα :≡ σα ∗ yα 6∈ {aβ | β < α};
aα :≡ xα ∗ τα 6∈ {bβ | β ≤ α}.
Da die Funktion y 7→ σα ∗ y für y ∈ R injektiv ist, gilt |{σα ∗ y | y ∈ R}| = 2ℵ0 > α =
|{aβ | β < α}|. Es existiert also stets ein derartiges yα bzw. aus analogen Gründen ein derartiges
xα . Aufgrund der Definitionen sind die so konstruierten Mengen A :≡ {aα | α < 2ℵ0 } und
B :≡ {bα | α < 2ℵ0 } disjunkt. Das Spiel G(A) kann aber nicht determiniert sein, denn es gilt:
(1) Zu jeder Strategie σ für Spieler I existiert ein α < 2ℵ0 mit σα = σ und ein Spielverlauf
yα ∈ R für Spieler II, so daß bα = σα ∗ yα 6∈ A. Also ist σ keine Gewinnstrategie für
Spieler I;
(2) Zu jeder Strategie τ für Spieler II existiert ein α < 2ℵ0 mit τα = τ und ein Spielverlauf
xα ∈ R für Spieler I, so daß aα = xα ∗ τα ∈ A. Also ist τ keine Gewinnstrategie für
Spieler II.
IV. Zwei Interpretationen von Determiniertheitsforderungen
Mycielski und Steinhaus war die Unvereinbarkeit von AD mit AC bekannt. Tatsächlich trägt ihre
Arbeit den Titel A mathematical axiom contradicting the axiom of choice.15 Ihre Absicht war es
aber nicht, eine ernsthafte Alternative zu ZFC anzugeben, sondern lediglich die Eigenschaften
einer Theorie zu untersuchen, in der die bekannten pathologischen“ Konsequenzen des Auswahl”
axioms – zumindest ad hoc – nicht mehr gegeben sind:
It is not the purpose of this paper to depreciate the classical mathematics with its
”
fundamental ‘absolute’ intuitions on the universum of sets (to which belongs the axiom of choice), but only to propose another theory which seems very interesting although its consistency is problematic. Our axiom can be considered as a restriction of
the classical notion of a set leading to a smaller universum, say of determined sets,
which reflect some physical intuitions which are not fulfilled by the classical sets (e.g.
paradoxical decompositions of the sphere are eliminated by [AD]).“ 16
15
16
Vgl. [MS62].
Jan Mycielski und Hugo Steinhaus [MS62], S. 2.
2.1. U NENDLICHE S PIELE UND DIE E INF ÜHRUNG VON AD
59
Das im Zitat erwähnte Beispiel einer Konsequenz der klassischen Mengenlehre bezieht sich auf
das Banach-Tarski-Paradoxon, das besagt, daß in ZFC die Einheitssphäre in endlich viele disjunkte Teile zerlegt werden kann, die jeweils zu der ursprünglichen Einheitssphäre kongruent sind.
Dafür und für ähnliche Konstruktionen ist die Existenz einer nicht-Lebesgue-meßbaren Menge
verantwortlich. Die Existenz derartiger und anderer extrem“ komplexer Mengen – z.B. überab”
zählbare Mengen ohne perfekte Teilmenge, Wohlordnungen der reellen Zahlen etc. – ist eine Konsequenz des uneingeschränkten Auswahlaxiom. In der Welt von AD existieren derartige Mengen
nicht, so daß zumindest diese Konsequenzen, die der physikalischen Intuition widersprechenden,
nicht mehr gefolgert werden können.17
Die Tatsache, daß AD dem Auswahlaxiom widerspricht, dürfte eigentlich nicht ausreichen, dieses
neue Axiom zurückzuweisen, wenn man bedenkt, wieviel Diskussion es seit der Einführung der
Zermelo-Fraenkel-Skolem-Mengenlehre um das Auswahlaxiom als grundlegendes Postulat über
die wirkliche Welt“ gegeben hat. AC stand selbst häufig genug in der Kritik, nicht zuletzt wegen
”
der in bezug auf die anderen Axiome ungewöhnlichen Formulierung und den oben angedeuteten,
unangenehmen Konsequenzen. Wegen dieser Unsicherheit über die Grundlage der Mengenlehre
ist man in der üblichen“ Mathematik – z.B. in der Analysis – bemüht, möglichst weitgehend auf
”
die Verwendung von AC oder einer seiner Äquivalenzen zu verzichten.18
Andererseits ist AD – ähnlich wie das Auswahlaxiom – ebenfalls eine Verallgemeinerung eines im
Endlichen gültigen Sachverhalts, denn endliche Versionen der hier betrachteten Spiele sind determiniert. Die Determiniertheit der endlichen Spiele bewiesen Ernst Zermelo und Dénes König, der
eine Lücke in der Argumentation von Zermelo füllte.19 Allerdings unterscheidet sich die Art der
Verallgemeinerung ins Unendliche gänzlich von derjenigen, die AC ausdrückt.20 AC ist demnach
im wesentlichen die Forderung, daß man einen im Endlichen gültigen Prozeß derart ins Unendliche erweitert, so daß er seine Richtung längs transfiniter Skalen“ beibehält.21 Im Gegensatz dazu
”
besteht die von AD geforderte Verallgemeinerung bildlich darin, daß man von einer Limesstelle
– in unserem Fall ω – aus rückwärts laufen kann und die Skala sozusagen von hinten“ aufrollt.
”
Denn betrachtet man ein endliches Spiel der hier genannten Art, dann erhält man eine Gewinnstrategie dadurch, daß man den Baum aller möglichen Partien von der Krone herab bis zur Wurzel des
Baumes rückwärts“ durchläuft und dabei die Verzweigungspunkte des Baumes mit zwei Farben
”
einfärbt, je nachdem, welcher Spieler ab dieser Position sicher gewinnen kann.22 Da der Baum
der Partien für endliche Spiele eine endliche Höhe besitzt, ist dieser Prozeß immer möglich und
es wird sukzessive jeder Punkt bis zur Wurzel eingefärbt. Die Farbe der Wurzel entscheidet dann,
welcher der beiden Spieler eine Gewinnstrategie besitzt (vgl. Abbildung 2.1). Dieser Prozeß ist
natürlich für Spiele, die aus ω Zügen bestehen, nicht ohne weiteres übertragbar. Und genau darin
besteht im wesentlichen die Forderung von AD: man kann den Baum mit der Höhe ω von der Krone bis zur Wurzel rückwärts durchlaufen und die Äste entsprechend einfärben. Diese Darstellung
17
Vgl. dazu Satz 2.22 bzw. Satz 2.21.
Vgl. auch [Kle77], S. 3.
19
Vgl. [Kön27]. Siehe aus Korollar 2.20.
20
Für eine Diskussion zu diesem Unterschied vgl. [FS84].
21
Ulrich Felgner und Klaus Schulz [FS84], S. 563.
22
Mit Krone ist die Menge der maximalen Elemente des Baumes gemeint, d.h. die Menge s ∈ T | ∀t ∈ T s ⊆
t → s = t . Die Wurzel ist nichts anderes als die leere Menge, also der Zustand“ des Spiels vor dem ersten Zug
”
von Spieler I.
18
60
K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT
e u u e u
e e
u u e
A A I 6
A A Ae
e
Au
Au
Au u
J
J
J
II
J J J u
e
J
Je
J
c
#
c
#
I uSpieler I
c
#
c
#
eSpieler II
cu
#
Abb. 2.1: Baum eines endlichen Spiels
läßt erkennen, auf welche Komplikationen man stoßen kann, wenn man allzu sorglos finite Verfahren auf das Unendliche ausdehnt: je nach Art der Extrapolation ergeben sich sehr verschiedene,
ja sogar sich widersprechende Systeme. Zu dieser Problematik sei das folgende Zitat von David
Hilbert aus seinem Vortrag von 1922 über die logischen Grundlagen der Mathematik erwähnt:
Wenn wir ein Verfahren, das im Finiten zulässig ist, ohne Bedenken stets auf unend”
liche Gesamtheiten anwenden würde, so öffnen wir damit Irrtümern Tür und Tor.“ 23
Penelope Maddy erörtert in ihrem Artikel Believing the axioms, II einen interessanten, rein logischen Aspekt der Determiniertheit von Spielen und AD.24 Während für eine zweistellige Relation
R der Quantorenwechsel“
”
∃x∀y (x, y) ∈ R
⇒ ∀y∃x (x, y) ∈ R
eine rein logisch ableitbare Aussage ist, ist deren Umkehrung
∀x∃y (x, y) ∈ R
⇒ ∃y∀x (x, y) ∈ R
eine außerordentlich“ nicht-triviale und in den meisten Fällen auch falsche Aussage.25 Annah”
men über Determiniertheit sind aber syntaktisch genau von dieser zweiten Form: wenn für jede
Strategie von Spieler I die Möglichkeit für Spieler II besteht, das Spiel so zu spielen, daß er – d.h.
Spieler II – gewinnt, dann besitzt demnach Spieler I keine Gewinnstrategie. Die Determiniertheit
sagt aber dann, daß Spieler II eine Gewinnstrategie besitzt, d.h. es existiert eine Strategie für Spieler II, so daß jeder Spielverlauf von Spieler I zu einem Gewinn für Spieler II führt. Für eine Menge
A ⊆ X ω sei also R die folgende Relation:
R(v0 , v1 ) :≡ v0 ist Strategie von Spieler I im Spiel G(A)“ ∧
”
v ist Strategie von Spieler II im Spiel G(A)“ ∧ v0 ∗ v1 6∈ A.
” 1
Dann bedeutet die Determiniertheit von G(A) gerade die Aussage:
∀x∃y (x, y) ∈ R
⇒ ∃y∀x (x, y) ∈ R ,
23
David Hilbert [Hil26], S. 37.
Vgl. [Mad88b]. Zu diesem Aspekt vgl. auch [Kec94], Abschnitt 20.D.
25
Z.B. folgt sicher nicht aus der Aussage Jeder Mensch hat eine Mutter“ die Aussage es existiert eine Frau, die
”
”
Mutter aller Menschen ist“!
24
2.1. U NENDLICHE S PIELE UND DIE E INF ÜHRUNG VON AD
61
oder anders formuliert: besitzt Spieler I keine Gewinnstrategie, dann besitzt Spieler II eine.26 Zusammen mit der rein logisch ableitbaren Umkehrung erhalten wir also die folgende Äquivalenz
eines Quantorenwechsels:
∀x∃y (x, y) ∈ R
⇔
∃y∀x (x, y) ∈ R .
Diese Art von Äquivalenz ist ein angestrebtes Ziel“ in vielen verschiedenen mathematischen
”
Kontexten, z.B. in der Analysis bzgl. stetigen und gleichmäßig stetigen Funktionen. Normalerweise bedarf es zusätzlicher Annahmen, um diese Äquivalenz zu garantieren. Bei dem Beispiel
der Stetigkeit wäre das die Kompaktheit des Raumes: sind X, Y metrische Räume und X ist kompakt, dann ist eine Funktion f : X → Y stetig genau dann, wenn sie gleichmäßig stetig ist.
2.2
Einige grundlegende Konsequenzen von AD
In diesem Abschnitt werden wir einige grundlegende Konsequenzen aus dem Axiom der Determiniertheit angeben. Eine der Implikationen von AD ist, daß alle Teilmengen der reellen Zahlen die
klassischen“ Regularitätseigenschaften wie die Lebesgue-Meßbarkeit, die Baire-Eigenschaft und
”
die Perfekte-Mengen-Eigenschaft besitzen. Außerdem zeigen wir, daß AD einen abgeschwächten
Grad an Auswahlprinzip, die Regularität von ℵ1 und die Nicht-Wohlordenbarkeit von überabzählbaren Teilmengen von R impliziert.
I. Regularitätseigenschaften
Wir wir im letzten Abschnitt angedeutet haben, erscheint die Determiniertheit von Mengen als
eine weitere Regularitätseigenschaft, d.h. determinierte Mengen sind in einem gewissen Sinne
gute“ Mengen.27 Die Determiniertheit aller Teilmengen der reellen Zahlen impliziert seinerseits
”
die folgenden, klassischen Regularitätseigenschaften:
Satz 2.22: [AD] Jede Menge A ⊆ R ist Lebesgue-meßbar, besitzt die Baire-Eigenschaft und die
Perfekte-Mengen-Eigenschaft.
Beweis. Vgl. [Kan97], Abschnitt 27.
Der Beweis der Baire-Eigenschaft von Mengen aus determinierten Punktklassen soll auf ein Spiel
von Stanisław Mazur zurückgehen. Stefan Banach soll einen Beweis gefunden haben, den er aber
nie veröffentlicht hat.28 Der erste publizierte Beweis stammt von John Oxtoby.29 Die LebesgueMeßbarkeit bewiesen Jan Mycielski und Stanisław Swierczkowski. Die Perfekte-Mengen-Eigenschaft wurde von Morton Davis gezeigt.30
Da wir die Perfekte-Mengen-Eigenschaft von Teilmengen der reellen Zahlen später noch benötigen werden, definieren wir als Abkürzung:31
26
Hierbei wird die in Bemerkung 2.8 angegebene alternative Definition einer Gewinnstrategie im Spiel G(A) verwendet.
27
Vgl. auch [Mar77], S. 783ff.
28
Diese Darstellung des historischen Verlaufs beruht auf [Kan97], Abschnitt 27.
29
Vgl. [Oxt57].
30
Vgl. [MS64] und [Dav64].
31
Für die Definition einer perfekten Menge und der Perfekte-Mengen-Eigenschaft vgl. [Kan97], S. 133f.
62
K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT
Definition 2.23:
PSP :⇔ jede Menge reeller Zahlen besitzt die Perfekte-Mengen-Eigenschaft
⇔
jedes A ⊆ R ist abzählbar oder enthält eine perfekte Teilmenge.
II. Auswahlfunktionen
Obwohl sich AD und das volle Auswahlaxiom widersprechen, muß man in der Welt von AD
nicht ganz auf infinitäre Auswahlprinzipien verzichten, denn es gilt eine abgeschwächte Form von
AD:
Satz 2.24 (Mycielski): [AD] Es gilt ACω (R), d.h. jede abzählbare Familie von nicht-leeren
Teilmengen der reellen Zahlen besitzt eine Auswahlfunktion.
Beweis. Wir konstruieren ein Spiel, bei dem Spieler I im ersten Zug die Menge nennt, aus der
ausgewählt werden soll. Spieler II muß nun, um nicht zu verlieren, durch sein Spiel ein Element
dieser Menge konstruieren. Aus der Determiniertheit des Spiels folgt dann, daß Spieler II eine
Gewinnstrategie haben muß. Diese Strategie liefert uns dann die gewünschte Auswahlfunktion.
Sei also {An | n ∈ ω} eine Familie nicht-leerer Teilmengen von R. Wir definieren dann:
B :≡ {x ∈ R | xII 6∈ Ax(0) }.
Spieler I gewinnt also das Spiel G(B), wenn Spieler II durch seine Partie kein Element aus der
durch den ersten Zug von Spieler I festgelegten Menge Ax(0) spielen kann. Aber Spieler I kann
keine allgemeine Gewinnstrategie in diesem Spiel besitzen, da Spieler II nach und nach ein Element der nicht-leeren Menge Ax(0) konstruieren und damit die Partie gewinnen kann. Da aber
nach Voraussetzung das Spiel determiniert ist, muß demnach Spieler II eine Gewinnstrategie τ
besitzen. Es gilt also: ∀x ∈ R (x ∗ τ )II ∈ Ax(0) . Durch diese Strategie τ erhalten wir eine
Auswahlfunktion durch:
[
f : {An | n ∈ ω} →
An , An 7→ (n, 0, 0, 0, . . .) ∗ τ II .
n∈ω
Viele wichtige Resultate der Analysis können bereits mit Hilfe dieser abgeschwächten Form des
Auswahlaxioms gezeigt werden. Z.B. genügt ACω (R), um die Äquivalenz von Stetigkeit und
Folgenstetigkeit bei reellen Funktionen zeigen zu können.
Wir werden dieses Resultat später noch für erweiterte Formen von Determiniertheitsforderungen
verallgemeinern.32
III. Die Regularität von ℵ1
Ohne das Auswahlaxiom sind Nachfolgerkardinalzahlen nicht notwendigerweise regulär.33 Wir
werden allerdings zeigen, daß in der Theorie ZF + AD die Regularität von ℵ1 trotzdem gegeben
ist.
Um dies zeigen zu können, benötigen wir das folgende Lemma:
32
33
Vgl. dazu Lemma 3.3 und Lemma 3.4.
Vgl. [BK96], Satz 10.20 und [RR85], S. 156f.
2.2. E INIGE GRUNDLEGENDE KONSEQUENZEN VON AD
63
Lemma 2.25: [ACω (R)] Es existiert eine surjektive Abbildung f : R ω1ω .
Beweis. Seien Γ : R → Rω und Ψ : R ω1 die in Abschnitt 1.2 angegebenen Abbildungen. Wir
definieren die Funktion f durch:
f : R → ω1ω , x 7→ hΨ(Γ(x)(n)) | n ∈ ωi.
Es bleibt zu zeigen, daß f surjektiv ist. Sei dazu hαn | n ∈ ωi ∈ ω1ω . Wegen der Surjektivität von
Ψ ist hΨ−100 {αn } | n ∈ ωi eine abzählbare Familie nicht-leerer Teilmengen von R. Mit ACω (R)
wählen wir nun für alle n ∈ ω ein xn ∈ Ψ−100 {αn }. Da Γ surjektiv ist, existiert zu der Folge
hxn | n ∈ ωi ∈ Rω ein y ∈ R mit ∀n ∈ ω Γ(y)(n) = xn . Dann gilt:
f (y) = hΨ(Γ(y)(n)) | n ∈ ωi = hΨ(xn ) | n ∈ ωi = hαn | n ∈ ωi.
Also ist f surjektiv.
Zusammen mit Lemma 1.6 folgt also:
Korollar 2.26: Es gilt ACω (R) ⇒ ACω (ω1ω ).
Mit diesem stärkerem Auswahlprinzip können wir nun die Regularität von ℵ1 zeigen:
Satz 2.27: [ACω (R)] ℵ1 ist regulär.
Beweis. Angenommen, ℵ1 wäre singulär. Dann existieren Teilmengen An ⊆ ω1 mit ∀n ∈ ω
S
|An | ≤ ℵ0 und ω1 = n∈ω An . Für jedes n ∈ ω ist die Menge der Abzählungen von An eine
Teilmenge von Aωn ⊆ ω1ω . Da nach der Voraussetzung und dem vorherigen Korollar ACω (ω1ω ) gilt,
können wir nun für alle n ∈ ω eine Abzählung fn : ω An von An auswählen. Wir definieren
nun die folgende Surjektion:
[
g :ω×ω An , hn, mi 7→ fn (m).
n∈ω
S
Sei π : ω × ω ↔ ω die in Abschnitt 1.2 angegebene Bijektion. Dann ist g ◦ π −1 : ω n∈ω An
S
eine Surjektion, also ist ω1 = n∈ω An abzählbar. Widerspruch, denn ℵ1 ist nach wie vor die
kleinste überabzählbare Kardinalzahl.34
Zusammen mit Satz 2.24 folgt unmittelbar:
Korollar 2.28: [AD] ℵ1 ist regulär.
IV. Die Nicht-Wohlordenbarkeit von überabzählbaren Mengen reeller Zahlen
Da in der Welt von AD das volle Auswahlaxiom nicht gültig ist, muß es Mengen geben, die
nicht wohlordenbar sind.35 Wie wir bereits in Satz 2.21 gesehen haben, ist eine dieser nichtwohlordenbaren Mengen die gesamte Menge der reellen Zahlen R. Wir werden dieses Ergebnis im
folgenden präzisieren und zeigen, daß unter AD keine überabzählbare Teilmenge reeller Zahlen
eine Wohlordnung besitzt:
34
Diese Argumentation kann erst angewandt werden, wenn man für jedes An eine konkrete Abzählung auswählen
kann. Es reicht nicht, nur“ zu wissen, daß jedes An abzählbar ist. Für diese Wahl ist das Auswahlaxiom – zumindest
”
in der angegebenen abgeschwächten
Form – notwendig.
35
Die Wohlordenbarkeit jeder Menge und das Auswahlaxiom sind äquivalent. Vgl. Lemma 1.3.
64
K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT
Satz 2.29 (Mycielski): PSP ⇒ ℵ1 6≤ 2ℵ0 , d.h. es existiert keine überabzählbare, wohlordenbare
Menge reeller Zahlen.36
Beweis. Wir führen einen Widerspruchsbeweis. Angenommen, es gilt ℵ1 ≤ 2ℵ0 , d.h. es existiert
eine wohlordenbare Menge C ⊆ R mit |C| = ℵ1 . Wir machen eine Fallunterscheidung.
Fall 1: Es gilt zusätzlich 2ℵ0 6≤ ℵ1 , d.h. es existiert keine Teilmenge von ℵ1 mit Kardinalität
2ℵ0 . Insbesondere existiert keine Teilmenge von C mit Kardinalität 2ℵ0 , denn angenommen, es
existiert A ⊆ C mit |A| = 2ℵ0 . Da nach Voraussetzung eine Bijektion f : C ↔ ℵ1 existiert, ist
f A : A ,→ ℵ1 eine Injektion, also gilt |A| ≤ ℵ1 . Widerspruch zu 2ℵ0 6≤ ℵ1 .
Andererseits hat Georg Cantor gezeigt, daß in ZF jede perfekte Teilmenge der reellen Zahlen die
Kardinalität 2ℵ0 besitzt.37 Wäre also P ⊆ C eine perfekte Teilmenge von C, dann wäre |P | = 2ℵ0 ,
was nach unserer zusätzlichen Voraussetzung nicht möglich ist. C ist also weder abzählbar noch
enthält C eine perfekte Teilmenge. Also besitzt C nicht die Perfekte-Mengen-Eigenschaft.
Fall 2: Es gilt zusätzlich 2ℵ0 ≤ ℵ1 . Dann existiert nach dem Satz von Cantor-Bernstein38 eine
Bijektion von R auf ℵ1 , d.h. die reellen Zahlen sind wohlordenbar. Nach einem Resultat von Felix
Bernstein39 , das innerhalb von ZF bewiesen werden kann, existiert dann aber eine Teilmenge
A ⊆ R der Kardinalität 2ℵ0 , so daß für jede perfekte Menge P ⊆ R gilt: P ∩ A 6= ∅ und
P \ A 6= ∅. Also ist weder A abzählbar, noch enthält A eine perfekte Teilmenge, d.h. in diesem
Fall besitzt A nicht die Perfekte-Mengen-Eigenschaft.
Da einer der beiden Fälle eintreten muß, erhalten wir einen Widerspruch zur Voraussetzung PSP.
Damit ist der Satz bewiesen.
Da nach Satz 2.22 das Axiom der Determiniertheit die klassischen Regularitätseigenschaften, insbesondere die Perfekte-Mengen-Eigenschaft impliziert, erhalten wir unmittelbar das folgende Resultat:
Korollar 2.30: [AD] Es gilt ℵ1 6≤ 2ℵ0 .
V. Das Coding Lemma von Moschovakis
Eine weitere wichtige Konsequenz aus dem Axiom der Determiniertheit ist das Coding Lemma
von Yiannis N. Moschovakis. Wie der Name schon andeutet, ist dieses Ergebnis von besonderer
Bedeutung bei der Kodierung von Ordinalzahlen durch reelle Zahlen und wir werden dieses Lemma an verschiedenen Stellen gebrauchen. Wir geben hier allerdings nicht die Formulierung an, die
man üblicherweise als das Coding Lemma bezeichnet, sondern eine der wichtigsten Folgerungen
daraus:
Lemma 2.31 (Moschovakis Coding Lemma): [AD] Sei α eine Ordinalzahl. Falls eine Surjektion R α existiert, dann existiert auch eine Surjektion R ℘(α).
Beweis. Vgl. [Mos70], Theorem 1.
36
Ohne AC ist zunächst gar nicht klar, ob 2ℵ0 überhaupt eine Kardinalzahl ist. 2ℵ0 ist also lediglich“ die Kardinalität
”
von R. Vgl. auch Abschnitt 1.1.
37
Vgl. [Can84].
38
Vgl. auch Definition 1.8.
39
Vgl. [Ber08].
2.2. E INIGE GRUNDLEGENDE KONSEQUENZEN VON AD
65
Wir sind jetzt in der Lage, das noch ausstehende Gegenbeispiel zur alternativen Formulierung des
Satzes von Cantor und Bernstein mit Surjektionen anzugeben, vgl. S. 8:
ZF 6` X Y ∧ Y X ⇒ |X| = |Y | .
Obwohl eine starke mengentheoretische Voraussetzung benötigt wird, geben wir hier dieses Gegenbeispiel an, da es im direkten Bezug zum Thema dieser Arbeit steht und einige wichtige Resultate aus dem Bereich der unendlichen Spiele und Determiniertheit verwendet. Angenommen,
es gilt ZF + AD. Da R ∼
= ℘(ω) gilt, existiert trivialerweise eine Surjektion ℘(ω1 ) R. Nach
Lemma 1.22 läßt sich in der Theorie ZF die Existenz einer Surjektion R ω1 beweisen. Nach
dem Coding Lemma existiert also eine Surjektion R ℘(ω1 ). Nach Korollar 2.30 existiert unter
AD allerdings keine Injektion ω1 ,→ R, insbesondere existiert auch keine Injektion ℘(ω1 ) ,→ R.
Falls AD gilt, dann ist also sowohl ℘(ω1 ) R als auch R ℘(ω1 ), aber |℘(ω1 )| 6≤ |R| und
damit |℘(ω1 )| =
6 |R|.
2.3
AD und die Existenz Großer Kardinalzahlen
In diesem Abschnitt werden wir zeigen, daß AD die Existenz zweier Großer Kardinalzahlen am
unteren Ende der Hierarchie der Großen Kardinalzahlen direkt oder konsistenzweise“ impliziert.
”
Wir zeigen zunächst, daß ℵ1 im konstruktiblen Modell L[a] unerreichbar ist und untersuchen
detailliert die relative Konsistenz verschiedener damit verbundener Theorien. Wir werden später
noch sehen, daß in der Theorie ZF + AD die Kardinalzahl ℵ1 sogar meßbar ist.40
AD ist grundlegend mit der Existenz Großer Kardinalzahlen verknüpft. Dabei handelt es sich
um eine sehr fruchtbare Verbindung zweier – zunächst unabhängig erscheinender – Bereiche der
Mengenlehre: die Theorie der unendlichen Spiele und die Theorie der Großen Kardinalzahlen. Es
liegt eine tiefe Beziehung von Determiniertheitsforderungen und der Existenz gewisser Großer
Kardinalzahlen vor, die allerdings noch wesentlich weiter oben“ als die Unerreichbaren oder
”
Meßbaren in der Hierarchie der Großen Kardinalzahlen anzusiedeln sind. Wir werden darauf in
einem späteren Abschnitt zurückkommen.
Der dritte Teil dieses Abschnitts beschäftigt sich mit starken Partitionskardinalzahlen, d.h. mit
Großen Kardinalzahlen, die eine bestimmte Partitionseigenschaft besitzen. Wir werden sehen, daß
unter der Annahme des Axioms der Determiniertheit die Existenz von starken Partitionskardinalzahlen gezeigt werden kann.
I. Unerreichbare Kardinalzahlen
Wir wiederholen zunächst noch einmal die Definition einer unerreichbaren Kardinal:
Definition 2.32: Sei κ > ω eine Kardinalzahl. κ heißt schwach unerreichbar, falls κ regulär und
eine Limeskardinalzahl ist, d.h. falls ∀λ λ < κ ⇒ λ+ < κ gilt. κ heißt (stark) unerreichbar,
falls κ regulär und ein starker Limes ist, d.h. falls ∀λ λ < κ ⇒ 2λ < κ gilt. Weiter sei:
I :⇔ ∃κ κ ist unerreichbar .
40
Thomas Jech hat andererseits gezeigt, daß
es existiert eine Meßbare“ ist. Vgl. dazu Satz 2.38.
ZF + ℵ1 ist meßbar“
”
äquikonsistent
zu
ZFC +
”
66
K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT
Bemerkung 2.33: Nach dem Satz von Cantor gilt in ZFC für alle Kardinalzahlen λ die Beziehung λ < 2λ und damit auch λ+ ≤ 2λ . Daraus folgt in der Theorie ZFC: ist κ unerreichbar,
dann ist κ auch schwach unerreichbar. Angenommen nun, es gilt die verallgemeinerte Kontinuumshypothese GCH, d.h. für alle Kardinalzahlen λ gilt λ+ = 2λ . Dann gilt insbesondere für eine
Limeskardinalzahl κ:
λ < κ ⇒ 2λ = λ+ < κ.
Unter GCH gilt also: κ ist unerreichbar genau dann, wenn κ schwach unerreichbar ist.
Für alle a ∈ R gilt im konstruktiblen Modell L[a] das Auswahlaxiom AC.41 Unter der zusätzlichen Annahme, daß AD im Universum gilt, ist ℵ1 im Modell L[a] sogar eine unerreichbare Kardinalzahl. Wir erhalten damit eine erste Abschätzung der relativen Konsistenzstärke von ZF + AD.
Demnach besitzt die Theorie ZF + AD mindestens die Konsistenzstärke von ZFC zusammen
mit der Existenz einer Unerreichbaren:
Satz 2.34 (Mycielski): Kon(ZF + AD) ⇒ Kon ZFC + I .
Beweis. Der Beweis besteht aus zwei unabhängigen Teilen:
L[a]
Beh. 1: ℵ1 6≤ 2ℵ0 ⇒ ∀a ∈ R ℵ1
< ℵ1 .
Beweis. Sei a ∈ R gegeben. Da L[a] stets ein inneres ZFC-Modell ist, gilt insbesondere also
L[a] |= AC. Deswegen können wir eine Folge hxα | α < (2ℵ0 )L[a] i von verschiedenen reellen
Zahlen in L[a] wählen. Da eine reelle Zahl in L[a] insbesondere auch eine reelle Zahl in V ist, ist
L[a]
nach Voraussetzung diese Folge in V abzählbar. Da in L[a] das Auswahlaxiom gilt, ist ℵ1 ≤
(2ℵ0 )L[a] . Da andererseits jede der oben genannten Folgen abzählbar in V ist, gilt (2ℵ0 )L[a] < ℵ1 ,
L[a]
zusammen also ℵ1 < ℵ1 .
(1)
L[a]
Beh. 2: Angenommen, ℵ1 ist regulär in V und es gilt ∀a ∈ R ℵ1
R ℵ1 ist schwach unerreichbar in L[a] .
< ℵ1 . Dann gilt ∀a ∈
Beweis. Wir führen einen Widerspruchsbeweis. Angenommen also, die Voraussetzungen gelten
und es gibt ein a ∈ R, so daß ℵ1 nicht schwach unerreichbar in L[a] ist. Da ℵ1 regulär in V ist, ist
ℵ1 auch regulär in L[a], da die Eigenschaft der Regularität abwärts-absolut ist.42 Da aber ℵ1 nach
Annahme nicht schwach unerreichbar in L[a] ist, muß demnach ℵ1 eine Nachfolgerkardinalzahl
in L[a] sein:
L[a]
ℵ1 = α +
.
Da ℵ1 die kleinste überabzählbare Kardinalzahl ist, muß α abzählbar in V sein. Dann existiert aber
ein b ∈ R, so daß α auch abzählbar in L[b] ist: man wählt dazu die Kodierung einer Wohlordnung
auf ω mit Ordnungstyp α durch die reelle Zahl b mit Hilfe der Funktion Ψ aus Lemma 1.22.
Es gilt b ∈ L[b]. Die Kodierung ist elementar, d.h. die Abzählung kann im Modell L[b] aus b
wieder dekodiert werden. Sei nun c ∈ R so gewählt, daß c sowohl a als auch b durch elementare
Operationen in L kodiert. Hierfür kann man z.B. c :≡ a ∗ b wählen. Dadurch kann die reelle
41
42
Vgl. Abschnitt 1.6 bzw. [Jec97], Theorem 37.
Vgl. [BK96], Satz 22.41.
2.3. AD UND DIE E XISTENZ G ROSSER K ARDINALZAHLEN
67
Zahl b in L[c] wieder dekodiert werden, insbesondere gilt also b ∈ L[c]. Daraus folgt, daß α in
L[c] ebenfalls abzählbar ist. Analog gilt a ∈ L[c] und damit L[a] ⊆ L[c]. Angenommen nun, es
existiert eine Kardinalzahl β in L[c], so daß α < β < ℵ1 gilt. Dann wäre β auch eine Kardinalzahl
in L[a], denn eine Kardinalzahl zu sein ist abwärts-absolut. Außerdem würde dann auch in L[a]
die gleiche Beziehung α < β < ℵ1 gelten. Das steht aber im Widerspruch zu der Annahme, daß
ℵ1 der unmittelbare Nachfolger von α in L[a] ist. Also kann in L[c] keine Kardinalzahl zwischen
dem abzählbaren α und ℵ1 existieren (vgl. Abbildung 2.2). Die erste überabzählbare Kardinalzahl
L[a]
L[b]
L[c]
L[c]
ℵ1 = α +
ℵ1 = ℵ1
β
α
abzählbar
α
Abb. 2.2: Abhängigkeiten der Kardinalzahlen in L[a], L[b] und L[c]
in L[c] muß demnach bereits ℵ1 selbst sein, d.h. es gilt:
L[c]
ℵ1
= ℵ1 .
Wir erhalten damit den gewünschten Widerspruch zur zweiten Voraussetzung, daß für alle reellen
Zahlen diese Gleichheit nicht gilt.
(2)
Nun erfüllt das konstruktible Modell L[a] die verallgemeinerte Kontinuumshypothese.43 Unter den
Voraussetzungen von (2) existiert also für jedes a ∈ R eine schwach unerreichbare Kardinalzahl
in L[a]. Nach Bemerkung 2.33 ist diese Kardinalzahl auch (stark) unerreichbar. In dieser Situation
gilt also L[a] |= ZFC + I. Unter der Annahme von AD gilt andererseits nach Korollar 2.28 und
Korollar 2.30: ℵ1 ist regulär und ℵ1 6≤ 2ℵ0 . Also existiert unter der Annahme von AD ein inneres
ZFC-Modell, das eine unerreichbare Kardinalzahl enthält. Daraus folgt die angegebene relative
Konsistenz:
Kon(ZF + AD) ⇒ Kon ZFC + I .
Wir werden nun noch einmal die Komponenten des obigen Beweises genauer herausstellen, um
eine präzise Bestimmung der Konsistenzstärke einiger interessanter Theorien zu erhalten. Wir
werden dabei feststellen, daß diese Theorien exakt die Konsistenzstärke von ZFC + I besitzen.44
Die unten angegebenen Implikationen gelten alle in der Theorie ZF. Nach Satz 2.29 haben wir
die folgende Implikation:
PSP ⇒ ℵ1 6≤ 2ℵ0 .
43
Der Beweis dazu verläuft im wesentlichen wie der ursprünglich Beweis von Gödel für das konstruktible Modell L.
Vgl. [Mos80], Theorem 8F.5 und Exercise 8F.22.
44
Wie in der gegenwärtigen Mengenlehre üblich, möchte man gerne die Konsistenzstärke von Theorien relativ zu
ZFC zusammen mit einem Große-Kardinalzahl-Axiom bestimmen. Den letztgenannten Axiomen ordnen man ein
hohes Maß an Evidenz für ihre Gültigkeit zu. Vgl. dazu die Bemerkung 4.17.
68
K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT
Andererseits gilt nach Lemma 1.7:
DC ⇒ ACω .
Betrachtet man die Voraussetzung von Satz 2.27, dann gilt insbesondere:
DC ⇒ ℵ1 regulär.
Die Behauptung (1) des obigen Beweises lieferte uns:
L[a]
ℵ1 6≤ 2ℵ0 ⇒ ∀a ∈ R ℵ1
Behauptung (2) besagte:
L[a]
ℵ1 regulär + ∀a ∈ R ℵ1
< ℵ1 .
< ℵ1 ⇒ ∀a ∈ R ℵ1 ist unerreichbar in L[a] .
Wir erhalten also zusammen die folgende relative Konsistenz:
Kon(ZF + DC + PSP) ⇒ Kon(ZFC + I).
Andererseits veröffentlichte Robert M. Solovay 1970 das folgende Resultat:45
Kon(ZFC + I) ⇒ Kon(ZF + DC + PSP).
Zusammen erhalten wir also, daß die unten genannten Theorien äquikonsistent sind:46
(1) ZFC + I;
(2) ZF + DC + PSP;
(3) ZF + ℵ1 regulär + PSP;
(4) ZF + ℵ1 regulär + ℵ1 6≤ 2ℵ0 ;
L[a]
(5) ZF + ℵ1 regulär + ∀a ∈ R ℵ1 < ℵ1 .
Die Implikationen Kon(1) ⇒ Kon(2) und Kon(5) ⇒ Kon(1) sind konsistenzweise, die Implikationen (2) ⇒ (3), (3) ⇒ (4) und (4) ⇒ (5) sind nach dem oben gesagten direkt.
Es stellt sich die Frage, welche relative Konsistenz vorliegt, wenn man auf die Voraussetzung der
Regularität von ℵ1 in den oben genannten Theorien (3) und (4) verzichtet. Mit anderen Worten:
welche Konsistenzstärke haben die Theorien ZF + PSP bzw. ZF + ℵ1 6≤ 2ℵ0 ? Man kann vermuten, daß die Konsistenzstärke der letzteren Theorie nicht stärker als ZF selbst ist:47
?!
Vermutung 2.35: Kon(ZF + ℵ1 6≤ 2ℵ0 ) ⇔ Kon(ZF).
Diese Vermutung wird gestützt durch das von Solomon Feferman und Azriel Lévy angegebene
ZF-Modell, innerhalb dessen ℵ1 singulär ist und die reellen Zahlen abzählbare Vereinigung von
abzählbaren Mengen sind:48
[
R=
An mit ∀n ∈ ω |An | = ℵ0 .
n∈ω
45
Vgl. [Sol70], Theorem 1.
Vgl. auch [Kan97], Theorem 11.6.
47
Benedikt Löwe äußerte diese Vermutung in einem persönlichen Gespräch.
48
Vgl. [Jec97], S. 213f.
46
2.3. AD UND DIE E XISTENZ G ROSSER K ARDINALZAHLEN
69
Für jede wohlordenbare Menge X reeller Zahlen in diesem Modell sind die Mengen X ∩ An
abzählbar und man könnte hoffen, daß man so eine Abzählung von X erhält. Leider ist dieser
Beweisansatz nur eine Heuristik, denn die Konstruktion einer Abzählung verlangt ein Maß an
Auswahl, welches im Feferman-Lévy-Modell nicht vorliegt. Vergleiche dazu auch den Beweis
von Satz 2.27.
II. Meßbare Kardinalzahlen
Wir geben zunächst noch einmal die Definition einer meßbaren Kardinalzahl an:
Definition 2.36: Sei κ > ω eine Kardinalzahl. κ heißt meßbar, falls ein κ-vollständiger, freier
Ultrafilter auf κ existiert. Weiter sei:
M :⇔ ∃κ κ ist meßbar .
Bereits wenige Jahre nach der Einführung des Axioms der Determiniertheit bewies Robert Solovay
die Meßbarkeit von ℵ1 in der Theorie ZF + AD:
Satz 2.37 (Solovay): [AD] ℵ1 ist meßbar.
Beweis. Der ursprüngliche Beweis von Solovay wurde von ihm selbst nie publiziert. Einen vollständigen Beweis findet man in [Kan97], Theorem 28.2. Eine ausführliche Darstellung bietet auch
die Wissenschaftliche Arbeit von Heike Steinwand [Ste98].
Die Existenz einer meßbaren Kardinalzahl unter AD ist ein überraschendes Ergebnis, wenn man
bedenkt, daß deren Existenz in ZFC nicht beweisbar ist. Daß unter AD bereits die erste überabzählbare Kardinalzahl meßbar ist, erscheint aufgrund des folgenden Satzes dann nicht mehr weiter
verwunderlich:
Satz 2.38 (Jech): Kon(ZF + ℵ1 ist meßbar) ⇔ Kon(ZFC + M).
Beweis. Vgl. [Jec68].
Zunächst scheint die Definition von Spielen bzw. Determiniertheit gar nichts mit Großen Kardinalzahlen zu tun haben, aber es besteht dennoch eine tiefe Verbindung dieser beiden Bereiche
der Mengenlehre. Die in den letzten drei Jahrzehnten gefundenen Abhängigkeiten haben viel zum
Verständnis der Großen Kardinalzahlen einerseits und der unendlichen Spiele andererseits beigetragen. Wir werden darauf ausführlicher in Abschnitt 4.2 eingehen.
Ein Jahr später publizierte Donald Martin49 einen anderen Beweis für die Meßbarkeit von ℵ1 unter
ZF + AD.50 In beiden Beweisen werden bestimmte Ultrafilter konstruiert. Es ist bemerkenswert,
daß bereits in ZF + ACω (R) bewiesen werden kann, daß diese Filter frei und ω1 -vollständig
sind. AD wird erst gebraucht, um die Ultrafiltereigenschaft zu zeigen. Hierbei fällt auf, daß sich
schon die Formulierungen von AD bzw. der Ultrafiltereigenschaft stark ähneln: AD besagt, daß
für jedes A ⊆ R im Spiel G(A) entweder Spieler I oder Spieler II eine Gewinnstrategie besitzt.
49
50
Vgl. [Mar68].
Die von Martin verwendete Methode konnte wiederum Solovay dazu nutzen, die Meßbarkeit von ℵ2 unter AD zu
zeigen.
70
K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT
Aber es können nicht beide Spieler eine Gewinnstrategie besitzen. Auf der anderen Seite ist ein
Filter F auf einer Menge S ein Ultrafilter, wenn für jede Teilmenge X ⊆ S gilt, daß entweder
X ∈ F oder S − X ∈ F ist. Aber auch in dieser Situation können nicht beide Fälle auftreten,
denn dann wäre auch X ∩ (S − X) = ∅ ∈ F im Widerspruch zu den Filtereigenschaften.
Aus Satz 2.37 folgt ein anderer wichtiger Unterschied zwischen den Theorien ZFC und ZF+AD.
Während mit Hilfe des Auswahlaxioms gezeigt werden kann, daß eine meßbare Kardinalzahl bereits unerreichbar sein muß,51 kann diese Implikation unter der Annahme von AD nicht gelten:
ℵ1 ist dann zwar meßbar, aber offensichtlich keine Limeskardinalzahl. Mit anderen Worten, ℵ1 ist
keine schwach Unerreichbare und damit auch keine (stark) Unerreichbare. Damit ist auch die separate Behandlung von unerreichbaren und meßbaren Kardinalzahlen in den letzten beiden Unterabschnitten gerechtfertigt. In ZFC hätten wir direkt aus der Meßbarkeit von ℵ1 schließen können,
daß ℵ1 auch unerreichbar ist.
Die beiden Sätze von Jech und Solovay ergeben zusammen, daß die Konsistenzstärke von ZF +
AD mindestens so groß wie die Konsistenzstärke von ZFC zusammen mit der Existenz einer
meßbaren Kardinalzahl ist, d.h. es gilt:
Kon(ZF + AD) ⇒ Kon(ZFC + M).
Wie wir in Abschnitt 4.2 sehen werden, ist die genaue Konsistenzstärke von AD in der Tat noch
wesentlich größer: die Theorie ZF + AD ist äquikonsistent zu ZFC zusammen mit der Existenz
unendlich vieler Woodin-Kardinalzahlen, die in der Hierarchie der Großen Kardinalzahlen viel
weiter oben“ liegen als die Meßbaren oder die Unerreichbaren. Vgl. dazu Korollar 4.13.
”
III. Starke Partitionskardinalzahlen
Eine weitere wichtige Sorte Großer Kardinalzahlen sind solche mit gewissen Partitionseigenschaften. Wir werden sehen, daß unter AD die Anwendung starker kombinatorischer Prinzipien
möglich werden, d.h. daß Kardinalzahlen mit sehr starken Partitionseigenschaften existieren. Diese Eigenschaften werden wir in Kapitel 5 benutzen, um die Determiniertheit bestimmter Mengen
zu zeigen.
Nach Lemma 1.49 muß in ZFC der Exponent ν in der Pfeilnotation endlich sein. Unter der Annahme des Axioms der Determiniertheit gelten dagegen eine ganze Reihe von Partitionseigenschaften mit unendlichem Exponenten ν. Wir verzichten allerdings hier auf eine genauere Darstellung und verweisen statt dessen auf die Wissenschaftliche Arbeit von Ute Schmid [Sch99].
Wir erwähnen hier nur eine sehr starke Form von Partitionseigenschaft, die für gewisse Kardinalzahlen unter der Annahme von AD gilt.52 Zunächst konnte Martin zeigen:
Satz 2.39 (Martin): [AD] ℵ1 besitzt die starke Partitionseigenschaft.
Die von Martin angegebene Methode konnte dahingehend verallgemeinert werden, daß man weitere Existenzresultate von starken Partitionskardinalzahlen zeigen konnte. Alexander S. Kechris,
Eugene M. Kleinberg, Yiannis N. Moschovakis und W. Hugh Woodin konnten schließlich beweisen, daß in der Theorie ZF + AD + DC(R) unbeschränkt viele Kardinalzahlen unterhalb von Θ
51
52
Vgl. [Kan97], Theorem 2.8.
Vgl. Definition 1.50.
2.3. AD UND DIE E XISTENZ G ROSSER K ARDINALZAHLEN
71
mit dieser Partitionseigenschaft existieren:53
Satz 2.40 (Kechris-Kleinberg-Moschovakis-Woodin): [AD + DC(R)] Es existieren unterhalb
von Θ unbeschränkt viele starke Partitionskardinalzahlen:
∀α < Θ∃κ < Θ α < κ ∧ ∀µ < κ κ → (κ)κµ .
Beweis. Vgl. [KKMW81], Paragraph 1.
53
Zur Definition und Größe der Kardinalzahl Θ verweisen wir auf Abschnitt 4.5.
72
K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT
Kapitel 3
Erweiterungen von AD
3.1
Allgemeine Betrachtungen
Will man die symmetrische Struktur der bisher betrachteten Spiele beibehalten, d.h. zwei Spieler
spielen abwechselnd Elemente der gleichen Menge und das Spiel endet nach einer vorher festgelegten Anzahl von Zügen, so gibt es grundsätzlich zwei Parameter, anhand derer man die bisherigen Spiele erweitern kann, so daß neue Betrachtungen von Determiniertheit möglich werden:
(1) Die Komplexität der Züge, d.h. die Spieler wählen für ihre Züge statt natürlicher Zahlen
Elemente einer anderen Menge aus;
(2) Die Länge der Spiele, d.h. die Spiele enden nicht schon nach ω Zügen, sondern erst, nachdem eine längere Folge gespielt worden ist.
Wir betrachten in diesem Abschnitt Determiniertheitsforderungen der Form ADαX , also die Forderung, daß alle Spiele über X der Länge α determiniert sind. Es besteht eine einfache Beziehung
zwischen diesem Determiniertheitsforderungen, denn die stärken“ Versionen der Determiniert”
heit implizieren die schwächeren“:
”
Satz 3.1: Seien X und Y nicht-leere Mengen mit |X| ≤ |Y | und sei α ≤ β. Dann gilt:
ADβY ⇒ ADαX .
Beweis. Offensichtlich sind alle Spiele der Länge 1 determiniert. Sei also 1 < α ≤ β. Wir beweisen den Satz in zwei unabhängigen Schritten:
Beh. 1: ADβY ⇒ ADβX .
Beweis. Sei A ⊆ X β . Wir wollen zeigen, daß das Spiel GβX (A) determiniert ist. Nach Voraussetzung ist |X| ≤ |Y |, d.h. es existiert eine Injektion f : X ,→ Y . Sei f˜ : X ≤β ,→ Y ≤β die von f
induzierte Injektion, d.h. für γ ≤ β sei:
f˜(hxξ | ξ < γi) :≡ hf (xξ ) | ξ < γi.
f˜ ist ebenfalls eine Injektion. Wir definieren weiter:
B :≡ y ∈ Y β | ∀ξ ∈ Even(β) yξ ∈ f 00 X ∧ ∃ξ ∈ Odd(β) yξ 6∈ f 00 X ∨ y ∈ f˜00 A .
73
74
K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD
Spieler I gewinnt das Spiel GβY (B) genau dann, wenn alle seine Züge aus dem Bild von f sind
und entweder Spieler II ein Element spielt, das nicht im Bild von f liegt oder die resultierende
Partie im Bild von A bzgl. f˜ liegt. Nach Voraussetzung ist das Spiel GβY (B) determiniert. Wir
unterscheiden die beiden Fälle:
Fall 1: Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie σ. Für γ ∈ Even(β) und jede partielle Partie hyξ |
ξ < γi gemäß σ gilt nach Definition von B, daß σ(hyξ | ξ < γi) ∈ f 00 X ist, denn sonst hätte
Spieler I bereits verloren. Daher ist die folgende Funktion wohldefiniert:
[
σ ∗ :≡ (f −1 ◦ σ ◦ f˜)
Xγ.
γ∈Even(β)
σ ∗ ist eine Strategie für Spieler I im Spiel GβX (A). Ist nun x ∈ X β eine Partie gemäß σ ∗ , dann ist
f˜(x) eine Partie im Spiel GβY (B) gemäß σ. Da σ eine Gewinnstrategie für Spieler I ist, gilt nach
Definition von B: f˜(x) = f˜(a) für ein a ∈ A. Da f˜ injektiv ist, gilt x = a ∈ A. Also ist σ ∗ eine
Gewinnstrategie.
Fall 2: Spieler II besitzt eine Gewinnstrategie τ . Analog zum Fall 1 gilt für γ ∈ Odd(β) und
jede partielle Partie hyξ | ξ < γi gemäß τ , daß τ (hyξ | ξ < γi) ∈ f 00 X. Daher ist die folgende
Funktion ebenfalls wohldefiniert:
[
τ ∗ :≡ (f −1 ◦ τ ◦ f˜)
Xγ.
γ∈Odd(β)
τ ∗ ist eine Strategie für Spieler II im Spiel GβX (A). Ist nun x ∈ X β eine Partie gemäß τ ∗ , dann
ist f˜(x) eine Partie im Spiel GβY (B) gemäß τ . Da τ eine Gewinnstrategie für Spieler II ist, gilt
f˜(x) 6∈ B, also existiert kein a ∈ A mit f˜(x) = f˜(a). Insbesondere ist x 6∈ A und τ ∗ ist eine
Gewinnstrategie.
(1)
Beh. 2: ADβX ⇒ ADαX .
Beweis. Sei A ⊆ X α . Wir wollen zeigen, daß das Spiel GαX (A) determiniert ist. Wir definieren
dazu:
B :≡ z ∈ X β | zα ∈ A .
Das Spiel GβX (B) ist nach Voraussetzung determiniert. Wir betrachten wieder die beiden Fälle:
Fall 1: Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie σ. Sei y ∈ X β und z :≡ σ ∗y. Da z ∈ B ist, gilt also:
S
zα ∈ A. Durch σ γ∈Even(α) X γ ist also eine entsprechende Gewinnstrategie im Spiel GαX (A)
gegeben.
Fall 2: Spieler II besitzt eine Gewinnstrategie τ . Sei x ∈ X β und z :≡ x ∗ τ . Dann ist z 6∈
B. Die Entscheidung des Spiels zugunsten von Spieler II muß dann aber schon nach α Zügen
gefallen sein, denn ab diesem Moment sind alle weiteren Züge zugunsten von Spieler I, da alle
Verlängerungen von Folgen aus A in B liegen. Es gilt also: ∀a ∈ A ∃γ < α aγ 6= zγ und damit
S
zα ∈ X α − A. Durch τ γ∈Odd(α) X γ ist demnach eine Gewinnstrategie für Spieler II im Spiel
GαX (A) gegeben.
(2)
Die Aussage des Lemmas folgt aus den beiden Behauptungen.
3.1. A LLGEMEINE B ETRACHTUNGEN
75
Korollar 3.2: Sei X eine nicht-leere, wohlordenbare Menge. Dann gilt:
ADX ⇔ AD|X| .
Wir werden allerdings weiter unten feststellen, daß die Forderung ADX für überabzählbare,
wohlordenbare Mengen X bereits inkonsistent mit ZF ist.1
Wir wollen nun den Grad an Auswahl analysieren, den eine derartige Determiniertheitsforderung
ermöglicht. Aus ADαX folgt – analog zu AD – bereits eine abgeschwächte Form des Auswahlaxioms:2
Lemma 3.3: Sei X eine nicht-leere Menge und 1 < α. Dann gilt:
ADαX ⇒ ACX (X α ).
Beweis. Der Beweis verläuft analog zu dem von Satz 2.24.
In der Tat gilt sogar:
Lemma 3.4: Sei X eine nicht-leere Menge. Dann gilt:
AD2X ⇔ ACX (X).
Insbesondere gilt ADX ⇒ DC(X).
Beweis. ⇒“: Dies folgt unmittelbar aus Lemma 3.3.
”
⇐“: Angenommen, es gilt ACX (X). Sei B ⊆ X 2 . Wir betrachten das Spiel G2X (B). Angenom”
men, Spieler I besitzt keine Gewinnstrategie in diesem Spiel. Dann gilt:
∀x ∈ X ∃y ∈ X hx, yi 6∈ B .
Wir definieren dann:
Ax :≡ {y ∈ X | hx, yi 6∈ B} ⊆ X.
Dann ist {Ax | x ∈ X} eine Familie von Teilmengen von X, die nach Annahme nicht-leer
S
sind. Also existiert eine Auswahlfunktion f : X → x∈X Ax mit ∀x ∈ X f (x) ∈ Ax . Wir
definieren die Strategie τ für Spieler II durch τ (hxi) = f (x). Dann gilt für alle x ∈ X, daß
τ (hxi) ∈ Ax , also hx, τ (hxi)i = x ∗ τ 6∈ B, d.h. τ ist eine Gewinnstrategie für Spieler II.
Nach Satz 3.1 gilt ADX ⇒ AD2X , insbesondere nach dem gerade gezeigten also auch ADX ⇒
ACX (X). Nach Lemma 1.7 gilt damit ADX ⇒ DC(X).
Wir werden uns in den nächsten beiden Abschnitten separat mit den zwei genannten Erweiterungsmöglichkeiten beschäftigen. In Abschnitt 3.2 werden wir Determiniertheitsforderungen von
Spielen betrachten, bei denen die Spieler ihre Züge aus einer komplexeren Menge wählen. In
Abschnitt 3.3 werden wir uns mit der Determiniertheit von längeren Spielen beschäftigen. Wir
werden feststellen, daß in beiden Fällen unsere Wahl der genannten Parametern beschränkt ist,
1
2
Vgl. dazu Satz 3.7 und Korollar 3.8.
Vgl. dazu auch Satz 2.24.
K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD
76
wenn wir die Determiniertheit aller entsprechenden Spiele fordern wollen. Werden die einzelnen
Züge zu komplex oder die Spiele zu lang, dann sind die Forderung ADX bzw. ADα inkonsistent
mit ZF. Beschränkt man allerdings die Komplexität der Auszahlungsmenge, so sind durchaus
Determiniertheitsforderungen für Spiele mit komplexeren Zügen bzw. für längere Spiele möglich.
Vgl. dazu auch Abschnitt 5.2.
3.2
Erweiterung der Komplexität der Züge
Wir analysieren in diesem Abschnitt die Determiniertheit von Spielen, bei denen die Spieler statt
natürlicher Zahlen Elemente aus anderen Mengen wählen. Die hier betrachteten Spiele besitzen
aber weiterhin die Länge ω, d.h. sie enden nach ω Zügen.
Als erste Erweiterung betrachten wir diejenigen Spiele, bei denen die beiden Spieler Ordinalzahlen
spielen, die kleiner als eine gegebene, abzählbare Ordinalzahl sind. Jeder einzelne Zug der Spieler
ist also ein α < γ für γ < ω1 . Das Axiom ADγ liefert uns in diesem Fall allerdings keine
zusätzliche Determiniertheit. Wegen der Abzählbarkeit existiert eine Bijektion γ ↔ ω, also gilt
nach Satz 3.1:
Korollar 3.5: Es gilt ∀ω ≤ γ < ω1 AD ⇔ ADγ .
In der Tat kann man dieses Resultat noch auf endliche Ordinalzahlen erweitern:
Satz 3.6: Es gilt ∀2 ≤ γ < ω1 AD ⇔ ADγ .
Beweis. Um die Aussage zu zeigen, genügt nach Satz 3.1 der Beweis von AD2 ⇒ AD. Wir
konstruieren dazu eine geeignete Kodierung der Elemente von ω <ω durch Elemente von 2<ω . Sei
n ∈ ω und s ∈ 2n eine binäre Folge der Länge n. Wir definieren für alle i ∈ ω:
k0 :≡
k2i+1
k2i+2
(
min{k < n | k ∈ Even(ω) ∧ sk = 0} , falls das Minimum existiert
−1
, sonst;



min{k < n | k ∈ Odd(ω) ∧ k2i < k ∧ sk = 0} , falls k2i > −1 und
:≡
das Minimum existiert


−1
, sonst;



min{k < n | k ∈ Even(ω) ∧ k2i+1 < k ∧ sk = 0} , falls k2i+1 > −1 und
:≡
das Minimum existiert


−1
, sonst.
Damit erhalten wir eine Unterteilung der Folge s in Blöcke:
k0
k1
s = h1, •, 1, •, . . . , 1, •, 0 , 1, ◦, 1, ◦, . . . , 1, ◦, 0 , 1, •, . . .i.
|
|
{z
}
{z
}
Block 0
Block 1
Die • bzw. ◦ deuten an, daß hier die Züge von Spieler II in den ungeraden Positionen bzw. die Züge
von Spieler I in den geraden Zügen in einem Spiel G2 für die gewünschte Kodierung irrelevant
sind.
3.2. E RWEITERUNG DER KOMPLEXIT ÄT DER Z ÜGE
77
Sei weiter:
M (s) :≡
(
max{m ∈ ω | km > −1} + 1 , falls das Maximum existiert
0
, sonst.
Damit gibt M (s) die Anzahl der Blöcke an, in die die Folge s nach dem oben genannten Muster
unterteilt werden kann. Offensichtlich gilt M (s) ≤ n und s ⊆ t ⇒ M (s) ≤ M (t). Wir können
also die Funktion M auf ganz 2ω erweitern, indem wir für x ∈ 2ω definieren:
[
M (x) :≡
M (xn).
n∈ω
Es gilt M (x) ≤ ω. Wir definieren weiter für alle i ∈ ω:
1
a2i :≡ (k2i − k2i−1 − 1);
2
1
a2i+1 :≡ (k2i+1 − k2i − 1).
2
Dabei sei k−1 :≡ −1. Dann gibt ai die Anzahl der 1 in den geraden Positionen für i gerade bzw.
in den ungeraden Positionen für i ungerade im i-ten Block an. Wir definieren nun die Funktion:
ϕ(s) : 2<ω → ω <ω , s 7→ han | n < M (s)i.
Dann ist ϕ monoton, d.h. es gilt s ⊆ t ⇒ ϕ(s) ⊆ ϕ(t).3 Für alle x ∈ 2ω gilt:
sup{len(ϕ(xn)) | n ∈ ω} = ω
⇔
M (x) = ω.
Wir können also genau dann eine reelle Zahl auf die genannte Art durch ein x ∈ 2ω kodieren,
wenn M (x) = ω gilt. Wir definieren deswegen C :≡ {x ∈ 2ω | M (x) = ω}. Dann induziert ϕ
die folgende Surjektion:
[
f : C R, x 7→
ϕ(xn).
n∈ω
Wir verfügen jetzt über die geeignete Kodierung. Sei nun A ⊆ R. Wir wollen zeigen, daß das
Spiel G(A) determiniert ist. Wir definieren B ⊆ 2ω durch:
B :≡ f −100 A ∪ {x ∈ 2ω − C | M (x) ∈ Odd(ω)}.
Für alle x ∈ B gilt also M (x) ∈ Odd(ω) ∨ M (x) = ω. Nach Voraussetzung ist das Spiel G2 (B)
determiniert. Wir betrachten die beiden Fälle:
Fall 1: Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie σ̄ im Spiel G2 (B). Wir definieren die Strategie σ für
Spieler I im Spiel G(A) induktiv:
σ(∅)“: Wir lassen σ̄ zunächst gegen die Nullfolge h0, 0, 0, . . .i spielen. Da σ̄ eine Gewinnstrategie
”
ist, muß sie irgendwann eine 0 an einer geraden Position k0 vorgeben, denn sonst gilt für die
resultierende Partie x = h1, 0, 1, 0, . . .i, daß M (x) = 0 und damit x 6∈ B ist. Wir setzen nun:
1
σ(∅) :≡ a0 = k0
2
und s0 :≡ h1, 0, 1, 0, . . . , 1, 0, 0i ∈ 2k0 +1 .
|
{z
}
2a0
3
Vgl. dazu auch Abschnitt 1.2.
78
K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD
s0 ist demnach eine partielle Partie gemäß σ̄ im Spiel G2 (B).
σ(ha0 , . . . , a2i+1 i)“: Seien die partielle Partie s2i im Spiel G2 (B) gemäß der Strategie σ̄ und
”
k0 < . . . < k2i bereits gegeben. Wir definieren k2i+1 :≡ k2i + 2a2i+1 + 1 ∈ Odd(ω). Offensichtlich ist k2i < k2i+1 . Wir setzen nun:
s2i+1 :≡ s2i ah1, b1 , 1, b2 , . . . , 1, ba2i+1 i ∈ 2k2i+1 ,
wobei die bj für 1 ≤ j ≤ a2i+1 die Züge von Spieler I gemäß der Strategie σ̄ sind. Als Fortsetzung
der partiellen Partie s2i+1 spielt nun Spieler II im Spiel G2 (B) solange eine 0, bis σ̄ im nächsten
Zug mit einer 0 an der geraden Position k2i+2 antwortet. Dies muß irgendwann eintreten, da sonst
für die Partie x = s2i+1 ah0, 1, 0, 1, . . .i gilt: 2i + 1 ist das größte m ∈ ω mit km > −1. Also
ist M (x) = 2i + 2 ∈ Even(ω) und damit x 6∈ B. Dann hätte aber Spieler I verloren und σ̄ wäre
demnach keine Gewinnstrategie. Offensichtlich ist k2i+1 < k2i+2 . Wir definieren nun:
1
σ(ha0 , . . . , a2i+1 i) :≡ a2i+2 = (k2i+2 − k2i+1 − 1);
2
a
s2i+2 :≡ s2i+1 h0, 1, 0, 1, 0, . . . , 1, 0, 0i ∈ 2k2i+2 +1 .
|
{z
}
2a2i+2
Dann ist s2i+2 wieder eine partielle Partie gemäß der Strategie σ̄.
Sei nun z :≡ σ ∗ y ∈ R eine Partie im Spiel G(A) gemäß σ. Dann existiert nach der obigen
Konstruktion eine Folge s0 ⊆ s1 ⊆ . . . von Elementen aus 2<ω , so daß ∀n ∈ ω ϕ(sn ) = z(n +
S
1) gilt und x :≡ n∈ω sn eine Partie im Spiel G2 (B) gemäß σ̄ ist. Da σ̄ eine Gewinnstrategie ist,
S
gilt x ∈ B. Da M (x) = ω gilt, ist x ∈ C und damit x ∈ f −100 A. Also ist f (x) = n∈ω ϕ(xn) =
z ∈ A und σ ist eine Gewinnstrategie für Spieler I im Spiel G(A).
Fall 2: Spieler II besitzt eine Gewinnstrategie τ̄ im Spiel G2 (B). Wir definieren die Strategie τ
für Spieler II im Spiel G(A) induktiv:
Sei ha0 , . . . , a2i i die bisherige Partie im Spiel G(A). Seien die partielle Partie s2i−1 im Spiel
G2 (B) gemäß der Strategie τ̄ und k0 < . . . < k2i−1 bereits gegeben. Dabei sei s−1 = ∅ und
k−1 = −1. Wir definieren k2i :≡ k2i−1 + 2a2i + 1 für i ≥ 1. Offensichtlich gilt k2i−1 < k2i . Wir
definieren nun:
s2i :≡ s2i−1 ah1, b1 , 1, b2 , . . . , 1, ba2i i ∈ 2k2i ,
wobei die bj für 1 ≤ j ≤ a2i die Züge von Spieler II gemäß der Strategie τ̄ sind. Spieler I spielt
nun als Fortsetzung der partiellen Partie s2i im Spiel G2 (B) solange eine 0, bis τ̄ im nächsten Zug
mit einer 0 an der ungeraden Position k2i+1 antwortet. Dieser Fall muß irgendwann eintreten, da
sonst für die Partie x = s2i ah0, 1, 0, 1, . . .i gilt: M (x) ∈ Odd(ω) und damit x ∈ B. Dann ist aber
τ̄ keine Gewinnstrategie. Es ist k2i < k2i+1 . Wir definieren nun:
1
τ (ha0 , . . . , a2i i) :≡ a2i+1 = (k2i+1 − k2i − 1);
2
a
s2i+1 :≡ s2i h0, 1, 0, 1, 0, . . . , 1, 0, 0i ∈ 2k2i+1 +1 .
|
{z
}
2a2i+1
Dann ist s2i+1 wieder eine partielle Partie gemäß der Strategie τ̄ .
Sei nun z :≡ x ∗ τ ∈ R eine Partie im Spiel G(A) gemäß τ . Dann existiert nach obiger Konstruk
tion eine Folge s0 ⊆ s1 ⊆ . . . von Elementen aus 2<ω , so daß ∀n ∈ ω ϕ(sn ) = z(n + 1) gilt
3.2. E RWEITERUNG DER KOMPLEXIT ÄT DER Z ÜGE
79
S
und y :≡ n∈ω sn eine Partie im Spiel G2 (B) gemäß τ̄ ist. Da τ̄ eine Gewinnstrategie ist, gilt
S
y 6∈ B, insbesondere also y 6∈ f −100 A. Dann ist f (y) = n∈ω ϕ(yn) = z 6∈ A und τ ist eine
Gewinnstrategie für Spieler II im Spiel G(A).
Da einer der beiden Fälle eintreten muß, gilt also AD2 ⇒ AD. Damit ist auch der Satz bewiesen.
Jede andere Erweiterung von AD von der Form ADX für ein überabzählbares, wohlordenbares
X ist aber schon inkonsistent mit ZF. Wir zeigen dazu:
Satz 3.7 (Mycielski): Es gilt ¬ADω1 , d.h. es existiert eine Menge A ⊆ ω1ω , so daß das Spiel
Gω1 (A) nicht determiniert ist.
Beweis. Angenommen, es gilt ADω1 . Da offensichtlich eine Injektion ω ,→ ω1 existiert, gilt
nach Satz 3.1 auch AD. Wir betrachten das Spiel Gω1 , bei dem Spieler II genau dann gewinnt,
wenn seine Züge eine reelle Zahl ergeben, die die von Spieler I in seinem ersten Zug angegebene,
abzählbare Ordinalzahl kodieren. Sei dazu Ψ : R ω1 die Funktion aus Lemma 1.22. Wir
definieren die Auszahlungsmenge durch:
A :≡ z ∈ ω1ω | zII 6∈ R ∨ Ψ(zII ) 6= z0 .
Nach Voraussetzung ist Gω1 (A) determiniert. Da z0 < ω1 gilt und Ψ surjektiv ist, kann Spieler I
keine allgemeine Gewinnstrategie besitzen: selbst wenn Spieler II zufällig natürliche Zahlen spielt,
könnte seine Partie einen Kode von z0 ergeben. Wegen der Determiniertheit besitzt also Spieler II
eine Gewinnstrategie τ . Wir definieren mit Hilfe von τ die folgende Funktion, die jedem α < ω1
einen Kode von α zuordnet:
f : ω1 → R, α 7→ (hα, 0, 0, . . .i ∗ τ )II .
Nach Konstruktion gilt Ψ(f (α)) = α, insbesondere also für α, β < ω1 :
f (α) = f (β) ⇒ α = Ψ(f (α)) = Ψ(f (β)) = β.
Also ist f eine Injektion. Damit existiert eine überabzählbare, wohlordenbare Menge reeller Zahlen. Das steht aber im Widerspruch zu Korollar 2.30.
In diesem Beweis ist wieder zu erkennen, daß Determiniertheitsforderungen bestimmte Auswahlprinzipien implizieren: über ein Spiel gelangen wir zu einer geeigneten Auswahlfunktion. In diesem Fall wurde jeder abzählbaren Ordinalzahl ihr Kode gemäß Lemma 1.22 zugeordnet. Dabei
wurde in dem Beweis keinesfalls eine konkrete“ nicht-determinierte Menge angegeben. Wir ha”
ben stattdessen einen Widerspruchsbeweis geführt. Man kann sogar zeigen, daß ein konstruktiver“
”
Beweis – also die Konstruktion eines konkreten Gegenbeispiels – gar nicht möglich sein kann.4
Nach Satz 3.1 gilt damit für alle überabzählbaren Ordinalzahlen γ, daß in der Theorie ZF das
erweiterte Axiom ADγ nicht gelten kann. Das gleiche gilt – ebenfalls nach Satz 3.1 – damit auch
für alle überabzählbaren, wohlordenbaren X.
Korollar 3.8: Es gilt ∀γ ≥ ω1 ¬ADγ .
4
Vgl. [HK81], S. 133f.
K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD
80
Wir können also in ZF nicht die Determiniertheit beliebiger Auszahlungsmengen für Spiele mit
Zügen aus einer überabzählbaren Ordinalzahl fordern. Beschränkt man die Komplexität der Auszahlungsmengen, dann können wir auch – sinnvolle – Determiniertheitsforderungen für derartige Spiele formulieren. Wir werden z.B. in Abschnitt 5.2 eine derartige Form von Erweiterung
des Axioms der Determiniertheit kennenlernen: das Axiom der Ordinalzahl-Determiniertheit. Die
Auszahlungsmengen der dabei betrachteten Spiele sind Urbilder stetiger Funktionen. Wir werden
außerdem zeigen, daß unter der Voraussetzung AD + DC für alle α < Θ und alle stetigen Funktionen f : αω → R die Spiele Gα (f −100 A) determiniert sind, falls A ⊆ R Suslin und Co-Suslin
ist.
Die nächste Erweiterung der Spiele, deren Determiniertheit wir fordern können, besteht darin, daß
die Spieler für ihre einzelnen Züge reelle Zahlen wählen. Aufgrund von Satz 2.21 sind unter AD
die reellen Zahlen nicht wohlordenbar. Die Menge R wird also durch das vorherige Korollar nicht
ausgeschlossen. Die entsprechende Erweiterung von AD wurde ebenfalls von Jan Mycielski 1966
eingeführt:
Definition 3.9: Das Axiom der reellen Determiniertheit (axiom of real determinacy) sei die folgende Aussage:
ADR :⇔ das Spiel GR (A) ist determiniert für jede Menge A ⊆ Rω .
Da f : ω → R, n 7→ hn, n, n, . . .i eine Injektion ist, gilt nach Satz 3.1: ADR ⇒ AD. Das Axiom
ADR ist also eine Erweiterung von AD. In der Tat ist ADR sogar eine echt stärkere Forderung.
Darauf werden wir weiter unten noch zurückkommen.
Wir haben weiter oben festgestellt, daß Determiniertheitsforderungen für alle Spiele mit Zügen aus
einer zu komplexen Menge inkonsistent mit ZF sind. Wir werden auf den folgenden Seiten noch
ein Reihe anderer möglicher Erweiterungen von AD kennenlernen, die ebenfalls inkonsistent mit
ZF sind. Es stellt sich daher die Frage, ob das gleiche auch für das Axiom ADR gilt. Hugh Woodin
hat aber die Konsistenz von ZF + ADR relativ zu einer Aussage – die ADR -Hypothese – zeigen
können, die wir wiederum in die Hierarchie der Großen Kardinalzahlen einordnen können:5
Kon(ZFC + ADR -Hypothese) ⇔ Kon(ZF + ADR ).
Ausgehend von ADR könnte der nächste Schritt hin zu erweiterten Determiniertheitsforderungen darin bestehen, daß die Spieler statt Elemente aus R nun Elemente aus der Potenzmenge von
R oder der Potenzmenge der Potenzmenge von R wählen. Wie sieht es mit den Erweiterungen
AD℘(R) , AD℘(℘(R)) etc. aus? Diese werden ebenfalls nicht durch das obige Korollar abgedeckt,
da auch ℘(R), ℘(℘(R)) etc. nicht wohlordenbar sein können: aus einer Wohlordnung von ℘(X)
läßt sich offensichtlich eine für X extrahieren. Nun ist aber auch AD℘(R) schon inkonsistent mit
ZF und damit nach Satz 3.1 auch sämtliche Versionen mit höheren Iterationen der Potenzmengenbildung:
Satz 3.10: Es gilt ¬AD℘(R) .
Beweis. Nach Satz 3.1 folgt aus AD℘(R) bereits AD2℘(R) . Wir werden zeigen, daß aus AD2℘(R)
das Auswahlaxiom AC(R) für Teilmengen von R folgt. Nach Lemma 1.3 existiert daher eine
5
Vgl. Satz 4.16.
3.2. E RWEITERUNG DER KOMPLEXIT ÄT DER Z ÜGE
81
Wohlordnung der reellen Zahlen. Andererseits existiert eine Injektion f : ω ,→ ℘(R), also impliziert AD℘(R) ebenfalls nach Satz 3.1 schon AD. Nach Satz 2.21 sind dann aber die reellen
Zahlen nicht wohlordenbar. Wir erhalten also einen Widerspruch. Damit kann AD℘(R) nicht in
ZF gelten. Es bleibt also zu zeigen:
Beh. 1: AD2℘(R) ⇒ AC(R), d.h. jede Familie nicht-leerer Teilmengen von R besitzt eine Auswahlfunktion.
Beweis. Sei {Ai | i ∈ I} ⊆ ℘(R) eine Familie nicht-leerer Teilmengen reeller Zahlen. Wir
skizzieren zunächst das Spiel der Länge 2, das uns die gewünschte Auswahlfunktion liefern soll.
Spieler I spielt eine Teilmenge X ⊆ R und Spieler II antwortet mit Y ⊆ R. Spieler I gewinnt
dieses Spiel genau dann, wenn gilt:
X ∈ {Ai | i ∈ I} ∧ ∀y ∈ R Y 6= {y} ∨ ∃y ∈ R Y = {y} ∧ y 6∈ X .
Damit gewinnt Spieler II genau dann dieses Spiel, wenn Spieler I keine Menge Ai der Familie vorgibt oder wenn er selbst in seinem Zug ein Element von Ai als Einermenge spielt. Wir definieren
die Auszahlungsmenge durch:
A :≡ x ∈ ℘(R) × ℘(R) | ∃i ∈ I x0 = Ai ∧ ∀y ∈ R x1 6= {y} ∨
∃y ∈ R x1 = {y} ∧ y 6∈ x0
.
Nach Voraussetzung ist das Spiel G2℘(R) (A) determiniert. Da die Ai nicht-leer sind, kann Spieler I
aber keine allgemeine Gewinnstrategie besitzen, die gegen jede Partie von Spieler II gewinnt. Also
muß Spieler II derjenige sein, der eine Gewinnstrategie τ besitzt. Die Funktion
[
f : {Ai | i ∈ I} →
Ai , Ai 7→ a , falls τ (hAi i) = {a} mit a ∈ R
i∈I
ist also wohldefiniert und die gewünschte Auswahlfunktion.
(1)
Damit ist der Satz bewiesen.
Bei Determiniertheitsforderungen für alle entsprechenden Spiele ist uns also bezüglich der Komplexität der Züge sowohl durch ω1 als auch durch die volle“ Potenzmenge ℘(R) eine Grenze
”
gesetzt. Trotzdem können wir versuchen, den Übergang von AD auf ADR zu verallgemeinern.
Die erste Forderung bezieht sich auf Spiele mit Zügen aus ω, die zweite auf Spiele mit Zügen aus
R = ω ω . Wir können also diesen Prozeß fortsetzen, indem wir Spiele betrachten, deren Züge aus
Rω , (Rω )ω usw. stammen. Da ADR eine – wie wir noch sehen werden echt – stärkere Forderung
als AD ist, könnte man zunächst meinen, durch diese Erweiterung zu immer neuen Determiniertheitsforderungen zu gelangen. In der Tat sind aber diese Formen von Axiomen alle äquivalent zu
ADR . Das Axiom ADR stellt in dieser Richtung also die stärkste Form von Determiniertheitsforderung dar. Um dies zu zeigen, führen wir die folgende Notation ein:
Definition 3.11: Für n ∈ ω sei Rn rekursiv definiert durch:
R0 :≡ ω
und
Dann ist also R0 = ω, R1 = R, R2 = Rω etc.
Rn+1 :≡ (Rn )ω .
K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD
82
Definition 3.12: Für n ∈ ω definieren wir das Axiom der Hyper-Determiniertheit:
AHDn :≡ ADRn = für alle A ⊆ Rn+1 ist das Spiel GRn (A) determiniert.
Für die ersten natürlichen Zahlen erhalten wir also:
AHD0 = AD,
AHD1 = ADR ,
AHD2 = ADRω ,
AHD3 = AD(Rω )ω
etc.
Bemerkung 3.13: Für jede nicht-leere Menge X ist stets eine Injektion
f : X ,→ X ω , x 7→ hx, x, x, . . .i
gegeben. Wir erhalten also aufgrund von Satz 3.1 die folgende Kette von Implikationen:
. . . ⇒ AHD3 ⇒ AHD2 ⇒ AHD1 ⇒ AHD0 .
Andererseits können wir für jede nicht-leere Menge X stets eine Injektion g : (X ω )ω ,→ X ω
angeben. Sei dazu π : ω × ω ↔ ω die in Abschnitt 1.2 angegebene Bijektion. Weiter sei pi für
i = 1, 2 die Projektion auf die i-te Koordinate, d.h. p1 ((n, m)) = n und p2 ((n, m)) = m. Dann
definieren wir:
g : (X ω )ω ,→ X ω , hxn | n ∈ ωi 7→ xp1 (π−1 (k)) p2 (π −1 (k)) | k ∈ ω .
Für x :≡ hhxn (m) | m ∈ ωi | n ∈ ωi ∈ (X ω )ω ist also g(x)(π(n, m)) = xn (m) und damit
g(x) ∈ X ω . Es gilt:
g(x) = g(y) ⇒ ∀k ∈ ω g(x)(k) = g(y)(k)
⇒ ∀n, m ∈ ω g(x)(π(n, m)) = g(y)(π(n, m))
⇒ ∀n, m ∈ ω xn (m) = yn (m)
⇒ x = y.
Also ist g injektiv.
Daraus folgt wieder mit Satz 3.1:
AHD1 ⇒ AHD2 ⇒ AHD3 ⇒ . . . .
Zusammen gilt also:
∀n ≥ 1 AHDn ⇔ AHD1 .
Durch AHDn für n ≥ 2 sind also keine stärkeren Determiniertheitsforderungen als durch AHD1
= ADR gegeben.
Mit dieser Argumentation läßt sich aber nicht beweisen, daß AD ⇒ ADR gilt. Der Satz von
Cantor gilt bereits in ZF. Demnach ist ℵ0 < 2ℵ0 , insbesondere also ℵ0 < |R|. Da also R nicht
abzählbar ist, kann auch keine Injektion R ,→ ω existieren. Wir können Satz 3.1 in diesem Fall
nicht anwenden. Das Axiom ADR ist sogar eine echte Erweiterung von AD im folgenden Sinn.
Wir werden weiter unten zeigen, daß:6
AD ⇒ L(R) |= AD + ¬ADR .
Daraus folgt insbesondere, daß ADR nicht aus der Theorie ZF + AD gefolgert werden kann:
ZF + AD 6` ADR .
6
Vgl. Satz 4.1 und Korollar 4.19.
3.3. E RWEITERUNG DER L ÄNGE DER S PIELE
3.3
83
Erweiterung der Länge der Spiele
Im diesem Abschnitt betrachten wir die zweite, eingangs erwähnte Möglichkeit von erweiterten
Spielen und die entsprechenden Determiniertheitsforderungen. Mit GαX (A) bezeichnen wir das
Spiel, bei dem die Spieler abwechselnd Elemente von X spielen, so daß eine Folge der Länge α
entsteht. Wir betrachten in diesem Abschnitt zunächst nur die Spiele Gα (A), bei denen die Spieler
abwechselnd natürliche Zahlen spielen. Die resultierende Partie ist dann ein Element von ω α .
Unter anderem befassen sich die folgenden Artikel mit den langen“ Spielen: [Bla75], [Mar83],
”
[Nee99] und [Ste88].
I. Grenzen der Determiniertheitsforderungen
Jan Mycielski konnte zeigen, daß in der Theorie ZF der Länge der Spiele Gα (A) bereits durch ω1
eine obere Grenze gesetzt ist, wenn wir die Determiniertheit aller dieser Spiele fordern wollen:7
Satz 3.14 (Mycielski): Es gilt ¬ADω1 .
Beweis. Nach Satz 3.1 gilt ADω1 ⇒ ADω2 1 . Es genügt zu zeigen, daß ADω2 1 ⇒ ADω1 gilt, denn
dann können wir Satz 3.7 anwenden. Wir wollen also ein Spiel Gω1 der Länge ω mit Zügen aus
ω1 in ein Spiel Gω2 1 der Länge ω1 und binären Zügen überführen. Da die Spieler im letzten Spiel
insgesamt ω1 Züge zur Verfügung haben, kann jeder Spieler in seinem Spielverlauf ω abzählbare
Ordinalzahlen αn durch Verkettung von binären Folgen der Länge αn kodieren. Dies ist möglich,
da ADω1 nach Satz 3.1 AD impliziert und nach Korollar 2.28 aus AD die Regularität von ℵ1
folgt. Also ist die Länge einer Folge, die durch ω-fache Verkettung von Folgen abzählbarer Länge
entsteht kleiner als ω1 . Dazu müssen wir eine geeignete Kodierung von Elementen aus ω1ω durch
Elemente aus 2<ω1 konstruieren. Die Konstruktion kann unmittelbar aus dem Beweis von Satz 3.6
übertragen werden. Wir erhalten als Kodierung eine binäre Folge s ∈ 2α mit α < ω1 der folgenden
Gestalt:
β0
β1
s = h1, •, 1, •, . . . , 1, •, 0 , 1, ◦, 1, ◦, . . . , 1, ◦, 0 , 1, •, . . .i.
{z
}
{z
}
|
|
Block 0
Block 1
Die βi sind Ordinalzahlen kleiner ω1 und markieren jeweils das Ende eines Blocks, also das erste
Auftreten einer Null an einer geraden Stelle für i gerade bzw. an einer ungeraden Stelle für i
ungerade. Die Folge s kann allerdings mehr als ω Blöcke kodieren, für die Dekodierung sind aber
nur die ω ersten Blöcke notwendig. Wir können die ursprüngliche Folge ω1ω wieder dekodieren,
indem wir den Ordnungstyp der im i-ten Block vorkommenden Einsen an gerader bzw. ungerader
Stelle als i-tes Folgenglied setzen. Der Rest des Beweises verläuft nahezu identisch zu dem von
Satz 3.6. Der einzige Unterschied ist, das wir, selbst wenn wir alle Folgenglieder von ω1ω kodieren,
wegen der Regularität von ω1 nur eine binäre Folgen mit Länge kleiner als ω1 erhalten. Um die
Voraussetzung anwenden zu können, benötigen wir aber eine binäre Folge der Länge gleich ω1 .
Wir können die kodierte Folge aber entsprechend zu einer ω1 -Folge verlängern, ohne daß es einen
Einfluß auf die Übertragung der Strategien aus einem Spiel Gω2 1 auf das zu untersuchende Spiel
Gω1 hat: die Übertragung benötigt tatsächlich nur die ersten ω Blöcke.
Bemerkung 3.15: Man könnte zunächst glauben, daß man auf ähnlichem Wege die Implikation
ADR ⇒ ADω1 zeigen kann. Dann wäre nach Satz 3.7 natürlich auch ZF + ADR inkonsistent.
7
Vgl. [Myc64].
84
K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD
Der vermeintliche Ansatz für einen Beweis dieser Implikation besteht darin, ein Spiel mit Zügen
aus ω1 über die Surjektion Ψ : R ω1 aus Lemma 1.22 in ein Spiel über R zu überführen. Dazu
würde man für A ⊆ ω1ω die Menge
B :≡ {hx0 , x1 ), . . .i | hΨ(x0 ), Ψ(x1 ), . . .i ∈ A} ⊆ Rω
definieren wollen. Könnte man B so definieren, dann würde tatsächlich die Determiniertheit des
Spiels Gω1 (A) aus der von GR (B) folgen. Um aber für jedes α < ω1 ein Element aus Ψ−100 {α}
wählen zu können, braucht man einen Grad an Auswahlprinzip – in der Tat ACω1 (R) –, der uns
in ZF + ADR nicht zur Verfügung steht. Oder anders formuliert: aus der Existenz der Surjektion
Ψ : R ω1 können wir nicht auf die Existenz einer Funktion Φ : ω1 → R mit Ψ ◦ Φ = idω1
schließen. Denn Φ wäre notwendigerweise injektiv, also würde ℵ1 ≤ 2ℵ0 gelten im Widerspruch
zu ADR ⇒ AD und Korollar 2.30. Vgl. dazu auch Abschnitt 1.1.
Aufgrund von Satz 3.1 erhalten wir unmittelbar:
Korollar 3.16: Es gilt ∀α ≥ ω1 ¬ADα .
Dieses Ergebnis sagt uns also, daß wir in ZF nicht die Determiniertheit beliebiger Auszahlungsmengen für Spiele mit überabzählbarer Länge fordern können. Aufgrund des Satzes sind also –
wenn überhaupt – nur Axiome der Form ADα für eine abzählbare Ordinalzahl α sinnvoll. Das
nächste Lemma zeigt uns, daß wir von einem gegebenen ADα mit abzählbarem α ausgehend
keine neue Determiniertheitsforderungen erhalten, wenn wir die Spiele um endlich viele Züge
verlängern:
Lemma 3.17: Sei ω ≤ α < ω1 . Dann gilt für alle n ∈ ω:
ADα ⇒ ADα+n .
Beweis. Sei ω ≤ α < ω1 und n ∈ ω. Um unserer Konvention zu genügen, sei o.E. α eine gerade
Ordinalzahl und n eine gerade natürliche Zahl. Angenommen, es gilt ADα . Sei A ⊆ ω α+n . Wir
wollen die Determiniertheit von Gα+n (A) zeigen. Für jedes z ∈ ω α definieren wir:
Az :≡ {s ∈ ω n | z as ∈ A} ⊆ ω n .
Jedes Gn (Az ) ist ein endliches Spiel. Nach Lemma 2.19 sind daher die Mengen Az für alle z ∈ ω α
quasi-determiniert. Da die Züge aus der wohlgeordneten Menge ω sind, sind nach Lemma 2.17
die Mengen Az damit auch determiniert. Wir definieren weiter:
B :≡ {z ∈ ω α | Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie im Spiel Gn (Az )} ⊆ ω α .
Nach Voraussetzung ist das Spiel Gα (B) determiniert. Wir unterscheiden die beiden Fälle:
Fall 1: Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie σ̄ im Spiel Gα (B). Wir wählen dann für jedes z ∈ B
die kanonische“ Gewinnstrategie σz für Spieler I im Spiel Gn (Az ). Dabei gibt die kanonische
”
Gewinnstrategie für Spieler I in einem endlichen Spiel immer die kleinste natürliche Zahl als
nächsten Zug vor, so daß Spieler I danach noch nicht automatisch verloren hat. Formal definieren
wir dazu für 2k − 1 < n:
3.3. E RWEITERUNG DER L ÄNGE DER S PIELE
85
σz (hs0 , . . . , s2k−1 i) :≡ min s2k ∈ ω |
∀s2k+1 ∃s2k+2 . . . ∃/∀sn−1 hs0 , . . . , sn−1 i ∈ Az
.
Dabei sei hs0 , . . . , s2k−1 i :≡ ∅ für k = 0. Da Spieler I nach Voraussetzung eine Gewinnstrategie
in Gn (Az ) besitzt und wir nur endlich viele Quantoren betrachten, sind die Mengen auf der rechten
Seite nicht leer. Da ω wohlgeordnet ist, können wir das kleinste Element wählen. Wir definieren
nun die gewünschte Gewinnstrategie σ für Spieler I im Spiel Gα+n (A), indem wir die Strategie σ̄
mit den Strategien σz kombinieren.
σ(hxγ | γ < βi) :≡ σ̄(hxγ | γ < βi)
für β ∈ Even(α);
a
σ(hxγ | γ < αi hs0 , . . . , s2k−1 i) :≡ σhxγ |γ<αi (hs0 , . . . , s2k−1 i)
für 2k − 1 < n.
Demnach spielt Spieler I zunächst gemäß der Strategie σ̄ bis eine Folge x :≡ hxγ | γ < αi gespielt worden ist. Da diese Strategie eine Gewinnstrategie im Spiel Gα (B) ist, ist die Folge x ein
Element von B. Nach Definition von B besitzt deswegen Spieler I eine Gewinnstrategie im Spiel
Gn (Ax ), gemäß der er ab diesem Moment weiterspielen kann. Da wir eine kanonische Gewinnstrategie σx wählen können, benötigen wir dazu kein weiteres Auswahlprinzip. Da σx ebenfalls eine Gewinnstrategie ist, ist die resultierende, endliche Partie hs0 , . . . , sn−1 i des zweiten Abschnitts
ein Element von Ax . Nach Definition von Ax ist die Gesamtpartie hxγ | γ < αiahs0 , . . . , sn−1 i
also ein Element von A.
I
II
x0
x2
x1
x3
...
...
s0
s1
...
...
sn−2
sn−1
Damit ist σ eine Gewinnstrategie für Spieler I im Spiel Gα+n (A).
Fall 2: Spieler II besitzt eine Gewinnstrategie τ̄ im Spiel Gα (B). Ist z 6∈ B, dann besitzt nach
Definition von B Spieler I im Spiel Gn (Az ) keine Gewinnstrategie. Da aber das Spiel Gn (Az )
determiniert ist, muß demnach Spieler II eine Gewinnstrategie besitzen. Wir wählen wieder die
kanonische“ Gewinnstrategie:
”
τz (hs0 , . . . , s2k i) :≡ min s2k+1 ∈ ω |
∀s2k+2 ∃s2k+3 . . . ∃/∀sn−1 hs0 , . . . , sn−1 i 6∈ Az
.
Analog zum Fall 1 ist diese Gewinnstrategie wohldefiniert. Wir erhalten wieder durch Kombination der Strategie τ̄ mit den Strategien τz die gewünschte Gewinnstrategie für das Spiel Gα+n (A):
τ (hxγ | γ < βi) :≡ τ̄ (hxγ | γ < βi)
τ (hxγ | γ < αiahs0 , . . . , s2k i) :≡ τhxγ |γ<αi (hs0 , . . . , s2k i)
für β ∈ Odd(α);
für 2k < n.
Auch in diesem Fall spielt Spieler II zunächst nach den Strategie τ̄ bis eine Folge x :≡ hxγ |
γ < αi gespielt worden ist. Da τ̄ eine Gewinnstrategie ist, gilt x 6∈ B. Nach dem oben gesagten
besitzt deswegen Spieler II eine Gewinnstrategie in Gn (Ax ) und wir können ohne weiteres Auswahlprinzip die kanonische Gewinnstrategie τx wählen. Damit ist der endliche zweite Abschnitt
hs0 , . . . , sn−1 i kein Element von Ax , also die Gesamtpartie hxγ | γ < αiahs0 , . . . , sn−1 i kein
Element von A.
Da einer der beiden Fälle eintreten muß, ist die Aussage des Lemmas bewiesen.
K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD
86
Bemerkung 3.18: Wie man leicht überprüft, gilt die Aussage des Lemmas nicht nur für Spiele
mit Zügen aus ω, sondern für jedes Spiel über einer wohlgeordneten, abzählbaren Menge. Wir
erhalten als Verallgemeinerung also für ω ≤ α < ω1 und 2 ≤ γ < ω1 :
∀n ∈ ω ADαγ ⇒ ADγα+n .
Für ω ≤ α < ω1 sei Λ(α) der Limesanteil von α gemäß Definition 1.16, d.h. die größte Limesordinalzahl kleiner oder gleich α. Dann gilt nach dem obigen Resultat zusammen mit Satz 3.1
also:
∀ω ≤ α < ω1 ∀2 ≤ γ < ω1 ADγΛ(α) ⇔ ADαγ .
Es reicht also aus, nur Determiniertheitsforderungen der Form ADλγ für abzählbare Limesordinalzahlen λ zu untersuchen.
Betrachten wir noch einmal den Beweis von Satz 3.6. Dieser bezog sich nur auf Spiele der Länge
ω. Der Beweis läßt sich allerdings ohne weiteres auf alle Spiele der Länge λ für abzählbare Limesordinalzahlen λ übertragen. Wir erhalten auch hier als Verallgemeinerung:
∀λ < ω1 ∀2 ≤ γ < ω1 Lim(λ) ⇒ (ADλ ⇔ ADλγ ) .
Zusammen mit dem vorherigen Resultat gilt also:
Korollar 3.19: Es gilt ∀ω ≤ α < ω1 ∀2 ≤ γ < ω1 ADα ⇔ ADαγ .
Λ(α)
Beweis. Es gilt ADαγ ⇔ ADγ
⇔ ADΛ(α) ⇔ ADα .
II. Der Satz von Blass
Wir betrachten nun ein Resultat, das von Andreas Blass veröffentlicht wurde.8 Demnach ist die
Forderung der Determiniertheit aller Spielen der Länge ω 2 mit natürlichen Zügen äquivalent zu
der Forderung der Determiniertheit aller Spielen der Länge ω mit reellen Zügen:
2
Satz 3.20 (Blass): Es gilt ADR ⇔ ADω .
Wir beweisen den Satz von Blass in zwei Schritten.
2
Lemma 3.21: Sei 2 ≤ α < ω1 . Dann gilt ADω·α ⇒ ADαR . Insbesondere gilt ADω ⇒ ADR .
Beweis. Sei A ⊆ Rα . Wir betrachten das Spiel GαR (A). Jeder Zug der Spieler ist eine reelle Zahl,
d.h. eine ω-Folge natürlicher Zahlen. Durch Verkettung können wir demnach jede Partie x ∈ Rα in
diesem Spiel in ein y ∈ ω ω·α überführen. Aus den Gewinnstrategien in einem Spiel Gω·α erhalten
wir dann entsprechende Gewinnstrategien für das Spiel GαR (A). Allerdings können wir nicht die
offensichtliche Übertragung anwenden, indem wir das Spiel GαR (A)
x0
I
II
8
x1
y0
|
y1
{z
α
...
...
}
Vgl. [Bla75], S. 373. Die Aussage des Satzes wurde bereits vorher von Jan Mycielski bewiesen, aber nicht veröffentlicht.
3.3. E RWEITERUNG DER L ÄNGE DER S PIELE
87
in das folgende Spiel mit natürlichen Zügen überführen:
x0 (0)
I
II
x0 (1)
y0 (0)
|
y0 (1)
x1 (0)
...
...
{z
x1 (1)
y1 (0)
y1 (1)
}|
ω
...
...
...
...
{z
}
ω
Zwar können wir für Spieler II aus einer Gewinnstrategie im letzteren Spiel eine für das erstere
konstruieren, denn während Spieler II im Spiel der Länge ω · α nach jedem Zug reagieren muß,
liefert der übersetzte“ Zug von Spieler I aus dem reellen Spiel eine ganze ω-Folge von Zügen.
”
Er wendet dann einfach seine Gewinnstrategie auf jedes einzelne Element dieser Folge an und
antwortet mit der zusammengesetzten reellen Zahl. Dieser Ansatz funktioniert aber nicht für Spieler I. Er muß zu Beginn jeder Runde im ersten Spiel eine ganze ω-Folge von natürlichen Zahlen
angeben, die Strategie im übersetzten Spiel liefert ihm aber jeweils nur eine natürliche Zahl. Wir
benötigen demnach eine andere Übersetzung des reellen Spiels in ein natürliches Spiel der Länge
ω · α. Wir betrachten dazu das folgende, in α Blöcke der Länge ω unterteilte Spiel Gω·α :
x0 (0)
I
II
x0 (1)
∗
|
∗
{z
0
...
...
y1 (0)
}|
ω
0
y1 (1)
{z
ω
...
...
...
...
}
Dabei deuten die ∗ in den geraden Blöcken an, daß die Züge von Spieler II für die Kodierung
keine Relevanz“ haben, d.h. die Züge sind ohne Bedeutung für die Entscheidung, ob Spieler I oder
”
II das Spiel gewinnt. Die 0 in den ungeraden Blöcken deutet an, daß Spieler I dort eine 0 spielen
muß, um zu gewinnen. Dieses Spiel liefert uns die nötigen Informationen, um Gewinnstrategien
für das Spiel über R zu erhalten. Sei 0 :≡ h0, 0, 0, . . .i ∈ R. Wir definieren die Auszahlungsmenge
Ā ⊆ ω ω·α durch:
Ā :≡
(x0 ∗ z0 )a(0 ∗ y0 )a(x1 ∗ z1 )a(0 ∗ y1 )a . . . | x ∗ y ∈ A ∧ z0 , z1 , . . . ∈ R .
|
{z
}
α
Das Spiel Gω·α (Ā) ist nach Voraussetzung determiniert. Wir betrachten die beiden Fälle:
Fall 1: Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie σ̄ in Gω·α (Ā). Wir setzen p∅ :≡ ∅. Für 2β + 2 < α
und s = hx0 , y0 , . . . , xβ , yβ i sei ps ∈ ω ω·(2β+2) definiert durch:
ps :≡ σ̄ ∗ (0ay0 a . . . a0ayβ )
= (hx̄0 , x̄1 , . . .i ∗ 0)a(0 ∗ y0 )a . . .a (hx̄ω·2β , x̄ω·2β+1 , . . .i ∗ 0)a(0 ∗ yβ ).
Dabei seien die x̄γ die Züge von Spieler I gemäß der Strategie σ̄. Dann ist ps die partielle Partie
der ersten 2β + 2 vollständig gespielten Blöcke im Spiel Gω·α (Ā), bei denen Spieler I gemäß
seiner Strategie σ̄ und Spieler II in den geraden Blöcken eine 0 und in den ungeraden Blöcken
die Folgenglieder der y0 , . . . , yβ spielt. Man beachte, daß Spieler I in den ungeraden Blöcken eine
0 spielen muß, da sonst die resultierende Partie nicht in Ā liegen kann. Wir definieren nun die
Strategie σ im Spiel GαR (A). Sei s = hx0 , y0 , . . . , xβ−1 , yβ−1 i für 2β < α. Wir setzen dann:9
9
Dabei sei s = ∅ für β = 0.
K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD
88
σ(s) :≡ hσ̄(ps ), σ̄(ps ahx̄ω·2β , 0i), σ̄(ps ahx̄ω·2β , 0, x̄ω·2β+1 , 0i), . . .i
= hx̄ω·2β , x̄ω·2β+1 , x̄ω·2β+2 , . . .i ∈ R.
Die Elemente der ω-Folge σ(s) sind also die Züge von Spieler I in dem auf ps folgenden Block,
wobei Spieler II in diesem Block nur 0 spielt. Sei nun y eine Partie von Spieler II im Spiel GαR (A).
Da σ̄ eine Gewinnstrategie im Spiel Gω·α (Ā) ist, gilt ∀ȳ ∈ ω ω·α σ̄ ∗ ȳ ∈ Ā , insbesondere auch:
σ̄ ∗ (0ay0 a0ay1 a . . .) ∈ Ā
⇒ (hx̄0 , x̄1 , . . .i ∗ 0)a(0 ∗ y0 )a(hx̄ω·2 , x̄ω·2+1 , . . .i ∗ 0)a . . . ∈ Ā
⇒ hhx̄0 , x̄1 , . . .i, hx̄ω·2 , x̄ω·2+1 , . . .i, . . .i ∗ y ∈ A nach Def. von Ā
⇒ hσ(∅), σ(hx0 , y0 i), . . .i ∗ y ∈ A
⇒ σ ∗ y ∈ A.
Fall 2: Spieler II besitzt eine Gewinnstrategie τ̄ in Gω·α (Ā). Für s = hx0 i sei ps ∈ ω ω definiert
durch:
ps :≡ x0 ∗ τ̄ = x0 ∗ hȳ0 , ȳ1 , . . .i.
Für 2β + 1 < α und s = hx0 , y0 , . . . , xβ i sei ps ∈ ω ω·(2β+1) wie folgt definiert:
ps :≡ (x0 a0a . . . a0axβ ) ∗ τ̄
= (x0 ∗ hȳ0 , ȳ1 , . . .i)a(0 ∗ hȳω , ȳω+1 , . . .i)a . . .a (xβ ∗ hȳω·2β , ȳω·2β+1 , . . .i).
Dabei seien die ȳγ die Züge von Spieler II gemäß der Strategie τ̄ . ps ist also die partielle Partie
der ersten 2β + 1 vollständig gespielten Blöcke im Spiel Gω·α (Ā), bei denen Spieler I in den
geraden Blöcken die Folgenglieder der x0 , . . . , xβ und in den ungeraden stets 0 spielt. Spieler II
antwortet dabei gemäß seiner Gewinnstrategie τ̄ . Wir definieren nun die Strategie τ im Spiel G.
Sei s = hx0 , y0 , . . . , xβ i für 2β + 1 < α. Wir setzen dann:
τ (s) :≡ hτ̄ (ps ah0i), τ̄ (ps ah0, ȳω·(2β+1) , 0i), τ̄ (ps ah0, ȳω·(2β+1) , 0, ȳω·(2β+1)+1 , 0i), . . .i
= hȳω·(2β+1) , ȳω·(2β+1)+1 , ȳω·(2β+1)+2 , . . .i ∈ R.
Die Elemente der ω-Folge τ (s) sind also die Züge von Spieler II in dem auf ps folgenden Block,
wobei Spieler I in diesem Block nur 0 spielt. Sei nun x eine Partie von Spieler I im Spiel GαR (A).
Da τ̄ eine Gewinnstrategie ist, gilt ∀x̄ ∈ ω (ω·α) x̄ ∗ τ̄ 6∈ Ā , insbesondere:
(x0 a0ax1 a0a . . .) ∗ τ̄ 6∈ Ā
⇒ (x0 ∗ hȳ0 , ȳ1 , . . .i)a(0 ∗ hȳω , ȳω+1 , . . .i)a(x1 ∗ hȳω·2 , ȳω·2+1 , . . .i) . . . 6∈ Ā
⇒ hx0 , x1 , . . .i ∗ hhȳω , ȳω+1 , . . .i, hȳω·3 , ȳω·3+1 , . . .i, . . .i 6∈ A nach Def. von Ā
⇒ x ∗ hτ (hx0 i), τ (hx0 , y0 , x1 i), . . .i 6∈ A
⇒ x ∗ τ 6∈ A.
Also ist GR (A) determiniert.
Der entscheidende Teil des Satzes von Blass ist die Rückrichtung. Dieser Teil läßt sich nicht unmittelbar durch eine Übersetzung der Spiele der Länge ω 2 in Spiele über R zeigen, denn während in
3.3. E RWEITERUNG DER L ÄNGE DER S PIELE
89
den ersteren Spielen abwechselnd natürliche Zahlen gespielt werden, werden in den Spielen über
R jeweils ganze ω-Folgen von natürlichen Zahlen gespielt. Bei einer elementaren“ Übersetzung,
”
wie wir sie bisher immer anwenden konnten, müßte demnach einer der Spieler die Züge des anderen vorhersehen“ und sich vorab auf eine lokale Strategie in bestimmten Teilen des Spiels festle”
gen. Der Beweis bedarf demnach einer weitergehenden Argumentation. Als Grundlage diente der
ursprüngliche Artikel von Blass [Bla75] und die Darstellung in [And], Theorem 10.5.
2
Satz 3.22: Es gilt ADR ⇒ ADω .
2
2
Beweis. Sei A ⊆ ω ω . Wir wollen die Determiniertheit des Spiels G :≡ Gω (A) zeigen. Wir
können G wieder in ω Blöcke der Länge ω unterteilen:
Spiel G:
s0
I
II
s1
t0
|
t1
sω
...
...
{z
Block 0
sω+1
tω
}|
Wir definieren nun das folgende Hilfsspiel G∗ der Länge ω:
Spiel G∗ :
I
II
σ0
tω+1
{z
Block 1
σ1
y0
...
...
y1
...
...
}
...
...
Dabei sei für n ∈ ω jedes σn eine Strategie von Spieler I in einem Spiel der Länge ω mit Zügen
S
aus ω, d.h. eine Funktion σn : m∈ω ω 2m → ω und yn ∈ R. Spieler I gewinnt das Spiel G∗ genau
dann, wenn:
[
(σ0 ∗ y0 )a . . . a(σm ∗ ym ) ∈ A.
m∈ω
Das Spiel G∗ ist im wesentlichen wie das Spiel G, nur daß sich Spieler I zu Beginn des n-ten
Blocks auf die lokale Strategie σn im diesem Block festlegen muß, ohne daß er aber tatsächlich
Züge macht. Spieler II gibt durch eine reelle Zahl seine Partie im diesem Block an. Die tatsächlichen Züge von Spieler I im n-ten Block sind dann durch seine Strategie σn und den Zug yn von
Spieler II eindeutig festgelegt. Das Spiel G∗ verlangt mehr von Spieler I, denn er muß sich vorab auf die Strategie, die er in einem Block verfolgen wird, festlegen und diese seinem Gegenüber
mitteilen. Er kann also nicht mehr auf die einzelnen Züge von Spieler II in diesem Block reagieren.
Da wir nun die Strategien σn durch reelle Zahlen kodieren können, ist das Spiel G∗ nach Voraussetzung determiniert. Sei dazu ΣI die in Bemerkung 2.14 angegeben Kodierung der Strategien von
Spieler I in einem Spiel über ω durch reelle Zahlen. Wir definieren nun:
[
Z :≡ z ∈ Rω |
(ΣI (z0 ) ∗ z1 )a . . . a(ΣI (z2m ) ∗ z2m+1 ) ∈ A .
m∈ω
Dann ist GR (Z) äquivalent zu G∗ , also ist G∗ determiniert.
Aufgrund dieser zusätzlichen Anforderung an Spieler I im Spiel G∗ erhalten wir:
Beh. 1: Besitzt Spieler I eine Gewinnstrategie in G∗ , dann besitzt er auch eine Gewinnstrategie in
G.
K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD
90
Beweis. Wenn Spieler I durch seine vorab festgelegten, lokalen Strategien zu Beginn eines neuen
Blocks unabhängig von den Zügen von Spieler II im jeweiligen Block die Gesamtpartie von G
für sich entscheiden kann, dann hat er offensichtlich auch eine globale Strategie für G. Sei also
σ ∗ eine Gewinnstrategie von Spieler I im Spiel G∗ . Wir definieren durch Induktion über m ∈ ω
eine Strategie σ im Spiel G. Sei das Spiel G bereits bis zum Beginn des m-ten Blocks vollständig
gespielt und die bis dahin gespielte Partie p ∈ ω ω·m gemäß der Strategie σ. Dann ist also p gegeben
durch:
p = (hsn | n ∈ ωi ∗ htn | n ∈ ωi)a . . . a(hsω·(m−1)+n | n ∈ ωi ∗ htω·(m−1)+n | n ∈ ωi).
Wir definieren dann die partielle Partie der Länge m von Spieler II im Spiel G∗ durch:
π(p) :≡ hhtn | n ∈ ωi, . . . , htω·(m−1)+n | n ∈ ωii ∈ Rm .
π(p)(k) sind also die zu einer ω-Folge zusammengefaßten Züge von Spieler II im k-ten Block aus
dem Spiel G. Sei nun:
σm :≡ σ ∗ (hσ0 , π(p)(0), . . . , σm−1 , π(p)(m − 1)i).
σk ist also der k-te Zug von Spieler I im Spiel G∗ gemäß seiner Gewinnstrategie σ ∗ in Antwort auf
die übertragenen Züge von Spieler II. σm ist daher selbst eine lokale Strategie für den m-ten Block
in G. Wir definieren dann die Strategie σ in G durch das Zusammensetzen der lokalen Strategien
σm :
σ(p) :≡ σm (∅);
σ(pahz0 , . . . , z2k+1 i) :≡ σm (hz0 , . . . , z2k+1 i).
S
Durch die Induktion ist σ : β∈Even(ω2 ) ω β → ω vollständig definiert. Insbesondere gilt für
p ∈ ω ω·(m+1) :
σ ∗ p = (σ0 ∗ π(p)(0))a . . . a(σm ∗ π(p)(m)).
2
Ist nun y ∈ ω ω , dann sei:
π(y) :≡
[
π(yω · m) ∈ Rω .
m∈ω
Dann gilt insbesondere:
σ∗y =
[
m∈ω
(σ0 ∗ π(y)(0))a . . . a(σm ∗ π(y)(m)) .
Da σ ∗ eine Gewinnstrategie für Spieler I im Spiel G∗ ist, gilt also σ ∗ y ∈ A, d.h. σ ist eine
(1)
Gewinnstrategie in G.
Der entscheidende Teil des Beweises ist es, das Analogon der Behauptung für Spieler II zu zeigen.
Das Problem besteht darin, daß eine Gewinnstrategie τ ∗ von Spieler II im Spiel G∗ nicht ohne
weiteres zu einer Gewinnstrategie in G führt: während Spieler I im Spiel G∗ bereits vorab seine
Strategie für den nächsten Block festlegt, gibt er im Spiel G nur eine natürliche Zahl vor. Wir
brauchen hierfür einen raffinierteren“ Ansatz. Dazu definieren wir eine Menge P von Positionen
”
im Spiel G unmittelbar vor Beginn eines neuen Blocks, so daß die Positionen kompatibel zur
3.3. E RWEITERUNG DER L ÄNGE DER S PIELE
91
Strategie τ ∗ im Spiel G∗ sind. Die Länge einer partiellen Partie in P ist also ω · k mit k ∈ ω.
Wir werden zeigen: ist eine Gesamtpartie in G gegeben, so daß die Partie immer zu Beginn eines
neuen Blocks in P liegt, dann ist diese Partie ein Gewinn für Spieler II. Andererseits können wir
Hilfsspiele für jeden Block angeben, so daß Spieler II sicherstellen kann, daß die Partie zu Beginn
des nächsten Blocks stets in P bleibt. Die Strategien dieser Hilfsspiele zusammengesetzt ergeben
dann eine Gewinnstrategie für Spieler II im Spiel G.
Sei also τ ∗ eine Gewinnstrategie von Spieler II im Spiel G∗ . Für eine partielle Partie u = hσ0 , y0 ,
. . . , σm−1 , ym−1 i im Spiel G∗ gemäß τ ∗ definieren wir:
π̃(u) :≡ (σ0 ∗ y0 )a . . . a(σm−1 ∗ ym−1 ).
Dann ist π̃(u) ∈ ω ω·m eine Position im Spiel G unmittelbar vor Beginn des m-ten Blocks. Wir
nennen eine Position p im Spiel G mit len(p) = ω · m kompatibel zu τ ∗ , falls es eine Position u
S
im Spiel G∗ gemäß τ ∗ und len(u) = 2m gibt, so daß p = π̃(u) gilt. Sei P ⊆ m∈ω ω ω·m die
Menge aller Positionen in G, die kompatibel zu τ ∗ sind. Aufgrund der Definition gilt:
(i) ∅ ∈ P ;
(ii) Ist p ∈ P mit len(p) = ω · m, dann gilt ∀k < m pω · k ∈ P ;
(iii) ∀p ∈ P ∃q ∈ P p ⊆ q ∧ p 6= q .
Ist p ∈ P , dann gibt es unter Umständen verschiedene Partien u und v im Spiel G∗ , so daß
p = π̃(u) = π̃(v) gilt.10 Wir wollen daher eine Funktion µ definieren, die jedem p ∈ P eine
partielle Partie µ(p) im Spiel G∗ gemäß τ ∗ zuordnet, so daß p = π̃(µ(p)) gilt. Wir definieren µ
induktiv über die Länge der Elemente von P . Sei µ(∅) :≡ ∅. Sei nun p ∈ P mit len(p) = ω · m
und µ(p) = hσ0 , y0 , . . . , σm−1 , ym−1 i bereits definiert. Sei weiter q ∈ P mit p ⊆ q und len(q) =
ω · (m + 1). Aufgrund der oben angegeben Kodierung von Strategien durch reelle Zahlen können
wir für die folgende Menge definieren:
Sp,q :≡ {x ∈ R | y = τ ∗ (µ(p)ahΣI (x)i) ∧ q = pa(ΣI (x) ∗ y)}.
Da q ∈ P ist, ist Sp,q 6= ∅. Daher ist {Sp,q | p ∈ P ∧ q ∈ P ∧ p ⊆ q ∧ len(q) = len(p) + ω}
eine Familie nicht-leerer Teilmengen von R. Da |P | ≤ |R| gilt und nach Lemma 3.4 ACR (R)
eine Folgerung von ADR ist, können wir für jedes derartige p und q ein Element xp,q aus Sp,q
auswählen, so daß also für die Strategie σp,q :≡ Σ(xp,q ) und für yp,q :≡ τ ∗ (µ(p)ahσp,q i) gilt:
q = pa(σp,q ∗ yp,q ).
Wir definieren dann µ(q) :≡ µ(p)ahσp,q , yp,q i. Dann ist len(µ(q)) = len(µ(p)) + 2 und aufgrund
der Konstruktion gilt:
(iv) dom(µ) = P ;
(v) Ist p ∈ P mit len(p) = ω · m, dann ist len(µ(p)) = 2m;
(vi) Ist p ∈ P , dann ist µ(p) ist ein partielle Partie im Spiel G∗ gemäß τ ∗ ;
(vii) ∀p ∈ P p = π̃(µ(p)) ;
10
Die Partien u und v müssen natürlich die gleiche Länge haben. Aber z.B. können σ0 und σ00 verschiedene, erste
Züge von Spieler I sein und trotzdem gilt σ0 ∗ y0 = σ00 ∗ y00 , wobei y0 bzw. y00 die Antworten von Spieler II gemäß
der Strategie τ ∗ sind.
92
K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD
(viii) ∀p, q ∈ P p ⊆ q ⇒ µ(p) ⊆ µ(q) .
2
Sei nun g ∈ ω ω eine Partie im Spiel G mit der Eigenschaft, daß alle Anfangsstücke von g der
Länge ω · m in P liegen, d.h. es gilt ∀m ∈ ω gω · m ∈ P . Wegen (viii) können wir das
Supremum der Funktion µ bilden:
[
[
g ∗ :≡
µ(gω · m) =
hσ0 , y0 , . . . , σm , ym i.
m∈ω
m∈ω
Wegen (v) gilt g ∗ ∈ Rω . Wegen der zusätzlichen Eigenschaft von g ist daher g ∗ eine Partie im
Spiel G∗ gemäß τ ∗ . Wegen (vii) gilt:
[
(σ0 ∗ y0 )a . . . a(σm ∗ ym ) .
g=
m∈ω
Da τ ∗ eine Gewinnstrategie für Spieler II im Spiel G∗ ist, gilt also nach den Gewinnregeln für
dieses Spiel: g 6∈ A, d.h. Spieler II gewinnt das Spiel G. Aus diesem Grund genügt es also, eine
Strategie τ für Spieler II in G zu konstruieren, so daß für jede Partie g gemäß τ gilt: ∀m ∈
ω gω · m ∈ P . Um dies zu erreichen, betrachten wir geeignete Hilfsspiele über ω für jeden
Block im Spiel G.
Beh. 2: Für jedes p ∈ P existiert eine Gewinnstrategie ξ für Spieler II in einem Spiel der Länge
ω mit Zügen aus ω, so daß gilt:
∀x ∈ R pa(x ∗ ξ) ∈ P .
Beweis. Sei p ∈ P . Wir definieren dann:
Bp :≡ z ∈ R | paz 6∈ P ⊆ R.
Nach Voraussetzung gilt ADR und nach Satz 3.1 damit auch AD. Daher ist das Spiel G(Bp )
determiniert. Angenommen nun, Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie σ in diesem Spiel. Dann
gilt:
∀y ∈ R pa(σ ∗ y) 6∈ P .
(∗)
Wegen p ∈ P ist µ(p) definiert und wegen (vi) ist µ(p) eine partielle Partie in G∗ gemäß τ ∗ . Sei
ỹ :≡ τ ∗ (µ(p)ahσi) ∈ R. Dann ist q ∗ = µ(p)ahσ, ỹi ebenfalls eine Partie im Spiel G∗ gemäß τ ∗
und daher π̃(q ∗ ) = pa(σ ∗ ỹ) eine zu τ ∗ kompatible Position in G. Nach Definition von P gilt
daher:
pa(σ ∗ ỹ) ∈ P.
Widerspruch zu (∗). Also kann σ keine Gewinnstrategie für Spieler I sein. Wegen der Determiniert(2)
heit besitzt also Spieler II eine Gewinnstrategie ξ in G(Bp ). Daraus folgt die Behauptung.
Die Gewinnstrategien ξ aus Behauptung (2) können wie wieder als reelle Zahl kodieren. Sei dazu ΣII die in Bemerkung 2.14 angegebene Kodierung der Strategien von Spieler II durch reelle
Zahlen. Wir definieren für jedes p ∈ P :
Sp :≡ {y ∈ R | ∀x ∈ R pa(x ∗ ΣII (y)) ∈ P }.
3.3. E RWEITERUNG DER L ÄNGE DER S PIELE
93
Nach Behauptung (2) ist dann {Sp | p ∈ P } eine Familie nicht-leerer Teilmengen von R. Wegen
|P | ≤ |R| und ACR (R) können wir also für jedes p ∈ P eine entsprechende Gewinnstrategie ξp
für Spieler II aus Sp auswählen. Wir erhalten damit für jeden einzelnen der ω Blöcke im Spiel G
eine lokale Strategie für Spieler II, durch die folgendes gewährleistet ist: ist p die Position bis zum
Anfang des m-ten Blocks und spielt Spieler II in diesem Block gemäß der Strategie ξp , dann ist
für jede Zugfolge xm ∈ R von Spieler I in diesem Block die resultierende Position pa(xm ∗ ξp )
wieder ein Element von P . Zu Beginn des m + 1-ten Blocks ist die partielle Partie also wieder
ein Element von P , unabhängig davon, was Spieler I im letzten Block gespielt hat. Da aber bereits
∅ ∈ P ist, kann Spieler II durch Anwendung der ξp sukzessive sicherstellen, daß die gesamte Partie
durch P läuft. Wir fassen nun alle einzelnen Strategien für die ω Blöcke zu einer Gesamtstrategie
τ zusammen. Wir definieren:
(
ξp (hz0 , . . . , z2k i) , falls ∃p ∈ P ∃k ∈ ω s = pahz0 , . . . , z2k i
τ (s) :≡
0
, sonst.
S
Dann ist τ : β∈Odd(ω2 ) ω β → ω eine Strategie für Spieler II im Spiel G. Wegen ∅ ∈ P und
der Wahl der ξp erfüllt τ die gewünschte Eigenschaft, daß für jede Partie g im Spiel G gemäß
τ gilt: ∀m ∈ ω gω · m ∈ P . Nach der obigen Bemerkung ist daher g 6∈ A und τ ist eine
Gewinnstrategie für Spieler II im Spiel G. Damit ist der Satz bewiesen.
Bemerkung 3.23: Der Beweis des Satzes läßt sich ohne Mühe auf Spiele über R der Länge λ <
ω1 mit Lim(λ) übertragen. Die Länge des Spiels muß eine Limes sein, damit die Konstruktion
der Menge P aller kompatiblen Positionen tatsächlich das gesamte Spiel G(A) für A ⊆ ω ω·λ
erschöpft. Wir erhalten also als Verallgemeinerung des Satzes von Blass:
∀λ < ω1 Lim(λ) ⇒ (ADω·λ ⇔ ADλR ) .
III. Äquivalenzen von äbzahlbar-langen Spielen über abzählbaren Ordinalzahlen
Wie in dem Beweis von Lemma 3.17 bereits angedeutet wurde, können wir dort angegebene Konstruktion durch eine Verlängerung der Spiele um endlich viele Züge durch unendliche Verlängerungen der Spiele erweitern, falls wir zusätzlich ein entsprechend starkes Auswahlprinzip voraussetzen:
Lemma 3.24: Sei ω ≤ α < ω1 . Dann gilt:
ACR (R) + ADα ⇒ ADα+ω .
Beweis. Der Beweis verläuft ähnlich wie der des Lemmas 3.17. Angenommen, es gilt ACR (R) +
ADα mit 2 ≤ α < ω1 . O.E. sei wieder α eine gerade Ordinalzahl. Sei A ⊆ ω α+ω . Wir möchten
zeigen, daß das Spiel Gα+ω (A) determiniert ist. Wir unterteilen dieses Spiel wieder in zwei Abschnitte: einen Abschnitt der Länge α, gefolgt von einem Abschnitt der Länge ω.
x0
I
II
x2
x1
|
x3
{z
α
...
...
xα
xα+2
xα+1
}|
xα+3
{z
ω
...
...
}
K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD
94
Für jedes z ∈ ω α definieren wir:
Az :≡ {y ∈ R | z ay ∈ A} ⊆ R.
Da α ≥ ω folgt nach Satz 3.1 aus ADα auch AD. Die Spiele G(Az ) sind demnach für jedes
z ∈ ω α determiniert. Wir definieren weiter:
B :≡ {z ∈ ω α | Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie im Spiel G(Az )} ⊆ ω α .
Das Spiel Gα (B) ist nach Voraussetzung ebenfalls determiniert. Wir unterscheiden die beiden
Fälle:
Fall 1: Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie σ̄ in Gα (B). Nach Definition von B besitzt Spieler I
für jedes z ∈ B eine Gewinnstrategie im Spiel G(Az ). Eine Gewinnstrategie in diesem Spiel ist
eine Funktion σ : ω <ω → ω und kann nach Lemma 2.13 durch eine reelle Zahl kodiert werden.
Wir können also die Menge der Gewinnstrategien für Spieler I im Spiel G(Az ) als eine nichtleere Teilmenge von R auffassen. Andererseits ist α eine abzählbare Ordinalzahl, also existiert
eine Bijektion ω ↔ α und damit auch eine Bijektion R ↔ ω α . Wir können also auch jedes
z ∈ B durch eine reelle Zahl kodieren. Wegen ACR (R) können wir demnach für jedes z ∈ B
eine konkrete Gewinnstrategie σz für Spieler I auswählen. Wir konstruieren nun die gewünschte
Gewinnstrategie σ für Spieler I im Spiel Gα+ω (A) durch Kombination der Strategie σ̄ mit den
Strategien σz :
σ(hxγ | γ < βi) :≡ σ̄(hxγ | γ < βi)
für β ∈ Even(α);
a
für z ∈ B;
a
für z 6∈ B.
σ(z hs0 , . . . , s2k−1 i) :≡ σz (hs0 , . . . , s2k−1 i)
σ(z hs0 , . . . , s2k−1 i) :≡ 0
Analog zum Beweis von Lemma 3.17 zeigt man, daß σ tatsächlich eine Gewinnstrategie für Spieler I im Spiel Gα+ω (A) ist.
Fall 2: Spieler II besitzt eine Gewinnstrategie τ̄ in Gα (B). Diesen Fall behandelt man analog.
Dabei benutzt man wie oben ACR (R), um für jedes z 6∈ B eine konkrete Gewinnstrategie τz für
Spieler II im Spiel G(Az ) auswählen zu können.
Da einer der beiden Fälle eintreten muß, haben wir die Determiniertheit von Gα+ω (A) gezeigt.
Lemma 3.25: Sei ω · 2 ≤ α < ω1 . Dann gilt ADα ⇒ ACR (R) + AD.
Beweis. Angenommen, es gilt ADα für ein ω · 2 ≤ α < ω1 . Nach Satz 3.1 gilt damit auch AD.
Andererseits gilt:
ADα ⇒ ADω·2
nach Satz 3.1
⇒ AD2R
nach Lemma 3.21
⇒ ACR (R)
nach Lemma 3.4.
Korollar 3.26: Sei ω · 2 ≤ α < ω 2 . Dann gilt ACR (R) + AD ⇔ ADα .
3.3. E RWEITERUNG DER L ÄNGE DER S PIELE
95
Beweis. ⇒“: Durch Induktion zeigt man mit Hilfe von Lemma 3.24, daß für alle n ∈ ω mit
”
n ≥ 1 gilt: ACR (R) + AD ⇒ ADω·n . Sei nun ω ≤ α < ω 2 und es gelte ACR (R) + AD.
Dann hat α nach Lemma 1.15 eine eindeutige Darstellung durch α = ω · n + m mit n, m ∈ ω und
n ≥ 1. Also gilt ADω·n und nach Lemma 3.17 damit auch ADω·n+m = ADα .
⇐“: Diese Richtung folgt unmittelbar aus dem letzten Lemma.
”
Ein bisher unveröffentlichtes und sehr bedeutendes Resultat von Hugh Woodin besagt, daß unter
ZF + DC die folgende Äquivalenz gilt:11
Satz 3.27 (Woodin): [DC] Es gilt ADR ⇔ ACR (R) + AD.
Zusammen mit Korollar 3.26 erhalten wir also:
Korollar 3.28: [DC] Sei ω · 2 ≤ α < ω 2 . Dann gilt ADα ⇔ ADR .
Die von Woodin bewiesene Äquivalenz hat noch eine andere, sehr interessante Implikation:
Korollar 3.29: [AD + DC] Es gilt ADR ⇔ AD2R .
Beweis. Nach Satz 3.1 gilt ohne weitere Voraussetzung ADR ⇒ AD2R . Für die Rückrichtung
nehmen wir nun an, daß AD2R gilt. Nach Lemma 3.4 gilt dann auch ACR (R), zusammen mit der
Voraussetzung folgt also nach Satz 3.27 schon ADR .
Dieses Ergebnis ist insofern erstaunlich, daß in der Theorie ZF + AD + DC die Determiniertheit
endlicher Spiele über R bereits die Determiniertheit der unendlichen reellen Spiele impliziert. Andererseits sind endliche Spiele nach Lemma 2.19 bereits quasi-determiniert, d.h. einer der Spieler
besitzt eine Quasi-Gewinnstrategie, die ihm zu jedem Zeitpunkt eine nicht-leere Menge von Zügen
liefert, die jeweils zu einem Gewinn führen. Man erkennt dabei wieder den subtilen Charakter
von Determiniertheit als eine Art Auswahlprinzip: können wir unter AD + DC stets die QuasiGewinnstrategie eines Spiels der Länge 2 mit reellen Zügen zu einer Gewinnstrategie ausdünnen,
so erhalten wir schon die Determiniertheit aller Spiele der Länge ω mit reellen Zügen!
Die Äquivalenz von ADα und ADR in Korollar 3.28 gilt auch für ω 2 ≤ α < ω1 . Allerdings
können wir diese wohl nicht mit den bisher betrachteten Mitteln beweisen. Durch sukzessive An2
wendung von Lemma 3.24 erhalten wir zwar ADR ⇒ ADω ⇒ ADα für alle ω 2 ≤ α < ω 2 · 2,
aber damit ist auch schon die Grenze dieser Methode erreicht. Ein bisher unveröffentlichtes Resultat von Donald Martin, das unabhängig von ihm auch von Hugh Woodin gezeigt wurde, vervollständigt die Lücke für alle ω 2 ≤ α < ω1 . Demnach ist die Forderung der Determiniertheit
aller Spiele mit beliebiger abzählbarer Länge größer als ω 2 äquivalent zu derjenigen aller Spiele
mit der Länge ω 2 :
2
Satz 3.30 (Martin-Woodin): Für alle ω 2 ≤ α < ω1 gilt ADω ⇒ ADα .
Zusammen mit dem Resultat von Blass erhalten wir unmittelbar:
Korollar 3.31: Für alle ω 2 ≤ α < ω1 gilt ADα ⇔ ADR .
11
Vgl. [Kan97], Theorem 32.23. Siehe auch Satz 4.21.
K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD
96
2
Wir erhalten also keine stärkeren Determiniertheitsaxiome als ADω , wenn wir Spiele mit einer
größeren abzählbaren Länge betrachten. Dieses Resultat ist in der Tat sehr überraschend und ähnlich wie der Satz von Woodin 3.27 besitzt dieses Ergebnis weitreichende Konsequenzen. Solovay
3
hatte zunächst die Vermutung aufgestellt, daß ADω eine echt stärkere Annahme als ADR zusammen mit der Regularität von Θ sei.12 Der Satz von Martin und Woodin impliziert aber, daß
3
diese Vermutung falsch ist: ADω ist demnach äquivalent zu ADR , die Theorie ZF + ADR kann
aber keine Konfinalität von Θ fixieren, denn die folgenden Theorien bilden eine bezüglich der
Konsistenzstärke echt aufsteigende Liste:
ZF + ADR + cof(Θ) = ω
ZF + ADR + cof(Θ) = ω1
..
.
ZF + ADR + Θ ist regulär.
Dabei folgt die Konsistenz einer der genannten Theorien durch die Theorie unter ihr. Vgl. dazu
Satz 4.47.
Verbinden wir dies mit der Verallgemeinerung des Satzes von Blass (vgl. Bemerkung 3.23), so
sind die Determiniertheitsforderungen für Spiele über R der Länge λ für eine abzählbare Limesordinalzahl λ schon durch ADR abgedeckt:
Korollar 3.32: Für alle λ < ω1 mit Lim(λ) gilt ADR ⇔ ADλR .
Beweis. Es gilt ADλR ⇔ ADω·λ ⇔ ADR .
Wir erhalten das in Abbildung 3.1 dargestellte Bild für natürliche Spiele der Länge ω ≤ α < ω1
in der Theorie ZF und in der Theorie ZF + DC. Nach Korollar 3.19 sind ADα und ADαγ äquiIn der Theorie ZF:
[
AD
)[
ACR (R) + AD
ω·2
ω
ADR
)[
ω2
)
ω1
In der Theorie ZF + DC:
[
ω
AD
)[
ADR
ω·2
)
ω1
Abb. 3.1: Äquivalenzen von langen Spielen
valent für alle unendlichen, abzählbaren α und alle γ mit 2 ≤ γ < ω1 . Nach Lemma 2.19 sind alle
endlichen Spiele über γ quasi-determiniert. Da γ eine Ordinalzahl und damit wohlgeordnet ist,
sind die Spiele nach Lemma 2.17 bereits determiniert. Wir erhalten also zusammen in der Theorie
12
Vgl. [Sol78], Paragraph 6, 3.
3.3. E RWEITERUNG DER L ÄNGE DER S PIELE
97
Komplexität
alle Mengen sind determiniert
ω1
AD
es existieren nicht-determinierte Mengen
ZF + DC das in Abbildung 3.2 dargestellte Bild von Äquivalenzen für Determiniertheitsforderungen von Spielen der Länge 2 ≤ α < ω1 mit Zügen aus 2 ≤ γ < ω1 . Ohne DC müssen wir
noch einen senkrechten Streifen für Spiele der Länge ω·2 ≤ α < ω 2 einfügen, die dann äquivalent
zu ACR (R) + AD sind.
ADR
2
2
ω
ω·2
Länge
ω1
Abb. 3.2: Äquivalenzen von Spielen mit Zügen aus Ordinalzahlen in ZF + DC
98
K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD
Kapitel 4
Konstruktible Modelle der Determiniertheit
4.1
Konstruktible Modelle von AD und ADR
Mycielski stellte 1964 die Frage nach einem inneren Modell für ZF + AD:
We can only hope that some submodels of the natural models of [ZF] are models of
”
the new theory, i.e. a subclass of the class of all sets with the same membership relation. It would be still more pleasant if such a submodel contains all the real numbers
of the natural model.“ 1
Da AD dem Auswahlaxiom widerspricht, kann kein inneres Modell von ZF + AD ein Modell
von AC sein. Da aber für jede Menge A das konstruktible Modell L[A] stets ein Modell von AC
ist, kann ein konstruktibles Modell von AD, wenn überhaupt, nur der konstruktible Abschluß
bestimmter Mengen, d.h. von der Form L(X) bzw. L(X)[A] sein.2
Solovay bemerkte, daß das Modell L(R) – d.h. das kleinste innere ZF-Modell, das alle Ordinalzahlen und jede reelle Zahl aus V enthält – die kanonische“ Möglichkeit für ein Modell von
”
ZF+AD darstellt. Er vermutete, daß ADL(R) relativ zu einem Große-Kardinalzahl-Axiom gelten
müßte.3
Aber erst im Jahre 1985 konnten Hugh Woodin zeigen, daß unter der Voraussetzung einer geeigneten Hypothese über die Existenz Großer Kardinalzahlen L(R) tatsächlich ein Modell von AD
ist. Siehe dazu Satz 4.11 und Satz 4.12.
Nehmen wir allerdings an, daß AD bereits im Universum gilt, dann läßt sich – im Gegensatz zu
dem genannten Resultat von Woodin – relativ einfach zeigen, daß L(R) ein Modell des Axiom
der Determiniertheit ist. Dieses Resultat werden wir in diesem Abschnitt herleiten. Durch eine
entsprechende Erweiterung des Beweises zeigen wir das Analogon für das Axiom der reellen
Determiniertheit: gilt ADR im Universum, dann ist L(℘(R)) ein Modell von ADR .
Zunächst beweisen wir also:
Satz 4.1: Wenn AD im Universum gilt, dann auch im Modell L(R):
AD ⇒ L(R) |= AD.
1
Jan Mycielski [Myc64], S. 205.
Vgl. dazu Abschnitt 1.6.
3
Vgl. [Sol69], S. 60. Tatsächlich vermutet er dort, daß, falls eine superkompakte Kardinalzahl existiert, jede Teilmenge von R die Perfekte-Mengen-Eigenschaft besitzen sollte, d.h. daß PSP gilt.
2
99
100
K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT
Beweis. Angenommen, es gilt AD. Sei A ⊆ RL(R) gegeben. Dann ist insbesondere auch A ⊆
RV . Da nach Voraussetzung AD gilt, existiert für einen der beiden Spieler in V eine Gewinnstrategie σ im Spiel G(A). Nach Lemma 2.13 können wir σ durch eine reelle Zahl σ̄ elementar
kodieren. Da R ⊆ L(R) gilt, ist die kodierten Strategie ein Elemente von L(R):
σ̄ ∈ L(R).
Außerdem ist aufgrund der Elementarität der Definition die Funktion Φ0 ein Element von L(R),
wir können also die Information der Strategie innerhalb von L(R) wieder dekodieren. Es bleibt
zu zeigen, daß die Eigenschaft einer Strategie, eine Gewinnstrategie in einem Spiel G(A) mit
A ∈ L(R) zu sein, absolut für L(R) ist. Seien ϕI und ϕII die in Definition 2.12 angegebenen
Formalisierungen von Gewinnstrategien. Dann gilt:
Beh. 1: Die Formel ϕI (ω, A, σ̄ ◦ Φ0 ) ist L(R)-absolut, d.h. es gilt:
L(R)
ϕI (ω, A, σ̄ ◦ Φ0 )
⇔ ϕI (ω, A, σ̄ ◦ Φ0 ) .
∀A ∈ L(R) ∀σ̄ ∈ L(R)
Entsprechendes gilt für ϕII (ω, A, σ̄ ◦ Φ0 ).
Beweis. Die Behauptung folgt unmittelbar aus der Definition von ϕI und ϕII . Dabei wird die
Tatsache benutzt, daß R ∩ L(R) = R sowie ω = ω L(R) ∈ L(R) gilt.
(1)
Aus der Behauptung folgt, daß σ̄ ◦ Φ0 eine Gewinnstrategie im Model L(R) ist, wenn σ eine
Gewinnstrategie im Universum ist. Damit gilt also:
AD ⇒ ADL(R) .
Wir erhalten durch die Übertragung des Beweises auf Spiele über reellen Zahlen die entsprechende
Aussage:
Satz 4.2: Wenn ADR im Universum gilt, dann auch im Modell L(℘(R)):
ADR ⇒ L(℘(R)) |= ADR .
Beweis. Der Beweis verläuft analog zu dem Beweis des letzten Satzes. Angenommen, es gilt
L(℘(R))
ADR . Sei A ⊆ Rω
gegeben. Wir wollen zeigen, daß die Menge A in L(℘(R)) determiniert ist, d.h. eine Gewinnstrategie für einen Spieler im Spiel GR (A) im Modell L(℘(R))
V
enthalten ist. Da ebenfalls A ⊆ Rω
ist und nach Voraussetzung ADR gilt, existiert für einen
der beiden Spieler in V eine Gewinnstrategie σ im Spiel GR (A). Nach Lemma 2.13 können wir
σ durch ein Σ ∈ ℘(R) elementar kodieren. Da ℘(R) ⊆ L(℘(R)) gilt, ist die kodierten Strategie
ein Elemente von L(℘(R)):
Σ ∈ L(℘(R)).
Aufgrund der Elementarität der Definitionen sind die Funktionen Φ1 und f∗ : R × R → R, hx, yi
7→ x ∗ y Elemente von L(℘(R)). Außerdem ist f∗ eine Bijektion. Wir können also innerhalb von
L(℘(R)) aus Σ wieder die Funktion σ̄ : R → R dekodieren:
z ∈ Σ ⇔ ∃x, y ∈ R z = x ∗ y ∧ σ̄(x) = y .
4.1. KONSTRUKTIBLE M ODELLE VON AD UND ADR
101
Insbesondere gilt also: σ̄ ∈ L(℘(R)). Es bleibt zu zeigen, daß die Eigenschaft eine Gewinnstrategie in einem Spiel GR (A) mit A ∈ L(℘(R)) zu sein, absolut für L(℘(R)) ist. Seien wieder ϕI
und ϕII die ∈-Formeln aus Definition 2.12. Dann gilt:
Beh. 1: Die Formel ϕI (R, A, σ̄ ◦ Φ1 ) ist L(℘(R))-absolut, d.h. es gilt:
∀A ∈ L(℘(R)) ∀σ̄ ∈ L(℘(R))
Entsprechendes gilt für ϕII (R, A, σ̄ ◦ Φ1 ).
L(R)
ϕI (R, A, σ̄ ◦ Φ1 )
⇔ ϕI (R, A, σ̄ ◦ Φ1 ) .
Beweis. Auch diese Behauptung folgt unmittelbar aus der Definition von ϕI und ϕII . Dabei wird
die Tatsache benutzt, daß RR ∩ L(℘(R)) = RR sowie ω = ω L(℘(R)) ∈ L(℘(R)) gilt.
(1)
Aus der Behauptung folgt, daß σ̄ ◦ Φ1 eine Gewinnstrategie im Model L(℘(R)) ist, wenn σ eine
Gewinnstrategie im Universum ist. Damit gilt also:
L(℘(R))
ADR ⇒ ADR
4.2
.
Konsistenzbetrachtungen
In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns mit einigen Konsistenzergebnissen in bezug auf die
beiden Determiniertheitsaxiome AD und ADR . Der erste Teil behandelt einige Ergebnisse zu
den verschiedenen Auswahlprinzipien. Im zweiten Teil betrachten wir die Konsistenzstärke der
Determiniertheitsaxiome in bezug auf Große-Kardinalzahl-Axiome.
I. Determiniertheitsaxiome und Auswahlprinzipien
Aufgrund vieler einzelner Resultate ist in den letzten Jahrzehnten der Eindruck entstanden, daß
ZF + AD + DC + V = L(R) eine umfassende Theorie“ für L(R) darstellt, ähnlich wie ZF +
”
V = L eine umfassende Theorie“ für das konstruktible Universum L ist.4 In der erstgenannten
”
Theorie lassen sich viele grundlegende mathematische Fragen entscheiden. Doch während ZF +
V = L bereits das Auswahlaxiom impliziert, scheint es zunächst so, als ob man zur Theorie ZF +
AD + V = L(R) noch das Auswahlprinzip DC hinzufügen müßte, um eine ausreichend starke
Theorie von L(R) entwickeln zu bekommen. Alexander Kechris konnte aber 1984 zeigen, daß
diese Hinzunahme eines Auswahlprinzips nicht notwendig ist. Er bewies, daß unter der Annahme
von AD im konstruktiblen Modell L(R) schon DC gilt:
Satz 4.3 (Kechris): [AD + V = L(R)] Es gilt DC.
Beweis. Vgl. [Kec84], Paragraph 2.
4
Der Begriff umfassende Theorie“ ist natürlich eine sehr vage, metamathematische Beschreibung, die sich auf”
grund der Gödelschen
Unvollständigkeitssätze nicht vollständig formalisieren läßt. Einerseits hat man eine klare,
aber eben nicht-formale Intuition, der man damit Rechnung tragen möchte: die Theorie soll alle mathematischen“
”
Probleme entscheiden können, im Gegensatz zu den logischen“ Problemen, die u.a. aus den Gödelsätzen
entstehen.
Andererseits gibt es Möglichkeiten, einen derartigen”Begriff unter geeigneten Umständen und in gewissen Grenzen
auch zu formalisieren. Hier sei z.B. auf die Ω-Logik von Hugh Woodin verwiesen. Vgl. [Woo00].
102
K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT
Aufgrund dieses Ergebnisses stellt Kechris in seinem oben genannten Artikel die folgende Analogie von L und L(R) auf – im Sinne einer umfassenden“ Beschreibung der konstruktiblen Modelle
”
im Zähler“ durch die Theorien im Nenner“:
”
”
L
L(R)
∼
ZF + V = L
ZF + AD + V = L(R)
Aus dem Satz erhalten wir zusätzlich:
Korollar 4.4: Es gilt Kon(ZF + AD) ⇒ Kon(ZF + AD + DC).
Andererseits konnte Woodin zeigen:
Satz 4.5 (Woodin): Es gilt Kon(ZF + AD) ⇒ Kon(ZF + AD + ¬ACω ).
Beweis. Vgl. auch [Kec84], Paragraph 3.
Nach Lemma 1.7 gilt aber DC ⇒ ACω . Daher bedeutet dieses Resultat auch: Kon(ZF+AD) ⇒
Kon(ZF + AD + ¬DC). Das Axiom DC ist also unabhängig von der Theorie ZF + AD.
Nach dem Satz von Kechris kann AD nicht ¬DC und damit auch nicht ¬DC(R) implizieren.
Die Frage, ob aber AD vielleicht die positive Aussage DC(R) impliziert, ist immer noch offen:
?
Frage 4.6: Gilt AD ⇒ DC(R)?
Zunächst vermutete Solovay, daß diese Implikation nicht gilt.5 Ein bisher unveröffentlichtes Resultat, das ebenfalls von Hugh Woodin stammt, liefert dagegen ein Indiz für die Gültigkeit der
oben genannten Implikation. Demnach ist die Annahme von AD + ¬DC(R) so stark, daß daraus
die Konsistenz von ZF + ADR gefolgert werden kann:6
Satz 4.7 (Woodin): Es gilt ZF + AD + ¬DC(R) ` Kon(ZF + ADR ).
Welcher Grad an Auswahl wird nun von ADR impliziert? Nach Lemma 3.4 folgt aus ADR zumindest ACR (R) und damit auch DC(R) und ACω (R). Wir werden aber später noch sehen,
daß aus ADR nicht DC und nicht das abzählbare Auswahlaxiom für beliebige Mengen gefolgert
werden kann. Vgl. dazu Satz 4.47.
II. Die Konsistenzstärke der Determiniertheitsaxiome
Betrachten wir die Determiniertheit der Teilmengen aus den projektiven Punktklassen, so ist in der
Theorie ZFC der Komplexität der Auszahlungsmengen im Spiel G(A) eine Grenze gesetzt: ∆11
ist die letzte Stufe der projektiven Hierarchie, von deren Elementen wir direkt beweisen können,
daß sie determiniert sind. Für die Determiniertheit der Elemente der höheren Stufen sind weitere
Reichhaltigkeitsannahmen notwendig.7 Ein Maßstab für die Reichhaltigkeit“ einer Theorie ist die
”
Existenz Großer Kardinalzahlen. Diese Existenz hat im Allgemeinen weitreichenden Einfluß auf
5
Vgl. [Sol78], Paragraph 6, 1.
Vgl. [And], Theorem 8.19.
7
Diese Aussage bezieht sich auf Det(Σ11 ) bzw. Det(Π11 ), also auf die Determiniertheit aller Σ11 - bzw. Π11 Mengen. Die Determiniertheit bestimmter Mengen kann auch ohne zusätzlich Annahmen gezeigt werden. Vergleich
dazu auch [Wol85].
6
4.2. KONSISTENZBETRACHTUNGEN
103
die Mengenlehre dieser Theorie. Für die Determiniertheit von Mengen bedeutet das, daß wir häufig
Resultate der folgenden Form zeigen können: die Konsistenz einer Theorie, aus der die Existenz
einer Großen Kardinalzahl folgt, impliziert die Konsistenz von bestimmten Determiniertheitsforderungen. In den letzten Jahrzehnten hat sich eine tiefe Verbindung zwischen Determiniertheit und
der Existenz Großer Kardinalzahlen herausgestellt. Ein erstes Indiz für diese Verbindung ist z.B.
das Resultat von Solovay (siehe Satz 2.37), daß aus AD die Existenz einer meßbaren Kardinalzahl
folgt. Selbst wenn wir nur die Determiniertheit der Mengen aus einzelnen projektiven Punktklassen betrachten, erhalten wir interessante Ergebnisse. Z.B. konnte Leo Harrington zeigen, daß aus
Det(Π11 ) folgt, daß alle Sharps x# für x ⊆ ω existieren.8 Die Umkehrung zeigte Donald Martin:
Satz 4.8 (Martin): Angenommen, es existiert x# für alle x ⊆ ω. Dann gilt Det(Π11 ).
Beweis. Vgl. [Mar70].
Da aus der Existenz einer meßbaren Kardinalzahl die Existenz der oben angegebenen Sharps folgt,
erhalten wir unmittelbar:
Korollar 4.9: Aus der Existenz einer meßbaren Kardinalzahl folgt Det(Π11 ).
Diese Resultate ließ vermuten, daß Annahmen über die Existenz anderer Großer Kardinalzahlen
notwendig sind, um die Determiniertheit noch komplexerer Mengen zeigen zu können. Durch eine Erweiterung der Argumentation von Solovay konnten Donald Martin, John Green und John
Simms zeigen, daß die Determiniertheit bestimmter Π12 -Mengen die Existenz innerer Modelle
mit vielen meßbaren Kardinalzahlen impliziert.9 Deswegen war klar, daß man für den Beweis
von Det(Π12 ) eine Hypothese brauchte, die mindestens so stark wie die Existenz vieler meßbarer Kardinalzahlen ist. Man versuchte, aus der Existenz einer superkompakten Kardinalzahlen die
Determiniertheit dieser Mengen zu zeigen, allerdings ohne Erfolg. Erst 1980 gelang es Martin,
Det(Π12 ) aus der Existenz von ω-riesigen Kardinalzahlen zu folgern.10 Fünf Jahre später gelang
es schließlich Martin und Steel zusammen mit Hugh Woodin, der durch eine Verfeinerung der
Techniken von Foreman, Magidor und Shelah die Voraussetzung geschaffen hatte, diese Suche
nach geeigneten Großen Kardinalzahlen abzuschließen. Heute sind diese Großen Kardinalzahlen
als Woodin-Kardinalzahlen bekannt und aus ihrer Existenz folgt die Determiniertheit der Punktklassen aus den höheren Stufen der projektiven Hierarchie, d.h. Det(Π12 ), Det(Π13 ) etc.:
Definition 4.10: Eine Kardinalzahl δ heißt Woodin, falls für jede Funktion f : δ → δ ein α < δ
und eine elementare Einbettung j : V ≺ M in ein inneres ZFC-Modell M mit Träger M existiert,
so daß f 00 α ⊆ α, crit(j) = α und Vj(f )(a) ⊆ M gilt.
Satz 4.11 (Martin-Steel): [AC] Angenommen, es existieren n Woodin-Kardinalzahlen und eine
meßbare oberhalb dieser. Dann gilt Det(Π1n+1 ).
Für eine ausführliche Darstellung dieser Suche“ nach geeigneten Großer Kardinalzahlen und für
”
die Beweise der Aussagen vgl. [MS89] und [Kan97], Abschnitt 32.
Eine Erweiterung dieses Resultats lieferte dann:
8
Vgl. [Har78] und [Jec97], Theorem 105.
Vgl. [Kan97], S. 444f. für einen historischen Überblick sowie [Gre78] und [Sim79].
10
Vgl. [Mar80].
9
104
K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT
Satz 4.12 (Woodin): [AC] Angenommen, es existieren unendlich viele Woodin-Kardinalzahlen
und eine meßbare oberhalb dieser. Dann gilt:
L(R) |= ZF + DC + AD.
Die Voraussetzung über die Existenz der meßbaren Kardinalzahl kann abgeschwächt werden. Allerdings kann man nicht ganz auf eine weitere Voraussetzung verzichten, d.h. nur die Existenz
von ω Woodin-Kardinalzahlen reicht als Annahme nicht aus, um ADL(R) zu implizieren. Trotzdem konnte Woodin die exakte Konsistenzstärke von AD durch die Existenz unendlich vieler
Woodin-Kardinalzahlen ohne weitere Voraussetzung bestimmen:
Korollar 4.13:
Kon(ZFC + es existieren ω Woodin-Kardinalzahlen“) ⇔ Kon(ZF + AD).
”
In bezug auf die Konsistenzstärke von ZF + ADR gelang es ebenfalls Hugh Woodin, diese relativ
zu einer Aussage zu bestimmen, die in die Große-Kardinalzahl-Hierarchie einzuordnen ist, obwohl
sie selbst kein richtiges Axiom über Große Kardinalzahl ist. Um diese Aussage zu formulieren,
definieren wir zunächst:
Definition 4.14: Sei γ, λ ∈ Ord. Eine Kardinalzahl κ heißt γ-stark, falls eine elementare Einbettung j : V ≺ M in ein inneres ZFC-Modell M mit Träger M existiert, so daß crit(j) = κ,
γ < j(κ) und Vκ+γ ⊆ M gilt. κ heißt <λ-stark, falls κ γ-stark ist für alle γ < λ.
Mit Hilfe der <λ-starken Kardinalzahlen definieren wir die folgende Aussage:
Definition 4.15: Wir bezeichnen die folgende Aussage als ADR -Hypothese: es existieren zwei
Folgen von Kardinalzahlen hκn | n ∈ ωi und hδn | n ∈ ωi, so daß gilt:
(1) λ :≡ supn∈ω δn = supn∈ω κn ;
(2) ∀n ∈ ω κn < δn < κn+1 ;
(3) ∀n ∈ ω κn ist <λ-stark ;
(4) ∀n ∈ ω δn ist Woodin .
Die ADR -Hypothese fordert also die Existenz zweier ineinander geschachtelter, echt aufsteigender Folgen von ω vielen Woodin-Kardinalzahlen und ω vielen, für alle γ kleiner dem (identischen)
Supremum der Folgen γ-starken Kardinalzahlen (vgl. Abbildung 4.1). Die ADR -Hypothese ist
κ0
δ0
κ1
δ1
κ2
...
λ
Abb. 4.1: Die Großen Kardinalzahlen der ADR -Hypothese
selbst kein Große-Kardinalzahl-Axiom. Es gelten aber die beiden folgenden Aussagen, die es
uns ermöglichen, die ADR -Hypothese in die Große-Kardinalzahl-Hierarchie einzuordnen. Wir
können ihre Konsistenzstärke in bezug auf Großen Kardinalzahlen messen, denn (1) impliziert,
daß eine Große Kardinalzahl Instanzen der ADR -Hypothese liefert und (2) impliziert, daß wir
durch Instanzen der ADR -Hypothese innere Modelle mit Großen Kardinalzahlen erhalten:11
11
Für eine Referenz und für die Beweise vgl. [Kan97], S. 358ff und [And], Abschnitt 8.B.
4.2. KONSISTENZBETRACHTUNGEN
105
(1) Wenn δ ein Woodin-Limes von Woodin-Kardinalzahlen ist, dann existieren beliebig große
Instanzen der ADR -Hypothese unterhalb von δ;
(2) Seien die κn wie in der ADR -Hypothese gegeben. Dann gilt Vκn |= ZFC+ es existiert
”
eine echte Klasse von Woodin-Kardinalzahlen“.
Ein bisher unveröffentlichtes Resultat von Hugh Woodin rechtfertigt nun den Namen ADR ”
Hypothese“ und zeigt die relative Konsistenz von ZF + ADR zu dieser Aussage:
Satz 4.16 (Woodin): Es gilt:
(1) [AC] Angenommen, die ADR -Hypothese gilt und es existiert eine meßbare Kardinalzahl
κ > supn∈ω κn . Dann existiert eine echte Klasse M mit R ⊆ M , so daß M |= ZF + ADR
gilt;
(2) Kon(ZFC + ADR -Hypothese) ⇔ Kon(ZF + ADR ).
Aus Teil (2) und der Definition der ADR -Hypothese folgt zusammen mit Korollar 4.13, daß ZF+
ADR sogar die Konsistenz der Theorie ZF + AD beweist. Wir werden allerdings am Ende des
Kapitels dieses Resultat noch einmal auf einen anderen Wege herleiten. Vgl. dazu Satz 4.46.
Bemerkung 4.17: Wir haben schon im letzten Kapitel bemerkt, daß Axiome über die Existenz
Großer Kardinalzahlen für die gegenwärtige Mengenlehre den Maßstab für die Glaubwürdigkeit“
”
bzw. Evidenz einer Theorie darstellen: wenn man die Konsistenz einer Theorie in Relation zu der
Konsistenz von ZF bzw. ZFC zusammen mit einem Große-Kardinalzahl-Axiom beweisen kann,
dann hält man die Evidenz dieser Theorie für genügend abgesichert.
[...] large cardinals via the method of forcing turn out to be the natural measures of
”
the consistency strength of ZFC + ϕ for various statements ϕ in the language of set
theory.“ 12
Der Vorteil der Großen Kardinalzahlen als Maßstab der Evidenz von Theorien liegt darin, daß sie
eine weitgehend lineare Hierarchie bilden und sich überwiegend einheitlich formulieren lassen.13
[...] the neat hierarchical structure of the large cardinals and the extensive equi”
consistency results that have already been demonstrated to date are strong plausibility
arguments for the inevitability of the theory of large cardinals as the natural extension
of ZFC.“ 14
Viele moderne Mengentheoretiker halten die Existenz Großer Kardinalzahlen für eine vernünf”
tige“ Annahme oder – um es mit einem philosophischen Terminus zu beschreiben – für selbstevident.
Some set theorists consider large cardinal axioms self-evident, or at least as follo”
wing from a priori principles implied by the concept of set.“ 15
12
Akihiro Kanamori und Menachem Magidor [KM78a], S. 105.
Fast alle Großen Kardinalzahlen lassen durch die Existenz von elementaren Einbettungen des Universums in innere Modelle formulieren, die bestimmten Zusatzbedingungen genügen, z.B. Bedingungen an den kritischen Punkt
der Einbettung. Alternativ kann man das Konzept der Extender betrachten: die Formalisierbarkeit der GroßeKardinalzahl-Axiome bzgl. der Logik erster Stufe kann mit Hilfe der Extender gezeigt werden.
14
Akihiro Kanamori und Menachem Magidor [KM78a], S. 264.
15
Donald Martin [Mar77], S. 813.
13
106
K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT
Die Glaubwürdigkeit“ bzw. Evidenz einer Theorie wird demnach erhöht, wenn man sie direkt
”
aus einem Große-Kardinalzahl-Axiom ableiten oder ihre Konsistenzstärke relativ zu einer Theorie
mit einer Großen Kardinalzahl bestimmen kann. Das ist sicher eine philosophisch und metamathematisch bemerkenswerte Tatsache und bedarf einer eingehenden Untersuchung. Im Grunde
verschiebt man natürlich nur das Problem, denn letztlich ist die Existenz einer Großen Kardinalzahl genausowenig gesichert wie die Gültigkeit von AD oder ADR . Eine ausführliche Analyse
der Evidenz von Theorien würde sicherlich den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Für eine weiterführende Darstellung dieser Problematik vgl. [Mad88a], [Mad88b], [KM78a] und [KRS78].
4.3
L(R) ist kein Modell von ADR
In diesem Abschnitt werden wir auf zwei Arten zeigen, daß L(R) kein Modell von ADR ist. Beide
Beweise beruhen auf einem Diagonalisierungsargument und verwenden dazu den in Abschnitt 1.6
eingeführten Begriff der Ordinalzahldefinierbarkeit. Der erste Beweis stammt von Solovay und
liefert uns unmittelbar das gewünschte Resultat.16 Der zweite Beweis beruht im wesentlichen
auf der gleichen Konstruktion, aber er liefert uns detailliertere Informationen, warum L(R) kein
Modell von ADR ist.
Satz 4.18 (Solovay): Es gilt:
ADR ⇒ ∀A ⊆ R ∃B ⊆ R ∀x ∈ R B 6∈ ODA ({x}) .
Beweis. Wir führen einen Widerspruchsbeweis. Angenommen, es existiert eine Teilmenge A der
reellen Zahlen, so daß für jede Teilmengen B ⊆ R eine reelle Zahl x existiert mit B ∈ ODA ({x}).
Für jedes x ∈ R definieren wir:
Sx :≡ R ∩ ODA ({x}).
Nach Lemma 1.92 ist ODA ({x}) und damit auch Sx wohlordenbar für jedes x ∈ R. Nach Satz 3.1
gilt ADR ⇒ AD. Nach Korollar 2.30 existiert daher keine wohlordenbare, überabzählbare Menge reeller Zahlen, also ist jedes Sx ⊆ R abzählbar. Andererseits gilt der Satz von Cantor bereits
in ZF, d.h. es ist |R| = 2ℵ0 > ℵ0 und daher ist R nicht abzählbar ist. Es folgt R − Sx 6= ∅ für
jedes x ∈ R. Also ist {R − Sx | x ∈ R} eine R-indizierte Familie nicht-leerer Teilmengen von
R. Nach Lemma 3.4 folgt aus ADR bereits das Auswahlprinzip ACR (R) und daher existiert eine
Auswahlfunktion:
[
f :R→
R − Sx mit ∀x ∈ R f (x) ∈ R − Sx .
x∈R
Wegen f : R → R ist f ⊆ R × R. Durch eine elementare Kodierung – z.B. hx, yi 7→ x ∗ y –
können wir f als Teilmenge von R auffassen. Also ist nach unserer Annahme f ∈ ODA ({x0 })
für ein x0 ∈ R.
Offensichtlich gilt x0 ∈ ODA ({x0 }). Ist andererseits eine Funktion f und ein Argument x in
ODA ({z}), dann liegt auch der Funktionswert f (x) in ODA ({z}). Also gilt f (x0 ) ∈ R ∩ ODA
({x0 }) und nach Definition damit f (x0 ) ∈ Sx0 . Das steht aber im Widerspruch zu f (x0 ) ∈
R − Sx0 .
16
Vgl. [Sol78].
4.3. L(R) IST KEIN M ODELL VON ADR
107
Für A ⊆ R sei L(R)[A] das im Abschnitt 1.6 definierte konstruktible Modell, d.h. das kleinste
innere ZF-Modell M, das alle Ordinalzahlen und alle reellen Zahlen enthält und so daß für jedes
x ∈ M auch x ∩ A ∈ M gilt.
Korollar 4.19: Es gilt ADR ⇒ ∀A ⊆ R V 6= L(R)[A] . Insbesondere für A = ∅: ADR ⇒
V 6= L(R).
Beweis. V = L(R)[A] impliziert nach Lemma 1.93, daß für alle B ⊆ R ein x ∈ R existiert, so
daß B ∈ ODA ({x}) gilt. Das steht aber im Widerspruch zu dem obigen Satz.
Da andererseits L(R)[A] |= ∃B ⊆ R V = L(R)[B] gilt,17 folgt aus dem Korollar unmittelbar:
Insbesondere also für A = ∅:
∀A ⊆ R L(R)[A] |= ¬ADR .
L(R) |= ¬ADR .
Wir erhalten damit eine Analogie zu AD, denn L ist ein Modell des Auswahlaxioms, also gilt:
L = L(ω) |= ¬AD.
Nach Satz 4.1 gilt andererseits AD ⇒ L(R) |= AD. Also kann AD nicht ADR implizieren,
denn zusammen gilt:
AD ⇒ L(R) |= AD + ¬ADR .
Umgekehrt impliziert ADR aber AD. Damit ist ADR eine echt stärkere Aussage als AD.
Wir kommen nun zum zweiten Beweis, daß L(R) kein Modell von ADR ist. Der Beweis bezieht
sich auf die Uniformisierbarkeit von Teilmengen reeller Zahlen.18 Dieser Ansatz erlaubt einen
tieferen Einblick in das Verhältnis von reeller Determiniertheit zum konstruktiblen Modell L(R)
und liefert uns detaillierte Informationen, ab welcher Komplexität von Teilmengen reeller Zahlen
das Modell L(R) nicht mehr die Determiniertheit entsprechender Spiele über R zeigen kann.
Lemma 4.20: Es gilt ADR ⇒ Unif .
Beweis. Aus ADR folgt nach Lemma 3.4 das Auswahlprinzip ACR (R), nach Lemma 1.39 also
auch Unif .
Wir erhalten aus Lemma 1.39 zusammen mit dem unveröffentlichtem Resultat von Hugh Woodin19
zur Äquivalenz von ADR und AD + ACR (R) in der Theorie ZF + DC das folgende Resultat:
17
Vgl. [Jec97], Theorem 37.
Vgl. dazu auch Abschnitt 1.4.
19
Vgl. Satz 3.27.
18
108
K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT
Satz 4.21: [AD + DC] Folgende Aussagen sind äquivalent:
(1) ADR ;
(2) AD2R ;
(3) ACR (R);
(4) Unif , d.h. jede Menge reeller Zahlen ist uniformisierbar;
(5) Skala, d.h. jede Menge reeller Zahlen besitzt eine Skala;
(6) S ∞ = ℘(R), d.h. jede Menge reeller Zahlen ist Suslin.
Die Konstruktion im Beweis von Satz 4.18 liefert uns zusammen mit der Uniformisierbarkeit von
Teilmengen reeller Zahlen den gewünschten Nachweis, daß L(R) kein Modell von ADR sein
kann. Dazu zeigen wir zunächst:
Satz 4.22: Angenommen, es gilt V = L(R) und es gibt keine Wohlordnung der reellen Zahlen.
Dann gilt ¬Unif .
Beweis. Sei A ⊆ R2 wie folgt definiert:
A :≡ {hx, yi ∈ R2 | y 6∈ OD({x})}.
Nach Lemma 1.92 besitzt OD({x}) für jedes x ∈ R eine definierbare Wohlordnung. Angenommen, es existiert ein x0 ∈ R, so daß alle reellen Zahlen in OD({x0 }) enthalten sind. Dann erhalten
wir eine durch die Wohlordnung von OD({x0 }) induzierte Wohlordnung der reellen Zahlen. Das
steht aber im Widerspruch zu unserer Voraussetzung. Also gilt:
∀x ∈ R ∃y ∈ R hx, yi ∈ A .
Um nun einen Widerspruch zu erhalten, nehmen wir an, es existiert eine Menge B ⊆ A, die A
uniformisiert. Nach Voraussetzung gilt V = L(R). Nach Lemma 1.93 existiert daher ein x0 ∈
R, so daß B ∈ OD({x0 }) gilt.20 Andererseits ist x0 ∈ OD({x0 }). Da B eine Funktion ist,
liegt mit B und x0 auch der Funktionswert y0 mit hx0 , y0 i ∈ B in OD({x0 }), d.h. es gilt y0 ∈
OD({x0 }). Nach Definition von A folgt dann: hx0 , y0 i 6∈ A, d.h. B ist keine Teilmenge von A.
Widerspruch!
Aus dem Satz folgt nun:
Korollar 4.23: [AD] Es gilt:
(1) L(R) |= ¬Unif ;
(2) L(R) |= S ∞ $ ℘(R).
Beweis. Angenommen, es gilt AD. Nach Satz 4.1 gilt dann auch L(R) |= AD. Nach Satz 2.21
existiert daher auch in L(R) keine Wohlordnung der reellen Zahlen. Nach dem obigen Satz gilt
also L(R) |= ¬Unif . Nach Korollar 1.77 gilt damit auch L(R) |= S ∞ $ ℘(R).
Korollar 4.24: Es gilt L(R) |= ¬ADR .
20
Dabei setzten wir das in dem Lemma angegebene Prädikat A :≡ ∅.
4.3. L(R) IST KEIN M ODELL VON ADR
109
Beweis. Angenommen, es gilt L(R) |= ADR . Da ADR ⇒ AD gilt folgt analog zum letzten
Beweis L(R) |= ¬Unif . Andererseits gilt nach Lemma 4.20: ADR ⇒ Unif , also nach unserer
Annahme L(R) |= Unif . Widerspruch. Also kann L(R) kein Modell von ADR sein.
Wir erhalten unmittelbar:
Korollar 4.25: Es gilt:
(1) ZF + AD 6` Unif ;
(2) ZF + AD 6` ACR (R).
Man kann die Komplexität des Gegenbeispiels A zur Uniformisierung aus dem Beweis von Satz
4.22 explizit angeben. Wir betrachten dazu noch einmal die Definition von OD({x}). Wir erhalten
dann aus Absolutheitsgründen für x ∈ R im konstruktiblen Modell L(R):
L(R)
˙ ∃β < α y ∈ Lα (R)
y ∈ OD({x})
⇔ ∃α ∈ Ord ∃ϕ ∈ Fml(∈)
∧ ∀z ∈ Lα (R) z ∈ y ⇔ Lα (R) |= ϕ[z, β, x] .
Da wir Formeln über eine Gödelisierung als Elemente von Vω auffassen können, ist der erste
Existenzquantor der einzige, der unbeschränkt ist, d.h. die oben genannte Formel ist mindestens
eine Σ1 -Formel mit Parametern aus R ∪ {R}. Damit ist unter der Voraussetzung V = L(R) die
L(R)
Menge {hx, yi ∈ R2 | y ∈ OD({x})} ein Element von Σ1 (R ∪ {R})
und daher die Menge
L(R)
A aus dem Beweis ein Element von Π1 (R ∪ {R})
. Wir werden in Abschnitt 5.1 zeigen, daß
folgendes gilt:21
L(R)
L(R)
= Π1 (R ∪ {R})
∩ ℘(R).
Π21
Zusammen erhalten wir also:
AD + V = L(R) ` ¬Unif Π21 , ℘(R2 ) .
Andererseits gilt für die duale Punktklasse:22
Satz 4.26 (Martin-Moschovakis-Steel): [AD + V = L(R)] Es gilt Unif (Σ21 ).
Aufgrund des Lemmas von Wadge23 gilt unter AD für jede Fettdruck-Punktklasse Γ, daß Γ ⊆ Σ21
oder Π21 ⊆ Γ. Nach den oben genannten Ergebnissen ist also Σ21 in der Theorie ZF + AD + V =
L(R) die größte Fettdruck-Punktklasse, die Unif Γ, ℘(R2 ) erfüllt.
4.4
Die Wadge-Hierarchie
Wir haben schon gesehen, daß unter der Voraussetzung, daß ADR im Universum gilt, L(℘(R))
ein Modell von ADR ist. Um weitere konstruktible Modelle von ADR zu erhalten, benötigen wir
den Begriff der Wadge-Reduzibilität. Diese einfach zu definierende Relation zwischen Teilmengen
der reellen Zahlen besitzt viele Anwendungen in der Deskriptiven Mengenlehre und im besonderen in bezug auf die Theorie von AD. Diese Relation wurde 1968 von William Wadge eingeführt
und in seiner Dissertation an der University of California at Berkeley behandelt.24
21
Vgl. Korollar 5.5.
Vgl. Korollar 5.10.
23
Vgl. Lemma 4.30.
24
Vgl. [Wad83].
22
110
K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT
Definition 4.27: Seien A, B ⊆ R.
(1) A heißt Wadge-reduzibel zu B, im Zeichen A ≤W B :⇔ es existiert eine stetige Funktion
f : R → R mit A = f −100 B;
(2) A ≡W B :⇔ A ≤W B ∧ B ≤W A;
(3) A <W B :⇔ A ≤W B ∧ ¬B ≤W A.
Man überprüft leicht, daß ≤W reflexiv und transitiv ist. Daher ist ≡W eine Äquivalenzrelation.
Wir definieren deshalb:
Definition 4.28: Sei A ⊆ R.
(1) Die Äquivalenzklasse [A]W bzgl. ≡W heißt der Wadge-Grad von A;
(2) [R − A]W heißt der duale Wadge-Grad von [A]W ;
(3) Ein Wadge-Grad heißt selbst-dual, falls [A]W = [R − A]W gilt;
(4) Für nicht selbst-duale Wadge-Grade heißt ([A]W , [R − A]W ) das nicht-selbst-duale Paar;
(5) Die Wadge-Hierarchie ist die Menge der Wadge-Grade mit der induzierten partiellen Ordnung.
Wie man leicht zeigt, gilt:
Lemma 4.29: Für A, B ⊆ R gilt A ≤W B ⇒ R − A ≤W R − B.
Das besondere Verhalten dieser Relation unter AD zeigt sich im folgenden Lemma von Wadge:
Lemma 4.30 (Wadge): [AD] Seien A, B ⊆ R. Dann gilt entweder A ≤W B oder B ≤W R − A.
Beweis. Wir betrachten das Wadge-Spiel GW (A, B) mit Zügen aus ω:
I
II
x0
x2
x1
x3
...
...
Spieler II gewinnt dieses Spiel genau dann, wenn xI ∈ A ⇔ xII ∈ B gilt. Um ein übliches Spiel
zu erhalten, definieren wir die folgende Auszahlungsmenge:
Z :≡ {x ∈ R | (xI ∈ A ∧ xII 6∈ B) ∨ (xI 6∈ A ∧ xII ∈ B)}.
Nach Voraussetzung ist das Spiel GW (A, B) = G(Z) determiniert. Wir betrachten die beiden
Fälle:
Fall 1: Spieler II besitzt eine Gewinnstrategie τ . Dann gilt ∀x ∈ R x ∈ A ⇔ (x ∗ τ )II ∈ B .
1
für ein n ∈ ω, d.h. es gilt xn = yn,
Sei f : R → R, x 7→ (x ∗ τ )II . Ist d(x, y) < 2n+1
dann ist offensichtlich (x ∗ τ )2n = (y ∗ τ )2n. Also gilt (x ∗ τ )II n = (y ∗ τ )II n. Damit ist
1
d(f (x), f (y)) < 2n+1
und f ist stetig. Weiter gilt für alle x ∈ R: x ∈ A ⇔ f (x) ∈ B, also
−100
A=f
B. Es folgt A ≤W B.
Fall 2: Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie σ. Dann gilt ∀x ∈ R (σ ∗ y)I 6∈ A ⇔ y ∈ B .
Sei nun f : R → R, y 7→ (σ ∗ y)I . Analog zum Fall 1 zeigt man, daß f stetig ist. Es gilt für alle
y ∈ R: y ∈ B ⇔ f (y) 6∈ A, also B = f −100 (R − A). Es folgt B ≤W R − A.
4.4. D IE WADGE -H IERARCHIE
111
Identifiziert man die Wadge-Grade einer Menge und ihres Komplements, so erhält man die modifizierte Wadge-Hierarchie. Diese ist nach dem Lemma unter AD eine lineare Ordnung. Tatsächlich
erhalten wir:
Satz 4.31 (Martin-Monk): [AD + DC(R)] Die modifizierte Wadge-Hierarchie ist eine Wohlordnung.
Beweis. Vgl. [And], Theorem 11.18.
Wir definieren daher:
Definition 4.32: [AD + DC(R)] Sei A ⊆ R. Der Wadge-Rang |A|W ist der Rang von A bzgl.
der Wohlordnung <W der modifizierten Wadge-Hierarchie.
Unter AD erhält man die folgenden Eigenschaften der Wadge-Hierarchie:
Satz 4.33: [AD] Es gilt:
(1) Sind zwei Mengen A, B ⊆ R Wadge-unvergleichbar, d.h. es gilt A 6≤W B und B 6≤W A,
dann folgt aus Wadges Lemma und Lemma 4.29: B ≡W R − A und A ist nicht-selbst-dual.
Also hat jede Antikette bzgl. der Wadge-Hierarchie höchstens 2 Elemente;
(2) Jeder selbst-duale Wadge-Grad ist mit jedem anderen Grad vergleichbar;
(3) [∅]W und [R]W sind zwei verschiedene, minimale Grade;
(4) Jeder selbst-duale Grad besitzt ein nicht-selbst-duales Paar als unmittelbaren Nachfolger.
Jedes nicht-selbst-duale Paar besitzt einen selbst-dualen Grad als unmittelbaren Nachfolger;
(5) [DC(R)] Die Stufen der Wadge-Hierarchie an Limesordinalzahlen der Konfinalität ω bestehen aus einem selbst-dualen Grad und die Stufen an Limesordinalzahlen mit Konfinalität
> ω bestehen aus einem nicht-selbst-dualen Paar.
Beweis. Vgl. [And], Corollary 11.33.
Zusammen erhalten wir in der Theorie ZF + AD + DC(R) das in Abbildung 4.2 dargestellte
Bild der Wadge-Hierarchie.
[A]W
[∅]W
s
s
s
s
[R]W
s
s
s
s ......
s
s
s
[R − A]W
s
s ......
s
6
cof(λ) = ω
s ......
s
6
cof(λ) > ω
Abb. 4.2: Die Wadge-Hierarchie unter AD + DC(R)
Lemma 4.34: [AD] Es existiert eine uniforme Abbildung JW : ℘(R) → ℘(R), die jede Menge
A ⊆ R auf eine Teilmenge von R mit echt größerem Wadge-Grad als A und R − A abbildet, d.h.
es gilt A <W JW (A) und R − A <W JW (A).
112
K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT
Beweis. Für A ⊆ R definieren wir:
JW (A) :≡ {h0iax | cx (h0iax) 6∈ A} ∪ {h1iax | cx (h1iax) ∈ A}.
Dabei sei cx die in Definition 1.24 angegebene Kodierung der stetigen Funktionen durch reelle Zahlen. Angenommen, es gilt JW (A) ≤W A. Wir werden einen Widerspruch anhand eines
Diagonalisierungsarguments herleiten. Nach Definition von ≤W existiert ein x0 ∈ R, so daß
00
JW (A) = c−1
x0 A gilt. Wir führen eine Fallunterscheidung durch:
Fall 1: Angenommen, es ist h0iax0 ∈ JW (A). Dann gilt nach Definition cx0 (h0iax0 ) 6∈ A. Das
steht im Widerspruch zu cx0 00 JW (A) ⊆ A.
Fall 2: Angenommen, es ist h0iax0 6∈ JW (A). Dann gilt cx0 (h0iax0 ) ∈ A, also h0iax0 ∈
00
c−1
x0 A = JW (A). Widerspruch.
Da einer der beiden Fälle eintreten muß, gilt also JW (A) 6≤W A. Der Beweis für R − A verläuft
entsprechend: angenommen, es gilt JW (A) ≤W R − A. Dann existiert ein x1 ∈ R, so daß
00
JW (A) = c−1
x1 (R − A). Wir führen wieder eine Fallunterscheidung durch:
Fall 1: Angenommen, es ist h1iax1 ∈ JW (A). Dann gilt cx1 (h1iax1 ) ∈ A, also cx1 (h1iax1 ) 6∈
R − A. Das steht im Widerspruch zu cx1 00 JW (A) ⊆ R − A.
Fall 2: Angenommen, es ist h1iax1 6∈ JW (A). Dann gilt cx1 (h1iax1 ) 6∈ A, also cx1 (h1iax1 ) ∈
00
R − A und damit h1iax1 ∈ c−1
x1 (R − A) = JW (A). Widerspruch.
Es folgt JW (A) 6≤W R − A. Nun folgt aus JW (A) 6≤W A nach Wadges Lemma 4.30, daß
A ≤W R − JW (A) und nach Lemma 4.29 damit auch R − A ≤W JW (A). Andererseits gilt nach
dem oben gesagten auch JW (A) 6≤W R − A, zusammen also R − A <W JW (A). Analog zeigt
man, daß ebenfalls A <W JW (A) gilt.
Aufgrund von Lemma 1.74 und der darin gezeigten Abgeschlossenheit von γ-Suslin-Mengen unter dem Urbild stetiger Funktionen erhalten wir unmittelbar:
Lemma 4.35: S γ ist abgeschlossen unter der Wadge-Reduzibilität, d.h. ist B ∈ S γ und ist A ⊆
R, so daß A ≤W B gilt, dann ist auch A ∈ S γ .
Für eine weitergehende Darstellung der Wadge-Reduzibilität und der Wadge-Hierarchie vgl.
[And], Kapitel II und [vW78].
4.5
Θ – ein Maß für die Größe des Kontinuums
Möchte man unter AD den Umfang“ der reellen Zahlen in bezug auf die Ordinalzahlen ermit”
teln, dann erscheint einerseits das Kontinuum aufgrund von Korollar 2.30 sehr klein zu sein, denn
es existieren nur wenige“ Möglichkeiten für Injektionen f : α ,→ R für ein α ∈ Ord: da
”
ℵ1 6≤ 2ℵ0 = |R| gilt, kann eine entsprechende Injektion nur für abzählbare α existieren. Nach
Lemma 1.22 existiert andererseits bereits in der Theorie ZF eine Surjektion g : R ω1 . Es ist
die Ungültigkeit des vollen Auswahlaxioms bzw. des dazu äquivalenten Wohlordnungssatzes, die
dafür verantwortlich ist, daß überhaupt ein Unterschied zwischen den Möglichkeiten für Injektionen und Surjektionen besteht (vgl. auch Abschnitt 1.1).
Wir können die Anzahl der Möglichkeiten für Surjektionen g : R α als ein Maß für die Größe
4.5. Θ – EIN M ASS F ÜR DIE G R ÖSSE DES KONTINUUMS
113
des Kontinuums auffassen. Diese Idee führt zu der in der Deskriptiven Mengenlehre sehr wichtigen
Invariante“ Θ, die 1970 von Yiannis Moschovakis eingeführt wurde:25
”
Definition 4.36: Wir definieren:
Θ : ≡ sup{α ∈ Ord | es existiert eine Surjektion f : R α}
≡ sup{α ∈ Ord | es existiert eine Präwohlordnung von R mit kk = α}
Nach dem Ersetzungsschema in ZF folgt, daß Θ selbst eine Ordinalzahl ist. Außerdem kann
die Kardinalität von Θ nicht kleiner als Θ sein, denn sonst ergäbe sich durch Komposition eine
Surjektion R γ für ein γ > Θ. Also ist Θ eine Kardinalzahl und aufgrund der oben erwähnten
+
Existenz einer Surjektion R ω1 folgt in ZF, daß Θ ≥ ω2 . In ZFC gilt Θ = 2ℵ0 , also
nimmt Θ unter ZFC + CH den minimalen Wert ω2 an. Andererseits kann die Bestimmung von
Θ als eine Version des Kontinuum-Problems betrachtet werden. Es zeigte sich, daß Θ unter AD
sehr groß sein muß: mit Hilfe des Coding Lemmas von Moschovakis26 zeigten Harvey Friedman
und Robert Solovay, daß Θ in ZF + AD ein Fixpunkt der ℵ-Hierarchie ist, d.h. es gilt Θ = ℵΘ .
Man kann Θ als eine Art Maß für den Einfluß von AD auf die transfiniten Zahlen interpretieren.
Dieser Einfluß reicht aufgrund der Größe von Θ sehr weit ins Transfinite hinein.
Für einen späteren Abschnitt benötigen wir die folgende Implikation des abzählbaren Auswahlaxioms für ℘(R):
Lemma 4.37: [ACω (℘(R))] Es gilt cof(Θ) > ω.
Beweis. Sei g : ω → Θ unbeschränkt in Θ. Dann existiert für alle n ∈ ω eine Präwohlordnung von R mit kk = g(n). Daher sind für jedes n ∈ ω die folgenden Mengen nicht-leer:
An :≡ {| ist eine Präwohlordnung von R mit kk = g(n)}.
S
Nach Voraussetzung existiert eine Auswahlfunktion h : ω → n∈ω An . Für x ∈ R sei x̃ :≡
hx(n + 1) | n ∈ ωi. Für eine Präwohlordnung sei ρ die Rangfunktion gemäß Definition 1.21.
Wir definieren dann für x ∈ R:
f (x) :≡ ρh(x0 ) (x̃).
Für alle x ∈ R gilt ρh(x0 ) (x̃) < kh(x0 )k = g(n) < Θ. Also ist f : R → Θ. Aber f ist surjektiv,
denn sei α < Θ beliebig. Da g unbeschränkt in Θ ist, existiert ein n ∈ ω mit α < g(n). Dann
ist h(n) eine Präwohlordnung von R mit α < kh(n)k. Andererseits ist ρh(n) : R kh(n)k, also
existiert ein x ∈ R mit ρh(n) (x) = α. Sei y :≡ hniax. Dann gilt f (y) = α. Also ist f : R Θ.
Das steht aber im Widerspruch zur Definition von Θ.
Unter der Annahme von AD + DC(R) erhalten wir die folgende Beziehung von Θ und der im
letzten Abschnitt eingeführten Wadge-Hierarchie:
Lemma 4.38: [AD + DC(R)] Θ ist gleich dem Ordnungstyp der modifizierten Wadge-Hierarchie, d.h. es gilt Θ = sup{|A|W | A ⊆ R}.
25
26
Vgl. [Mos70].
Vgl. Lemma 2.31.
114
K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT
Die zusätzliche Annahme von DC(R) ist notwendig, damit wir sicherstellen können, daß die modifizierte Wadge-Hierarchie gemäß Satz 4.31 tatsächlich eine Wohlordnung und damit der Ordnungstyp definiert ist.
Beweis. ⊇“: Sei A ⊆ R mit γ :≡ |A|W gegeben. Wir definieren eine Surjektion f : R γ + 1
”
00
durch f (x) = |c−1
x A|W . Dabei sei wieder cx die Kodierung der stetigen Funktionen durch reelle
00
Zahlen. Insbesondere ist dann c−1
x A ≤W A, also f (x) ≤ |A|W < γ + 1. Da <W unter den
angegebenen Voraussetzungen eine Wohlordnung ist, existiert zu jedem β ≤ γ eine Menge B ⊆ R
00 A, die durch
mit |B|W = β und B ≤W A. Also existiert eine stetige Funktion cy mit B = c−1
y
die reelle Zahl y kodiert wird. Es folgt, daß f surjektiv ist und nach Definition von Θ gilt daher
γ + 1 < Θ. Damit ist sup{|A|W | A ⊆ R} ≤ Θ.
⊆“: Sei α < Θ und f : R α. Wir definieren induktiv eine Folge hAγ | γ ≤ αi von Teilmengen
”
von R. Für γ ≤ α sei Cγ :≡ {x ∗ y ∈ R | f (x) < γ ∧ y ∈ Af (x) }. Dann definieren wir:
A0 :≡ R;
Aγ :≡ JW (Cγ )
für 1 ≤ γ ≤ α.
Dabei sei JW die Funktion aus Lemma 4.34. Wir wollen zeigen, daß hAγ | γ ≤ αi eine bzgl. <W
echt aufsteigende Folge bildet. Da |R|W ein minimaler Rang der Wadge-Hierarchie ist, gilt stets
R ≤W B für alle B ⊆ R, insbesondere A0 ≤W Cγ <W JW (Cγ ) = Aγ für alle 1 ≤ γ ≤ α. Sei
nun 1 ≤ β < γ ≤ α. Wegen der Surjektivität von f existiert ein x0 ∈ R mit f (x0 ) = β. Man
überprüft leicht, daß für ein festes x0 ∈ R die Funktion gx0 (y) : R → R, y 7→ x0 ∗ y stetig ist.
00 C und damit A ≤
Nach Definition von Cγ gilt y ∈ Aβ ⇔ gx0 (y) ∈ Cγ , also Aβ = gx−1
γ
W Cγ .
β
0
Es folgt:
Aβ ≤W Cγ <W JW (Cγ ) = Aγ .
Insgesamt gilt also: β < γ ≤ α ⇒ Aβ <W Aγ , d.h. |Aβ |W < |Aγ |W . Damit ist α < sup{|A|W |
A ⊆ R}.
Eine weitere Eigenschaft von Θ bezieht sich auf die Suslin-Mengen. Demnach ist jede SuslinMenge bereits γ-Suslin für ein γ < Θ. Diese Tatsache unterstreicht die Bedeutung von Θ für die
deskriptive Mengenlehre. Wir werden diese Tatsache im letzten Kapitel noch benutzen.
Lemma 4.39: Sei A ⊆ R und γ ∈ Ord. Ist A γ-Suslin, dann existiert auch ein γ̄ < Θ, so daß A
γ̄-Suslin ist. Insbesondere gilt S ∞ = S <Θ .
Beweis. Sei A γ-Suslin für ein γ ∈ Ord. Dann existiert ein Baum auf ω × γ, so daß A = p[T ] gilt.
Für einen nicht-fundierten Baum S auf γ – d.h. es gilt [S] 6= ∅ – existiert ein kanonisch definierter,
äußerster Ast lmb(S).27 Für x ∈ R sei x̃ = hxn+1 | n ∈ ωi ∈ R. Wir definieren nun die folgende
Abbildung:
(
lmb(Tx̃ )(x0 ) , falls [Tx̃ ] 6= ∅
π : R → γ, x 7→
0
, sonst.
Nun ist ran(π) ⊆ γ und daher nach dem Satz von Mostowski isomorph zu einer Ordinalzahl γ̄,
π
d.h. es existiert ein Isomorphismus ρ : ran(π) → γ̄. Wir erhalten damit eine Surjektion R ρ
ran(π) γ̄. Nach Definition von Θ ist also γ̄ < Θ.
27
Vgl. Definition 1.64.
4.5. Θ – EIN M ASS F ÜR DIE G R ÖSSE DES KONTINUUMS
115
Nach Lemma 1.73 gilt für x ∈ R, daß x ∈ A ⇔ [Tx ] 6= ∅. Für x ∈ R definieren wir yx :≡
hρ ◦ π(hniax) | n ∈ ωi. Dann ist yx ∈ γ̄ ω . Sei schließlich:
[
T ∗ :≡ {hxn, yx ni | n ∈ ω ∧ [Tx ] 6= ∅} ⊆
ω n × γ̄ n .
n∈ω
T ∗ ist offensichtlich ein Baum auf ω × γ̄. Es gilt [Tx ] 6= ∅ ⇔ yx ∈ [Tx∗ ]. Insbesondere gilt nach
dem oben gesagten A = p[T ∗ ]. Also ist A ebenfalls γ̄-Suslin.
Man beachte, daß nach Lemma 1.70 in ZFC jede Menge A ⊆ R bereits 2ℵ0 -Suslin ist. Anderer+
seits haben wir schon eingangs bemerkt, daß in ZFC gilt: Θ = 2ℵ0 . Da eine Menge genau
dann γ-Suslin ist, wenn sie |γ|-Suslin ist, erhalten wir also:
ZFC ` ℘(R) = S 2ℵ0 = S <Θ = S ∞ .
4.6
Weitere konstruktible Modelle von ADR
Nach Satz 4.2 ist L(℘(R)) ein Modell von ADR , falls ADR im Universum gilt. In diesem Abschnitt konstruieren wir unter dieser Voraussetzung differenziertere konstruktible Modelle von
ADR in dem Sinne, daß wir das Modell nicht über der ganzen Potenzmenge von R bilden, sondern
über einer echten Teilmenge von ℘(R). Dazu verwenden wir die modifizierte Wadge-Hierarchie.
Die Idee zu dieser Konstruktion stammt von Robert Solovay.28
Definition 4.40: [AD + DC(R)] Für γ < Θ sei ℘γ (R) :≡ {A ⊆ R | |A|W < γ}.
Nach Definition gilt:
γ ≤ δ < Θ ⇒ ℘γ (R) ⊆ ℘δ (R).
Wegen Lemma 4.38 erhalten wir außerdem:
℘(R) =
[
℘γ (R).
γ<Θ
Nach Satz 3.1 gilt ADR ⇒ AD und nach Lemma 3.4 gilt ADR ⇒ DC(R). Wir können also
unter der Voraussetzung von ADR die Ergebnisse über die Wadge-Hierarchie und über Θ aus den
letzten beiden Abschnitten verwenden, insbesondere gilt also unter ADR die Aussage von Lemma 4.38. Wir werden am Ende dieses Abschnitts eine monoton wachsende Funktion g : Θ → Θ
angeben, so daß wir – unter der Voraussetzung, daß ADR im Universum gilt – folgendes erhalten:
ist 1 ≤ γ < Θ unter g abgeschlossen, d.h. es ist g 00 γ ⊆ γ, dann gilt:
ADR ⇒ L(℘γ (R)) |= ADR .
Zunächst zeigen wir aber vorbereitend einige Aussagen. Um den nächsten Satz formulieren zu
können, benötigen wir Kodierungen der Auszahlungsmengen und der Strategien für Spiele GR (A).
Wir können die Auszahlungsmenge A ⊆ Rω über die in Definition 1.20 angegebene Bijektion
Γ : R ↔ Rω durch eine Teilmenge B ⊆ R kodieren. Umgekehrt können wir für jede Teilmenge
B ⊆ R das Spiel GR (Γ00 B) spielen.
28
Vgl. [Sol78], Paragraph 2.
116
K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT
<ω
Sei weiter Σ : R(R ) → ℘(R) die in Lemma 2.13 dargestellte elementare Kodierung von Strategien im Spiel GR (A) durch Teilmengen reeller Zahlen.
Wir erhalten die folgende Abgeschlossenheit von Auszahlungsmengen und Gewinnstrategien unter der Wadge-Reduzibilität:
Satz 4.41: [ADR ] Sei A ⊆ R. Dann existiert ein B ⊆ R, so daß alle Spiele über R mit einer
zu A Wadge-reduziblen Auszahlungsmenge eine Gewinnstrategie für einen Spieler besitzen, die
Wadge-reduzibel zu B ist:
∀A ⊆ R ∃B ⊆ R ∀C ⊆ R ∃D ⊆ R C ≤W A ⇒ D ≤W B ∧ Σ−1 (D) ist eine
Gewinnstrategie für einen Spieler im Spiel GR (Γ00 C) .
Beweis. Sei A ⊆ R. Wir betrachten ein Spiel Ḡ mit Zügen aus R, das uns die gewünschte Menge
B liefern wird. Die Idee des Spiels ist folgende: Spieler I wählt ein x0 ∈ R. Mit dieser reellen
Zahl bestimmt Spieler I über die Kodierung der stetigen Funktionen eine Teilmenge C ⊆ R,
die Wadge-reduzibel zu A ist. Dann entscheidet Spieler II, ob er im Spiel G∗ = GR (Γ00 C) als
Spieler I∗ oder als Spieler II∗ weiterspielen möchte. Das tut er über das erste Folgenglied der
ω-Folge y0 , mit der er auf x0 antwortet. Daraufhin spielen die beiden Spieler das Spiel G∗ . Hat
sich Spieler II entschieden, als Spieler II∗ im Spiel G∗ weiterzuspielen, dann wird der zweite Zug
x1 von Spieler I im Spiel Ḡ als erster Zug im Spiel G∗ gewertet. Hat sich Spieler II dagegen für
Spieler I∗ im Spiel G∗ entschieden, dann wird der Rest“ seines Zuges y0 im Spiel Ḡ als erster
”
Zug im Spiel G∗ gewertet. Aufgrund der Voraussetzung ADR ist das Spiel Ḡ determiniert. Wie
wir sehen werden, ist es aber Spieler II, der wegen seiner Möglichkeit, den Spieler im Spiel G∗
frei zu wählen, eine Gewinnstrategie τ für Ḡ besitzen muß. Die Kodierung Σ(τ ) dieser Strategie
liefert dann die gewünschte Menge B. Wir geben nun das Spiel Ḡ mit Zügen aus R formal an:
Spiel Ḡ:
I
II
x0
x1
y0
x2
y1
y2
...
...
00
Sei wieder cx die Kodierung der stetigen Funktionen durch reelle Zahlen. Sei weiter C :≡ c−1
x0 A.
Insbesondere ist dann C ≤W A. Sei nun G∗ :≡ GR (Γ00 C).
Ist y0 (0) = 0, dann entscheidet sich Spieler II, als Spieler II∗ im Spiel G∗ weiterzuspielen. Der
zweite Zug von Spieler I im Spiel Ḡ wird dann als erster Zug von Spieler I∗ im Spiel G∗ gewertet:
Spiel G∗ :
I
II
=
=
I∗
II∗
x1
x2
y1
x3
y2
y3
...
...
Spieler I gewinnt nun das Spiel Ḡ genau dann, wenn Spieler I∗ das Spiel G∗ gewinnt, d.h. falls
hx1 , y1 , x2 , y2 , . . .i ∈ Γ00 C gilt.
Ist y0 (0) 6= 0, dann entscheidet sich Spieler II, als Spieler I∗ im Spiel G∗ weiterzuspielen. Die
restlichen Elemente der ω-Folge y0 werden dabei als erster Zug von Spieler I∗ gewertet. Für z ∈ R
sei dazu z̃ :≡ hz(n + 1) | n ∈ ωi. Wir erhalten das folgende Spiel:
Spiel G∗ :
II
I
=
=
I∗
II∗
ỹ0
y1
x1
y2
x2
x3
...
...
4.6. W EITERE KONSTRUKTIBLE M ODELLE VON ADR
117
Spieler I gewinnt nun das Spiel Ḡ genau dann, wenn Spieler II∗ das Spiel G∗ gewinnt, d.h. falls
hỹ0 , x1 , y1 , x2 , . . .i 6∈ Γ00 C gilt.
Um einzusehen, daß das Spiel Ḡ mit den oben genannten Regeln tatsächlich ein übliches Spiel
über R ist, definieren wir:
00
Z :≡ hzn | n ∈ ωi ∈ Rω | z1 (0) = 0 ∧ hzn+2 | n ∈ ωi ∈ Γ00 (c−1
z0 A) ∨
00
z1 (0) 6= 0 ∧ hz̃1 iahzn+2 | n ∈ ωi 6∈ Γ00 (c−1
z0 A) .
Wie man leicht überprüft, gilt dann Ḡ = GR (Z). Wegen der Voraussetzung ADR ist das Spiel Ḡ
determiniert. Wir werden nun zeigen, daß Spieler II derjenige ist, der eine Gewinnstrategie in Ḡ
00
besitzt. Angenommen also, Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie σ im Spiel Ḡ. Sei C :≡ c−1
σ(∅) A.
Nun ist G∗ = GR (Γ00 C) als Spiel über R ebenfalls determiniert. Wir führen eine Fallunterscheidung durch:
Fall 1: Angenommen, Spieler I∗ besitzt eine Gewinnstrategie in G∗ . Dann besitzt Spieler II∗
ebenfalls eine mittels σ ableitbare Gewinnstrategie τ ∗ im Spiel G∗ :
τ ∗ (hz0 i) :≡ σ hσ(∅), h1iahz0 ii ;
τ ∗ (hz0 , z1 , . . . , z2n+2 i) :≡ σ hσ(∅), h1iahz0 i, z1 , z2 , . . . , z2n+2 i .
Da σ nach Voraussetzung eine Gewinnstrategie für Spieler I im Spiel Ḡ ist und y0 (0) = h1iahz0 i
(0) 6= 0 gilt, ist τ ∗ eine Gewinnstrategie für Spieler II∗ im Spiel G∗ . Widerspruch, denn es können
nicht beide Spiele eine Gewinnstrategie besitzen.
Fall 2: Angenommen, Spieler II∗ besitzt eine Gewinnstrategie in G∗ . Dann besitzt Spieler I∗
ebenfalls eine mittels σ ableitbare Gewinnstrategie σ ∗ im Spiel G∗ :
σ ∗ (∅) :≡ σ hσ(∅), h0, 0, 0, . . .ii ;
σ ∗ (hz0 , z1 , . . . , z2n+1 i) :≡ σ hσ(∅), h0, 0, 0, . . .i, z0 , z1 , . . . , z2n+1 i .
Da σ nach Voraussetzung eine Gewinnstrategie für Spieler I im Spiel Ḡ ist und y0 (0) = h0, 0, 0,
. . .i(0) = 0 gilt, ist σ ∗ eine Gewinnstrategie für Spieler I∗ im Spiel G∗ . Widerspruch.
Da einer der beiden Fälle eintreten muß, kann also Spieler I keine Gewinnstrategie im Spiel Ḡ
besitzen. Wegen ADR besitzt also Spieler II eine Gewinnstrategie τ . Sei nun C ≤W A beliebig.
00
Dann existiert ein x0 ∈ R, so daß C :≡ c−1
x0 A gilt. Sei weiter y0 :≡ τ (hx0 i). Ist y0 (0) = 0, dann
sei:
τ ∗ (hz0 , z1 , . . . , z2n i) :≡ τ (hx0 , y0 , z0 , z1 , . . . , z2n i).
Dann ist τ ∗ eine Gewinnstrategie für Spieler II∗ im Spiel GR (Γ00 C). Ist y0 (0) 6= 0, dann sei:
σ ∗ (∅) :≡ ỹ0 ;
σ ∗ (hz0 , z1 , . . . , z2n+1 i) :≡ τ (hx0 , y0 , z1 , z2 , . . . , z2n+1 i).
Dann ist σ ∗ eine Gewinnstrategie für Spieler I∗ im Spiel GR (Γ00 C).
Sei Σ die oben erwähnte Kodierung von Strategien eines Spiels über R durch Teilmengen reeller
Zahlen. Wir definieren dann B :≡ Σ(τ ). Wir zeigen nun, daß der Übergang von τ und x0 zu den
als Teilmengen von R kodierten Gewinnstrategien σ ∗ bzw. τ ∗ stetig ist, d.h. es existiert für jedes
118
K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT
00 B bzw. Σ(τ ∗ ) = f −1 00 B
x0 ∈ R eine stetige Funktion fx0 : R → R, so daß Σ(σ ∗ ) = fx−1
x0
0
gilt. Sei dazu x0 ∈ R fest gewählt und y0 :≡ τ (hx0 i). Ist y0 (0) = 0, dann sei D :≡ Σ(τ ∗ ). Wir
definieren nun fx0 : R → R durch:
(
Φ1 (hx0 , y0 , z0 , z1 , . . . , z2n i) ∗ xII , falls xI = Φ1 (hz0 , z1 , . . . , z2n i)
fx0 (x) :≡
h0, 0, . . .i
, sonst.
Dabei sei Φ1 : R<ω → R die in Definition 1.23 angegebene Injektion. Da Φ1 allerdings keine
Surjektion ist, definieren wir S :≡ {Φ1 (s) ∗ x | x ∈ R ∧ s ∈ R<ω }.
Beh. 1: fx0 S ist stetig.
Beweis. Sei x, y ∈ S. Seien dann s, t ∈ R<ω , so daß x = Φ1 (s) ∗ xII und y = Φ1 (t) ∗ yII gilt. Ist
1
d(x, y) < 22n+1
, dann ist (Φ1 (s) ∗ xII )2n = (Φ1 (t) ∗ yII )2n und damit Φ1 (s)n = Φ1 (t)n und
xII n = yII n. Ist s = hs0 , . . . , sk i und t = ht0 , . . . , t` i, dann folgt nach Definition von Φ1 : ∀m <
n Φ0 (hs0 (m), . . . , sk (m)i) = Φ0 (ht0 (m), . . . , tl (m)i) . Wegen der Eindeutigkeit der Primfak
torzerlegung gilt also k = ` und ∀m < n hs0 (m), . . . , sk (m)i = ht0 (m), . . . , tk (m)i . Also gilt
∀m < n Φ0 (hx0 (m), y0 (m), s0 (m), . . . , sk (m)i) = Φ0 (hx0 (m), y0 (m), t0 (m), . . . , tk (m)i)
und damit Φ1 (hx0 , y0 ias)n = Φ1 (hx0 , y0 iat)n. Zusammen mit xII n = yII n folgt also
1
. Also ist fx0 S stetig.
fx0 (x)2n = fx0 (y)2n, d.h. es ist d(fx0 (x), fx0 (y)) < 22n+1
(1)
00 B und damit D ≤
Nun gilt x ∈ D ⇔ fx0 (x) ∈ B, also D = fx−1
W B.
0
Ist y0 (0) 6= 0, dann sei D :≡ Σ(σ ∗ ). Wir definieren dann gx0 : R → R durch:

a

, falls xI = Φ1 (∅)

Φ1 (hx0 i) ∗ (y0 (0) xII )
gx0 (x) :≡ Φ1 (hx0 , y0 , z1 , z2 , . . . , z2n+1 i) ∗ xII , falls xI = Φ1 (hz0 , z1 , . . . , z2n+1 i)


h0, 0, . . .i
, sonst.
Man beweist ähnlich zu dem vorherigen Fall, daß auch gx0 S stetig ist. Es gilt wieder x ∈ D ⇔
gx0 (x) ∈ B, also D ≤W B.
Insgesamt gilt daher Σ(σ ∗ ) ≤W B bzw. Σ(τ ∗ ) ≤W B. Damit ist das Lemma bewiesen.
Als nächstes zeigen wir, daß ODA ({x}) für ein x ∈ R und A ⊆ R ebenfalls abgeschlossen
gegenüber der Wadge-Reduzibilität ist:
Satz 4.42: Sei x ∈ R und seien A, A0 , B, B 0 Teilmengen von R. Dann gilt:
(1) Ist B 0 ≤W B und B ∈ ODA ({x}), dann ist auch B 0 ∈ ODA ({x});
0
(2) Ist A0 ≤W A und B ∈ ODA ({x}), dann ist auch B ∈ ODA ({x}).
Beweis. (1) Sei B 0 ≤W B und es gelte B ∈ ODA ({x}). Nach Voraussetzung existiert eine stetige
Funktion f : R → R mit x ∈ B 0 ⇔ f (x) ∈ B. Da f ⊆ R × R ⊆ ℘(℘(R)) und R ∈ Vω+2
ist, gilt f ∈ Vω+5 . Wir benötigen ein θ ∈ Ord, so daß sowohl f in Vθ liegt als auch eine Formel
existiert, die B in Vθ definiert. Dann können wir anhand dieser Formel auch B 0 in Vθ definieren.
˙ Ȧ), α ∈ Ord,
Um θ zu erhalten, wenden wir den Reflektionssatz von Lévy an. Für ϕ ∈ Fml(∈,
β < α und g : R → R definieren wir:
4.6. W EITERE KONSTRUKTIBLE M ODELLE VON ADR
119
χ(v0 , α, ϕ, β, g, x) :≡ ∀v1 ∈ Vα v1 ∈ v0 ⇔ ∃v2 v2 = g(v1 ) ∧
(Vα , ∈, A ∩ Vα ) |= ϕ[v2 , β, x] .
˙ Ȧ), α ∈ Ord und β < α mit χ(B, α, ϕ,
Nach Definition von ODA ({x}) existieren ϕ ∈ Fml(∈,
β, idR , x) und B ∈ Vα (∗). Da B ⊆ R ist, muß demnach α ≥ ω + 3 sein. Nach dem Lévyschen
Reflektionssatz existiert ein θ ≥ max{α, ω + 5}, so daß die Formel (Ext) ∧ χ(v0 , . . . , v5 ) Vθ absolut ist.29 Wegen (∗) und B, α, ϕ, β, idR , x ∈ Vθ gilt also χVθ (B, α, ϕ, β, idR , x). Dann folgt:
(Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= χ(B, α, ϕ, β, idR , x)
⇒ (Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= ∀v1 ∈ Vα v1 ∈ B ⇔ ∃v2 v2 = idR (v1 )
∧ (Vα , ∈, A ∩ Vα ) |= ϕ[v2 , β, x]
⇒ (Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= ∀v1 ∈ Vα v1 ∈ B 0 ⇔ ∃v2 v2 = f (v1 )
∧ (Vα , ∈, A ∩ Vα ) |= ϕ[v2 , β, x]
da f ∈ Vθ , R ∩ Vα = R und x ∈ B 0 ⇔ f (x) ∈ B
⇒ (Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= χ(B 0 , α, ϕ, β, f, x.
Da B 0 ⊆ R ist, gilt B 0 ∈ Vθ . Da χ(v0 , α, ϕ, β, f, x) stets ein eindeutiges Objekt v0 beschreibt,
gilt wegen der Extensionalität außerdem:
(Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= ∀v0 v0 ∈ B 0 ⇔ χ(v0 , α, ϕ, β, f, x)
⇒ ∀v0 ∈ Vθ v0 ∈ B 0 ⇔ (Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= χ(v0 , α, ϕ, β, f, x) .
Es folgt, daß B 0 ∈ ODA ({x}) gilt.
0
(2) Sei A0 ≤W A und es gelte B ∈ ODA ({x}). Es existiert also eine stetige Funktion f : R → R
˙ Ȧ), α ∈ Ord, β < α und g : R → R definieren wir:
mit A0 = f −100 A. Für ϕ ∈ Fml(∈,
χ(v0 , α, ϕ, β, g, A, x) :≡ ∀v1 ∈ Vα v1 ∈ v0 ⇔ (Vα , ∈, g −100 A ∩ Vα ) |= ϕ[v1 , β, x] .
Nach dem Reflektionssatz von Lévy existiert ein θ ≥ max{α, ω + 5}, so daß die Formel (Ext) ∧
0
˙ Ȧ), α ∈ Ord
χ(v0 , . . . , v6 ) Vθ -absolut ist. Nach Definition von ODA ({x}) existiert ϕ ∈ Fml(∈,
0
und β < α, so daß χ(B, α, ϕ, β, idR , A , x) und B ∈ Vα gilt. Also ist wieder α ≥ ω + 3. Da alle
Parameter in Vθ liegen, gilt aus Gründen der Absolutheit also χVθ (B, α, ϕ, β, idR , A0 , x). Damit
folgt:
(Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= χ(B, α, ϕ, β, idR , A0 , x)
⇒ (Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= ∀v1 ∈ Vα v1 ∈ B ⇔ (Vα , ∈, A0 ∩ Vα ) |= ϕ[v1 , β, x]
⇒ (Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= ∀v1 ∈ Vα v1 ∈ B ⇔ (Vα , ∈, f −100 A ∩ Vα ) |= ϕ[v1 , β, x]
wegen f ∈ Vθ und A0 = f −100 A
⇒ (Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= χ(B, α, ϕ, β, f, A, x).
Wegen der Eindeutigkeit des durch χ(v0 , α, ϕ, β, f, A, x) beschriebenen Objekts v0 und der Extensionalität gilt:
(Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= ∀v0 v0 ∈ B ⇔ χ(v0 , α, ϕ, β, f, A, x)
29
˙ Ȧ) als ein Element von Vω .
Wir betrachten eine Formel ϕ ∈ Fml(∈,
120
K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT
⇒ ∀v0 ∈ Vθ v0 ∈ B ⇔ (Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= χ(v0 , α, ϕ, β, f, A, x) .
Da ebenfalls B ∈ Vθ gilt, folgt also B ∈ ODA ({x}).
Satz 4.43: [ADR ] Es existiert eine monoton wachsende Funktion g : Θ → Θ, so daß für alle
1 ≤ γ < Θ mit g 00 γ ⊆ γ gilt:
L(℘γ (R)) ∩ ℘(R) = ℘γ (R)
und L(℘γ (R)) |= ADR .
Beweis. Wir zeigen zunächst:
Beh. 1: Für alle η < Θ existiert ein ξ < Θ, so daß keine Menge reeller Zahlen mit Wadge-Rang
≥ ξ ordinalzahldefinierbar ist durch eine reelle Zahl und einer Menge reeller Zahlen mit WadgeRang ≤ η:
∀η < Θ ∃ξ < Θ ∀A, B ⊆ R ∀x ∈ R |A|W ≤ η ∧ |B|W ≥ ξ ⇒ B 6∈ ODA ({x}) .
Beweis. Sei η < Θ. Wähle ein A ⊆ R mit |A|W = η. Wegen Satz 4.18 existiert ein B ⊆ R, so
daß ∀x ∈ R B 6∈ ODA ({x}) gilt. Sei ξ :≡ |B|W . Wegen Satz 4.42(2) gilt dann:
0
∀A0 ⊆ R ∀x ∈ R |A0 |W ≤ η ⇒ B 6∈ ODA ({x}) .
Wegen Satz 4.42(1) gilt ebenfalls:
∀B 0 ⊆ R ∀x ∈ R |B 0 |W ≥ ξ ⇒ B 0 6∈ ODA ({x}) .
Aus beiden Aussagen zusammen folgt die Behauptung.
(1)
Wir definieren nun für η < Θ:
g0 (η) :≡ min ξ | ∀A, B ⊆ R ∀x ∈ R |A|W ≤ η ∧ |B|W ≥ ξ ⇒ B 6∈ ODA ({x}) .
Dann ist g0 : Θ → Θ und g0 ist monoton wachsend.
Nach Satz 4.41 gilt:
∀η < Θ ∃ξ < Θ ∀A ⊆ R ∃B ⊆ R |A|W ≤ η ⇒ |B|W ≤ ξ ∧ Σ−1 (B) ist eine
Wir definieren dann für η < Θ:
Gewinnstrategie für einen Spieler im Spiel GR (Γ00 A) .
g1 (η) :≡ min ξ | ∀A ⊆ R ∃B ⊆ R |A|W ≤ η ⇒ |B|W ≤ ξ ∧ Σ−1 (B) ist eine
Gewinnstrategie für einen Spieler im Spiel GR (Γ00 A) .
Dann ist g1 : Θ → Θ und g1 ist ebenfalls monoton wachsend. Sei schließlich:
g(η) :≡ max{g0 (η), g1 (η)}.
Dann ist g : Θ → Θ eine monoton wachsende Funktion. Sei nun 1 ≤ γ < Θ abgeschlossen unter
g, d.h. es gilt g 00 γ ⊆ γ.
4.6. W EITERE KONSTRUKTIBLE M ODELLE VON ADR
121
Beh. 2: L(℘γ (R)) ∩ ℘(R) = ℘γ (R).
Beweis. Da A ⊆ L(A) für jede Menge A gilt, ist ℘γ (R) ⊆ L(℘γ (R)) ∩ ℘(R). Sei andererseits
B ⊆ R mit B ∈ L(℘γ (R)). Durch einen entsprechend modifizierten Beweis von Lemma 1.93
erhalten wir ein A ∈ ℘γ (R) – also ein A ⊆ R mit |A|W = η < γ – und ein x ∈ R, so daß
L(℘γ (R)) |= B ∈ ODA ({x}) gilt. Aus Gründen der Absolutheit gilt dann auch B ∈ ODA ({x})
und nach Definition von g0 damit |B|W < g0 (η) < γ. Also ist B ∈ ℘γ (R).
(2)
Beh. 3: L(℘γ (R)) |= ADR .
Beweis. Sei C ⊆ Rω mit C ∈ L(℘γ (R)). Da die in Definition 1.20 angegebene Funktion Γ
elementar ist, existiert dann auch ein A ⊆ R mit A ∈ L(℘γ (R)) und C = Γ00 A. Nach Behauptung
(2) ist A ∈ ℘γ (R), also gilt η :≡ |A|W < γ. Insbesondere ist ξ :≡ g1 (η) < γ, d.h. das Spiel
GR (Γ00 A) besitzt eine kodierte Gewinnstrategie B ⊆ R mit |B|W ≤ ξ < γ. Damit gilt B ∈
℘γ (R), also auch B ∈ L(℘γ (R)). Sei σ :≡ Σ−1 (B). Da Σ eine elementare Kodierung ist, kann
die Strategie σ in L(℘γ (R)) wieder dekodiert werden, d.h. es gilt σ ∈ L(℘γ (R)). Analog zum
Beweis von Satz 4.2 zeigt man, daß aus Gründen der Absolutheit σ auch eine Gewinnstrategie
in L(℘γ (R)) ist. Also ist GR (C) auch in diesem Modell determiniert für jedes C ⊆ Rω mit
C ∈ L(℘γ (R)), d.h. es gilt L(℘γ (R)) |= ADR .
(3)
Damit ist der Satz bewiesen.
Lemma 4.44: Ist cof(Θ) > ω, dann existiert ein 1 ≤ γ < Θ, das abgeschlossen unter der in
Satz 4.43 angegebenen Funktion g ist, d.h. es gilt g 00 γ ⊆ γ.
Beweis. Sei cof(Θ) > ω. Angenommen, es existiert kein 1 ≤ γ < Θ, so daß g 00 γ ⊆ γ gilt. Dann
existiert also für alle 1 ≤ γ < Θ ein η < γ mit γ ≤ g(η). Wir definieren nun f : ω → Θ durch
Rekursion über n ∈ ω:
f (0) :≡ g(0)
und f (n + 1) :≡ g(f (n)).
Da g : Θ → Θ ist, gilt f : ω → Θ. Wir zeigen durch Induktion über n ∈ ω, daß ∀n ∈ ω f (n) ≤
f (n + 1) gilt. Dann ist f also monoton wachsend. Für n = 0 gilt 0 ≤ g(0). Wenden wir auf
beiden Seiten g an, dann folgt wegen der Monotonie von g: f (0) = g(0) ≤ g(g(0)) = f (1).
Angenommen nun, es gilt f (n) ≤ f (n + 1). Dann gilt wieder wegen der Monotonie von g:
f (n + 1) = g(f (n)) ≤ g(f (n + 1)) = f (n + 2). Also ist f monoton wachsend.
S
Wir zeigen nun, daß f unbeschränkt in Θ ist, d.h. es gilt ran(f ) = Θ. Sei dazu γ < Θ. Ist
γ = 0, dann gilt γ = 0 ≤ g(0) = f (0). Sei also γ ≥ 1. Nach Voraussetzung existiert ein
η0 < γ mit γ ≤ g(η0 ). Ist η0 > 0, dann gilt wieder g 00 η0 6⊆ η0 , d.h. es existiert ein η1 < η0 mit
η0 ≤ g(η1 ). Dann gilt wegen der Monotonie von g auch g(η0 ) ≤ g(g(η1 )). Solange ηn > 0 ist,
können wir diesen Prozeß fortsetzen und wir erhalten ein ηn+1 < ηn mit ηn ≤ g(ηn+1 ), also auch
g(ηn ) ≤ g(g(ηn+1 )). Wir erhalten dann eine echt absteigende Kette von Ordinalzahlen:
. . . < η3 < η2 < η1 < η0 < γ.
122
K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT
Da die Ordinalzahlen fundiert sind, kann es keine unendliche, echt absteigende Kette von Ordinalzahlen geben, d.h. es existiert ein n0 ∈ ω, so daß ηn0 = 0 gilt. Dann erhalten wir aber:
γ ≤ g(η0 ) ≤ g(g(η1 )) ≤ . . . ≤ g(g(. . . g( ηn0 ) . . .)) = g(g(. . . g(0) . . .)) = f (n0 ).
| {z }
n0 +1
Also ist f : ω → Θ monoton wachsend und unbeschränkt in Θ. Da andererseits cof(κ) das kleinste
β ist, so daß eine in κ unbeschränkte und monoton wachsende Funktion g : β → κ existiert, gilt
also cof(Θ) = ω. Das steht im Widerspruch zur Voraussetzung. Also muß ein γ < Θ mit g 00 γ ⊆ γ
existieren.
Korollar 4.45: [ADR + cof(Θ) > ω] Es existiert ein γ < Θ, so daß gilt:
L(℘γ (R)) ∩ ℘(R) = ℘γ (R)
und L(℘γ (R)) |= ADR .
Solovay nutze in seinem Artikel [Sol78] dieses Ergebnis, um zu zeigen, daß die folgende relative
Konsistenz gilt:
Kon(ZF + ADR ) ⇒ Kon(ZF + AD + ¬DC).
(∗)
Zusammen mit dem Resultat von Kechris Satz 4.3 ist daher DC unabhängig von AD. Dazu
betrachtet Solovay ein verallgemeinertes Konzept der Sharps: Sharps A# für Mengen A reeller
Zahlen. Analog zur Situation für das konstruktible Universum L konnte er mittels Ununterscheidbaren zeigen, daß aus der Existenz von A# folgt, daß die Wahrheitsmenge von L(R)[A], d.h. die
Menge der Gödelnummern von Sätzen, die in L(R)[A] gelten, im Universum definierbar ist. Daher kann man aus der Annahme, daß A# existiert, die Konsistenz aller Mengen Φ von Sätzen mit
L(R)[A] |= Φ beweisen. Andererseits konnte er zeigen, daß unter der Voraussetzung von ADR
für alle A ⊆ R die Sharps A# existieren. Daraus folgt unmittelbar:
Satz 4.46: Es gilt ZF + ADR ` Kon(ZF + AD).
Beweis. Einerseits gilt ADR ⇒ AD und damit auch L(R) |= AD nach Satz 4.1. Andererseits
impliziert ADR , daß ∅# existiert und damit die Wahrheitsmenge von L(R) = L(R)[∅] definierbar
ist.30
Da wir alle stetigen Funktionen durch reelle Zahlen elementar kodieren können, gilt für alle B ⊆
R mit B ≤W A, daß B ∈ L(R)[A] ist. Andererseits ist die Relation Wγ (X) :⇔ |X|W <
γ absolut für alle festen γ < Θ und für alle transitiven Modelle M der Mengenlehre, die die
Ordinalzahlen enthalten und so daß R ⊆ M und M |= AD + DC(R) gilt. Aus der Annahme, daß
AD im Universum gilt, folgt aber nach Satz 4.1 und Satz 4.3 bereits L(R)[A] |= AD + DC(R).
Unter ADR ist demnach für alle γ < Θ das konstruktible Modell L(℘γ (R)) eine definierbare
Subklasse von L(R)[A] für ein geeignetes A ⊆ R. Durch eine entsprechende Modifikation konnte
Solovay nun zeigen, daß ADR die Definierbarkeit der Wahrheitsmenge von L(℘γ (R)) für jedes
γ < Θ impliziert. Damit erhält man schließlich:
Satz 4.47: Es gilt ZF + ADR + cof(Θ) > ω ` Kon(ZF + ADR ).
30
Dabei ist natürlich ∅# etwas anderes als 0# !
4.6. W EITERE KONSTRUKTIBLE M ODELLE VON ADR
123
Beweis. Nach Korollar 4.45 existiert ein γ < Θ mit L(℘γ (R)) |= ADR . Andererseits impliziert
ADR , daß die Wahrheitsmenge von L(℘γ (R)) definierbar ist.
Da nach Lemma 4.37 aus ACω (℘(R)) bereits cof(Θ) > ω folgt, erhalten wir unmittelbar:
Korollar 4.48: Es gilt ZF + ADR + ACω (℘(R)) ` Kon(ZF + ADR ).
Da nach Lemma 1.7 ACω (℘(R)) aus DC(℘(R)) folgt, erhalten wir zusammen mit Gödels Zweitem Unvollständigkeitssatz:
(1) ZF + ADR 6` ACω (℘(R));
(2) ZF + ADR 6` DC(℘(R));
(3) ZF + AD 6` ACω (℘(R));
(4) ZF + AD 6` DC(℘(R)).
Insbesondere gilt also auch (∗). Dieses Ergebnis besitzt noch eine weitere Implikation. Zunächst
gilt:
Lemma 4.49: Angenommen, es existiert eine definierbare Surjektion X × Ord V und es gilt
DC(X). Dann gilt bereits DC.
Wegen Lemma 1.90 folgt also aus L(R) |= DC(R) bereits L(R) |= DC. Da analog eine in
L(℘(R)) definierbare Surjektion ℘(R) × Ord L(℘(R)) existiert, folgt entsprechend aus
L(℘(R)) |= DC(℘(R)) bereits L(℘(R)) |= DC. Wir können das Resultat von Solovay demnach so interpretieren: während Kechris in Satz 4.3 im wesentlichen AD ⇒ L(R) |= DC(R)
zeigt, können wir kein analoges Resultat für ADR und L(℘(R)) erwarten, d.h. unter ADR gilt
nicht L(℘(R)) |= DC(℘(R)).
Dieses Ergebnis von Solovay ist der Grundstein für eine differenzierte Hierarchie von Theorien,
die umso stärker werden, je größer die Kardinalzahl ist, mit der die Konfinalität von Θ fixiert wird.
Tatsächlich kann die Theorie ZF + ADR alleine keine Konfinalität von Θ fixieren. Die stärkste
Theorie der hier betrachteten Art ist dann ZF+ADR zusammen mit der Forderung, daß Θ regulär
ist. Man erhält die folgende, bezüglich der Konsistenzstärke aufsteigende Liste von Theorien, die
wir schon am Ende von Kapitel 3 erwähnt haben. Dabei folgt die Konsistenz einer der genannten
Theorien jeweils durch die Theorie unter ihr:31
ZF + ADR + cof(Θ) = ω
ZF + ADR + cof(Θ) = ω1
..
.
ZF + ADR + Θ ist regulär.
In diesem Zusammenhang sei noch einmal erwähnt, daß Solovay in diesem Artikel vermutete,
3
daß ZF + ADω die Konsistenz von ADR zusammen mit der Regularität von Θ beweist.32 Der
3
Satz 3.30 von Martin und Woodin impliziert aber, daß diese Vermutung falsch ist: ADω ist äquivalent zu ADR .
31
32
Vgl. [And], Abschnitt 13.
Vgl. [Sol78], Paragraph 6, 3.
124
K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT
Kapitel 5
Das Axiom AD+
Wir haben in Abschnitt 4.3 gesehen, daß L(R) kein Modell von ADR ist. Wir konnten durch eine
genauere Analyse der Uniformisierbarkeit die exakte Grenze des Scheiterns von L(R) als Modell
von ADR bestimmen: falls AD im Universum gilt, dann sind alle Σ21 -Mengen reeller Zahlen
uniformisierbar, während es eine Π21 -Menge gibt, die nicht uniformisierbar ist. Andererseits folgt
aus ADR die Uniformisierbarkeit aller Mengen reeller Zahlen. Mit anderen Worten: ADR + V =
L(R) ist inkonsistent.
Diese Restriktivität“ von L(R) motiviert die Einführung eines neuen Axioms als Erweiterung
”
von AD: das Axiom AD+ . Dieses Axiom kann als der Versuch interpretiert werden, möglichst
die schönen“ Eigenschaften von L(R) unter der Annahme von AD einzufangen, ohne dabei das
”
restriktive Verhalten von V = L(R)“ übernehmen zu müssen: zum Beispiel soll die Uniformi”
sierbarkeit aller Mengen möglich bleiben. Mit anderen Worten: mit AD+ versucht man möglichst
viel der Ausdrucksstärke von AD + V = L(R)“ zu erfassen, so daß es dennoch konsistent mit
”
ADR bleiben kann.
Mit dem Konzept der Uniformisierbarkeit sind die Begriffe Suslin-Menge“ und Skala“ eng ver”
”
bunden.1 Ausgehend von dem Konzept der Suslin-Mengen verallgemeinert AD+ – zumindest
formal – die Forderung von AD, so daß es allerdings immer noch schwächer als ADR bleibt.2
AD+ besteht aus drei Teilen:
(1) Das Prinzip der abhängigen Auswahlen DC(R);
(2) Eine gewisse Determiniertheitsforderung für Spiele auf Ordinalzahlen kleiner Θ der Länge
ω;
(3) Die Forderung, daß alle Mengen reeller Zahlen eine erweiterte Form von Borel-Mengen
sind.
Das Hauptresultat dieses Kapitels wird der Nachweis sein, daß unter der Voraussetzung von AD
das Axiom AD+ tatsächlich im konstruktiblen Modell L(R) gilt. Oder anders ausgedrückt: daß
AD+ tatsächlich schöne“ Eigenschaften von AD + L(R) erfaßt. Nach einem bereits erwähnten
”
Resultat von Kechris gilt unter der Voraussetzung bereits DC im Modell L(R), vgl. Satz 4.3. Um
den Nachweis von (2) und (3) erbringen zu können, werden wir im ersten Abschnitt einige substantielle Resultate zu L(R) herleiten bzw. angeben. Die entscheidenden Ergebnisse sind erstens
eine auf John R. Steel zurückgehende Analyse der kleinsten stabilen Ordinalzahl und zweitens das
1
2
Vgl. dazu Korollar 1.77, Korollar 1.86 und Satz 4.21.
Ob AD+ tatsächlich eine stärkere Forderung als AD ist, ist immer noch eine offene Frage. Wir werden später
darauf zurückkommen.
125
126
K APITEL 5. DAS A XIOM AD+
sehr wichtige Resultat von Donald A. Martin und John R. Steel, daß in L(R) die Suslin-Mengen
genau die Σ21 -Menge sind.
Im zweiten Abschnitt werden wir die oben erwähnte Determiniertheitsforderung betrachten. Das
entscheidende Resultat in diesem Abschnitt wird sein, daß unter der Voraussetzung von AD +
DC(R) für jedes ω ≤ α < Θ und jede Menge A ⊆ αω , die sowohl Suslin, als auch Co-Suslin
ist, das Spiel Gα (A) determiniert ist. Für den Beweis benötigen wir die von Alexander S. Kechris, Eugene M. Kleinberg, Yiannis N. Moschovakis und W. Hugh Woodin gezeigte Existenz von
unbeschränkt vielen starken Partitionskardinalzahlen unterhalb von Θ, vgl. Satz 2.40. Wir werden
die beiden Ergebnisse aus dem ersten Abschnitt verwenden, um daraus zu folgern, daß unter der
Voraussetzung von AD + DC(R) im Modell L(R) die Bedingung (2) erfüllt ist, nämlich daß alle
Spiele determiniert sind, deren Auszahlungsmengen aus den Urbildern von beliebigen Teilmengen
reeller Zahlen unter stetigen Funktionen f : αω → R mit α wie oben bestehen.
Im dritten Abschnitt formulieren wir die oben angesprochene Erweiterung des Begriffs der BorelMenge: das Konzept der ∞-Borel-Mengen. Wir werden zeigen, daß dieser Begriff tatsächlich eine
Erweiterung der Suslin-Menge ist, d.h. jede Suslin-Menge ist bereits eine ∞-Borel-Menge. Wir
werden durch ein ähnliches Argument wie für Bedingung (2) zeigen, daß unter der Voraussetzung
von AD + DC(R) im Modell L(R) die Bedingung (3) erfüllt ist, d.h. daß alle Teilmengen von
R schon ∞-Borel-Mengen sind. Hierbei wir entscheidend eine Eigenschaft der ∞-Borel-Mengen
eingehen, die als Lokalität der ∞-Borel-Codes bekannt ist.
Beide Beweise werden durch Widerspruch gezeigt. Dazu reflektieren wir durch eine Σ1 -Formel
ein Gegenbeispiel auf diejenige Stufe von L(R), die eine kleinere Höhe als die kleinste stabile Ordinalzahl besitzt. Es wird sich herausstellen, daß aber alle Mengen reeller Zahlen in dieser Stufe
bereits Suslin-Mengen sind. Über ein jeweiliges Lokalitätsargument – Moschovakis Coding Lemma und Lokalität der ∞-Borel-Codes – können wir aber zeigen, daß diese Stufe bereits Modell
von Bedingung (2) bzw. (3) ist, was schließlich zu einem Widerspruch führt.
5.1
Die kleinste stabile Ordinalzahl
Wir zeigen in diesem Abschnitt einige Aussagen über die kleinste stabile Ordinalzahl und werden
diese sogar exakt bestimmen. Als Grundlage diente [Ste83], Paragraph 1. Wir setzen im gesamten
Abschnitt die Theorie ZF + DC(R) voraus.
Satz 5.1: Sei σ > 1. Angenommen, es gibt kein α < σ, so daß Jα (R) ≺R
1 Jσ (R) gilt. Dann gilt:
J (R)
(1) Es existiert eine partielle Funktion h : R Jσ (R) mit h ∈ Σ1 ({R}) σ ;
(2) Ist α < σ, dann existiert eine (totale) Funktion h : R Jα (R) mit h ∈ Jσ (R).
J (R)
Beweis. (1) Sei σ > 1 mit der angegebenen Eigenschaft. Sei H :≡ Hull1 σ (R ∪ {R}) die Σ1 Skolem-Hülle gemäß Definition 1.104. Nach Lemma 1.105 existiert eine Σ1 -Skolem-Funktion f
J (R)
für Jσ (R) mit f ∈ Σ1 ({R}) σ . Nach Lemma 1.106 gilt H ≺1 Jσ (R).
H
Beh. 1: Es existiert eine partielle Funktion g : R H mit g ∈ Σ1 ({R}) .
Beweis. Wir definieren zunächst eine partielle Funktion ḡ : R<ω → Jσ (R). Für x1 , . . . , xk ∈ R
sei:
ḡhx1 , . . . , xk i :≡ f (hx1 , . . . , xk−1 , Ri, xk ).
5.1. D IE KLEINSTE STABILE O RDINALZAHL
127
J (R)
Aus f ∈ Σ1 ({R}) σ folgt:
J (R)
{f (hx1 , . . . , xk−1 , Ri, xk )} ∈ Σ1 (R ∪ {R}) σ .
Nach Definition von H ist also ḡhx1 , . . . , xk i ∈ H, insbesondere ran(ḡ) ⊆ H.
J (R)
Sei andererseits a ∈ H. Dann ist {a} ∈ Σ1 (R ∪ {R}) σ , also existieren x1 , . . . , xk ∈ R und
eine Σ1 -Formel ϕ mit:
z = a ⇔ Jσ (R) |= ϕ[z, x1 , . . . , xk , R].
J (R)
Sei A :≡ {a} und b :≡ hx1 , . . . , xk , Ri. Dann ist b ∈ Jσ (R) und A ∈ Σ1 ({b}) σ . Da f
eine Σ1 -Skolem-Funktion ist, gilt: ∃y ∈ R f (b, y) ∈ A . Insbesondere ist f (b, y) = a und nach
Definition ḡhx1 , . . . , xk , yi = a. Wir erhalten zusammen:
ḡ : R<ω H.
Es gilt g ⊆ R<ω × H und R<ω ⊆ H, also ist g ⊆ H. Sei ā :≡ (x1 , . . . , xk , h) ∈ g. Nach
J (R)
Definition ist dann a :≡ ((x1 , . . . , xk−1 , R), xk , h) ∈ f . Da f ∈ Σ1 ({R}) σ
ist, gilt z ∈
f ⇔ Jσ (R) |= ψ[z, R] für z ∈ Jσ (R) mit einer Σ1 -Formel ψ. Wegen a, R ∈ H und H ≺1 Jσ (R)
gilt daher:
ā ∈ g ⇔ a ∈ f ⇔ Jσ (R) |= ψ[a, R] ⇔ H |= ψ[a, R] ⇔ H |= ψ̄[ā, R]
H
für eine geeignete Σ1 -Formel ψ̄. Also ist ḡ ∈ Σ1 ({R}) . Nach Definition 1.23 existiert eine
H
elementare Surjektion Ψ1 : R R<ω . Man zeigt leicht, daß Ψ1 ∈ Σ1 ({R})
gilt. Sei die
H
partielle Funktion g : R H definiert durch g :≡ ḡ ◦ Ψ1 . Dann gilt auch g ∈ Σ1 ({R}) und
g ist wie gewünscht.
(1)
Da H ≺1 Jσ (R) gilt, existiert nach dem Kondensationsprinzip 1.103 ein eindeutiges β ≤ σ und
ein eindeutiger Isomorphismus π mit:
π:H∼
= Jβ (R).
Da TC({R}) ⊆ H gilt und π auf transitiven Teilmengen von H die Identität ist, gilt insbesondere
πR ∪ {R} = idR∪{R} . Sei nun x1 , . . . , xk ∈ R und ϕ eine Σ1 -Formel. Dann gilt:
Jβ (R) |= ϕ[x1 , . . . , xk ] ⇔ H |= ϕ[π −1 (x1 ), . . . , π −1 (xk )]
da π : H ∼
= Jβ (R)
⇔ H |= ϕ[x1 , . . . , xk ]
da πR ∪ {R} = idR∪{R}
⇔ Jσ (R) |= ϕ[x1 , . . . , xk ]
da H ≺1 Jσ (R), R ⊆ H.
Also gilt Jβ (R) ≺R
1 Jσ (R). Nach Voraussetzung ist daher β = σ. Zusammen mit Behauptung (1)
erhalten wir:
g
π
R H Jσ (R),
H
d.h. h :≡ π ◦ g ist die gewünschte partielle Funktion. Wegen g ∈ Σ1 ({R}) ist g ⊆ H und es
existiert eine Σ1 -Formel χ, so daß für alle x ∈ R:
g(x) = a ⇔ H |= χ[a, x, R].
K APITEL 5. DAS A XIOM AD+
128
Dann gilt h ⊆ Jα (R). Da π ein Isomorphismus zwischen H und Jσ (R) ist und π(x) = x für alle
x ∈ R und π(R) = R gilt, folgt:
H |= χ[a, x, R] ⇔ Jα (R) |= χ[π(a), x, R],
insbesondere also:
h(x) = b ⇔ Jα (R) |= χ[b, x, R].
J (R)
Also ist h ∈ Σ1 ({R}) σ .
(2) Wir geben hier nur eine Beweisskizze an. Sei α < σ. Nach Voraussetzung gilt Jα (R) 6≺R
1
Jσ (R), d.h. es existiert eine Σ1 -Formel ϕ und ~x ∈ Rk mit:
Jσ (R) |= ϕ[~x], aber Jα (R) |= ¬ϕ[~x].
Durch eventuelles Vergrößern von α können wir o.E. annehmen:
Jα+1 (R) |= ϕ[~x] und Jα (R) |= ¬ϕ[~x].
Sei ϕ(~x) ≡ ∃y ψ(~x, y) mit einer ∆0 -Formel ψ(~x, y). Da Jα+1 (R) |= ϕ[~x] gilt, existieren nach
Definition der Jensen-Hierarchie u1 , . . . , uk ∈ Jα (R) und eine Komposition F von rudimentären
Funktionen, so daß gilt:
Jα+1 (R) |= ψ[~x, F (u1 , . . . , uk )].
Es existiert eine Formel θ der Logik erster Stufe, so daß für beliebiges β ∈ Ord und u1 , . . . , uk ∈
Jβ (R) gilt:
Jβ+1 (R) |= ψ[~x, F (u1 , . . . , uk )] ⇔ Jβ (R) |= θ[~x, u1 , . . . , uk , R].
J (R)
α
Sei θ eine Σn -Formel. Sei H :≡ Hulln+1
(R ∪ {R}) die Σn+1 -Skolem-Hülle gemäß Definition 1.104. Dann gilt:
H ≺n Jα (R).
(∗)
Nach Lemma 1.103 existiert ein γ ≤ α und ein Isomorphismus π : H ∼
= Jγ (R). Da θ eine
Σn -Formel ist, Jα (R) |= θ[~x, u1 , . . . , uk , R] gilt und H der Abschluß unter Σn+1 -Formeln ist,
existieren also u1 , . . . , uk ∈ H mit:
H |= θ[~x, u1 . . . , uk , R].
Da π(x) = x für alle x ∈ R und π(R) = R ist, gilt wegen (∗) für ū1 :≡ π(u1 ), . . . , ūk :≡
π(uk ) ∈ Jγ (R):
Jγ (R) |= θ[~x, ū1 , . . . , ūk , R].
Nach Wahl von θ gilt daher:
Jγ+1 (R) |= ψ[~x, F (ū1 , . . . , ūk )]
und damit Jγ+1 (R) |= ϕ[~x]. Da aber Jβ (R) |= ¬ϕ[~x] für alle β ≤ α gilt, folgt insbesondere
γ + 1 > α, zusammen also γ = α. Deswegen ist π : H ∼
= Jα (R).
Wir können ferner eine (totale) Funktion g : R H angeben: über eine geeignete Gödelisierung
können wir Formeln als reelle Zahlen auffassen. Wir definieren dann ḡ : R<ω → Jα (R), so daß
5.1. D IE KLEINSTE STABILE O RDINALZAHL
129
ḡ(x0 , ~x) = h gilt, falls die durch x0 kodierte Formel χ eine Σn+1 -Formel ist und h ∈ Jα (R) das
eindeutige Element mit Jα (R) |= χ[h, ~x, R] ist. Ansonsten setzen wir ḡ = ∅. Dann ist ḡ(x0 , ~x) ∈
H. Wie in Teil (1) erhalten wir durch g :≡ ḡ ◦ Ψ1 eine Surjektion g : R H. Man zeigt dann,
H
S
daß g ∈ n∈ω Σn (H) gilt, d.h. es ist g ⊆ H und es existiert eine Formel χ der Logik erster
Stufe und a1 , . . . , am ∈ H, so daß für alle x ∈ R:
g(x) = a ⇔ H |= χ[x, a, a1 , . . . , am ].
Sei nun h :≡ π ◦ g. Dann gilt h : R Jα (R) und h ⊆ Jα (R). Da π ein Isomorphismus ist und
π(x) = x für alle x ∈ R gilt, folgt:
H |= χ[a, x, a1 , . . . , am ] ⇔ Jα (R) |= χ[π(a), x, π(a1 ), . . . , π(am )],
insbesondere existieren also b1 , . . . , bm ∈ Jα (R) mit:
h(x) = b ⇔ Jα (R) |= χ[b, x, b1 , . . . , bm ].
Daher ist h ∈
S
n∈ω
J (R)
Σn (Jα (R)) α . Da andererseits
rud(Jβ (R)) ∩ ℘(Jβ (R)) =
[
n∈ω
J (R)
Σn (Jβ (R)) β
für alle β ∈ Ord gilt, folgt h ∈ rud(Jα (R)) = Jα+1 (R) ⊆ Jσ (R).
Korollar 5.2: Sei σ die kleinste R-stabile Ordinalzahl. Dann ist σ auch stabil, d.h. es gilt:
Jσ (R) ≺1 L(R).
Beweis. Da σ die kleinste R-stabile Ordinalzahl ist, gibt es kein α < σ mit Jα (R) ≺R
1 Jσ (R),
R
denn sonst wäre auch Jα (R) ≺1 L(R) im Widerspruch zur Minimalität von σ. Nach Satz 5.1(1)
J (R)
existiert eine partielle Funktion h : R Jσ (R) mit h ∈ Σ1 ({R}) σ . Seien x1 , . . . , xk ∈
Jσ (R) und ϕ eine Σ1 -Formel. Sei die Σ1 -Formel ψ definiert durch:
ψ(a, y1 , . . . , yk ) :≡ ∃x1 , . . . , xk x1 = h(y1 ) ∧ . . . ∧ xk = h(yk ) ∧ ϕ(a, x1 , . . . , xk ) .
Dann gilt:
Jσ (R) |= ϕ[x1 , . . . , xk ] ⇔ Jσ (R) |= ψ[y1 , . . . , yk ]
⇔ L(R) |= ψ[y1 , . . . , yk ]
nach Annahme
⇔ L(R) |= ϕ[x1 , . . . , xk ]
da h ∈ L(R).
Also gilt Jσ (R) ≺1 L(R).
Satz 5.3 (Steel): Sei σ die kleinste R-stabile Ordinalzahl. Dann gilt:
L(R)
J (R)
(1) Σ21
= Σ1 (Jσ (R)) σ ∩ ℘(R);
L(R)
(2) ∆21
= Jσ (R) ∩ ℘(R);
L(R)
L(R)
ist die kleinste R-stabile Ordinalzahl.
= σ, d.h. δ 21
(3) δ 21
K APITEL 5. DAS A XIOM AD+
130
Beweis. (1) Sei A ⊆ R mit A ∈ Σ21
L(R)
. Nach Lemma 1.100 existiert eine ∆0 -Formel ϕ mit:3
a ∈ A ⇔ hL(R), ∈, xi |= ∃B ⊆ R ∀y ∈ R ϕ[a, y, B] .
Sei nun ψ(a, y, B, C) :≡ ∀z z ∈ B ⇒ z ∈ C ∧ ∀y y ∈ C ⇒ ϕ[a, y, B] . Dann ist ψ ebenfalls
eine ∆0 -Formel und es gilt:
a ∈ A ⇔ hL(R), ∈, xi |= ∃B ψ[a, y, B, R] .
L(R)
Also gilt A ∈ Σ1 (R ∪ {R})
. Da σ eine R-stabile Ordinalzahl ist, gilt:
∃x ∈ R ∃ψ ∈ Σ1 a ∈ A ⇔ hL(R), ∈, xi |= ψ[a] ⇔ hJσ (R), ∈, xi |= ψ[a] .
J (R)
J (R)
Also ist A ∈ Σ1 (R ∪ {R}) σ
⊆ Σ1 (Jσ (R)) σ . Es folgt:
Σ21
L(R)
J (R)
⊆ Σ1 (Jσ (R)) σ ∩ ℘(R).
J (R)
Sei umgekehrt A ⊆ R mit A ∈ Σ1 (Jσ (R)) σ . Dann existieren nach Definition x1 , . . . , xk ∈
Jσ (R) und eine Σ1 -Formel ϕ, so daß:
a ∈ A ⇔ Jσ (R) |= ϕ[a, x1 , . . . , xk ].
J (R)
Wegen Satz 5.1(1) existiert eine partielle Funktion h : R Jσ (R) mit h ∈ Σ1 ({R}) σ . Sei
die Σ1 -Formel ψ definiert durch:
ψ(a, y1 , . . . , yk ) :≡ ∃x1 , . . . , xk x1 = h(y1 ) ∧ . . . ∧ xk = h(yk ) ∧ ϕ(a, x1 , . . . , xk ) .
Dann existieren aufgrund der Surjektivität von h auch y1 , . . . , yk ∈ R, so daß:
a ∈ A ⇔ Jσ (R) |= ψ[a, y1 , . . . , yk ].
J (R)
Insbesondere gilt A ∈ Σ1 (R ∪ {R}) σ . Da σ R-stabil ist, gilt daher:
Jσ (R) |= ψ[a, y1 , . . . , yk ] ⇔ L(R) |= ψ[a, y1 , . . . , yk ].
Über h können wir andererseits Jσ (R) als Teilmenge von R kodieren. Die partielle Funktion h
selbst ist insbesondere ein Element von L(R). Außerdem können wir die endlich vielen y1 , . . . , yk
˙ ẏ, 3, 2) defi∈ R durch eine reelle Zahl y = π(y1 , . . . , yk ) elementar kodieren. Sei χ ∈ Fml(∈,
niert durch:
χ(a, B) :≡ ∃y1 , . . . , yk ∈ R y = π(y1 , . . . , yk ) ∧ hh00 B, ∈i |= ψ[a, y1 , . . . , yk ] .
˙ ẏ, 3, 2) mit:
Dann existiert also y ∈ R und χ ∈ Fml(∈,
Also ist A ∈ Σ21
3
L(R)
a ∈ A ⇔ hL(R), ∈, yi |= ∃B ⊆ R χ[a, B] .
und damit:
L(R)
J (R)
.
Σ1 (Jσ (R)) σ ∩ ℘(R) ⊆ Σ21
Man beachte, daß wir DC(R) voraussetzt haben. Damit gilt auch ACω (R) und wir können das Lemma anwenden.
5.1. D IE KLEINSTE STABILE O RDINALZAHL
131
L(R)
L(R)
, nach (1)
. Nach Definition sind A, R − A ∈ Σ21
∆21
Jσ (R)
Jσ (R)
also A, R − A ∈ Σ1 (Jσ (R))
. Damit ist A ∈ Π1 (Jσ (R))
und insgesamt A ∈
Jσ (R)
∆1 (Jσ (R))
. Nach Definition existieren also x1 , . . . , xk ∈ Jσ (R), eine Σ1 -Formel ϕ und
eine Π1 -Formel ψ, so daß:
(2) Sei A ⊆ R mit A ∈
a ∈ A ⇔ Jσ (R) |= ϕ[a, x1 , . . . , xk ] ⇔ Jσ (R) |= ψ[a, x1 , . . . , xk ].
Nach Korollar 5.2 ist σ ein stabile Ordinalzahl. Nach Satz 1.115 ist daher σ auch zulässig, also
gilt:
Jσ (R) |= KP.
Andererseits erfüllt KP das ∆1 -Aussonderungsprinzip:4 ist χ eine ∆KP
1 -Formel – d.h. es existiert
eine Σ1 -Formel ϕ0 und eine Π1 -Formel ψ 0 mit KP ` χ ⇔ ϕ0 ⇔ ψ 0 – dann gilt:
KP ` ∀x1 , . . . , xk ∀y ∃z ∀a a ∈ z ⇔ a ∈ y ∧ χ(a, x1 , . . . , xk ) .
Insbesondere gilt also für die Σ1 -Formel ϕ und x1 , . . . , xk ∈ Jσ (R):
Jσ (R) |= ∃z ∀a a ∈ z ⇔ a ∈ R ∧ ϕ[a, x1 , . . . , xk ] .
Dann ist aber z = A und somit A ∈ Jσ (R). Es gilt also:
L(R)
⊆ Jσ (R) ∩ ℘(R).
∆21
Ist andererseits A ⊆ R mit A ∈ Jσ (R), dann existiert nach Satz 5.1(1) ein x ∈ R mit h(x) = A
J (R)
und h ∈ Σ1 ({R}) σ . Für die Formel ϕ(a) :≡ a ∈ h(x) gilt dann:
a ∈ A ⇔ hL(R), ∈, xi |= ∃B ⊆ R ϕ[a, B] ⇔ hL(R), ∈, xi |= ∀B ⊆ R ϕ[a, B] .
L(R)
.
Also ist A ∈ ∆21
L(R)
(3) Ist α ∈ δ 21
, dann existiert nach Definition ein f : R α, so daß die Präwohlordnung
L(R)
2
R :≡ {(x, y) ∈ R | f (x) ≤ f (y)} ein Element von ∆21
ist und kRk = α gilt.5 Nach (2)
ist dann R ∈ Jσ (R). Da Jσ (R) ein Modell von KP ist und wir daher die kodierte Ordinalzahl
α in Jσ (R) wieder dekodieren können, gilt α ⊆ Jσ (R). Wegen der Zulässigkeit von Jσ (R) gilt
nach Lemma 1.110, daß Jσ (R) ∩ Ord = σ. Damit ist also α ≤ σ.
Sei andererseits β < σ. Dann ist β ∈ Jσ (R) und nach Satz 5.1(2) existiert insbesondere eine
Funktion h : R β mit h ∈ Jσ (R). Damit ist aber auch die Menge {hx, yi ∈ R2 | h(x) ≤
L(R)
L(R)
h(y)} ∈ Jσ (R), nach (2) also auch in ∆21
. Damit gilt β < δ 21
und deswegen σ ≤
L(R)
δ 21
.
L(R)
Korollar 5.4: Sei δ :≡ δ 21
. Dann gilt Lδ (R) ≺1 L(R).
Beweis. Nach Satz 5.3 ist δ die kleinste R-stabile Ordinalzahl. Nach Korollar 5.2 ist daher δ auch
stabil, d.h. es gilt:
Jδ (R) ≺1 L(R).
Nach Satz 1.115 ist δ zulässig, nach Lemma 1.112 ist insbesondere Jδ (R) eine zulässige Menge.
Nach Lemma 1.110 ist dann aber Jδ (R) = Lδ (R). Daraus folgt die Behauptung.
4
5
Vgl. [Dev84], Lemma I.11.4.
Zu kRk vgl. Definition 1.21.
K APITEL 5. DAS A XIOM AD+
132
Korollar 5.5: Es gilt:
L(R)
L(R)
= Σ1 (R ∪ {R})
∩ ℘(R);
(1) Σ21
L(R)
2 L(R)
= Π1 (R ∪ {R})
∩ ℘(R);
(2) Π1
L(R)
= Lδ (R) ∩ ℘(R).
(3) ∆21
Beweis. (1) Es gilt:
Σ21
L(R)
J (R)
= Σ1 (Jδ (R)) δ ∩ ℘(R)
J (R)
= Σ1 (R ∪ {R}) δ ∩ ℘(R)
L(R)
= Σ1 (R ∪ {R})
∩ ℘(R)
(2) Es ist A ∈ Π21
L(R)
gdw. R − A ∈ Σ21
L(R)
gdw. A ∈ Π1 (R ∪ {R})
∩ ℘(R).
L(R)
nach Satz 5.3
vgl. Beweis von Satz 5.3(1)
wegen Jδ (R) ≺1 L(R).
L(R)
gdw. R − A ∈ Σ1 (R ∪ {R})
∩ ℘(R)
(3) Wie im vorherigen Korollar gezeigt, gilt Jδ (R) = Lδ (R). Also folgt die Behauptung direkt
aus Satz 5.3(2).
Satz 5.6 (Martin-Steel): [AD + V = L(R)] Es gilt:
Skala Σ1 (R ∪ {R}) ∩ ℘(R) .
Beweis. Vgl. [MS83], Theorem 1.
Aus Korollar 1.86, Korollar 5.5 und Satz 5.6 zusammen erhalten wir:
Korollar 5.7: [AD + V = L(R)] Es gilt Σ21 ⊆ S ∞ .
Obwohl wir nur diese Implikation benötigen, möchte wir zur Vollständigkeit erwähnen, daß man
in der Tat auch die Umkehrung zeigen kann:
Satz 5.8: [AD + V = L(R)] Es gilt Σ21 = S ∞ .
Moschovakis hat zeigen können, daß der folgende Zusammenhang zwischen der Skala-Eigenschaft und der Uniformisierbarkeit von Mengen reeller Zahlen gilt:
Satz 5.9 (Moschovakis): Sei Γ eine Punktklasse. Wenn ∀1 Γ ⊆ Γ ist, dann gilt:
Skala(Γ) ⇒ Unif (Γ).
Beweis. Vgl. [Mos71].
Wie man leicht überprüft, erfüllt Σ21 die im Satz geforderte Bedingung. Wir erhalten also zusammen mit dem Satz von Martin und Steel:
Korollar 5.10: [AD + V = L(R)] Es gilt Unif (Σ21 ).
5.2. O RDINALZAHL -D ETERMINIERTHEIT
5.2
133
Ordinalzahl-Determiniertheit
Ziel dieses Abschnitts ist die Untersuchung von Determiniertheitsforderungen für Spiele der Länge ω mit Zügen aus einer Ordinalzahl, d.h. Spiele der Form Gα (A) für ein α ∈ Ord. Ist allerdings α überabzählbar, dann können wir nicht die Determiniertheit beliebiger Teilmengen von αω
fordern, denn wir haben schon in Satz 3.7 gesehen, daß aus der Theorie ZF die Existenz einer
Teilmenge von ω1ω folgt, die nicht determiniert ist. Damit existiert natürlich auch für jedes α ≥ ω1
eine nicht-determinierte Teilmenge von αω . Wir werden aber zeigen, daß unter der Annahme von
AD + DC(R) für Ordinalzahlen ω ≤ α < Θ und Teilmengen A ⊆ αω , die sowohl Suslin auf α
als auch Co-Suslin auf α sind, das zugehörige Spiel Gα (A) determiniert ist. Dabei werden wir die
Tatsache benutzen, daß nach Satz 2.40 in der Theorie ZF + AD + DC(R) unbeschränkt viele
Kardinalzahlen unterhalb von Θ existieren, die die starke Partitionseigenschaft besitzen, d.h. für
die gilt:
∀µ < κ κ → (κ)κµ .
Wir werden eine neue Form von Determiniertheitsforderung als Axiom formulieren, die wir mit
Ordinalzahl-Determiniertheit (ordinal determinacy) bezeichnen. Dieses Axiom wird ein Teil von
AD+ sein und fordert die Determiniertheit der Urbilder von beliebigen Mengen reeller Zahlen
unter beliebigen stetigen Funktionen αω → R für alle ω ≤ α < Θ, also die Determiniertheit von
bestimmten Spielen der Form Gα (A). Dieses Axiom ist in der Tat eine Erweiterung von AD. Das
oben angesprochene Resultat über Suslin- und Co-Suslin-Mengen zusammen mit der Abgeschlossenheit der Suslin-Punktklasse unter stetigen Funktionen wird die Grundlage des Beweises sein,
daß unter der Annahme von AD + DC(R) dieses neuen Axiom im Modell L(R) gilt. Dabei wird
entscheidend eingehen, daß nach Korollar 5.7 unter AD in L(R) jede Σ21 -Menge bereits Suslin
L(R)
ist und nach Korollar 5.4 Lδ (R) ≺1 L(R) gilt für δ = δ 21
.
Wir definieren zunächst eine Notation, die uns eine kompakte Darstellung ermöglicht. Im folgenden seien α, γ ∈ Ord mit α, γ ≥ ω und T ein Baum auf α × γ. Weiter sei κ > max{α, γ} eine
reguläre, überabzählbare Kardinalzahl.
Definition 5.11: Für s ∈ α<ω sei <s :≡ <KB (Ts × Ts ) die auf Ts eingeschränkte KleeneBrouwer-Ordnung. Nach Bemerkung 1.63 ist <s eine Wohlordnung für alle s ∈ α<ω . Sei ξ(s) :≡
otp(<s ). Ist s ⊆ t, dann gilt <s ⊆ <t , insbesondere also auch ξ(s) ≤ ξ(t). Für A ⊆ κ definieren
wir:
[A]s :≡ [A]ξ(s) = f | f : ξ(s) → A ∧ ∀u, v < ξ(s) u < v ⇒ f (u) < f (v) .
D.h. [A]s ist die Menge der streng monoton wachsenden Funktionen von otp(<s ) nach A.
S
Sei weiter x ∈ αω . Ist Tx = n∈ω Txn fundiert, dann ist nach Lemma 1.62 <x :≡ <KB (Tx ×
S
Tx ) ebenfalls eine Wohlordnung. Es gilt dann <x = n∈ω <xn . Sei in diesem Fall ξ(x) :≡
otp(<x ) und [A]x analog zu oben definiert.
S
S
Bemerkung 5.12: Es gilt Ts ⊆ n∈ω γ n . Da γ ≥ ω ist, gilt damit |Ts | ≤ n∈ω γ n = |γ| < κ.
Da <s eine Wohlordnung auf Ts ist, gilt also ξ(s) = otp(<s ) < κ. Analog gilt für x ∈ αω : falls
Tx fundiert ist, dann gilt ξ(x) < κ.
Definition 5.13: Angenommen, für ξ(s) gilt:
β < ξ(s) ⇒ ∀n ∈ ω ω · β + n < ξ(s) .
134
K APITEL 5. DAS A XIOM AD+
Sei A ⊆ κ. Für f ∈ [A]s und β < ξ(s) sei der ω-Limes von f definiert durch:6
Λf (β) :≡ sup{f (ω · β + n) | n ∈ ω}.
Dann sei:
Λs (A) :≡ {Λf | f ∈ [A]s }.
Für f ∈ [κ]s gilt Λf : ξ(s) → κ, da cof(κ) = κ > ω ist. Außerdem ist Λf ebenfalls streng
monoton wachsend. Also ist Λf ∈ [κ]s .
Für eine Teilmenge A ⊆ κ hatten wir Definition 1.42 die Menge lim(A) der Häufungspunkte
von A definiert durch: lim(A) = {λ < κ | sup(A ∩ λ) = λ}. Im Allgemeinen gilt allerdings
lim(A) 6⊆ A. Betrachten wir aber die ω-Limites, dann erhalten wir:
Lemma 5.14: Sei A ⊆ κ. Dann gilt Λs (lim(A)) ⊆ Λs (A).
Beweis. Sei f ∈ [lim(A)]s . Wir zeigen, daß ein g ∈ [A]s existiert, so daß Λf = Λg gilt. Daraus
folgt die Behauptung. Sei β < ξ(s). Da f streng monoton wachsend ist, gilt f (β) < f (β + 1).
Da f (β + 1) ∈ lim(A) ist, gilt sup(A ∩ f (β + 1)) = f (β + 1). Es existiert also ein η ∈ A mit
f (β) < η < f (β + 1). Wir definieren dann:
g : ξ(s) → A, β 7→ min{η | η ∈ A ∧ f (β) < η < f (β + 1)}.
Nach Konstruktion ist g ebenfalls streng monoton wachsend, d.h. es gilt g ∈ [A]s . Andererseits ist
g(ω · β + n) < f (ω · β + n + 1) und f (ω · β + n) < g(ω · β + n + 1), also gilt Λf (β) = Λg (β)
für alle β < ξ(s) und damit Λf = Λg .
Satz 5.15: Angenommen, es existiert ein κ ∈ Card mit κ > max{α, γ}, so daß ∀ν < κ κ →
(κ)ν2 gilt. Dann gelten die folgende Aussagen:
(i) Sei s ∈ α<ω . Angenommen, es gilt β < ξ(s) ⇒ ∀n ∈ ω ω · β + n < ξ(s) . Dann existiert
ein κ-vollständiger Ultrafilter Us auf der Menge [κ]s ;
(ii) Sei x ∈ αω . Angenommen, Tx ist fundiert und es gilt β < ξ(x) ⇒ ∀n ∈ ω ω · β + n <
ξ(x) . Dann existiert ein κ-vollständiger Ultrafilter Ux auf der Menge [κ]x ;
(iii) Diese Ultrafilter erfüllen die folgende Kohärenzeigenschaft. Sei A ⊆ [κ]s . Seien s, t ∈ α<ω ,
so daß s ⊆ t gilt und Us bzw. Ut definiert sind. Dann gilt:
A ∈ Us ⇒ {f ∈ [κ]t | f ξ(s) ∈ A} ∈ Ut .
Diese Eigenschaft gilt auch, falls s ∈ α<ω und x ∈ αω , so daß s ⊆ x gilt und Us bzw. Ux
definiert sind:
A ∈ Us ⇒ {f ∈ [κ]x | f ξ(s) ∈ A} ∈ Ux .
Beweis. (i) Sei s ∈ α<ω , so daß β < ξ(s) ⇒ ∀n ∈ ω ω · β + n < ξ(s) gilt. Ein κ mit der
angegebenen Partitionseigenschaft erfüllt nach Lemma 1.47 auch κ → (κ)22 . Nach Lemma 1.51
ist also κ regulär. Da κ > γ ≥ ω gilt, ist κ auch überabzählbar. Wir können also die weiter oben
6
Der Übergang von f zu Λf garantiert uns, daß Λf nicht stetig an Limesstellen ist, d.h. Λf ist auch streng monoton
an Limesstellen: Λf (α) > sup{Λf (β) | β < α}. Damit ist Λf keine normale Funktion. Vgl. dazu auch [Sch99],
Abschnitt 3.2.
5.2. O RDINALZAHL -D ETERMINIERTHEIT
135
genannten Definitionen und Lemmata benutzen. Demnach gilt auch ξ(s) < κ, d.h. wir können die
Partitionseigenschaft auf [κ]s anwenden.
Nach Voraussetzung können wir die Menge Λs (A) für A ⊆ κ bilden. Wir definieren nun Us als
den von der Filterbasis {Λs (C) | C ist club in κ} erzeugten Filter:
Us :≡ A ⊆ [κ]s | ∃C ⊆ κ C ist club in κ ∧ Λs (C) ⊆ A .
Beh. 1: Us ist ein Ultrafilter auf [κ]s .
Beweis. Us ist ein Filter: ∅ ist nicht club in κ, also gilt ∅ 6∈ Us . Andererseits ist κ club in κ
und nach dem oben gesagten gilt Λs (κ) ⊆ [κ]s . Also ist [κ]s ∈ Us . Nach Definition ist klar,
daß Obermengen von Filtermengen wieder im Filter liegen. Daß der Schnitt zweier Filtermengen
wieder im Filter liegt, folgt insbesondere aus Behauptung (2). Um zu zeigen, daß Us ein Ultrafilter
ist, sei A ⊆ [κ]s beliebig. Wir definieren eine Partition von [κ]s durch:
(
0 , falls Λf ∈ A
s
F : [κ] → 2, f 7→
1 , falls Λf 6∈ A.
Wegen der Partitionseigenschaft existiert ein H ⊆ κ mit |H| = κ, so daß H homogen für F ist. Ist
F 00 [H]s = {0}, dann ist Λs (H) ⊆ A. Ist andererseits F 00 [H]s = {1}, dann ist Λs (H) ⊆ [κ]s − A.
H ist unbeschränkt in κ. Angenommen, H sei nicht unbeschränkt in κ. Dann existiert ein η < κ, so
daß H ⊆ η ist. Andererseits existiert wegen |H| = κ eine Bijektion g : H ↔ κ. Wir erhalten also
S
eine Funktion g : η → κ mit ran(g) = κ, also cof(κ) ≤ η < κ. Widerspruch zur Regularität
von κ.
Nach Lemma 1.43 ist die Menge lim(H) abgeschlossen und unbeschränkt in κ. Nach Lemma 5.14
gilt Λs (lim(H)) ⊆ Λs (H). Also gilt Λs (lim(H)) ⊆ A oder Λs (lim(H)) ⊆ [κ]s − A. Nach
Definition von Us ist damit A ∈ Us oder [κ]s − A ∈ Us . Also ist Us ein Ultrafilter.
(1)
Beh. 2: Us ist κ-vollständig.
Beweis. Sei λ < κ und {Xβ | β < λ} eine Partition von [κ]s . Da κ eine unendliche Kardinalξ(s)+ξ(s)
zahl ist, gilt für ν < κ auch ν + ν < κ. Nach Voraussetzung gilt also κ → (κ)2
. Nach
ξ(s)
s
Lemma 1.52 gilt damit auch κ → (κ)λ . Wir definieren eine weitere Partition von [κ] durch:
F : [κ]s → λ, f 7→ β
falls Λf ∈ Xβ .
Wir haben weiter oben schon bemerkt, daß für f ∈ [κ]s auch Λf ∈ [κ]s gilt. Da die Xβ paarweise
S
disjunkt sind und β<λ Xβ = [κ]s gilt, ist also F wohldefiniert. Aufgrund der Partitionseigenschaft existiert ein H ⊆ κ mit |H| = κ, so daß H homogen für F ist. Daher gilt Λs (H) ⊆ Xβ0 für
ein β0 < λ. Analog zur Behauptung (1) gilt: lim(H) ist club in κ und es ist Λs (lim(H)) ⊆ Λs (H).
Nach Definition von Us gilt also Xβ0 ∈ Us . Nach Lemma 1.45 ist daher Us κ-vollständig.
(2)
Also ist Us ein κ-vollständiger Ultrafilter auf [κ]s .
(ii) Der Beweis für x ∈ αω , so daß Tx fundiert ist und β < ξ(x) ⇒ ∀n ∈ ω ω · β + n < ξ(x)
gilt, verläuft entsprechend.
K APITEL 5. DAS A XIOM AD+
136
(iii) Sei A ⊆ [κ]s und s, t ∈ α<ω mit s ⊆ t, so daß Us bzw. Ut definiert sind. Aus s ⊆ t folgt
ξ(s) ≤ ξ(t). Sei A ∈ Us . Dann existiert eine club-Menge C ⊆ κ, so daß Λs (C) ⊆ A gilt. Die
gleiche club-Menge C ist auch Zeuge für die Mitgliedschaft der angegebenen Menge in Ut , denn
es gilt:
Λg ∈ Λt (C)
⇒ g ∈ [C]t
⇒ gξ(s) ∈ [C]s
⇒ Λgξ(s) = Λg ξ(s) ∈ Λs (C) ⊆ A
da stets dom(g) = dom(Λg ) gilt
⇒ Λg ∈ {f ∈ [κ]t | f ξ(s) ∈ A} da für g ∈ [κ]t stets Λg ∈ [κ]t ist.
Also gilt Λt (C) ⊆ {f ∈ [κ]t | f ξ(s) ∈ A} und nach Definition von Ut ist die Menge ein Element
von Ut .
Sei nun s ∈ α<ω und x ∈ αω , so daß s ⊆ x gilt und Us bzw. Ux definiert sind. Dann folgt ebenfalls
ξ(s) ≤ ξ(x) und der Beweis der entsprechenden Kohärenzeigenschaft verläuft analog.
Die soeben konstruierten Ultrafilter benötigen wir für den Beweis des folgenden Satzes.
Satz 5.16 (Kechris-Kleinberg-Moschovakis-Woodin): Seien α, γ, δ ∈ Ord mit α, γ, δ ≥ ω.
Angenommen, es existiert eine Kardinalzahl κ > max{α, γ, δ} mit ∀ν < κ κ → (κ)ν2 und es
gilt DC(℘(κ)). Ist A ⊆ αω γ-Suslin und δ-Co-Suslin, dann ist Gα (A) determiniert.
Beweis. Sei T ein Baum auf α × γ, so daß A = p[T ] gilt. Durch eventuelles Anfügen von Kopien
endlicher Teilbäume von T können wir T auf endlichen Stufen derart zu einem Baum T 0 verbreitern, so daß [T 0 ] = [T ] gilt. Durch die Verbreiterung erhöhen wir den Ordnungstyp ξ(s) der
Kleene-Brouwer-Ordnung auf Ts . Wegen dieser Möglichkeit können wir also ohne Einschränkung
annehmen, daß für alle s ∈ α<ω gilt: β < ξ(s) ⇒ ∀n ∈ ω ω · β + n < ξ(s) . Wir können also
Satz 5.15 uneingeschränkt anwenden.
Wir betrachten das Spiel Gα (A):
I
II
Spiel Gα (A):
x0
x2
x1
x3
...
...
Nach Lemma 1.73 gilt x ∈ A genau dann, wenn Tx nicht-fundiert ist, d.h. Spieler II gewinnt
Gα (A) genau dann, wenn Tx fundiert ist.
Wir betrachten nun ein Hilfsspiel G∗ , bei dem Spieler II bei jedem seiner Züge zusätzlich eine
Funktion angeben muß:
Spiel G∗ :
I
II
x0
x2
hx1 , f1 i
hx3 , f3 i
...
...
Das Gewinnkriterium dieses Spiels lautet: Spieler II gewinnt G∗ genau dann, wenn folgendes gilt:
(1) x 6∈ A;
(2) f2n+1 ∈ [κ]x(2n+2) für alle n ∈ ω;
5.2. O RDINALZAHL -D ETERMINIERTHEIT
137
(3) f1 ⊆ . . . ⊆ f2i+1 ⊆ . . . ⊆ f2n+1 für alle n ∈ ω und alle i ≤ n.
Beh. 1: Das Spiel G∗ ist quasi-determiniert.
Beweis. Angenommen, hx0 , hx1 , f1 i, x2 , . . .i ist eine Partie des Spiels ist, die die Punkte (2) und
(3) erfüllt, d.h. es gilt f2n+1 ∈ [κ]x(2n+2) und f1 ⊆ . . . ⊆ f2n+1 ⊆ . . . für alle n ∈ ω. Dann ist
f :≡ supn∈ω f2n+1 wohl-definiert. Nach Definition ist f2n+1 : otp(<x(2n+2) ) → κ eine streng
S
monoton wachsende Funktion. Also ist <∗ :≡ n∈ω <x(2n+2) eine mittels f wohlordenbare Relation und es gilt <∗ = <KB (Tx ×Tx ). Nach Lemma 1.62 ist also Tx fundiert und nach dem oben
gesagten gilt x 6∈ A, d.h. Bedingung (1) ist schon automatisch erfüllt. Wenn also Spieler II verliert, dann nur, weil er eine der Bedingungen (2) oder (3) nicht erfüllen kann. Diese Entscheidung
fällt aber schon unwiderruflich nach endlich vielen Zügen, denn sei p :≡ hx0 , hx1 , f1 i, . . . , x2n i
eine schon gespielte partielle Partie, so daß f2i+1 ∈ [κ]x(2i+2) für i < n und f1 ⊆ . . . ⊆ f2n−1
gilt. Insbesondere ist f2n−1 : ξ(hx0 , . . . , x2n−1 i) → κ eine streng monoton wachsende Funktion.
Spieler II verliert nun das Spiel, weil er einen Zug hx2n+1 , f2n+1 i machen muß, so daß entweder
f2n+1 keine Erweiterung von f2n−1 ist oder f2n+1 nicht mehr streng monoton wachsend ist. In
beiden Fällen führt kein weiterer Zug von Spieler II zu einem Gewinn für ihn. Dieses Kriterium
können wir also so formulieren, daß alle Erweiterungen der endlichen Folge p – also alle Elemente einer basis-offenen Menge Op in einem geeignet gewählten und mit der Produkttopologie
ausgestattetem Raum – zu einem Verlust von Spieler II und damit zu einem Gewinn von Spieler I
führen. Das Spiel G∗ ist demnach äquivalent zu einem Spiel, dessen Auszahlungsmenge die Vereinigung von basis-offenen Mengen, also selbst eine offene Menge ist. Daher ist nach Satz 2.18
das Spiel G∗ quasi-determiniert.
(1)
Wir unterscheiden die beiden möglichen Fälle:
Beh. 2: Angenommen, Spieler I besitzt eine Quasi-Gewinnstrategie im Spiel G∗ . Dann besitzt er
auch Gewinnstrategie im Spiel Gα (A).
Beweis. Da die Züge von Spieler I Elemente von α, also aus einer wohlgeordneten Menge sind,
können wir eine Quasi-Strategie von Spieler I im Spiel G∗ zu einer Strategie ausdünnen. Wir
erhalten also bereits eine Gewinnstrategie σ ∗ für Spieler I. Wir definieren eine Gewinnstrategie σ
für Spieler I in Gα (A), indem wir die Ultrafilter Us aus Satz 5.15 benutzen, um die zusätzlichen
Züge von Spieler II in G∗ zu eliminieren“. Sei s = hx0 , x1 , . . . , x2n+1 i ∈ α2n+2 . Für jedes f ∈
”
[κ]s seien f1 , f3 , . . . , f2n+1 die zusätzlichen Züge von Spieler II, die durch f induziert werden,
d.h. für i ≤ n sei:
f2i+1 :≡ f ξ(x(2i + 2)).
Für β < α definieren wir die Mengen Zβs ⊆ [κ]s durch:
Zβs :≡ f ∈ [κ]s | σ ∗ hx0 , hx1 , f1 i, . . . , hx2n+1 , f2n+1 ii = β .
S
Es gilt β<α Zβs = [κ]s ∈ Us und Zβs ∩ Zβs 0 = ∅ für β 6= β 0 . Nach Lemma 1.45 existiert daher
genau ein β0 < α mit Zβs0 ∈ Us . Wir können also die Strategie σ im Spiel Gα (A) wie folgt
definieren:
(
[
σ ∗ (∅) , falls s = ∅
σ:
α2m → α, s 7→
β0
, falls Zβs0 ∈ Us .
m∈ω
K APITEL 5. DAS A XIOM AD+
138
Für Us -fast alle f ∈ [κ]s gilt dann:
σ(hx0 , x1 , . . . , x2n+1 i) = σ ∗ (hx0 , hx1 , f1 i, . . . , hx2n+1 , f2n+1 ii).
Angenommen, Spieler I spielt gemäß dieser Strategie σ, aber er verliert das Spiel Gα (A). Sei
x = hx0 , x1 , . . .i ∈ αω die entsprechende Partie, so daß x 6∈ A gilt. Dann ist nach dem oben
gesagten Tx fundiert, also ist <x eine Wohlordnung und die Menge [κ]x bzw. der Ultrafilter Ux
sind definiert. Für alle n ≥ 1 sei Bn ⊆ [κ]x definiert durch:
o
n
x2n
.
Bn :≡ g ∈ [κ]x | gξ(x2n) ∈ Zσ(x2n)
x2n
Für alle n ≥ 1 ist Zσ(x2n)
∈ Ux2n , also gilt wegen der Kohärenzeigenschaft der Ultrafilter:
Bn ∈ Ux . Da Ux κ-vollständig und κ > ω ist, folgt damit:
\
\
Bn ∈ Ux , insbesondere also
Bn 6= ∅.
n≥1
Sei f ∗ ∈
T
n≥1 Bn .
n≥1
Dann gilt also für alle n ≥ 1:
x2n
∗
f2n−1
:≡ f ∗ ξ(x2n) ∈ Zσ(x2n)
.
∗
ii) für alle n ∈ ω, d.h.
Damit ist σ(hx0 , x1 , . . . , x2n−1 i) = σ ∗ (hx0 , hx1 , f1∗ i, . . . , hx2n−1 , f2n−1
die Folge:
hx0 , hx1 , f1∗ i, x2 , hx3 , f3∗ i, . . .i
ist eine Partie im Spiel G∗ , bei der Spieler I gemäß seiner Strategie σ ∗ spielt. Da aber für jedes
∗
∗
∈ [κ]x(2i+2) und f1∗ ⊆ f3∗ ⊆ . . . ⊆ f2n+1
, gewinnt nach
n ∈ ω und jedes i ≤ n gilt: f2i+1
∗
den Regeln von G Spieler II dieses Spiel. Widerspruch, denn nach Voraussetzung war σ ∗ eine
(2)
Gewinnstrategie für Spieler I. Also ist σ eine Gewinnstrategie für Spieler I im Spiel Gα (A).
Beh. 3: Angenommen, Spieler II besitzt eine Quasi-Gewinnstrategie im Spiel G∗ . Dann besitzt er
auch eine Gewinnstrategie im Spiel Gα (A).
Beweis. Da die Züge von Spieler II Elemente einer Menge sind, die nicht notwendigerweise wohlgeordnet ist, können wir nicht unbedingt eine Quasi-Gewinnstrategie zu einer Gewinnstrategie
ausdünnen. Um dennoch eine Gewinnstrategie für Spieler II im Spiel Gα (A) zu erhalten, benutzen wir die Tatsache, daß A ebenfalls δ-Co-Suslin ist. Sei S ein Baum auf α × δ, so daß
¬A = αω − A = p[S] ist. Wir können wieder ohne Einschränkung annehmen, daß S die notwendige Gestalt hat, um uneingeschränkt Satz 5.15 anwenden zu können.
Wir betrachten ein weiteres Hilfsspiel G∗∗ , das genauso wie G∗ verläuft, nur daß die Rollen von
Spieler I und Spieler II vertauscht sind:
Spiel G∗∗ :
I
II
hx0 , f0 i
hx2 , f2 i
x1
Spieler I gewinnt G∗∗ genau dann, wenn folgendes gilt:
(1) x ∈ A;
x3
...
...
5.2. O RDINALZAHL -D ETERMINIERTHEIT
139
(2) f2n ∈ [κ]x(2n+1) für alle n ∈ ω;
(3) f0 ⊆ . . . ⊆ f2i ⊆ . . . ⊆ f2n für alle n ∈ ω und alle i ≤ n.
Es gilt analog zum vorherigen Fall: Spieler I gewinnt das Spiel Gα (A) genau dann, wenn Sx
fundiert ist. Entsprechend der Argumentation beim Spiel G∗ steht der Verlust für Spieler I bereits
nach endlich vielen Zügen fest. Spieler II gewinnt also genau dann, wenn die Partie Element einer
Vereinigung von basis-offenen Mengen in einem geeigneten topologischen Raum ist, d.h. das Spiel
G∗∗ ist äquivalent zu einem abgeschlossenen Spiel und daher nach Satz 2.18 quasi-determiniert.
Der analoge Beweis wie für Behauptung (2) mit vertauschten Rollen der Spieler liefert uns:
(∗) Angenommen, Spieler II besitzt eine Quasi-Gewinnstrategie im Spiel G∗∗ . Dann besitzt er
auch eine Gewinnstrategie im Spiel Gα (A).
Angenommen nun, Spieler II besitzt keine Quasi-Gewinnstrategie im Spiel G∗∗ . Dann besitzt
Spieler I wegen der Quasi-Determiniertheit des Spiels eine Quasi-Gewinnstrategie P in G∗∗ . Wir
werden zeigen, daß aufgrund von DC(℘(κ)) dann aber Spielverläufe in G∗ und G∗∗ mit derselben
Folge x = hx0 , x1 , x2 , . . .i existieren, so daß Spieler II gemäß seiner Quasi-Gewinnstrategie Q in
G∗ und Spieler I gemäß seiner Quasi-Gewinnstrategie P in G∗∗ spielt (vgl. Abbildung 5.1).
...
I
x0
x2
II
P
hx1 , f1 i
P
hx3 , f3 i
...
I
hx0 , f0 i
Q
hx2 , f2 i
Q
...
x3
...
G∗
G∗∗
II
x1
Abb. 5.1: Die beiden Hilfsspiele G∗ und G∗∗
Beh. 3.1: DC(℘(κ)) ⇒ DC(α<ω × ℘(κ × κ)).
Beweis. Angenommen, es gilt DC(℘(κ)). Da κ ≥ ℵ0 ist, existiert eine Bijektion κ ↔ κ × κ und
damit auch eine Bijektion ℘(κ) ↔ ℘(κ × κ). Nach Lemma 1.6 gilt also auch DC(℘(κ × κ)).
Andererseits gilt |℘(κ × κ)<ω | = |℘(κ × κ)|, nach Lemma 1.60 gilt also auch DC(β ×℘(κ×κ))
für alle β ∈ Ord, insbesondere DC(α<ω × ℘(κ × κ)).
(3.1)
Ist f ∈ [κ]s , dann ist insbesondere f : ξ(s) → κ. Wegen ξ(s) < κ ist f ⊆ ξ(s) × κ ⊆ κ × κ, also
f ∈ ℘(κ × κ). Für t ∈ αn+1 und f ∈ [κ]t sei fi :≡ f ξ(t(i + 1)) für i ≤ n. Insbesondere ist
fn = f . Wir definieren nun eine Relation R auf α<ω × ℘(κ × κ)) durch:
140
K APITEL 5. DAS A XIOM AD+
(hs, Xi, ht, f i) ∈ R :⇔
s = hx0 , . . . , x2n i ∧ ∃y < α t = sahyi ∧ f ∈ [κ]t ∧
hx0 , hx1 , f1 i, . . . , x2n , hy, f i ∈ Qi ∨
s = hx0 , . . . , x2n−1 i ∧ ∃z < α t = sahzi ∧ g ∈ [κ]t ∧
hhx0 , g0 i, x1 , . . . , x2n−1 , hz, gi ∈ P i .
Man beachte, daß X bei der Definition keine Rolle spielt. Ist z.B. hx0 , f0 i ein erster Zug von
Spieler I im Spiel G∗∗ gemäß seiner Strategie P , dann gilt (h∅, Xi, hx0 , f0 i) ∈ R für alle X ⊆
κ × κ. Ist nun hx1 , f1 i eine Antwort auf hx0 i von Spieler II im Spiel G∗ gemäß seiner Strategie Q, dann gilt (hx0 , Y i, hx1 , f1 i) ∈ R für alle Y ⊆ κ × κ usw. Allgemein gilt für hs, Xi ∈
a
α<ω × ℘(κ × κ): ist s = hx0 , . . . , x2n i, dann existiert ein y < α und ein f ∈ [κ]s hyi , so
daß hx0 , hx1 , f1 i, . . . , x2n , hy, f ii ∈ Q ist, da Q eine Quasi-Gewinnstrategie für Spieler II in G∗
a
ist. Ist andererseits s = hx0 , . . . , x2n−1 i, dann existiert ein z < α und ein g ∈ [κ]s hyi , so daß
hhx0 , g0 i, x1 , . . . , x2n−1 , hz, gii ∈ P ist, da P eine Quasi-Gewinnstrategie für Spieler I in G∗∗ ist.
Also gilt:
∀(s, X) ∈ α<ω × ℘(κ × κ) ∃(t, f ) ∈ α<ω × ℘(κ × κ) (hs, Xi, ht, f i) ∈ R .
Wegen DC(α<ω × ℘(κ × κ)) existiert also eine Funktion h : ω → α<ω × ℘(κ × κ), so daß
∀n ∈ ω (h(n), h(n + 1)) ∈ R gilt. Da nicht unbedingt h(0) = h∅, Xi gilt, müssen wir unter
Umständen die Folge hh(n) | n ∈ ωi noch um ein endliches Anfangsstück ergänzen. Dies ist aber
stets möglich. Wir erhalten also eine Folge der Form:
hh∅, Xi, hx0 , g0 i, hx1 , f1 i, hx2 , g2 i, hx3 , f3 i, . . .i.
Sei nun x :≡ hx0 , x1 , x2 , . . .i. Die Folge hhx0 , g0 i, x1 , hx2 , g2 i, x3 , . . .i ist nach Konstruktion eine
Partie im Spiel G∗∗ gemäß der Quasi-Gewinnstrategie P . Also ist x ∈ A. Andererseits ist die
Folge hx0 , hx1 , f1 i, x2 , hx3 , f3 i, . . .i eine Partie im Spiel G∗ gemäß der Quasi-Gewinnstrategie
Q. Also ist x 6∈ A. Widerspruch. Also muß Spieler II eine Quasi-Gewinnstrategie im Spiel G∗∗
(3)
besitzen und damit besitzt er wegen (∗) auch eine Gewinnstrategie im Spiel Gα (A).
Da G∗ quasi-determiniert ist, muß eine der Voraussetzungen der Behauptungen (2) und (3) erfüllt
sein. Damit ist das Spiel Gα (A) determiniert.
Korollar 5.17: [AD + DC(R)] Sei ω ≤ α < Θ. Ist A ⊆ αω Suslin und Co-Suslin, dann ist
Gα (A) determiniert.
Beweis. Sei ω ≤ α < Θ. Seien γ, δ ∈ Ord mit γ, δ ≥ ω, so daß A γ-Suslin und δ-Co-Suslin
ist. Nach Lemma 4.39 existieren dann auch ω ≤ γ ∗ < Θ und ω ≤ δ ∗ < Θ, so daß A γ ∗ -Suslin
und δ ∗ -Co-Suslin ist. Nach Satz 2.40 existiert eine Kardinalzahl κ < Θ mit κ > max{α, γ ∗ , δ ∗ },
so daß κ die starke Partitionseigenschaft besitzt, d.h. es gilt ∀µ < κ κ → (κ)κµ . Da ein κ
mit dieser Eigenschaft regulär ist, gilt nach Lemma 1.47 insbesondere auch ∀µ, ν < κ κ →
(κ)νµ . Da κ < Θ ist, existiert nach dem Moschovakis Coding Lemma 2.31 eine Surjektion R ℘(κ). Nach Lemma 1.6 gilt mit DC(R) also auch DC(℘(κ)). Nach Satz 5.16 ist also Gα (A)
determiniert.
5.2. O RDINALZAHL -D ETERMINIERTHEIT
141
Korollar 5.18: [AD + DC(R)] Sei ω ≤ α < Θ und f : αω → R stetig. Sei A ⊆ R Suslin und
Co-Suslin. Dann ist Gα (f −100 A) determiniert.
Beweis. Ist A ⊆ R Suslin und Co-Suslin, dann ist nach Lemma 1.74 und Bemerkung 1.75 die
Menge B :≡ f −100 A ⊆ αω ebenfalls Suslin und Co-Suslin. Nach Korollar 5.17 ist Gα (B) determiniert.
Wir haben schon zu Beginn dieses Abschnitts erwähnt, daß wir nicht die Determiniertheit der
Spiele Gα (A) für beliebige ω ≤ α < Θ und beliebige A ⊆ αω fordern können. Eine interessante
Frage ist, von welchen Mengen wir die Determiniertheit noch fordern können, ohne daß diese
Forderung inkonsistent mit ZF ist. Das letzte Korollar zeigt uns, daß dies für gewisse schöne“
”
Mengen möglich ist, in unserem Fall für die stetigen Urbilder von Mengen, die Suslin und CoSuslin sind. Wie sieht es aber mit stetigen Urbildern beliebiger Mengen reeller Zahlen aus? Wir
formulieren diese Forderung durch das nachstehende Axiom. Wir werden weiter unten sehen,
daß dieses Axiom tatsächlich eine der in der Einleitung des Kapitels angesprochenen, schönen“
”
Eigenschaften von L(R) erfaßt:
Definition 5.19: Das Axiom der Ordinalzahl-Determiniertheit (axiom of ordinal determinacy)7
sei:
ADOrd :⇔ ∀ω ≤ α < Θ ∀A ⊆ R ∀f f : αω → R ist stetig
⇒ das Spiel Gα (f −100 A) ist determiniert .
Bemerkung 5.20: Für α = ω und f ≡ idR ist das gerade die Forderung von AD, also gilt:
ADOrd ⇒ AD.
Aus Korollar 5.18 folgt unmittelbar:
Korollar 5.21: Angenommen, jede Menge reeller Zahlen ist Suslin. Dann folgt ADOrd , d.h. es
gilt S ∞ = ℘(R) ⇒ ADOrd .
Aufgrund von Satz 4.21 erhalten wir:
Korollar 5.22: [DC] Es gilt ADR ⇒ ADOrd .
Um zeigen zu können, daß L(R) unter der Annahme von AD + DC(R) tatsächlich ein Modell
von ADOrd ist, benötigen wir die folgende Aussage:
Lemma 5.23: [AD + DC(R)] Sei M ein transitives Modell von ZF∗ , so daß RV ⊆ M gilt und
jede Teilmenge reeller Zahlen aus M Suslin (im Universum) ist, d.h. es es gilt ℘(R)M ⊆ S ∞ .8
Dann ist M ein Modell der Ordinalzahl-Determiniertheit, d.h. es gilt:
M |= ADOrd .
7
8
Das Axiom wir auch als Axiom der <Θ-Determiniertheit bezeichnet.
ZF∗ bedeutet, daß in M genügend“ viele ZF-Axiome gelten, so daß die entsprechenden Beweise durchgeführt
werden können. Analysiert” man den Beweis dieses Lemmas und des Coding-Lemmas von Moschovakis, so stellt
man fest, daß keine unendlichen Schemata benötigt werden, d.h. es genügen endlich viele ZF-Axiome, die dann
sogar durch ein einziges Axiom ausgedrückt werden können.
142
K APITEL 5. DAS A XIOM AD+
L(R)
Lβ (R)
β
α
f
A
Abb. 5.2: Die Stufe Lβ (R)
Beweis. Seien A ∈ ℘(R)M, ω ≤ α < ΘM und f ∈ M, so daß f : αω → R eine in M stetige
Funktion ist. Da M ein transitives ZF∗ -Modell ist, gilt ΘM ≤ Θ. Aus Absolutheitsgründen ist
f : αω → R auch in V eine stetige Funktion. Nach Voraussetzung ist A Suslin in V. Da mit A
auch R − A ein Element von M und jede Teilmenge reeller Zahlen aus M Suslin in V ist, ist
A auch Co-Suslin in V. Nach Korollar 5.18 ist daher das Spiel Gα (f −100 A) in V determiniert,
d.h. es existiert in V eine Gewinnstrategie für einen der Spieler in diesem Spiel. Eine Strategie ist
aber eine Funktion von σ : α<ω → α und kann daher als Teilmenge S ⊆ α, d.h. als S ∈ ℘(α)
elementar kodiert werden. Seien dazu χ : α<ω ↔ α und π : α × α ↔ α zwei fest gewählte
Bijektionen, die nach den üblichen Methoden zur Bestimmung der Mächtigkeiten für alle α ≥ ω
existieren. Wir definieren dann S ⊆ α durch:
S :≡ {β | ∃s ∈ α<ω β = π(χ(s), σ(s)) }.
Da α < Θ gilt, existiert nach dem Moschovakis Coding Lemma 2.31 in V eine Funktion π :
R ℘(α) und damit ein x ∈ RV mit π(x) = S. Da nach Voraussetzung RV ⊆ M gilt und M
Modell eines ausreichend großen Fragments von ZF ist, können wir S und damit die Strategie σ
wieder in M dekodieren. Die Eigenschaft, eine Gewinnstrategie zu sein, ist absolut für transitive
Modelle.9 Also gilt für eine Gewinnstrategie σ von Spieler I oder Spieler II in V, daß σ ∈ M ist
und σ ebenfalls eine Gewinnstrategie in M ist. Wir erhalten:
M |= Gα (f −100 A) ist determiniert.
Also gilt M |= ADOrd .
Lemma 5.24: [AD + DC(R)] Es gilt L(R) |= ADOrd .
Beweis. Wir führen einen Widerspruchsbeweis. Angenommen, es existiert in L(R) ein Gegenbeispiel zu ADOrd , d.h. es gilt:
L(R) |= ∃ω ≤ α < Θ ∃A ⊆ R ∃f f : αω → R ist stetig ∧ Gα (f −100 A) ist nicht determ. .
9
Vgl. dazu auch Satz 4.1 und Satz 4.2.
5.2. O RDINALZAHL -D ETERMINIERTHEIT
143
Nach Definition von L(R) liegen diese drei Objekte α, A und f schon in einer Stufe Lβ (R) für
ein β ∈ Ord (vgl. Abbildung 5.2). Wir können β so groß wählen, daß Lβ (R) auch ein Modell von
ZF∗ des letzten Lemmas ist, d.h. es gilt:
∃β ∈ Ord Lβ (R) |= ZF∗ ∧ ∃ω ≤ α < Θ ∃A ⊆ R ∃f f : αω → R ist stetig ∧
Gα (f −100 A) ist nicht determiniert .
Dies ist eine Σ1 -Formel. Nach Korollar 5.4 gilt andererseits für δ :≡ δ 21
Lδ (R) ≺1 L(R).
L(R)
:
Also existiert ein β ∗ ∈ Ord ∩Lδ (R) = δ mit dieser Eigenschaft:
∃β ∗ < δ Lβ ∗ (R) |= ZF∗ ∧ ∃ω ≤ α < Θ ∃A ⊆ R ∃f f : αω → R ist stetig ∧
Gα (f −100 A) ist nicht determiniert . (∗)
Andererseits gilt nach Korollar 5.5:
∆21
L(R)
= Lδ (R) ∩ ℘(R).
Für eine Teilmenge A ⊆ R gilt: ist A Suslin in L(R), dann ist A auch Suslin in V. Wir erhalten
also zusammen mit Korollar 5.7:
L(R)
L(R)
L(R)
⊆ S∞
⊆ Σ21
Lβ ∗ (R) ∩ ℘(R) ⊆ Lδ (R) ∩ ℘(R) = ∆21
⊆ S∞.
Da aber auch RV ⊆ Lβ ∗ (R) gilt, folgt aus Lemma 5.23:
Lβ ∗ (R) |= ADOrd .
Das steht aber im Widerspruch zu (∗).
5.3
∞-Borel-Mengen
In Abschnitt 1.3 haben wir bereits die Punktklasse der Borel-Mengen B(R) angegeben. B(R) ist
die von den offenen Teilmengen von R erzeugte σ-Algebra, insbesondere ist B(R) gegenüber der
abzählbaren Vereinigung abgeschlossen.
Wir möchten nun das Konzept der Borel-Mengen verallgemeinern, indem wir auch überabzählbare
Vereinigungen zulassen wollen. Bei der offensichtlichen“ Verallgemeinerung durch die Betrach”
tung der γ-Algebra für γ > ω gemäß Definition 1.27 sind wir allerdings auf die Abgeschlossenheit unter wohlgeordneter γ-Vereinigungen beschränkt. Sei Bγ (R) :≡ Aγ (O) die von den offenen
Teilmengen von R erzeugte γ-Algebra. Unter der Annahme von ACω (R) gilt dann:10
B(R) = Bω1 (R) = Bω+1 (R).
Da wir aber an einer Anwendung im AD-Kontext interessiert sind und daher das Auswahlaxiom
nicht benutzen können, wollen wir uns nicht auf wohlgeordnete Folgen beschränken müssen. Deswegen möchten wir die obige, naheliegende Verallgemeinerung nicht verfolgen. Wir versuchen
10
Vgl. Lemma 1.29.
K APITEL 5. DAS A XIOM AD+
144
statt dessen einen anderen Weg zu finden, das Konzept der Borel-Mengen zu verallgemeinern.
Wir definieren dazu in diesem Abschnitt den Begriff der ∞-Borel-Menge und geben eine Kodierung dieser Mengen durch aussagenlogische Ausdrücke an. Wir werden zeigen, daß unter der
Annahme von ACω (R) dieser neue Begriff die üblichen Borel-Mengen umfaßt und sogar den
Begriff der Suslin-Menge erweitert. Wir formulieren dann die Forderung, daß alle Mengen reeller
Zahlen bereits ∞-Borel-Mengen sind, als neues Axiom und zeigen, daß unter der Annahme von
AD + DC(R) dieses Axiom im Modell L(R) gilt. Diese Forderung wird neben der OrdinalzahlDeterminiertheit den zweiten, wesentlichen Teil des Axiom AD+ ausmachen und wir haben damit
eine weitere schöne“ Eigenschaft des Modells L(R) erfassen können.
”
Nach Lemma 1.11 erfüllt R das zweite Abzählbarkeitsaxiom. Wir definieren zunächst eine konkrete abzählbare Basis der Topologie:
Definition 5.25: Sei {Os | s ∈ ω <ω } die in Definition 1.9 angegebene Basis der Topologie von
R. Sei weiter hsn | n ∈ ωi die in Definition 1.23 angegebene Abzählung von ω <ω . Wir definieren
dann O0 :≡ ∅ und On+1 :≡ Osn . Dann bildet also {On | n ∈ ω} eine Basis der Topologie, d.h.
jede offene Menge A kann dargestellt werden durch:
[
A=
On mit N ⊆ ω, N 6= ∅.
n∈N
Wir definieren nun die verallgemeinerte Form der Borel-Mengen:
W
Definition 5.26: Sei ω < γ ∈ Ord. Sei A das Alphabet {¬} ∪
α<β | β < γ ∪ {pn | n ∈ ω}
mit abzählbar vielen aussagenlogischen Variablensymbolen pn und einer infinitären Disjunktion
W
α<β . Wir definieren das aus den folgenden Regeln bestehende Kalkül:
pn
für n ∈ ω,
ϕ
,
¬ϕ
hϕα | α < βi
W
für β < γ.
α<β ϕα
Wie man leicht überprüft, besitzt dieses Kalkül eine eindeutige Zerlegung. Sei BCγ das Erzeugnis
des Kalküls. Ein aussagenlogischer Ausdruck ϕ ∈ BCγ heißt γ-Borel-Code. Durch Rekursion
über dem Kalkül definieren wir für jedes ϕ ∈ BCγ eine Teilmenge Aϕ der reellen Zahlen. Aϕ
heißt dann γ-Borel-Menge und wir sagen, daß Aϕ von ϕ kodiert wird:
(1) Ist ϕ ≡ pn für ein n ∈ ω, dann sei Aϕ :≡ On ;
(2) Ist ϕ ≡ ¬ψ für ein ψ ∈ BCγ , dann sei Aϕ :≡ R − Aψ ;
W
(3) Ist ϕ ≡ α<β ψα für ein β < γ, so daß ∀α < β ψα ∈ BCγ gilt, dann sei Aϕ :≡
S
α<β Aψα .
Wie üblich definieren wir für β < γ und hϕα | α < βi ⊆ BCγ :
^
_
ϕα :≡ ¬
¬ϕα .
α<β
α<β
W
T
V
Dann gilt für ψ :≡ α<β ϕα , daß Aψ = α<β Aϕα . Wir schreiben auch ϕ0 ∨ ϕ1 statt α<2 ϕα
V
und ϕ0 ∧ ϕ1 statt α<2 ϕα .
Sei Bγ die Punktklasse der γ-Borel-Mengen. Nach Definition gilt für γ < δ: BCγ ⊆ BCδ und
S
damit auch Bγ ⊆ Bδ . Sei schließlich BC∞ :≡ ω<γ BCγ die Menge der ∞-Borel-Codes. Für ein
ϕ ∈ BC∞ heißt Aϕ eine ∞-Borel-Menge. Sei B∞ die Punktklasse der ∞-Borel-Mengen.
5.3. ∞-B OREL -M ENGEN
145
Lemma 5.27: Ist γ ∈ Ord, so daß γ > ω gilt und γ keine Kardinalzahl ist, dann gilt BCγ =
BC|γ|+ und damit auch Bγ = B|γ|+ . Daher genügt es, nur BCκ bzw. Bκ für κ ∈ Card mit κ > ℵ0
zu betrachten.
Beweis. Sei ω < γ ∈ Ord keine Kardinalzahl. Nach Definition gilt BCγ ⊆ BC|γ|+ . Sei also
W
ϕ ∈ BC|γ|+ . Der einzige problematische Fall ist die Disjunktion. Sei ϕ = α<β ϕα für ein
W
β < |γ|+ , so daß bereits ∀α < β ϕα ∈ BCγ gilt. Wir wollen zeigen, daß schon ϕ = α<δ ϕα
für ein δ < γ gilt. Daraus folgt dann die Behauptung. Wegen β < |γ|+ gilt |β| ≤ |γ|. Also existiert
eine Surjektion f : γ β.11 Da nach Voraussetzung γ keine Kardinalzahl ist, existiert ein δ < γ
mit |δ| = |γ| und damit eine Bijektion g : δ ↔ γ. Wir definieren π :≡ f ◦ g. Dann ist π : δ β
eine Surjektion und es gilt:
_
_
ϕα .
ϕπ(α) =
α<β
α<δ
Also ist ϕ ∈ BCγ .
Bemerkung 5.28: Sei κ > ℵ0 . Die aussagenlogischen Ausdrücke aus BCκ besitzen eine eindeutige Zerlegung. Wir können ein ϕ ∈ BCκ+ als einen fundierten Baum auf κ auffassen. Nach
Lemma 5.27 gilt BCκ+ = BCκ+1 . Es gilt also bereits ϕ ∈ BCκ+1 . Wir konstruieren nun durch
Rekursion über den Aufbau von ϕ den Baum Tϕ :
(1) Ist ϕ ≡ pn für ein n ∈ ω, dann sei Tϕ :≡ {∅, hn + 2i};
(2) Ist ϕ ≡ ¬ψ für ein ψ ∈ BCκ+1 , dann sei Tϕ :≡ {∅} ∪ h0iaTψ ;12
W
(3) Ist ϕ ≡ α<β ψα für ein β ≤ κ, so daß ∀α < β ψα ∈ BCκ+1 gilt, dann sei Tϕ :≡
S
{∅, h1i} ∪ α<β h1, αiaTψα .
Es gilt [Tϕ ] = ∅, da ϕ ein Element aus dem Erzeugnis des Kalküls ist. Also ist Tϕ ein fundierter
Baum auf κ.
Ist κ eine Limeskardinalzahl, dann gilt nach Konstruktion:
[
BCκ =
BCλ+ .
λ<κ
Ist also ϕ ∈ BCκ , dann ist ϕ ∈ BCλ+ für ein λ < κ und wir können ϕ nach dem obigen Argument
als einen fundierten Baum auf λ und damit auch als einen fundierten Baum auf κ auffassen. Der
Baum Tϕ beschreibt exakt den Aufbau von ϕ, d.h. wir können ϕ aus Tϕ eindeutig rekonstruieren.
Gilt das Auswahlaxiom, dann erhalten wir:
Lemma 5.29: [AC] Alle Teilmengen von R sind Θ-Borel, d.h. es gilt ℘(R) = BΘ . Insbesondere
folgt aus ZFC + CH, daß alle Teilmengen von R bereits ω2 -Borel sind.
Beweis. Sei B ⊆ R. Wegen AC ist A wohlordenbar, d.h. es existiert eine Bijektion f : B ↔ γ
für ein γ ∈ Ord. Wir definieren dann:
(
f (x) , falls x ∈ B
g : R → γ, x 7→
0
, sonst.
11
12
Hierfür wird das Auswahlaxiom nicht benötigt.
S
Für s ∈ κ<ω und einen Baum T auf κ sei sa T :≡ {sa t | t ∈ T }.
146
K APITEL 5. DAS A XIOM AD+
Dann ist g : R γ, also gilt nach Definition von Θ bereits γ < Θ. Außerdem ist B =
S
−1 (α)}. Für jedes α < γ ist die einpunktige Menge {f −1 (α)} ⊆ R abgeschlossen,
α<γ {f
also ihr Komplement offen. Es existieren also ϕα ∈ BCω1 mit {f −1 (α)} = Aϕα (vgl. dazu das
W
folgende Lemma). Für ψ :≡ α<γ ϕα gilt B = Aψ ∈ BΘ . Nach Abschnitt 4.5 gilt außerdem in
ZFC + CH, daß Θ = ω2 ist. Daraus folgt die Behauptung.
Unter einer schwachen Form von Auswahlprinzip sind die ∞-Borel-Mengen tatsächlich eine Erweiterung der üblichen Borel-Mengen:
Lemma 5.30: [ACω (R)] Es gilt B(R) = Bω1 .
Beweis. Für ϕ ∈ BCω1 ist Aϕ nach Rekursionsvorschrift eine Menge, die aus endlich-facher
Anwendung der Komplementbildung und abzählbarer Vereinigung aus offenen Mengen entsteht,
d.h. es ist Aϕ ∈ B(R). Also gilt Bω1 ⊆ B(R). Andererseits gilt nach Voraussetzung ACω (R),
nach Lemma 1.29 ist daher:
[
Σ0α .
B(R) =
1≤α<ω1
Wir zeigen durch Induktion über 1 ≤ α < ω1 , daß Σ0α ⊆ Bω1 gilt. Daraus folgt die Behauptung.
Wir führen den Fall α = 1 explizit aus: Sei B ∈ Σ01 . Nach Definition ist B eine offene Teilmenge
S
von R. Es existiert daher eine Menge N ⊆ ω, N 6= ∅ mit B = n∈N On . Sei n0 ∈ N beliebig.
Wir definieren dann:
(
n , falls n ∈ N
f : ω → ω, n 7→
n0 , sonst.
W
Sei weiter ϕ :≡ n∈ω pf (n) . Dann ist ϕ ∈ BCω1 und es gilt:
Aϕ =
[
n∈ω
Of (n) =
[
On = B.
n∈N
Insbesondere ist also B ∈ Bω1 und damit Σ01 ⊆ Bω1 .
Für den Induktionsschritt nehmen wir nun an, daß Σ0β ⊆ Bω1 für alle β < α < ω1 gilt. Sei
S
B ∈ Σ0α . Nach Definition ist dann B = n∈ω Bn mit Bn ∈ Π0βn und βn < α, also R−Bn ∈ Σ0βn
für alle n ∈ ω. Nach Induktionsvoraussetzung ist R − Bn ∈ Bω1 für jedes n ∈ ω, d.h. es existiert
ein ω1 -Borel-Code ϕ von Bn . Nach Bemerkung 5.28 können wir ϕ als fundierten Baum auf ω, d.h.
als Teilmenge von ω <ω auffassen. Sei Φ0 : ω <ω ,→ ω und Ψ0 : ω ω <ω die in Definition 1.23
angegebenen Funktionen, so daß Ψ0 ◦ Φ0 ≡ idω<ω gilt. Sei π : R ↔ ℘(ω) eine Bijektion.
Dann ist Cn :≡ {π −1 (Φ000 ϕ) | ϕ ∈ BCω1 ∧Bn = Aϕ } eine – nach Voraussetzung nicht-leere –
Teilmenge von R. Wegen ACω (R) können wir also für jedes n ∈ ω ein cn ∈ Cn wählen. Sei
W
dann ϕn :≡ Ψ000 (π(cn )) ∈ BCω1 . Nach Konstruktion gilt Bn = Aϕn . Sei weiter ψ :≡ n∈ω ϕn .
S
S
Dann ist ψ ∈ BCω1 und es gilt Aψ = n∈ω Aϕn = n∈ω Bn = B, insbesondere also B ∈ Bω1 .
Es folgt Σ0α ⊆ Bω1 . Damit ist das Lemma bewiesen.
Bemerkung 5.31: Das letzte Resultat ist eigentlich eine Verallgemeinerung des Satzes von Suslin 1.37, der besagt, daß unter der Annahme von ACω (R) gilt: B(R) = ∆11 . Nach Lemma 1.71
5.3. ∞-B OREL -M ENGEN
147
sind daher die Borel-Mengen gerade die Mengen, die ω-Suslin und ω-Co-Suslin sind und tatsächlich kann man zeigen: ist eine Menge A reeller Zahlen κ-Suslin und κ-Co-Suslin für κ ≥ ℵ0 , dann
besitzt A einen κ+ -Borel-Code.13
Wir müssen in einem Kontext ohne AC allerdings vorsichtig sein: ist hϕα | α < βi eine Folge
S
von ∞-Borel-Codes, dann ist nach Definition α<β Aϕα eine ∞-Borel-Menge. Ist andererseits
hBα | α < βi eine Folge von ∞-Borel-Mengen, dann wissen wir ohne Auswahlaxiom nicht,
S
ob α<β Bα ebenfalls eine ∞-Borel-Menge ist, da wir – wie wir im Beweis des letzten Lemmas gesehen haben – für jedes Bα einen Borel-Code auswählen müssen! Tatsächlich ist es immer
noch eine offene Frage, ob B∞ abgeschlossen unter abzählbarer oder gar beliebiger wohlordenbarer Vereinigung ist, d.h. ob Bγ eine γ-Algebra bildet und daher mit der Eingangs definierten
Punktklasse Bγ (R) übereinstimmt. Es gilt allerdings:
Lemma 5.32: [AD] Sei ℵ0 < κ < Θ. Dann ist Bκ abgeschlossen unter abzählbarer Vereinigung
S
und abzählbarem Durchschnitt, d.h. ist {Bn | n ∈ ω} ⊆ Bκ , dann ist auch n∈ω Bn ∈ Bκ und
T
n∈ω Bn ∈ Bκ .
Beweis. Der Beweis verläuft im wesentlichen wie derjenige des vorherigen Lemmas mit dem
Unterschied, daß wir statt der Bijektion R ↔ ℘(ω) das Moschovakis Coding Lemma 2.31 benutzen. Dieses sichert uns die Existenz einer Surjektion π : R ℘(κ) für κ < Θ. Sei also
{Bn | n ∈ ω} ⊆ Bκ , d.h. für alle n ∈ ω existiert ein ϕ ∈ BCκ , so daß Bn = Aϕ ist. Wir
können in jedem Fall ϕ nach Bemerkung 5.28 als einen fundierten Baum auf κ, also als Teilmenge von κ<ω auffassen. Da ℵ0 < κ ist, existiert eine Bijektion χ : κ<ω ↔ κ, d.h. es ist
χ00 ϕ ⊆ κ. Nach dem Moschovakis Coding Lemma existiert eine Surjektion π : R ℘(κ). Sei
S
Cn :≡ {π −100 ({χ00 ϕ}) | ϕ ∈ BCκ ∧Bn = Aϕ } ⊆ R. Nach Voraussetzung ist Cn 6= ∅ für alle
n ∈ ω. Nach Satz 2.24 gilt mit AD auch ACω (R). Wir können also für jedes n ∈ ω ein cn ∈ Cn
auswählen. Dann existiert für jedes n ∈ ω ein ϕ ∈ BCκ mit Bn = Aϕ und cn ∈ π −100 ({χ00 ϕ}),
insbesondere also π(cn ) ∈ {χ00 ϕ}, d.h. π(cn ) = χ00 ϕ. Sei nun ϕn :≡ χ−100 (π(cn )). Dann gilt
W
nach Konstruktion Bn = Aϕn . Sei also ψ :≡ n∈ω ϕn . Da ℵ0 < κ gilt, ist ψ ∈ BCκ und
V
S
S
es ist Aψ = n∈ω Aϕn = n∈ω Bn ∈ Bκ . Analog gilt ψ 0 :≡ n∈ω ϕn ∈ BCκ und damit
T
T
Aψ0 = n∈ω Aϕn = n∈ω Bn ∈ Bκ .
Wir werden nun zeigen, daß die ∞-Borel-Mengen auch eine Erweiterung der Suslin-Mengen sind.
Der Beweis ist die Verallgemeinerung eines Ergebnisses von Wacław Sierpiński, wonach jede Σ11 Menge Vereinigung von ω1 vielen Borel-Mengen ist:14
Satz 5.33: Sei B ⊆ R κ-Suslin für ein κ ∈ Card mit κ ≥ ℵ0 . Dann besitzt B einen κ++ -BorelCode. Es gilt also S κ ⊆ Bκ++ und insbesondere S ∞ ⊆ B∞ .
Beweis. Sei B ⊆ R κ-Suslin, d.h. es existiert ein Baum T auf ω × κ mit B = p[T ]. Sei C :≡
R − B das Komplement von B. Sei ρx :≡ ρTx die Rang-Funktion für den Baum Tx auf κ gemäß
Definition 1.65. Nach Bemerkung 1.67 gilt kTx k = sup{ρx (s) + 1 | s ∈ Tx } ≤ κ+ und kTx k <
κ+ genau dann, wenn Tx fundiert ist. Für T 6= ∅ gilt außerdem kTx k = ρx (∅) + 1.
13
14
Vgl. [Kec78], Theorem 3.6.
Vgl. [Kec94], Theorem 25.16.
K APITEL 5. DAS A XIOM AD+
148
Für α < κ+ und s ∈ κ<ω definieren wir:
Csα :≡ {x ∈ R | ρx (s) < α}.
Mit Lemma 1.73 folgt:
x ∈ C ⇔ Tx ist fundiert
⇔ kTx k < κ+
⇔ ∃α < κ+ ρx (∅) < α
⇔ ∃α < κ+ x ∈ C∅α .
Insbesondere folgt daher:
C=
[
C∅α .
α<κ+
Angenommen, wir hätten nun für alle α < κ+ einen κ+ -Borel-Code ϕα :≡ ϕα∅ von C∅α . Dann ist
W
offensichtlich ψ :≡ α<κ+ ϕα ein κ++ -Borel-Code von C und daher ¬ψ ein κ++ -Borel-Code
von B, insbesondere also B ∈ Bκ++ . Es bleibt zu zeigen, daß wir für jedes Csα einen kanonischen
κ+ -Borel-Code angeben können. Obwohl wir eigentlich nur den Fall s = ∅ benötigen, müssen wir
bei der Argumentation alle s ∈ κ<ω berücksichtigen, damit die Induktion funktioniert. Wir führen
also simultan für alle s eine Induktion nach α < κ+ durch:
α = 0“ Es ist Cs0 = ∅, da auch für s 6∈ Tx nach Definition der Rang-Funktion ρx (s) = 0 ist. Also
” 0
ist ϕs :≡ p0 ein κ+ -Borel-Code von Cs0 .
α = β + 1“: Angenommen, für alle t ∈ κ<ω sei bereits ein κ+ -Borel-Code ϕβt von Ctβ gegeben.
”
Sei s ∈ κ<ω . Für x ∈ R gilt:
x ∈ Csβ+1 ⇔ ρx (s) < β ∨ ρx (s) = β.
Nach Definition von ρx gilt ρx (s) = sup{ρx (sahγi) + 1 | γ < κ ∧ sahγi ∈ Tx }. Für x ∈ R mit
T
ρx (s) = β gilt also: ∀γ < κ ρx (sahγi) < β , insbesondere ist x ∈ γ<κ Csβa hγi . Es folgt:
Csβ+1 = Csβ ∪
\
Csβa hγi .
γ<κ
Nach Induktionsvoraussetzung existiert ein κ+ -Borel-Code ϕβs von Csβ und für jedes γ < κ ein
κ+ -Borel-Code ϕβsa hγi von Csβa hγi . Sei:
ϕαs :≡ ϕβs ∨
^
ϕβsa hγi .
γ<κ
Dann ist ϕαs ∈ BCκ+ und es gilt Csα = Aϕαs .
Lim(α)“: Angenommen, für alle t ∈ κ<ω und alle β < α sei bereits ein κ+ -Borel-Code ϕβt von
”β
Ct gegeben. Sei s ∈ κ<ω . Offensichtlich gilt:
[
Csα =
Csβ .
β<α
Da α < κ+ , ist also ϕαs :≡
W
β
β<α ϕs
ein κ+ -Borel-Code von Csα .
Für jedes α < κ+ ist also ein κ+ -Borel-Code von C∅α gegeben. Damit ist der Satz bewiesen.
5.3. ∞-B OREL -M ENGEN
149
Bemerkung 5.34: Die Umkehrung des Satzes gilt im Allgemeinen nicht, denn z.B. sind nach
Lemma 5.44 unter AD + DC(R) im Modell L(R) alle Teilmengen reeller Zahlen ∞-Borel.
Andererseits gibt es nach Korollar 4.23 unter der Annahme von AD in L(R) Teilmengen von R,
die nicht Suslin sind.
Nach Lemma 4.35 ist die Punktklasse der γ-Suslin-Mengen abgeschlossen unter der WadgeReduzibilität. Das gleiche gilt auch für die Punktklasse der κ-Borel-Mengen. Insbesondere sind
die Punktklassen Bκ tatsächlich Fettdruck-Punktklassen:
Lemma 5.35: Sei κ > ℵ0 . Bκ ist abgeschlossen unter der Wadge-Reduzibilität, d.h. ist C ∈ Bκ
und ist B ⊆ R, so daß B ≤W C gilt, dann ist auch B ∈ Bκ .
Beweis. Sei C ∈ Bκ und B ⊆ R mit B ≤W C. Dann existiert eine stetige Funktion f : R → R
mit B = f −100 C. Wir fixieren nun ein derartiges f . Das Urbild von offenen Mengen unter stetigen
Funktionen ist wieder offen, insbesondere gilt also für alle n ∈ ω:
[
Om für ein Mn ⊆ ω mit Mn 6= ∅.
f −100 On =
m∈Mn
Für jedes n ∈ ω sei mn ∈ Mn beliebig gewählt.15 Wie im Beweis von Lemma 5.30 definieren wir
für jedes n ∈ ω:
(
m
, falls m ∈ Mn
πn : ω → ω, m 7→
mn , sonst.
Mit dieser Notation gilt also für alle n ∈ ω:
f −100 On =
[
Oπn (m) .
m∈ω
S
Man beachte, daß wir O0 = ∅ definiert haben, also gilt auch ∅ = m∈ω O0 . Wir definieren
nun durch Rekursion über den Aufbau einer Formel ϕ ∈ BCκ die Formel ϕf , indem wir jedes
W
Auftreten einer Variablen pn durch den Ausdruck m∈ω pπn (m) substituieren:
W
(1) Ist ϕ = pn für ein n ∈ ω, dann sei ϕf :≡ m∈ω pπn (m) ;
(2) Ist ϕ = ¬ψ für ein ψ ∈ BCκ , dann sei ϕf :≡ ¬ψ f ;
W
W
(3) Ist ϕ ≡ α<β ψα für ein β < κ und hψα | α < βi ⊆ BCκ , dann sei ϕf :≡ α<β ψαf .
Man beachte, daß ϕf durch die Funktionen πn von f abhängt. Wegen κ > ℵ0 ist ϕf ebenfalls ein
κ-Borel-Code, d.h. es gilt ϕf ∈ BCκ .
Beh. 1: Für ϕ ∈ BCκ gilt f −100 Aϕ = Aϕf .
Beweis. Wir zeigen die Aussage durch Induktion über den Aufbau der Formel ϕ:
(1) Ist ϕ = pn für ein n ∈ ω, dann ist:
f −100 Aϕ = f −100 On =
[
m∈ω
15
Oπn (m) = AW m∈ω pπn (m) = Aϕf ;
Da ω wohlgeordnet ist, brauchen wir für diese Auswahl kein weiteres Auswahlprinzip. Man kann z.B. das minimale
Element von Mn wählen.
K APITEL 5. DAS A XIOM AD+
150
(2) Ist ϕ = ¬ψ für ein ψ ∈ BCκ , dann ist:
IV
f −100 Aϕ = f −100 (R − Aψ ) = R − f −100 Aψ = R − Aψf = A¬ψf = Aϕf ;
(3) Ist ϕ ≡
W
α<β
ψα für ein β < κ und hψα | α < βi ⊆ BCκ , dann ist:
f −100 Aϕ = f −100
[
α<β
[
[
IV
Aψf = AW
f −100 Aψα =
Aψα =
α
α<β
α<β
α<β
f
ψα
= Aϕf .
(1)
Sei nun ϕ ∈ BCκ ein κ-Borel-Code von C, d.h. es gilt C = Aϕ . Dann ist also ϕf ∈ BCκ und es
gilt:
B = f −100 C = f −100 Aϕ = Aϕf .
Also gilt B ∈ Bκ und das Lemma ist bewiesen.
Wir definieren nun das folgende Axiom, das später ein Teil von AD+ sein wird:
Definition 5.36: ∞-Borel :⇔ B∞ = ℘(R), d.h. jede Teilmenge der reellen Zahlen ist ∞-Borel.
Aus Satz 5.33 folgt unmittelbar:
Korollar 5.37: Angenommen, jede Menge reeller Zahlen ist Suslin. Dann folgt ∞-Borel.
Nach Satz 4.21 erhalten wir daher:
Korollar 5.38: [DC] Es gilt ADR ⇒ ∞-Borel.
Wir werden nun zeigen, daß dieses Axiom tatsächlich eine Eigenschaft von L(R) unter der Annahme von AD + DC(R) ausdrückt, d.h. daß dann L(R) ein Modell von ∞-Borel ist. Dazu
benötigen wir die folgende wichtige Eigenschaft der ∞-Borel-Codes unter eben dieser Voraussetzung: sie sind nicht wesentlich höher in der Wadge-Hierarchie als die Menge, die sie kodieren.
Diese Eigenschaft wird als Lokalität der ∞-Borel-Codes bezeichnet. Wir definieren zunächst:
Definition 5.39: Sei x ∈ R und A ⊆ R. Sei A3 (x, A) die Struktur der Arithmetik dritter Stufe in
x und A, also wie die Struktur A3 (x) in Definition 1.96 mit einem weiteren Prädikat A. Analog
zu Bemerkung 1.97 sei die analytische Hierarchie in x und A wie folgt definiert. Für n ∈ ω und
B ⊆ Rk sei:
˙ ẋ, Ȧ, 2, 1) b ∈ B ⇔
B ∈ Σ1n (x, A) :⇔ ∃ϕ ∈ Fml(∈,
A3 (x, A) |= ∃1 y1 ∀1 y2 . . . Qyn ϕ[a, y1 , . . . , yn ] .
Dabei sei Q = ∀1 , falls n gerade und Q = ∃1 , falls n ungerade ist. Π1n (x, A) sei entsprechend
definiert. Die projektive Hierarchie in A sei definiert durch:
[
Σ1n (A) :≡
Σ1n (x, A).
x∈R
Entsprechend sei Π1n (A) definiert. Sei wie üblich ∆1n (A) :≡ Σ1n ∩ Π1n . Eine Menge B ⊆ Rk
S
heißt projektiv in A, falls B ∈ Σ1ω (A) :≡ n∈ω Σ1n (A) gilt.
5.3. ∞-B OREL -M ENGEN
151
Für eine Präwohlordnung sei ρ die assozierte Rangfunktion und kk die Länge der Präwohlordnung gemäß Definition 1.79. Dann seien die in A projektiven Ordinalzahlen definiert durch:
δ 1n (A) :≡ sup α ∈ Ord | es existiert ein Präwohlordnung von R
mit ∈ ∆1n (A) und kk = α .
Mit diesen Notationen können wir die folgende Aussage über die Komplexität eines ∞-BorelCodes formulieren:16
Satz 5.40 (Lokalität der ∞-Borel-Codes): [AD + DC(R)] Sei A ∈ B∞ . Dann existiert ein
κ ∈ sup{δ 1n (A) | n ∈ ω} mit A ∈ Bκ .
Wir zeigen nun, wie wir daraus das angestrebte Resultat erhalten, daß L(R) unter den genannten
Voraussetzungen ein Modell von ∞-Borel ist. Aus dem Satz folgt zunächst mit einer Version des
Moschovakis Coding Lemmas:
Korollar 5.41: [AD + DC(R)] Sei A ∈ B∞ . Dann gilt A = Aϕ für ein ϕ ∈ BC∞ , so daß ϕ
selbst durch eine Menge reeller Zahlen und eine Präwohlordnung von R kodiert wird, die beide
projektiv in A sind.
Beweis. Sei A ∈ B∞ . Sei die in A projektive Präwohlordnung von R gemäß Satz 5.40, so daß
für κ :≡ kk ein ϕ ∈ BCκ mit A = Aϕ existiert. Wie wir in Lemma 5.32 bereits gesehen haben,
können wir ϕ als einen fundierten Baum auf κ und daher als Teilmenge C ⊆ κ auffassen. Sei
ρ :≡ ρ die assozierte Norm der Präwohlordnung gemäß Definition 1.21. Dann gilt ρ : R κ.
Sei weiter:
B :≡ {x ∈ R | ρ(x) ∈ C}.
Unter AD gilt nach einer Version des Moschovakis Coding Lemmas B ∈ Σ11 ().17 Da andererseits ∈ Σ1ω (A) gilt, folgt B ∈ Σ1ω (A), d.h. B ist projektiv in A und es gilt:
C = {ρ(x) | x ∈ B}.
Also ist B zusammen mit eine Kodierung von C. Da wir ϕ eindeutig aus C erhalten, sind damit
B und die gewünschte Kodierung von ϕ.
Für A ⊆ R sei L(R)[A] gemäß Definition 1.88 gegeben. Nach Definition ist R ∈ TC({R}) =
L0 (R)[A] ⊆ L(R)[A]. Da für jedes x ∈ L(R)[A] auch A ∩ x ∈ L(R)[A] ist, gilt insbesondere
A ∩ R = A ∈ L(R)[A]. Tatsächlich kann man zeigen, daß L(R)[A] das kleinste transitive Modell
von ZF ist, das alle Ordinalzahlen, R als Teilmenge und A als Element enthält.
Mit dieser Notation erhalten wir:
Korollar 5.42: [AD + DC(R)] Sei A ∈ B∞ . Dann gilt A = Aϕ für ein ϕ ∈ L(R)[A].
Beweis. Sei B ⊆ R und die Präwohlordnung aus Korollar 5.41, so daß B und projektiv
in A sind und B zusammen mit eine Kodierung der dort angegebenen Menge C ⊆ kk ist.
16
17
Vgl. [Woo99], Lemma 9.5.
Coding Lemma II“, vgl. [Mos80], Lemma 7D.6.
”
152
K APITEL 5. DAS A XIOM AD+
L(R) ist gegenüber der Bildung von in X projektiven Mengen für X ∈ L(R) abgeschlossen.
Entsprechend ist L(R)[A] gegenüber der Bildung von in A projektiven Mengen abgeschlossen. Da
A ∈ L(R)[A] ist, gilt also B ∈ L(R)[A] und ∈ L(R)[A]. Dann ist aber wegen der rekursiven
Definition von ρ = ρ und der Absolutheit rekursiv definierter Terme für transitive ZF-Modelle
auch C = {ρ(x) | x ∈ B} ∈ L(R)[A]. Da ϕ aus C durch elementare Operationen eindeutig
rekonstruiert werden kann, gilt also auch ϕ ∈ L(R)[A].
Wir erhalten damit das Analogon zu ADOrd in Lemma 5.23:
Lemma 5.43: [AD + DC(R)] Sei M ein transitives Modell von ZF∗ , so daß RV ⊆ M gilt und
jede Teilmenge reeller Zahlen aus M Suslin (im Universum) ist, d.h. es es gilt ℘(R)M ⊆ S ∞ .18
Dann sind in M alle Teilmengen reeller Zahlen ∞-Borel, d.h. es gilt:
M |= ∞-Borel.
Beweis. Sei A ∈ ℘(R)M. Dann ist A ∈ ℘(R) und A ist eine Suslin-Menge in V. Nach Satz 5.33
ist A auch ∞-Borel in V. Nach Korollar 5.42 existiert ein ∞-Borel-Code ϕ von A mit ϕ ∈
L(R)[A]. Sei α ∈ Ord minimal mit der Eigenschaft, daß Lα (R)[A] |= ZF∗ und ϕ ∈ Lα (R)[A]
gilt. Analog zu L(R)[A] zeigt man, daß Lα (R)[A] das kleinste transitive ZF∗ -Modell A mit
A ∈ A und R ⊆ A ist. Da nach Voraussetzung aber A ∈ M und R ⊆ M gilt, folgt also
ϕ ∈ Lα (R)[A] ⊆ M. Wegen der rekursiven Definition ist die Bildung von Aϕ absolut für transitive Modelle von ZF∗ . Insbesondere gilt also A = Aϕ innerhalb des Modells M, d.h. A ist auch
in M eine ∞-Borel-Menge. Da A ∈ ℘(R)M beliebig war, folgt:
M |= ∞-Borel.
Wir erhalten durch die Übertragung des Beweises von Lemma 5.24 die analoge Aussage für die
∞-Borel-Mengen:
Lemma 5.44: [AD + DC(R)] Es gilt L(R) |= ∞-Borel.
Beweis. Wir führen einen Widerspruchsbeweis. Angenommen, es existiert in L(R) ein Gegenbeispiel zu ∞-Borel, d.h. es gilt:
L(R) |= ∃B B ⊆ R ∧ B 6∈ B∞ .
Nach Definition von L(R) ist die Menge B schon Element einer Stufe Lβ (R) für ein β ∈ Ord.
Wir können β so groß wählen, daß Lβ (R) auch ein Modell von ZF∗ aus dem Lemma 5.43 ist, d.h.
es gilt:
∃β ∈ Ord Lβ (R) |= ZF∗ ∧ ∃B B ⊆ R ∧ B 6∈ B∞ .
L(R)
Dies ist eine Σ1 -Formel. Nach Korollar 5.4 gilt für δ :≡ δ 21
:
Lδ (R) ≺1 L(R).
18
Hierbei bedeutet wieder ZF∗ ein genügend großes, aber endliches Fragment von ZF, so daß die entsprechenden
Beweise durchgeführt werden können.
5.3. ∞-B OREL -M ENGEN
153
Also existiert ein β ∗ ∈ Ord ∩Lδ (R) = δ mit dieser Eigenschaft:
∃β ∗ < δ Lβ ∗ (R) |= ZF∗ ∧ ∃B B ⊆ R ∧ B 6∈ B∞ .
(∗)
Andererseits gilt nach Korollar 5.5:
∆21
L(R)
= Lδ (R) ∩ ℘(R).
Für eine Teilmenge A ⊆ R gilt: ist A Suslin in L(R), dann ist A auch Suslin in V. Wir erhalten
also zusammen mit Korollar 5.7:
L(R)
L(R)
L(R)
Lβ ∗ (R) ∩ ℘(R) ⊆ Lδ (R) ∩ ℘(R) = ∆21
⊆ S∞.
⊆ Σ21
⊆ S∞
Da aber auch RV ⊆ Lβ ∗ (R) gilt, folgt nach Lemma 5.43:
Lβ ∗ (R) |= ∞-Borel.
Das steht aber im Widerspruch zu (∗).
5.4
Die Definition von AD+
Wir führen nun die Ergebnisse aus den beiden letzten Abschnitten über Ordinalzahl-Determiniertheit und ∞-Borel-Mengen zusammen und definieren das folgende Axiom:
Definition 5.45: Sei AD+ :⇔ DC(R) + ADOrd + ∞-Borel.
Nach Bemerkung 5.20 folgt aus ADOrd bereits AD. Das Axiom AD+ ist demnach eine Erweiterung des Axioms der Determiniertheit:
Korollar 5.46: Es gilt AD+ ⇒ AD.
Die Ergebnisse der letzten beiden Abschnitte zeigen:
Korollar 5.47: [AD + V = L(R)] Es gilt AD+ .
Beweis. Gilt AD, dann gilt nach Satz 4.1 ADL(R) und nach Satz 4.3 DCL(R) , insbesondere also
auch DC(R)L(R) . Zusammen mit Lemma 5.24 und Lemma 5.44 folgt daher AD+ .
Aus Korollar 5.22 und Korollar 5.38 folgt:
Korollar 5.48: [ZF + ADR + DC] Es gilt AD+ .
Eine wichtige Eigenschaft von AD+ ist die Abwärts-Absolutheit:
Lemma 5.49: [AD+ ] Sei M ein transitives Modell von ZF, so daß RV ⊆ M gilt. Dann gilt
auch:
M |= AD+ .
Beweis. (1) Sei R ∈ ℘(R × R) ∩ M eine Relation in M mit M |= ∀x ∈ R ∃y ∈ R (x, y) ∈ R .
Dann existiert nach Voraussetzung in V eine Folge hxn | n ∈ ωi ∈ Rω mit (xn , xn+1 ) ∈ R für alle
n ∈ ω. Nach Definition 1.20 existiert eine elementare Kodierung Γ : R ↔ Rω . Wegen R ⊆ M und
154
K APITEL 5. DAS A XIOM AD+
aus Gründen der Absolutheit gilt daher hxn | n ∈ ωi ∈ M und M |= ∀n ∈ ω (xn , xn+1 ) ∈ R .
Also gilt M |= DC(R).
(2) Der Beweis von ADOrd ist eine unmittelbare Übertragung des Beweises von Lemma 5.23. Ist
A ∈ ℘(R)M, ω ≤ α < ΘM und f ∈ M, so daß f : αω → R eine in M stetige Funktion ist,
dann ist nach Voraussetzung das Spiel Gα (f −100 A) in V determiniert. Analog zu dem dortigen
Beweis können wir die Gewinnstrategie als Teilmenge von α auffassen und wegen AD+ ⇒ AD
und α < Θ können wir das Moschovakis Coding Lemma anwenden. Wegen R ⊆ M erhalten wir
eine Gewinnstrategie in M.
(3) Der Beweis von ∞-Borel ist die direkte Übertragung des Beweises von Lemma 5.43. Eine
Menge A ∈ ℘(R)M ist nach Voraussetzung ∞-Borel in V. Wegen der Lokalität der ∞-BorelCodes und wegen R ⊆ M existiert ein ∞-Borel-Code in M.
Es ist immer noch offen, ob AD+ tatsächlich eine stärkere Forderung als AD ist:
Frage 5.50: Folgt aus AD und DC(R) bereits ∞-Borel oder ADOrd ? Gilt also:
?
AD + DC(R) ⇒ AD+ .
Oder sogar:19
?
AD ⇒ AD+ .
Es wird allerdings vermutet, daß AD+ keine stärkere Forderung als AD ist:
?!
Vermutung 5.51: [DC(R)] AD+ ⇔ AD.
Wir wollen noch ein wenig mehr auf den (möglichen) Unterschied von AD und AD+ eingehen.
Dazu definieren wir:
Definition 5.52: Eine Kardinalzahl κ heißt Suslin-Kardinalzahl, falls eine Menge A ⊆ R existiert,
so daß A ∈ S κ und A 6∈ S α für alle α < κ gilt, d.h. falls gilt:
[
S κ 6=
Sα.
α<κ
Sei S die Menge der Suslin-Kardinalzahlen und sei lim(S) das Supremum der Suslin-Kardinalzahlen.
Steel und Woodin konnten folgendes zeigen:20
Satz 5.53 (Steel-Woodin): Es gilt:
(1) [AD + DC(R)] S ist eine abgeschlossene Teilmenge von lim(S);
(2) [AD+ ] S ist eine abgeschlossene Teilmenge von Θ.
Und eben diese Verstärkung der Aussage (2) im Verhältnis zu (1) ist die exakte Differenz von
AD+ und AD:
19
20
Vgl. auch Frage 4.6.
Für diesen und den folgenden Satz vgl. [Woo99], Theorem 9.18, Theorem 9.19 und Theorem 9.20.
5.4. D IE D EFINITION VON AD+
155
Satz 5.54: Die beiden folgenden Theorien sind äquivalent:
(1) ZF + AD+ ;
(2) ZF + AD + DC(R) + S ist eine abgeschlossene Teilmenge von Θ“.
”
Wir haben nun durch das Axiom AD+ eine Möglichkeit gefunden, schöne“ Eigenschaften von
”
L(R) unter der Annahme von AD zu erfassen. Diese drei Eigenschaften sind gerade die drei definierenden Teile von AD+ , denn unter der Annahme von AD ist L(R) ein Modell von DC(R),
ADOrd und ∞-Borel. Aber obwohl sogar ganz DC in L(R) gilt, wenn man die Gültigkeit von
AD im Universum annimmt, fügt man zu AD+ nur die eingeschränkte Form DC(R) hinzu,
da die Annahme von DC in vielen Kontexten zu stark ist. Außerdem beziehen sich die beiden
anderen Teile von AD+ ebenfalls auf Teilmengen reeller Zahlen, so daß DC(R) der angemessenere Kandidat für ein Auswahlprinzip erscheint. AD+ besitzt aber nicht die Restriktivität von
V = L(R) in bezug auf ADR , denn während ADR + V = L(R) inkonsistent ist, ist AD+ mit
ADR verträglich. In der Tat ist AD+ sogar eine Konsequenz von ADR + DC.
Wir wollen ein Beispiel für die Übertragung von tiefen Konsequenzen aus der Theorie AD +
V = L(R) auf eine Theorie mit AD+ angeben. Nach Satz 5.6 zusammen mit Korollar 5.5 gilt
unter der Annahme von AD und V = L(R), daß die Punktklasse Σ21 die Skala-Eigenschaft
besitzt. Dieses Ergebnis wird nun durch AD+ auf L(℘(R)) übertragen. Und darin besteht auch
die Hauptanwendung des Axiom AD+ : in einem gewissen Sinne liefert uns AD+ die Theorie
von L(R) innerhalb des Modells L(℘(R)).
Satz 5.55: [AD+ + V = L(℘(R))] Es gilt Skala(Σ21 ).
156
DAS A XIOM AD+
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Index
Symbole
≺n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
∗-Operator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
ACI (X), ACI , AC(X), AC . . . . . . . . . . . 6
ADOrd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
ADR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
ADR -Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
ADαX , ADα , ADX , AD . . . . . . . . . . . . . . 53
AHDn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
AQDαX , AQDα , AQDX , AQD . . . . . . 56
S γ (α), S ∞ (α), S γ , S ∞ . . . . . . . . . . . . . . . 32
DC(X), DC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Even(α), Even . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
∞-Borel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
Jα (R) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
L, L(X), L[A], L(X)[A] . . . . . . . . . . . . . . 37
ODA (X) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Odd(α), Odd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
rud(M ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
Σn (X) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
B
Baire-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Baum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
fundierten Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
fundierter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
gestutzter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Rang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Borel-Menge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
≺X
n,
C
Club-Menge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Co-Suslin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
D
definierbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
determiniert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
F
fügsam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
G
γ-Algebra. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17
erzeugte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
γ-Borel-Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
γ-Borel-Menge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
γ-Co-Suslin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
γ-Norm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35
γ-Semiskala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
γ-Skala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
γ-Suslin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
γ-Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
γ-stark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Gewinnposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Gewinnstrategie . . . . . . . . . . . . siehe Strategie
A
abgeschlossen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
admissible . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
äußerster Ast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
echter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
amenable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
analytisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Arithmetik dritter Stufe . . . . . . . . . . . . 41, 152
Auswahlaxiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Auszahlungsmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Axiom der abhängigen Auswahlen . . . . . . . 6
Axiom der Determiniertheit. . . . . . . . . . . . .53
Axiom der Hyper-Determiniertheit . . . . . . 84
Axiom der Ordinalzahl-Determ. . . . . . . . . 143
Axiom der Quasi-Determiniertheit . . . . . . 56
Axiom der reellen Determiniertheit . . . . . 82
H
Häufungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Hierarchie
analytische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41, 152
163
164
arithmetische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Borel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Jensen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
projektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 152
Wadge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
Wadge modifiziert . . . . . . . . . . . . . . . . 112
homogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
honest leftmost branch . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
I
∞-Borel-Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
∞-Borel-Menge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
K
Kleene-Brouwer-Ordnung . . . . . . . . . . . . . . 30
Kodierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
konstruktibel
Abschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Gödelmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
relativ zu A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Kripke-Platek Mengenlehre . . . . . . . . . . . . . 45
L
leftmost branch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
M
meßbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
monoton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
N
Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
O
ordinalzahldefinierbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
P
Partie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
partielle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Partition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Partitionseigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
starke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Pfeilnotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Präwohlordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Projektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
projektiv in A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
projektive Ordinalzahl . . . . . . . . . . . . . . . . 153
I NDEX
Punktklasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
duale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Fettdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Q
quasi-determiniert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
R
R-stabil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
Relation
fundiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Länge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Rang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
rudimentäre Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
S
scale-property . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
schwach kompakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
schwach unerreichbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Σ0 -Aussonderungsschema . . . . . . . . . . . . . . 45
Σ0 -Sammlungsschema . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Σn -Skolem-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Σn -Skolem-Hülle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
σ-Algebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Skala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Skalen-Eigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
determiniert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
quasi-determiniert . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
stabil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
starke Partitionskardinalzahl . . . . . . . . . siehe
Partitionseigenschaft
stetig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Strategie
Baum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Gewinnstrategie. . . . . . . . . . . . . . . . 50, 51
Quasi-Gewinnstrategie . . . . . . . . . . . . . 56
Quasi-Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Suslin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
Suslin-Kardinalzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
T
terminal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
I NDEX
U
unbeschränkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
unerreichbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Uniformisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
V
verallg. Kontinuumshypothese . . . . . . . . . . 68
W
Wadge
Grad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
Hierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
modifizierte Hierarchie . . . . . . . . . . . 112
Rang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
reduzibel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
Woodin-Kardinalzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
Z
zulässig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
165
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