Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Mathematisches Institut Prof. Dr. Peter Koepke Diplomarbeit Über Erweiterungen des Axioms der Determiniertheit März 2001 vorgelegt von Philipp Rohde Friedrichstr. 52 53111 Bonn Inhaltsverzeichnis Symbolverzeichnis iii Einleitung 1 Kapitel 1. Grundlagen 5 1.1. Auswahlprinzipien und eine Mengenlehre ohne AC. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.2. Reelle Zahlen, stetige Funktionen, Kodierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.3. Die Borel-Hierarchie und die projektive Hierarchie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.4. Uniformisierungen, Club-Mengen und Partitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.5. Bäume, Suslin-Mengen und Skalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1.6. Konstr. Modelle, Definierbarkeit, Substrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1.7. Die Jensen-Hierarchie für L(R) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Kapitel 2. Das Axiom der Determiniertheit 47 2.1. Unendliche Spiele und die Einführung von AD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2.2. Einige grundlegende Konsequenzen von AD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2.3. AD und die Existenz Großer Kardinalzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Kapitel 3. Erweiterungen von AD 73 3.1. Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3.2. Erweiterung der Komplexität der Züge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3.3. Erweiterung der Länge der Spiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Kapitel 4. Konstruktible Modelle der Determiniertheit 99 4.1. Konstruktible Modelle von AD und ADR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4.2. Konsistenzbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 4.3. L(R) ist kein Modell von ADR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4.4. Die Wadge-Hierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4.5. Θ – ein Maß für die Größe des Kontinuums. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4.6. Weitere konstruktible Modelle von ADR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Kapitel 5. Das Axiom AD+ 5.1. 125 Die kleinste stabile Ordinalzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 i ii I NHALTSVERZEICHNIS 5.2. 5.3. 5.4. Ordinalzahl-Determiniertheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 ∞-Borel-Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Die Definition von AD+ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Literaturverzeichnis 157 Index 163 Symbolverzeichnis Wir geben hier eine Auflistung von grundlegenden Notationen an, die in dieser Arbeit verwendet werden und für die es in der Literatur keine einheitliche Schreibweise gibt. Alle anderen Notationen entsprechen weitgehend den üblicherweise Verwendeten. V :≡ sei die Klasse aller Mengen oder Allklasse; Ord :≡ sei die Klasse der Ordinalzahlen; Succ(α) :≡ α ist eine Nachfolgerordinalzahl; Lim(α) :≡ α ist eine Limesordinalzahl. Seien x, y Mengen. x ⊆ y :≡ ∀z z ∈ x ⇒ z ∈ y , x ist Teilmenge von y; x − y :≡ {z | z ∈ x ∧ z 6∈ y} sei die Differenz von x und y; ℘(x) :≡ {z | z ⊆ x} sei die Potenzmenge von x; Even(ω) :≡ {n ∈ ω | ∃k ∈ ω (n = 2k)} sei die Menge der geraden natürlichen Zahlen; Odd(ω) :≡ {n ∈ ω | ∃k ∈ ω (n = 2k + 1)} sei die Menge der ungeraden natürlichen Zahlen. Vgl. auch Definition 1.16. Seien R, X, A Klassenterme. R heißt Relation, falls R ⊆ V × V gilt. Ist R ⊆ X × X, so heißt R eine Relation über X. dom(R) :≡ {x | ∃y (hx, yi ∈ R)} sei der Definitionsbereich von R; ran(R) :≡ {y | ∃x (hx, yi ∈ R)} sei der Wertebereich von R; R00 A :≡ {y | ∃x (x ∈ A ∧ hx, yi ∈ R)} sei das Bild von A unter R; R−100 A :≡ {x | ∃y (y ∈ A ∧ hx, yi ∈ R)} sei das Urbild von A unter R. Seien F, A, B Klassenterme. F heißt Funktion, falls F eine Relation ist und ∀x, y1 , y2 F ∧ (x, y2 ) ∈ F ⇒ y1 = y2 gilt. (x, y1 ) ∈ F : A → B :≡ F Funktion ∧ dom(F ) = A ∧ ran(F ) ⊆ B, F ist eine Funktion von A nach B; F : A B :≡ F : A → B ∧ ran(F ) = B, F ist eine Surjektion; F : A ,→ B :≡ F : A → B ∧ ∀x1 , x2 ∈ A F ist eine Injektion; (x1 , y) ∈ F ∧ (x2 , y) ∈ F ⇒ x1 = x2 , iii iv S YMBOLVERZEICHNIS F : A ↔ B :≡ F : A ,→ B ∧ F : A B, F ist eine Bijektion; B A :≡ {f | f : A → B} sei die Klasse der Funktionen von A nach B, so daß f ∈ V gilt. Eine Verwechslung mit der ordinalen oder kardinalen B <α B ≤α Exponentiation ist in dieser Arbeit nicht zu befürchten; [ :≡ {B β | β < α} für α ∈ Ord; [ :≡ {B β | β ≤ α} für α ∈ Ord; sat :≡ die Konkatenation zweier Folgen s und t. Einleitung In der Sphäre eines Spiels haben die Gesetze und Ge” bräuche des gewöhnlichen Lebens keine Geltung.“ Johan Huizinga, Homo ludens Spiele haben eine jahrtausendalte Tradition und sind eine enorm wichtige Größe in der Entwicklung des menschlichen Geistes und der Kultur. Sie haben nicht nur eine fundamentale Bedeutung in den ersten Entwicklungsstufen des Individuums, sondern sind eine entscheidende Komponente jedweder Kultur: der Mensch ist ein homo ludens“ 1 . ” Die mathematische Untersuchung von Spielen hat ebenfalls eine lange Geschichte. So haben z.B. die mathematischen Aspekte der Würfel- und anderer Glücksspiele ganz wesentlich zur Entwicklung des Wahrscheinlichkeitsbegriffs im 17. und 18. Jahrhundert beigetragen. Derartige Fragestellungen wurden unter anderem von Blaise Pascal, Pierre de Fermat und Pierre-Simon Laplace behandelt. Eine andere Art von Spielen sind die sogenannten Zwei-Personen-Nullsummenspiele mit perfekter Information. Damit werden Spiele bezeichnet, bei denen zwei Spieler abwechselnd Züge nach vorher festgelegten Regeln ausführen und die Spieler zu jedem Zeitpunkt den gesamten bisherigen Verlauf der Partie und – zumindest prinzipiell – alle möglichen Ausgänge des Spiels kennen. Das Ziel dieser Art von Spiele ist nur der Gewinn bzw. der Verlust für genau einen der beiden Spieler, d.h. es existiert kein unentschiedener Spielausgang. Die Entscheidung, wer das Spiel gewinnt, hängt nur von den Zügen der Spieler ab. Zu dieser Art von Spielen zählen die meisten Brettspiele: z.B. Dame, Go und das Schachspiel, wenn man von der Möglichkeit eines Remis einmal absieht.2 Diese Art der Spiele wurden Anfang des 20. Jahrhunderts von Ernst Zermelo, Johann von Neumann, Dénes König und anderen mit Hilfe mathematisch formulierbarer Kriterien untersucht. So formulierte schon 1913 Zermelo das Problem, ob der Wert einer beliebigen während des Spiels möglichen Position für eine der spie” lenden Partien sowie der bestmögliche Zug mathematisch-objektiv bestimmt oder wenigstens definiert werden [kann].“ 3 Der erste Schritt bestand also in der Entwicklung einer mathematischen Beschreibung dieser Spiele. Man untersuchte auch die Frage, welche Konsequenzen sich ergeben, wenn das Spiel nicht schon nach endlich vielen Zügen entschieden ist, sondern erst nachdem zwei – natürlich nur hypothetische – Spieler eine unbegrenzte Zahl von Zügen spielen. Diese unendlichen Spiele wurden 1 Vgl. Huizinga, J.: Homo ludens. Versuch einer Bestimmung des Spielelements der Kultur. Pantheon, Basel 1944. Für weitere Spiele und ihre mathematische Formalisierung vgl. [Bel79], [BCG85], [Gar83] und [Gar86]. 3 Ernst Zermelo [Zer13], S. 501. 2 1 2 E INLEITUNG zunächst intensiv von polnischen Mathematikern in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts untersucht. Hier seien vor allem Stefan Banach, Stanisław Mazur und Hugo Steinhaus erwähnt. Sie waren es auch, die die Verbindung dieser Spiele zu bestimmten Eigenschaften von Teilmengen der reellen Zahlen entdeckten. Bei den hier zu betrachtenden Spielen wählen zwei Spieler abwechselnd natürliche Zahlen. Nach unendlich vielen Zügen erhält man so eine ω-Folge natürlicher Zahlen – d.h. ein Element des Baire-Raumes ω ω – als Partie des Spiels. Liegt diese Partie in einer vor dem Spiel festgelegten Teilmenge des Baire-Raumes – die sogenannte Auszahlungsmenge – so gewinnt der Spieler, der den ersten Zug gemacht hat. Ansonsten gewinnt der andere Spieler. Eine der dabei untersuchten Fragen war, ob einer der beiden Spieler durch geschickte Wahl seiner Züge stets das Spiel für sich entscheiden kann, unabhängig von den Zügen seines Opponenten. Hat ein Spiel diese Eigenschaft, so heißt es bzw. die damit assoziierte Auszahlungsmenge determiniert. Da andererseits der BaireRaum eng mit den reellen Zahlen verbunden ist, erhalten wir dadurch letztlich ein Eigenschaft von Mengen reeller Zahlen. David Gale und Frank Stewart zeigten aber schon bald, daß auf der Grundlage der üblichen axiomatischen Mengenlehre, d.h. unter der Voraussetzung des Zermelo-Fraenkel-Skolem-Axiomensystems mit Auswahlaxiom ZFC nicht-determinierte Mengen reeller Zahlen existieren. Ähnlich wie bei anderen Existenzaussagen von Mengen, die gewisse Regularitätseigenschaften nicht erfüllen – z.B. Mengen, die nicht Lebesgue-meßbar sind, das Banach-Tarski-Paradox usw. – ist auch in diesem Fall ganz wesentlich das Auswahlaxiom für die Nicht-Determiniertheit von Mengen verantwortlich. Andererseits impliziert die Determiniertheit bestimmter Spiele die klassischen Regularitätseigenschaften von Mengen reeller Zahlen, wie die Lebesgue-Meßbarkeit, die BaireEigenschaft und die Perfekte-Mengen-Eigenschaft. Jan Mycielski und Hugo Steinhaus formulierten 1962 die Determiniertheit aller Mengen reeller Zahlen als ein neues Postulat: das Axiom der Determiniertheit AD, welches anstelle des Auswahlaxioms zum System ZF hinzugefügt werden kann. Es zeigte sich in den folgenden Jahren, daß das System ZF + AD reichhaltige Konsequenzen für die gesamte Mengenlehre, insbesondere für die Deskriptive Mengenlehre besitzt. In der Tat ist AD eng mit anderen Bereichen der modernen Mengenlehre, wie z.B. mit der Theorie der Großen Kardinalzahlen verbunden. Ziel dieser Arbeit ist die Analyse von Erweiterungen des Axioms der Determiniertheit. Betrachtet man die oben angegebene Formalisierung der unendlichen Spiele, so ergeben sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten, die Beschreibung dahingehend zu erweitern, daß neue Forderungen von Determiniertheit möglich werden, ohne dabei die grundlegende Struktur der unendlichen Spiele zu verändern. Zum einen können die Spieler kompliziertere mathematische Objekte anstelle von natürlichen Zahlen für ihre Züge wählen. Zum anderen kann man – entlang der transfiniten Skala der Ordinalzahlen – die Länge der Spiele erhöhen. Wir werden zunächst in Kapitel 1 die grundlegenden Begriffe einführen, die wir für diese Arbeit benötigen und einige allgemeinere Resultate zeigen, die für spätere Abschnitte von Bedeutung sind. In Kapitel 2 werden wir noch einmal ausführlich den Formalismus der unendlichen Spiele entwickeln, Interpretationsmöglichkeiten von Determiniertheit aufzeigen und auf grundlegende Konsequenzen des bereits erwähnten Axioms der Determiniertheit AD eingehen, insbesondere auf die Existenz gewisser Großer Kardinalzahlen. Kapitel 3 wird sich ausführlich mit der Betrach- E INLEITUNG 3 tung der oben genannten verallgemeinerten Spiele und ihren assoziierten Determiniertheitsforderungen beschäftigen. Wir werden einen einheitlichen Formalismus entwickeln und Konsequenzen der erweiterten Formen zeigen. Wir werden aber auch Grenzen dieser Verallgemeinerung auf der Basis von ZF aufzeigen: um als Postulat noch konsistent mit dem Axiomensystem ZF zu sein, dürfen die Spiele weder aus zu komplizierten Zügen bestehen, noch dürfen die Spiele zu lang sein, wenn man die Determiniertheit beliebiger Mengen fordern will. Desweiteren werden wir vielschichtige Äquivalenzen der einzelnen Formen feststellen. Wir werden zu der verblüffenden Feststellung kommen, das letztlich zwei Axiome dieser Art ausreichen, da sie ihrerseits alle anderen der hier betrachteten und mit ZF konsistenten Formen implizieren. Es genügt, zum einen das Axiom AD und zum anderen das stärkere Axiom der reellen Determiniertheit ADR zu betrachten. Letzteres fordert die Determiniertheit aller Spiele, bei denen die Spieler abwechselnd reelle Zahlen spielen und das Spiel nach ω Zügen endet. In Kapitel 4 beschäftigen wir uns mit Betrachtungen zur relativen Konsistenz der beiden genannten Axiome. Wir werden aufzeigen, daß man unter bestimmten Voraussetzungen konstruktible Modelle dieser Axiome erhält. Einerseits erhalten wir konstruktible Modelle der Determiniertheit, wenn die entsprechende Determiniertheit schon im Universum gilt. Wir werden andererseits kurz darauf eingehen, daß unter der vorausgesetzten Existenz gewisser Großer Kardinalzahlen die Determiniertheit in eben diesen konstruktiblen Modellen folgt. Bei der genaueren Analyse der relativen Konsistenzstärke werden wir einen Einblick in die tiefliegende Verbindung von Determiniertheit zu der Theorie der Großen Kardinalzahlen erhalten. Es wird sich zeigen, daß unter der Annahme, daß AD im Universum gilt, L(R) ein Modell von AD ist. Entsprechende ist L(℘(R)) ein Modell von ADR , falls ADR im Universum gültig ist. Andererseits werden wir zeigen, daß ADR im konstruktiblen Modell L(R) nicht erfüllt ist. Es wird sich heraustellen, daß dabei die Betrachtung der Uniformisierbarkeit von Mengen sowie das Konzept der Baumdarstellung bzw. der Begriff der Suslin-Menge entscheidend ist. Wir werden dadurch in der Lage sein, exakt zu bestimmen, an welcher Grenze L(R) als Modell von ADR scheitert. Der zweite Teil dieses Kapitels beschäftigt sich mit einer Verfeinerung des konstruktiblen Modells L(℘(R)). Mit Hilfe des Begriffs der WadgeReduzibilität und der für die Deskriptive Mengenlehre wesentlichen Invariante“ Θ können wir ” Submodelle von L(℘(R)) angeben und zeigen, daß unter gewissen Voraussetzungen in diesen Modellen ADR erfüllt ist, falls ADR im Universum gilt. Diese Betrachtung geht auf Robert M. Solovay zurück und ist der Grundstein für eine differenzierte Hierarchie von Theorien, die umso stärker werden, je größer die Kardinalzahl ist, mit der die Konfinalität von Θ fixiert wird. Das Scheitern von L(R) als Modell von ADR wird die Beschäftigung mit einem neuen Axiom als Erweiterung von AD in Kapitel 5 motivieren: das Axiom AD+ . Ausgehend von dem Konzept der Suslin-Mengen verallgemeinert dieses Axiom – zumindest formal – die Forderung von AD, so daß es allerdings immer noch schwächer als ADR bleibt und so daß L(R) immer noch Modell von diesem Axiom ist, sofern AD im Universum gilt. Es ist aber eine offene Frage, ob AD+ tatsächlich eine stärkere Forderung als AD ist. Das Axiom AD+ besteht neben einem Auswahlprinzip im wesentlichen aus zwei Teilen. Zum einen die Forderung nach der Determiniertheit bestimmter Spiele mit komplexeren Zügen (die Forderung nach der Determiniertheit aller Spiele dieser Art ist nach Kapitel 3 inkonsistent mit ZF). Zum zweiten die Forderung, daß eine gewisse Erweiterung des Begriffs der Borel-Menge auf alle Mengen reeller Zahlen zutrifft: die Eigenschaft ∞-Borel. Wir werden ausführlich zeigen, daß beide Forderungen unter geeigneten Prämissen für 4 E INLEITUNG Suslin-Mengen erfüllt sind. In bezug auf die Spiele benötigen wir dazu die von Alexander S. Kechris, Eugene M. Kleinberg, Yiannis N. Moschovakis und W. Hugh Woodin gezeigte Existenz von unbeschränkt vielen starken Partitionskardinalzahlen unterhalb von Θ. Um schließlich zeigen zu können, daß L(R) tatsächlich ein Modell von AD+ ist, benötigen wir sehr substantielle Resultate über das Modell L(R). Erstens eine auf John R. Steel zurückgehende, feinstrukturelle Analyse in bezug auf die kleinste stabile Ordinalzahl. In diesem Zusammenhang wird sich zeigen, daß die entsprechende Stufe des Modells L(R) bereits eine elementare Substruktur von L(R) in bezug auf Σ1 -Definierbarkeit ist. Zweitens das sehr wichtige Resultat von Donald A. Martin und John R. Steel, daß in L(R) jede Σ21 -Menge bereits eine Suslin-Menge ist. Drittens das ebenfalls sehr bedeutende Ergebnis über die Lokalität der ∞-Borel-Codes. Aufgrund des Rahmens dieser Arbeit werden wir die Beweise mancher Theoreme nur skizzieren können oder müssen sie sogar als blackboxes“ übernehmen, sofern es eine halbwegs zufrieden” stellende Darstellung in der Literatur gibt. Wir werden trotzdem versuchen, die Zusammenhänge so klar wie möglich darzustellen. Kapitel 1 Grundlagen In diesem Kapitel werden einige grundlegende Konzepte der Mengenlehre sowie Begriffe und Notationen angeben, die für diese Arbeit gebraucht werden. Der größte Teil der gegenwärtigen Mathematik wird – häufig ohne explizite Angabe – im Rahmen der ZFC-Theorie, also auf der Grundlage der Zermelo-Fraenkel-Skolem Mengenlehre mit Auswahlaxiom betrieben. Diese Arbeit beschäftigt sich allerdings mit einem Axiom der Mengenlehre, daß dem (vollen) Auswahlaxiom widerspricht. Die meisten Betrachtungen sind daher nur im Kontext eine Mengenlehre ohne Auswahlaxiom sinnvoll. Die zugrundeliegende Theorie dieser Arbeit ist ZF, bestehend aus Existenz-, Extensionalitäts-, Paarmengen-, Vereinigungs-, Potenzmengen- und Unendlichkeitsaxiom sowie die Schemata der Aussonderungs-, Fundierungs- und Ersetzungsaxiome.1 Jedes andere Postulat, daß wir für einen Beweis benutzen, werden wir explizit angeben. 1.1 Auswahlprinzipien und eine Mengenlehre ohne AC In diesem Abschnitt geben wir die verschiedenen Formen von Auswahlprinzipien unterschiedlicher Stärke an, die in dieser Arbeit auftreten werden. Wir beschäftigen uns mit Aspekten einer Mengenlehre ohne Auswahlaxiom und stellen verschiedene Konzepte vor, die bereits in der Theorie ZF angewandt werden können. I. Verschiedene Auswahlprinzipien Zunächst definieren wir den Begriff der Auswahlfunktion: Definition 1.1: Sei X eine Menge und {Ai | i ∈ I} eine Familie nicht-leerer Teilmengen von X. S Dann heißt f : {Ai | i ∈ I} → i∈I Ai eine Auswahlfunktion, falls ∀i ∈ I f (Ai ) ∈ Ai gilt. Mit Hilfe der Auswahlfunktionen können wir verschiedenen Formen an Auswahlprinzipien definieren:2 Definition 1.2: (1) ACI (X) :⇔ jede I-indizierte Familie {Ai | i ∈ I} nicht-leerer Teilmengen von X besitzt eine Auswahlfunktion: 1 2 Vgl. [BK96], Kapitel 3. Üblicherweise wird das Auswahlaxiom in einer etwas abgewandelten Form angegeben. Die hier angegebene Formulierung ist aber dazu äquivalent. Vgl. [BK96], Satz 8.1. 5 6 K APITEL 1. G RUNDLAGEN ∀g ∃f g : I → ℘(X) ∧ ∀i ∈ I g(i) 6= ∅ ⇒ [ f : ran(g) → ran(g) ∧ ∀i ∈ I f (g(i)) ∈ g(i) ; (2) ACI :⇔ ∀X ACI (X) ; (3) Das auf X eingeschränkte Auswahlaxiom AC(X) :⇔ ∀I ACI (X) ; (4) Das Auswahlaxiom AC :⇔ ∀I∀X ACI (X) . Es gilt die folgende Verfeinerung des Wohlordnungssatzes von Zermelo: Lemma 1.3: Es gilt AC(X) ⇔ X ist wohlordenbar. Beweis. Vgl. [BK96], Satz 8.1. Der dort angegebene Beweis kann leicht entsprechend modifiziert werden. Eine weitere Abschwächung des vollen Auswahlaxioms ist das Axiom der abhängigen Auswahlen (axiom of dependent choices). Dieses Axiom wurde 1942 von Paul Bernays eingeführt:3 Definition 1.4: Sei X eine nicht-leere Menge. (1) DC(X) :⇔ ∀R R ⊆ X × X ∧ ∀x ∈ X ∃y ∈ X (x, y) ∈ R ω (f (n), f (n + 1)) ∈ R ; (2) DC :⇔ ∀X 6= ∅ DC(X) . ⇒ ∃f ∈ X ω ∀n ∈ Das Axiom DC besagt, daß man eine abzählbare Anzahl an Elementen aus einer Menge auswählen kann, wobei jede einzelne Auswahl von der vorangehenden Auswahl abhängt. DC besitzt bereits einige wichtige Implikationen: Lemma 1.5: [DC] Es gilt: (1) Eine binäre Relation ohne unendlich echt absteigende Kette ist fundiert; (2) Die abzählbare Vereinigung von abzählbaren Mengen ist abzählbar. Beweis. Vgl. [Jec97], Lemma 5.2 und 39.2. Für die verschiedenen Auswahlprinzipien erhalten wir die folgenden Implikationen: Lemma 1.6: Seien X, Y nicht-leere Mengen. Angenommen, es existiert eine Surjektion f : X Y . Dann gilt: (1) ACI (X) ⇒ ACI (Y ); (2) DC(X) ⇒ DC(Y ). Beweis. (1) Sei {Ai | i ∈ I} eine Familie nicht-leerer Teilmengen von Y . Aufgrund der Surjektivität von f ist {f −100 Ai | i ∈ I} eine Familie nicht-leerer Teilmengen von X. Wegen ACI (X) existiert also eine Auswahlfunktion: [ g : {f −100 Ai | i ∈ I} → f −100 Ai mit ∀i ∈ I g f −100 Ai ∈ f −100 Ai . i∈I 3 Vgl. [Ber42]. 1.1. AUSWAHLPRINZIPIEN UND EINE M ENGENLEHRE OHNE AC 7 Durch Anwendung von f auf beiden Seiten folgt daraus: ∀i ∈ I f g f −100 Ai ∈ f 00 f −100 Ai . Da stets f 00 f −100 Ai ⊆ Ai gilt, ist also durch: h : {Ai | i ∈ I} → [ Ai , h(Ai ) :≡ f g f −100 Ai i∈I die gewünschte Auswahlfunktion gegeben. (2) Vgl. [And], Exercise 1.5. Lemma 1.7: Sei X eine nicht-leere Menge. (1) ACX (X) ⇒ DC(X), insbesondere also AC ⇒ DC; (2) DC(X) ⇒ ACω (X), insbesondere also DC ⇒ ACω . Beweis. (1) Sei R ⊆ X × X eine Relation auf X, so daß ∀x ∈ X ∃y ∈ X (x, y) ∈ R gilt, d.h. es ist dom(R) = X. Sei weiter A :≡ {y ∈ X | (x, y) ∈ R} | x ∈ X . Dann ist A eine X-indizierte Familie von Teilmengen von X, die nach Voraussetzung alle nicht-leer sind. Wegen ACX (X) existiert also eine Funktion g : X → ran(R), so daß ∀x ∈ X (x, g(x)) ∈ R gilt. Da X 6= ∅ ist, können wir ein beliebiges x0 ∈ X wählen. Wir definieren dann induktiv f : ω → X durch f (0) :≡ x0 und f (n + 1) :≡ g(f (n)). Dann gilt ∀n ∈ ω (f (n), f (n + 1)) ∈ R . Also gilt DC(X). (2) Sei {An | n ∈ ω} eine abzählbare Familie nicht-leerer Teilmengen von X. Wir können ohne Einschränkung annehmen, daß die An disjunkt sind. Wir definieren eine Relation R auf S A :≡ n∈ω An durch: (x, y) ∈ R :⇔ ∃n ∈ ω x ∈ An ∧ y ∈ An+1 . Nach Voraussetzung gilt DC(X). Da A ⊆ X, gilt nach Lemma 1.6(2) auch DC(A). Da alle An nicht-leer sind, gilt ∀x ∈ A ∃y ∈ A (x, y) ∈ R . Also existiert eine Funktion f : ω → A, so daß f (n), f (n + 1) ∈ R für alle n ∈ ω gilt. Sei n0 ∈ ω, so daß f (0) ∈ An0 gilt. Dann ist f eine Auswahlfunktion für {An | n0 ≤ n < ω}. Für eine endliche Familie nicht-leerer Teilmengen existiert auf der Grundlage von ZF stets eine Auswahlfunktion. Ist nun n0 > 0 und verknüpft man f mit einer Auswahlfunktion f 0 für die endliche Familie {An | n < n0 }, dann erhält man eine Auswahlfunktion für {An | n ∈ ω}. Also gilt ACω (X). Wir werden in Satz 2.27 zeigen, daß aus ACω wiederum die Regularität von ℵ1 folgt. Ronald Jensen zeigte allerdings 1966, daß in der Umkehrung ACω nicht das Axiom DC implizieren kann.4 4 Vgl. [Jen66]. 8 K APITEL 1. G RUNDLAGEN II. Eine Mengenlehre ohne Auswahlaxiom In einer Welt ohne Auswahlaxiom müssen einige Konzepte der Mengenlehre neu überdacht werden, die in einer Theorie mit AC selbstverständlich sind. Es ist also besondere Vorsicht geboten, wenn man nicht doch ungewollt Prinzipien der Auswahl verwenden möchte. Eines dieser Konzepte, das ohne AC differenzierter betrachtet werden muß, ist der Begriff der Mächtigkeit eine Menge bzw. deren Kardinalität und der darauf basierende Begriff der Kardinalzahl. Steht uns AC zur Verfügung, dann wissen wir durch den zu AC äquivalenten Wohlordnungssatz von Zermelo5 , daß jede Menge wohlgeordnet werden kann. Somit ist jede Menge gleichmächtig zu einer Ordinalzahl und wir können die Kardinalität einer Menge definieren als die minimale Ordinalzahl mit dieser Eigenschaft.6 Eine Kardinalzahl ist dann eine Ordinalzahl α, so daß eine Menge existiert, die die Kardinalität α besitzt. Ohne AC gilt der Wohlordnungssatz nicht, d.h. es existieren Mengen, die nicht wohlordenbar sind.7 Wir müssen daher die Begriffe Kardinalzahl“ und Kardi” ” nalität“ allgemeiner definieren, damit diese auch uneingeschränkt im ZF-Kontext zur Verfügung stehen: Definition 1.8: Eine Kardinalzahl κ ist eine Ordinalzahl, so daß diese nicht bijektiv zu eine kleineren Ordinalzahl ist, d.h.: κ :≡ min α ∈ Ord | ∃f f : α ↔ κ ist eine Bijektion . Ist X eine wohlordenbare Menge, dann sei die Kardinalität von X – in Zeichen |X| – die eindeutige Kardinalzahl κ, so daß eine Bijektion f : X ↔ κ existiert. Ist X nicht wohlordenbar, dann sei die Kardinalität von X definiert durch: |X| :≡ Y | ∃f f : X ↔ Y ist eine Bijektion ∧ rang(Y ) ist minimal . Würden wir bei der Definition auf die Minimalität des Ranges von Y verzichten, dann wäre ungünstigerweise für X 6= ∅ die Kardinalität |X| stets eine echte Klasse, wodurch viele mengentheoretische Operationen nicht erlaubt wären. Durch die Einschränkung auf diejenigen Y mit minimalem Rang bleibt gewährleistet, daß |X| eine Menge ist. Dieses Verfahren wird als Scotts ” Trick“ bezeichnet und geht auf Dana S. Scott zurück.8 Wir definieren weiter: |X| ≤ |Y | :≡ ∃f f : X ,→ Y ist eine Injektion . Durch diese Definition bleibt der Satz von Cantor-Bernstein9 im ZF-Kontext gültig: |X| ≤ |Y | ∧ |Y | ≤ |X| ⇔ |X| = |Y | . Es sei betont, daß bei einer alternativen Definition mit Hilfe von Surjektionen statt Injektionen die analoge Aussage in der Theorie ZF nicht gilt:10 ZF 6` X Y ∧ Y X ⇒ |X| = |Y | . Wir werden weiter unten ein Gegenbeispiel unter geeigneten Voraussetzungen angeben, vgl. S. 64. 5 Vgl. [Zer04] und [RR85], S. 1. Zum Begriff der Gleichmächtigkeit und Kardinalität einer Menge vgl. [BK96], Kapitel 9. 7 Z.B. kann gezeigt werden, daß in der Theorie ZF + AD die reellen Zahlen R nicht wohlordenbar sind. Vgl. Satz 2.21. 8 Vgl. [Sco55], S. 442. 9 Dieser Satz wird auch häufig als Satz von Schröder-Bernstein bezeichnet. Vgl. [BK96], Satz 9.3. 10 Hierbei bedeutet X Y “, das eine Surjektion f : X Y existiert. ” 6 1.1. AUSWAHLPRINZIPIEN UND EINE M ENGENLEHRE OHNE AC 9 Bezüglich einer in der Mathematik häufig verwendeten Charakterisierung von Injektionen und Surjektionen ist ohne das Auswahlaxiom ebenfalls Vorsicht geboten. Sei f : X → Y eine Funktion zwischen den nicht-leeren Mengen X und Y . Die folgende Aussage ist bereits in ZF beweisbar: f injektiv ⇔ ∃g g : Y → X ∧ g ◦ f = idX . Ein entsprechendes g ist notwendigerweise surjektiv, denn sei x0 ∈ X. Dann ist y0 :≡ f (x0 ) ∈ Y und es gilt g(y0 ) = g(f (x0 )) = x0 . Andererseits braucht man aber für den Beweis der analogen Aussage für Surjektionen f surjektiv ⇒ ∃g g : Y → X ∧ f ◦ g = idY schon das volle Auswahlaxiom, wenn man beliebige Funktionen zwischen beliebigen Mengen betrachten will. In der Tat gilt sogar die folgende Äquivalenz zum Auswahlaxiom:11 AC ⇔ ∀f Fun(f ) ⇒ ∃g Fun(g) ∧ dom(g) = ran(f ) ∧ ∀x ∈ dom(g) f (g(x)) = x . Wir können also in der Theorie ZF für eine Injektion f : X ,→ Y stets die Existenz einer Surjektion g : Y X mit g ◦ f = idX folgern. Die oben angegebene analoge Aussage für Surjektionen gilt aber im Allgemeinen nicht. Dies spielt eine entscheidende Rolle bei der Kodierung von Mengen durch andere Mengen. Z.B. werden wir weiter unten zeigen, daß in der Theorie ZF eine Surjektion f : R ω1 existiert.12 Würde nun aus ZF alleine folgen, daß damit auch eine Funktion g : ω1 → R mit f ◦ g = idω1 existiert, dann wäre die Funktion g notwendigerweise injektiv.13 Korollar 2.30 sagt uns aber, daß unter ZF + AD keine derartige Injektion existieren kann. 1.2 Die reellen Zahlen, stetige Funktionen und Kodierungen Wie in der Deskriptiven Mengenlehre üblich, werden wir die reellen Zahlen R mit dem BaireRaum ω ω identifizieren. In diesem Abschnitt wiederholen wir kurz die Definition und geben einige grundlegenden Eigenschaft des Baire-Raumes bzw. allgemeiner des Raumes αω für α ∈ Ord mit α ≥ ω an. Wir betrachten die stetigen Funktionen f : αω → ω ω bzgl. der zugrundeliegenden Topologie des Raumes αω . Im letzten Teil werden wir uns mit dem Begriff der Kodierung beschäftigen und einige Kodierungen herleiten. Wir werden zeigen, daß wie stetige Funktionen von R nach R, abzählbare Mengen reeller Zahlen und abzählbare Ordinalzahlen durch eine reelle Zahl kodieren können. Für diesen Abschnitt sei stets α ∈ Ord mit α ≥ ω. I. Der Baire-Raum und seine Topologie Wir identifizieren in der gesamten Arbeit die reellen Zahlen R mit dem Baire-Raum ω ω , d.h. reelle Zahlen werden als ω-Folgen natürlicher Zahlen aufgefaßt. Der Grund dafür liegt in einem für die meisten Betrachtungen der Deskriptive Mengenlehre einfacheren Umgang mit den Elementen von ω ω als mit den üblichen reellen Zahlen, die über Dedekindsche Schnitte definiert sind.14 Als Grundlage dienten [Lév79], Kapitel VII und [Kec94], Kapitel I. 11 Vgl. [RR85], S. 7. Vgl. Lemma 1.22. 13 Sei g : Y → X mit f ◦ g = idY und seien y1 , y2 ∈ Y gegeben. Dann gilt g(y1 ) = g(y2 ) ⇒ f (g(y1 )) = f (g(y2 )) ⇒ y1 = y2 . Also ist g injektiv. 14 Vgl. [BK96], Abschnitt 7.3. 12 10 K APITEL 1. G RUNDLAGEN Wir geben eine Basis der Topologie des Raumes αω an: Definition 1.9: Für eine endliche Folge s ∈ α<ω sei Osα definiert als die Menge aller unendlichen Folgen, die s als Anfangsstück enthalten, d.h.: Osα :≡ {x ∈ αω | s ⊆ x}. Die Menge {Osα | s ∈ α<ω } bildet die Basis einer Topologie von αω , d.h. jede offene Menge U ⊆ αω läßt sich in der folgenden Form darstellen: U= [ {Osα | s ∈ S} mit S ⊆ α<ω . Im folgenden schreiben wir auch kurz Os statt Osω . Der Raum ω ω zusammen mit der von dieser Basis erzeugten Topologie wird als Baire-Raum bezeichnet. Lemma 1.10: Für s, t ∈ ω <ω gilt Osα ∩ Otα ∈ {∅, Osα , Otα }. Außerdem ist jede der offenen Mengen Osα auch abgeschlossen. Beweis. Falls s ⊆ t gilt, dann ist offensichtlich Osα ∩ Otα = Otα . Ist s 6⊆ t und t 6⊆ s, d.h. s und t sind inkompatibel, dann muß Osα ∩ Otα = ∅ sein. Weiter gilt αω − Osα = {x ∈ αω | s 6⊆ x} = S {x ∈ αω | x len(s) 6= s} = {Otα | t ∈ ω <ω ∧ len(t) = len(s) ∧ t 6= s}. Also ist αω − Osα die Vereinigung von offenen Mengen und damit selbst offen. Damit ist Osα abgeschlossen. Das folgende Lemma stellt einige fundamentale topologische Eigenschaften des Raumes αω zusammen: Lemma 1.11: (1) Wenn α mit der diskreten Topologie ausgestattet ist, d.h. jede Teilmenge von α ist offen, dann entspricht die obige Topologie des Raumes αω der Produkttopologie des ω-fachen kartesischen Produkts von α; (2) Die genannte Topologie von αω wird von der Metrik dα : αω × αω → R, α d (x, y) = ( 1 2n+1 , falls x 6= y und n = min{i | i ∈ ω ∧ x(i) 6= y(i)} 0 , sonst. induziert, d.h. αω ist ein metrischer Raum. Für die induzierende Metrik des Baire-Raumes schreiben wir auch d(x, y) statt dω (x, y); (3) Der Raum αω ist ein Hausdorff-Raum, d.h. je zwei verschiedene Punkte besitzen disjunkte, offene Umgebungen; (4) Der Raum αω ist null-dimensional, d.h. er ist Hausdorffsch und besitzt eine Basis aus offenen und abgeschlossenen Mengen; (5) Der Raum αω ein vollständiger metrischer Raum, d.h. jede Cauchy-Folge in αω konvergiert gegen ein Element aus αω ; (6) Ist α abzählbar, dann gilt |α<ω | = ℵ0 , insbesondere erfüllt dann der Raum αω das zweite Abzählbarkeitsaxiom; 1.2. R EELLE Z AHLEN , STETIGE F UNKTIONEN , KODIERUNGEN 11 (7) Ist α abzählbar, dann ist der Raum αω separabel, d.h. er enthält eine abzählbare, dichte Teilmenge.15 Insbesondere ist αω für abzählbares α ein Polnischer Raum; (8) Der Raum αω ist nicht zusammenhängend, d.h. es gibt eine Partition αω = U ∪ V mit nicht-leeren, disjunkten, offenen Mengen U, V ; (9) Der Raum αω ist nicht kompakt, d.h. es gibt eine offene Überdeckung von αω ohne endliche Teilüberdeckung. Beweis. Vgl. [Lév79], Kap. VI und VII und [Kec94], Kap. I. Für 0 < k ≤ ω sei (αω )k das k-fache kartesische Produkt von αω zusammen mit der Produkttopologie, d.h. die Mengen der Form ×i<k Osαi mit si ∈ α<ω für alle i < k und so daß Osαi = αω für alle bis auf endlich viele i < k gilt, bilden eine Basis der Topologie. Man überprüft leicht, daß jede endliche oder abzählbare Potenz von αω ebenfalls eine ω-fache Potenz von α ist, wir erhalten also: Lemma 1.12: Für 0 < k ≤ ω sind die Räume (αω )k und αω homöomorph, d.h. es existiert eine stetige Bijektion f : (αω )k ↔ αω , so daß die Umkehrabbildung f −1 : αω ↔ (αω )k ebenfalls stetig ist. Man bezeichnet den Raum αω daher auch als dimensionslos“. Andererseits zeigte L. E. J. Brou” wer bereits 1910, daß für m, n ∈ ω, m 6= n die Räume Rm und Rn nicht homöomorph sind. Daraus folgt, daß ω ω und R nicht homöomorph sein können. Tatsächlich ist ω ω homöomorph zu der Menge der irrationalen Zahlen.16 Diese Homöomorphie reicht aber für fast alle Betrachtungen der Deskriptiven Mengenlehre aus: die Borel-Hierarchie17 auf R und auf ω ω sind ab der dritten Stufe identisch und die üblichen Regularitätseigenschaften von Mengen – z.B. analytisch, nirgends dicht, mager oder meßbar sein – werden durch den Homöomorphismus vom Baire-Raum auf die reellen Zahlen übertragen. Dabei ist wesentlich, daß die rationalen Zahlen Q abzählbar sind und daher bzgl. des Lebesgue-Maßes eine Nullmenge sowie eine magere Menge sind. Es ist also gerechtfertigt, in der Deskriptiven Mengenlehre den Baire-Raum mit R zu identifizieren. Wir werden das in dieser Arbeit auch so halten. II. Stetige Funktionen Wir stellen im folgenden ein Mittel zur Verfügung, mit dem wir jede stetige Funktion f : αω → R als Supremum einer Funktion darstellen können, die endliche Folgen von α auf endliche Folgen von ω abbildet. Definition 1.13: Sei ϕ : α<ω → ω <ω . (1) ϕ heißt monoton :⇔ s ⊆ t ⇒ ϕ(s) ⊆ ϕ(t); (2) ϕ heißt stetig :⇔ ϕ monoton ∧ ∀x ∈ αω ∀n ∈ ω ∃m ∈ ω n ≤ len(ϕ(xm)) . Die zweite Bedingung fordert also, daß limm→∞ len(ϕ(xm)) = ∞ für alle x ∈ αω gilt; 15 Eine Teilmenge D eines topologischen Raumes heißt dicht, wenn der Durchschnitt von D mit jeder nicht-leeren offenen Menge nicht-leer ist. 16 Vgl. [Mil95], Theorem 1.1. 17 Wir gehen in Abschnitt 1.3 näher auf die Borel-Hierarchie ein. 12 K APITEL 1. G RUNDLAGEN (3) Für ein stetiges ϕ definieren wir: fϕ : αω → R, x 7→ [ ϕ(xm); m∈ω (4) Sei f : αω → R eine stetige Funktion. Für s ∈ α<ω definieren wir: G(s) :≡ {t ∈ ω <ω | f 00 Osα ⊆ Ot }. G(s) wird durch ⊆ linear geordnet. Wir definieren weiter: ϕf : α<ω → ω <ω , s 7→ max{t ∈ G(s) ∧ len(t) ≤ len(s)}. Lemma 1.14: Ist ϕ : α<ω → ω <ω stetig, dann ist fϕ : αω → R stetig. Ist andererseits f : αω → R eine stetige Funktion, dann ist ϕf stetig und es gilt f = fϕf . Beweis. Sei ϕ : α<ω → ω <ω stetig. Wir zeigen die Stetigkeit von fϕ über die Metriken dα (x, y) und d(x, y). Seien x ∈ αω und n ∈ ω beliebig. Da ϕ stetig ist, existiert ein m ∈ ω mit n ≤ 1 für ein y ∈ αω , dann ist nach Definition der Metrik xm = ym. len ϕ(xm). Ist dα (x, y) < 2m+1 1 Also gilt fϕ (x)n = fϕ (y)n und damit d(fϕ (x), fϕ (y)) < 2n+1 . Da x ∈ αω beliebig war, ist fϕ stetig. Sei andererseits f : αω → R eine stetige Funktion und x ∈ αω . Seien s0 , s1 ∈ α<ω mit s0 ⊆ s1 und sei t ∈ G(s0 ). Es gilt Osα1 ⊆ Osα0 , also auch f 00 Osα1 ⊆ f 00 Osα0 ⊆ Ot und damit t ∈ G(s1 ). Es gilt also G(s0 ) ⊆ G(s1 ). Ist t ∈ ϕf (s0 ), dann ist t ∈ G(s0 ) ⊆ G(s1 ) und len(t) ≤ len(s0 ) ≤ len(s1 ), also t ∈ ϕf (s1 ). Damit gilt ϕf (s0 ) ⊆ ϕf (s1 ), also ist ϕf monoton. Da f stetig ist, gilt: α ∀n ∈ ω ∃m ∈ ω n ≤ m ∧ f 00 Oxm ⊆ Of (x)n . Dann ist f (x)n ∈ G(xm) und n = len(f (x)n) ≤ len(xm) = m, also f (x)n ⊆ ϕf (xm) nach Definition von ϕf und damit n ≤ len(ϕf (xm)). Also ist ϕf stetig. Es ist: f (x) = [ f (x)n ⊆ n∈ω [ ϕf (xm) = fϕf (x), m∈ω da nach dem oben gesagten ∀n ∈ ω ∃m ∈ ω f (x)n ⊆ ϕf (xm) gilt. Sei andererseits m ∈ ω. α . Außerdem ist ϕ (xm) ∈ G(xm), also f (x) ∈ f 00 O α Dann ist x ∈ Oxm f xm ⊆ Oϕf (xm) . Nach Definition von Os folgt ϕf (xm) ⊆ f (x). Da m ∈ ω beliebig war, gilt also: [ fϕf (x) = ϕf (xm) ⊆ f (x). m∈ω Beide Teile zusammen ergeben f = fϕf . Wir können also jede stetige Funktion f : αω → R als Supremum einer stetigen Funktion ϕf : α<ω → ω <ω darstellen. Wir benötigen noch eine grundlegende Operation für Folgen von Ordinalzahlen, die uns ermöglichen soll, zwei derartige Folgen zu verschachteln“. Dazu erwähnen wir zunächst: ” 1.2. R EELLE Z AHLEN , STETIGE F UNKTIONEN , KODIERUNGEN 13 Lemma 1.15: Jedes α ∈ Ord besitzt eine eindeutige Darstellung α = λ+n mit n ∈ ω und λ = 0 oder Lim(λ). Beweis. Vgl. [BK96], Satz 5.7. Wir definieren nun eine Erweiterung der geraden und ungeraden Zahlen: Definition 1.16: Nach dem letzten Lemma besitzt jede Ordinalzahl α eine eindeutige Darstellung der Form α = λ + n mit λ = 0 oder Lim(λ) und n ∈ ω. Den natürlichen Anteil n bezeichnen wir durch N (α) und den Limesanteil λ durch Λ(α). Sei dann: Even(α) :≡ β < α | ∃m ∈ ω N (β) = 2m ; Odd(α) :≡ β < α | ∃m ∈ ω N (β) = 2m + 1 ; sowie Even :≡ β ∈ Ord | ∃m ∈ ω N (β) = 2m ; Odd :≡ β ∈ Ord | ∃m ∈ ω N (β) = 2m + 1 . Dann ist insbesondere Even(ω) die Menge der geraden bzw. Odd(ω) die Menge der ungeraden natürlichen Zahlen. Definition 1.17: Sei α ∈ Ord. Wir definieren den ∗-Operator durch Induktion über die Ordinalzahlen: f∗1 : α1 × α1 → α2 , (s, t) 7→ hs0 , t0 i; f∗β+1 : αβ+1 × αβ+1 → α2·(β+1) , f∗λ : αλ × αλ → αλ , a (s, t) 7→ f∗β (sβ, tβ) hsβ , tβ i; [ (s, t) 7→ f (sβ, tβ) für Lim(λ). β<λ Sei s ∗β t :≡ f∗β (s, t). Wenn aus dem Zusammenhang klar ist, welches β ∈ Ord gemeint ist, dann schreiben wir auch s ∗ t statt s ∗β t. Für s, t ∈ αn gilt also s ∗ t = hs0 , t0 , . . . , sn−1 , tn−1 i ∈ α2n . Für s, t ∈ αβ und γ ≤ β gilt (sγ) ∗γ (tγ) ⊆ s ∗β t. Jedes f∗β ist bijektiv und stetig. Für x ∈ αβ definieren wir: xI :≡ hxγ | γ ∈ Even(β)i; xII :≡ hxγ | γ ∈ Odd(β)i. Dann gilt x = xI ∗ xII . Ist β = λ + 2n die Darstellung gemäß Lemma 1.15, dann sei β 0 :≡ β 00 :≡ 0 β + n. Ist β = λ + (2n + 1), dann sei β 0 :≡ β + (n + 1) und β 00 :≡ β + n. Dann gilt xI ∈ αβ und 00 0 00 xII ∈ αβ . Die Funktionen fI : αβ → αβ , x 7→ xI und fII : αβ → αβ , x 7→ xII sind surjektiv, aber offensichtlich nicht injektiv. Man zeigt leicht, daß fI und fII stetig sind. 14 K APITEL 1. G RUNDLAGEN III. Kodierungen Wir geben zunächst allgemein an, was wir unter einer Kodierung verstehen. Definition 1.18: Seien C, X nicht-leere Mengen. Eine Kodierung ist eine partielle Surjektion π : C X, d.h. es gilt ∀x ∈ X ∃c ∈ C x = π(c) . Gilt x = π(c) für x ∈ X und c ∈ C, dann sagen wir, daß c das Element x kodiert bzw. daß x von c kodiert wird. In dieser Arbeit wird in den meisten Fällen C ⊆ R sein. Wir nennen eine Kodierung elementar, wenn die Funktion π absolut definierbar, d.h. absolut für alle transitiven Modelle der Mengenlehre ist. Wir definieren nun einige grundlegende Kodierungen, die in dieser Arbeit häufiger verwendet werden. Definition 1.19: Der Satz von Hessenberg18 beweist in ZF die Existenz einer Bijektion π : ω × ω ↔ ω. Wir können z.B. die Diagonal-Abzählung von ω × ω verwenden, die wie folgt definiert ist: n+m X (n + m)(n + m + 1) =n+ π(n, m) :≡ n + . 2 i=0 Definition 1.20: Sei x ∈ R. Für n, m ∈ ω definieren wir (x)n (m) :≡ x(π(n, m)). Dann ist Γ : R ↔ Rω , x 7→ h(x)n | n ∈ ωi eine Bijektion. Wir erhalten ein Diagramm ähnlich der Abzählung der rationalen Zahlen durch die Cauchy-Funktion. Die abzählbaren Mengen reeller Zahlen werden auf die angegebene Weise durchlaufen“ und somit durch eine reelle Zahl kodiert: ” x0 (0) x1 (0) x2 (0) x3 (0) x0 (1) x1 (1) x2 (1) ··· x0 (2) x1 (2) ··· x0 (3) ··· ··· Für fundierte Relationen können wir rekursiv eine Rangfunktion sowie die Länge von R definieren:19 Definition 1.21: Sei X eine Menge und R eine binäre Relation auf X. R heißt fundiert, falls jede nicht-leere Teilmenge A ⊆ X ein R-minimales Element besitzt, d.h. es existiert ein a ∈ A, so daß (x, a) 6∈ R für alle x ∈ A gilt. Ist R eine fundierte Relation auf X, so können wir jedem x ∈ X rekursiv eine Ordinalzahl, den Rang von x in R zuordnen: ρR (x) :≡ sup{ρR (y) + 1 | (y, x) ∈ R}. 18 19 Vgl. [BK96], Satz 6.17 und Satz 10.7. Vgl. auch [Jec97], Theorem 5. 1.2. R EELLE Z AHLEN , STETIGE F UNKTIONEN , KODIERUNGEN 15 Das Bild von ρR ist ein Anfangsstück der Ordinalzahlen und daher selbst eine Ordinalzahl für eine Menge X. Diese Ordinalzahl heißt die Länge der fundierten Relation R: kRk :≡ sup{ρR (x) + 1 | x ∈ X}. Lemma 1.22: Es existiert eine surjektive Abbildung Ψ : R ω1 . Wir können also jede abzählbare Ordinalzahl durch eine reelle Zahl kodieren. Beweis. Sei m, n ∈ ω, x ∈ R und (x)n (m) wie oben angegeben. Wir definieren die binäre Relation Rx ⊆ ω × ω durch: hn, mi ∈ Rx :⇔ xn (m) = 0. Ist Rx eine fundierte Relation, dann ist die Länge von Rx abzählbar: kRx k ∈ ω1 . Ist Rx eine Wohlordnung, dann ist ρRx eine ordnungserhaltende Bijektion von hω, Rx i nach hkRx k, ∈i und es gilt kRx k = otp(hω, Rx i). Wir definieren nun: Ψ : R → ω1 , x 7→ ( kRx k , falls Rx fundiert ist 0 , sonst. Beh. 1: Ψ ist eine Surjektion. Beweis. Sei α ∈ ω1 . Für α ≤ ω sei <∗ :≡∈ ∩ α × α. Ist α > ω, dann existiert eine Bijektion f : ω ↔ α. Sei n, m ∈ ω. Wir definieren dann die Relation <∗ ⊆ ω × ω durch: n <∗ m :⇔ f (n) ∈ f (m). In beiden Fällen ist <∗ eine Wohlordnung mit Ordnungstyp α. Sei nun x ∈ R wie folgt definiert: x(k) :≡ ( 0 , falls k = π(n, m) und n <∗ m 1 , sonst. Dann ist Rx = <∗ eine Wohlordnung und nach dem oben gesagten gilt kRx k = α. Also ist Ψ(x) = α. (1) Damit ist das Lemma gezeigt. Als nächstes geben wir Kodierungen von endlichen Folgen natürlicher Zahlen durch eine natürliche Zahl bzw. von endlichen Folgen reeller Zahlen durch eine reelle Zahl an. Definition 1.23: Sei hpn | n ∈ ωi die Abzählung der Primzahlen, so daß pi die i-te Primzahl ist. Wir definieren dann: ( ps00 +1 · . . . · pskk +1 , falls s = hs0 , . . . , sk i <ω Φ0 : ω → ω, s 7→ 0 , falls s = ∅. ( hΦ0 (hs0 (m), . . . , sk (m)i) | m ∈ ωi , falls s = hs0 , . . . , sk i Φ1 : R<ω → R, s 7→ h0, 0, 0, . . .i , falls s = ∅. 16 K APITEL 1. G RUNDLAGEN Aufgrund der Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung sind Φ0 und damit auch Φ1 Injektionen. Aber weder Φ0 noch Φ1 sind surjektiv. Φ0 ist keine Surjektion, da es keine endliche Folge s ∈ ω <ω mit Φ0 (s) = 1 gibt. Φ1 ist ebenfalls keine Surjektion, denn damit das Urbild von einem x ∈ R unter Φ1 gebildet werden kann, muß gelten: für alle m ∈ ω ist xm 6= 1 und die durch Φ−1 0 (xm ) gegebenen endlichen Folgen besitzen die gleiche Länge, d.h. m 7→ len(Φ−1 (x )) ist konstant. m 0 Wegen der Injektivität von Φ0 existiert nun eine Surjektion Ψ0 : ω ω <ω , so daß Ψ0 ◦ Φ0 ≡ idω<ω gilt. Die Existenz derartiger Funktionen läßt sich bereits in ZF beweisen.20 Aus dem gleichen Grund existiert auch eine Surjektion Ψ1 : R R<ω , so daß Ψ1 ◦ Φ1 ≡ idR<ω gilt. Ψ0 und Ψ1 sind also die gewünschten Kodierungen. Für den Rest der Arbeit fixieren wir eine Abzählung hsn | n ∈ ωi von ω <ω – also der endlichen Folgen natürlicher Zahlen –, so daß sn 6= sm für n 6= m gilt. Wir geben abschließend eine Kodierung der stetigen Funktionen f : R → R durch reelle Zahlen an. Definition 1.24: Für x ∈ R definieren wir: ψx : ω <ω → ω <ω , ψx (sn ) = Sei weiter: cx : R → R, cx (y) = ( ( sm , falls x(π(n, m)) = 0 ∅ , sonst. fψx (y) , falls ψx stetig ist h0, 0, . . .i , sonst. Ist also ψx stetig, dann ist cx die stetige Abbildung, die durch ψx induziert wird: cx = fψx . Ist ψx nicht stetig, dann ist cx die stetige Abbildung, die konstant 0 ist, d.h. ∀y ∈ R ∀n ∈ ω cx (y)(n) = 0 . Ist nun f : R → R stetig, dann existiert nach Lemma 1.14 ein stetiges ϕf : ω <ω → ω <ω mit f = fϕf . Ist dann x(k) = ( 0 , falls k = π(n, m) und ϕf (sn ) = sm 1 , sonst. dann ist ϕf = ψx und ψx ist stetig. Also existiert ein x ∈ R, so daß f = cx gilt und wir erhalten damit die gewünschte Kodierung jeder stetigen Funktion durch eine reelle Zahl. 1.3 Die Borel-Hierarchie und die projektive Hierarchie In diesem Abschnitt führen wir die beiden wichtigsten Klassifizierungen von Teilmengen der reellen Zahlen in der klassischen Deskriptiven Mengenlehre ein: die Borel-Mengen und die projektiven Mengen. Wir erhalten in beiden Fällen eine Hierarchie der Teilmengen von R mit zunehmender Komplexität. Man kann beide Hierarchien allgemein für jeden Polnischen Raum – d.h. für jeden separablen, vollständigen metrischen Raum – definieren. Für diese Arbeit genügt allerdings der Spezialfall für die reellen Zahlen – d.h. für den Baire-Raum, der nach den Bemerkungen 20 Vgl. dazu auch Abschnitt 1.1. 1.3. D IE B OREL -H IERARCHIE UND DIE PROJEKTIVE H IERARCHIE 17 in Abschnitt 1.2 selbst ein Polnischer Raum ist – und dessen k-faches kartesisches Produkt. Als Grundlage dienten [And], Abschnitt 3 und 4 sowie [Kan97], Abschnitt 12. Dort finden sich auch die Beweise der unten angegebenen Aussagen. Wir führen zunächst den Begriff der Punktklasse ein: Definition 1.25: Eine Punktklasse (pointclass) ist eine nicht-leere Menge Γ von Mengen reeller k-Tupel für k ∈ ω, d.h. es gilt: [ ℘(Rk ) | k ∈ ω . Γ⊆ Für eine Punktklasse Γ sei die duale Punktklasse ¬Γ definiert durch: [ Rk − A | k ∈ ω ∧ A ⊆ Rk ∧ A ∈ Γ . ¬Γ :≡ Eine Fettdruck-Punktklasse (boldface pointclass) ist eine Punktklasse Γ, die abgeschlossen unter stetigen Urbildern ist, d.h. ist A ∈ Γ und f : Rn → Rk eine stetige Funktion, dann ist auch f −100 A ∈ Γ. I. Die Borel-Hierarchie Wir definieren zunächst die Begriffe der Abgeschlossenheit unter γ-Vereinigung und der γ-Algebra auf einer Menge X. Sei dazu im folgenden γ ∈ Ord mit γ > ω. Definition 1.26: Eine Menge A heißt abgeschlossen unter γ-Vereinigung, falls für alle β < γ und alle (wohlgeordneten) Folgen hAα | α < βi mit Aα ∈ A für α < β gilt: [ {Aα | α < β} ∈ A. Definition 1.27: Sei X eine Menge. Eine Teilmenge A ⊆ ℘(X) heißt γ-Algebra auf X, falls sie die leere Menge enthält sowie gegenüber der Komplementbildung und der γ-Vereinigung abgeschlossen ist. Für eine ω1 -Algebra findet man auch häufig die Bezeichnung σ-Algebra. Sei E ⊆ ℘(X). Da Durchschnitte von γ-Algebren wieder eine γ-Algebra bilden, ist die folgende Definition sinnvoll: \ Aγ (E) :≡ {A | E ⊆ A ∧ A ist γ-Algebra auf X}. Aγ (E) ist also die kleinste γ-Algebra, die jede Menge aus E enthält. Aγ (E) heißt die von E erzeugte γ-Algebra. Statt Aω1 (E) schreiben wir auch A(E). Für einen topologischen Raum (X, O) heißt B(X) :≡ A(O) die σ-Algebra der Borel-Mengen von X und jedes A ∈ B(X) heißt Borel-Menge von X. Als nächstes definieren wir die Borel-Hierarchie: Definition 1.28: Sei A ⊆ Rk für ein k ∈ ω. Für α > 0 definieren wir über simultane Rekursion die Borel-Hierarchie: A ∈ Σ01 :⇔ A ist offen; A ∈ Π01 :⇔ A ist abgeschlossen; 18 K APITEL 1. G RUNDLAGEN A ∈ Σ0α :⇔ A = [ Bn , so daß jedes Bn ∈ Π0βn für ein 0 < βn < α; n∈ω A∈ Π0α n∈ω Σ0α ∩ Π0α . S Lemma 1.29: [ACω (R)] Es gilt Σ0ω1 = 0<α<ω1 Σ0α . A∈ ∆0α :⇔ R − A ∈ Σ0α \ ⇔A= Bn , so daß jedes Bn ∈ Σ0βn für ein 0 < βn < α; k :⇔ A ∈ Daraus folgt insbesondere: ∀α ≥ ω1 Σ0α = Σ0ω1 . Es genügt also, unter ACω (R) nur die Stufen der Borel-Hierarchie für α < ω1 zu betrachten. Durch Induktion nach α zeigt man leicht, daß die Elemente von jedem Σ0α und jedem Π0α für α > 0 tatsächlich Borel-Mengen im Sinne der Definition 1.27 sind, d.h. es gilt: ∀α > 0 Σ0α ⊆ B Rk ∧ Π0α ⊆ B Rk . Für die ersten Stufen der Borel-Hierarchie sind noch einige ältere Bezeichnungen üblich: Fσ für Σ02 , Gδ für Π02 , Gδσ für Σ03 , Fσδ für Π03 etc. Lemma 1.30: Sei α > 0 und k, m ∈ ω. Ist f : Rk → Rm stetig, dann gilt: A ∈ Σ0α ⇒ f −100 A ∈ Σ0α und A ∈ Π0α ⇒ f −100 A ∈ Π0α . Insbesondere sind Σ0α und Π0α für α > 0 Fettdruck-Punktklassen. Die Punktklassen Σ0α und Π0α sind aber im Allgemeinen nicht abgeschlossen unter stetigen Bildern. Dagegen sind sie offensichtlich abgeschlossen unter homöomorphen Bildern. Nach Lemma 1.12 ist R – als Baire-Raum ω ω – homöomorph zu seinem k-fachen kartesischen Produkt Rk . Es genügt also nach dem vorherigen Lemma, nur die Borel-Hierarchie auf R zu betrachten. Sei also im folgenden k = 1. Da jede offene Menge von R die Vereinigung von abzählbar vielen abgeschlossenen Mengen ist, gilt Σ01 ⊆ Σ02 . Dieses Ergebnis kann man entsprechend erweitern: Lemma 1.31: Für alle 0 < α < β gilt: Σ0α ⊆ Σ0β , Σ0α ⊆ Π0β , Π0α ⊆ Π0β und Π0α ⊆ Σ0β . In der Tat ist die Borel-Hierarchie eine echte Hierarchie von Punktklassen: Lemma 1.32: [ACω (R)] Es gilt: (1) Für alle 0 < α < ω1 gilt: Σ0α 6= Π0α , (2) S 0<α<ω1 ∆0α $ Σ0α $ ∆0α+1 und Σ0α ist eine σ-Algebra und es gilt: [ Σ0α = B(R) = 0<α<ω1 [ ∆0α $ Π0α $ ∆0α+1 ; Π0α . 0<α<ω1 Insbesondere ist also jede Borel-Menge ein Element von Σ0α für ein 0 < α < ω1 . 1.3. D IE B OREL -H IERARCHIE UND DIE PROJEKTIVE H IERARCHIE 19 Ohne eine (schwache) Form von Auswahlprinzip kann die Punktklasse B(R) trivial werden, d.h. es kann B(R) = ℘(R) gelten. Z.B. ist im Feferman-Lévy-Modell jede Teilmenge von R bereits eine Borel-Menge.21 Wir erhalten insgesamt unter ACω (R) das in Abbildung 1.1 dargestellte Diagramm. Σ02 ⊂ ⊂ Π02 {z ⊂ ⊂ ⊂ ⊂ ... ∆03 ⊂ ⊂ ⊂ ∆02 Π01 | ⊂ ⊂ ∆01 Σ03 ⊂ Σ01 Π03 ω1 Abb. 1.1: Die Borel-Hierarchie B(R) unter ZF + ACω (R) } II. Die projektive Hierarchie Als nächstes definieren wir die projektive Hierarchie. Dazu benötigen wir den grundlegenden Begriff der Projektion: Definition 1.33: Seien X, Y Mengen und A ⊆ X × Y . Dann heißt p(A) :≡ {x ∈ X | ∃y ∈ Y hx, yi ∈ A } die Projektion von B (vgl. Abbildung 1.2). Definition 1.34: Sei A ⊆ Rk für ein k ∈ ω. Für n ∈ ω definieren wir über simultane Rekursion:22 A ∈ Σ10 :⇔ A ∈ Σ01 , A ∈ Π1n :⇔ Rk − A ∈ Σ1n , A ∈ Σ1n+1 :⇔ A = p(B), wobei B ⊆ Rk+1 und B ∈ Π1n , A ∈ ∆1n :⇔ A ∈ Σ1n ∩ Π1n . Mengen aus der Punktklasse Σ11 heißen auch analytisch. Man überprüft leicht, daß es sich tatsächlich um eine Hierarchie von Punktklassen handelt: Lemma 1.35: Es gilt: Σ1n ⊆ Σ1n+1 , Σ1n ⊆ Π1n+1 , Π1n ⊆ Π1n+1 und Π1n ⊆ Σ1n+1 . Setzt man eine schwache Form von Auswahlprinzip voraus, so ist die eben definierte Hierarchie eine echte Hierarchie von Fettdruck-Punktklassen, d.h. die oben genannten Inklusionen sind echt: 21 Zum Feferman-Lévy-Modell vgl. [Jec97], S. 213f. In diesem Modell ist R die abzählbare Vereinigung von abzählbaren Mengen. 22 Hierbei ist wesentlich, daß für uns R = ω ω ist. Für die wirklichen“ reellen Zahlen müßten wir die projektive ” Hierarchie anders definieren. 20 K APITEL 1. G RUNDLAGEN X A Y p(A) Abb. 1.2: Die Projektion einer Menge A Lemma 1.36: [ACω (R)] (1) Für alle n ∈ ω gilt: Σ1n 6= Π1n , ∆1n $ Σ1n $ ∆1n+1 und ∆1n $ Π1n $ ∆1n+1 . Insbesondere ist die projektive Hierarchie eine echte Hierarchie von Punktklassen; (2) Ist f : Rk → Rm stetig, dann gilt für alle n ∈ ω: A ∈ Σ1n ⇒ f −100 A ∈ Σ1n und A ∈ Π1n ⇒ f −100 A ∈ Π1n . Insbesondere ist jedes Σ1n und jedes Π1n eine Fettdruck-Punktklasse; (3) Ist f : Rk → Rm stetig, dann gilt für alle n ∈ ω: A ∈ Σ1n ⇒ f 00 A ∈ Σ1n . Jedes Σ1n ist also abgeschlossen unter stetigen Bildern. Das Analogon für Π1n gilt aber im Allgemeinen nicht. S S Wir definieren daher P(R) :≡ n∈ω Σ1n = n∈ω Π1n . P(R) heißt projektive Hierarchie von R. Das Verhältnis dieser Hierarchie zur Borel-Hierarchie wird von dem folgenden Satz erfaßt: Satz 1.37 (Suslin): [ACω (R)] Für A ⊆ Rk mit k ∈ ω gilt: A ∈ B(R) ⇔ A ∈ Σ11 ∧ Rk − A ∈ Σ11 . Insbesondere ist also B(R) = ∆11 . Wir erhalten also unter ACω (R) das in Abbildung 1.3 dargestellte Diagramm der projektiven Hierarchie. 1.4. U NIFORMISIERUNGEN , C LUB -M ENGEN UND PARTITIONEN Σ12 1.4 ⊂ ⊂ ⊂ ⊂ ⊂ Π11 | ... ∆13 ⊂ ⊂ ⊂ ∆12 ⊂ B(R) = ∆11 Σ13 ⊂ ⊂ ⊂ Σ11 21 Π12 Π13 {z ω Abb. 1.3: Die projektive Hierarchie P(R) unter ZF + ACω (R) } Uniformisierungen, Club-Mengen und Partitionen I. Uniformisierungen Uniformisierbarkeit ist eine Regularitätseigenschaft von Mengen. Der Begriff wurde 1930 von Nikolai Luzin eingeführt:23 Definition 1.38: Seien A, B ⊆ R2 . B ist eine Uniformisierung von A oder A wird von B unifor misiert :⇔ B ⊆ A ∧ ∀x ∈ R ∃y ∈ R (hx, yi ∈ A) ⇒ ∃!y ∈ R (hx, yi ∈ B) . B ist also der Graph einer Funktion, deren Definitionsbereich die Projektion von A auf die erste Koordinate ist und so daß der Graph vollständig in A enthalten ist (vgl. Abbildung 1.4). Seien B R A R Abb. 1.4: Uniformisierung von Teilmengen reeller Zahlen Γ, ∆ Punktklassen. Dann sei: (1) Unif (Γ, ∆) :⇔ alle Mengen A ∈ Γ können durch eine Menge B ∈ ∆ uniformisiert werden; (2) Unif (Γ) :⇔ Unif (Γ, Γ); (3) Unif :⇔ Unif (℘(R2 )). 23 Vgl. [Luz30]. 22 K APITEL 1. G RUNDLAGEN Unif bedeutet also, daß jede Teilmenge von R2 uniformisiert werden kann. Es besteht die folgende Beziehung zwischen der Uniformisierbarkeit und der Existenz von Auswahlfunktionen: Lemma 1.39: Die folgenden Aussagen sind äquivalent: (1) ACR (R); (2) Unif . Beweis. ⇒“: Sei A ⊆ R2 . Ist A = ∅, dann uniformisiert nach Definition jede Teilmenge reeller ” Zahlen die Menge A. Sei also A 6= ∅. Wir definieren: X :≡ {y ∈ R | hx, yi ∈ A} | x ∈ dom(A) . Nach Voraussetzung ist X eine Familie nicht-leerer Teilmengen von R. Wegen dom(A) ⊆ R und ACR (R) existiert daher eine Auswahlfunktion: f : dom(A) → ran(A) mit ∀x ∈ dom(A) hx, f (x)i ∈ A . Dann liefert uns der Graph von f die gewünschte Uniformisierung von A: B :≡ {hx, f (x)i | x ∈ dom(A)} ⊆ R2 . ⇐“: Sei {Ax | x ∈ R} eine Familie nicht-leerer Teilmengen von R. Wir definieren dann: ” [ A :≡ {x} × Ax ⊆ R2 . x∈R Sei B ⊆ R2 eine Uniformisierung von A. Wir können B als den Graphen24 einer Funktion f betrachten: [ f :R→ Ax . x∈R Da Ax 6= ∅ für alle x ∈ R ist, gilt ∀x ∈ R ∃y ∈ R hx, yi ∈ A . Da B eine Uniformisierung ist, gilt daher: ∀x ∈ R ∃!y ∈ R hx, yi ∈ B . Da B ⊆ A der Graph von f ist, gilt also: ∀x ∈ R f (x) ∈ Ax , d.h. f ist die gewünschte Auswahlfunktion. II. Club-Mengen Der Begriff der Club-Menge ist einer der grundlegenden Begriffe der Mengenlehre, der in vielen Bereichen verwendet wird. Wir geben hier noch einmal die Definition an und zeigen einige grundlegende Resultate, die in dieser Arbeit benötigt werden. Definition 1.40: Sei κ eine Limesordinalzahl und C ⊆ κ. (1) C heißt abgeschlossen in κ :⇔ ∀η < κ η ∩ C 6= ∅ ⇒ sup(η ∩ C) ∈ C ; (2) C heißt unbeschränkt in κ :⇔ ∀η < κ ∃λ ∈ C η < λ ; 24 Gemäß der Definition von Funktionen bzw. funktionalen Relationen, die üblicherweise in der Mengenlehre angegeben wird, ist die Menge B selbst eine Funktion mit dom(B) = R. 1.4. U NIFORMISIERUNGEN , C LUB -M ENGEN UND PARTITIONEN 23 (3) C heißt club in κ :⇔ C ist abgeschlossen und unbeschränkt in κ.25 Die Abgeschlossenheit in κ bedeutet dabei gerade, daß für jedes η < κ und jede echt aufsteigende Folge hαγ | γ < ηi von Elementen aus C der Limes sup{αγ | γ < η} wieder ein Element von C ist, d.h. C ist abgeschlossen (im Sinne der Topologie) in der Ordnungstopologie von κ. Lemma 1.41: Sei κ eine reguläre, überabzählbare Kardinalzahl und f : κ → κ. Dann ist die Menge {α < κ | f 00 α ⊆ α} club in κ. Beweis. Vgl. [Jec97], Exercise 7.9. Definition 1.42: Sei κ ∈ Card und A ⊆ κ. Dann sei lim(A) die Menge der Häufungspunkte von A: lim(A) :≡ {λ < κ | sup(A ∩ λ) = λ}. Lemma 1.43: Sei κ eine reguläre, überabzählbare Kardinalzahl und A ⊆ κ unbeschränkt in κ. Dann ist lim(A) club in κ. Beweis. (1) lim(A) ist unbeschränkt in κ. Sei η < κ. Wir definieren durch Induktion über n ∈ ω eine echt aufsteigende Folge η < β0 < β1 < . . . < κ. Nach Voraussetzung ist A unbeschränkt in κ, also existiert ein β0 ∈ A mit η < β0 . Da A ⊆ κ gilt, ist insbesondere β0 < κ. Sei nun βn < κ bereits gegeben. Dann existiert wegen der Unbeschränktheit von A ein βn+1 ∈ A mit βn < βn+1 und es gilt βn+1 < κ. Wir definieren nun λ :≡ sup{βn | n ∈ ω}. Da nach Voraussetzung cof(κ) = κ > ω gilt, ist λ < κ. Beh.: sup(A ∩ λ) = λ. ⊆“: Sei α ∈ sup(A ∩ λ). Dann existiert ein βn ∈ A ∩ λ mit α < βn . Da λ eine Ordinalzahl ist, ” gilt also auch α < λ. ⊇“: Sei βn ∈ λ. Nach Konstruktion ist βn+1 ∈ A ∩ λ und βn < βn+1 , also βn ∈ sup(A ∩ λ). ” Also gilt λ ∈ lim(A) und nach Konstruktion ist η < λ. (2) lim(A) ist abgeschlossen in κ. Sei η < κ und η ∩ lim(A) 6= ∅. Sei δ :≡ sup(η ∩ lim(A)). Es gilt δ < κ. Beh.: sup(A ∩ δ) = δ. ⊆“: Sei α ∈ sup(A ∩ δ). Dann existiert ein β ∈ A ∩ δ mit α < β, also gilt auch α < δ. ” ⊇“: Sei α < δ. Dann existiert ein β ∈ η ∩ lim(A) mit α < β. Offensichtlich gilt β ⊆ δ. Da ” β ∈ lim(A) ist, gilt sup(A ∩ β) = β. Wegen α < β existiert also ein γ ∈ A ∩ β ⊆ A ∩ δ mit α < γ. Also gilt α ∈ sup(A ∩ δ). Also ist δ ∈ lim(A) und lim(A) damit abgeschlossen. III. Partitionen und Partitionseigenschaften Partitionen sind ein grundlegender Begriff der infinitären Kombinatorik. Wir wiederholen noch einmal die Definition einer Partition und geben einige grundlegende Resultate an. Für eine ausführlichere Darstellung vgl. [Kan97], Abschnitt 7. 25 Die Bezeichnung club“ steht als Abkürzung für closed and unbounded“. ” ” 24 K APITEL 1. G RUNDLAGEN Definition 1.44: Eine Partition einer Menge S ist Familie {Xi | i ∈ I} von paarweise disjunkten S Mengen, so daß S = i∈I Xi gilt. Zu jeder gegebenen Partition können wir eine Funktion F : S → I angeben, so daß genau dann F (x) = F (y) gilt, wenn x und y Elemente der selben Menge Xi ∈ P sind. Umgekehrt bestimmt jede Funktion F : S → I eine eindeutige Partition von S durch {F −100 {i} | i ∈ I}. Mit Hilfe von Partitionen erhalten wir ein nützliches Äquivalent der Vollständigkeit von Ultrafiltern: Lemma 1.45: Sei U ein Filter auf einer Menge M und κ eine Limesordinalzahl. Dann sind äquivalent: (1) U ist ein κ-vollständiger Ultrafilter; (2) Für alle λ < κ und alle Partitionen {Xα | α < λ} von M existiert genau ein α0 < λ, so daß Xα0 ∈ U gilt. S Beweis. (1)⇒(2)“: Sei λ < κ und {Xα | α < λ} eine Partition von M . Dann ist α<λ Xα = ” S T M ∈ U. Da ∅ 6∈ U ist, muß also M − α<λ Xα = α<λ (M − Xα ) 6∈ U gelten. Da U κvollständig ist, existiert demnach ein α0 < λ, so daß M − Xα0 6∈ U ist. Da U ein Ultrafilter ist, ist damit M − (M − Xα0 ) = Xα0 ∈ U. Damit ist die Existenz gezeigt. Angenommen, es existiert α1 < λ mit α0 6= α1 , so daß Xα1 ∈ U gilt. Da die Xα paarweise disjunkt sind, wäre dann aber wegen den Filtereigenschaften auch Xα0 ∩ Xα1 = ∅ ∈ U. Widerspruch. (2)⇒(1)“: Sei X ⊆ M beliebig. Da X ∪ (M − X) = M und X ∩ (M − X) = ∅ gilt, ist ” {X, M −X} eine Partition von M . Da 2 < κ gilt, ist nach Voraussetzung X ∈ U oder M −X ∈ U, also ist U ein Ultrafilter. Sei nun λ < κ und {Aα | α < λ} eine Familie von Teilmengen von M , S so daß α<λ Aα ∈ U gilt. Wir definieren nun für α < λ: [ Bα :≡ Aα − Aβ . β<α S S Dann gilt Bα ⊆ Aα und α<λ Bα = α<λ Aα ∈ U. Außerdem sind die Bα paarweise disjunkt. S Wir definieren nun die Menge P :≡ {Bα | α < λ} ∪ {M − α<λ Bα }. Dann ist P eine Partition von M , denn die Vereinigung aller Mengen aus P ist gleich M und die Mengen sind paarweise disjunkt. Da Lim(κ) gilt, ist λ + 1 < κ und nach Voraussetzung existiert eine Menge aus P , die S S in U liegt. Da aber α<λ Bα ∈ U gilt, kann dies nicht die Menge M − α<λ Bα sein, denn sonst wäre nach den Filtereigenschaften auch ∅ ∈ U. Also existiert ein α0 < λ mit Bα0 ∈ U. Da Bα0 ⊆ Aα0 gilt, ist damit auch Aα0 ∈ U. T Sei nun {Xα | α < λ} ⊆ U. Angenommen, es gilt α<λ Xα 6∈ U. Da U nach dem bereits S T gezeigten ein Ultrafilter ist, gilt dann M − α<λ (M − Xα ) ∈ U. Nun ist {M − α<λ Xα = Xα | α < λ} eine Familie von Teilmengen von M , nach dem gerade gezeigten existiert also ein T α0 < λ, so daß M − Xα0 ∈ U gilt. Damit ist Xα0 6∈ U. Widerspruch. Also gilt α<λ Xα ∈ U und U ist κ-vollständig. Wir betrachten nun die sogenannten Partitionseigenschaften. Dazu definieren wir zunächst: Definition 1.46: Für eine linear geordnete Menge S und ein ν ∈ Ord definieren wir: [S]ν :≡ f | f : ν → S ∧ ∀α, β < ν α < β ⇒ f (α) < f (β) . 1.4. U NIFORMISIERUNGEN , C LUB -M ENGEN UND PARTITIONEN 25 [S]ν ist also die Menge aller echt aufsteigenden ν-Folgen aus S. Für n ∈ ω ist demnach [S]n die Menge der n-elementigen Teilmengen von S. Ist P = {Xi | i ∈ I} eine Partition von [S]ν , dann heißt eine Menge H ⊆ S homogen für die Partition P , falls [H]ν ⊆ Xi für ein i ∈ I gilt. Die äquivalente Formulierung für Funktionen F : [S]ν → I lautet: H heißt homogen für die Funktion F , falls F auf [H]ν konstant ist. Wir führen nun die Pfeilnotation ein, die auf Paul Erdős zurückgeht. Mit dieser Notation lassen sich viele Partitionseigenschaften übersichtlich formulieren. Seien α, µ, ν ∈ Ord und κ ∈ Card.26 Wir bezeichnen dann mit α → (κ)νµ die folgende Partitionseigenschaft: Für jede Funktion F : [α]ν → µ existiert eine Menge H ⊆ α mit |H| = κ, so daß F auf [H]ν konstant ist. Lemma 1.47: Es gelten die folgenden Beziehungen für die Pfeilnotation: (1) Seien α0 ≥ α und κ0 ≤ κ, µ0 ≤ µ. Gilt α → (κ)νµ , dann gilt auch α0 → (κ0 )νµ0 ; 0 (2) Sei ν 0 < ν und ν 0 < cof(κ). Gilt α → (κ)νµ , dann gilt auch α → (κ)νµ . Beweis. Vgl. Wissenschaftliche Arbeit von Ute Schmid [Sch99], Proposition 2.4.1 und Proposition 2.4.2. Die Aussage der Pfeilnotation behält also ihre Gültigkeit, wenn wir den Parameter auf der linken Seite vergrößern oder die Parameter auf der rechten Seite verkleinern – mit der angegebenen Einschränkung für den Exponenten ν. Für Partitionen von [ω]n in endlich viele Teile gilt: Satz 1.48 (Ramsey): Für alle n, m ∈ ω gilt ℵ0 → (ℵ0 )nm . Beweis. Vgl. [Jec97], Lemma 29.1. Ein frühes Ergebnis von Paul Erdős und Richard Rado zeigt aber, daß in der Theorie ZFC der Exponent ν in der Pfeilnotation endlich sein muß: Lemma 1.49 (Erdős-Rado): [AC] Angenommen, es ist µ ≥ 2 und es gilt α → (κ)νµ . Dann ist ν < ω. Beweis. Vgl. [Kan97], Proposition 7.1. In Theorien, in denen das Auswahlaxiom nicht gilt, können wir auch Partitionseigenschaften von Kardinalzahlen mit unendlichem Exponenten betrachten. Wir definieren hier eine sehr starke Form einer derartigen Eigenschaft, die wir im Laufe der Arbeit verwenden werden: Definition 1.50: Sei κ eine überabzählbare Kardinalzahl. κ heißt schwach kompakt, falls κ → (κ)22 gilt. κ besitzt die starke Partitionseigenschaft, falls gilt: ∀µ < κ κ → (κ)κµ . Eine Kardinalzahlen mit einer derartigen Partitionseigenschaft heißt starke Partitionskardinalzahl. 26 Man kann die Pfeilnotation noch allgemeiner definieren. Wir beschränken uns hier auf die Verwendung von Kardinal- und Ordinalzahlen. 26 K APITEL 1. G RUNDLAGEN Aus der schwachen Kompaktheit erhalten wir bereits die Regularität der Kardinalzahlen: Lemma 1.51: Sei κ schwach kompakt. Dann ist κ regulär. Beweis. Angenommen, κ ist singulär. Dann existiert ein γ < κ und paarweise disjunkte TeilmenS gen Xα ⊆ κ für α < γ mit |Xα | < κ, so daß κ = α<γ Xα gilt. Wir definieren eine Partition durch: ( 0 , falls ein α < γ existiert mit f (0) ∈ Xα und f (1) ∈ Xα F : [κ]2 → 2, f 7→ 1 , sonst. Nach Voraussetzung existiert ein H ⊆ κ mit |H| = κ, so daß H homogen für F ist. Fall 1: F 00 [H]2 = {0}. Sei β ∈ H ⊆ κ beliebig. Nach Voraussetzung existiert genau ein α0 < γ mit β ∈ Xα0 . Sei β 0 ∈ H mit β 0 6= β. Ist β < β 0 , dann ist f :≡ {h0, βi, h1, β 0 i} ∈ [H]2 . Da die Xα paarweise disjunkt sind, gilt wegen F (f ) = 0 also auch β 0 ∈ Xα0 . Analog gilt: falls β 0 < β, dann ist ebenfalls β 0 ∈ Xα0 . Es folgt H ⊆ Xα0 , also κ = |H| ≤ |Xα0 |. Widerspruch. Fall 2: F 00 [H]2 = {1}. Wir definieren die Funktion g : H → γ durch: g(β) sei das eindeutige α < γ, so daß β ∈ Xα gilt. Sind β, β 0 ∈ H mit β < β 0 , dann ist F ({h0, βi, h1, β 0 i}) = 1, d.h. es existiert kein α < γ mit β ∈ Xα und β 0 ∈ Xα . Insbesondere ist g(β) 6= g(β 0 ), d.h. g ist injektiv. Also gilt κ = |H| ≤ γ. Widerspruch. für eine Lemma 1.52: Sei κ ≥ ℵ0 eine Kardinalzahl mit der Partitionseigenschaft κ → (κ)ν+ν 2 Ordinalzahl ν < κ. Dann gilt auch: ∀µ < κ κ → (κ)νµ . Beweis. Ein κ mit der angegebenen Partitionseigenschaft erfüllt nach Lemma 1.47 auch κ → (κ)22 . Nach Lemma 1.51 ist also κ regulär. Sei µ < κ und F : [κ]ν → µ eine Partition. Für eine Teilmenge Y ⊆ κ und f ∈ [Y ]ν+ν definieren wir: f0 : ν → Y, α 7→ f (α); f1 : ν → Y, α 7→ f (ν + α). Da f streng monoton wachsend ist, sind auch f0 und f1 streng monoton wachsend, d.h. es gilt f0 , f1 ∈ [Y ]ν . Außerdem ist sup(ran(f0 )) ≤ f1 (0). Seien andererseits g, h ∈ [Y ]ν mit sup( ran(g)) ≤ h(0). Dann definieren wir g ⊕ h durch: ( g(α) , falls α < ν g ⊕ h : ν + ν → H, α 7→ h(β) , falls α = ν + β. Dann ist g ⊕ h ∈ [H]ν+ν und es gilt (g ⊕ h)0 = g und (g ⊕ h)1 = h. Wir definieren nun die Partition G durch: G : [κ] ν+ν → 2, f 7→ ( 0 , falls F (f0 ) = F (f1 ) 1 , sonst. Nach Voraussetzung existiert ein H ⊆ κ mit |H| = κ, so daß H homogen für G ist. Wir wollen zeigen, daß H auch homogen für F ist. 1.4. U NIFORMISIERUNGEN , C LUB -M ENGEN UND PARTITIONEN 27 Beh. 1: Es existiert eine Funktion f ∈ [H]ν+ν mit F (f1 ) = F (f2 ). Insbesondere ist G00 [H]ν+ν = {0}. Beweis. Sei hhα | α < κi eine streng monoton wachsende Aufzählung von H. Dann definieren wir: Hγ :≡ {hν·γ+α | α < ν}. Da κ regulär ist, gilt für γ < κ auch ν · γ + α < κ für alle α < ν. Also ist Hγ für alle γ < κ definiert. H wird durch die Hγ in κ Blöcke der Länge ν zerlegt. Für γ < κ sei nun: fγ : ν → Hγ , α 7→ hν·γ+α . Für alle γ < κ ist fγ streng monoton wachsend, wegen Hγ ⊆ H gilt also fγ ∈ [H]ν . Nach Konstruktion gilt außerdem für α < β < κ: sup(ran(fα )) ≤ fβ (0). Sei nun g : κ → µ, γ 7→ F (fγ ). Da κ regulär und µ < κ ist, existieren nach dem Schubfachprinzip α, β < κ mit α < β und g(α) = g(β).27 Also gilt F (fα ) = F (fβ ) und sup(ran(fα )) ≤ fβ (0). Sei f :≡ fα ⊕ fβ . Dann ist f ∈ [H]ν+ν und es gilt f0 = fα und f1 = fβ , also F (f0 ) = F (f1 ). (1) Seien nun zwei Funktionen g, h ∈ [H]ν gegeben. g ist eine Funktionen von ν nach H ⊆ κ. Da κ regulär ist und ν < κ gilt, kann g nicht unbeschränkt in κ sein, d.h. es gilt λ :≡ sup(ran(g)) < κ. Analog gilt λ0 :≡ sup(ran(h)) < κ. Andererseits ist die Menge {fγ (0) | γ < κ} unbeschränkt in κ, also existiert ein α < κ und ein fα : ν → Hα mit max{λ, λ0 } ≤ fα (0). Dann ist g ⊕ fα ∈ [H]ν+ν und damit G(g ⊕ fα ) = 0, also gilt F (g) = F (fα ). Analog gilt h ⊕ fα ∈ [H]ν+ν , also auch F (h) = F (fα ). Zusammen folgt demnach F (g) = F (h) für alle g, h ∈ [H]ν , also ist H homogen für F . 1.5 Bäume, Suslin-Mengen und Skalen Wir führen in diesem Abschnitt den grundlegenden Begriff des Baumes und die Kleene-BrouwerOrdnung ein. Mit Hilfe des Baum-Begriffes können wir die Suslin-Mengen definieren. SuslinMengen sind entscheidende Objekte dieser Arbeit. Wir werden einige wichtige Eigenschaften von Bäumen und Suslin-Mengen angeben. Der letzte Teil des Abschnitt beschäftigt sich mit Normen, Präwohlordnungen und Skalen. I. Bäume und die Kleene-Brouwer-Ordnung Wir definieren zunächst den grundlegenden Begriff des Baumes: Definition 1.53: Sei X eine Menge und α ∈ Ord. Ist α eine Nachfolgerordinalzahl, dann ist T ein Baum auf X der Höhe α, falls T eine Teilmenge der Folgen aus X mit Länge kleiner oder gleich α ist, die abgeschlossen unter Anfangsstücken ist: S (1) T ⊆ X ≤α = β≤α X β ; 27 Vgl. [BK96], Satz 11.1. 28 K APITEL 1. G RUNDLAGEN (2) t ∈ T ⇒ ∀β ≤ len(t) tβ ∈ T . Ist α eine Limesordinalzahl, dann ist T ein Baum auf X der Höhe α, falls T eine Teilmenge der Folgen aus X mit Länge kleiner α ist, die abgeschlossen unter Anfangsstücken ist: S (1) T ⊆ X <α = β<α X β ; (2) t ∈ T ⇒ ∀β ≤ len(t) tβ ∈ T . Definition 1.54: Sei T ein Baum auf X der Höhe α. (1) Seien s, t ∈ T . Die umgekehrte echte Inklusionsordnung % ist eine partielle Ordnung auf T; (2) Für Succ(α) sei [T ] :≡ T ∩ X α die Menge der Äste mit maximaler Länge; (3) Für Lim(α) sei [T ] :≡ {x ∈ X α | ∀β < α xβ ∈ T } die Menge der Äste mit Supremumslänge. Im Fall α = ω ist [T ] gerade die Menge der unendlichen Äste; (4) Für s ∈ X <α sei T /s :≡ {t ∈ X <α | sat ∈ T }. Für einen Baum auf X der Höhe ω sagen wir auch kurz Baum auf X. Für den Rest dieses Abschnitts betrachten wir nur noch Bäume der Höhe ω, also Teilmengen von endlichen Folgen aus X, da diese die Hauptanwendung in dieser Arbeit darstellen. Dann sei: Definition 1.55: Ein Baum T auf einer Menge X heißt fundiert, falls (T, %) eine fundierte Relation ist. Wir werden häufig Bäume auf kartesischen Produkten verwenden. Wir führen einige Konventionen ein: Definition 1.56: Sei X = Y × Z. Ist T ein Baum auf X und u ∈ T , dann ist u = hu0 , . . . , un−1 i und ui = hsi , ti i mit si ∈ Y und ti ∈ Z für i < n. Wir identifizieren (Y × Z)n mit Y n × Z n und betrachten u = hs, ti als Paar von Folgen hs0 , . . . , sn−1 i ∈ Y n und ht0 , . . . , tn−1 i ∈ Z n . Dann ist also T ⊆ Y <ω × Z <ω mit der Eigenschaft, daß len(s) = len(t) für hs, ti ∈ T gilt. Sei un :≡ hsn, tni. Wir erweitern die Inklusion auf Paare von Folgen durch: hs, ti ⊆ hs0 , t0 i :≡ s ⊆ s0 ∧ t ⊆ t0 . Wir erhalten eine entsprechende Erweiterung der partiellen Ordnung % auf T . Wir identifizieren ebenfalls (Y × Z)ω mit Y ω × Z ω . Mit dieser Konvention ist [T ] die Menge der Paare hy, zi ∈ Y ω × Z ω mit hyn, zni ∈ T für alle n ∈ ω. Wir definieren schließlich: (1) Für s ∈ Y <ω sei Ts :≡ {t ∈ Z <ω | len(t) ≤ len(s) ∧ hs len(t), ti ∈ T }; S (2) Für x ∈ Y ω sei Tx :≡ n∈ω Txn = {t ∈ Z <ω | hx len(t), ti ∈ T }. Wie man leicht einsieht, sind Ts und Tx Bäume auf Z. Definition 1.57: Sei T ein Baum auf einer Menge X. Ein Element s ∈ T heißt terminal, falls sahxi 6∈ T für alle x ∈ X gilt. Der Baum T heißt gestutzt (pruned), falls er keine terminalen Elemente enthält, d.h. falls es für jedes s ∈ T eine echte Erweiterung s $ t mit t ∈ T gibt. Lemma 1.58: Sei X eine nicht-leere Menge. Dann gilt DC(X <ω ) genau dann, wenn jeder gestutzte Baum T auf X einen unendlichen Ast besitzt, d.h. wenn [T ] 6= ∅ gilt. Beweis. Vgl. [And], Proposition 1.12. Lemma 1.59: [DC(X <ω )] Sei T ein Baum auf X. Dann gilt: T ist fundiert ⇔ [T ] = ∅. 1.5. B ÄUME , S USLIN -M ENGEN UND S KALEN 29 Beweis. Vgl. [Kec94], Appendix B. Lemma 1.60: Sei X eine nicht-leere Menge. Angenommen, es gilt |X <ω | = |X|. Dann gilt für alle α ∈ Ord: DC(X) ⇒ DC(α × X). Beweis. Angenommen, es gilt DC(X). Sei α ∈ Ord und R ⊆ (α × X) × (α × X) eine Relation, so daß gilt: ∀(β, x) ∈ α × X ∃(γ, y) ∈ α × X (β, x)R(γ, y) . (∗) Wir definieren einen Baum T auf α × X durch: T :≡ {(∅, ∅)} ∪ {(h0i, hxi) | x ∈ X} ∪ {(hβ0 , . . . , βn i, hx0 , . . . , xn i) | ∀k < n (βk , xk )R(βk+1 , xk+1 ) ∧ ∀γ < βk+1 ∀y ∈ X ¬(βk , xk )R(γ, y) }. T enthält also für alle x0 ∈ X die Elemente (h0i, hx0 i) und ist (hβ0 , . . . , βn i, hx0 , . . . , xn i) ∈ T , dann sei βn+1 < α der minimale Zeuge, so daß (βn , xn )R(βn+1 , y) für ein y ∈ X gilt. Dies ist möglich, da α ∈ Ord ist. Dann enthält T gerade die Elemente (hβ0 , . . . , βn+1 i, hx0 , . . . , xn , yi), so daß y ∈ X und (βn , xn )R(βn+1 , y) gilt. Wegen (∗) ist T ein gestutzter Baum. Wir definieren nun den Baum T 0 auf X durch: hx0 , . . . , xn−1 i ∈ T 0 :⇔ ∃hβ0 , . . . , βn−1 i ∈ αn (hβ0 , . . . , βn−1 i, hx0 , . . . , xn−1 i) ∈ T . Der Baum T 0 ist ebenfalls gestutzt. Nach Voraussetzung gilt |X <ω | = |X|, insbesondere existiert also eine Surjektion X X <ω . Nach Lemma 1.6 gilt also auch DC(X <ω ). Nach Lem ma 1.58 besitzt daher T 0 einen unendlichen Ast x ∈ [T 0 ], d.h. es gilt ∀n ∈ ω xn ∈ T 0 . Nach Definition von T bzw. T 0 existieren also für jedes n ∈ ω eindeutige β1 , . . . , βn−1 , so daß (h0, β1 , . . . , βn−1 i, xn) ∈ T gilt. Insbesondere ist also (βk , xk )R(βk+1 , xk+1 ) für alle k < n−1. Wegen der Eindeutigkeit der βk ist also die Funktion f : ω → α ×X, n 7→ (βn , xn ) wohldefiniert und es gilt ∀n ∈ ω f (n)Rf (n + 1) . Also gilt DC(α × X). Wir geben nun eine feinere“ Ordnung auf einem Baum T an: ” Definition 1.61: Sei (X, <) eine linear geordneten Menge. Die Kleene-Brouwer-Ordnung <KB auf X <ω sei wie folgt definiert. Sind s = hs0 , . . . , sm−1 i, t = ht0 , . . . , tn−1 i ∈ X <ω , dann sei: s <KB t :⇔ s % t ∨ ∃i < min{m, n} ∀j < i sj = tj ∧ si < ti . Man überprüft leicht, daß <KB eine lineare Ordnung ist, die die partielle Ordnung % auf X <ω erweitert. Lemma 1.62: Sei T ein Baum auf einer wohlgeordneten Menge (X, <). Dann gilt: T ist fundiert ⇔ (T, <KB T × T ) ist eine Wohlordnung. Beweis. Vgl. [Kec94], Proposition 2.12. 30 K APITEL 1. G RUNDLAGEN Bemerkung 1.63: Sei X wohlgeordnet. Dann ist auch X <ω wohlgeordnet, nach Lemma 1.3 und Lemma 1.7 gilt also DC(X <ω ). Sei X = Y × Z wohlgeordnet und T ein Baum auf X. Für alle s ∈ Y <ω gilt [Ts ] = ∅, denn Ts ist ein Baum, dessen Äste eine durch len(s) < ω beschränkte Länge haben. Insbesondere besitzt dieser Baum also keine unendlich langen Äste. Damit ist Ts nach Lemma 1.59 fundiert und <KB Ts × Ts eine Wohlordnung. Für nicht-fundierte Bäume können wir einen kanonischen unendlichen Ast angeben. Diese Konstruktion ist nützlich, wenn man in einem Kontext ohne Auswahlaxiom dennoch unendliche Äste auswählen“ möchte: ” Definition 1.64: Sei T ein nicht-fundierter Baum auf einer wohlgeordneten Menge (X, <). Nach Lemma 1.59 ist [T ] 6= ∅. Dann existiert ein rekursiv definierter, äußerster Ast (leftmost branch) lmb(T ) ∈ [T ]. Dazu definieren wir lmb(T )(n) durch Rekursion über n ∈ ω als: lmb(T )(n) :≡ min{x ∈ X | [T /(lmb(T )n)ahxi] 6= ∅}. Da nach Voraussetzung [T ] 6= ∅ gilt, ist die Menge auf der rechten Seite nicht-leer, d.h. lmb(T )(n) ist wohldefiniert. Es gilt lmb(T ) ∈ γ ω , d.h. lmb(T ) ist tatsächlich ein unendlicher Ast. Man beachte aber, daß im Allgemeinen nicht für jeden anderen unendlichen Ast z ∈ [T ] und jedes n ∈ ω gilt lmb(T )(n) ≤ z(n). Z.B. können f :≡ h0, 1, 1, 1, . . .i und g :≡ h1, 0, 0, 0, . . .i zwei unendliche Äste eines binären Baumes und f der äußerste Ast sein. Vgl. auch Bemerkung 1.83. Nach Definition 1.21 existiert in der Theorie ZF für fundierte Relationen eine Rang-Funktion: Definition 1.65: Sei T ein fundierter Baum auf X. Sei ρT :≡ ρ% die Rang-Funktion auf hT, %i gemäß Definition 1.21. Die Ordinalzahl kT k :≡ k%k heißt Rang des fundierten Baumes T . Man zeigt leicht, daß folgendes gilt: ρT (s) = sup{ρT (sahxi) + 1 | x ∈ X ∧ sahxi ∈ T }. Ein s ∈ T ist offensichtlich genau dann terminal, wenn ρT (s) = 0 gilt. Für s 6∈ T definieren wir ρT (s) = 0, so daß ρT eine Funktion auf ganz X <ω ist. Für T 6= ∅ gilt kT k = ρT (∅) + 1. Lemma 1.66: Ist T ein fundierter Baum auf κ für κ ∈ Card, dann gilt kT k < κ+ . Beweis. Vgl. [And], Exercise 1.30. Bemerkung 1.67: Für einen nicht-fundierten Baum T auf κ definieren wir den fundierten Teil WFT von T durch: s ∈ WFT :⇔ s ∈ T ∧ T /s ist fundiert. Für s ∈ WFT ist eine Rang-Funktion ρT wie in der obigen Definition gegeben. Den Rang von T definieren wir dann durch kT k = sup{ρT (s) + 1 | s ∈ WFT }. Wir erweitern ρT auf ganz T , indem wir für s ∈ T − WFT definieren: ρT (s) :≡ κ+ . Dann gilt also zusammen mit dem vorherigen Lemma, daß kT k ≤ κ+ ist und kT k < κ+ gilt genau dann, wenn T fundiert ist. 1.5. B ÄUME , S USLIN -M ENGEN UND S KALEN 31 II. Suslin-Mengen Ein weiterer, in der Deskriptiven Mengenlehre häufig auftretender Begriff ist der der SuslinMengen.28 Für die Definition dieser Mengen benötigen wir den Begriff der Projektion, den wir im letzten Abschnitt angegeben haben. Ist T ein Baum, dann schreiben wir p[T ] statt p([T ]) für die Projektion von [T ]. Normalerweise werden in der Deskriptiven Mengenlehre die Suslin-Mengen als Projektionen von Bäumen auf ω×γ definiert. Wir verallgemeinern aber diese Definition, indem wir Bäume auf α × γ mit einer unendlicher Ordinalzahl α betrachten: Definition 1.68: Sei A ⊆ αω . (1) A heißt γ-Suslin auf α, falls ein Baum T auf α × γ existiert, so daß A = p[T ] = {x ∈ αω | ∃y ∈ γ ω hx, yi ∈ [T ] }; (2) A heißt γ-Co-Suslin auf α, falls ¬A :≡ αω − A γ-Suslin ist; (3) A heißt Suslin auf α, falls A γ-Suslin für ein γ ∈ Ord ist; (4) A heißt Co-Suslin auf α, falls ¬A γ-Suslin für ein γ ∈ Ord ist; (5) S γ (α) sei die Punktklasse der γ-Suslin-Mengen auf α; S (6) S ∞ (α) :≡ γ∈Ord S γ (α) sei die Punktklasse der Suslin-Mengen auf α. Die Suslin-Eigenschaft einer Menge bedeutet also, daß diese Menge eine Baumdarstellung besitzt. Wir schreiben S γ statt S γ (ω) bzw. S ∞ statt S ∞ (ω). Außerdem sagen wir auch Suslin“ statt ” Suslin auf α“, wenn aus dem Kontext heraus klar ist, welches α gemeint ist. ” Wie man leicht zeigt, gilt: Lemma 1.69: Seien α, γ, δ Ordinalzahlen und sei |γ| ≤ |δ|. Dann gilt S γ (α) ⊆ S δ (α). Insbesondere gilt also S γ (α) = S |γ| (α). Es genügt also, die Mengen S κ (α) für κ ∈ Card zu betrachten. In ZFC ist jede Teilmenge von αω eine Suslin-Menge: Lemma 1.70: [AC] Sei A ⊆ αω . Dann ist A eine |A|-Suslin-Menge. Insbesondere ist jede Menge reeller Zahlen schon 2ℵ0 -Suslin. Beweis. Sei κ :≡ |A| und f : κ ↔ A eine Bijektion. Dann ist f (ξ) ∈ αω für ξ < κ. Wir definieren den folgenden Baum: T :≡ {hf (ξ)n, n × {ξ}i | ξ < κ ∧ n ∈ ω}. Wegen n × {ξ} = hξ, . . . , ξ i ist T ein Baum auf α × κ. Für x ∈ αω gilt: | {z } n x ∈ A ⇔ ∃ξ < κ f (ξ) = a 28 ⇔ ∃ξ < κ ∀n ∈ ω han, n × {ξ}i ∈ T ⇔ ∃ξ < κ ha, ω × {ξ}i ∈ [T ] Durch die französische Übersetzung des Kyrillischen stößt man in der Literatur auch häufig auf die Schreibweise Souslin“. ” 32 K APITEL 1. G RUNDLAGEN ⇔ a ∈ p[T ]. Also gilt A = p[T ] und A ist κ-Suslin. Es stellt sich die Frage, von welchen Mengen reeller Zahlen man ohne Verwendung des Auswahlaxioms zeigen kann, daß sie Suslin sind. Z.B. ist in ZF jede Menge reeller Zahlen genau dann ω-Suslin, wenn sie analytisch ist. Suslin-Mengen sind also eine Verallgemeinerung von analytischen Mengen: Lemma 1.71: Es gilt Σ11 = S ω . Beweis. Vgl. [Kan97], Proposition 13.13. Joseph R. Shoenfield konnte zeigen, daß für die Mengen der nächsten Stufe in der projektiven Hierarchie ebenfalls eine Baumdarstellung existiert: Satz 1.72 (Shoenfield): Es gilt Σ12 ⊆ S ω1 . Beweis. Vgl. [Kan97], Theorem 13.14. Aufgrund der Definition der Suslin-Mengen erhalten wir unmittelbar die folgende Darstellung: Lemma 1.73: Sei A ∈ S γ (α) mit α, γ ∈ Ord. Dann gilt: A = {x ∈ αω | Tx ist nicht-fundiert}. Beweis. Sei A ⊆ αω eine γ-Suslin-Menge. Sei x ∈ αω . Dann gilt: x ∈ A ⇔ x ∈ p[T ] ⇔ ∃y ∈ γ ω hx, yi ∈ [T ] ⇔ ∃y ∈ γ ω ∀n ∈ ω hxn, yni ∈ T ⇔ ∃y ∈ γ ω ∀n ∈ ω yn ∈ Tx ⇔ ∃y ∈ γ ω y ∈ [Tx ] ⇔ [Tx ] 6= ∅. Die Suslin-Mengen besitzen gewisse Abgeschlossenheitseigenschaften. So sind die Urbilder von Suslin-Mengen unter stetigen Funktionen wieder Suslin: Lemma 1.74: Sei A ⊆ R eine γ-Suslin-Menge (auf ω) und f : αω → R eine stetige Funktion. Dann ist B :≡ f −100 A ⊆ αω ebenfalls γ-Suslin (auf α). Beweis. Sei A = p[T ] für einen Baum T auf ω × γ. Sei ϕf : α<ω → ω <ω die in Abschnitt 1.2 angegebene Funktion. Wir definieren einen Baum S auf α × γ durch: S :≡ {hs, ti | len(s) = len(t) ∧ hϕf (s), t len(ϕf (s))i ∈ T }. Dann gilt für jedes x ∈ αω : x ∈ p[S] ⇔ ∃y ∈ γ ω hx, yi ∈ [S]) 1.5. B ÄUME , S USLIN -M ENGEN UND S KALEN ⇔ ∃y ∈ γ ω ∀m ∈ ω hxm, ymi ∈ S 33 ⇔ ∃y ∈ γ ω ∀m ∈ ω hϕf (xm), y len(ϕf (xm))i ∈ T ⇔ ∃y ∈ γ ω hf (x), yi ∈ [T ] [ da f (x) = ϕf (xm) und len(ϕf (xm)) → ∞. m∈ω ⇔ f (x) ∈ p[T ] = A ⇔ x ∈ B = f −100 A. Also ist B = p[S] und damit ebenfalls γ-Suslin. Bemerkung 1.75: Die Aussage gilt auch für Mengen, die γ-Co-Suslin sind. Ist A ⊆ R eine γ-CoSuslin-Menge (auf ω) und f : αω → R eine stetige Funktion, dann ist nach Definition R − A eine γ-Suslin-Menge. Nach dem Lemma ist dann f −100 (R − A) = αω − f −100 A eine γ-Suslin-Menge, also ist B :≡ f −100 A ⊆ αω ebenfalls γ-Co-Suslin (auf α). Aufgrund von Lemma 1.74 sind die Punktklasse S γ also für jedes γ ∈ Ord tatsächlich FettdruckPunktklassen. Bezüglich Uniformisierbarkeit und Suslin-Menge besteht die folgende Beziehung: Lemma 1.76: Sei A ⊆ R eine Suslin-Menge. Dann ist die Menge {hx, yi ∈ R2 | x ∗ y ∈ A} uniformisierbar. Beweis. Sei A ⊆ R eine γ-Suslin-Menge, d.h. es existiert ein Baum T auf ω × γ mit A = p[T ]. Sei B :≡ {hx, yi ∈ R2 | x ∗ y ∈ A}. Wir definieren: [ S :≡ hs, t, ui ∈ ω n × ω n × γ n | h(s ∗ t)n, ui ∈ T . n∈ω Wie man leicht überprüft, ist S ein Baum auf ω × ω × γ. Man beachte: ist hv, ui ∈ T mit len(v) = n, dann gilt für alle s, t ∈ ω n mit v = (s ∗ t)n, daß hs, t, ui ∈ S ist. Beh. 1: Für x, y ∈ R gilt: x ∗ y ∈ p[T ] ⇔ hx, yi ∈ p[S]. Beweis. x ∗ y ∈ p[T ] ⇔ ∃z ∈ γ ω hx ∗ y, zi ∈ [T ] ⇔ ∃z ∈ γ ω ∀n ∈ ω h(x ∗ y)n, zni ∈ T ⇔ ∃z ∈ γ ω ∀n ∈ ω hxn, yn, zni ∈ S ⇔ ∃z ∈ γ ω hx, y, zi ∈ [S] ⇔ hx, yi ∈ p[S]. Man beachte dabei, daß ((xn) ∗ (yn))n = ((x ∗ y)2n)n = (x ∗ y)n gilt. (1) Sei nun x ∈ R. Angenommen, es existiert ein y ∈ R mit hx, yi ∈ B. Nach Definition von B ist x ∗ y ∈ A, also hx, yi ∈ p[S]. Sei hx, y, zi ∈ [S] für ein z ∈ γ ω . Dann ist hy, zi ∈ [Sx ] für den Baum Sx auf ω × γ, insbesondere also [Sx ] 6= ∅. Da ω × γ wohlgeordnet ist, können 34 K APITEL 1. G RUNDLAGEN wir den kanonischen äußersten Ast lmb(Sx ) ∈ R × γ ω gemäß Definition 1.64 bestimmen. Sei π0 : R × γ ω → R die Projektion auf die erste Koordinate. Wir erhalten zusammen eine Funktion f : dom(B) → R, x 7→ π0 (lmb(Sx )). Sei C der Graph von f , d.h.: C :≡ {hx, π0 (lmb(Sx ))i | x ∈ dom(B)}. Ist nun hx, ui ∈ C, dann existiert nach Definition ein y ∈ R mit hx, yi ∈ B und u = π0 (lmb(Sx )). Also existiert ein z ∈ γ ω mit lmb(Sx ) = hu, zi ∈ [Sx ]. Es gilt hx, u, zi ∈ [S] und damit hx, ui ∈ p[S]. Nach Behauptung (1) ist also hx, ui ∈ B. Zusammen gilt: C ⊆ B ∧ ∀x ∈ R ∃y ∈ R (hx, yi ∈ B) ⇒ ∃!y ∈ R (hx, yi ∈ C) . Also ist C eine Uniformisierung von B. Aus dem Lemma erhalten wir unmittelbar: Korollar 1.77: Angenommen, jede Teilmenge von R ist Suslin. Dann ist jede Teilmenge von R2 uniformisierbar, d.h. es gilt: S ∞ = ℘(R) ⇒ Unif . Beweis. Angenommen, jede Teilmenge von R ist Suslin, aber es gilt ¬Unif . Sei A ⊆ R2 ein Gegenbeispiel, d.h. A wird durch keine Teilmenge von R2 uniformisiert. Wir definieren die Menge B :≡ {x ∗ y | hx, yi ∈ B} ⊆ R. Die Funktion f∗ : R × R ↔ R, (x, y) 7→ x ∗ y ist eine Bijektion.29 Nach Voraussetzung ist B eine Suslin-Menge. Nach Lemma 1.76 ist dann aber die Menge {hx, yi ∈ R2 | x ∗ y ∈ B} = A uniformisierbar im Widerspruch zur Wahl von A. III. Normen, Präwohlordnungen und Skalen Definition 1.78: Sei A ⊆ Rk . Eine Norm auf A ist eine Funktion ρ : A → Ord. Sei γ ∈ Ord. Eine γ-Norm von A ist eine Funktion ρ : A → γ. Definition 1.79: Eine Präwohlordnung von A ist eine binäre Relation auf A, die reflexiv, transitiv, konnex und fundiert ist. Eine Präwohlordnung auf A erfüllt also alle Bedingungen einer Wohlordnung mit der eventuellen Ausnahme der Anti-Symmetrie, d.h. es können zwei verschiedene x, y ∈ A existieren mit x y und y x. Bemerkung 1.80: Jede Norm ρ auf A induziert eine Präwohlordnung von A durch: x y :⇔ ρ(x) ≤ ρ(y). Andererseits existiert für jede Präwohlordnung von A nach Definition 1.21 eine kanonische Norm durch die Rangfunktion ρ . Entsprechend sei kk = sup{ρ (x) + 1 | x ∈ A} die Länge der Präwohlordnung. Definition 1.81: Sei A ⊆ Rk . Eine γ-Skala auf A (γ-scale on A) ist eine ω-Folge hρn | n ∈ ωi von γ-Normen auf A mit der folgenden Eigenschaft: 29 Vgl. Definition 1.17. 1.5. B ÄUME , S USLIN -M ENGEN UND S KALEN 35 Angenommen, es sind a0 , a1 , a2 , . . . ∈ A mit a = limm→∞ am und es existiert eine Funktion g : ω → γ, so daß für jedes n ∈ ω ein N ∈ ω existiert mit ρn (am ) = g(n) für alle m ≥ N . Dann gilt a ∈ A und ∀n ∈ ω ρn (a) ≤ g(n) . Dabei bedeutet limm→∞ die übliche Konvergenz von Folgen in bezug auf die Topologie von Rk . Wir schreiben auch A besitzt eine Skala, falls eine γ-Skala auf A für ein γ ∈ Ord existiert. Lemma 1.82: Sei γ ≥ ω und A ⊆ R. Wenn eine γ-Skala auf A existiert, dann ist A γ-Suslin. Beweis. Sei hρn | n ∈ ωi eine γ-Skala auf A. Wir setzen: T :≡ {ham, hρ0 (a), . . . , ρm−1 (a)ii | x ∈ A ∧ m ∈ ω}. Offensichtlich ist T ein Baum auf ω × γ und es gilt A ⊆ p[T ]. Sei nun a ∈ p[T ]. Dann ist a ∈ R und es existiert ein g : ω → γ mit ha, gi ∈ [T ]. Nach Definition von T existieren dann a0 , a1 , a2 , . . . ∈ A mit ham m, hρ0 (am ), . . . , ρm−1 (am )ii = ham, gmi für jedes m ∈ ω. Da limm→∞ am = a und ρn (am ) = g(n) für jedes m ∈ ω mit m > n gilt, ist a ∈ A nach Definition der Skala. Also gilt A = p[T ] für einen Baum T auf ω × γ, d.h. A ist γ-Suslin. Bemerkung 1.83: Man kann die obige Beziehung noch präzisieren. Die Existenz einer γ-Skala auf A ist äquivalent zu einer Baumdarstellung von A durch A = p[T ] mit einem Baum T auf ω×γ, so daß dieser einen echten äußersten Ast (honest leftmost branch) besitzt. Ein derartiger Ast ist ein f ∈ [T ], so daß für jeden Ast g ∈ [T ] gilt: ∀n ∈ ω f (n) ≤ g(n) . Dieser echte äußerste Ast garantiert, daß die Bedingung ρn (a) ≤ g(n) in der Definition einer Skala erfüllt ist.30 Definiert man andererseits eine γ-Semiskala auf A wie eine γ-Skala, nur daß wir auf diese zusätzliche Bedingung ρn (a) ≤ g(n) verzichten, dann ist die Existenz eine γ-Semiskala auf A äquivalent dazu, daß A eine γ-Suslin-Menge ist.31 Definition 1.84: Sei Γ eine Punktklasse und A ⊆ Rk . Dann heißt die Skala hρn | n ∈ ωi auf A eine Γ-Skala, falls zwei Relationen R+ ⊆ ω × R2k mit R+ ∈ Γ und R− ⊆ ω × R2k mit R− ∈ ¬Γ existieren, so daß für jedes b ∈ A und n ∈ ω gilt: a ∈ A ∧ ρn (a) ≤ ρn (b) ⇔ R+ (n, a, b) ⇔ R− (n, a, b). Definition 1.85: Sei Γ eine Punktklasse. Γ besitzt die Skalen-Eigenschaft (scale-property), in Zeichen Skala(Γ), falls für alle A ∈ Γ eine Γ-Skala auf A existiert. Wir schreiben auch kurz Skala, falls jede Teilmenge von R eine Skala besitzt, d.h. falls Skala(℘(R)) gilt. Da eine Γ-Skala auf A insbesondere auch eine γ-Skala auf A für ein γ ∈ Ord ist, gilt nach Korollar 1.77 und Lemma 1.82: Korollar 1.86: Sei Γ ⊆ ℘(R) eine Punktklasse und es gelte Skala(Γ). Dann ist Γ ⊆ S ∞ . Insbesondere gilt Skala ⇒ S ∞ = ℘(R) und damit auch Skala ⇒ Unif . 30 31 Vgl. [Kan97], Proposition 30.2. Vgl. [Mos80], Theorem 2B.1. 36 K APITEL 1. G RUNDLAGEN 1.6 Konstruktible Modelle, Definierbarkeit und elementare Substrukturen In diesem Abschnitt wiederholen wir kurz die Definition der konstruktiblen Modelle und geben einige grundlegende Eigenschaften an. Wir betrachten ferner die Definierbarkeit von Mengen und geben die Klasse OD der ordinalzahldefinierbaren Mengen an. Im letzten Teil beschäftigen wir uns kurz mit dem Begriff der elementaren Substruktur und definieren die Punktklasse Σ21 . I. Die konstruktiblen Modelle Grundlegend für die Definition der konstruktiblen Modell ist der Begriff der definierbaren Mengen: Definition 1.87: Sei A eine Struktur in der Sprache L mit Träger A. Sei FmlL die Menge der Formeln (der Logik erster Stufe) in der Sprache L. Die definierbaren Teilmengen von A seien definiert durch: Def A(A) :≡ B ⊆ A | ∃ϕ ∈ FmlL ∃a0 , . . . , an−1 ∈ A ∀y ∈ A y ∈ B ⇔ A |= ϕ[y, x0 , . . . , xn−1 ] . ˙ die Menge der Formeln in der Sprache der Mengenlehre, d.h. ForDefinition 1.88: Sei Fml(∈) meln der Sprache, die als einziges nicht-logische Symbol ∈˙ enthält. Dann sei das Gödelmodell L der konstruktiblen Mengen definiert durch: L0 :≡ ∅; Lα+1 :≡ Def hLα ,∈i (Lα ); [ Lλ :≡ Lα für Lim(λ); α<λ L :≡ [ Lα . α∈Ord Für eine Menge X wird der konstruktible Abschluß L(X) von X analog zu L konstruiert, nur daß man die Rekursion statt mit der leeren Menge mit dem transitiven Abschluß von X beginnt:32 L0 (X) :≡ TC({X}); Lα+1 (X) :≡ Def hLα (X),∈i (Lα (X)); [ Lλ (X) :≡ Lα (X) für Lim(λ); α<λ L(X) :≡ [ Lα (X). α∈Ord ˙ Ȧ) die Menge der Formeln in der Sprache der Mengenlehre zusamFür eine Menge A sei Fml(∈, men mit dem einstelligen Relationssymbol Ȧ. Das Modell L[A] der relativ zu A konstruktiblen 32 Diese Verallgemeinerung von L wurde von András Hajnal 1956 in seiner Dissertation vorgestellt. Die Bildung der transitiven Hülle wird vorgenommen, um sicherzustellen, daß die resultierende Klasse L(X) transitiv ist. Die Elemente von TC({X}) fungieren als Urelemente“ im Sinne der Idee von Ernst Zermelo, eine Basis der Mengenlehre ” mit ausgezeichneten Elementen zu bilden. 1.6. KONSTR . M ODELLE , D EFINIERBARKEIT, S UBSTRUKTUREN 37 Mengen wird analog zu L definiert, wobei auch Formeln zugelassen sind, die das Prädikat Ȧ enthalten:33 L0 [A] :≡ ∅; Lα+1 [A] :≡ Def hLα [A],∈,A∩Lα [A]i (Lα [A]); [ Lλ [A] :≡ Lα [A] für Lim(λ); α<λ L[A] :≡ [ Lα [A]. α∈Ord Bemerkung 1.89: Es gilt L |= ZFC, L[A] |= ZFC und L(X) |= ZF, aber solange TC({X}) keine Wohlordnung in L(X) besitzt, gilt L(X) 6|= AC. L[A] ist das kleinste innere ZFC-Modell M, so daß für jedes x ∈ M auch A ∩ x in M liegt. L(X) ist das kleinste innere ZF-Modell, das alle Ordinalzahlen und X als Teilmenge enthält. Wir können diese beiden konstruktiblen Modelle kombinieren und erhalten dann L(X)[A] als das kleinste innere ZF-Modell M, das alle Ordinalzahlen und X als Teilmenge enthält, und so daß für alle x ∈ M auch A ∩ x ∈ M gilt. Für die Beweise und weitere Eigenschaften der konstruktiblen Modelle vgl. [Kan97], Abschnitt 3 und [Mos80], Abschnitt 8.D. Lemma 1.90: Sei A ⊆ R. Dann existiert eine in L(R)[A] definierbare Surjektion Φ : Ord × R L(R)[A]. Beweis. Wir konstruieren durch Induktion über α ∈ Ord elementare Surjektionen Φα : γα × R Lα (R)[A], so daß Φα ⊆ Φβ für α < β und α ≤ γα gilt. Dann ist Φ :≡ α = 0: Es ist: S α∈Ord Φα die gesuchte Surjektion. L0 (R)[A] = TC({R}) = ω ω ∪ ω × ω ∪ [ω]2 ∪ [ω]1 ∪ ω. Sei γ0 :≡ 1. Die Surjektion Φ0 sei definiert durch: Φ0 : γ0 × R L0 (R)[A], Offensichtlich gilt 0 ≤ γ0 . hxn+1 | n ∈ ωi (x1 , x2 ) {x , x } 1 2 (0, x) 7→ {x1 } x1 ∅ , falls x0 = 0 , falls x0 = 1 , falls x0 = 2 , falls x0 = 3 , falls x0 = 4 , sonst. α = β + 1: Sei Φβ : γβ × R Lβ (R)[A] bereits definiert. Sei hψn | n ∈ ωi eine Aufzählung der ˙ Ȧ). Für jedes n ∈ ω sei πn : R ↔ Rn eine Bijektion, z.B. die kanonische Formeln aus Fml(∈, 33 Dieses Modell wurde 1957 von Azriel Lévy in seiner Dissertation entwickelt. Für das Prädikat Ȧ beabsichtigt man dabei die folgende Interpretation: Ȧ trifft genau dann auf ein ẋ zu, wenn x ∈ A gilt. 38 K APITEL 1. G RUNDLAGEN Verallgemeinerung der ∗-Operation. Für jedes n ∈ ω sei ηn ∈ Ord der Ordnungstyp der lexikographischen Wohlordnung von (γβ )n und ρn : ηn ↔ (γβ )n die entsprechende Bijektion. Weiter sei: γα :≡ γβ + sup{ηn | n ∈ ω}. Dann gilt α ≤ γα . Wir definieren Φα : γα × R Lα (R)[A] durch: , falls δ < γβ ; Φβ (δ, x) , falls δ = γβ + γ̄, x1 = n, γ̄ < ηn , (δ, x) 7→ {y | ψx(0) [y, Φβ (δ1 , y1 ), . . . , Φβ (δn , yn )]} πn (hx2 , x3 , . . .i) = hy1 , . . . , yn i, ρn (γ̄) = hδ1 , . . . , δn i und ˙ Ȧ); ψx0 ∈ Fmln+1 (∈, ∅ , sonst. Lim(α): Für β < α seien Φβ : γβ × R Lβ (R)[A] bereits definiert. Dann sei γα :≡ sup{γβ | β < α}. Damit gilt ebenfalls α ≤ γα . Da γα ≥ ω ist, existiert eine Bijektion g : γα ↔ γα × γα . Diese Bijektion g kann mit Hilfe der Gödelschen Paarfunktion G : Ord × Ord ↔ Ord konstruiert werden.34 Dann definieren wir: ( Φg(δ)1 (g(δ)2 , x) , falls g(δ)2 < γg(δ)1 Φα : γα × R Lα (R)[A], (δ, x) 7→ ∅ , sonst. Beh. 1: Jedes Φα ist eine Surjektion. Beweis. Wir beweisen die Aussage durch Induktion über α. Für α = 0 ist Φ0 offensichtlich eine Surjektion. Sei α = β + 1 und B ∈ Lα (R)[A]. Ist B ∈ Lβ (R)[A], dann existiert nach Induktionsvoraussetzung δ < γβ und x ∈ R mit B = Φβ (δ, x) = Φα (δ, x). Sei also B ∈ Lα (R)[A] − Lβ (R)[A]. ˙ Ȧ) und x1 , . . . , xn ∈ Dann existiert nach Definition von Lα (R)[A] eine Formel ψm ∈ Fmln+1 (∈, Lβ (R)[A], so daß: hLβ (R)[A], ∈, A ∩ Lβ (R)[A]i |= ∀y y ∈ B ⇔ ψm [y, x1 , . . . , xn ] . Da Φβ surjektiv ist, existieren δ1 , . . . , δn < γβ und y1 , . . . , yn ∈ R, so daß: x1 = Φβ (δ1 , y1 ), . . . , xn = Φβ (δn , yn ). a −1 Dann sei δ :≡ γβ + ρ−1 n (hδ1 , . . . , δn i) und x :≡ hm, ni πn (hy1 , . . . , yn i). Wie man leicht zeigt, gilt dann B = Φα (δ, x). Im Fall Lim(α) sei wieder B ∈ Lα (R)[A]. Dann ist B ∈ Lβ (R)[A] für ein β < α, also existiert nach Induktionsvoraussetzung δ < γβ und x ∈ R, so daß B = Φβ (δ, x). Es gilt δ < γα und β < γα . Sei δ̄ :≡ g −1 (β, δ) < γα . Dann ist δ = g(δ̄)2 < γg(δ̄)1 = γβ und damit Φα (δ̄, x) = (1) Φβ (δ, x) = B. 34 Vgl. [BK96], Satz 6.17. 1.6. KONSTR . M ODELLE , D EFINIERBARKEIT, S UBSTRUKTUREN Alle durchgeführten Konstruktionen sind elementar. Damit ist Φ :≡ nierbar und die gesuchte Surjektion. S α∈Ord Φα 39 in L(R)[A] defi- II. Ordinalzahldefinierbarkeit In Kapitel 4 benötigen wir die Klasse OD der ordinalzahldefinierbaren Mengen. Wir geben hier noch einmal kurz die Definition dieser Klasse an: Definition 1.91: Eine Menge B heißt ordinalzahldefinierbar mit Prädikat A und Parametern aus ˙ Ȧ) existiert, so daß: X, falls ein β ∈ Ord, x0 , . . . , xn−1 ∈ X und eine Formel ϕ ∈ Fml(∈, B = {y | ϕ(y, β, x0 , . . . , xn−1 )}. Sei ODA (X) die Klasse der ordinalzahldefinierbaren Mengen mit Prädikat A und Parametern aus X. Durch ein Reflektionsargument kann man zeigen, daß ODA (X) eine definierbare Klasse ist:35 ˙ Ȧ) ∃β < α ∃x0 , . . . , xn−1 ∈ X ODA (X) = z | ∃α ∈ Ord ∃ϕ ∈ Fml(∈, z ∈ Vα ∧ ∀y ∈ Vα y ∈ z ⇔ (Vα , ∈, A ∩ Vα ) |= ϕ[y, β, x0 , . . . , xn−1 ] . Eine wichtige Eigenschaft der Klasse OD ist, daß sie bereits in ZF eine Wohlordnung besitzt. Die Konstruktion der Wohlordnung läßt sich unmittelbar auf die ordinalzahldefinierbaren Mengen mit Prädikat A und einem zusätzlichen Parameter übertragen: Lemma 1.92 (Myhill-Scott): ODA ({x}) besitzt eine definierbare Wohlordnung. Beweis. Vgl. [Jec97], Lemma 15.8. Lemma 1.93: Sei A ⊆ R. Dann gilt: L(R)[A] |= ∀B ∃x ∈ R B ∈ ODA ({x}) . L(R)[A] Beweis. Sei Φ : Ord × R L(R)[A] die Surjektion aus Lemma 1.90. Sei B ∈ V , also B ∈ L(R)[A]. Dann existieren β ∈ Ord und x ∈ R mit B = Φ(β, x). Da Φ in L(R)[A] ˙ Ȧ) mit: definierbar ist, existiert eine Formel ϕ ∈ Fml(∈, (L(R)[A], ∈, A ∩ L(R)[A]) |= ∀y y ∈ B ⇔ ϕ[y, β, x] . Nach dem Reflektionssatz von Lévy existiert ein α > β, so daß ϕ Lα (R)[A]-L(R)[A]-absolut ist. Dann gilt also: ˙ Ȧ) ∃β < α ∃x ∈ R B ∈ Lα [A] ∧ ∃α ∈ Ord ∃ϕ ∈ Fml(∈, ∀y ∈ Lα [A] y ∈ B ⇔ (Lα [A], ∈, A ∩ Lα [A]) |= ϕ[y, β, x] . L(R)[A] Damit ist B ∈ ODA ({x}) . 35 Vgl. [BK96], Satz 24.3. 40 K APITEL 1. G RUNDLAGEN III. Elementare Substrukturen und die Punktklassen Σ21 bzw. Σ21 Definition 1.94: Sei n ∈ ω und seien X ⊆ M Mengen. M (1) Σn (X) sei die Klasse der Relationen über M , die in hM, ∈i über eine Σn -Formel mit Parametern aus X definierbar sind, d.h.: M A ∈ Σn (X) :⇔ A ⊆ M ∧ ∃ϕ ∈ Σn ∃x1 , . . . , xk ∈ X (2) Σn M ∀a a ∈ A ⇔ hM, ∈i |= ϕ[a, x1 , . . . , xk ] ; M :≡ Σn (∅) . Für Πn und ∆n seien die Klassen analog definiert. Definition 1.95: Seien X ⊆ M ⊆ N Mengen. (1) Wir schreiben M ≺X n N , falls für alle x1 , . . . , xk ∈ X und für alle Σn -Formeln ϕ gilt: M |= ϕ[x1 , . . . , xk ] ⇔ N |= ϕ[x1 , . . . , xk ]; (2) Wir schreiben M ≺n N , falls M ≺M n N gilt. Wir erweitern nun die Definition der ersten Stufe Σ01 der Borel-Hierarchie bzw. der ersten Stufe Σ11 der projektiven Hierarchie und erhalten die Fettdruck-Punktklasse Σ21 . Dazu verallgemeinern wir die bestehende Verbindung der arithmetischen Hierarchie zu den endlichen Stufen der BorelHierarchie bzw. der analytischen Hierarchie zu der projektiven Hierarchie. Für eine ausführliche Darstellung vgl. [Kan97], Abschnitt 12. Definition 1.96: Sei A3 die Struktur der Arithmetik dritter Stufe: A3 :≡ hω, ℘(ω), ℘(℘(ω)), ∈0 , ∈1 , +, ·, <, 0, 1i. Dabei seien ω, ℘(ω) und ℘(℘(ω)) verschiedene Träger der Struktur. Die ∈-Relationen seien ∈0 :≡ ∈ω × ℘(ω) und ∈1 :≡ ∈℘(ω) × ℘(℘(ω)). Die Funktionen + und ·, die Relation < und die Konstanten 0 und 1 seien die üblichen Objekte der Arithmetik erster Stufe. Die Quantoren ∃0 und ∀0 laufen über ω, die Quantoren ∃1 und ∀1 laufen über ℘(ω) ∼ = R und die Quantoren ∃2 und ∀2 laufen über ℘(℘(ω)) ∼ = ℘(R). Z.B. gilt A3 |= ∀0 ṅ ∃1 ẋ ṅ ∈0 ẋ genau dann, wenn für alle n ∈ ω eine Teilmenge An ⊆ ω mit n ∈ An existiert. ˙ n, m) sei die Menge der ∈-Formeln mit Variablen für Mengen aus den Bereichen < n, Fmlk (∈, deren unbeschränkte Quantoren über die Bereiche < m laufen und deren freie Variablen in S ˙ n, m) für k∈ω Fmlk (∈, ˙ n, m). Dann {v0 , . . . , vk−1 } enthalten sind. Wir schreiben auch Fml(∈, ˙ 2, 0) die Menge der ∈-Formeln, für deren Variablen wir Mengen aus ω und ℘(ω) ist also Fml(∈, ˙ 2, 1)-Formeln haben einsetzen können und die keine unbeschränkten Quantoren enthalten. Fml(∈, 0 gleichartige Variablen, aber können unbeschränkte Quantoren der Art ∃ bzw. ∀0 enthalten. Ent˙ 3, 2)-Formel Variablen für Mengen aus allen drei Bereichen und sprechend enthält eine Fml(∈, unbeschränkte Quantoren der Form ∃0 bzw. ∀0 und ∃1 bzw. ∀1 . 1.6. KONSTR . M ODELLE , D EFINIERBARKEIT, S UBSTRUKTUREN 41 Sei x ∈ R. Dann sei A3 (x) die Struktur der Arithmetik dritter Stufe in x wie die Struktur A3 mit dem zusätzlichen Prädikat x: A3 (x) :≡ hω, ℘(ω), ℘(℘(ω)), ∈0 , ∈1 , +, ·, exp, <, 0, 1, xi. ˙ ẋ, n, m) seien Formeln aus Fmlk (∈, ˙ n, m) mit einem zusätzlichen Prädikat ẋ. Fmlk (∈, Bemerkung 1.97: Sei A ⊆ Rk und x ∈ R. Seien die ersten Stufen Σ01 bzw. Π01 der arithmetischen Hierarchie in x definiert durch: ˙ ẋ, 2, 0) a ∈ A ⇔ A3 (x) |= ∃0 n ϕ[a, n] ; A ∈ Σ01 (x) :⇔ ∃ϕ ∈ Fml(∈, ˙ ẋ, 2, 0) a ∈ A ⇔ A3 (x) |= ∀0 n ϕ[a, n] . A ∈ Π01 (x) :⇔ ∃ϕ ∈ Fml(∈, Dann erhalten wir die folgende Verbindung zu den ersten Stufen der Borel-Hierarchie:36 [ [ Σ01 = Σ01 (x) und Π01 = Π01 (x). x∈R x∈R Analog gilt für die projektive Hierarchie: seien die ersten Stufen Σ11 bzw. Π11 der analytischen Hierarchie in x definiert durch: ˙ ẋ, 2, 1) a ∈ A ⇔ A3 (x) |= ∃1 y ϕ[a, y] ; A ∈ Σ11 (x) :⇔ ∃ϕ ∈ Fml(∈, ˙ ẋ, 2, 1) a ∈ A ⇔ A3 (x) |= ∀1 y ϕ[a, y] . A ∈ Π11 (x) :⇔ ∃ϕ ∈ Fml(∈, Dann erhalten wir die folgende Verbindung zu den ersten Stufen der projektiven Hierachie: [ [ Σ11 = Σ11 (x) und Π11 = Π11 (x). x∈R x∈R Wir benutzen nun umgekehrt diese Verbindung als Grundlage der Definition der Punktklasse Σ21 . Definition 1.98: Sei A ⊆ Rk . Dann seien die folgenden Punktklassen definiert: ˙ ẋ, 3, 2) a ∈ A ⇔ A3 (x) |= ∃2 B ϕ[a, B] ; A ∈ Σ21 (x) :⇔ ∃ϕ ∈ Fml(∈, ˙ ẋ, 3, 2) a ∈ A ⇔ A3 (x) |= ∀2 B ϕ[a, B] ; A ∈ Π21 (x) :⇔ ∃ϕ ∈ Fml(∈, A ∈ ∆21 (x) :⇔ A ∈ Σ21 (x) ∩ Π21 (x). Wir definieren dann die entsprechenden Fettdruck-Punktklassen durch: [ Σ21 :≡ Σ21 (x); x∈R Π21 :≡ [ Π21 (x) = {A ⊆ R | R − A ∈ Σ21 }; x∈R ∆21 :≡ [ ∆21 (x) = Σ21 ∩ Π21 . x∈R Aus Gründen der Absolutheit gilt speziell für das konstruktible Modell L(R): L(R) ˙ ẋ, 3, 2) a ∈ A ⇔ hL(R), ∈, xi |= ∃2 B ϕ[a, B] . ⇔ ∃x ∈ R ∃ϕ ∈ Fml(∈, A ∈ Σ21 36 Vgl. [Kan97], Proposition 12.6. 42 K APITEL 1. G RUNDLAGEN Definition 1.99: Sei δ 21 wie folgt definiert: δ 21 :≡ sup α ∈ Ord | es ex. ein Präwohlordnung von R mit ∈ ∆21 und kk = α . Wir erhalten wieder aus Absolutheitsgründen: L(R) δ 21 = sup α ∈ Ord | es ex. ein Präwohlordnung von R mit ∈ ∆21 L(R) und kk = α . Lemma 1.100: [ACω (R)] Sei A ⊆ Rk mit A ∈ Σ21 . Dann existiert eine ∆0 -Formel χ ∈ ˙ ẋ, 3, 2) mit: Fml(∈, a ∈ A ⇔ A3 (x) |= ∃2 X ∀1 y χ[a, y, X] . Beweis. Wir skizzieren hier nur die Idee des Beweises. Wir arbeiten dazu in A3 (x). Eine Formel ˙ ẋ, 3, 2) können wir durch die üblichen Methoden der Kodierung gleichwertig ϕ(a, X) ∈ Fml(∈, in der folgenden Form darstellen:37 Q̄0 m Q1 ψ(a, m, y1 , . . . , yn , X) . (∗) Q11 y1 Q̄12 y2 . . . 1n yn 0 Q̄n Q m Wobei ψ eine ∆0 -Formel und Q = ∃ oder Q = ∀ ist. Q̄ sei der komplementäre Quantor von Q. Hierbei wird ACω (R) benötigt, um bei der Reduktionsregel ∀0 m ∃1 y ⇔ ∃1 y ∀0 m“ für jedes ” m ∈ ω ein ym ∈ R wählen zu können. Nun gelten die folgenden drei Reduktionsregeln“ für einen vorgestellten drittstufigen Existenz” ˙ ẋ, 3, 2) gilt: quantor. Für eine beliebige Formel ϕ ∈ Fml(∈, ∃2 X ∃1 y ϕ(a, y, X) ⇔ ∃2 X ψ(a, X) ; (1) 2 1 1 2 1 ∃ X ∀ y ∀ z ϕ(a, y, z, X) ⇔ ∃ X ∀ y ψ(a, y, X) ; (2) 2 1 1 2 1 ∃ X ∀ y ∃ z ϕ(a, y, z, X) ⇔ ∃ X ∀ y ψ(a, y, X) . (3) Dabei hat ψ die gleiche Komplexität wie ϕ. (1) und (2) erhält man durch die Kodierungen. Für (3) beachte man, daß der linke Teil gleichwertig mit der Existenz einer Funktion F : R → R ist, die jedem y ein z mit ϕ(a, y, z, X) zuordnet. Nun ist aber F ⊆ R × R. Wir können F über eine geeignete Kodierung als Teilmenge von R auffassen. Dann ist der linke Teil von (3) gleichwertig mit: ∃2 X ∃2 F ∀1 y F : R → R ∧ ϕ(a, y, F (y), X) . Die beiden Existenzquantoren über ℘(R) können wir mit Hilfe einer geeigneten Kodierung ℘(R) ↔ ℘(R) × ℘(R) durch einen Existenzquantor ausdrücken und wir erhalten die gewünschte Form im rechten Teil von (3). Durch sukzessive Anwendung der drei Regeln auf die Darstellung in (∗) erhalten wir für eine Σ2 (x)-Formel“ als äquivalente Form: ” 1 ∃2 X ∀1 y ∃0 m ψ(a, m, y, X) mit einer ∆0 -Formel ψ. Den Quantor ∃0 können wir schließlich durch einen ∃1 -Quantor ausdrücken und noch einmal (3) anwenden. Wir erhalten zusammen die gewünschte Darstellung: ∃2 X ∀1 y χ(a, y, X) . 37 Vgl. dazu [Ste98], Proposition 4.14 und Hilfssatz 4.17. 1.7. D IE J ENSEN -H IERARCHIE F ÜR L(R) 1.7 43 Die Jensen-Hierarchie für L(R) In diesem Abschnitt verallgemeinern wir die Jensen-Hierarchie Jα für L, so daß wir eine Feinstruktur Jα (R) für L(R) erhalten.38 Diese Verallgemeinerung ist weitgehend kanonisch“. Die ” meisten Resultate für die Feinstruktur Jα lassen sich unmittelbar auf Jα (R) übertragen. Definition 1.101: Sei M eine Menge. Sei rud(M ) der Abschluß von M ∪ {M } unter den rudimentären Funktionen.39 Wir definieren die Jensen-Hierarchie in R durch: J1 (R) :≡ TC({R}); Jα+1 (R) :≡ rud(Jα (R)) [ Jα (R) Jλ (R) :≡ für α > 0; für Lim(λ). α<λ Lemma 1.102: (1) Jedes Jα (R) ist transitiv; (2) Jα (R) ∈ Jα+1 (R) und Jα (R) ⊆ Jβ (R) für 0 < α ≤ β; (3) Jα (R) ∩ Ord = ωα für α > 1; (4) ωα = α ⇔ Jα (R) = Lα (R); S (5) L(R) = α∈Ord Jα (R). Beweis. Vgl. [Dev84], Lemma VI.2.1 und Lemma VI.2.4. Für die Jensen-Hierarchie in R gilt das folgende Kondensationsprinzip: Lemma 1.103: Sei M eine Menge mit R ∈ M . Angenommen, es gilt M ≺n Jα (R) für n ∈ ω und α ∈ Ord. Dann existiert ein eindeutiges β ≤ α und ein eindeutiger Isomorphismus π : M ∼ = Jβ (R). Außerdem gilt πA = idA für transitive Mengen A ⊆ M . Beweis. Vgl. [Ste83], Lemma 1.2 und Corollary 1.3. Als nächstes definieren wir zwei wichtige Begriffe: Definition 1.104: Sei α ∈ Ord und n ∈ ω. Für X ⊆ Jα (R) definieren wir die Σn -Skolem-Hülle für Jα (R) durch: J (R) HullnJα (R) (X ∪ {R}) = a ∈ Jα (R) | {a} ∈ Σn (X ∪ {R}) α . Eine Σn -Skolem-Funktion für Jα (R) ist eine partielle Funktion f : Jα (R) × R → Jα (R) Jα (R) J (R) mit f ∈ Σn (Jα (R)) , so daß für alle A 6= ∅ mit A ∈ Σn ({b}) α für ein b ∈ Jα (R) gilt: ∃y ∈ R f (b, y) ∈ A . 38 39 Zur Jensen-Hierarchie Jα für L vgl. [Jen72] und [Dev84]. Vgl. [Dev84], Abschnitt VI.1. 44 K APITEL 1. G RUNDLAGEN J (R) α Wie man leicht zeigt, gilt Hulln+1 (R ∪ {R}) ≺n Jα (R) für alle n ∈ ω. Für n = 1 können wir dieses Resultat noch verschärfen. Dazu brauchen wir das folgende Lemma: Lemma 1.105: Für alle α J (R) Σ1 ({R}) α . > 1 besitzt Jα (R) eine Σ1 -Skolem-Funktion f mit f ∈ Beweis. Vgl. [Ste83], Lemma 1.7 und Lemma 1.10. Damit können wir zeigen: J (R) Lemma 1.106: Sei α > 1. Dann gilt H :≡ Hull1 α (R ∪ {R}) ≺1 Jα (R). Beweis. Wir müssen zeigen: ist x1 , . . . , xk ∈ H und ϕ eine Σ1 -Formel, dann gilt H |= ϕ[x1 , . . . , xk ] ⇔ Jα (R) |= ϕ[x1 , . . . , xk ]. Da H ⊆ Jα (R) ist und Σ1 -Formeln aufwärts-absolut sind, folgt unmittelbar die Richtung ⇒“. Umgekehrt gelte nun Jα (R) |= ϕ[x1 , . . . , xk ]. Die einzi” gen problematischen Fälle sind Existenzaussagen. Wir wollen zeigen: falls es einen Zeugen einer Existenzaussage in Jα (R) gibt, dann existiert auch ein Zeuge der Aussage in H. Sei also ϕ(x1 , . . . , xk ) ≡ ∃a ψ(a, x1 , . . . , xk ) mit einer ∆0 -Formel ψ. Wir suchen ein c ∈ H mit Jα (R) |= ψ[c, x1 , . . . , xk ]. Dann gilt offensichtlich auch H |= ψ[c, x1 , . . . , xk ] und damit H |= ϕ[x1 , . . . , xk ]. Wir definieren dazu: A :≡ {a ∈ Jα (R) | Jα (R) |= ψ[a, x1 , . . . , xk ]}. Nach Voraussetzung ist A 6= ∅. Sei b :≡ hx1 , . . . , xk , Ri. Dann gilt b ∈ Jα (R) und A ∈ J (R) J (R) ∆0 ({b}) α ⊆ Σ1 ({b}) α . Sei f eine Σ1 -Skolem-Funktion für Jα (R) gemäß Lemma 1.105. Nach Definition gilt dann: ∃y ∈ R f (b, y) ∈ A . J (R) Sei y0 ∈ R ein entsprechender Zeuge. Wir setzen dann c :≡ f (b, y0 ). Da f ∈ Σ1 ({R}) α J (R) gilt, ist {c} ∈ Σ1 ({x1 , . . . , xk , y0 , R}) α . Da jedes xi ∈ H ist, gilt nach Definition von H, J (R) J (R) daß {xi } ∈ Σ1 (R ∪ {R}) α . Da y0 ∈ R gilt, ist daher insgesamt {c} ∈ Σ1 (R ∪ {R}) α , also c ∈ H. I. Kripke-Platek Mengenlehre und zulässige Ordinalzahlen Eine Subtheorie der üblichen Zermelo-Fraenkel-Skolem Mengenlehre ZF ist die Theorie der Kripke-Platek Mengenlehre KP, die wir in diesem Abschnitt einführen wollen. KP selbst ist schon eine starke Theorie, die in vielen Bereichen der Mengenlehre ihre Anwendung findet. Definition 1.107: Die Kripke-Platek Mengenlehre KP besteht aus den folgenden Axiomen und Schemata: (1) Extensionalitätsaxiom: ∀x ∀y ∀y z ∈ x ⇔ z ∈ y ⇒ x = y ; (2) Induktionsschema: ∀~a ∀x ∀y ∈ x ϕ(y, ~a) ⇒ ϕ(x, ~a) ⇒ ∀x ϕ(x, ~a) , wobei ϕ eine Formel in der Sprache der Mengenlehre ist; (3) Paarmengenaxiom: ∀x ∀y ∃z ∀u u ∈ v ⇔ (u = x ∨ u = y) ; 1.7. D IE J ENSEN -H IERARCHIE F ÜR L(R) (4) Vereinigungsmengenaxiom: ∀x ∃y ∀z z ∈ y ⇔ ∃u u ∈ x ∧ z ∈ u ; (5) Unendlichkeitsaxiom: ∃x Ord(x) ∧ (x 6= 0) ∧ ∀y ∈ x ∃z ∈ x y ∈ z 45 ; (6) Kartesisches-Produktaxiom: ∀x ∀y ∃z ∀u u ∈ z ⇔ ∃v ∈ x ∃w ∈ y u = (v, w) ; (7) Σ0 -Aussonderungsschema: ∀~a ∀x ∃y ∀z z ∈ y ⇔ (z ∈ x ∧ ϕ(z, ~a)) , wobei ϕ eine Σ0 Formel in der Sprache der Mengenlehre ist; (8) Σ0 -Sammlungsschema: ∀~a ∀x ∃y ϕ(y, x, ~a) ⇒ ∀u ∃v ∀x ∈ u ∃y ∈ v ϕ(y, x, ~a) , wobei ϕ eine Σ0 -Formel in der Sprache der Mengenlehre ist. Definition 1.108: Eine Menge M heißt fügsam (amenable), falls sie die folgenden Bedingungen erfüllt: (1) ∀x, y ∈ M {x, y} ∈ M ; S x∈M ; (2) ∀x ∈ M (3) ω ∈ M ; (4) ∀x, y ∈ M x × y ∈ M ; M (5) Ist R ⊆ M eine Σ0 (M ) -Menge, dann gilt ∀x ∈ M R ∩ x ∈ M . M Gilt zusätzlich für jede Relation R ⊆ M × M mit R ∈ Σ0 (M ) , daß: (6) ∀x ∈ M ∃y ∈ M hy, xi ∈ R ⇒ ∀u ∈ M ∃v ∈ M ∀x ∈ u ∃y ∈ v hy, xi ∈ R , dann heißt die Menge M zulässig (admissible). Die Notation der Zulässigkeit ist gerade so definiert, daß wir folgendes Lemma erhalten: Lemma 1.109: Ist M eine zulässige Menge, dann ist M ein transitives Modell von KP. Die zulässigen Stufen der Jensen-Hierarchie in R sind identisch mit den entsprechenden Stufen der konstruktiblen Hierarchie: Lemma 1.110: Sei α > 1. Ist Jα (R) eine zulässige Menge, dann gilt ωα = α. Insbesondere ist dann Jα (R) = Lα (R). Beweis. Ist M eine zulässige Menge, γ ∈ OrdM und f : γ → OrdM eine Σ1 (M )-Funktion, dann ist f 00 γ ∈ M , insbesondere ist also f beschränkt.40 Angenommen nun, es gilt α < ωα. Nach Lemma 1.102 gilt Jα (R) ∩ Ord = ωα, also ist α ∈ Jα (R). Andererseits gibt es eine elementare unbeschränkte Abbildung g : α → ωα, insbesondere also g ∈ Σ1 (Jα (R)). Nach dem oben gesagten wäre damit Jα (R) nicht zulässig. Wir übertragen nun den Begriff der Zulässigkeit auf Ordinalzahlen: Definition 1.111: Eine Ordinalzahl α heißt zulässig, falls eine zulässige Menge M mit α = M ∩ Ord existiert. Lemma 1.112: Sei α > 1. α ist zulässig genau dann, wenn Jα (R) zulässig ist. Beweis. Ist Jα (R) zulässig, dann gilt nach dem vorherigen Lemma Jα (R) ∩ Ord = ωα = α. Also ist α eine zulässige Ordinalzahl. Für die Rückrichtung vgl. [Dev84], Lemma II.7.1. 40 Vgl. [Dev84], Lemma I.11.7. 46 K APITEL 1. G RUNDLAGEN Wir benennen noch eine weitere Ordinalzahl mit einer besonderen Eigenschaft: Definition 1.113: Eine Ordinalzahl α heißt R-stabil, falls Jα (R) ≺R 1 L(R) gilt. Eine Ordinalzahl α heißt stabil, wenn Jα (R) ≺1 L(R) gilt. Bemerkung 1.114: Es existieren stabile und R-stabile Ordinalzahlen. Man betrachtet dazu die Σ1 -Skolem-Hüllen mit Parametern aus R bzw. aus L(R): L(R) (R) = {a ∈ L(R) | {a} ∈ Σ1 (R) }; L(R) L(R) }. H ∗ :≡ Hull1 (L(R)) = {a ∈ L(R) | {a} ∈ Σ1 (L(R)) L(R) H :≡ Hull1 ∗ Man kann zeigen ähnlich zu Lemma 1.106, daß H ≺R 1 L(R) bzw. H ≺1 L(R) gilt. Nach einem Kondensationsprinzip gilt nun H ∼ = Jα (R) bzw. H ∗ ∼ = Jα∗ (R) für α, α∗ ∈ Ord. Man zeigt dann, ∗ daß α eine R-stabile und α eine stabile Ordinalzahl ist. Satz 1.115: Ist α eine stabile Ordinalzahl, dann ist α auch zulässig. Beweis. Ist α stabil, dann ist sicherlich α > 1. Unabhängig von der Stabilität von α zeigt man aufgrund der Definition der rudimentären Funktionen leicht, daß jedes Jα (R) für α > 1 eine fügsame Menge ist.41 Wir müssen noch die Eigenschaft (6) von Definition 1.108 zeigen. Sei nun J (R) also α eine stabile Ordinalzahl. Sei weiter R ⊆ Jα (R) × Jα (R) eine Σ0 (Jα (R)) α -Relation mit: ∀x ∈ Jα (R) ∃y ∈ Jα (R) hy, xi ∈ R . Dann existiert also eine Σ0 -Formel ϕ und x1 , . . . , xk ∈ Jα (R) mit: hy, xi ∈ R ⇔ Jα (R) |= ϕ[y, x, x1 , . . . , xk ]. Sei nun u ∈ Jα (R) ⊆ L(R). Da L(R) ein ZF-Modell ist und damit das Ersetzungsschema erfüllt, gilt wegen ran(R) ⊆ Jα (R) ∈ L(R): L(R) |= ∃v ∀x ∈ u ∃y ∈ v ϕ[y, x, x1 , . . . , xk ] . Da dieses eine Σ1 -Formel ist und nach Voraussetzung Jα (R) ≺1 L(R) gilt, folgt insbesondere: Jα (R) |= ∃v ∀x ∈ u ∃y ∈ v ϕ[y, x, x1 , . . . , xk ] . Zusammen erhalten wir also: ∀u ∈ Jα (R) ∃v ∈ Jα (R) ∀x ∈ u ∃y ∈ v hy, xi ∈ R . Also ist Jα (R) zulässig. Nach Lemma 1.112 ist daher α eine zulässige Ordinalzahl. 41 Vgl. [Dev84], Lemma VI.1.6. Kapitel 2 Das Axiom der Determiniertheit 2.1 Unendliche Spiele und die Einführung von AD Wie wir bereits in der Einleitung skizziert haben, hat die mathematische Untersuchung von Spielen eine lange Geschichte. Die mathematische Beschreibung und Untersuchung von endlichen und unendlichen Spielen der hier betrachteten Art wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von Ernst Zermelo, Johann von Neumann, Dénes König und anderen ausgelöst. Die Analyse wurde intensiv von polnischen Mathematikern wie z.B. Stefan Banach, Stanisław Mazur und Hugo Steinhaus in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts fortgesetzt. Sie entdeckten auch die vielschichtige Verbindung dieser Spiele zu bestimmten Eigenschaften von Teilmengen der reellen Zahlen. Der erste umfassende Artikel zu den unendlichen Spielen wurde aber erst 1953 von David Gale und Frank Stewart veröffentlicht.1 Wir werden in diesem Abschnitt den mathematischen Formalismus für die Zwei-Personen-Spiele ” mit perfekter Information“ entwickeln und die erwähnten Konsequenzen für Mengen reeller Zahlen aufzeigen. I. Die mathematische Formalisierung der Spiele Für eine Ordinalzahl α = Λ(α) + N (α) sei Λ(α) bzw. N (α) der in Definition 1.16 angegebenen natürliche bzw. Limesanteil von α. Im folgenden sei stets α > 0 eine gerade Ordinalzahl, d.h. N (α) ist gerade natürliche Zahl und X sei eine nicht-leere Menge. Definition 2.1: Für eine Menge A ⊆ X α von α-Folgen aus X sei das Spiel GαX (A) über X der Länge α wie folgt definiert. Zwei Spieler – im folgenden stets mit Spieler I und II bezeichnet – wählen abwechselnd Elemente aus X. Spieler I beginnt das Spiel mit der Wahl eines x0 ∈ X, Spieler II antwortet mit einem x1 ∈ X. Dann ist wieder Spieler I am Zug und wählt ein x2 ∈ X usw. Dabei ist an jeder Limesstelle Spieler I am Zug. Wir erhalten das folgende Schema eines unendlichen Spiels: I II x0 x2 x1 x4 x3 x5 ... ... Jeder Spieler kennt vor seinem nächsten Zug den bisherigen Verlauf des Spiels ( perfekte Erinne” rung“) und die möglichen weiteren Züge seines Gegenspielers bzw. die möglichen Spielverläufe 1 Vgl. [GS53]. 47 48 K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT ab diesem Zeitpunkt ( perfekte Information“). Jede Wahl eines Elements aus X heißt Zug des ” entsprechenden Spielers. Das Spiel endet, sobald eine α-Folge hxξ | ξ < αi gespielt wurde. Ist α keine Limesordinalzahl, dann wird nach Wahl von α der letzte Zug von Spieler II gespielt.2 Eine Folge hxξ | ξ < βi für β < α heißt partielle Partie und die Folge x = hxξ | ξ < αi heißt Partie des Spiels. Spieler I gewinnt schließlich das Spiel GαX (A), falls die Partie x ein Element der Menge A ist, andernfalls gewinnt Spieler II. A heißt daher die Auszahlungsmenge des Spiels. Nach Definition gewinnt stets genau einer der beiden Spieler das Spiel ( Nullsummen-Spiel“). ” Wir schreiben GX (A) statt GωX (A), d.h. falls die Länge des betrachteten Spiels ω ist und Gα (A) statt Gαω (A), d.h. falls die einzelnen Züge der Spieler natürliche Zahlen sind. Sei α̃ :≡ Λ(α) + N (α)/2. Dann ist xI ∈ X α̃ die Folge der Züge von Spieler I bzw. xII ∈ X α̃ die Folge der Züge von Spieler II. Durch die ∗-Operation erhalten wir wieder die Partie des Spiels: x = xI ∗ xII ∈ X α . Definition 2.2 (Erste Definition von Strategien): Eine Strategie für Spieler I im Spiel GαX (A) ist eine Funktion: [ σ: X β → X. β∈Even(α) Die Strategie σ gibt Spieler I an, welches Element von X er entweder als ersten Zug wählen oder wie er auf den letzten Zug von Spieler II antworten soll – in Abhängigkeit von allen bisherigen Zügen. Spielt Spieler I gemäß seiner Strategie σ, so ergibt sich das folgende Schema: I II σ(hσ(∅), y1 i) σ(∅) y1 σ(hσ(∅), y1 , σ(hσ(∅), y1 i), y3 i) y3 ... ... Analog ist eine Strategie für Spieler II eine Funktion: [ τ: X β → X. β∈Odd(α) Die Strategie τ gibt Spieler II an, welchen Zug er als Antwort auf den Zug von Spieler I machen soll – wieder in Abhängigkeit von allen bisherigen Zügen. Spielt Spieler II gemäß seiner Strategie τ , so erhalten wir das Schema: I II x0 x2 τ (hx0 i) τ (hx0 , τ (hx0 i), x2 i) ... ... Bemerkung 2.3: Falls Spieler I gemäß einer Strategie σ und Spieler II die Folge y ∈ X α̃ spielt, so ist die resultierende Partie eindeutig bestimmt und wird mit σ∗y bezeichnet. Das gleiche gilt für Spieler II, der gemäß einer Strategie τ und Spieler I, der die Folge x ∈ X α̃ spielt. Die resultierende Partie wird dann mit x ∗ τ bezeichnet. Definition 2.4: Eine Gewinnstrategie für Spieler I ist eine Strategie σ, die stets zu einem Gewinn für Spieler I führt, falls er gemäß dieser Strategie spielt, d.h. wenn gilt: {σ ∗ y | y ∈ X α̃ } ⊆ A. 2 Die Voraussetzung, daß α gerade ist, dient nur zur Vereinfachung und ist nicht unbedingt notwendig. 2.1. U NENDLICHE S PIELE UND DIE E INF ÜHRUNG VON AD 49 Analog ist eine Strategie τ für Spieler II eine Gewinnstrategie, falls Spieler II immer gewinnt, wenn er gemäß τ spielt, d.h. falls gilt: {x ∗ τ | x ∈ X α̃ } ∈ X α − A. Offensichtlich gilt: Lemma 2.5: Es können nicht beide Spieler eine Gewinnstrategie in einem Spiel GαX (A) besitzen. Wir geben noch eine alternative Definition von Strategien bzw. Gewinnstrategien an. Diese Form ist für einige Betrachtungen leichter zu handhaben. Wir werden zeigen, daß die beiden Definitionen äquivalent sind in dem Sinne, daß wir aus einer Strategie (Gewinnstrategie) der ersten Form stets eine Strategie (Gewinnstrategie) der zweiten Form konstruieren können und umgekehrt. Definition 2.6 (Zweite Definition von Strategien): Eine Strategie für Spieler I im Spiel GαX (A) ist ein Baum S auf X der Höhe α, so daß für alle s ∈ S gilt: len(s) ∈ Even(α) ⇒ ∃!x ∈ X sahxi ∈ S ; len(s) ∈ Odd(α) ⇒ ∀x ∈ X sahxi ∈ S . Dabei bedeutet ∃!x“, daß ein eindeutiges x existiert. Analog ist eine Strategie für Spieler II ein ” Baum T auf X der Höhe α, so daß für alle t ∈ T gilt: len(t) ∈ Even(α) ⇒ ∀x ∈ X tahxi ∈ T ; len(t) ∈ Odd(α) ⇒ ∃!x ∈ X tahxi ∈ T . Ein Element von [S] bzw. [T ] heißt dann eine Partie des Spiels gemäß der Strategie S bzw. T . Eine Strategie S für Spieler I heißt Gewinnstrategie im Spiel GX (A), falls [S] ⊆ A gilt. Eine Strategie T für Spieler II heißt Gewinnstrategie, falls [S] ∩ A = ∅ gilt. Lemma 2.7: Die beiden Definitionen von Strategien sind äquivalent, d.h. ist σ eine Strategie von Spieler I im ersten Sinn, dann existiert eine entsprechende Strategie S im zweiten Sinn und umgekehrt. Ist σ eine Gewinnstrategie, dann ist die entsprechende Strategie S ebenfalls eine Gewinnstrategien und umgekehrt. Für Strategien von Spieler II gilt die analoge Aussage. Beweis. Wir beweisen nur den Fall α = ω. Der allgemeine Fall behandelt man entsprechend. Sei σ eine Strategie von Spieler I im Spiel GX (A) im ersten Sinn. Wir definieren für t ∈ X n die Folge σ ∗I t ∈ X 2n+1 durch: σ ∗I t :≡ σ(∅), t0 , σ(hσ(∅), t0 i), t1 , . . . , tn−1 , σ(hσ(∅), t0 , σ(hσ(∅), t0 i), t1 , . . . , tn−1 i) . Diese Folge ist also eine partielle Partie im Spiel GX (A) gemäß der Strategie σ und das letzte Element der Folge ist ein Zug von Spieler I. Wir definieren dann: S :≡ {s ∈ X <ω | ∃t ∈ X <ω s ⊆ σ ∗I t }. Dann ist offensichtlich S ein Baum auf X. Da σ eine Funktion ist, erfüllt S die Bedingungen, um eine Strategie für Spieler I im zweiten Sinn zu sein. Sei nun σ eine Gewinnstrategie. Ist z ∈ [S], 50 K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT dann gilt ∀n ∈ ω zn ∈ S . Dann muß aber nach Definition von S ein y ∈ X ω existieren mit z = σ ∗ y. Da σ eine Gewinnstrategie ist, gilt z ∈ A. Also ist [S] ⊆ A und S ist ebenfalls eine Gewinnstrategie. Sei nun S eine Strategie im zweiten Sinn und s ∈ S mit len(s) gerade. Es existiert dann ein S eindeutiges x ∈ X mit sahxi ∈ S. Wir definieren σ(s) :≡ x. Für s ∈ n∈ω X 2n − S sei S σ(s) ein beliebiges Element von X. Offensichtlich gilt σ : n∈ω X 2n → X. Sei nun S eine Gewinnstrategie und y ∈ X ω . Dann gilt ∀n ∈ ω (σ ∗ y)n ∈ S , also σ ∗ y ∈ [S] ⊆ A, d.h. σ ist eine Gewinnstrategie. Für Spieler II verläuft der Beweis entsprechend. Bemerkung 2.8: Nach der hier angegebenen Definition liefert eine Strategie (im ersten Sinn) als S S Funktion den nächsten Zug als Antwort auf ein Element von β∈Even(α) X β bzw. β∈Odd(α) X β . Die Definition einer Gewinnstrategie bezieht sich auf alle Elemente von X α̃ : für alle y ∈ X α̃ gilt σ ∗ y ∈ A bzw. für alle x ∈ X α̃ gilt x ∗ τ ∈ X α − A. Man geht bei dieser Definition also nicht davon aus, daß der Gegenspieler selbst nach einer Strategie spielt, sondern man betrachtet alle möglichen Spielverläufe, die vom Gegenspieler gespielt werden können. Alternativ kann man eine Gewinnstrategie auch wie folgt definieren. Wir beschränken uns hier auf den Fall für Spieler I und Spiele der Länge ω, den allgemeinen Fall behandelt man analog. σ sei genau dann eine Gewinnstrategie für Spieler I, falls σ ∗ τ ∈ A gilt für jede Strategie τ von Spieler II. Die beiden Definitionen von Gewinnstrategien sind aber für die hier betrachteten Spiele äquivalent. Denn sei σ eine Gewinnstrategie im Sinne der obigen Definition, d.h. es gilt ∀y ∈ X ω σ ∗ y ∈ A . Angenommen nun, es existiert eine Strategie τ von Spieler II, so daß σ nicht gegen τ gewinnt, d.h. es gilt σ ∗ τ 6∈ A. Wir betrachten y :≡ (σ ∗ τ )II . Dann ist y ∈ X ω und es gilt σ ∗ y = σ ∗ τ . Widerspruch, denn es ist σ ∗ y ∈ A, aber σ ∗ τ 6∈ A. Andererseits erhalten wir aus einem Element y ∈ X ω unmittelbar eine kanonische Strategie für Spieler II. Wir konstruieren diese Strategie so, daß sie stets die Folgenglieder von y als nächsten Zug angibt, unabhängig von den Zügen von Spieler I. Wir definieren dazu die Funktion: τy : [ X 2n+1 → X, τy (hs0 , . . . , s2m i) = ym . n∈ω Sei nun σ eine Gewinnstrategie für Spieler I im Sinne der alternativen Definition, d.h. es gilt σ ∗ τ ∈ A für jede Strategie τ von Spieler II. Sei weiter y ∈ X ω beliebig. Dann gilt σ ∗ y = σ ∗ τy , also σ ∗ y ∈ A. Damit ist σ auch eine Gewinnstrategie im Sinne der Definition 2.4. Es existieren noch andere Möglichkeiten, eine Strategie bzw. eine Gewinnstrategie für einen der Spieler zu definieren. Sofern nicht anders angegeben, werde wir in dieser Arbeit die erste Definition verwenden, da sich diese für unsere Betrachtungen am besten eignet. Für eine eingehende Untersuchung vgl. [And], Abschnitt 8.A. Wir definieren nun den Begriff der Determiniertheit eines Spiels: Definition 2.9: Das Spiel GαX (A) heißt determiniert, falls einer der Spieler eine Gewinnstrategie besitzt. Eine Menge A ⊆ X α heißt determiniert, falls das zugehörige Spiel GαX (A) determiniert ist. 2.1. U NENDLICHE S PIELE UND DIE E INF ÜHRUNG VON AD 51 Bei der Analyse der Determiniertheit von Teilmengen reeller Zahlen A ⊆ R wird nach Abschnitt 1.2 also stets das Spiel Gωω (A) = G(A) gespielt. Für die Determiniertheit von Mengen reeller Zahlen führen wir die folgende Schreibweise ein: Definition 2.10: Sei Γ eine Punktklasse. Dann definieren wir: Det(Γ) :⇔ ∀A ⊆ R A ∈ Γ ⇒ G(A) ist determiniert . Die polnischen Mathematiker Jan Mycielski und Hugo Steinhaus formulierten 1962 das folgende Axiom: Definition 2.11: Das Axiom der Determiniertheit (axiom of determinacy) sei die folgende Aussage:3 AD :⇔ Det(℘(R)) ⇔ jede Teilmenge A ⊆ R ist determiniert. Wir verallgemeinern dieses Axiom für eine beliebige, nicht-leere Menge X und Spiele der Länge α über X: ADαX :⇔ jede Teilmenge A ⊆ X α ist determiniert. In Kapitel 4 werden wir zeigen, daß die Eigenschaft einer Strategie, eine Gewinnstrategie zu sein, absolut für transitive Modelle der Mengenlehre ist. Um diese Absolutheit von Gewinnstrategien zeigen zu können, geben wir hier eine Formalisierung durch ∈-Formeln an. Wir betrachten hier nur den Fall für Spiele der Länge ω: Definition 2.12: Wir definieren die Formeln ϕI und ϕII durch: [ ϕI (X, A, σ) :≡ σ : X 2n → X ∧ ∀y ∈ X ω σ ∗ y ∈ A n∈ω ≡σ: [ X 2n → X ∧ ∀y ∈ X ω z ∈ X ω [ X 2n+1 → X ∧ ∀x ∈ X ω x ∗ τ 6∈ A n∈ω und ∧ ∀n ∈ ω z(2n) = σ(z2n) ∧ z(2n + 1) = y(n) ⇒ z ∈ A ϕII (X, A, τ ) :≡ τ : n∈ω ≡τ : [ n∈ω X 2n+1 → X ∧ ∀x ∈ X ω z ∈ X ω ∧ ∀n ∈ ω z(2n) = x(n) ∧ z(2n + 1) = τ (z2n + 1) ⇒ z 6∈ A . Dann behauptet ϕI (X, A, σ) gerade, daß Spieler I im Spiel GX (A) die Gewinnstrategie σ besitzt und ϕII (X, A, τ ), daß Spieler II in diesem Spiel die Gewinnstrategie τ besitzt. 3 Vgl. [MS62]. In den frühen Schriften findet sich noch häufig der Begriff determinateness. Seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat sich dann aber die Bezeichnung determinacy durchgesetzt. 52 K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT Mit dieser Definition erhalten wir eine entsprechende Formalisierung von ADX : ADX ≡ ∀A ⊆ X ω ∃σ ϕI (X, A, σ) ∨ ϕII (X, A, σ) . Wir geben noch eine grundlegende Kodierung von Strategien in Spielen über natürlichen Zahlen bzw. über reellen Zahlen an, die wir im weiteren Verlauf dieser Arbeit benötigen: Lemma 2.13: Sei A ⊆ R und B ⊆ Rω . (1) Jede Strategie für einen der Spieler im Spiel G(A) kann durch eine reelle Zahl elementar kodiert werden; (2) Jede Strategie für einen Spieler im Spiel GR (B) kann durch eine Teilmenge von R elementar kodiert werden. S Beweis. (1) Sei σ : n∈ω ω 2n → ω eine Strategie für Spieler I im Spiel G(A). Wir erweitern zunächst σ zu einer Abbildung von ganz ω <ω nach ω. Dazu setzen wir σ(s) :≡ 0 für S s ∈ n∈ω ω 2n+1 . Seien Φ0 : ω <ω ,→ ω und Ψ0 : ω ω <ω mit Ψ0 ◦ Φ0 ≡ idω<ω die in Definition 1.23 angegebenen Funktionen. Wir definieren dann: σ̄ : ω → ω, n 7→ σ(Ψ0 (n)). Insbesondere gilt σ̄ ∈ R. Wir erhalten: σ̄(Φ0 (s)) = σ(Ψ0 (Φ0 (s))) = σ(s) für alle s ∈ [ ω 2n . n∈ω Also enthält σ̄ alle Informationen der ursprünglichen Strategie σ. Ist σ eine Gewinnstrategie für Spieler I, d.h. es gilt ϕI (ω, A, σ), dann gilt auch: ϕI (ω, A, σ̄ ◦ Φ0 ). Die Kodierung für eine Strategie von Spieler II im Spiel G(A) durch ein Element τ̄ ∈ R verläuft analog. S (2) Sei σ : n∈ω R2n → R eine Strategie für Spieler I im Spiel GR (B). Wir erweitern wieder σ S zu einer Abbildung von ganz R<ω nach R und setzen σ(s) :≡ h0, 0, 0, . . .i für s ∈ n∈ω R2n+1 . Seien wieder Φ1 : R<ω ,→ R und Ψ1 : R R<ω die Funktionen aus Definition 1.23, so daß Ψ1 ◦ Φ1 ≡ idR<ω gilt. Wir definieren dann: σ̄ : R → R, x 7→ σ(Ψ1 (x)). Insbesondere gilt σ̄ ∈ RR . Wir erhalten wieder: σ̄(Φ1 (s)) = σ(Ψ1 (Φ1 (s))) = σ(s) für alle s ∈ [ R2n , n∈ω d.h. σ̄ enthält alle Informationen der ursprünglichen Strategie σ. Ist σ eine Gewinnstrategie für Spieler I, d.h. es gilt ϕI (R, B, σ), dann gilt auch: ϕI (R, B, σ̄ ◦ Φ1 ). 2.1. U NENDLICHE S PIELE UND DIE E INF ÜHRUNG VON AD 53 Die Elemente von RR sind Funktionen R → R, also Teilmengen von R × R. Elemente von R × R können wir mit Hilfe einer elementaren Operation – z.B. durch die Funktion hx, yi 7→ x∗y – durch Elemente von R kodieren. Wir erhalten die Kodierung einer Strategie im Spiel GR (A) durch eine Teilmenge S ⊆ R. Sei dazu σ : R<ω → R eine – entsprechend auf ganz R<ω erweiterte – Strategie in Spiel GR (A). Dann definieren wir: S :≡ {Φ1 (s) ∗ σ(s) | s ∈ R<ω } ∈ ℘(R). Die Kodierung für eine Strategie von Spieler II im Spiel GR (B) durch eine Teilmenge T ⊆ R verläuft entsprechend. Bemerkung 2.14: Für x ∈ R ist x ◦ Φ0 eine Funktion von ω <ω nach ω. Durch [ ΣI (x) :≡ (x ◦ Φ0 ) ω 2n ; n∈ω ΣII (x) :≡ (x ◦ Φ0 ) [ ω 2n+1 . n∈ω sind also Surjektion von R in die Menge der Strategien von Spieler I bzw. Spieler II in einem Spiel über ω der Länge ω gegeben. II. Quasi-Determiniertheit Bevor wir uns weiter mit der Determiniertheit von Mengen und dem Axiom AD beschäftigen, werden wir noch eine verallgemeinerte Definition von Determiniertheit betrachten. In der Definition von Strategien hatten wir gefordert, daß eine Strategie dem jeweiligen Spieler eine eindeutige Antwort auf den letzten Zug des Gegenspielers liefert (in Abhängigkeit von allen vorherigen Zügen). Wir geben nun eine Definition an, die auf die Eindeutigkeit der Antwort verzichtet. Diese Strategien liefern dem Spieler statt eines einzelnen Elements eine nicht-leere Menge, aus der er S den nächsten Zug wählen kann. Wir erhalten also statt einer Funktion σ : β∈Even(α) X β → X S eine Funktion σ̄ : β∈Even(α) X β → ℘(X) − ∅. Da die entsprechende Definition mittels Funktionen aber schwerer zu handhaben ist, definieren wir die verallgemeinerten Strategien mit Hilfe von Bäumen:4 Definition 2.15: Eine Quasi-Strategie für Spieler I im Spiel GαX (A) ist ein Baum S auf X der Höhe α, so daß für alle s ∈ S gilt: len(s) ∈ Even(α) ⇒ len(s) ∈ Odd(α) ⇒ ∃x ∈ X sahxi ∈ S ; ∀x ∈ X sahxi ∈ S . Analog ist eine Quasi-Strategie für Spieler II ein Baum T auf X der Höhe α, so daß für alle t ∈ T gilt: 4 len(t) ∈ Even(α) ⇒ len(t) ∈ Odd(α) ⇒ ∀x ∈ X tahxi ∈ T ; ∃x ∈ X tahxi ∈ T . Vgl. auch die Definition 2.6. Wir ersetzen also lediglich den Quantor ∃!“ durch den normalen Existenzquantor. ” 54 K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT Wir können auf die jeweils erste Bedingung verzichten, wenn wir nur gestutzte Bäume betrachten. Ein Element von [S] bzw. [T ] heißt dann eine Partie des Spiels gemäß der Strategie S bzw. T . Eine Strategie S für Spieler I heißt Quasi-Gewinnstrategie im Spiel GαX (A), falls [S] ⊆ A gilt. Eine Strategie T für Spieler II heißt Quasi-Gewinnstrategie, falls [T ] ∩ A = ∅ gilt. Das Spiel GαX (A) heißt quasi-determiniert, falls einer der Spieler eine Quasi-Gewinnstrategie besitzt. Eine Menge A ⊆ X α heißt quasi-determiniert, falls das zugehörige Spiel GαX (A) quasideterminiert ist. Zuletzt sei das Axiom der Quasi-Determiniertheit die entsprechende Verallgemeinerung: AQDαX :⇔ jede Menge A ⊆ X α ist quasi-determiniert. Wir schreiben wieder kurz AQDα statt AQDαω und AQDX statt AQDωX . Lemma 2.16: DC(X <ω ) gilt genau dann, wenn nicht beide Spieler eine Quasi-Gewinnstrategie in einem Spiel GX (A) besitzen. Beweis. ⇒“: Angenommen, es gilt DC(X <ω ) und Spieler I besitzt eine Quasi-Gewinnstrate” gie S und Spieler II eine Quasi-Gewinnstrategie T im Spiel GX (A) für ein A ⊆ X ω . Es gilt S ∩ T 6= ∅, denn es ist ∅ ∈ S und ∅ ∈ T . Wir definieren die Relation R auf S ∩ T ⊆ X <ω durch: R :≡ {hs, ti ∈ (S ∩ T ) × (S ∩ T ) | ∃x ∈ X t = sahxi }. Sei s ∈ S ∩ T . Ist len(s) ∈ Even(ω), dann gilt nach den Eigenschaften einer Quasi-Gewinnstrategie von Spieler I bzw. Spieler II: es existiert ein x ∈ X mit sahxi ∈ S und für alle x ∈ X ist sahxi ∈ T , d.h. es existiert ein t ∈ S ∩ T mit hs, ti ∈ R. Ist len(s) ∈ Odd(ω), dann gilt analog: es existiert ein x ∈ X mit sahxi ∈ T und für alle x ∈ X ist sahxi ∈ S, d.h. es existiert ebenfalls ein t ∈ S ∩ T mit hs, ti ∈ R. Nach Voraussetzung gilt DC(X <ω ) und nach Lemma 1.6 damit auch DC(S ∩ T ). Es existiert also eine Funktion f : ω → S ∩ T mit hf (n), f (n + 1)i ∈ R für alle n ∈ ω. Ist andererseits hs, ti ∈ R, dann gilt offensichtlich s ⊆ t und len(t) = len(s) + 1, S also ist y :≡ n∈ω f (n) wohl-definiert und es gilt y ∈ X ω . Außerdem gilt für alle m ∈ ω, daß ym ∈ S ∩ T , also y ∈ [S] und y ∈ [T ]. Da S und T Quasi-Gewinnstrategien sind, gilt aber [S] ⊆ A und [T ] ∩ A = ∅, insbesondere also [S] ∩ [T ] = ∅. Widerspruch. ⇐“: Angenommen, es gilt ¬DC(X <ω ). Nach Lemma 1.58 existiert daher ein gestutzter Baum ” T auf X mit T 6= ∅, aber [T ] = ∅. Wir definieren die Funktion µ durch: µ : X ≤ω → ω, s 7→ ( len(s) , falls s ∈ T max{m < len(s) | sm ∈ T } , sonst. µ(x) ist auch für x ∈ X ω wohldefiniert, da wegen [T ] = ∅ stets das Maximum existiert. Wir definieren die Auszahlungsmenge A durch: A :≡ {x ∈ X ω | µ(x) ∈ Odd(ω)}. Sei nun: SI :≡ T ∪ {s ∈ X <ω − T | µ(s) ∈ Odd(ω)}; 2.1. U NENDLICHE S PIELE UND DIE E INF ÜHRUNG VON AD 55 SII :≡ T ∪ {s ∈ X <ω − T | µ(s) ∈ Even(ω)}. SI ist ein Baum, denn sei t ∈ SI und s ⊆ t. Ist t ∈ T , dann ist s ∈ T ⊆ SI , da T ein Baum ist. Ist t 6∈ T , dann ist µ(t) ∈ Odd(ω). Ist s 6∈ T , dann ist offensichtlich µ(s) = µ(t). Insgesamt gilt also s ∈ SI . Analog zeigt man, daß SII ein Baum ist. Wir zeigen weiter, daß SI eine Quasi-Strategie für Spieler I ist. Sei s ∈ SI und len(s) ∈ Even(ω). Ist s ∈ T , dann existiert ein x ∈ X mit sahxi ∈ T , da T gestutzt ist. Ist s 6∈ T , dann ist µ(s) ∈ Odd(ω) und damit µ(sahxi) ∈ Odd(ω) für jedes x ∈ X. Insgesamt gilt also sahxi ∈ SI für ein x ∈ X. Sei andererseits len(s) ∈ Odd(ω) und x ∈ X beliebig. Angenommen, es ist s ∈ T . Ist sahxi 6∈ T , dann ist µ(sahxi) = len(s) ∈ Odd(ω), insbesondere also sahxi ∈ SII . Ist s 6∈ T , dann ist µ(s) ∈ Odd(ω) und damit µ(sahxi) ∈ Odd(ω). Insgesamt ist also sahxi ∈ SI für alle x ∈ X. Demnach ist SI eine Quasi-Strategie für Spieler I. Durch Vertauschung von Even und Odd zeigt man analog, daß SII eine Quasi-Strategie für Spieler II ist. Da [T ] = ∅ ist, gilt nun für jedes x ∈ [SI ], daß µ(x) ∈ Odd(ω) und damit x ∈ A ist. Es folgt [SI ] ⊆ A und SI ist eine Quasi-Gewinnstrategie für Spieler I im Spiel GX (A). Andererseits gilt für jedes x ∈ X ω : x ∈ [SII ] ⇔ µ(x) ∈ Even(ω) ⇔ x 6∈ A. Es folgt [SII ] ∩ A = ∅ und SII ist eine Quasi-Gewinnstrategie für Spieler II im Spiel GX (A). Also besitzen beide Spieler eine Quasi-Gewinnstrategie in einem Spiel GX (A). Eine Gewinnstrategie – im Sinne unserer zweiten Definition 2.6 – ist offensichtlich auch ein Quasi-Gewinnstrategie, ADαX impliziert also AQDαX . Gilt AC, dann können wir eine QuasiGewinnstrategie soweit ausdünnen“, daß wir eine Gewinnstrategie erhalten. Tatsächlich zeigt ” man leicht: Lemma 2.17: Ist X wohlordenbar, dann gilt ADαX ⇔ AQDαX . Insbesondere gilt AD ⇔ AQD. Für nicht-wohlordenbare X kann es Spiele geben, die quasi-determiniert, aber nicht determiniert sind. Das Axiom AQDαX ist also eine schwächere Forderung als ADαX .5 Die wichtigste Anwendungen der Quasi-Determiniertheit, die wir auch im letzten Kapitel dieser Arbeit verwenden werden, kann bereits in der Theorie ZF gezeigt werden. Aufgrund der besonderen Struktur der topologischen Basis von X ω steht bei abgeschlossen Mengen in den zugehörigen Spielen bereits nach endlich vielen Zügen fest, wer gewinnt bzw. verliert. Daraus ergibt sich die Quasi-Determiniertheit: Satz 2.18 (Gale-Stewart): Ist A ⊆ X ω offen oder abgeschlossen, dann ist GX (A) quasi-determiniert. Beweis. Sei A ⊆ X ω abgeschlossen in der Produkttopologie, wobei X mit der diskreten Topologie ausgestattet ist. Dann existiert ein Baum T auf X, so daß A = [T ] gilt.6 Wir definieren die 5 6 Vgl. [And], Exercise 8.67. Vgl. [Kec94], Proposition 2.4. 56 K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT Mengen Pα ⊆ S X 2n der Gewinnpositionen von Spieler II durch Induktion über α: [ P0 :≡ {s ∈ X 2n | s 6∈ T }; n∈ω n∈ω Pα+1 :≡ {s ∈ [ n∈ω Pλ :≡ [ Pα X 2n | ∀x ∈ X ∃y ∈ X sahx, yi ∈ Pα }; für Lim(λ); α<λ P∞ :≡ [ Pα . α∈Ord Wir führen eine Fallunterscheidung durch: Fall 1: Es ist ∅ 6∈ P∞ . Wir definieren dann: SI :≡ {s ∈ X <ω | ∃t ∈ [ n∈ω X 2n − P∞ s ⊆ t }. Wie man leicht überprüft, ist SI eine Quasi-Gewinnstrategie für Spieler I. Fall 2: Es ist ∅ ∈ P∞ . Dann ist P∞ fundiert und wir können eine Rang-Funktion ρ auf den Positionen s ∈ P∞ definieren:7 ρ(s) = min{α ∈ Ord | s ∈ Pα }. Wir definieren nun: SII :≡ s ∈ X <ω | ∃t ∈ P∞ s ⊆ t ∧ (len(s) gerade ⇒ ρ(t) < ρ(s)) . Wie man leicht überprüft, ist in diesem Fall SII eine Quasi-Gewinnstrategie für Spieler II. Da einer der beiden Fälle eintreten muß, ist das Spiel GX (A) quasi-determiniert. Ist nun B ⊆ X ω offen, dann ist X ω −B abgeschlossen und das gleiche Argument mit vertauschten Rollen von Spieler I und Spieler II zeigt, daß GX (B) quasi-determiniert ist. Mit Hilfe des Auswahlaxioms erhalten wir daraus die ursprüngliche Formulierung von Gale und Stewart, daß offene und abgeschlossene Menge in ZFC determiniert sind.8 Aus dem Satz erhalten wir unmittelbar: Lemma 2.19: Endliche Spiele sind quasi-determiniert, d.h. ist n eine gerade natürliche Zahl mit n > 0 und ist A ⊆ X n , dann ist das Spiel GnX (A) quasi-determiniert. Beweis. Wir zeigen, daß das Spiel GnX (A) äquivalent zu einem Spiel GX (B) mit einer abgeschlossenen Menge B ist. Wegen Satz 2.18 ist das Spiel quasi-determiniert. Sei: B :≡ {b ∈ X ω | bn ∈ A} ⊆ X ω . B ist abgeschlossen, denn es existiert offensichtlich ein Baum T auf X mit B = [T ]. Also ist GX (B) quasi-determiniert. Ist S eine Quasi-Gewinnstrategie für Spieler I bzw. Spieler II in S GX (B), dann ist U :≡ S ∩ k≤n X k eine Quasi-Gewinnstrategie für Spieler I bzw. Spieler II in GnX (A): ist b ∈ [S], dann ist bn ∈ [U ] und es gilt b ∈ B ⇔ bn ∈ A. 7 8 Vgl. [Kec94], Abschnitt 2.F. Vgl. [GS53] und [Kan97], Proposition 27.1. 2.1. U NENDLICHE S PIELE UND DIE E INF ÜHRUNG VON AD 57 Mit Lemma 2.17 folgt direkt: Korollar 2.20 (Zermelo-König): [AC] Sei n > 0 eine gerade natürlich Zahl. Dann gilt ADnX . III. Welche Mengen reeller Zahlen sind determiniert? In den Jahren nach der Einführung der unendlichen Spiele konnte gezeigt werden, daß viele Teilmengen der reellen Zahlen mit geringer Komplexität“ – im Sinne der Borel- bzw. projektiven ” Hierarchie – in der Theorie ZFC determiniert sind. Gale und Stewart bewiesen die Determiniertheit der offenen und abgeschlossenen Mengen, d.h. es gilt Det(Σ01 ) und Det(Π01 ).9 Philip Wolfe zeigte Det(Σ02 ) und Morton Davis bewies Det(Σ03 ).10 Der Beweis von Det(Σ04 ) stammt von Jeffrey Paris.11 Andererseits zeigte Harvey M. Friedman, daß ein Beweis der Borel-Determiniertheit Det(∆11 ) essentiellen Gebrauch des Potenzmengenaxioms machen muß.12 Für einen derartigen Beweis sind überabzählbar viele Iterationen zur Bildung der Potenzmenge notwendig. Anders formuliert: die Konstruktion der Von-Neumann-Hierarchie muß mindestens bis einschließlich Vω1 möglich sein. Insbesondere kann die Borel-Determiniertheit nicht in der Zermelo-Mengenlehre, d.h. in ZF − (Ers) gezeigt werden. Donald Martin bewies schließlich die Determiniertheit aller Borel-Mengen.13 Der Beweis verwendet exakt ω1 Iterationen der Potenzmengenoperation. Martin konnte darüber hinaus zeigen, daß in der Theorie ZFC − (Pot) folgendes gilt: sei α < ω1 und angenommen, es existiert Vω+α . Dann gilt Det(∆01+α+3 ), aber diese Voraussetzungen reichen nicht aus, um die Determiniertheit der nächsten Stufe der Borel-Hierarchie, also Det(Σ01+α+3 ) zeigen zu können.14 Mittlerweile weiß man, daß ∆11 die letzte Stufe der projektiven Hierarchie ist, von deren Elementen man in ZFC direkt – d.h. ohne zusätzliche Annahmen – zeigen kann, daß sie determiniert sind. Um die Determiniertheit der Elemente aus den höheren Stufen zu zeigen, muß man zusätzliche Reichhaltigkeitsannahmen machen. Diese fordern meistens die Existenz gewisser Großer Kardinalzahlen. Wir werden darauf in Abschnitt 4.2 zurückkommen. Zu Beginn der Beschäftigung mit unendlichen Spielen drängte sich die Frage auf, ob vielleicht alle Teilmengen der reellen Zahlen determiniert sind. Aber Gale und Stewart zeigten schon in ihrem Artikel von 1953, daß in ZFC die Existenz einer nicht-determinierten Teilmenge der reellen Zahlen bewiesen werden kann. Für dieses Resultat ist ganz wesentlich das Auswahlaxiom verantwortlich: Satz 2.21 (Gale-Stewart): [AC(R)] Es existiert eine Menge A ⊆ R, die nicht determiniert ist. Insbesondere gilt also ZFC ` ¬AD und die reellen Zahlen sind unter ZF + AD nicht wohlor9 Vgl. [GS53]. Siehe auch Satz 2.18. Vgl. [Wol55] bzw. [Dav64]. 11 Vgl. [Par72]. 12 Vgl. [Fri71]. 13 Vgl. [Mar75]. 14 Vgl. [Kan97], S. 441. Dieses Resultat von Martin ist bisher unveröffentlicht, der Beweis wird aber in seinem Buch [Mar] zu finden sein, das in absehbarer Zukunft erscheinen wird. Für eine ausführliche Darstellung des notwendigen Gebrauchs von mengentheoretischen Grundlagen für die verschiedenen Forderungen der Determiniertheit vgl. auch [Fri81]. 10 58 K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT denbar. Beweis. Eine Strategie für Spieler I im Spiel G(A) ist eine Funktion: [ σ: ω 2n → ω. n∈ω S Da n∈ω ω 2n = ℵ0 und |ω ω | = 2ℵ0 , gibt es also insgesamt 2ℵ0 verschiedene Strategien für Spieler I in diesem Spiel und genauso viele für Spieler II. Wegen AC(R) existiert eine Aufzählung hσα | α < 2ℵ0 i der Strategien für Spieler I und eine Aufzählung hτα | α < 2ℵ0 i der Strategien für Spieler II. Wir definieren nun rekursiv für alle α < 2ℵ0 reelle Zahlen aα und bα wie folgt: seien x0 , y0 ∈ R so gewählt, daß: b0 :≡ σ0 ∗ y0 6= x0 ∗ τ0 ≡: a0 . Sind nun {aβ | β < α} und {bβ | β < α} für 0 < α < 2ℵ0 bereits definiert, dann wähle mit Hilfe von AC(R) xα , yα ∈ R, so daß gilt: bα :≡ σα ∗ yα 6∈ {aβ | β < α}; aα :≡ xα ∗ τα 6∈ {bβ | β ≤ α}. Da die Funktion y 7→ σα ∗ y für y ∈ R injektiv ist, gilt |{σα ∗ y | y ∈ R}| = 2ℵ0 > α = |{aβ | β < α}|. Es existiert also stets ein derartiges yα bzw. aus analogen Gründen ein derartiges xα . Aufgrund der Definitionen sind die so konstruierten Mengen A :≡ {aα | α < 2ℵ0 } und B :≡ {bα | α < 2ℵ0 } disjunkt. Das Spiel G(A) kann aber nicht determiniert sein, denn es gilt: (1) Zu jeder Strategie σ für Spieler I existiert ein α < 2ℵ0 mit σα = σ und ein Spielverlauf yα ∈ R für Spieler II, so daß bα = σα ∗ yα 6∈ A. Also ist σ keine Gewinnstrategie für Spieler I; (2) Zu jeder Strategie τ für Spieler II existiert ein α < 2ℵ0 mit τα = τ und ein Spielverlauf xα ∈ R für Spieler I, so daß aα = xα ∗ τα ∈ A. Also ist τ keine Gewinnstrategie für Spieler II. IV. Zwei Interpretationen von Determiniertheitsforderungen Mycielski und Steinhaus war die Unvereinbarkeit von AD mit AC bekannt. Tatsächlich trägt ihre Arbeit den Titel A mathematical axiom contradicting the axiom of choice.15 Ihre Absicht war es aber nicht, eine ernsthafte Alternative zu ZFC anzugeben, sondern lediglich die Eigenschaften einer Theorie zu untersuchen, in der die bekannten pathologischen“ Konsequenzen des Auswahl” axioms – zumindest ad hoc – nicht mehr gegeben sind: It is not the purpose of this paper to depreciate the classical mathematics with its ” fundamental ‘absolute’ intuitions on the universum of sets (to which belongs the axiom of choice), but only to propose another theory which seems very interesting although its consistency is problematic. Our axiom can be considered as a restriction of the classical notion of a set leading to a smaller universum, say of determined sets, which reflect some physical intuitions which are not fulfilled by the classical sets (e.g. paradoxical decompositions of the sphere are eliminated by [AD]).“ 16 15 16 Vgl. [MS62]. Jan Mycielski und Hugo Steinhaus [MS62], S. 2. 2.1. U NENDLICHE S PIELE UND DIE E INF ÜHRUNG VON AD 59 Das im Zitat erwähnte Beispiel einer Konsequenz der klassischen Mengenlehre bezieht sich auf das Banach-Tarski-Paradoxon, das besagt, daß in ZFC die Einheitssphäre in endlich viele disjunkte Teile zerlegt werden kann, die jeweils zu der ursprünglichen Einheitssphäre kongruent sind. Dafür und für ähnliche Konstruktionen ist die Existenz einer nicht-Lebesgue-meßbaren Menge verantwortlich. Die Existenz derartiger und anderer extrem“ komplexer Mengen – z.B. überab” zählbare Mengen ohne perfekte Teilmenge, Wohlordnungen der reellen Zahlen etc. – ist eine Konsequenz des uneingeschränkten Auswahlaxiom. In der Welt von AD existieren derartige Mengen nicht, so daß zumindest diese Konsequenzen, die der physikalischen Intuition widersprechenden, nicht mehr gefolgert werden können.17 Die Tatsache, daß AD dem Auswahlaxiom widerspricht, dürfte eigentlich nicht ausreichen, dieses neue Axiom zurückzuweisen, wenn man bedenkt, wieviel Diskussion es seit der Einführung der Zermelo-Fraenkel-Skolem-Mengenlehre um das Auswahlaxiom als grundlegendes Postulat über die wirkliche Welt“ gegeben hat. AC stand selbst häufig genug in der Kritik, nicht zuletzt wegen ” der in bezug auf die anderen Axiome ungewöhnlichen Formulierung und den oben angedeuteten, unangenehmen Konsequenzen. Wegen dieser Unsicherheit über die Grundlage der Mengenlehre ist man in der üblichen“ Mathematik – z.B. in der Analysis – bemüht, möglichst weitgehend auf ” die Verwendung von AC oder einer seiner Äquivalenzen zu verzichten.18 Andererseits ist AD – ähnlich wie das Auswahlaxiom – ebenfalls eine Verallgemeinerung eines im Endlichen gültigen Sachverhalts, denn endliche Versionen der hier betrachteten Spiele sind determiniert. Die Determiniertheit der endlichen Spiele bewiesen Ernst Zermelo und Dénes König, der eine Lücke in der Argumentation von Zermelo füllte.19 Allerdings unterscheidet sich die Art der Verallgemeinerung ins Unendliche gänzlich von derjenigen, die AC ausdrückt.20 AC ist demnach im wesentlichen die Forderung, daß man einen im Endlichen gültigen Prozeß derart ins Unendliche erweitert, so daß er seine Richtung längs transfiniter Skalen“ beibehält.21 Im Gegensatz dazu ” besteht die von AD geforderte Verallgemeinerung bildlich darin, daß man von einer Limesstelle – in unserem Fall ω – aus rückwärts laufen kann und die Skala sozusagen von hinten“ aufrollt. ” Denn betrachtet man ein endliches Spiel der hier genannten Art, dann erhält man eine Gewinnstrategie dadurch, daß man den Baum aller möglichen Partien von der Krone herab bis zur Wurzel des Baumes rückwärts“ durchläuft und dabei die Verzweigungspunkte des Baumes mit zwei Farben ” einfärbt, je nachdem, welcher Spieler ab dieser Position sicher gewinnen kann.22 Da der Baum der Partien für endliche Spiele eine endliche Höhe besitzt, ist dieser Prozeß immer möglich und es wird sukzessive jeder Punkt bis zur Wurzel eingefärbt. Die Farbe der Wurzel entscheidet dann, welcher der beiden Spieler eine Gewinnstrategie besitzt (vgl. Abbildung 2.1). Dieser Prozeß ist natürlich für Spiele, die aus ω Zügen bestehen, nicht ohne weiteres übertragbar. Und genau darin besteht im wesentlichen die Forderung von AD: man kann den Baum mit der Höhe ω von der Krone bis zur Wurzel rückwärts durchlaufen und die Äste entsprechend einfärben. Diese Darstellung 17 Vgl. dazu Satz 2.22 bzw. Satz 2.21. Vgl. auch [Kle77], S. 3. 19 Vgl. [Kön27]. Siehe aus Korollar 2.20. 20 Für eine Diskussion zu diesem Unterschied vgl. [FS84]. 21 Ulrich Felgner und Klaus Schulz [FS84], S. 563. 22 Mit Krone ist die Menge der maximalen Elemente des Baumes gemeint, d.h. die Menge s ∈ T | ∀t ∈ T s ⊆ t → s = t . Die Wurzel ist nichts anderes als die leere Menge, also der Zustand“ des Spiels vor dem ersten Zug ” von Spieler I. 18 60 K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT e u u e u e e u u e A A I 6 A A Ae e Au Au Au u J J J II J J J u e J Je J c # c # I uSpieler I c # c # eSpieler II cu # Abb. 2.1: Baum eines endlichen Spiels läßt erkennen, auf welche Komplikationen man stoßen kann, wenn man allzu sorglos finite Verfahren auf das Unendliche ausdehnt: je nach Art der Extrapolation ergeben sich sehr verschiedene, ja sogar sich widersprechende Systeme. Zu dieser Problematik sei das folgende Zitat von David Hilbert aus seinem Vortrag von 1922 über die logischen Grundlagen der Mathematik erwähnt: Wenn wir ein Verfahren, das im Finiten zulässig ist, ohne Bedenken stets auf unend” liche Gesamtheiten anwenden würde, so öffnen wir damit Irrtümern Tür und Tor.“ 23 Penelope Maddy erörtert in ihrem Artikel Believing the axioms, II einen interessanten, rein logischen Aspekt der Determiniertheit von Spielen und AD.24 Während für eine zweistellige Relation R der Quantorenwechsel“ ” ∃x∀y (x, y) ∈ R ⇒ ∀y∃x (x, y) ∈ R eine rein logisch ableitbare Aussage ist, ist deren Umkehrung ∀x∃y (x, y) ∈ R ⇒ ∃y∀x (x, y) ∈ R eine außerordentlich“ nicht-triviale und in den meisten Fällen auch falsche Aussage.25 Annah” men über Determiniertheit sind aber syntaktisch genau von dieser zweiten Form: wenn für jede Strategie von Spieler I die Möglichkeit für Spieler II besteht, das Spiel so zu spielen, daß er – d.h. Spieler II – gewinnt, dann besitzt demnach Spieler I keine Gewinnstrategie. Die Determiniertheit sagt aber dann, daß Spieler II eine Gewinnstrategie besitzt, d.h. es existiert eine Strategie für Spieler II, so daß jeder Spielverlauf von Spieler I zu einem Gewinn für Spieler II führt. Für eine Menge A ⊆ X ω sei also R die folgende Relation: R(v0 , v1 ) :≡ v0 ist Strategie von Spieler I im Spiel G(A)“ ∧ ” v ist Strategie von Spieler II im Spiel G(A)“ ∧ v0 ∗ v1 6∈ A. ” 1 Dann bedeutet die Determiniertheit von G(A) gerade die Aussage: ∀x∃y (x, y) ∈ R ⇒ ∃y∀x (x, y) ∈ R , 23 David Hilbert [Hil26], S. 37. Vgl. [Mad88b]. Zu diesem Aspekt vgl. auch [Kec94], Abschnitt 20.D. 25 Z.B. folgt sicher nicht aus der Aussage Jeder Mensch hat eine Mutter“ die Aussage es existiert eine Frau, die ” ” Mutter aller Menschen ist“! 24 2.1. U NENDLICHE S PIELE UND DIE E INF ÜHRUNG VON AD 61 oder anders formuliert: besitzt Spieler I keine Gewinnstrategie, dann besitzt Spieler II eine.26 Zusammen mit der rein logisch ableitbaren Umkehrung erhalten wir also die folgende Äquivalenz eines Quantorenwechsels: ∀x∃y (x, y) ∈ R ⇔ ∃y∀x (x, y) ∈ R . Diese Art von Äquivalenz ist ein angestrebtes Ziel“ in vielen verschiedenen mathematischen ” Kontexten, z.B. in der Analysis bzgl. stetigen und gleichmäßig stetigen Funktionen. Normalerweise bedarf es zusätzlicher Annahmen, um diese Äquivalenz zu garantieren. Bei dem Beispiel der Stetigkeit wäre das die Kompaktheit des Raumes: sind X, Y metrische Räume und X ist kompakt, dann ist eine Funktion f : X → Y stetig genau dann, wenn sie gleichmäßig stetig ist. 2.2 Einige grundlegende Konsequenzen von AD In diesem Abschnitt werden wir einige grundlegende Konsequenzen aus dem Axiom der Determiniertheit angeben. Eine der Implikationen von AD ist, daß alle Teilmengen der reellen Zahlen die klassischen“ Regularitätseigenschaften wie die Lebesgue-Meßbarkeit, die Baire-Eigenschaft und ” die Perfekte-Mengen-Eigenschaft besitzen. Außerdem zeigen wir, daß AD einen abgeschwächten Grad an Auswahlprinzip, die Regularität von ℵ1 und die Nicht-Wohlordenbarkeit von überabzählbaren Teilmengen von R impliziert. I. Regularitätseigenschaften Wir wir im letzten Abschnitt angedeutet haben, erscheint die Determiniertheit von Mengen als eine weitere Regularitätseigenschaft, d.h. determinierte Mengen sind in einem gewissen Sinne gute“ Mengen.27 Die Determiniertheit aller Teilmengen der reellen Zahlen impliziert seinerseits ” die folgenden, klassischen Regularitätseigenschaften: Satz 2.22: [AD] Jede Menge A ⊆ R ist Lebesgue-meßbar, besitzt die Baire-Eigenschaft und die Perfekte-Mengen-Eigenschaft. Beweis. Vgl. [Kan97], Abschnitt 27. Der Beweis der Baire-Eigenschaft von Mengen aus determinierten Punktklassen soll auf ein Spiel von Stanisław Mazur zurückgehen. Stefan Banach soll einen Beweis gefunden haben, den er aber nie veröffentlicht hat.28 Der erste publizierte Beweis stammt von John Oxtoby.29 Die LebesgueMeßbarkeit bewiesen Jan Mycielski und Stanisław Swierczkowski. Die Perfekte-Mengen-Eigenschaft wurde von Morton Davis gezeigt.30 Da wir die Perfekte-Mengen-Eigenschaft von Teilmengen der reellen Zahlen später noch benötigen werden, definieren wir als Abkürzung:31 26 Hierbei wird die in Bemerkung 2.8 angegebene alternative Definition einer Gewinnstrategie im Spiel G(A) verwendet. 27 Vgl. auch [Mar77], S. 783ff. 28 Diese Darstellung des historischen Verlaufs beruht auf [Kan97], Abschnitt 27. 29 Vgl. [Oxt57]. 30 Vgl. [MS64] und [Dav64]. 31 Für die Definition einer perfekten Menge und der Perfekte-Mengen-Eigenschaft vgl. [Kan97], S. 133f. 62 K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT Definition 2.23: PSP :⇔ jede Menge reeller Zahlen besitzt die Perfekte-Mengen-Eigenschaft ⇔ jedes A ⊆ R ist abzählbar oder enthält eine perfekte Teilmenge. II. Auswahlfunktionen Obwohl sich AD und das volle Auswahlaxiom widersprechen, muß man in der Welt von AD nicht ganz auf infinitäre Auswahlprinzipien verzichten, denn es gilt eine abgeschwächte Form von AD: Satz 2.24 (Mycielski): [AD] Es gilt ACω (R), d.h. jede abzählbare Familie von nicht-leeren Teilmengen der reellen Zahlen besitzt eine Auswahlfunktion. Beweis. Wir konstruieren ein Spiel, bei dem Spieler I im ersten Zug die Menge nennt, aus der ausgewählt werden soll. Spieler II muß nun, um nicht zu verlieren, durch sein Spiel ein Element dieser Menge konstruieren. Aus der Determiniertheit des Spiels folgt dann, daß Spieler II eine Gewinnstrategie haben muß. Diese Strategie liefert uns dann die gewünschte Auswahlfunktion. Sei also {An | n ∈ ω} eine Familie nicht-leerer Teilmengen von R. Wir definieren dann: B :≡ {x ∈ R | xII 6∈ Ax(0) }. Spieler I gewinnt also das Spiel G(B), wenn Spieler II durch seine Partie kein Element aus der durch den ersten Zug von Spieler I festgelegten Menge Ax(0) spielen kann. Aber Spieler I kann keine allgemeine Gewinnstrategie in diesem Spiel besitzen, da Spieler II nach und nach ein Element der nicht-leeren Menge Ax(0) konstruieren und damit die Partie gewinnen kann. Da aber nach Voraussetzung das Spiel determiniert ist, muß demnach Spieler II eine Gewinnstrategie τ besitzen. Es gilt also: ∀x ∈ R (x ∗ τ )II ∈ Ax(0) . Durch diese Strategie τ erhalten wir eine Auswahlfunktion durch: [ f : {An | n ∈ ω} → An , An 7→ (n, 0, 0, 0, . . .) ∗ τ II . n∈ω Viele wichtige Resultate der Analysis können bereits mit Hilfe dieser abgeschwächten Form des Auswahlaxioms gezeigt werden. Z.B. genügt ACω (R), um die Äquivalenz von Stetigkeit und Folgenstetigkeit bei reellen Funktionen zeigen zu können. Wir werden dieses Resultat später noch für erweiterte Formen von Determiniertheitsforderungen verallgemeinern.32 III. Die Regularität von ℵ1 Ohne das Auswahlaxiom sind Nachfolgerkardinalzahlen nicht notwendigerweise regulär.33 Wir werden allerdings zeigen, daß in der Theorie ZF + AD die Regularität von ℵ1 trotzdem gegeben ist. Um dies zeigen zu können, benötigen wir das folgende Lemma: 32 33 Vgl. dazu Lemma 3.3 und Lemma 3.4. Vgl. [BK96], Satz 10.20 und [RR85], S. 156f. 2.2. E INIGE GRUNDLEGENDE KONSEQUENZEN VON AD 63 Lemma 2.25: [ACω (R)] Es existiert eine surjektive Abbildung f : R ω1ω . Beweis. Seien Γ : R → Rω und Ψ : R ω1 die in Abschnitt 1.2 angegebenen Abbildungen. Wir definieren die Funktion f durch: f : R → ω1ω , x 7→ hΨ(Γ(x)(n)) | n ∈ ωi. Es bleibt zu zeigen, daß f surjektiv ist. Sei dazu hαn | n ∈ ωi ∈ ω1ω . Wegen der Surjektivität von Ψ ist hΨ−100 {αn } | n ∈ ωi eine abzählbare Familie nicht-leerer Teilmengen von R. Mit ACω (R) wählen wir nun für alle n ∈ ω ein xn ∈ Ψ−100 {αn }. Da Γ surjektiv ist, existiert zu der Folge hxn | n ∈ ωi ∈ Rω ein y ∈ R mit ∀n ∈ ω Γ(y)(n) = xn . Dann gilt: f (y) = hΨ(Γ(y)(n)) | n ∈ ωi = hΨ(xn ) | n ∈ ωi = hαn | n ∈ ωi. Also ist f surjektiv. Zusammen mit Lemma 1.6 folgt also: Korollar 2.26: Es gilt ACω (R) ⇒ ACω (ω1ω ). Mit diesem stärkerem Auswahlprinzip können wir nun die Regularität von ℵ1 zeigen: Satz 2.27: [ACω (R)] ℵ1 ist regulär. Beweis. Angenommen, ℵ1 wäre singulär. Dann existieren Teilmengen An ⊆ ω1 mit ∀n ∈ ω S |An | ≤ ℵ0 und ω1 = n∈ω An . Für jedes n ∈ ω ist die Menge der Abzählungen von An eine Teilmenge von Aωn ⊆ ω1ω . Da nach der Voraussetzung und dem vorherigen Korollar ACω (ω1ω ) gilt, können wir nun für alle n ∈ ω eine Abzählung fn : ω An von An auswählen. Wir definieren nun die folgende Surjektion: [ g :ω×ω An , hn, mi 7→ fn (m). n∈ω S Sei π : ω × ω ↔ ω die in Abschnitt 1.2 angegebene Bijektion. Dann ist g ◦ π −1 : ω n∈ω An S eine Surjektion, also ist ω1 = n∈ω An abzählbar. Widerspruch, denn ℵ1 ist nach wie vor die kleinste überabzählbare Kardinalzahl.34 Zusammen mit Satz 2.24 folgt unmittelbar: Korollar 2.28: [AD] ℵ1 ist regulär. IV. Die Nicht-Wohlordenbarkeit von überabzählbaren Mengen reeller Zahlen Da in der Welt von AD das volle Auswahlaxiom nicht gültig ist, muß es Mengen geben, die nicht wohlordenbar sind.35 Wie wir bereits in Satz 2.21 gesehen haben, ist eine dieser nichtwohlordenbaren Mengen die gesamte Menge der reellen Zahlen R. Wir werden dieses Ergebnis im folgenden präzisieren und zeigen, daß unter AD keine überabzählbare Teilmenge reeller Zahlen eine Wohlordnung besitzt: 34 Diese Argumentation kann erst angewandt werden, wenn man für jedes An eine konkrete Abzählung auswählen kann. Es reicht nicht, nur“ zu wissen, daß jedes An abzählbar ist. Für diese Wahl ist das Auswahlaxiom – zumindest ” in der angegebenen abgeschwächten Form – notwendig. 35 Die Wohlordenbarkeit jeder Menge und das Auswahlaxiom sind äquivalent. Vgl. Lemma 1.3. 64 K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT Satz 2.29 (Mycielski): PSP ⇒ ℵ1 6≤ 2ℵ0 , d.h. es existiert keine überabzählbare, wohlordenbare Menge reeller Zahlen.36 Beweis. Wir führen einen Widerspruchsbeweis. Angenommen, es gilt ℵ1 ≤ 2ℵ0 , d.h. es existiert eine wohlordenbare Menge C ⊆ R mit |C| = ℵ1 . Wir machen eine Fallunterscheidung. Fall 1: Es gilt zusätzlich 2ℵ0 6≤ ℵ1 , d.h. es existiert keine Teilmenge von ℵ1 mit Kardinalität 2ℵ0 . Insbesondere existiert keine Teilmenge von C mit Kardinalität 2ℵ0 , denn angenommen, es existiert A ⊆ C mit |A| = 2ℵ0 . Da nach Voraussetzung eine Bijektion f : C ↔ ℵ1 existiert, ist f A : A ,→ ℵ1 eine Injektion, also gilt |A| ≤ ℵ1 . Widerspruch zu 2ℵ0 6≤ ℵ1 . Andererseits hat Georg Cantor gezeigt, daß in ZF jede perfekte Teilmenge der reellen Zahlen die Kardinalität 2ℵ0 besitzt.37 Wäre also P ⊆ C eine perfekte Teilmenge von C, dann wäre |P | = 2ℵ0 , was nach unserer zusätzlichen Voraussetzung nicht möglich ist. C ist also weder abzählbar noch enthält C eine perfekte Teilmenge. Also besitzt C nicht die Perfekte-Mengen-Eigenschaft. Fall 2: Es gilt zusätzlich 2ℵ0 ≤ ℵ1 . Dann existiert nach dem Satz von Cantor-Bernstein38 eine Bijektion von R auf ℵ1 , d.h. die reellen Zahlen sind wohlordenbar. Nach einem Resultat von Felix Bernstein39 , das innerhalb von ZF bewiesen werden kann, existiert dann aber eine Teilmenge A ⊆ R der Kardinalität 2ℵ0 , so daß für jede perfekte Menge P ⊆ R gilt: P ∩ A 6= ∅ und P \ A 6= ∅. Also ist weder A abzählbar, noch enthält A eine perfekte Teilmenge, d.h. in diesem Fall besitzt A nicht die Perfekte-Mengen-Eigenschaft. Da einer der beiden Fälle eintreten muß, erhalten wir einen Widerspruch zur Voraussetzung PSP. Damit ist der Satz bewiesen. Da nach Satz 2.22 das Axiom der Determiniertheit die klassischen Regularitätseigenschaften, insbesondere die Perfekte-Mengen-Eigenschaft impliziert, erhalten wir unmittelbar das folgende Resultat: Korollar 2.30: [AD] Es gilt ℵ1 6≤ 2ℵ0 . V. Das Coding Lemma von Moschovakis Eine weitere wichtige Konsequenz aus dem Axiom der Determiniertheit ist das Coding Lemma von Yiannis N. Moschovakis. Wie der Name schon andeutet, ist dieses Ergebnis von besonderer Bedeutung bei der Kodierung von Ordinalzahlen durch reelle Zahlen und wir werden dieses Lemma an verschiedenen Stellen gebrauchen. Wir geben hier allerdings nicht die Formulierung an, die man üblicherweise als das Coding Lemma bezeichnet, sondern eine der wichtigsten Folgerungen daraus: Lemma 2.31 (Moschovakis Coding Lemma): [AD] Sei α eine Ordinalzahl. Falls eine Surjektion R α existiert, dann existiert auch eine Surjektion R ℘(α). Beweis. Vgl. [Mos70], Theorem 1. 36 Ohne AC ist zunächst gar nicht klar, ob 2ℵ0 überhaupt eine Kardinalzahl ist. 2ℵ0 ist also lediglich“ die Kardinalität ” von R. Vgl. auch Abschnitt 1.1. 37 Vgl. [Can84]. 38 Vgl. auch Definition 1.8. 39 Vgl. [Ber08]. 2.2. E INIGE GRUNDLEGENDE KONSEQUENZEN VON AD 65 Wir sind jetzt in der Lage, das noch ausstehende Gegenbeispiel zur alternativen Formulierung des Satzes von Cantor und Bernstein mit Surjektionen anzugeben, vgl. S. 8: ZF 6` X Y ∧ Y X ⇒ |X| = |Y | . Obwohl eine starke mengentheoretische Voraussetzung benötigt wird, geben wir hier dieses Gegenbeispiel an, da es im direkten Bezug zum Thema dieser Arbeit steht und einige wichtige Resultate aus dem Bereich der unendlichen Spiele und Determiniertheit verwendet. Angenommen, es gilt ZF + AD. Da R ∼ = ℘(ω) gilt, existiert trivialerweise eine Surjektion ℘(ω1 ) R. Nach Lemma 1.22 läßt sich in der Theorie ZF die Existenz einer Surjektion R ω1 beweisen. Nach dem Coding Lemma existiert also eine Surjektion R ℘(ω1 ). Nach Korollar 2.30 existiert unter AD allerdings keine Injektion ω1 ,→ R, insbesondere existiert auch keine Injektion ℘(ω1 ) ,→ R. Falls AD gilt, dann ist also sowohl ℘(ω1 ) R als auch R ℘(ω1 ), aber |℘(ω1 )| 6≤ |R| und damit |℘(ω1 )| = 6 |R|. 2.3 AD und die Existenz Großer Kardinalzahlen In diesem Abschnitt werden wir zeigen, daß AD die Existenz zweier Großer Kardinalzahlen am unteren Ende der Hierarchie der Großen Kardinalzahlen direkt oder konsistenzweise“ impliziert. ” Wir zeigen zunächst, daß ℵ1 im konstruktiblen Modell L[a] unerreichbar ist und untersuchen detailliert die relative Konsistenz verschiedener damit verbundener Theorien. Wir werden später noch sehen, daß in der Theorie ZF + AD die Kardinalzahl ℵ1 sogar meßbar ist.40 AD ist grundlegend mit der Existenz Großer Kardinalzahlen verknüpft. Dabei handelt es sich um eine sehr fruchtbare Verbindung zweier – zunächst unabhängig erscheinender – Bereiche der Mengenlehre: die Theorie der unendlichen Spiele und die Theorie der Großen Kardinalzahlen. Es liegt eine tiefe Beziehung von Determiniertheitsforderungen und der Existenz gewisser Großer Kardinalzahlen vor, die allerdings noch wesentlich weiter oben“ als die Unerreichbaren oder ” Meßbaren in der Hierarchie der Großen Kardinalzahlen anzusiedeln sind. Wir werden darauf in einem späteren Abschnitt zurückkommen. Der dritte Teil dieses Abschnitts beschäftigt sich mit starken Partitionskardinalzahlen, d.h. mit Großen Kardinalzahlen, die eine bestimmte Partitionseigenschaft besitzen. Wir werden sehen, daß unter der Annahme des Axioms der Determiniertheit die Existenz von starken Partitionskardinalzahlen gezeigt werden kann. I. Unerreichbare Kardinalzahlen Wir wiederholen zunächst noch einmal die Definition einer unerreichbaren Kardinal: Definition 2.32: Sei κ > ω eine Kardinalzahl. κ heißt schwach unerreichbar, falls κ regulär und eine Limeskardinalzahl ist, d.h. falls ∀λ λ < κ ⇒ λ+ < κ gilt. κ heißt (stark) unerreichbar, falls κ regulär und ein starker Limes ist, d.h. falls ∀λ λ < κ ⇒ 2λ < κ gilt. Weiter sei: I :⇔ ∃κ κ ist unerreichbar . 40 Thomas Jech hat andererseits gezeigt, daß es existiert eine Meßbare“ ist. Vgl. dazu Satz 2.38. ZF + ℵ1 ist meßbar“ ” äquikonsistent zu ZFC + ” 66 K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT Bemerkung 2.33: Nach dem Satz von Cantor gilt in ZFC für alle Kardinalzahlen λ die Beziehung λ < 2λ und damit auch λ+ ≤ 2λ . Daraus folgt in der Theorie ZFC: ist κ unerreichbar, dann ist κ auch schwach unerreichbar. Angenommen nun, es gilt die verallgemeinerte Kontinuumshypothese GCH, d.h. für alle Kardinalzahlen λ gilt λ+ = 2λ . Dann gilt insbesondere für eine Limeskardinalzahl κ: λ < κ ⇒ 2λ = λ+ < κ. Unter GCH gilt also: κ ist unerreichbar genau dann, wenn κ schwach unerreichbar ist. Für alle a ∈ R gilt im konstruktiblen Modell L[a] das Auswahlaxiom AC.41 Unter der zusätzlichen Annahme, daß AD im Universum gilt, ist ℵ1 im Modell L[a] sogar eine unerreichbare Kardinalzahl. Wir erhalten damit eine erste Abschätzung der relativen Konsistenzstärke von ZF + AD. Demnach besitzt die Theorie ZF + AD mindestens die Konsistenzstärke von ZFC zusammen mit der Existenz einer Unerreichbaren: Satz 2.34 (Mycielski): Kon(ZF + AD) ⇒ Kon ZFC + I . Beweis. Der Beweis besteht aus zwei unabhängigen Teilen: L[a] Beh. 1: ℵ1 6≤ 2ℵ0 ⇒ ∀a ∈ R ℵ1 < ℵ1 . Beweis. Sei a ∈ R gegeben. Da L[a] stets ein inneres ZFC-Modell ist, gilt insbesondere also L[a] |= AC. Deswegen können wir eine Folge hxα | α < (2ℵ0 )L[a] i von verschiedenen reellen Zahlen in L[a] wählen. Da eine reelle Zahl in L[a] insbesondere auch eine reelle Zahl in V ist, ist L[a] nach Voraussetzung diese Folge in V abzählbar. Da in L[a] das Auswahlaxiom gilt, ist ℵ1 ≤ (2ℵ0 )L[a] . Da andererseits jede der oben genannten Folgen abzählbar in V ist, gilt (2ℵ0 )L[a] < ℵ1 , L[a] zusammen also ℵ1 < ℵ1 . (1) L[a] Beh. 2: Angenommen, ℵ1 ist regulär in V und es gilt ∀a ∈ R ℵ1 R ℵ1 ist schwach unerreichbar in L[a] . < ℵ1 . Dann gilt ∀a ∈ Beweis. Wir führen einen Widerspruchsbeweis. Angenommen also, die Voraussetzungen gelten und es gibt ein a ∈ R, so daß ℵ1 nicht schwach unerreichbar in L[a] ist. Da ℵ1 regulär in V ist, ist ℵ1 auch regulär in L[a], da die Eigenschaft der Regularität abwärts-absolut ist.42 Da aber ℵ1 nach Annahme nicht schwach unerreichbar in L[a] ist, muß demnach ℵ1 eine Nachfolgerkardinalzahl in L[a] sein: L[a] ℵ1 = α + . Da ℵ1 die kleinste überabzählbare Kardinalzahl ist, muß α abzählbar in V sein. Dann existiert aber ein b ∈ R, so daß α auch abzählbar in L[b] ist: man wählt dazu die Kodierung einer Wohlordnung auf ω mit Ordnungstyp α durch die reelle Zahl b mit Hilfe der Funktion Ψ aus Lemma 1.22. Es gilt b ∈ L[b]. Die Kodierung ist elementar, d.h. die Abzählung kann im Modell L[b] aus b wieder dekodiert werden. Sei nun c ∈ R so gewählt, daß c sowohl a als auch b durch elementare Operationen in L kodiert. Hierfür kann man z.B. c :≡ a ∗ b wählen. Dadurch kann die reelle 41 42 Vgl. Abschnitt 1.6 bzw. [Jec97], Theorem 37. Vgl. [BK96], Satz 22.41. 2.3. AD UND DIE E XISTENZ G ROSSER K ARDINALZAHLEN 67 Zahl b in L[c] wieder dekodiert werden, insbesondere gilt also b ∈ L[c]. Daraus folgt, daß α in L[c] ebenfalls abzählbar ist. Analog gilt a ∈ L[c] und damit L[a] ⊆ L[c]. Angenommen nun, es existiert eine Kardinalzahl β in L[c], so daß α < β < ℵ1 gilt. Dann wäre β auch eine Kardinalzahl in L[a], denn eine Kardinalzahl zu sein ist abwärts-absolut. Außerdem würde dann auch in L[a] die gleiche Beziehung α < β < ℵ1 gelten. Das steht aber im Widerspruch zu der Annahme, daß ℵ1 der unmittelbare Nachfolger von α in L[a] ist. Also kann in L[c] keine Kardinalzahl zwischen dem abzählbaren α und ℵ1 existieren (vgl. Abbildung 2.2). Die erste überabzählbare Kardinalzahl L[a] L[b] L[c] L[c] ℵ1 = α + ℵ1 = ℵ1 β α abzählbar α Abb. 2.2: Abhängigkeiten der Kardinalzahlen in L[a], L[b] und L[c] in L[c] muß demnach bereits ℵ1 selbst sein, d.h. es gilt: L[c] ℵ1 = ℵ1 . Wir erhalten damit den gewünschten Widerspruch zur zweiten Voraussetzung, daß für alle reellen Zahlen diese Gleichheit nicht gilt. (2) Nun erfüllt das konstruktible Modell L[a] die verallgemeinerte Kontinuumshypothese.43 Unter den Voraussetzungen von (2) existiert also für jedes a ∈ R eine schwach unerreichbare Kardinalzahl in L[a]. Nach Bemerkung 2.33 ist diese Kardinalzahl auch (stark) unerreichbar. In dieser Situation gilt also L[a] |= ZFC + I. Unter der Annahme von AD gilt andererseits nach Korollar 2.28 und Korollar 2.30: ℵ1 ist regulär und ℵ1 6≤ 2ℵ0 . Also existiert unter der Annahme von AD ein inneres ZFC-Modell, das eine unerreichbare Kardinalzahl enthält. Daraus folgt die angegebene relative Konsistenz: Kon(ZF + AD) ⇒ Kon ZFC + I . Wir werden nun noch einmal die Komponenten des obigen Beweises genauer herausstellen, um eine präzise Bestimmung der Konsistenzstärke einiger interessanter Theorien zu erhalten. Wir werden dabei feststellen, daß diese Theorien exakt die Konsistenzstärke von ZFC + I besitzen.44 Die unten angegebenen Implikationen gelten alle in der Theorie ZF. Nach Satz 2.29 haben wir die folgende Implikation: PSP ⇒ ℵ1 6≤ 2ℵ0 . 43 Der Beweis dazu verläuft im wesentlichen wie der ursprünglich Beweis von Gödel für das konstruktible Modell L. Vgl. [Mos80], Theorem 8F.5 und Exercise 8F.22. 44 Wie in der gegenwärtigen Mengenlehre üblich, möchte man gerne die Konsistenzstärke von Theorien relativ zu ZFC zusammen mit einem Große-Kardinalzahl-Axiom bestimmen. Den letztgenannten Axiomen ordnen man ein hohes Maß an Evidenz für ihre Gültigkeit zu. Vgl. dazu die Bemerkung 4.17. 68 K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT Andererseits gilt nach Lemma 1.7: DC ⇒ ACω . Betrachtet man die Voraussetzung von Satz 2.27, dann gilt insbesondere: DC ⇒ ℵ1 regulär. Die Behauptung (1) des obigen Beweises lieferte uns: L[a] ℵ1 6≤ 2ℵ0 ⇒ ∀a ∈ R ℵ1 Behauptung (2) besagte: L[a] ℵ1 regulär + ∀a ∈ R ℵ1 < ℵ1 . < ℵ1 ⇒ ∀a ∈ R ℵ1 ist unerreichbar in L[a] . Wir erhalten also zusammen die folgende relative Konsistenz: Kon(ZF + DC + PSP) ⇒ Kon(ZFC + I). Andererseits veröffentlichte Robert M. Solovay 1970 das folgende Resultat:45 Kon(ZFC + I) ⇒ Kon(ZF + DC + PSP). Zusammen erhalten wir also, daß die unten genannten Theorien äquikonsistent sind:46 (1) ZFC + I; (2) ZF + DC + PSP; (3) ZF + ℵ1 regulär + PSP; (4) ZF + ℵ1 regulär + ℵ1 6≤ 2ℵ0 ; L[a] (5) ZF + ℵ1 regulär + ∀a ∈ R ℵ1 < ℵ1 . Die Implikationen Kon(1) ⇒ Kon(2) und Kon(5) ⇒ Kon(1) sind konsistenzweise, die Implikationen (2) ⇒ (3), (3) ⇒ (4) und (4) ⇒ (5) sind nach dem oben gesagten direkt. Es stellt sich die Frage, welche relative Konsistenz vorliegt, wenn man auf die Voraussetzung der Regularität von ℵ1 in den oben genannten Theorien (3) und (4) verzichtet. Mit anderen Worten: welche Konsistenzstärke haben die Theorien ZF + PSP bzw. ZF + ℵ1 6≤ 2ℵ0 ? Man kann vermuten, daß die Konsistenzstärke der letzteren Theorie nicht stärker als ZF selbst ist:47 ?! Vermutung 2.35: Kon(ZF + ℵ1 6≤ 2ℵ0 ) ⇔ Kon(ZF). Diese Vermutung wird gestützt durch das von Solomon Feferman und Azriel Lévy angegebene ZF-Modell, innerhalb dessen ℵ1 singulär ist und die reellen Zahlen abzählbare Vereinigung von abzählbaren Mengen sind:48 [ R= An mit ∀n ∈ ω |An | = ℵ0 . n∈ω 45 Vgl. [Sol70], Theorem 1. Vgl. auch [Kan97], Theorem 11.6. 47 Benedikt Löwe äußerte diese Vermutung in einem persönlichen Gespräch. 48 Vgl. [Jec97], S. 213f. 46 2.3. AD UND DIE E XISTENZ G ROSSER K ARDINALZAHLEN 69 Für jede wohlordenbare Menge X reeller Zahlen in diesem Modell sind die Mengen X ∩ An abzählbar und man könnte hoffen, daß man so eine Abzählung von X erhält. Leider ist dieser Beweisansatz nur eine Heuristik, denn die Konstruktion einer Abzählung verlangt ein Maß an Auswahl, welches im Feferman-Lévy-Modell nicht vorliegt. Vergleiche dazu auch den Beweis von Satz 2.27. II. Meßbare Kardinalzahlen Wir geben zunächst noch einmal die Definition einer meßbaren Kardinalzahl an: Definition 2.36: Sei κ > ω eine Kardinalzahl. κ heißt meßbar, falls ein κ-vollständiger, freier Ultrafilter auf κ existiert. Weiter sei: M :⇔ ∃κ κ ist meßbar . Bereits wenige Jahre nach der Einführung des Axioms der Determiniertheit bewies Robert Solovay die Meßbarkeit von ℵ1 in der Theorie ZF + AD: Satz 2.37 (Solovay): [AD] ℵ1 ist meßbar. Beweis. Der ursprüngliche Beweis von Solovay wurde von ihm selbst nie publiziert. Einen vollständigen Beweis findet man in [Kan97], Theorem 28.2. Eine ausführliche Darstellung bietet auch die Wissenschaftliche Arbeit von Heike Steinwand [Ste98]. Die Existenz einer meßbaren Kardinalzahl unter AD ist ein überraschendes Ergebnis, wenn man bedenkt, daß deren Existenz in ZFC nicht beweisbar ist. Daß unter AD bereits die erste überabzählbare Kardinalzahl meßbar ist, erscheint aufgrund des folgenden Satzes dann nicht mehr weiter verwunderlich: Satz 2.38 (Jech): Kon(ZF + ℵ1 ist meßbar) ⇔ Kon(ZFC + M). Beweis. Vgl. [Jec68]. Zunächst scheint die Definition von Spielen bzw. Determiniertheit gar nichts mit Großen Kardinalzahlen zu tun haben, aber es besteht dennoch eine tiefe Verbindung dieser beiden Bereiche der Mengenlehre. Die in den letzten drei Jahrzehnten gefundenen Abhängigkeiten haben viel zum Verständnis der Großen Kardinalzahlen einerseits und der unendlichen Spiele andererseits beigetragen. Wir werden darauf ausführlicher in Abschnitt 4.2 eingehen. Ein Jahr später publizierte Donald Martin49 einen anderen Beweis für die Meßbarkeit von ℵ1 unter ZF + AD.50 In beiden Beweisen werden bestimmte Ultrafilter konstruiert. Es ist bemerkenswert, daß bereits in ZF + ACω (R) bewiesen werden kann, daß diese Filter frei und ω1 -vollständig sind. AD wird erst gebraucht, um die Ultrafiltereigenschaft zu zeigen. Hierbei fällt auf, daß sich schon die Formulierungen von AD bzw. der Ultrafiltereigenschaft stark ähneln: AD besagt, daß für jedes A ⊆ R im Spiel G(A) entweder Spieler I oder Spieler II eine Gewinnstrategie besitzt. 49 50 Vgl. [Mar68]. Die von Martin verwendete Methode konnte wiederum Solovay dazu nutzen, die Meßbarkeit von ℵ2 unter AD zu zeigen. 70 K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT Aber es können nicht beide Spieler eine Gewinnstrategie besitzen. Auf der anderen Seite ist ein Filter F auf einer Menge S ein Ultrafilter, wenn für jede Teilmenge X ⊆ S gilt, daß entweder X ∈ F oder S − X ∈ F ist. Aber auch in dieser Situation können nicht beide Fälle auftreten, denn dann wäre auch X ∩ (S − X) = ∅ ∈ F im Widerspruch zu den Filtereigenschaften. Aus Satz 2.37 folgt ein anderer wichtiger Unterschied zwischen den Theorien ZFC und ZF+AD. Während mit Hilfe des Auswahlaxioms gezeigt werden kann, daß eine meßbare Kardinalzahl bereits unerreichbar sein muß,51 kann diese Implikation unter der Annahme von AD nicht gelten: ℵ1 ist dann zwar meßbar, aber offensichtlich keine Limeskardinalzahl. Mit anderen Worten, ℵ1 ist keine schwach Unerreichbare und damit auch keine (stark) Unerreichbare. Damit ist auch die separate Behandlung von unerreichbaren und meßbaren Kardinalzahlen in den letzten beiden Unterabschnitten gerechtfertigt. In ZFC hätten wir direkt aus der Meßbarkeit von ℵ1 schließen können, daß ℵ1 auch unerreichbar ist. Die beiden Sätze von Jech und Solovay ergeben zusammen, daß die Konsistenzstärke von ZF + AD mindestens so groß wie die Konsistenzstärke von ZFC zusammen mit der Existenz einer meßbaren Kardinalzahl ist, d.h. es gilt: Kon(ZF + AD) ⇒ Kon(ZFC + M). Wie wir in Abschnitt 4.2 sehen werden, ist die genaue Konsistenzstärke von AD in der Tat noch wesentlich größer: die Theorie ZF + AD ist äquikonsistent zu ZFC zusammen mit der Existenz unendlich vieler Woodin-Kardinalzahlen, die in der Hierarchie der Großen Kardinalzahlen viel weiter oben“ liegen als die Meßbaren oder die Unerreichbaren. Vgl. dazu Korollar 4.13. ” III. Starke Partitionskardinalzahlen Eine weitere wichtige Sorte Großer Kardinalzahlen sind solche mit gewissen Partitionseigenschaften. Wir werden sehen, daß unter AD die Anwendung starker kombinatorischer Prinzipien möglich werden, d.h. daß Kardinalzahlen mit sehr starken Partitionseigenschaften existieren. Diese Eigenschaften werden wir in Kapitel 5 benutzen, um die Determiniertheit bestimmter Mengen zu zeigen. Nach Lemma 1.49 muß in ZFC der Exponent ν in der Pfeilnotation endlich sein. Unter der Annahme des Axioms der Determiniertheit gelten dagegen eine ganze Reihe von Partitionseigenschaften mit unendlichem Exponenten ν. Wir verzichten allerdings hier auf eine genauere Darstellung und verweisen statt dessen auf die Wissenschaftliche Arbeit von Ute Schmid [Sch99]. Wir erwähnen hier nur eine sehr starke Form von Partitionseigenschaft, die für gewisse Kardinalzahlen unter der Annahme von AD gilt.52 Zunächst konnte Martin zeigen: Satz 2.39 (Martin): [AD] ℵ1 besitzt die starke Partitionseigenschaft. Die von Martin angegebene Methode konnte dahingehend verallgemeinert werden, daß man weitere Existenzresultate von starken Partitionskardinalzahlen zeigen konnte. Alexander S. Kechris, Eugene M. Kleinberg, Yiannis N. Moschovakis und W. Hugh Woodin konnten schließlich beweisen, daß in der Theorie ZF + AD + DC(R) unbeschränkt viele Kardinalzahlen unterhalb von Θ 51 52 Vgl. [Kan97], Theorem 2.8. Vgl. Definition 1.50. 2.3. AD UND DIE E XISTENZ G ROSSER K ARDINALZAHLEN 71 mit dieser Partitionseigenschaft existieren:53 Satz 2.40 (Kechris-Kleinberg-Moschovakis-Woodin): [AD + DC(R)] Es existieren unterhalb von Θ unbeschränkt viele starke Partitionskardinalzahlen: ∀α < Θ∃κ < Θ α < κ ∧ ∀µ < κ κ → (κ)κµ . Beweis. Vgl. [KKMW81], Paragraph 1. 53 Zur Definition und Größe der Kardinalzahl Θ verweisen wir auf Abschnitt 4.5. 72 K APITEL 2. DAS A XIOM DER D ETERMINIERTHEIT Kapitel 3 Erweiterungen von AD 3.1 Allgemeine Betrachtungen Will man die symmetrische Struktur der bisher betrachteten Spiele beibehalten, d.h. zwei Spieler spielen abwechselnd Elemente der gleichen Menge und das Spiel endet nach einer vorher festgelegten Anzahl von Zügen, so gibt es grundsätzlich zwei Parameter, anhand derer man die bisherigen Spiele erweitern kann, so daß neue Betrachtungen von Determiniertheit möglich werden: (1) Die Komplexität der Züge, d.h. die Spieler wählen für ihre Züge statt natürlicher Zahlen Elemente einer anderen Menge aus; (2) Die Länge der Spiele, d.h. die Spiele enden nicht schon nach ω Zügen, sondern erst, nachdem eine längere Folge gespielt worden ist. Wir betrachten in diesem Abschnitt Determiniertheitsforderungen der Form ADαX , also die Forderung, daß alle Spiele über X der Länge α determiniert sind. Es besteht eine einfache Beziehung zwischen diesem Determiniertheitsforderungen, denn die stärken“ Versionen der Determiniert” heit implizieren die schwächeren“: ” Satz 3.1: Seien X und Y nicht-leere Mengen mit |X| ≤ |Y | und sei α ≤ β. Dann gilt: ADβY ⇒ ADαX . Beweis. Offensichtlich sind alle Spiele der Länge 1 determiniert. Sei also 1 < α ≤ β. Wir beweisen den Satz in zwei unabhängigen Schritten: Beh. 1: ADβY ⇒ ADβX . Beweis. Sei A ⊆ X β . Wir wollen zeigen, daß das Spiel GβX (A) determiniert ist. Nach Voraussetzung ist |X| ≤ |Y |, d.h. es existiert eine Injektion f : X ,→ Y . Sei f˜ : X ≤β ,→ Y ≤β die von f induzierte Injektion, d.h. für γ ≤ β sei: f˜(hxξ | ξ < γi) :≡ hf (xξ ) | ξ < γi. f˜ ist ebenfalls eine Injektion. Wir definieren weiter: B :≡ y ∈ Y β | ∀ξ ∈ Even(β) yξ ∈ f 00 X ∧ ∃ξ ∈ Odd(β) yξ 6∈ f 00 X ∨ y ∈ f˜00 A . 73 74 K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD Spieler I gewinnt das Spiel GβY (B) genau dann, wenn alle seine Züge aus dem Bild von f sind und entweder Spieler II ein Element spielt, das nicht im Bild von f liegt oder die resultierende Partie im Bild von A bzgl. f˜ liegt. Nach Voraussetzung ist das Spiel GβY (B) determiniert. Wir unterscheiden die beiden Fälle: Fall 1: Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie σ. Für γ ∈ Even(β) und jede partielle Partie hyξ | ξ < γi gemäß σ gilt nach Definition von B, daß σ(hyξ | ξ < γi) ∈ f 00 X ist, denn sonst hätte Spieler I bereits verloren. Daher ist die folgende Funktion wohldefiniert: [ σ ∗ :≡ (f −1 ◦ σ ◦ f˜) Xγ. γ∈Even(β) σ ∗ ist eine Strategie für Spieler I im Spiel GβX (A). Ist nun x ∈ X β eine Partie gemäß σ ∗ , dann ist f˜(x) eine Partie im Spiel GβY (B) gemäß σ. Da σ eine Gewinnstrategie für Spieler I ist, gilt nach Definition von B: f˜(x) = f˜(a) für ein a ∈ A. Da f˜ injektiv ist, gilt x = a ∈ A. Also ist σ ∗ eine Gewinnstrategie. Fall 2: Spieler II besitzt eine Gewinnstrategie τ . Analog zum Fall 1 gilt für γ ∈ Odd(β) und jede partielle Partie hyξ | ξ < γi gemäß τ , daß τ (hyξ | ξ < γi) ∈ f 00 X. Daher ist die folgende Funktion ebenfalls wohldefiniert: [ τ ∗ :≡ (f −1 ◦ τ ◦ f˜) Xγ. γ∈Odd(β) τ ∗ ist eine Strategie für Spieler II im Spiel GβX (A). Ist nun x ∈ X β eine Partie gemäß τ ∗ , dann ist f˜(x) eine Partie im Spiel GβY (B) gemäß τ . Da τ eine Gewinnstrategie für Spieler II ist, gilt f˜(x) 6∈ B, also existiert kein a ∈ A mit f˜(x) = f˜(a). Insbesondere ist x 6∈ A und τ ∗ ist eine Gewinnstrategie. (1) Beh. 2: ADβX ⇒ ADαX . Beweis. Sei A ⊆ X α . Wir wollen zeigen, daß das Spiel GαX (A) determiniert ist. Wir definieren dazu: B :≡ z ∈ X β | zα ∈ A . Das Spiel GβX (B) ist nach Voraussetzung determiniert. Wir betrachten wieder die beiden Fälle: Fall 1: Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie σ. Sei y ∈ X β und z :≡ σ ∗y. Da z ∈ B ist, gilt also: S zα ∈ A. Durch σ γ∈Even(α) X γ ist also eine entsprechende Gewinnstrategie im Spiel GαX (A) gegeben. Fall 2: Spieler II besitzt eine Gewinnstrategie τ . Sei x ∈ X β und z :≡ x ∗ τ . Dann ist z 6∈ B. Die Entscheidung des Spiels zugunsten von Spieler II muß dann aber schon nach α Zügen gefallen sein, denn ab diesem Moment sind alle weiteren Züge zugunsten von Spieler I, da alle Verlängerungen von Folgen aus A in B liegen. Es gilt also: ∀a ∈ A ∃γ < α aγ 6= zγ und damit S zα ∈ X α − A. Durch τ γ∈Odd(α) X γ ist demnach eine Gewinnstrategie für Spieler II im Spiel GαX (A) gegeben. (2) Die Aussage des Lemmas folgt aus den beiden Behauptungen. 3.1. A LLGEMEINE B ETRACHTUNGEN 75 Korollar 3.2: Sei X eine nicht-leere, wohlordenbare Menge. Dann gilt: ADX ⇔ AD|X| . Wir werden allerdings weiter unten feststellen, daß die Forderung ADX für überabzählbare, wohlordenbare Mengen X bereits inkonsistent mit ZF ist.1 Wir wollen nun den Grad an Auswahl analysieren, den eine derartige Determiniertheitsforderung ermöglicht. Aus ADαX folgt – analog zu AD – bereits eine abgeschwächte Form des Auswahlaxioms:2 Lemma 3.3: Sei X eine nicht-leere Menge und 1 < α. Dann gilt: ADαX ⇒ ACX (X α ). Beweis. Der Beweis verläuft analog zu dem von Satz 2.24. In der Tat gilt sogar: Lemma 3.4: Sei X eine nicht-leere Menge. Dann gilt: AD2X ⇔ ACX (X). Insbesondere gilt ADX ⇒ DC(X). Beweis. ⇒“: Dies folgt unmittelbar aus Lemma 3.3. ” ⇐“: Angenommen, es gilt ACX (X). Sei B ⊆ X 2 . Wir betrachten das Spiel G2X (B). Angenom” men, Spieler I besitzt keine Gewinnstrategie in diesem Spiel. Dann gilt: ∀x ∈ X ∃y ∈ X hx, yi 6∈ B . Wir definieren dann: Ax :≡ {y ∈ X | hx, yi 6∈ B} ⊆ X. Dann ist {Ax | x ∈ X} eine Familie von Teilmengen von X, die nach Annahme nicht-leer S sind. Also existiert eine Auswahlfunktion f : X → x∈X Ax mit ∀x ∈ X f (x) ∈ Ax . Wir definieren die Strategie τ für Spieler II durch τ (hxi) = f (x). Dann gilt für alle x ∈ X, daß τ (hxi) ∈ Ax , also hx, τ (hxi)i = x ∗ τ 6∈ B, d.h. τ ist eine Gewinnstrategie für Spieler II. Nach Satz 3.1 gilt ADX ⇒ AD2X , insbesondere nach dem gerade gezeigten also auch ADX ⇒ ACX (X). Nach Lemma 1.7 gilt damit ADX ⇒ DC(X). Wir werden uns in den nächsten beiden Abschnitten separat mit den zwei genannten Erweiterungsmöglichkeiten beschäftigen. In Abschnitt 3.2 werden wir Determiniertheitsforderungen von Spielen betrachten, bei denen die Spieler ihre Züge aus einer komplexeren Menge wählen. In Abschnitt 3.3 werden wir uns mit der Determiniertheit von längeren Spielen beschäftigen. Wir werden feststellen, daß in beiden Fällen unsere Wahl der genannten Parametern beschränkt ist, 1 2 Vgl. dazu Satz 3.7 und Korollar 3.8. Vgl. dazu auch Satz 2.24. K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD 76 wenn wir die Determiniertheit aller entsprechenden Spiele fordern wollen. Werden die einzelnen Züge zu komplex oder die Spiele zu lang, dann sind die Forderung ADX bzw. ADα inkonsistent mit ZF. Beschränkt man allerdings die Komplexität der Auszahlungsmenge, so sind durchaus Determiniertheitsforderungen für Spiele mit komplexeren Zügen bzw. für längere Spiele möglich. Vgl. dazu auch Abschnitt 5.2. 3.2 Erweiterung der Komplexität der Züge Wir analysieren in diesem Abschnitt die Determiniertheit von Spielen, bei denen die Spieler statt natürlicher Zahlen Elemente aus anderen Mengen wählen. Die hier betrachteten Spiele besitzen aber weiterhin die Länge ω, d.h. sie enden nach ω Zügen. Als erste Erweiterung betrachten wir diejenigen Spiele, bei denen die beiden Spieler Ordinalzahlen spielen, die kleiner als eine gegebene, abzählbare Ordinalzahl sind. Jeder einzelne Zug der Spieler ist also ein α < γ für γ < ω1 . Das Axiom ADγ liefert uns in diesem Fall allerdings keine zusätzliche Determiniertheit. Wegen der Abzählbarkeit existiert eine Bijektion γ ↔ ω, also gilt nach Satz 3.1: Korollar 3.5: Es gilt ∀ω ≤ γ < ω1 AD ⇔ ADγ . In der Tat kann man dieses Resultat noch auf endliche Ordinalzahlen erweitern: Satz 3.6: Es gilt ∀2 ≤ γ < ω1 AD ⇔ ADγ . Beweis. Um die Aussage zu zeigen, genügt nach Satz 3.1 der Beweis von AD2 ⇒ AD. Wir konstruieren dazu eine geeignete Kodierung der Elemente von ω <ω durch Elemente von 2<ω . Sei n ∈ ω und s ∈ 2n eine binäre Folge der Länge n. Wir definieren für alle i ∈ ω: k0 :≡ k2i+1 k2i+2 ( min{k < n | k ∈ Even(ω) ∧ sk = 0} , falls das Minimum existiert −1 , sonst; min{k < n | k ∈ Odd(ω) ∧ k2i < k ∧ sk = 0} , falls k2i > −1 und :≡ das Minimum existiert −1 , sonst; min{k < n | k ∈ Even(ω) ∧ k2i+1 < k ∧ sk = 0} , falls k2i+1 > −1 und :≡ das Minimum existiert −1 , sonst. Damit erhalten wir eine Unterteilung der Folge s in Blöcke: k0 k1 s = h1, •, 1, •, . . . , 1, •, 0 , 1, ◦, 1, ◦, . . . , 1, ◦, 0 , 1, •, . . .i. | | {z } {z } Block 0 Block 1 Die • bzw. ◦ deuten an, daß hier die Züge von Spieler II in den ungeraden Positionen bzw. die Züge von Spieler I in den geraden Zügen in einem Spiel G2 für die gewünschte Kodierung irrelevant sind. 3.2. E RWEITERUNG DER KOMPLEXIT ÄT DER Z ÜGE 77 Sei weiter: M (s) :≡ ( max{m ∈ ω | km > −1} + 1 , falls das Maximum existiert 0 , sonst. Damit gibt M (s) die Anzahl der Blöcke an, in die die Folge s nach dem oben genannten Muster unterteilt werden kann. Offensichtlich gilt M (s) ≤ n und s ⊆ t ⇒ M (s) ≤ M (t). Wir können also die Funktion M auf ganz 2ω erweitern, indem wir für x ∈ 2ω definieren: [ M (x) :≡ M (xn). n∈ω Es gilt M (x) ≤ ω. Wir definieren weiter für alle i ∈ ω: 1 a2i :≡ (k2i − k2i−1 − 1); 2 1 a2i+1 :≡ (k2i+1 − k2i − 1). 2 Dabei sei k−1 :≡ −1. Dann gibt ai die Anzahl der 1 in den geraden Positionen für i gerade bzw. in den ungeraden Positionen für i ungerade im i-ten Block an. Wir definieren nun die Funktion: ϕ(s) : 2<ω → ω <ω , s 7→ han | n < M (s)i. Dann ist ϕ monoton, d.h. es gilt s ⊆ t ⇒ ϕ(s) ⊆ ϕ(t).3 Für alle x ∈ 2ω gilt: sup{len(ϕ(xn)) | n ∈ ω} = ω ⇔ M (x) = ω. Wir können also genau dann eine reelle Zahl auf die genannte Art durch ein x ∈ 2ω kodieren, wenn M (x) = ω gilt. Wir definieren deswegen C :≡ {x ∈ 2ω | M (x) = ω}. Dann induziert ϕ die folgende Surjektion: [ f : C R, x 7→ ϕ(xn). n∈ω Wir verfügen jetzt über die geeignete Kodierung. Sei nun A ⊆ R. Wir wollen zeigen, daß das Spiel G(A) determiniert ist. Wir definieren B ⊆ 2ω durch: B :≡ f −100 A ∪ {x ∈ 2ω − C | M (x) ∈ Odd(ω)}. Für alle x ∈ B gilt also M (x) ∈ Odd(ω) ∨ M (x) = ω. Nach Voraussetzung ist das Spiel G2 (B) determiniert. Wir betrachten die beiden Fälle: Fall 1: Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie σ̄ im Spiel G2 (B). Wir definieren die Strategie σ für Spieler I im Spiel G(A) induktiv: σ(∅)“: Wir lassen σ̄ zunächst gegen die Nullfolge h0, 0, 0, . . .i spielen. Da σ̄ eine Gewinnstrategie ” ist, muß sie irgendwann eine 0 an einer geraden Position k0 vorgeben, denn sonst gilt für die resultierende Partie x = h1, 0, 1, 0, . . .i, daß M (x) = 0 und damit x 6∈ B ist. Wir setzen nun: 1 σ(∅) :≡ a0 = k0 2 und s0 :≡ h1, 0, 1, 0, . . . , 1, 0, 0i ∈ 2k0 +1 . | {z } 2a0 3 Vgl. dazu auch Abschnitt 1.2. 78 K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD s0 ist demnach eine partielle Partie gemäß σ̄ im Spiel G2 (B). σ(ha0 , . . . , a2i+1 i)“: Seien die partielle Partie s2i im Spiel G2 (B) gemäß der Strategie σ̄ und ” k0 < . . . < k2i bereits gegeben. Wir definieren k2i+1 :≡ k2i + 2a2i+1 + 1 ∈ Odd(ω). Offensichtlich ist k2i < k2i+1 . Wir setzen nun: s2i+1 :≡ s2i ah1, b1 , 1, b2 , . . . , 1, ba2i+1 i ∈ 2k2i+1 , wobei die bj für 1 ≤ j ≤ a2i+1 die Züge von Spieler I gemäß der Strategie σ̄ sind. Als Fortsetzung der partiellen Partie s2i+1 spielt nun Spieler II im Spiel G2 (B) solange eine 0, bis σ̄ im nächsten Zug mit einer 0 an der geraden Position k2i+2 antwortet. Dies muß irgendwann eintreten, da sonst für die Partie x = s2i+1 ah0, 1, 0, 1, . . .i gilt: 2i + 1 ist das größte m ∈ ω mit km > −1. Also ist M (x) = 2i + 2 ∈ Even(ω) und damit x 6∈ B. Dann hätte aber Spieler I verloren und σ̄ wäre demnach keine Gewinnstrategie. Offensichtlich ist k2i+1 < k2i+2 . Wir definieren nun: 1 σ(ha0 , . . . , a2i+1 i) :≡ a2i+2 = (k2i+2 − k2i+1 − 1); 2 a s2i+2 :≡ s2i+1 h0, 1, 0, 1, 0, . . . , 1, 0, 0i ∈ 2k2i+2 +1 . | {z } 2a2i+2 Dann ist s2i+2 wieder eine partielle Partie gemäß der Strategie σ̄. Sei nun z :≡ σ ∗ y ∈ R eine Partie im Spiel G(A) gemäß σ. Dann existiert nach der obigen Konstruktion eine Folge s0 ⊆ s1 ⊆ . . . von Elementen aus 2<ω , so daß ∀n ∈ ω ϕ(sn ) = z(n + S 1) gilt und x :≡ n∈ω sn eine Partie im Spiel G2 (B) gemäß σ̄ ist. Da σ̄ eine Gewinnstrategie ist, S gilt x ∈ B. Da M (x) = ω gilt, ist x ∈ C und damit x ∈ f −100 A. Also ist f (x) = n∈ω ϕ(xn) = z ∈ A und σ ist eine Gewinnstrategie für Spieler I im Spiel G(A). Fall 2: Spieler II besitzt eine Gewinnstrategie τ̄ im Spiel G2 (B). Wir definieren die Strategie τ für Spieler II im Spiel G(A) induktiv: Sei ha0 , . . . , a2i i die bisherige Partie im Spiel G(A). Seien die partielle Partie s2i−1 im Spiel G2 (B) gemäß der Strategie τ̄ und k0 < . . . < k2i−1 bereits gegeben. Dabei sei s−1 = ∅ und k−1 = −1. Wir definieren k2i :≡ k2i−1 + 2a2i + 1 für i ≥ 1. Offensichtlich gilt k2i−1 < k2i . Wir definieren nun: s2i :≡ s2i−1 ah1, b1 , 1, b2 , . . . , 1, ba2i i ∈ 2k2i , wobei die bj für 1 ≤ j ≤ a2i die Züge von Spieler II gemäß der Strategie τ̄ sind. Spieler I spielt nun als Fortsetzung der partiellen Partie s2i im Spiel G2 (B) solange eine 0, bis τ̄ im nächsten Zug mit einer 0 an der ungeraden Position k2i+1 antwortet. Dieser Fall muß irgendwann eintreten, da sonst für die Partie x = s2i ah0, 1, 0, 1, . . .i gilt: M (x) ∈ Odd(ω) und damit x ∈ B. Dann ist aber τ̄ keine Gewinnstrategie. Es ist k2i < k2i+1 . Wir definieren nun: 1 τ (ha0 , . . . , a2i i) :≡ a2i+1 = (k2i+1 − k2i − 1); 2 a s2i+1 :≡ s2i h0, 1, 0, 1, 0, . . . , 1, 0, 0i ∈ 2k2i+1 +1 . | {z } 2a2i+1 Dann ist s2i+1 wieder eine partielle Partie gemäß der Strategie τ̄ . Sei nun z :≡ x ∗ τ ∈ R eine Partie im Spiel G(A) gemäß τ . Dann existiert nach obiger Konstruk tion eine Folge s0 ⊆ s1 ⊆ . . . von Elementen aus 2<ω , so daß ∀n ∈ ω ϕ(sn ) = z(n + 1) gilt 3.2. E RWEITERUNG DER KOMPLEXIT ÄT DER Z ÜGE 79 S und y :≡ n∈ω sn eine Partie im Spiel G2 (B) gemäß τ̄ ist. Da τ̄ eine Gewinnstrategie ist, gilt S y 6∈ B, insbesondere also y 6∈ f −100 A. Dann ist f (y) = n∈ω ϕ(yn) = z 6∈ A und τ ist eine Gewinnstrategie für Spieler II im Spiel G(A). Da einer der beiden Fälle eintreten muß, gilt also AD2 ⇒ AD. Damit ist auch der Satz bewiesen. Jede andere Erweiterung von AD von der Form ADX für ein überabzählbares, wohlordenbares X ist aber schon inkonsistent mit ZF. Wir zeigen dazu: Satz 3.7 (Mycielski): Es gilt ¬ADω1 , d.h. es existiert eine Menge A ⊆ ω1ω , so daß das Spiel Gω1 (A) nicht determiniert ist. Beweis. Angenommen, es gilt ADω1 . Da offensichtlich eine Injektion ω ,→ ω1 existiert, gilt nach Satz 3.1 auch AD. Wir betrachten das Spiel Gω1 , bei dem Spieler II genau dann gewinnt, wenn seine Züge eine reelle Zahl ergeben, die die von Spieler I in seinem ersten Zug angegebene, abzählbare Ordinalzahl kodieren. Sei dazu Ψ : R ω1 die Funktion aus Lemma 1.22. Wir definieren die Auszahlungsmenge durch: A :≡ z ∈ ω1ω | zII 6∈ R ∨ Ψ(zII ) 6= z0 . Nach Voraussetzung ist Gω1 (A) determiniert. Da z0 < ω1 gilt und Ψ surjektiv ist, kann Spieler I keine allgemeine Gewinnstrategie besitzen: selbst wenn Spieler II zufällig natürliche Zahlen spielt, könnte seine Partie einen Kode von z0 ergeben. Wegen der Determiniertheit besitzt also Spieler II eine Gewinnstrategie τ . Wir definieren mit Hilfe von τ die folgende Funktion, die jedem α < ω1 einen Kode von α zuordnet: f : ω1 → R, α 7→ (hα, 0, 0, . . .i ∗ τ )II . Nach Konstruktion gilt Ψ(f (α)) = α, insbesondere also für α, β < ω1 : f (α) = f (β) ⇒ α = Ψ(f (α)) = Ψ(f (β)) = β. Also ist f eine Injektion. Damit existiert eine überabzählbare, wohlordenbare Menge reeller Zahlen. Das steht aber im Widerspruch zu Korollar 2.30. In diesem Beweis ist wieder zu erkennen, daß Determiniertheitsforderungen bestimmte Auswahlprinzipien implizieren: über ein Spiel gelangen wir zu einer geeigneten Auswahlfunktion. In diesem Fall wurde jeder abzählbaren Ordinalzahl ihr Kode gemäß Lemma 1.22 zugeordnet. Dabei wurde in dem Beweis keinesfalls eine konkrete“ nicht-determinierte Menge angegeben. Wir ha” ben stattdessen einen Widerspruchsbeweis geführt. Man kann sogar zeigen, daß ein konstruktiver“ ” Beweis – also die Konstruktion eines konkreten Gegenbeispiels – gar nicht möglich sein kann.4 Nach Satz 3.1 gilt damit für alle überabzählbaren Ordinalzahlen γ, daß in der Theorie ZF das erweiterte Axiom ADγ nicht gelten kann. Das gleiche gilt – ebenfalls nach Satz 3.1 – damit auch für alle überabzählbaren, wohlordenbaren X. Korollar 3.8: Es gilt ∀γ ≥ ω1 ¬ADγ . 4 Vgl. [HK81], S. 133f. K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD 80 Wir können also in ZF nicht die Determiniertheit beliebiger Auszahlungsmengen für Spiele mit Zügen aus einer überabzählbaren Ordinalzahl fordern. Beschränkt man die Komplexität der Auszahlungsmengen, dann können wir auch – sinnvolle – Determiniertheitsforderungen für derartige Spiele formulieren. Wir werden z.B. in Abschnitt 5.2 eine derartige Form von Erweiterung des Axioms der Determiniertheit kennenlernen: das Axiom der Ordinalzahl-Determiniertheit. Die Auszahlungsmengen der dabei betrachteten Spiele sind Urbilder stetiger Funktionen. Wir werden außerdem zeigen, daß unter der Voraussetzung AD + DC für alle α < Θ und alle stetigen Funktionen f : αω → R die Spiele Gα (f −100 A) determiniert sind, falls A ⊆ R Suslin und Co-Suslin ist. Die nächste Erweiterung der Spiele, deren Determiniertheit wir fordern können, besteht darin, daß die Spieler für ihre einzelnen Züge reelle Zahlen wählen. Aufgrund von Satz 2.21 sind unter AD die reellen Zahlen nicht wohlordenbar. Die Menge R wird also durch das vorherige Korollar nicht ausgeschlossen. Die entsprechende Erweiterung von AD wurde ebenfalls von Jan Mycielski 1966 eingeführt: Definition 3.9: Das Axiom der reellen Determiniertheit (axiom of real determinacy) sei die folgende Aussage: ADR :⇔ das Spiel GR (A) ist determiniert für jede Menge A ⊆ Rω . Da f : ω → R, n 7→ hn, n, n, . . .i eine Injektion ist, gilt nach Satz 3.1: ADR ⇒ AD. Das Axiom ADR ist also eine Erweiterung von AD. In der Tat ist ADR sogar eine echt stärkere Forderung. Darauf werden wir weiter unten noch zurückkommen. Wir haben weiter oben festgestellt, daß Determiniertheitsforderungen für alle Spiele mit Zügen aus einer zu komplexen Menge inkonsistent mit ZF sind. Wir werden auf den folgenden Seiten noch ein Reihe anderer möglicher Erweiterungen von AD kennenlernen, die ebenfalls inkonsistent mit ZF sind. Es stellt sich daher die Frage, ob das gleiche auch für das Axiom ADR gilt. Hugh Woodin hat aber die Konsistenz von ZF + ADR relativ zu einer Aussage – die ADR -Hypothese – zeigen können, die wir wiederum in die Hierarchie der Großen Kardinalzahlen einordnen können:5 Kon(ZFC + ADR -Hypothese) ⇔ Kon(ZF + ADR ). Ausgehend von ADR könnte der nächste Schritt hin zu erweiterten Determiniertheitsforderungen darin bestehen, daß die Spieler statt Elemente aus R nun Elemente aus der Potenzmenge von R oder der Potenzmenge der Potenzmenge von R wählen. Wie sieht es mit den Erweiterungen AD℘(R) , AD℘(℘(R)) etc. aus? Diese werden ebenfalls nicht durch das obige Korollar abgedeckt, da auch ℘(R), ℘(℘(R)) etc. nicht wohlordenbar sein können: aus einer Wohlordnung von ℘(X) läßt sich offensichtlich eine für X extrahieren. Nun ist aber auch AD℘(R) schon inkonsistent mit ZF und damit nach Satz 3.1 auch sämtliche Versionen mit höheren Iterationen der Potenzmengenbildung: Satz 3.10: Es gilt ¬AD℘(R) . Beweis. Nach Satz 3.1 folgt aus AD℘(R) bereits AD2℘(R) . Wir werden zeigen, daß aus AD2℘(R) das Auswahlaxiom AC(R) für Teilmengen von R folgt. Nach Lemma 1.3 existiert daher eine 5 Vgl. Satz 4.16. 3.2. E RWEITERUNG DER KOMPLEXIT ÄT DER Z ÜGE 81 Wohlordnung der reellen Zahlen. Andererseits existiert eine Injektion f : ω ,→ ℘(R), also impliziert AD℘(R) ebenfalls nach Satz 3.1 schon AD. Nach Satz 2.21 sind dann aber die reellen Zahlen nicht wohlordenbar. Wir erhalten also einen Widerspruch. Damit kann AD℘(R) nicht in ZF gelten. Es bleibt also zu zeigen: Beh. 1: AD2℘(R) ⇒ AC(R), d.h. jede Familie nicht-leerer Teilmengen von R besitzt eine Auswahlfunktion. Beweis. Sei {Ai | i ∈ I} ⊆ ℘(R) eine Familie nicht-leerer Teilmengen reeller Zahlen. Wir skizzieren zunächst das Spiel der Länge 2, das uns die gewünschte Auswahlfunktion liefern soll. Spieler I spielt eine Teilmenge X ⊆ R und Spieler II antwortet mit Y ⊆ R. Spieler I gewinnt dieses Spiel genau dann, wenn gilt: X ∈ {Ai | i ∈ I} ∧ ∀y ∈ R Y 6= {y} ∨ ∃y ∈ R Y = {y} ∧ y 6∈ X . Damit gewinnt Spieler II genau dann dieses Spiel, wenn Spieler I keine Menge Ai der Familie vorgibt oder wenn er selbst in seinem Zug ein Element von Ai als Einermenge spielt. Wir definieren die Auszahlungsmenge durch: A :≡ x ∈ ℘(R) × ℘(R) | ∃i ∈ I x0 = Ai ∧ ∀y ∈ R x1 6= {y} ∨ ∃y ∈ R x1 = {y} ∧ y 6∈ x0 . Nach Voraussetzung ist das Spiel G2℘(R) (A) determiniert. Da die Ai nicht-leer sind, kann Spieler I aber keine allgemeine Gewinnstrategie besitzen, die gegen jede Partie von Spieler II gewinnt. Also muß Spieler II derjenige sein, der eine Gewinnstrategie τ besitzt. Die Funktion [ f : {Ai | i ∈ I} → Ai , Ai 7→ a , falls τ (hAi i) = {a} mit a ∈ R i∈I ist also wohldefiniert und die gewünschte Auswahlfunktion. (1) Damit ist der Satz bewiesen. Bei Determiniertheitsforderungen für alle entsprechenden Spiele ist uns also bezüglich der Komplexität der Züge sowohl durch ω1 als auch durch die volle“ Potenzmenge ℘(R) eine Grenze ” gesetzt. Trotzdem können wir versuchen, den Übergang von AD auf ADR zu verallgemeinern. Die erste Forderung bezieht sich auf Spiele mit Zügen aus ω, die zweite auf Spiele mit Zügen aus R = ω ω . Wir können also diesen Prozeß fortsetzen, indem wir Spiele betrachten, deren Züge aus Rω , (Rω )ω usw. stammen. Da ADR eine – wie wir noch sehen werden echt – stärkere Forderung als AD ist, könnte man zunächst meinen, durch diese Erweiterung zu immer neuen Determiniertheitsforderungen zu gelangen. In der Tat sind aber diese Formen von Axiomen alle äquivalent zu ADR . Das Axiom ADR stellt in dieser Richtung also die stärkste Form von Determiniertheitsforderung dar. Um dies zu zeigen, führen wir die folgende Notation ein: Definition 3.11: Für n ∈ ω sei Rn rekursiv definiert durch: R0 :≡ ω und Dann ist also R0 = ω, R1 = R, R2 = Rω etc. Rn+1 :≡ (Rn )ω . K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD 82 Definition 3.12: Für n ∈ ω definieren wir das Axiom der Hyper-Determiniertheit: AHDn :≡ ADRn = für alle A ⊆ Rn+1 ist das Spiel GRn (A) determiniert. Für die ersten natürlichen Zahlen erhalten wir also: AHD0 = AD, AHD1 = ADR , AHD2 = ADRω , AHD3 = AD(Rω )ω etc. Bemerkung 3.13: Für jede nicht-leere Menge X ist stets eine Injektion f : X ,→ X ω , x 7→ hx, x, x, . . .i gegeben. Wir erhalten also aufgrund von Satz 3.1 die folgende Kette von Implikationen: . . . ⇒ AHD3 ⇒ AHD2 ⇒ AHD1 ⇒ AHD0 . Andererseits können wir für jede nicht-leere Menge X stets eine Injektion g : (X ω )ω ,→ X ω angeben. Sei dazu π : ω × ω ↔ ω die in Abschnitt 1.2 angegebene Bijektion. Weiter sei pi für i = 1, 2 die Projektion auf die i-te Koordinate, d.h. p1 ((n, m)) = n und p2 ((n, m)) = m. Dann definieren wir: g : (X ω )ω ,→ X ω , hxn | n ∈ ωi 7→ xp1 (π−1 (k)) p2 (π −1 (k)) | k ∈ ω . Für x :≡ hhxn (m) | m ∈ ωi | n ∈ ωi ∈ (X ω )ω ist also g(x)(π(n, m)) = xn (m) und damit g(x) ∈ X ω . Es gilt: g(x) = g(y) ⇒ ∀k ∈ ω g(x)(k) = g(y)(k) ⇒ ∀n, m ∈ ω g(x)(π(n, m)) = g(y)(π(n, m)) ⇒ ∀n, m ∈ ω xn (m) = yn (m) ⇒ x = y. Also ist g injektiv. Daraus folgt wieder mit Satz 3.1: AHD1 ⇒ AHD2 ⇒ AHD3 ⇒ . . . . Zusammen gilt also: ∀n ≥ 1 AHDn ⇔ AHD1 . Durch AHDn für n ≥ 2 sind also keine stärkeren Determiniertheitsforderungen als durch AHD1 = ADR gegeben. Mit dieser Argumentation läßt sich aber nicht beweisen, daß AD ⇒ ADR gilt. Der Satz von Cantor gilt bereits in ZF. Demnach ist ℵ0 < 2ℵ0 , insbesondere also ℵ0 < |R|. Da also R nicht abzählbar ist, kann auch keine Injektion R ,→ ω existieren. Wir können Satz 3.1 in diesem Fall nicht anwenden. Das Axiom ADR ist sogar eine echte Erweiterung von AD im folgenden Sinn. Wir werden weiter unten zeigen, daß:6 AD ⇒ L(R) |= AD + ¬ADR . Daraus folgt insbesondere, daß ADR nicht aus der Theorie ZF + AD gefolgert werden kann: ZF + AD 6` ADR . 6 Vgl. Satz 4.1 und Korollar 4.19. 3.3. E RWEITERUNG DER L ÄNGE DER S PIELE 3.3 83 Erweiterung der Länge der Spiele Im diesem Abschnitt betrachten wir die zweite, eingangs erwähnte Möglichkeit von erweiterten Spielen und die entsprechenden Determiniertheitsforderungen. Mit GαX (A) bezeichnen wir das Spiel, bei dem die Spieler abwechselnd Elemente von X spielen, so daß eine Folge der Länge α entsteht. Wir betrachten in diesem Abschnitt zunächst nur die Spiele Gα (A), bei denen die Spieler abwechselnd natürliche Zahlen spielen. Die resultierende Partie ist dann ein Element von ω α . Unter anderem befassen sich die folgenden Artikel mit den langen“ Spielen: [Bla75], [Mar83], ” [Nee99] und [Ste88]. I. Grenzen der Determiniertheitsforderungen Jan Mycielski konnte zeigen, daß in der Theorie ZF der Länge der Spiele Gα (A) bereits durch ω1 eine obere Grenze gesetzt ist, wenn wir die Determiniertheit aller dieser Spiele fordern wollen:7 Satz 3.14 (Mycielski): Es gilt ¬ADω1 . Beweis. Nach Satz 3.1 gilt ADω1 ⇒ ADω2 1 . Es genügt zu zeigen, daß ADω2 1 ⇒ ADω1 gilt, denn dann können wir Satz 3.7 anwenden. Wir wollen also ein Spiel Gω1 der Länge ω mit Zügen aus ω1 in ein Spiel Gω2 1 der Länge ω1 und binären Zügen überführen. Da die Spieler im letzten Spiel insgesamt ω1 Züge zur Verfügung haben, kann jeder Spieler in seinem Spielverlauf ω abzählbare Ordinalzahlen αn durch Verkettung von binären Folgen der Länge αn kodieren. Dies ist möglich, da ADω1 nach Satz 3.1 AD impliziert und nach Korollar 2.28 aus AD die Regularität von ℵ1 folgt. Also ist die Länge einer Folge, die durch ω-fache Verkettung von Folgen abzählbarer Länge entsteht kleiner als ω1 . Dazu müssen wir eine geeignete Kodierung von Elementen aus ω1ω durch Elemente aus 2<ω1 konstruieren. Die Konstruktion kann unmittelbar aus dem Beweis von Satz 3.6 übertragen werden. Wir erhalten als Kodierung eine binäre Folge s ∈ 2α mit α < ω1 der folgenden Gestalt: β0 β1 s = h1, •, 1, •, . . . , 1, •, 0 , 1, ◦, 1, ◦, . . . , 1, ◦, 0 , 1, •, . . .i. {z } {z } | | Block 0 Block 1 Die βi sind Ordinalzahlen kleiner ω1 und markieren jeweils das Ende eines Blocks, also das erste Auftreten einer Null an einer geraden Stelle für i gerade bzw. an einer ungeraden Stelle für i ungerade. Die Folge s kann allerdings mehr als ω Blöcke kodieren, für die Dekodierung sind aber nur die ω ersten Blöcke notwendig. Wir können die ursprüngliche Folge ω1ω wieder dekodieren, indem wir den Ordnungstyp der im i-ten Block vorkommenden Einsen an gerader bzw. ungerader Stelle als i-tes Folgenglied setzen. Der Rest des Beweises verläuft nahezu identisch zu dem von Satz 3.6. Der einzige Unterschied ist, das wir, selbst wenn wir alle Folgenglieder von ω1ω kodieren, wegen der Regularität von ω1 nur eine binäre Folgen mit Länge kleiner als ω1 erhalten. Um die Voraussetzung anwenden zu können, benötigen wir aber eine binäre Folge der Länge gleich ω1 . Wir können die kodierte Folge aber entsprechend zu einer ω1 -Folge verlängern, ohne daß es einen Einfluß auf die Übertragung der Strategien aus einem Spiel Gω2 1 auf das zu untersuchende Spiel Gω1 hat: die Übertragung benötigt tatsächlich nur die ersten ω Blöcke. Bemerkung 3.15: Man könnte zunächst glauben, daß man auf ähnlichem Wege die Implikation ADR ⇒ ADω1 zeigen kann. Dann wäre nach Satz 3.7 natürlich auch ZF + ADR inkonsistent. 7 Vgl. [Myc64]. 84 K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD Der vermeintliche Ansatz für einen Beweis dieser Implikation besteht darin, ein Spiel mit Zügen aus ω1 über die Surjektion Ψ : R ω1 aus Lemma 1.22 in ein Spiel über R zu überführen. Dazu würde man für A ⊆ ω1ω die Menge B :≡ {hx0 , x1 ), . . .i | hΨ(x0 ), Ψ(x1 ), . . .i ∈ A} ⊆ Rω definieren wollen. Könnte man B so definieren, dann würde tatsächlich die Determiniertheit des Spiels Gω1 (A) aus der von GR (B) folgen. Um aber für jedes α < ω1 ein Element aus Ψ−100 {α} wählen zu können, braucht man einen Grad an Auswahlprinzip – in der Tat ACω1 (R) –, der uns in ZF + ADR nicht zur Verfügung steht. Oder anders formuliert: aus der Existenz der Surjektion Ψ : R ω1 können wir nicht auf die Existenz einer Funktion Φ : ω1 → R mit Ψ ◦ Φ = idω1 schließen. Denn Φ wäre notwendigerweise injektiv, also würde ℵ1 ≤ 2ℵ0 gelten im Widerspruch zu ADR ⇒ AD und Korollar 2.30. Vgl. dazu auch Abschnitt 1.1. Aufgrund von Satz 3.1 erhalten wir unmittelbar: Korollar 3.16: Es gilt ∀α ≥ ω1 ¬ADα . Dieses Ergebnis sagt uns also, daß wir in ZF nicht die Determiniertheit beliebiger Auszahlungsmengen für Spiele mit überabzählbarer Länge fordern können. Aufgrund des Satzes sind also – wenn überhaupt – nur Axiome der Form ADα für eine abzählbare Ordinalzahl α sinnvoll. Das nächste Lemma zeigt uns, daß wir von einem gegebenen ADα mit abzählbarem α ausgehend keine neue Determiniertheitsforderungen erhalten, wenn wir die Spiele um endlich viele Züge verlängern: Lemma 3.17: Sei ω ≤ α < ω1 . Dann gilt für alle n ∈ ω: ADα ⇒ ADα+n . Beweis. Sei ω ≤ α < ω1 und n ∈ ω. Um unserer Konvention zu genügen, sei o.E. α eine gerade Ordinalzahl und n eine gerade natürliche Zahl. Angenommen, es gilt ADα . Sei A ⊆ ω α+n . Wir wollen die Determiniertheit von Gα+n (A) zeigen. Für jedes z ∈ ω α definieren wir: Az :≡ {s ∈ ω n | z as ∈ A} ⊆ ω n . Jedes Gn (Az ) ist ein endliches Spiel. Nach Lemma 2.19 sind daher die Mengen Az für alle z ∈ ω α quasi-determiniert. Da die Züge aus der wohlgeordneten Menge ω sind, sind nach Lemma 2.17 die Mengen Az damit auch determiniert. Wir definieren weiter: B :≡ {z ∈ ω α | Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie im Spiel Gn (Az )} ⊆ ω α . Nach Voraussetzung ist das Spiel Gα (B) determiniert. Wir unterscheiden die beiden Fälle: Fall 1: Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie σ̄ im Spiel Gα (B). Wir wählen dann für jedes z ∈ B die kanonische“ Gewinnstrategie σz für Spieler I im Spiel Gn (Az ). Dabei gibt die kanonische ” Gewinnstrategie für Spieler I in einem endlichen Spiel immer die kleinste natürliche Zahl als nächsten Zug vor, so daß Spieler I danach noch nicht automatisch verloren hat. Formal definieren wir dazu für 2k − 1 < n: 3.3. E RWEITERUNG DER L ÄNGE DER S PIELE 85 σz (hs0 , . . . , s2k−1 i) :≡ min s2k ∈ ω | ∀s2k+1 ∃s2k+2 . . . ∃/∀sn−1 hs0 , . . . , sn−1 i ∈ Az . Dabei sei hs0 , . . . , s2k−1 i :≡ ∅ für k = 0. Da Spieler I nach Voraussetzung eine Gewinnstrategie in Gn (Az ) besitzt und wir nur endlich viele Quantoren betrachten, sind die Mengen auf der rechten Seite nicht leer. Da ω wohlgeordnet ist, können wir das kleinste Element wählen. Wir definieren nun die gewünschte Gewinnstrategie σ für Spieler I im Spiel Gα+n (A), indem wir die Strategie σ̄ mit den Strategien σz kombinieren. σ(hxγ | γ < βi) :≡ σ̄(hxγ | γ < βi) für β ∈ Even(α); a σ(hxγ | γ < αi hs0 , . . . , s2k−1 i) :≡ σhxγ |γ<αi (hs0 , . . . , s2k−1 i) für 2k − 1 < n. Demnach spielt Spieler I zunächst gemäß der Strategie σ̄ bis eine Folge x :≡ hxγ | γ < αi gespielt worden ist. Da diese Strategie eine Gewinnstrategie im Spiel Gα (B) ist, ist die Folge x ein Element von B. Nach Definition von B besitzt deswegen Spieler I eine Gewinnstrategie im Spiel Gn (Ax ), gemäß der er ab diesem Moment weiterspielen kann. Da wir eine kanonische Gewinnstrategie σx wählen können, benötigen wir dazu kein weiteres Auswahlprinzip. Da σx ebenfalls eine Gewinnstrategie ist, ist die resultierende, endliche Partie hs0 , . . . , sn−1 i des zweiten Abschnitts ein Element von Ax . Nach Definition von Ax ist die Gesamtpartie hxγ | γ < αiahs0 , . . . , sn−1 i also ein Element von A. I II x0 x2 x1 x3 ... ... s0 s1 ... ... sn−2 sn−1 Damit ist σ eine Gewinnstrategie für Spieler I im Spiel Gα+n (A). Fall 2: Spieler II besitzt eine Gewinnstrategie τ̄ im Spiel Gα (B). Ist z 6∈ B, dann besitzt nach Definition von B Spieler I im Spiel Gn (Az ) keine Gewinnstrategie. Da aber das Spiel Gn (Az ) determiniert ist, muß demnach Spieler II eine Gewinnstrategie besitzen. Wir wählen wieder die kanonische“ Gewinnstrategie: ” τz (hs0 , . . . , s2k i) :≡ min s2k+1 ∈ ω | ∀s2k+2 ∃s2k+3 . . . ∃/∀sn−1 hs0 , . . . , sn−1 i 6∈ Az . Analog zum Fall 1 ist diese Gewinnstrategie wohldefiniert. Wir erhalten wieder durch Kombination der Strategie τ̄ mit den Strategien τz die gewünschte Gewinnstrategie für das Spiel Gα+n (A): τ (hxγ | γ < βi) :≡ τ̄ (hxγ | γ < βi) τ (hxγ | γ < αiahs0 , . . . , s2k i) :≡ τhxγ |γ<αi (hs0 , . . . , s2k i) für β ∈ Odd(α); für 2k < n. Auch in diesem Fall spielt Spieler II zunächst nach den Strategie τ̄ bis eine Folge x :≡ hxγ | γ < αi gespielt worden ist. Da τ̄ eine Gewinnstrategie ist, gilt x 6∈ B. Nach dem oben gesagten besitzt deswegen Spieler II eine Gewinnstrategie in Gn (Ax ) und wir können ohne weiteres Auswahlprinzip die kanonische Gewinnstrategie τx wählen. Damit ist der endliche zweite Abschnitt hs0 , . . . , sn−1 i kein Element von Ax , also die Gesamtpartie hxγ | γ < αiahs0 , . . . , sn−1 i kein Element von A. Da einer der beiden Fälle eintreten muß, ist die Aussage des Lemmas bewiesen. K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD 86 Bemerkung 3.18: Wie man leicht überprüft, gilt die Aussage des Lemmas nicht nur für Spiele mit Zügen aus ω, sondern für jedes Spiel über einer wohlgeordneten, abzählbaren Menge. Wir erhalten als Verallgemeinerung also für ω ≤ α < ω1 und 2 ≤ γ < ω1 : ∀n ∈ ω ADαγ ⇒ ADγα+n . Für ω ≤ α < ω1 sei Λ(α) der Limesanteil von α gemäß Definition 1.16, d.h. die größte Limesordinalzahl kleiner oder gleich α. Dann gilt nach dem obigen Resultat zusammen mit Satz 3.1 also: ∀ω ≤ α < ω1 ∀2 ≤ γ < ω1 ADγΛ(α) ⇔ ADαγ . Es reicht also aus, nur Determiniertheitsforderungen der Form ADλγ für abzählbare Limesordinalzahlen λ zu untersuchen. Betrachten wir noch einmal den Beweis von Satz 3.6. Dieser bezog sich nur auf Spiele der Länge ω. Der Beweis läßt sich allerdings ohne weiteres auf alle Spiele der Länge λ für abzählbare Limesordinalzahlen λ übertragen. Wir erhalten auch hier als Verallgemeinerung: ∀λ < ω1 ∀2 ≤ γ < ω1 Lim(λ) ⇒ (ADλ ⇔ ADλγ ) . Zusammen mit dem vorherigen Resultat gilt also: Korollar 3.19: Es gilt ∀ω ≤ α < ω1 ∀2 ≤ γ < ω1 ADα ⇔ ADαγ . Λ(α) Beweis. Es gilt ADαγ ⇔ ADγ ⇔ ADΛ(α) ⇔ ADα . II. Der Satz von Blass Wir betrachten nun ein Resultat, das von Andreas Blass veröffentlicht wurde.8 Demnach ist die Forderung der Determiniertheit aller Spielen der Länge ω 2 mit natürlichen Zügen äquivalent zu der Forderung der Determiniertheit aller Spielen der Länge ω mit reellen Zügen: 2 Satz 3.20 (Blass): Es gilt ADR ⇔ ADω . Wir beweisen den Satz von Blass in zwei Schritten. 2 Lemma 3.21: Sei 2 ≤ α < ω1 . Dann gilt ADω·α ⇒ ADαR . Insbesondere gilt ADω ⇒ ADR . Beweis. Sei A ⊆ Rα . Wir betrachten das Spiel GαR (A). Jeder Zug der Spieler ist eine reelle Zahl, d.h. eine ω-Folge natürlicher Zahlen. Durch Verkettung können wir demnach jede Partie x ∈ Rα in diesem Spiel in ein y ∈ ω ω·α überführen. Aus den Gewinnstrategien in einem Spiel Gω·α erhalten wir dann entsprechende Gewinnstrategien für das Spiel GαR (A). Allerdings können wir nicht die offensichtliche Übertragung anwenden, indem wir das Spiel GαR (A) x0 I II 8 x1 y0 | y1 {z α ... ... } Vgl. [Bla75], S. 373. Die Aussage des Satzes wurde bereits vorher von Jan Mycielski bewiesen, aber nicht veröffentlicht. 3.3. E RWEITERUNG DER L ÄNGE DER S PIELE 87 in das folgende Spiel mit natürlichen Zügen überführen: x0 (0) I II x0 (1) y0 (0) | y0 (1) x1 (0) ... ... {z x1 (1) y1 (0) y1 (1) }| ω ... ... ... ... {z } ω Zwar können wir für Spieler II aus einer Gewinnstrategie im letzteren Spiel eine für das erstere konstruieren, denn während Spieler II im Spiel der Länge ω · α nach jedem Zug reagieren muß, liefert der übersetzte“ Zug von Spieler I aus dem reellen Spiel eine ganze ω-Folge von Zügen. ” Er wendet dann einfach seine Gewinnstrategie auf jedes einzelne Element dieser Folge an und antwortet mit der zusammengesetzten reellen Zahl. Dieser Ansatz funktioniert aber nicht für Spieler I. Er muß zu Beginn jeder Runde im ersten Spiel eine ganze ω-Folge von natürlichen Zahlen angeben, die Strategie im übersetzten Spiel liefert ihm aber jeweils nur eine natürliche Zahl. Wir benötigen demnach eine andere Übersetzung des reellen Spiels in ein natürliches Spiel der Länge ω · α. Wir betrachten dazu das folgende, in α Blöcke der Länge ω unterteilte Spiel Gω·α : x0 (0) I II x0 (1) ∗ | ∗ {z 0 ... ... y1 (0) }| ω 0 y1 (1) {z ω ... ... ... ... } Dabei deuten die ∗ in den geraden Blöcken an, daß die Züge von Spieler II für die Kodierung keine Relevanz“ haben, d.h. die Züge sind ohne Bedeutung für die Entscheidung, ob Spieler I oder ” II das Spiel gewinnt. Die 0 in den ungeraden Blöcken deutet an, daß Spieler I dort eine 0 spielen muß, um zu gewinnen. Dieses Spiel liefert uns die nötigen Informationen, um Gewinnstrategien für das Spiel über R zu erhalten. Sei 0 :≡ h0, 0, 0, . . .i ∈ R. Wir definieren die Auszahlungsmenge Ā ⊆ ω ω·α durch: Ā :≡ (x0 ∗ z0 )a(0 ∗ y0 )a(x1 ∗ z1 )a(0 ∗ y1 )a . . . | x ∗ y ∈ A ∧ z0 , z1 , . . . ∈ R . | {z } α Das Spiel Gω·α (Ā) ist nach Voraussetzung determiniert. Wir betrachten die beiden Fälle: Fall 1: Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie σ̄ in Gω·α (Ā). Wir setzen p∅ :≡ ∅. Für 2β + 2 < α und s = hx0 , y0 , . . . , xβ , yβ i sei ps ∈ ω ω·(2β+2) definiert durch: ps :≡ σ̄ ∗ (0ay0 a . . . a0ayβ ) = (hx̄0 , x̄1 , . . .i ∗ 0)a(0 ∗ y0 )a . . .a (hx̄ω·2β , x̄ω·2β+1 , . . .i ∗ 0)a(0 ∗ yβ ). Dabei seien die x̄γ die Züge von Spieler I gemäß der Strategie σ̄. Dann ist ps die partielle Partie der ersten 2β + 2 vollständig gespielten Blöcke im Spiel Gω·α (Ā), bei denen Spieler I gemäß seiner Strategie σ̄ und Spieler II in den geraden Blöcken eine 0 und in den ungeraden Blöcken die Folgenglieder der y0 , . . . , yβ spielt. Man beachte, daß Spieler I in den ungeraden Blöcken eine 0 spielen muß, da sonst die resultierende Partie nicht in Ā liegen kann. Wir definieren nun die Strategie σ im Spiel GαR (A). Sei s = hx0 , y0 , . . . , xβ−1 , yβ−1 i für 2β < α. Wir setzen dann:9 9 Dabei sei s = ∅ für β = 0. K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD 88 σ(s) :≡ hσ̄(ps ), σ̄(ps ahx̄ω·2β , 0i), σ̄(ps ahx̄ω·2β , 0, x̄ω·2β+1 , 0i), . . .i = hx̄ω·2β , x̄ω·2β+1 , x̄ω·2β+2 , . . .i ∈ R. Die Elemente der ω-Folge σ(s) sind also die Züge von Spieler I in dem auf ps folgenden Block, wobei Spieler II in diesem Block nur 0 spielt. Sei nun y eine Partie von Spieler II im Spiel GαR (A). Da σ̄ eine Gewinnstrategie im Spiel Gω·α (Ā) ist, gilt ∀ȳ ∈ ω ω·α σ̄ ∗ ȳ ∈ Ā , insbesondere auch: σ̄ ∗ (0ay0 a0ay1 a . . .) ∈ Ā ⇒ (hx̄0 , x̄1 , . . .i ∗ 0)a(0 ∗ y0 )a(hx̄ω·2 , x̄ω·2+1 , . . .i ∗ 0)a . . . ∈ Ā ⇒ hhx̄0 , x̄1 , . . .i, hx̄ω·2 , x̄ω·2+1 , . . .i, . . .i ∗ y ∈ A nach Def. von Ā ⇒ hσ(∅), σ(hx0 , y0 i), . . .i ∗ y ∈ A ⇒ σ ∗ y ∈ A. Fall 2: Spieler II besitzt eine Gewinnstrategie τ̄ in Gω·α (Ā). Für s = hx0 i sei ps ∈ ω ω definiert durch: ps :≡ x0 ∗ τ̄ = x0 ∗ hȳ0 , ȳ1 , . . .i. Für 2β + 1 < α und s = hx0 , y0 , . . . , xβ i sei ps ∈ ω ω·(2β+1) wie folgt definiert: ps :≡ (x0 a0a . . . a0axβ ) ∗ τ̄ = (x0 ∗ hȳ0 , ȳ1 , . . .i)a(0 ∗ hȳω , ȳω+1 , . . .i)a . . .a (xβ ∗ hȳω·2β , ȳω·2β+1 , . . .i). Dabei seien die ȳγ die Züge von Spieler II gemäß der Strategie τ̄ . ps ist also die partielle Partie der ersten 2β + 1 vollständig gespielten Blöcke im Spiel Gω·α (Ā), bei denen Spieler I in den geraden Blöcken die Folgenglieder der x0 , . . . , xβ und in den ungeraden stets 0 spielt. Spieler II antwortet dabei gemäß seiner Gewinnstrategie τ̄ . Wir definieren nun die Strategie τ im Spiel G. Sei s = hx0 , y0 , . . . , xβ i für 2β + 1 < α. Wir setzen dann: τ (s) :≡ hτ̄ (ps ah0i), τ̄ (ps ah0, ȳω·(2β+1) , 0i), τ̄ (ps ah0, ȳω·(2β+1) , 0, ȳω·(2β+1)+1 , 0i), . . .i = hȳω·(2β+1) , ȳω·(2β+1)+1 , ȳω·(2β+1)+2 , . . .i ∈ R. Die Elemente der ω-Folge τ (s) sind also die Züge von Spieler II in dem auf ps folgenden Block, wobei Spieler I in diesem Block nur 0 spielt. Sei nun x eine Partie von Spieler I im Spiel GαR (A). Da τ̄ eine Gewinnstrategie ist, gilt ∀x̄ ∈ ω (ω·α) x̄ ∗ τ̄ 6∈ Ā , insbesondere: (x0 a0ax1 a0a . . .) ∗ τ̄ 6∈ Ā ⇒ (x0 ∗ hȳ0 , ȳ1 , . . .i)a(0 ∗ hȳω , ȳω+1 , . . .i)a(x1 ∗ hȳω·2 , ȳω·2+1 , . . .i) . . . 6∈ Ā ⇒ hx0 , x1 , . . .i ∗ hhȳω , ȳω+1 , . . .i, hȳω·3 , ȳω·3+1 , . . .i, . . .i 6∈ A nach Def. von Ā ⇒ x ∗ hτ (hx0 i), τ (hx0 , y0 , x1 i), . . .i 6∈ A ⇒ x ∗ τ 6∈ A. Also ist GR (A) determiniert. Der entscheidende Teil des Satzes von Blass ist die Rückrichtung. Dieser Teil läßt sich nicht unmittelbar durch eine Übersetzung der Spiele der Länge ω 2 in Spiele über R zeigen, denn während in 3.3. E RWEITERUNG DER L ÄNGE DER S PIELE 89 den ersteren Spielen abwechselnd natürliche Zahlen gespielt werden, werden in den Spielen über R jeweils ganze ω-Folgen von natürlichen Zahlen gespielt. Bei einer elementaren“ Übersetzung, ” wie wir sie bisher immer anwenden konnten, müßte demnach einer der Spieler die Züge des anderen vorhersehen“ und sich vorab auf eine lokale Strategie in bestimmten Teilen des Spiels festle” gen. Der Beweis bedarf demnach einer weitergehenden Argumentation. Als Grundlage diente der ursprüngliche Artikel von Blass [Bla75] und die Darstellung in [And], Theorem 10.5. 2 Satz 3.22: Es gilt ADR ⇒ ADω . 2 2 Beweis. Sei A ⊆ ω ω . Wir wollen die Determiniertheit des Spiels G :≡ Gω (A) zeigen. Wir können G wieder in ω Blöcke der Länge ω unterteilen: Spiel G: s0 I II s1 t0 | t1 sω ... ... {z Block 0 sω+1 tω }| Wir definieren nun das folgende Hilfsspiel G∗ der Länge ω: Spiel G∗ : I II σ0 tω+1 {z Block 1 σ1 y0 ... ... y1 ... ... } ... ... Dabei sei für n ∈ ω jedes σn eine Strategie von Spieler I in einem Spiel der Länge ω mit Zügen S aus ω, d.h. eine Funktion σn : m∈ω ω 2m → ω und yn ∈ R. Spieler I gewinnt das Spiel G∗ genau dann, wenn: [ (σ0 ∗ y0 )a . . . a(σm ∗ ym ) ∈ A. m∈ω Das Spiel G∗ ist im wesentlichen wie das Spiel G, nur daß sich Spieler I zu Beginn des n-ten Blocks auf die lokale Strategie σn im diesem Block festlegen muß, ohne daß er aber tatsächlich Züge macht. Spieler II gibt durch eine reelle Zahl seine Partie im diesem Block an. Die tatsächlichen Züge von Spieler I im n-ten Block sind dann durch seine Strategie σn und den Zug yn von Spieler II eindeutig festgelegt. Das Spiel G∗ verlangt mehr von Spieler I, denn er muß sich vorab auf die Strategie, die er in einem Block verfolgen wird, festlegen und diese seinem Gegenüber mitteilen. Er kann also nicht mehr auf die einzelnen Züge von Spieler II in diesem Block reagieren. Da wir nun die Strategien σn durch reelle Zahlen kodieren können, ist das Spiel G∗ nach Voraussetzung determiniert. Sei dazu ΣI die in Bemerkung 2.14 angegeben Kodierung der Strategien von Spieler I in einem Spiel über ω durch reelle Zahlen. Wir definieren nun: [ Z :≡ z ∈ Rω | (ΣI (z0 ) ∗ z1 )a . . . a(ΣI (z2m ) ∗ z2m+1 ) ∈ A . m∈ω Dann ist GR (Z) äquivalent zu G∗ , also ist G∗ determiniert. Aufgrund dieser zusätzlichen Anforderung an Spieler I im Spiel G∗ erhalten wir: Beh. 1: Besitzt Spieler I eine Gewinnstrategie in G∗ , dann besitzt er auch eine Gewinnstrategie in G. K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD 90 Beweis. Wenn Spieler I durch seine vorab festgelegten, lokalen Strategien zu Beginn eines neuen Blocks unabhängig von den Zügen von Spieler II im jeweiligen Block die Gesamtpartie von G für sich entscheiden kann, dann hat er offensichtlich auch eine globale Strategie für G. Sei also σ ∗ eine Gewinnstrategie von Spieler I im Spiel G∗ . Wir definieren durch Induktion über m ∈ ω eine Strategie σ im Spiel G. Sei das Spiel G bereits bis zum Beginn des m-ten Blocks vollständig gespielt und die bis dahin gespielte Partie p ∈ ω ω·m gemäß der Strategie σ. Dann ist also p gegeben durch: p = (hsn | n ∈ ωi ∗ htn | n ∈ ωi)a . . . a(hsω·(m−1)+n | n ∈ ωi ∗ htω·(m−1)+n | n ∈ ωi). Wir definieren dann die partielle Partie der Länge m von Spieler II im Spiel G∗ durch: π(p) :≡ hhtn | n ∈ ωi, . . . , htω·(m−1)+n | n ∈ ωii ∈ Rm . π(p)(k) sind also die zu einer ω-Folge zusammengefaßten Züge von Spieler II im k-ten Block aus dem Spiel G. Sei nun: σm :≡ σ ∗ (hσ0 , π(p)(0), . . . , σm−1 , π(p)(m − 1)i). σk ist also der k-te Zug von Spieler I im Spiel G∗ gemäß seiner Gewinnstrategie σ ∗ in Antwort auf die übertragenen Züge von Spieler II. σm ist daher selbst eine lokale Strategie für den m-ten Block in G. Wir definieren dann die Strategie σ in G durch das Zusammensetzen der lokalen Strategien σm : σ(p) :≡ σm (∅); σ(pahz0 , . . . , z2k+1 i) :≡ σm (hz0 , . . . , z2k+1 i). S Durch die Induktion ist σ : β∈Even(ω2 ) ω β → ω vollständig definiert. Insbesondere gilt für p ∈ ω ω·(m+1) : σ ∗ p = (σ0 ∗ π(p)(0))a . . . a(σm ∗ π(p)(m)). 2 Ist nun y ∈ ω ω , dann sei: π(y) :≡ [ π(yω · m) ∈ Rω . m∈ω Dann gilt insbesondere: σ∗y = [ m∈ω (σ0 ∗ π(y)(0))a . . . a(σm ∗ π(y)(m)) . Da σ ∗ eine Gewinnstrategie für Spieler I im Spiel G∗ ist, gilt also σ ∗ y ∈ A, d.h. σ ist eine (1) Gewinnstrategie in G. Der entscheidende Teil des Beweises ist es, das Analogon der Behauptung für Spieler II zu zeigen. Das Problem besteht darin, daß eine Gewinnstrategie τ ∗ von Spieler II im Spiel G∗ nicht ohne weiteres zu einer Gewinnstrategie in G führt: während Spieler I im Spiel G∗ bereits vorab seine Strategie für den nächsten Block festlegt, gibt er im Spiel G nur eine natürliche Zahl vor. Wir brauchen hierfür einen raffinierteren“ Ansatz. Dazu definieren wir eine Menge P von Positionen ” im Spiel G unmittelbar vor Beginn eines neuen Blocks, so daß die Positionen kompatibel zur 3.3. E RWEITERUNG DER L ÄNGE DER S PIELE 91 Strategie τ ∗ im Spiel G∗ sind. Die Länge einer partiellen Partie in P ist also ω · k mit k ∈ ω. Wir werden zeigen: ist eine Gesamtpartie in G gegeben, so daß die Partie immer zu Beginn eines neuen Blocks in P liegt, dann ist diese Partie ein Gewinn für Spieler II. Andererseits können wir Hilfsspiele für jeden Block angeben, so daß Spieler II sicherstellen kann, daß die Partie zu Beginn des nächsten Blocks stets in P bleibt. Die Strategien dieser Hilfsspiele zusammengesetzt ergeben dann eine Gewinnstrategie für Spieler II im Spiel G. Sei also τ ∗ eine Gewinnstrategie von Spieler II im Spiel G∗ . Für eine partielle Partie u = hσ0 , y0 , . . . , σm−1 , ym−1 i im Spiel G∗ gemäß τ ∗ definieren wir: π̃(u) :≡ (σ0 ∗ y0 )a . . . a(σm−1 ∗ ym−1 ). Dann ist π̃(u) ∈ ω ω·m eine Position im Spiel G unmittelbar vor Beginn des m-ten Blocks. Wir nennen eine Position p im Spiel G mit len(p) = ω · m kompatibel zu τ ∗ , falls es eine Position u S im Spiel G∗ gemäß τ ∗ und len(u) = 2m gibt, so daß p = π̃(u) gilt. Sei P ⊆ m∈ω ω ω·m die Menge aller Positionen in G, die kompatibel zu τ ∗ sind. Aufgrund der Definition gilt: (i) ∅ ∈ P ; (ii) Ist p ∈ P mit len(p) = ω · m, dann gilt ∀k < m pω · k ∈ P ; (iii) ∀p ∈ P ∃q ∈ P p ⊆ q ∧ p 6= q . Ist p ∈ P , dann gibt es unter Umständen verschiedene Partien u und v im Spiel G∗ , so daß p = π̃(u) = π̃(v) gilt.10 Wir wollen daher eine Funktion µ definieren, die jedem p ∈ P eine partielle Partie µ(p) im Spiel G∗ gemäß τ ∗ zuordnet, so daß p = π̃(µ(p)) gilt. Wir definieren µ induktiv über die Länge der Elemente von P . Sei µ(∅) :≡ ∅. Sei nun p ∈ P mit len(p) = ω · m und µ(p) = hσ0 , y0 , . . . , σm−1 , ym−1 i bereits definiert. Sei weiter q ∈ P mit p ⊆ q und len(q) = ω · (m + 1). Aufgrund der oben angegeben Kodierung von Strategien durch reelle Zahlen können wir für die folgende Menge definieren: Sp,q :≡ {x ∈ R | y = τ ∗ (µ(p)ahΣI (x)i) ∧ q = pa(ΣI (x) ∗ y)}. Da q ∈ P ist, ist Sp,q 6= ∅. Daher ist {Sp,q | p ∈ P ∧ q ∈ P ∧ p ⊆ q ∧ len(q) = len(p) + ω} eine Familie nicht-leerer Teilmengen von R. Da |P | ≤ |R| gilt und nach Lemma 3.4 ACR (R) eine Folgerung von ADR ist, können wir für jedes derartige p und q ein Element xp,q aus Sp,q auswählen, so daß also für die Strategie σp,q :≡ Σ(xp,q ) und für yp,q :≡ τ ∗ (µ(p)ahσp,q i) gilt: q = pa(σp,q ∗ yp,q ). Wir definieren dann µ(q) :≡ µ(p)ahσp,q , yp,q i. Dann ist len(µ(q)) = len(µ(p)) + 2 und aufgrund der Konstruktion gilt: (iv) dom(µ) = P ; (v) Ist p ∈ P mit len(p) = ω · m, dann ist len(µ(p)) = 2m; (vi) Ist p ∈ P , dann ist µ(p) ist ein partielle Partie im Spiel G∗ gemäß τ ∗ ; (vii) ∀p ∈ P p = π̃(µ(p)) ; 10 Die Partien u und v müssen natürlich die gleiche Länge haben. Aber z.B. können σ0 und σ00 verschiedene, erste Züge von Spieler I sein und trotzdem gilt σ0 ∗ y0 = σ00 ∗ y00 , wobei y0 bzw. y00 die Antworten von Spieler II gemäß der Strategie τ ∗ sind. 92 K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD (viii) ∀p, q ∈ P p ⊆ q ⇒ µ(p) ⊆ µ(q) . 2 Sei nun g ∈ ω ω eine Partie im Spiel G mit der Eigenschaft, daß alle Anfangsstücke von g der Länge ω · m in P liegen, d.h. es gilt ∀m ∈ ω gω · m ∈ P . Wegen (viii) können wir das Supremum der Funktion µ bilden: [ [ g ∗ :≡ µ(gω · m) = hσ0 , y0 , . . . , σm , ym i. m∈ω m∈ω Wegen (v) gilt g ∗ ∈ Rω . Wegen der zusätzlichen Eigenschaft von g ist daher g ∗ eine Partie im Spiel G∗ gemäß τ ∗ . Wegen (vii) gilt: [ (σ0 ∗ y0 )a . . . a(σm ∗ ym ) . g= m∈ω Da τ ∗ eine Gewinnstrategie für Spieler II im Spiel G∗ ist, gilt also nach den Gewinnregeln für dieses Spiel: g 6∈ A, d.h. Spieler II gewinnt das Spiel G. Aus diesem Grund genügt es also, eine Strategie τ für Spieler II in G zu konstruieren, so daß für jede Partie g gemäß τ gilt: ∀m ∈ ω gω · m ∈ P . Um dies zu erreichen, betrachten wir geeignete Hilfsspiele über ω für jeden Block im Spiel G. Beh. 2: Für jedes p ∈ P existiert eine Gewinnstrategie ξ für Spieler II in einem Spiel der Länge ω mit Zügen aus ω, so daß gilt: ∀x ∈ R pa(x ∗ ξ) ∈ P . Beweis. Sei p ∈ P . Wir definieren dann: Bp :≡ z ∈ R | paz 6∈ P ⊆ R. Nach Voraussetzung gilt ADR und nach Satz 3.1 damit auch AD. Daher ist das Spiel G(Bp ) determiniert. Angenommen nun, Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie σ in diesem Spiel. Dann gilt: ∀y ∈ R pa(σ ∗ y) 6∈ P . (∗) Wegen p ∈ P ist µ(p) definiert und wegen (vi) ist µ(p) eine partielle Partie in G∗ gemäß τ ∗ . Sei ỹ :≡ τ ∗ (µ(p)ahσi) ∈ R. Dann ist q ∗ = µ(p)ahσ, ỹi ebenfalls eine Partie im Spiel G∗ gemäß τ ∗ und daher π̃(q ∗ ) = pa(σ ∗ ỹ) eine zu τ ∗ kompatible Position in G. Nach Definition von P gilt daher: pa(σ ∗ ỹ) ∈ P. Widerspruch zu (∗). Also kann σ keine Gewinnstrategie für Spieler I sein. Wegen der Determiniert(2) heit besitzt also Spieler II eine Gewinnstrategie ξ in G(Bp ). Daraus folgt die Behauptung. Die Gewinnstrategien ξ aus Behauptung (2) können wie wieder als reelle Zahl kodieren. Sei dazu ΣII die in Bemerkung 2.14 angegebene Kodierung der Strategien von Spieler II durch reelle Zahlen. Wir definieren für jedes p ∈ P : Sp :≡ {y ∈ R | ∀x ∈ R pa(x ∗ ΣII (y)) ∈ P }. 3.3. E RWEITERUNG DER L ÄNGE DER S PIELE 93 Nach Behauptung (2) ist dann {Sp | p ∈ P } eine Familie nicht-leerer Teilmengen von R. Wegen |P | ≤ |R| und ACR (R) können wir also für jedes p ∈ P eine entsprechende Gewinnstrategie ξp für Spieler II aus Sp auswählen. Wir erhalten damit für jeden einzelnen der ω Blöcke im Spiel G eine lokale Strategie für Spieler II, durch die folgendes gewährleistet ist: ist p die Position bis zum Anfang des m-ten Blocks und spielt Spieler II in diesem Block gemäß der Strategie ξp , dann ist für jede Zugfolge xm ∈ R von Spieler I in diesem Block die resultierende Position pa(xm ∗ ξp ) wieder ein Element von P . Zu Beginn des m + 1-ten Blocks ist die partielle Partie also wieder ein Element von P , unabhängig davon, was Spieler I im letzten Block gespielt hat. Da aber bereits ∅ ∈ P ist, kann Spieler II durch Anwendung der ξp sukzessive sicherstellen, daß die gesamte Partie durch P läuft. Wir fassen nun alle einzelnen Strategien für die ω Blöcke zu einer Gesamtstrategie τ zusammen. Wir definieren: ( ξp (hz0 , . . . , z2k i) , falls ∃p ∈ P ∃k ∈ ω s = pahz0 , . . . , z2k i τ (s) :≡ 0 , sonst. S Dann ist τ : β∈Odd(ω2 ) ω β → ω eine Strategie für Spieler II im Spiel G. Wegen ∅ ∈ P und der Wahl der ξp erfüllt τ die gewünschte Eigenschaft, daß für jede Partie g im Spiel G gemäß τ gilt: ∀m ∈ ω gω · m ∈ P . Nach der obigen Bemerkung ist daher g 6∈ A und τ ist eine Gewinnstrategie für Spieler II im Spiel G. Damit ist der Satz bewiesen. Bemerkung 3.23: Der Beweis des Satzes läßt sich ohne Mühe auf Spiele über R der Länge λ < ω1 mit Lim(λ) übertragen. Die Länge des Spiels muß eine Limes sein, damit die Konstruktion der Menge P aller kompatiblen Positionen tatsächlich das gesamte Spiel G(A) für A ⊆ ω ω·λ erschöpft. Wir erhalten also als Verallgemeinerung des Satzes von Blass: ∀λ < ω1 Lim(λ) ⇒ (ADω·λ ⇔ ADλR ) . III. Äquivalenzen von äbzahlbar-langen Spielen über abzählbaren Ordinalzahlen Wie in dem Beweis von Lemma 3.17 bereits angedeutet wurde, können wir dort angegebene Konstruktion durch eine Verlängerung der Spiele um endlich viele Züge durch unendliche Verlängerungen der Spiele erweitern, falls wir zusätzlich ein entsprechend starkes Auswahlprinzip voraussetzen: Lemma 3.24: Sei ω ≤ α < ω1 . Dann gilt: ACR (R) + ADα ⇒ ADα+ω . Beweis. Der Beweis verläuft ähnlich wie der des Lemmas 3.17. Angenommen, es gilt ACR (R) + ADα mit 2 ≤ α < ω1 . O.E. sei wieder α eine gerade Ordinalzahl. Sei A ⊆ ω α+ω . Wir möchten zeigen, daß das Spiel Gα+ω (A) determiniert ist. Wir unterteilen dieses Spiel wieder in zwei Abschnitte: einen Abschnitt der Länge α, gefolgt von einem Abschnitt der Länge ω. x0 I II x2 x1 | x3 {z α ... ... xα xα+2 xα+1 }| xα+3 {z ω ... ... } K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD 94 Für jedes z ∈ ω α definieren wir: Az :≡ {y ∈ R | z ay ∈ A} ⊆ R. Da α ≥ ω folgt nach Satz 3.1 aus ADα auch AD. Die Spiele G(Az ) sind demnach für jedes z ∈ ω α determiniert. Wir definieren weiter: B :≡ {z ∈ ω α | Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie im Spiel G(Az )} ⊆ ω α . Das Spiel Gα (B) ist nach Voraussetzung ebenfalls determiniert. Wir unterscheiden die beiden Fälle: Fall 1: Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie σ̄ in Gα (B). Nach Definition von B besitzt Spieler I für jedes z ∈ B eine Gewinnstrategie im Spiel G(Az ). Eine Gewinnstrategie in diesem Spiel ist eine Funktion σ : ω <ω → ω und kann nach Lemma 2.13 durch eine reelle Zahl kodiert werden. Wir können also die Menge der Gewinnstrategien für Spieler I im Spiel G(Az ) als eine nichtleere Teilmenge von R auffassen. Andererseits ist α eine abzählbare Ordinalzahl, also existiert eine Bijektion ω ↔ α und damit auch eine Bijektion R ↔ ω α . Wir können also auch jedes z ∈ B durch eine reelle Zahl kodieren. Wegen ACR (R) können wir demnach für jedes z ∈ B eine konkrete Gewinnstrategie σz für Spieler I auswählen. Wir konstruieren nun die gewünschte Gewinnstrategie σ für Spieler I im Spiel Gα+ω (A) durch Kombination der Strategie σ̄ mit den Strategien σz : σ(hxγ | γ < βi) :≡ σ̄(hxγ | γ < βi) für β ∈ Even(α); a für z ∈ B; a für z 6∈ B. σ(z hs0 , . . . , s2k−1 i) :≡ σz (hs0 , . . . , s2k−1 i) σ(z hs0 , . . . , s2k−1 i) :≡ 0 Analog zum Beweis von Lemma 3.17 zeigt man, daß σ tatsächlich eine Gewinnstrategie für Spieler I im Spiel Gα+ω (A) ist. Fall 2: Spieler II besitzt eine Gewinnstrategie τ̄ in Gα (B). Diesen Fall behandelt man analog. Dabei benutzt man wie oben ACR (R), um für jedes z 6∈ B eine konkrete Gewinnstrategie τz für Spieler II im Spiel G(Az ) auswählen zu können. Da einer der beiden Fälle eintreten muß, haben wir die Determiniertheit von Gα+ω (A) gezeigt. Lemma 3.25: Sei ω · 2 ≤ α < ω1 . Dann gilt ADα ⇒ ACR (R) + AD. Beweis. Angenommen, es gilt ADα für ein ω · 2 ≤ α < ω1 . Nach Satz 3.1 gilt damit auch AD. Andererseits gilt: ADα ⇒ ADω·2 nach Satz 3.1 ⇒ AD2R nach Lemma 3.21 ⇒ ACR (R) nach Lemma 3.4. Korollar 3.26: Sei ω · 2 ≤ α < ω 2 . Dann gilt ACR (R) + AD ⇔ ADα . 3.3. E RWEITERUNG DER L ÄNGE DER S PIELE 95 Beweis. ⇒“: Durch Induktion zeigt man mit Hilfe von Lemma 3.24, daß für alle n ∈ ω mit ” n ≥ 1 gilt: ACR (R) + AD ⇒ ADω·n . Sei nun ω ≤ α < ω 2 und es gelte ACR (R) + AD. Dann hat α nach Lemma 1.15 eine eindeutige Darstellung durch α = ω · n + m mit n, m ∈ ω und n ≥ 1. Also gilt ADω·n und nach Lemma 3.17 damit auch ADω·n+m = ADα . ⇐“: Diese Richtung folgt unmittelbar aus dem letzten Lemma. ” Ein bisher unveröffentlichtes und sehr bedeutendes Resultat von Hugh Woodin besagt, daß unter ZF + DC die folgende Äquivalenz gilt:11 Satz 3.27 (Woodin): [DC] Es gilt ADR ⇔ ACR (R) + AD. Zusammen mit Korollar 3.26 erhalten wir also: Korollar 3.28: [DC] Sei ω · 2 ≤ α < ω 2 . Dann gilt ADα ⇔ ADR . Die von Woodin bewiesene Äquivalenz hat noch eine andere, sehr interessante Implikation: Korollar 3.29: [AD + DC] Es gilt ADR ⇔ AD2R . Beweis. Nach Satz 3.1 gilt ohne weitere Voraussetzung ADR ⇒ AD2R . Für die Rückrichtung nehmen wir nun an, daß AD2R gilt. Nach Lemma 3.4 gilt dann auch ACR (R), zusammen mit der Voraussetzung folgt also nach Satz 3.27 schon ADR . Dieses Ergebnis ist insofern erstaunlich, daß in der Theorie ZF + AD + DC die Determiniertheit endlicher Spiele über R bereits die Determiniertheit der unendlichen reellen Spiele impliziert. Andererseits sind endliche Spiele nach Lemma 2.19 bereits quasi-determiniert, d.h. einer der Spieler besitzt eine Quasi-Gewinnstrategie, die ihm zu jedem Zeitpunkt eine nicht-leere Menge von Zügen liefert, die jeweils zu einem Gewinn führen. Man erkennt dabei wieder den subtilen Charakter von Determiniertheit als eine Art Auswahlprinzip: können wir unter AD + DC stets die QuasiGewinnstrategie eines Spiels der Länge 2 mit reellen Zügen zu einer Gewinnstrategie ausdünnen, so erhalten wir schon die Determiniertheit aller Spiele der Länge ω mit reellen Zügen! Die Äquivalenz von ADα und ADR in Korollar 3.28 gilt auch für ω 2 ≤ α < ω1 . Allerdings können wir diese wohl nicht mit den bisher betrachteten Mitteln beweisen. Durch sukzessive An2 wendung von Lemma 3.24 erhalten wir zwar ADR ⇒ ADω ⇒ ADα für alle ω 2 ≤ α < ω 2 · 2, aber damit ist auch schon die Grenze dieser Methode erreicht. Ein bisher unveröffentlichtes Resultat von Donald Martin, das unabhängig von ihm auch von Hugh Woodin gezeigt wurde, vervollständigt die Lücke für alle ω 2 ≤ α < ω1 . Demnach ist die Forderung der Determiniertheit aller Spiele mit beliebiger abzählbarer Länge größer als ω 2 äquivalent zu derjenigen aller Spiele mit der Länge ω 2 : 2 Satz 3.30 (Martin-Woodin): Für alle ω 2 ≤ α < ω1 gilt ADω ⇒ ADα . Zusammen mit dem Resultat von Blass erhalten wir unmittelbar: Korollar 3.31: Für alle ω 2 ≤ α < ω1 gilt ADα ⇔ ADR . 11 Vgl. [Kan97], Theorem 32.23. Siehe auch Satz 4.21. K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD 96 2 Wir erhalten also keine stärkeren Determiniertheitsaxiome als ADω , wenn wir Spiele mit einer größeren abzählbaren Länge betrachten. Dieses Resultat ist in der Tat sehr überraschend und ähnlich wie der Satz von Woodin 3.27 besitzt dieses Ergebnis weitreichende Konsequenzen. Solovay 3 hatte zunächst die Vermutung aufgestellt, daß ADω eine echt stärkere Annahme als ADR zusammen mit der Regularität von Θ sei.12 Der Satz von Martin und Woodin impliziert aber, daß 3 diese Vermutung falsch ist: ADω ist demnach äquivalent zu ADR , die Theorie ZF + ADR kann aber keine Konfinalität von Θ fixieren, denn die folgenden Theorien bilden eine bezüglich der Konsistenzstärke echt aufsteigende Liste: ZF + ADR + cof(Θ) = ω ZF + ADR + cof(Θ) = ω1 .. . ZF + ADR + Θ ist regulär. Dabei folgt die Konsistenz einer der genannten Theorien durch die Theorie unter ihr. Vgl. dazu Satz 4.47. Verbinden wir dies mit der Verallgemeinerung des Satzes von Blass (vgl. Bemerkung 3.23), so sind die Determiniertheitsforderungen für Spiele über R der Länge λ für eine abzählbare Limesordinalzahl λ schon durch ADR abgedeckt: Korollar 3.32: Für alle λ < ω1 mit Lim(λ) gilt ADR ⇔ ADλR . Beweis. Es gilt ADλR ⇔ ADω·λ ⇔ ADR . Wir erhalten das in Abbildung 3.1 dargestellte Bild für natürliche Spiele der Länge ω ≤ α < ω1 in der Theorie ZF und in der Theorie ZF + DC. Nach Korollar 3.19 sind ADα und ADαγ äquiIn der Theorie ZF: [ AD )[ ACR (R) + AD ω·2 ω ADR )[ ω2 ) ω1 In der Theorie ZF + DC: [ ω AD )[ ADR ω·2 ) ω1 Abb. 3.1: Äquivalenzen von langen Spielen valent für alle unendlichen, abzählbaren α und alle γ mit 2 ≤ γ < ω1 . Nach Lemma 2.19 sind alle endlichen Spiele über γ quasi-determiniert. Da γ eine Ordinalzahl und damit wohlgeordnet ist, sind die Spiele nach Lemma 2.17 bereits determiniert. Wir erhalten also zusammen in der Theorie 12 Vgl. [Sol78], Paragraph 6, 3. 3.3. E RWEITERUNG DER L ÄNGE DER S PIELE 97 Komplexität alle Mengen sind determiniert ω1 AD es existieren nicht-determinierte Mengen ZF + DC das in Abbildung 3.2 dargestellte Bild von Äquivalenzen für Determiniertheitsforderungen von Spielen der Länge 2 ≤ α < ω1 mit Zügen aus 2 ≤ γ < ω1 . Ohne DC müssen wir noch einen senkrechten Streifen für Spiele der Länge ω·2 ≤ α < ω 2 einfügen, die dann äquivalent zu ACR (R) + AD sind. ADR 2 2 ω ω·2 Länge ω1 Abb. 3.2: Äquivalenzen von Spielen mit Zügen aus Ordinalzahlen in ZF + DC 98 K APITEL 3. E RWEITERUNGEN VON AD Kapitel 4 Konstruktible Modelle der Determiniertheit 4.1 Konstruktible Modelle von AD und ADR Mycielski stellte 1964 die Frage nach einem inneren Modell für ZF + AD: We can only hope that some submodels of the natural models of [ZF] are models of ” the new theory, i.e. a subclass of the class of all sets with the same membership relation. It would be still more pleasant if such a submodel contains all the real numbers of the natural model.“ 1 Da AD dem Auswahlaxiom widerspricht, kann kein inneres Modell von ZF + AD ein Modell von AC sein. Da aber für jede Menge A das konstruktible Modell L[A] stets ein Modell von AC ist, kann ein konstruktibles Modell von AD, wenn überhaupt, nur der konstruktible Abschluß bestimmter Mengen, d.h. von der Form L(X) bzw. L(X)[A] sein.2 Solovay bemerkte, daß das Modell L(R) – d.h. das kleinste innere ZF-Modell, das alle Ordinalzahlen und jede reelle Zahl aus V enthält – die kanonische“ Möglichkeit für ein Modell von ” ZF+AD darstellt. Er vermutete, daß ADL(R) relativ zu einem Große-Kardinalzahl-Axiom gelten müßte.3 Aber erst im Jahre 1985 konnten Hugh Woodin zeigen, daß unter der Voraussetzung einer geeigneten Hypothese über die Existenz Großer Kardinalzahlen L(R) tatsächlich ein Modell von AD ist. Siehe dazu Satz 4.11 und Satz 4.12. Nehmen wir allerdings an, daß AD bereits im Universum gilt, dann läßt sich – im Gegensatz zu dem genannten Resultat von Woodin – relativ einfach zeigen, daß L(R) ein Modell des Axiom der Determiniertheit ist. Dieses Resultat werden wir in diesem Abschnitt herleiten. Durch eine entsprechende Erweiterung des Beweises zeigen wir das Analogon für das Axiom der reellen Determiniertheit: gilt ADR im Universum, dann ist L(℘(R)) ein Modell von ADR . Zunächst beweisen wir also: Satz 4.1: Wenn AD im Universum gilt, dann auch im Modell L(R): AD ⇒ L(R) |= AD. 1 Jan Mycielski [Myc64], S. 205. Vgl. dazu Abschnitt 1.6. 3 Vgl. [Sol69], S. 60. Tatsächlich vermutet er dort, daß, falls eine superkompakte Kardinalzahl existiert, jede Teilmenge von R die Perfekte-Mengen-Eigenschaft besitzen sollte, d.h. daß PSP gilt. 2 99 100 K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT Beweis. Angenommen, es gilt AD. Sei A ⊆ RL(R) gegeben. Dann ist insbesondere auch A ⊆ RV . Da nach Voraussetzung AD gilt, existiert für einen der beiden Spieler in V eine Gewinnstrategie σ im Spiel G(A). Nach Lemma 2.13 können wir σ durch eine reelle Zahl σ̄ elementar kodieren. Da R ⊆ L(R) gilt, ist die kodierten Strategie ein Elemente von L(R): σ̄ ∈ L(R). Außerdem ist aufgrund der Elementarität der Definition die Funktion Φ0 ein Element von L(R), wir können also die Information der Strategie innerhalb von L(R) wieder dekodieren. Es bleibt zu zeigen, daß die Eigenschaft einer Strategie, eine Gewinnstrategie in einem Spiel G(A) mit A ∈ L(R) zu sein, absolut für L(R) ist. Seien ϕI und ϕII die in Definition 2.12 angegebenen Formalisierungen von Gewinnstrategien. Dann gilt: Beh. 1: Die Formel ϕI (ω, A, σ̄ ◦ Φ0 ) ist L(R)-absolut, d.h. es gilt: L(R) ϕI (ω, A, σ̄ ◦ Φ0 ) ⇔ ϕI (ω, A, σ̄ ◦ Φ0 ) . ∀A ∈ L(R) ∀σ̄ ∈ L(R) Entsprechendes gilt für ϕII (ω, A, σ̄ ◦ Φ0 ). Beweis. Die Behauptung folgt unmittelbar aus der Definition von ϕI und ϕII . Dabei wird die Tatsache benutzt, daß R ∩ L(R) = R sowie ω = ω L(R) ∈ L(R) gilt. (1) Aus der Behauptung folgt, daß σ̄ ◦ Φ0 eine Gewinnstrategie im Model L(R) ist, wenn σ eine Gewinnstrategie im Universum ist. Damit gilt also: AD ⇒ ADL(R) . Wir erhalten durch die Übertragung des Beweises auf Spiele über reellen Zahlen die entsprechende Aussage: Satz 4.2: Wenn ADR im Universum gilt, dann auch im Modell L(℘(R)): ADR ⇒ L(℘(R)) |= ADR . Beweis. Der Beweis verläuft analog zu dem Beweis des letzten Satzes. Angenommen, es gilt L(℘(R)) ADR . Sei A ⊆ Rω gegeben. Wir wollen zeigen, daß die Menge A in L(℘(R)) determiniert ist, d.h. eine Gewinnstrategie für einen Spieler im Spiel GR (A) im Modell L(℘(R)) V enthalten ist. Da ebenfalls A ⊆ Rω ist und nach Voraussetzung ADR gilt, existiert für einen der beiden Spieler in V eine Gewinnstrategie σ im Spiel GR (A). Nach Lemma 2.13 können wir σ durch ein Σ ∈ ℘(R) elementar kodieren. Da ℘(R) ⊆ L(℘(R)) gilt, ist die kodierten Strategie ein Elemente von L(℘(R)): Σ ∈ L(℘(R)). Aufgrund der Elementarität der Definitionen sind die Funktionen Φ1 und f∗ : R × R → R, hx, yi 7→ x ∗ y Elemente von L(℘(R)). Außerdem ist f∗ eine Bijektion. Wir können also innerhalb von L(℘(R)) aus Σ wieder die Funktion σ̄ : R → R dekodieren: z ∈ Σ ⇔ ∃x, y ∈ R z = x ∗ y ∧ σ̄(x) = y . 4.1. KONSTRUKTIBLE M ODELLE VON AD UND ADR 101 Insbesondere gilt also: σ̄ ∈ L(℘(R)). Es bleibt zu zeigen, daß die Eigenschaft eine Gewinnstrategie in einem Spiel GR (A) mit A ∈ L(℘(R)) zu sein, absolut für L(℘(R)) ist. Seien wieder ϕI und ϕII die ∈-Formeln aus Definition 2.12. Dann gilt: Beh. 1: Die Formel ϕI (R, A, σ̄ ◦ Φ1 ) ist L(℘(R))-absolut, d.h. es gilt: ∀A ∈ L(℘(R)) ∀σ̄ ∈ L(℘(R)) Entsprechendes gilt für ϕII (R, A, σ̄ ◦ Φ1 ). L(R) ϕI (R, A, σ̄ ◦ Φ1 ) ⇔ ϕI (R, A, σ̄ ◦ Φ1 ) . Beweis. Auch diese Behauptung folgt unmittelbar aus der Definition von ϕI und ϕII . Dabei wird die Tatsache benutzt, daß RR ∩ L(℘(R)) = RR sowie ω = ω L(℘(R)) ∈ L(℘(R)) gilt. (1) Aus der Behauptung folgt, daß σ̄ ◦ Φ1 eine Gewinnstrategie im Model L(℘(R)) ist, wenn σ eine Gewinnstrategie im Universum ist. Damit gilt also: L(℘(R)) ADR ⇒ ADR 4.2 . Konsistenzbetrachtungen In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns mit einigen Konsistenzergebnissen in bezug auf die beiden Determiniertheitsaxiome AD und ADR . Der erste Teil behandelt einige Ergebnisse zu den verschiedenen Auswahlprinzipien. Im zweiten Teil betrachten wir die Konsistenzstärke der Determiniertheitsaxiome in bezug auf Große-Kardinalzahl-Axiome. I. Determiniertheitsaxiome und Auswahlprinzipien Aufgrund vieler einzelner Resultate ist in den letzten Jahrzehnten der Eindruck entstanden, daß ZF + AD + DC + V = L(R) eine umfassende Theorie“ für L(R) darstellt, ähnlich wie ZF + ” V = L eine umfassende Theorie“ für das konstruktible Universum L ist.4 In der erstgenannten ” Theorie lassen sich viele grundlegende mathematische Fragen entscheiden. Doch während ZF + V = L bereits das Auswahlaxiom impliziert, scheint es zunächst so, als ob man zur Theorie ZF + AD + V = L(R) noch das Auswahlprinzip DC hinzufügen müßte, um eine ausreichend starke Theorie von L(R) entwickeln zu bekommen. Alexander Kechris konnte aber 1984 zeigen, daß diese Hinzunahme eines Auswahlprinzips nicht notwendig ist. Er bewies, daß unter der Annahme von AD im konstruktiblen Modell L(R) schon DC gilt: Satz 4.3 (Kechris): [AD + V = L(R)] Es gilt DC. Beweis. Vgl. [Kec84], Paragraph 2. 4 Der Begriff umfassende Theorie“ ist natürlich eine sehr vage, metamathematische Beschreibung, die sich auf” grund der Gödelschen Unvollständigkeitssätze nicht vollständig formalisieren läßt. Einerseits hat man eine klare, aber eben nicht-formale Intuition, der man damit Rechnung tragen möchte: die Theorie soll alle mathematischen“ ” Probleme entscheiden können, im Gegensatz zu den logischen“ Problemen, die u.a. aus den Gödelsätzen entstehen. Andererseits gibt es Möglichkeiten, einen derartigen”Begriff unter geeigneten Umständen und in gewissen Grenzen auch zu formalisieren. Hier sei z.B. auf die Ω-Logik von Hugh Woodin verwiesen. Vgl. [Woo00]. 102 K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT Aufgrund dieses Ergebnisses stellt Kechris in seinem oben genannten Artikel die folgende Analogie von L und L(R) auf – im Sinne einer umfassenden“ Beschreibung der konstruktiblen Modelle ” im Zähler“ durch die Theorien im Nenner“: ” ” L L(R) ∼ ZF + V = L ZF + AD + V = L(R) Aus dem Satz erhalten wir zusätzlich: Korollar 4.4: Es gilt Kon(ZF + AD) ⇒ Kon(ZF + AD + DC). Andererseits konnte Woodin zeigen: Satz 4.5 (Woodin): Es gilt Kon(ZF + AD) ⇒ Kon(ZF + AD + ¬ACω ). Beweis. Vgl. auch [Kec84], Paragraph 3. Nach Lemma 1.7 gilt aber DC ⇒ ACω . Daher bedeutet dieses Resultat auch: Kon(ZF+AD) ⇒ Kon(ZF + AD + ¬DC). Das Axiom DC ist also unabhängig von der Theorie ZF + AD. Nach dem Satz von Kechris kann AD nicht ¬DC und damit auch nicht ¬DC(R) implizieren. Die Frage, ob aber AD vielleicht die positive Aussage DC(R) impliziert, ist immer noch offen: ? Frage 4.6: Gilt AD ⇒ DC(R)? Zunächst vermutete Solovay, daß diese Implikation nicht gilt.5 Ein bisher unveröffentlichtes Resultat, das ebenfalls von Hugh Woodin stammt, liefert dagegen ein Indiz für die Gültigkeit der oben genannten Implikation. Demnach ist die Annahme von AD + ¬DC(R) so stark, daß daraus die Konsistenz von ZF + ADR gefolgert werden kann:6 Satz 4.7 (Woodin): Es gilt ZF + AD + ¬DC(R) ` Kon(ZF + ADR ). Welcher Grad an Auswahl wird nun von ADR impliziert? Nach Lemma 3.4 folgt aus ADR zumindest ACR (R) und damit auch DC(R) und ACω (R). Wir werden aber später noch sehen, daß aus ADR nicht DC und nicht das abzählbare Auswahlaxiom für beliebige Mengen gefolgert werden kann. Vgl. dazu Satz 4.47. II. Die Konsistenzstärke der Determiniertheitsaxiome Betrachten wir die Determiniertheit der Teilmengen aus den projektiven Punktklassen, so ist in der Theorie ZFC der Komplexität der Auszahlungsmengen im Spiel G(A) eine Grenze gesetzt: ∆11 ist die letzte Stufe der projektiven Hierarchie, von deren Elementen wir direkt beweisen können, daß sie determiniert sind. Für die Determiniertheit der Elemente der höheren Stufen sind weitere Reichhaltigkeitsannahmen notwendig.7 Ein Maßstab für die Reichhaltigkeit“ einer Theorie ist die ” Existenz Großer Kardinalzahlen. Diese Existenz hat im Allgemeinen weitreichenden Einfluß auf 5 Vgl. [Sol78], Paragraph 6, 1. Vgl. [And], Theorem 8.19. 7 Diese Aussage bezieht sich auf Det(Σ11 ) bzw. Det(Π11 ), also auf die Determiniertheit aller Σ11 - bzw. Π11 Mengen. Die Determiniertheit bestimmter Mengen kann auch ohne zusätzlich Annahmen gezeigt werden. Vergleich dazu auch [Wol85]. 6 4.2. KONSISTENZBETRACHTUNGEN 103 die Mengenlehre dieser Theorie. Für die Determiniertheit von Mengen bedeutet das, daß wir häufig Resultate der folgenden Form zeigen können: die Konsistenz einer Theorie, aus der die Existenz einer Großen Kardinalzahl folgt, impliziert die Konsistenz von bestimmten Determiniertheitsforderungen. In den letzten Jahrzehnten hat sich eine tiefe Verbindung zwischen Determiniertheit und der Existenz Großer Kardinalzahlen herausgestellt. Ein erstes Indiz für diese Verbindung ist z.B. das Resultat von Solovay (siehe Satz 2.37), daß aus AD die Existenz einer meßbaren Kardinalzahl folgt. Selbst wenn wir nur die Determiniertheit der Mengen aus einzelnen projektiven Punktklassen betrachten, erhalten wir interessante Ergebnisse. Z.B. konnte Leo Harrington zeigen, daß aus Det(Π11 ) folgt, daß alle Sharps x# für x ⊆ ω existieren.8 Die Umkehrung zeigte Donald Martin: Satz 4.8 (Martin): Angenommen, es existiert x# für alle x ⊆ ω. Dann gilt Det(Π11 ). Beweis. Vgl. [Mar70]. Da aus der Existenz einer meßbaren Kardinalzahl die Existenz der oben angegebenen Sharps folgt, erhalten wir unmittelbar: Korollar 4.9: Aus der Existenz einer meßbaren Kardinalzahl folgt Det(Π11 ). Diese Resultate ließ vermuten, daß Annahmen über die Existenz anderer Großer Kardinalzahlen notwendig sind, um die Determiniertheit noch komplexerer Mengen zeigen zu können. Durch eine Erweiterung der Argumentation von Solovay konnten Donald Martin, John Green und John Simms zeigen, daß die Determiniertheit bestimmter Π12 -Mengen die Existenz innerer Modelle mit vielen meßbaren Kardinalzahlen impliziert.9 Deswegen war klar, daß man für den Beweis von Det(Π12 ) eine Hypothese brauchte, die mindestens so stark wie die Existenz vieler meßbarer Kardinalzahlen ist. Man versuchte, aus der Existenz einer superkompakten Kardinalzahlen die Determiniertheit dieser Mengen zu zeigen, allerdings ohne Erfolg. Erst 1980 gelang es Martin, Det(Π12 ) aus der Existenz von ω-riesigen Kardinalzahlen zu folgern.10 Fünf Jahre später gelang es schließlich Martin und Steel zusammen mit Hugh Woodin, der durch eine Verfeinerung der Techniken von Foreman, Magidor und Shelah die Voraussetzung geschaffen hatte, diese Suche nach geeigneten Großen Kardinalzahlen abzuschließen. Heute sind diese Großen Kardinalzahlen als Woodin-Kardinalzahlen bekannt und aus ihrer Existenz folgt die Determiniertheit der Punktklassen aus den höheren Stufen der projektiven Hierarchie, d.h. Det(Π12 ), Det(Π13 ) etc.: Definition 4.10: Eine Kardinalzahl δ heißt Woodin, falls für jede Funktion f : δ → δ ein α < δ und eine elementare Einbettung j : V ≺ M in ein inneres ZFC-Modell M mit Träger M existiert, so daß f 00 α ⊆ α, crit(j) = α und Vj(f )(a) ⊆ M gilt. Satz 4.11 (Martin-Steel): [AC] Angenommen, es existieren n Woodin-Kardinalzahlen und eine meßbare oberhalb dieser. Dann gilt Det(Π1n+1 ). Für eine ausführliche Darstellung dieser Suche“ nach geeigneten Großer Kardinalzahlen und für ” die Beweise der Aussagen vgl. [MS89] und [Kan97], Abschnitt 32. Eine Erweiterung dieses Resultats lieferte dann: 8 Vgl. [Har78] und [Jec97], Theorem 105. Vgl. [Kan97], S. 444f. für einen historischen Überblick sowie [Gre78] und [Sim79]. 10 Vgl. [Mar80]. 9 104 K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT Satz 4.12 (Woodin): [AC] Angenommen, es existieren unendlich viele Woodin-Kardinalzahlen und eine meßbare oberhalb dieser. Dann gilt: L(R) |= ZF + DC + AD. Die Voraussetzung über die Existenz der meßbaren Kardinalzahl kann abgeschwächt werden. Allerdings kann man nicht ganz auf eine weitere Voraussetzung verzichten, d.h. nur die Existenz von ω Woodin-Kardinalzahlen reicht als Annahme nicht aus, um ADL(R) zu implizieren. Trotzdem konnte Woodin die exakte Konsistenzstärke von AD durch die Existenz unendlich vieler Woodin-Kardinalzahlen ohne weitere Voraussetzung bestimmen: Korollar 4.13: Kon(ZFC + es existieren ω Woodin-Kardinalzahlen“) ⇔ Kon(ZF + AD). ” In bezug auf die Konsistenzstärke von ZF + ADR gelang es ebenfalls Hugh Woodin, diese relativ zu einer Aussage zu bestimmen, die in die Große-Kardinalzahl-Hierarchie einzuordnen ist, obwohl sie selbst kein richtiges Axiom über Große Kardinalzahl ist. Um diese Aussage zu formulieren, definieren wir zunächst: Definition 4.14: Sei γ, λ ∈ Ord. Eine Kardinalzahl κ heißt γ-stark, falls eine elementare Einbettung j : V ≺ M in ein inneres ZFC-Modell M mit Träger M existiert, so daß crit(j) = κ, γ < j(κ) und Vκ+γ ⊆ M gilt. κ heißt <λ-stark, falls κ γ-stark ist für alle γ < λ. Mit Hilfe der <λ-starken Kardinalzahlen definieren wir die folgende Aussage: Definition 4.15: Wir bezeichnen die folgende Aussage als ADR -Hypothese: es existieren zwei Folgen von Kardinalzahlen hκn | n ∈ ωi und hδn | n ∈ ωi, so daß gilt: (1) λ :≡ supn∈ω δn = supn∈ω κn ; (2) ∀n ∈ ω κn < δn < κn+1 ; (3) ∀n ∈ ω κn ist <λ-stark ; (4) ∀n ∈ ω δn ist Woodin . Die ADR -Hypothese fordert also die Existenz zweier ineinander geschachtelter, echt aufsteigender Folgen von ω vielen Woodin-Kardinalzahlen und ω vielen, für alle γ kleiner dem (identischen) Supremum der Folgen γ-starken Kardinalzahlen (vgl. Abbildung 4.1). Die ADR -Hypothese ist κ0 δ0 κ1 δ1 κ2 ... λ Abb. 4.1: Die Großen Kardinalzahlen der ADR -Hypothese selbst kein Große-Kardinalzahl-Axiom. Es gelten aber die beiden folgenden Aussagen, die es uns ermöglichen, die ADR -Hypothese in die Große-Kardinalzahl-Hierarchie einzuordnen. Wir können ihre Konsistenzstärke in bezug auf Großen Kardinalzahlen messen, denn (1) impliziert, daß eine Große Kardinalzahl Instanzen der ADR -Hypothese liefert und (2) impliziert, daß wir durch Instanzen der ADR -Hypothese innere Modelle mit Großen Kardinalzahlen erhalten:11 11 Für eine Referenz und für die Beweise vgl. [Kan97], S. 358ff und [And], Abschnitt 8.B. 4.2. KONSISTENZBETRACHTUNGEN 105 (1) Wenn δ ein Woodin-Limes von Woodin-Kardinalzahlen ist, dann existieren beliebig große Instanzen der ADR -Hypothese unterhalb von δ; (2) Seien die κn wie in der ADR -Hypothese gegeben. Dann gilt Vκn |= ZFC+ es existiert ” eine echte Klasse von Woodin-Kardinalzahlen“. Ein bisher unveröffentlichtes Resultat von Hugh Woodin rechtfertigt nun den Namen ADR ” Hypothese“ und zeigt die relative Konsistenz von ZF + ADR zu dieser Aussage: Satz 4.16 (Woodin): Es gilt: (1) [AC] Angenommen, die ADR -Hypothese gilt und es existiert eine meßbare Kardinalzahl κ > supn∈ω κn . Dann existiert eine echte Klasse M mit R ⊆ M , so daß M |= ZF + ADR gilt; (2) Kon(ZFC + ADR -Hypothese) ⇔ Kon(ZF + ADR ). Aus Teil (2) und der Definition der ADR -Hypothese folgt zusammen mit Korollar 4.13, daß ZF+ ADR sogar die Konsistenz der Theorie ZF + AD beweist. Wir werden allerdings am Ende des Kapitels dieses Resultat noch einmal auf einen anderen Wege herleiten. Vgl. dazu Satz 4.46. Bemerkung 4.17: Wir haben schon im letzten Kapitel bemerkt, daß Axiome über die Existenz Großer Kardinalzahlen für die gegenwärtige Mengenlehre den Maßstab für die Glaubwürdigkeit“ ” bzw. Evidenz einer Theorie darstellen: wenn man die Konsistenz einer Theorie in Relation zu der Konsistenz von ZF bzw. ZFC zusammen mit einem Große-Kardinalzahl-Axiom beweisen kann, dann hält man die Evidenz dieser Theorie für genügend abgesichert. [...] large cardinals via the method of forcing turn out to be the natural measures of ” the consistency strength of ZFC + ϕ for various statements ϕ in the language of set theory.“ 12 Der Vorteil der Großen Kardinalzahlen als Maßstab der Evidenz von Theorien liegt darin, daß sie eine weitgehend lineare Hierarchie bilden und sich überwiegend einheitlich formulieren lassen.13 [...] the neat hierarchical structure of the large cardinals and the extensive equi” consistency results that have already been demonstrated to date are strong plausibility arguments for the inevitability of the theory of large cardinals as the natural extension of ZFC.“ 14 Viele moderne Mengentheoretiker halten die Existenz Großer Kardinalzahlen für eine vernünf” tige“ Annahme oder – um es mit einem philosophischen Terminus zu beschreiben – für selbstevident. Some set theorists consider large cardinal axioms self-evident, or at least as follo” wing from a priori principles implied by the concept of set.“ 15 12 Akihiro Kanamori und Menachem Magidor [KM78a], S. 105. Fast alle Großen Kardinalzahlen lassen durch die Existenz von elementaren Einbettungen des Universums in innere Modelle formulieren, die bestimmten Zusatzbedingungen genügen, z.B. Bedingungen an den kritischen Punkt der Einbettung. Alternativ kann man das Konzept der Extender betrachten: die Formalisierbarkeit der GroßeKardinalzahl-Axiome bzgl. der Logik erster Stufe kann mit Hilfe der Extender gezeigt werden. 14 Akihiro Kanamori und Menachem Magidor [KM78a], S. 264. 15 Donald Martin [Mar77], S. 813. 13 106 K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT Die Glaubwürdigkeit“ bzw. Evidenz einer Theorie wird demnach erhöht, wenn man sie direkt ” aus einem Große-Kardinalzahl-Axiom ableiten oder ihre Konsistenzstärke relativ zu einer Theorie mit einer Großen Kardinalzahl bestimmen kann. Das ist sicher eine philosophisch und metamathematisch bemerkenswerte Tatsache und bedarf einer eingehenden Untersuchung. Im Grunde verschiebt man natürlich nur das Problem, denn letztlich ist die Existenz einer Großen Kardinalzahl genausowenig gesichert wie die Gültigkeit von AD oder ADR . Eine ausführliche Analyse der Evidenz von Theorien würde sicherlich den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Für eine weiterführende Darstellung dieser Problematik vgl. [Mad88a], [Mad88b], [KM78a] und [KRS78]. 4.3 L(R) ist kein Modell von ADR In diesem Abschnitt werden wir auf zwei Arten zeigen, daß L(R) kein Modell von ADR ist. Beide Beweise beruhen auf einem Diagonalisierungsargument und verwenden dazu den in Abschnitt 1.6 eingeführten Begriff der Ordinalzahldefinierbarkeit. Der erste Beweis stammt von Solovay und liefert uns unmittelbar das gewünschte Resultat.16 Der zweite Beweis beruht im wesentlichen auf der gleichen Konstruktion, aber er liefert uns detailliertere Informationen, warum L(R) kein Modell von ADR ist. Satz 4.18 (Solovay): Es gilt: ADR ⇒ ∀A ⊆ R ∃B ⊆ R ∀x ∈ R B 6∈ ODA ({x}) . Beweis. Wir führen einen Widerspruchsbeweis. Angenommen, es existiert eine Teilmenge A der reellen Zahlen, so daß für jede Teilmengen B ⊆ R eine reelle Zahl x existiert mit B ∈ ODA ({x}). Für jedes x ∈ R definieren wir: Sx :≡ R ∩ ODA ({x}). Nach Lemma 1.92 ist ODA ({x}) und damit auch Sx wohlordenbar für jedes x ∈ R. Nach Satz 3.1 gilt ADR ⇒ AD. Nach Korollar 2.30 existiert daher keine wohlordenbare, überabzählbare Menge reeller Zahlen, also ist jedes Sx ⊆ R abzählbar. Andererseits gilt der Satz von Cantor bereits in ZF, d.h. es ist |R| = 2ℵ0 > ℵ0 und daher ist R nicht abzählbar ist. Es folgt R − Sx 6= ∅ für jedes x ∈ R. Also ist {R − Sx | x ∈ R} eine R-indizierte Familie nicht-leerer Teilmengen von R. Nach Lemma 3.4 folgt aus ADR bereits das Auswahlprinzip ACR (R) und daher existiert eine Auswahlfunktion: [ f :R→ R − Sx mit ∀x ∈ R f (x) ∈ R − Sx . x∈R Wegen f : R → R ist f ⊆ R × R. Durch eine elementare Kodierung – z.B. hx, yi 7→ x ∗ y – können wir f als Teilmenge von R auffassen. Also ist nach unserer Annahme f ∈ ODA ({x0 }) für ein x0 ∈ R. Offensichtlich gilt x0 ∈ ODA ({x0 }). Ist andererseits eine Funktion f und ein Argument x in ODA ({z}), dann liegt auch der Funktionswert f (x) in ODA ({z}). Also gilt f (x0 ) ∈ R ∩ ODA ({x0 }) und nach Definition damit f (x0 ) ∈ Sx0 . Das steht aber im Widerspruch zu f (x0 ) ∈ R − Sx0 . 16 Vgl. [Sol78]. 4.3. L(R) IST KEIN M ODELL VON ADR 107 Für A ⊆ R sei L(R)[A] das im Abschnitt 1.6 definierte konstruktible Modell, d.h. das kleinste innere ZF-Modell M, das alle Ordinalzahlen und alle reellen Zahlen enthält und so daß für jedes x ∈ M auch x ∩ A ∈ M gilt. Korollar 4.19: Es gilt ADR ⇒ ∀A ⊆ R V 6= L(R)[A] . Insbesondere für A = ∅: ADR ⇒ V 6= L(R). Beweis. V = L(R)[A] impliziert nach Lemma 1.93, daß für alle B ⊆ R ein x ∈ R existiert, so daß B ∈ ODA ({x}) gilt. Das steht aber im Widerspruch zu dem obigen Satz. Da andererseits L(R)[A] |= ∃B ⊆ R V = L(R)[B] gilt,17 folgt aus dem Korollar unmittelbar: Insbesondere also für A = ∅: ∀A ⊆ R L(R)[A] |= ¬ADR . L(R) |= ¬ADR . Wir erhalten damit eine Analogie zu AD, denn L ist ein Modell des Auswahlaxioms, also gilt: L = L(ω) |= ¬AD. Nach Satz 4.1 gilt andererseits AD ⇒ L(R) |= AD. Also kann AD nicht ADR implizieren, denn zusammen gilt: AD ⇒ L(R) |= AD + ¬ADR . Umgekehrt impliziert ADR aber AD. Damit ist ADR eine echt stärkere Aussage als AD. Wir kommen nun zum zweiten Beweis, daß L(R) kein Modell von ADR ist. Der Beweis bezieht sich auf die Uniformisierbarkeit von Teilmengen reeller Zahlen.18 Dieser Ansatz erlaubt einen tieferen Einblick in das Verhältnis von reeller Determiniertheit zum konstruktiblen Modell L(R) und liefert uns detaillierte Informationen, ab welcher Komplexität von Teilmengen reeller Zahlen das Modell L(R) nicht mehr die Determiniertheit entsprechender Spiele über R zeigen kann. Lemma 4.20: Es gilt ADR ⇒ Unif . Beweis. Aus ADR folgt nach Lemma 3.4 das Auswahlprinzip ACR (R), nach Lemma 1.39 also auch Unif . Wir erhalten aus Lemma 1.39 zusammen mit dem unveröffentlichtem Resultat von Hugh Woodin19 zur Äquivalenz von ADR und AD + ACR (R) in der Theorie ZF + DC das folgende Resultat: 17 Vgl. [Jec97], Theorem 37. Vgl. dazu auch Abschnitt 1.4. 19 Vgl. Satz 3.27. 18 108 K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT Satz 4.21: [AD + DC] Folgende Aussagen sind äquivalent: (1) ADR ; (2) AD2R ; (3) ACR (R); (4) Unif , d.h. jede Menge reeller Zahlen ist uniformisierbar; (5) Skala, d.h. jede Menge reeller Zahlen besitzt eine Skala; (6) S ∞ = ℘(R), d.h. jede Menge reeller Zahlen ist Suslin. Die Konstruktion im Beweis von Satz 4.18 liefert uns zusammen mit der Uniformisierbarkeit von Teilmengen reeller Zahlen den gewünschten Nachweis, daß L(R) kein Modell von ADR sein kann. Dazu zeigen wir zunächst: Satz 4.22: Angenommen, es gilt V = L(R) und es gibt keine Wohlordnung der reellen Zahlen. Dann gilt ¬Unif . Beweis. Sei A ⊆ R2 wie folgt definiert: A :≡ {hx, yi ∈ R2 | y 6∈ OD({x})}. Nach Lemma 1.92 besitzt OD({x}) für jedes x ∈ R eine definierbare Wohlordnung. Angenommen, es existiert ein x0 ∈ R, so daß alle reellen Zahlen in OD({x0 }) enthalten sind. Dann erhalten wir eine durch die Wohlordnung von OD({x0 }) induzierte Wohlordnung der reellen Zahlen. Das steht aber im Widerspruch zu unserer Voraussetzung. Also gilt: ∀x ∈ R ∃y ∈ R hx, yi ∈ A . Um nun einen Widerspruch zu erhalten, nehmen wir an, es existiert eine Menge B ⊆ A, die A uniformisiert. Nach Voraussetzung gilt V = L(R). Nach Lemma 1.93 existiert daher ein x0 ∈ R, so daß B ∈ OD({x0 }) gilt.20 Andererseits ist x0 ∈ OD({x0 }). Da B eine Funktion ist, liegt mit B und x0 auch der Funktionswert y0 mit hx0 , y0 i ∈ B in OD({x0 }), d.h. es gilt y0 ∈ OD({x0 }). Nach Definition von A folgt dann: hx0 , y0 i 6∈ A, d.h. B ist keine Teilmenge von A. Widerspruch! Aus dem Satz folgt nun: Korollar 4.23: [AD] Es gilt: (1) L(R) |= ¬Unif ; (2) L(R) |= S ∞ $ ℘(R). Beweis. Angenommen, es gilt AD. Nach Satz 4.1 gilt dann auch L(R) |= AD. Nach Satz 2.21 existiert daher auch in L(R) keine Wohlordnung der reellen Zahlen. Nach dem obigen Satz gilt also L(R) |= ¬Unif . Nach Korollar 1.77 gilt damit auch L(R) |= S ∞ $ ℘(R). Korollar 4.24: Es gilt L(R) |= ¬ADR . 20 Dabei setzten wir das in dem Lemma angegebene Prädikat A :≡ ∅. 4.3. L(R) IST KEIN M ODELL VON ADR 109 Beweis. Angenommen, es gilt L(R) |= ADR . Da ADR ⇒ AD gilt folgt analog zum letzten Beweis L(R) |= ¬Unif . Andererseits gilt nach Lemma 4.20: ADR ⇒ Unif , also nach unserer Annahme L(R) |= Unif . Widerspruch. Also kann L(R) kein Modell von ADR sein. Wir erhalten unmittelbar: Korollar 4.25: Es gilt: (1) ZF + AD 6` Unif ; (2) ZF + AD 6` ACR (R). Man kann die Komplexität des Gegenbeispiels A zur Uniformisierung aus dem Beweis von Satz 4.22 explizit angeben. Wir betrachten dazu noch einmal die Definition von OD({x}). Wir erhalten dann aus Absolutheitsgründen für x ∈ R im konstruktiblen Modell L(R): L(R) ˙ ∃β < α y ∈ Lα (R) y ∈ OD({x}) ⇔ ∃α ∈ Ord ∃ϕ ∈ Fml(∈) ∧ ∀z ∈ Lα (R) z ∈ y ⇔ Lα (R) |= ϕ[z, β, x] . Da wir Formeln über eine Gödelisierung als Elemente von Vω auffassen können, ist der erste Existenzquantor der einzige, der unbeschränkt ist, d.h. die oben genannte Formel ist mindestens eine Σ1 -Formel mit Parametern aus R ∪ {R}. Damit ist unter der Voraussetzung V = L(R) die L(R) Menge {hx, yi ∈ R2 | y ∈ OD({x})} ein Element von Σ1 (R ∪ {R}) und daher die Menge L(R) A aus dem Beweis ein Element von Π1 (R ∪ {R}) . Wir werden in Abschnitt 5.1 zeigen, daß folgendes gilt:21 L(R) L(R) = Π1 (R ∪ {R}) ∩ ℘(R). Π21 Zusammen erhalten wir also: AD + V = L(R) ` ¬Unif Π21 , ℘(R2 ) . Andererseits gilt für die duale Punktklasse:22 Satz 4.26 (Martin-Moschovakis-Steel): [AD + V = L(R)] Es gilt Unif (Σ21 ). Aufgrund des Lemmas von Wadge23 gilt unter AD für jede Fettdruck-Punktklasse Γ, daß Γ ⊆ Σ21 oder Π21 ⊆ Γ. Nach den oben genannten Ergebnissen ist also Σ21 in der Theorie ZF + AD + V = L(R) die größte Fettdruck-Punktklasse, die Unif Γ, ℘(R2 ) erfüllt. 4.4 Die Wadge-Hierarchie Wir haben schon gesehen, daß unter der Voraussetzung, daß ADR im Universum gilt, L(℘(R)) ein Modell von ADR ist. Um weitere konstruktible Modelle von ADR zu erhalten, benötigen wir den Begriff der Wadge-Reduzibilität. Diese einfach zu definierende Relation zwischen Teilmengen der reellen Zahlen besitzt viele Anwendungen in der Deskriptiven Mengenlehre und im besonderen in bezug auf die Theorie von AD. Diese Relation wurde 1968 von William Wadge eingeführt und in seiner Dissertation an der University of California at Berkeley behandelt.24 21 Vgl. Korollar 5.5. Vgl. Korollar 5.10. 23 Vgl. Lemma 4.30. 24 Vgl. [Wad83]. 22 110 K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT Definition 4.27: Seien A, B ⊆ R. (1) A heißt Wadge-reduzibel zu B, im Zeichen A ≤W B :⇔ es existiert eine stetige Funktion f : R → R mit A = f −100 B; (2) A ≡W B :⇔ A ≤W B ∧ B ≤W A; (3) A <W B :⇔ A ≤W B ∧ ¬B ≤W A. Man überprüft leicht, daß ≤W reflexiv und transitiv ist. Daher ist ≡W eine Äquivalenzrelation. Wir definieren deshalb: Definition 4.28: Sei A ⊆ R. (1) Die Äquivalenzklasse [A]W bzgl. ≡W heißt der Wadge-Grad von A; (2) [R − A]W heißt der duale Wadge-Grad von [A]W ; (3) Ein Wadge-Grad heißt selbst-dual, falls [A]W = [R − A]W gilt; (4) Für nicht selbst-duale Wadge-Grade heißt ([A]W , [R − A]W ) das nicht-selbst-duale Paar; (5) Die Wadge-Hierarchie ist die Menge der Wadge-Grade mit der induzierten partiellen Ordnung. Wie man leicht zeigt, gilt: Lemma 4.29: Für A, B ⊆ R gilt A ≤W B ⇒ R − A ≤W R − B. Das besondere Verhalten dieser Relation unter AD zeigt sich im folgenden Lemma von Wadge: Lemma 4.30 (Wadge): [AD] Seien A, B ⊆ R. Dann gilt entweder A ≤W B oder B ≤W R − A. Beweis. Wir betrachten das Wadge-Spiel GW (A, B) mit Zügen aus ω: I II x0 x2 x1 x3 ... ... Spieler II gewinnt dieses Spiel genau dann, wenn xI ∈ A ⇔ xII ∈ B gilt. Um ein übliches Spiel zu erhalten, definieren wir die folgende Auszahlungsmenge: Z :≡ {x ∈ R | (xI ∈ A ∧ xII 6∈ B) ∨ (xI 6∈ A ∧ xII ∈ B)}. Nach Voraussetzung ist das Spiel GW (A, B) = G(Z) determiniert. Wir betrachten die beiden Fälle: Fall 1: Spieler II besitzt eine Gewinnstrategie τ . Dann gilt ∀x ∈ R x ∈ A ⇔ (x ∗ τ )II ∈ B . 1 für ein n ∈ ω, d.h. es gilt xn = yn, Sei f : R → R, x 7→ (x ∗ τ )II . Ist d(x, y) < 2n+1 dann ist offensichtlich (x ∗ τ )2n = (y ∗ τ )2n. Also gilt (x ∗ τ )II n = (y ∗ τ )II n. Damit ist 1 d(f (x), f (y)) < 2n+1 und f ist stetig. Weiter gilt für alle x ∈ R: x ∈ A ⇔ f (x) ∈ B, also −100 A=f B. Es folgt A ≤W B. Fall 2: Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie σ. Dann gilt ∀x ∈ R (σ ∗ y)I 6∈ A ⇔ y ∈ B . Sei nun f : R → R, y 7→ (σ ∗ y)I . Analog zum Fall 1 zeigt man, daß f stetig ist. Es gilt für alle y ∈ R: y ∈ B ⇔ f (y) 6∈ A, also B = f −100 (R − A). Es folgt B ≤W R − A. 4.4. D IE WADGE -H IERARCHIE 111 Identifiziert man die Wadge-Grade einer Menge und ihres Komplements, so erhält man die modifizierte Wadge-Hierarchie. Diese ist nach dem Lemma unter AD eine lineare Ordnung. Tatsächlich erhalten wir: Satz 4.31 (Martin-Monk): [AD + DC(R)] Die modifizierte Wadge-Hierarchie ist eine Wohlordnung. Beweis. Vgl. [And], Theorem 11.18. Wir definieren daher: Definition 4.32: [AD + DC(R)] Sei A ⊆ R. Der Wadge-Rang |A|W ist der Rang von A bzgl. der Wohlordnung <W der modifizierten Wadge-Hierarchie. Unter AD erhält man die folgenden Eigenschaften der Wadge-Hierarchie: Satz 4.33: [AD] Es gilt: (1) Sind zwei Mengen A, B ⊆ R Wadge-unvergleichbar, d.h. es gilt A 6≤W B und B 6≤W A, dann folgt aus Wadges Lemma und Lemma 4.29: B ≡W R − A und A ist nicht-selbst-dual. Also hat jede Antikette bzgl. der Wadge-Hierarchie höchstens 2 Elemente; (2) Jeder selbst-duale Wadge-Grad ist mit jedem anderen Grad vergleichbar; (3) [∅]W und [R]W sind zwei verschiedene, minimale Grade; (4) Jeder selbst-duale Grad besitzt ein nicht-selbst-duales Paar als unmittelbaren Nachfolger. Jedes nicht-selbst-duale Paar besitzt einen selbst-dualen Grad als unmittelbaren Nachfolger; (5) [DC(R)] Die Stufen der Wadge-Hierarchie an Limesordinalzahlen der Konfinalität ω bestehen aus einem selbst-dualen Grad und die Stufen an Limesordinalzahlen mit Konfinalität > ω bestehen aus einem nicht-selbst-dualen Paar. Beweis. Vgl. [And], Corollary 11.33. Zusammen erhalten wir in der Theorie ZF + AD + DC(R) das in Abbildung 4.2 dargestellte Bild der Wadge-Hierarchie. [A]W [∅]W s s s s [R]W s s s s ...... s s s [R − A]W s s ...... s 6 cof(λ) = ω s ...... s 6 cof(λ) > ω Abb. 4.2: Die Wadge-Hierarchie unter AD + DC(R) Lemma 4.34: [AD] Es existiert eine uniforme Abbildung JW : ℘(R) → ℘(R), die jede Menge A ⊆ R auf eine Teilmenge von R mit echt größerem Wadge-Grad als A und R − A abbildet, d.h. es gilt A <W JW (A) und R − A <W JW (A). 112 K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT Beweis. Für A ⊆ R definieren wir: JW (A) :≡ {h0iax | cx (h0iax) 6∈ A} ∪ {h1iax | cx (h1iax) ∈ A}. Dabei sei cx die in Definition 1.24 angegebene Kodierung der stetigen Funktionen durch reelle Zahlen. Angenommen, es gilt JW (A) ≤W A. Wir werden einen Widerspruch anhand eines Diagonalisierungsarguments herleiten. Nach Definition von ≤W existiert ein x0 ∈ R, so daß 00 JW (A) = c−1 x0 A gilt. Wir führen eine Fallunterscheidung durch: Fall 1: Angenommen, es ist h0iax0 ∈ JW (A). Dann gilt nach Definition cx0 (h0iax0 ) 6∈ A. Das steht im Widerspruch zu cx0 00 JW (A) ⊆ A. Fall 2: Angenommen, es ist h0iax0 6∈ JW (A). Dann gilt cx0 (h0iax0 ) ∈ A, also h0iax0 ∈ 00 c−1 x0 A = JW (A). Widerspruch. Da einer der beiden Fälle eintreten muß, gilt also JW (A) 6≤W A. Der Beweis für R − A verläuft entsprechend: angenommen, es gilt JW (A) ≤W R − A. Dann existiert ein x1 ∈ R, so daß 00 JW (A) = c−1 x1 (R − A). Wir führen wieder eine Fallunterscheidung durch: Fall 1: Angenommen, es ist h1iax1 ∈ JW (A). Dann gilt cx1 (h1iax1 ) ∈ A, also cx1 (h1iax1 ) 6∈ R − A. Das steht im Widerspruch zu cx1 00 JW (A) ⊆ R − A. Fall 2: Angenommen, es ist h1iax1 6∈ JW (A). Dann gilt cx1 (h1iax1 ) 6∈ A, also cx1 (h1iax1 ) ∈ 00 R − A und damit h1iax1 ∈ c−1 x1 (R − A) = JW (A). Widerspruch. Es folgt JW (A) 6≤W R − A. Nun folgt aus JW (A) 6≤W A nach Wadges Lemma 4.30, daß A ≤W R − JW (A) und nach Lemma 4.29 damit auch R − A ≤W JW (A). Andererseits gilt nach dem oben gesagten auch JW (A) 6≤W R − A, zusammen also R − A <W JW (A). Analog zeigt man, daß ebenfalls A <W JW (A) gilt. Aufgrund von Lemma 1.74 und der darin gezeigten Abgeschlossenheit von γ-Suslin-Mengen unter dem Urbild stetiger Funktionen erhalten wir unmittelbar: Lemma 4.35: S γ ist abgeschlossen unter der Wadge-Reduzibilität, d.h. ist B ∈ S γ und ist A ⊆ R, so daß A ≤W B gilt, dann ist auch A ∈ S γ . Für eine weitergehende Darstellung der Wadge-Reduzibilität und der Wadge-Hierarchie vgl. [And], Kapitel II und [vW78]. 4.5 Θ – ein Maß für die Größe des Kontinuums Möchte man unter AD den Umfang“ der reellen Zahlen in bezug auf die Ordinalzahlen ermit” teln, dann erscheint einerseits das Kontinuum aufgrund von Korollar 2.30 sehr klein zu sein, denn es existieren nur wenige“ Möglichkeiten für Injektionen f : α ,→ R für ein α ∈ Ord: da ” ℵ1 6≤ 2ℵ0 = |R| gilt, kann eine entsprechende Injektion nur für abzählbare α existieren. Nach Lemma 1.22 existiert andererseits bereits in der Theorie ZF eine Surjektion g : R ω1 . Es ist die Ungültigkeit des vollen Auswahlaxioms bzw. des dazu äquivalenten Wohlordnungssatzes, die dafür verantwortlich ist, daß überhaupt ein Unterschied zwischen den Möglichkeiten für Injektionen und Surjektionen besteht (vgl. auch Abschnitt 1.1). Wir können die Anzahl der Möglichkeiten für Surjektionen g : R α als ein Maß für die Größe 4.5. Θ – EIN M ASS F ÜR DIE G R ÖSSE DES KONTINUUMS 113 des Kontinuums auffassen. Diese Idee führt zu der in der Deskriptiven Mengenlehre sehr wichtigen Invariante“ Θ, die 1970 von Yiannis Moschovakis eingeführt wurde:25 ” Definition 4.36: Wir definieren: Θ : ≡ sup{α ∈ Ord | es existiert eine Surjektion f : R α} ≡ sup{α ∈ Ord | es existiert eine Präwohlordnung von R mit kk = α} Nach dem Ersetzungsschema in ZF folgt, daß Θ selbst eine Ordinalzahl ist. Außerdem kann die Kardinalität von Θ nicht kleiner als Θ sein, denn sonst ergäbe sich durch Komposition eine Surjektion R γ für ein γ > Θ. Also ist Θ eine Kardinalzahl und aufgrund der oben erwähnten + Existenz einer Surjektion R ω1 folgt in ZF, daß Θ ≥ ω2 . In ZFC gilt Θ = 2ℵ0 , also nimmt Θ unter ZFC + CH den minimalen Wert ω2 an. Andererseits kann die Bestimmung von Θ als eine Version des Kontinuum-Problems betrachtet werden. Es zeigte sich, daß Θ unter AD sehr groß sein muß: mit Hilfe des Coding Lemmas von Moschovakis26 zeigten Harvey Friedman und Robert Solovay, daß Θ in ZF + AD ein Fixpunkt der ℵ-Hierarchie ist, d.h. es gilt Θ = ℵΘ . Man kann Θ als eine Art Maß für den Einfluß von AD auf die transfiniten Zahlen interpretieren. Dieser Einfluß reicht aufgrund der Größe von Θ sehr weit ins Transfinite hinein. Für einen späteren Abschnitt benötigen wir die folgende Implikation des abzählbaren Auswahlaxioms für ℘(R): Lemma 4.37: [ACω (℘(R))] Es gilt cof(Θ) > ω. Beweis. Sei g : ω → Θ unbeschränkt in Θ. Dann existiert für alle n ∈ ω eine Präwohlordnung von R mit kk = g(n). Daher sind für jedes n ∈ ω die folgenden Mengen nicht-leer: An :≡ {| ist eine Präwohlordnung von R mit kk = g(n)}. S Nach Voraussetzung existiert eine Auswahlfunktion h : ω → n∈ω An . Für x ∈ R sei x̃ :≡ hx(n + 1) | n ∈ ωi. Für eine Präwohlordnung sei ρ die Rangfunktion gemäß Definition 1.21. Wir definieren dann für x ∈ R: f (x) :≡ ρh(x0 ) (x̃). Für alle x ∈ R gilt ρh(x0 ) (x̃) < kh(x0 )k = g(n) < Θ. Also ist f : R → Θ. Aber f ist surjektiv, denn sei α < Θ beliebig. Da g unbeschränkt in Θ ist, existiert ein n ∈ ω mit α < g(n). Dann ist h(n) eine Präwohlordnung von R mit α < kh(n)k. Andererseits ist ρh(n) : R kh(n)k, also existiert ein x ∈ R mit ρh(n) (x) = α. Sei y :≡ hniax. Dann gilt f (y) = α. Also ist f : R Θ. Das steht aber im Widerspruch zur Definition von Θ. Unter der Annahme von AD + DC(R) erhalten wir die folgende Beziehung von Θ und der im letzten Abschnitt eingeführten Wadge-Hierarchie: Lemma 4.38: [AD + DC(R)] Θ ist gleich dem Ordnungstyp der modifizierten Wadge-Hierarchie, d.h. es gilt Θ = sup{|A|W | A ⊆ R}. 25 26 Vgl. [Mos70]. Vgl. Lemma 2.31. 114 K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT Die zusätzliche Annahme von DC(R) ist notwendig, damit wir sicherstellen können, daß die modifizierte Wadge-Hierarchie gemäß Satz 4.31 tatsächlich eine Wohlordnung und damit der Ordnungstyp definiert ist. Beweis. ⊇“: Sei A ⊆ R mit γ :≡ |A|W gegeben. Wir definieren eine Surjektion f : R γ + 1 ” 00 durch f (x) = |c−1 x A|W . Dabei sei wieder cx die Kodierung der stetigen Funktionen durch reelle 00 Zahlen. Insbesondere ist dann c−1 x A ≤W A, also f (x) ≤ |A|W < γ + 1. Da <W unter den angegebenen Voraussetzungen eine Wohlordnung ist, existiert zu jedem β ≤ γ eine Menge B ⊆ R 00 A, die durch mit |B|W = β und B ≤W A. Also existiert eine stetige Funktion cy mit B = c−1 y die reelle Zahl y kodiert wird. Es folgt, daß f surjektiv ist und nach Definition von Θ gilt daher γ + 1 < Θ. Damit ist sup{|A|W | A ⊆ R} ≤ Θ. ⊆“: Sei α < Θ und f : R α. Wir definieren induktiv eine Folge hAγ | γ ≤ αi von Teilmengen ” von R. Für γ ≤ α sei Cγ :≡ {x ∗ y ∈ R | f (x) < γ ∧ y ∈ Af (x) }. Dann definieren wir: A0 :≡ R; Aγ :≡ JW (Cγ ) für 1 ≤ γ ≤ α. Dabei sei JW die Funktion aus Lemma 4.34. Wir wollen zeigen, daß hAγ | γ ≤ αi eine bzgl. <W echt aufsteigende Folge bildet. Da |R|W ein minimaler Rang der Wadge-Hierarchie ist, gilt stets R ≤W B für alle B ⊆ R, insbesondere A0 ≤W Cγ <W JW (Cγ ) = Aγ für alle 1 ≤ γ ≤ α. Sei nun 1 ≤ β < γ ≤ α. Wegen der Surjektivität von f existiert ein x0 ∈ R mit f (x0 ) = β. Man überprüft leicht, daß für ein festes x0 ∈ R die Funktion gx0 (y) : R → R, y 7→ x0 ∗ y stetig ist. 00 C und damit A ≤ Nach Definition von Cγ gilt y ∈ Aβ ⇔ gx0 (y) ∈ Cγ , also Aβ = gx−1 γ W Cγ . β 0 Es folgt: Aβ ≤W Cγ <W JW (Cγ ) = Aγ . Insgesamt gilt also: β < γ ≤ α ⇒ Aβ <W Aγ , d.h. |Aβ |W < |Aγ |W . Damit ist α < sup{|A|W | A ⊆ R}. Eine weitere Eigenschaft von Θ bezieht sich auf die Suslin-Mengen. Demnach ist jede SuslinMenge bereits γ-Suslin für ein γ < Θ. Diese Tatsache unterstreicht die Bedeutung von Θ für die deskriptive Mengenlehre. Wir werden diese Tatsache im letzten Kapitel noch benutzen. Lemma 4.39: Sei A ⊆ R und γ ∈ Ord. Ist A γ-Suslin, dann existiert auch ein γ̄ < Θ, so daß A γ̄-Suslin ist. Insbesondere gilt S ∞ = S <Θ . Beweis. Sei A γ-Suslin für ein γ ∈ Ord. Dann existiert ein Baum auf ω × γ, so daß A = p[T ] gilt. Für einen nicht-fundierten Baum S auf γ – d.h. es gilt [S] 6= ∅ – existiert ein kanonisch definierter, äußerster Ast lmb(S).27 Für x ∈ R sei x̃ = hxn+1 | n ∈ ωi ∈ R. Wir definieren nun die folgende Abbildung: ( lmb(Tx̃ )(x0 ) , falls [Tx̃ ] 6= ∅ π : R → γ, x 7→ 0 , sonst. Nun ist ran(π) ⊆ γ und daher nach dem Satz von Mostowski isomorph zu einer Ordinalzahl γ̄, π d.h. es existiert ein Isomorphismus ρ : ran(π) → γ̄. Wir erhalten damit eine Surjektion R ρ ran(π) γ̄. Nach Definition von Θ ist also γ̄ < Θ. 27 Vgl. Definition 1.64. 4.5. Θ – EIN M ASS F ÜR DIE G R ÖSSE DES KONTINUUMS 115 Nach Lemma 1.73 gilt für x ∈ R, daß x ∈ A ⇔ [Tx ] 6= ∅. Für x ∈ R definieren wir yx :≡ hρ ◦ π(hniax) | n ∈ ωi. Dann ist yx ∈ γ̄ ω . Sei schließlich: [ T ∗ :≡ {hxn, yx ni | n ∈ ω ∧ [Tx ] 6= ∅} ⊆ ω n × γ̄ n . n∈ω T ∗ ist offensichtlich ein Baum auf ω × γ̄. Es gilt [Tx ] 6= ∅ ⇔ yx ∈ [Tx∗ ]. Insbesondere gilt nach dem oben gesagten A = p[T ∗ ]. Also ist A ebenfalls γ̄-Suslin. Man beachte, daß nach Lemma 1.70 in ZFC jede Menge A ⊆ R bereits 2ℵ0 -Suslin ist. Anderer+ seits haben wir schon eingangs bemerkt, daß in ZFC gilt: Θ = 2ℵ0 . Da eine Menge genau dann γ-Suslin ist, wenn sie |γ|-Suslin ist, erhalten wir also: ZFC ` ℘(R) = S 2ℵ0 = S <Θ = S ∞ . 4.6 Weitere konstruktible Modelle von ADR Nach Satz 4.2 ist L(℘(R)) ein Modell von ADR , falls ADR im Universum gilt. In diesem Abschnitt konstruieren wir unter dieser Voraussetzung differenziertere konstruktible Modelle von ADR in dem Sinne, daß wir das Modell nicht über der ganzen Potenzmenge von R bilden, sondern über einer echten Teilmenge von ℘(R). Dazu verwenden wir die modifizierte Wadge-Hierarchie. Die Idee zu dieser Konstruktion stammt von Robert Solovay.28 Definition 4.40: [AD + DC(R)] Für γ < Θ sei ℘γ (R) :≡ {A ⊆ R | |A|W < γ}. Nach Definition gilt: γ ≤ δ < Θ ⇒ ℘γ (R) ⊆ ℘δ (R). Wegen Lemma 4.38 erhalten wir außerdem: ℘(R) = [ ℘γ (R). γ<Θ Nach Satz 3.1 gilt ADR ⇒ AD und nach Lemma 3.4 gilt ADR ⇒ DC(R). Wir können also unter der Voraussetzung von ADR die Ergebnisse über die Wadge-Hierarchie und über Θ aus den letzten beiden Abschnitten verwenden, insbesondere gilt also unter ADR die Aussage von Lemma 4.38. Wir werden am Ende dieses Abschnitts eine monoton wachsende Funktion g : Θ → Θ angeben, so daß wir – unter der Voraussetzung, daß ADR im Universum gilt – folgendes erhalten: ist 1 ≤ γ < Θ unter g abgeschlossen, d.h. es ist g 00 γ ⊆ γ, dann gilt: ADR ⇒ L(℘γ (R)) |= ADR . Zunächst zeigen wir aber vorbereitend einige Aussagen. Um den nächsten Satz formulieren zu können, benötigen wir Kodierungen der Auszahlungsmengen und der Strategien für Spiele GR (A). Wir können die Auszahlungsmenge A ⊆ Rω über die in Definition 1.20 angegebene Bijektion Γ : R ↔ Rω durch eine Teilmenge B ⊆ R kodieren. Umgekehrt können wir für jede Teilmenge B ⊆ R das Spiel GR (Γ00 B) spielen. 28 Vgl. [Sol78], Paragraph 2. 116 K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT <ω Sei weiter Σ : R(R ) → ℘(R) die in Lemma 2.13 dargestellte elementare Kodierung von Strategien im Spiel GR (A) durch Teilmengen reeller Zahlen. Wir erhalten die folgende Abgeschlossenheit von Auszahlungsmengen und Gewinnstrategien unter der Wadge-Reduzibilität: Satz 4.41: [ADR ] Sei A ⊆ R. Dann existiert ein B ⊆ R, so daß alle Spiele über R mit einer zu A Wadge-reduziblen Auszahlungsmenge eine Gewinnstrategie für einen Spieler besitzen, die Wadge-reduzibel zu B ist: ∀A ⊆ R ∃B ⊆ R ∀C ⊆ R ∃D ⊆ R C ≤W A ⇒ D ≤W B ∧ Σ−1 (D) ist eine Gewinnstrategie für einen Spieler im Spiel GR (Γ00 C) . Beweis. Sei A ⊆ R. Wir betrachten ein Spiel Ḡ mit Zügen aus R, das uns die gewünschte Menge B liefern wird. Die Idee des Spiels ist folgende: Spieler I wählt ein x0 ∈ R. Mit dieser reellen Zahl bestimmt Spieler I über die Kodierung der stetigen Funktionen eine Teilmenge C ⊆ R, die Wadge-reduzibel zu A ist. Dann entscheidet Spieler II, ob er im Spiel G∗ = GR (Γ00 C) als Spieler I∗ oder als Spieler II∗ weiterspielen möchte. Das tut er über das erste Folgenglied der ω-Folge y0 , mit der er auf x0 antwortet. Daraufhin spielen die beiden Spieler das Spiel G∗ . Hat sich Spieler II entschieden, als Spieler II∗ im Spiel G∗ weiterzuspielen, dann wird der zweite Zug x1 von Spieler I im Spiel Ḡ als erster Zug im Spiel G∗ gewertet. Hat sich Spieler II dagegen für Spieler I∗ im Spiel G∗ entschieden, dann wird der Rest“ seines Zuges y0 im Spiel Ḡ als erster ” Zug im Spiel G∗ gewertet. Aufgrund der Voraussetzung ADR ist das Spiel Ḡ determiniert. Wie wir sehen werden, ist es aber Spieler II, der wegen seiner Möglichkeit, den Spieler im Spiel G∗ frei zu wählen, eine Gewinnstrategie τ für Ḡ besitzen muß. Die Kodierung Σ(τ ) dieser Strategie liefert dann die gewünschte Menge B. Wir geben nun das Spiel Ḡ mit Zügen aus R formal an: Spiel Ḡ: I II x0 x1 y0 x2 y1 y2 ... ... 00 Sei wieder cx die Kodierung der stetigen Funktionen durch reelle Zahlen. Sei weiter C :≡ c−1 x0 A. Insbesondere ist dann C ≤W A. Sei nun G∗ :≡ GR (Γ00 C). Ist y0 (0) = 0, dann entscheidet sich Spieler II, als Spieler II∗ im Spiel G∗ weiterzuspielen. Der zweite Zug von Spieler I im Spiel Ḡ wird dann als erster Zug von Spieler I∗ im Spiel G∗ gewertet: Spiel G∗ : I II = = I∗ II∗ x1 x2 y1 x3 y2 y3 ... ... Spieler I gewinnt nun das Spiel Ḡ genau dann, wenn Spieler I∗ das Spiel G∗ gewinnt, d.h. falls hx1 , y1 , x2 , y2 , . . .i ∈ Γ00 C gilt. Ist y0 (0) 6= 0, dann entscheidet sich Spieler II, als Spieler I∗ im Spiel G∗ weiterzuspielen. Die restlichen Elemente der ω-Folge y0 werden dabei als erster Zug von Spieler I∗ gewertet. Für z ∈ R sei dazu z̃ :≡ hz(n + 1) | n ∈ ωi. Wir erhalten das folgende Spiel: Spiel G∗ : II I = = I∗ II∗ ỹ0 y1 x1 y2 x2 x3 ... ... 4.6. W EITERE KONSTRUKTIBLE M ODELLE VON ADR 117 Spieler I gewinnt nun das Spiel Ḡ genau dann, wenn Spieler II∗ das Spiel G∗ gewinnt, d.h. falls hỹ0 , x1 , y1 , x2 , . . .i 6∈ Γ00 C gilt. Um einzusehen, daß das Spiel Ḡ mit den oben genannten Regeln tatsächlich ein übliches Spiel über R ist, definieren wir: 00 Z :≡ hzn | n ∈ ωi ∈ Rω | z1 (0) = 0 ∧ hzn+2 | n ∈ ωi ∈ Γ00 (c−1 z0 A) ∨ 00 z1 (0) 6= 0 ∧ hz̃1 iahzn+2 | n ∈ ωi 6∈ Γ00 (c−1 z0 A) . Wie man leicht überprüft, gilt dann Ḡ = GR (Z). Wegen der Voraussetzung ADR ist das Spiel Ḡ determiniert. Wir werden nun zeigen, daß Spieler II derjenige ist, der eine Gewinnstrategie in Ḡ 00 besitzt. Angenommen also, Spieler I besitzt eine Gewinnstrategie σ im Spiel Ḡ. Sei C :≡ c−1 σ(∅) A. Nun ist G∗ = GR (Γ00 C) als Spiel über R ebenfalls determiniert. Wir führen eine Fallunterscheidung durch: Fall 1: Angenommen, Spieler I∗ besitzt eine Gewinnstrategie in G∗ . Dann besitzt Spieler II∗ ebenfalls eine mittels σ ableitbare Gewinnstrategie τ ∗ im Spiel G∗ : τ ∗ (hz0 i) :≡ σ hσ(∅), h1iahz0 ii ; τ ∗ (hz0 , z1 , . . . , z2n+2 i) :≡ σ hσ(∅), h1iahz0 i, z1 , z2 , . . . , z2n+2 i . Da σ nach Voraussetzung eine Gewinnstrategie für Spieler I im Spiel Ḡ ist und y0 (0) = h1iahz0 i (0) 6= 0 gilt, ist τ ∗ eine Gewinnstrategie für Spieler II∗ im Spiel G∗ . Widerspruch, denn es können nicht beide Spiele eine Gewinnstrategie besitzen. Fall 2: Angenommen, Spieler II∗ besitzt eine Gewinnstrategie in G∗ . Dann besitzt Spieler I∗ ebenfalls eine mittels σ ableitbare Gewinnstrategie σ ∗ im Spiel G∗ : σ ∗ (∅) :≡ σ hσ(∅), h0, 0, 0, . . .ii ; σ ∗ (hz0 , z1 , . . . , z2n+1 i) :≡ σ hσ(∅), h0, 0, 0, . . .i, z0 , z1 , . . . , z2n+1 i . Da σ nach Voraussetzung eine Gewinnstrategie für Spieler I im Spiel Ḡ ist und y0 (0) = h0, 0, 0, . . .i(0) = 0 gilt, ist σ ∗ eine Gewinnstrategie für Spieler I∗ im Spiel G∗ . Widerspruch. Da einer der beiden Fälle eintreten muß, kann also Spieler I keine Gewinnstrategie im Spiel Ḡ besitzen. Wegen ADR besitzt also Spieler II eine Gewinnstrategie τ . Sei nun C ≤W A beliebig. 00 Dann existiert ein x0 ∈ R, so daß C :≡ c−1 x0 A gilt. Sei weiter y0 :≡ τ (hx0 i). Ist y0 (0) = 0, dann sei: τ ∗ (hz0 , z1 , . . . , z2n i) :≡ τ (hx0 , y0 , z0 , z1 , . . . , z2n i). Dann ist τ ∗ eine Gewinnstrategie für Spieler II∗ im Spiel GR (Γ00 C). Ist y0 (0) 6= 0, dann sei: σ ∗ (∅) :≡ ỹ0 ; σ ∗ (hz0 , z1 , . . . , z2n+1 i) :≡ τ (hx0 , y0 , z1 , z2 , . . . , z2n+1 i). Dann ist σ ∗ eine Gewinnstrategie für Spieler I∗ im Spiel GR (Γ00 C). Sei Σ die oben erwähnte Kodierung von Strategien eines Spiels über R durch Teilmengen reeller Zahlen. Wir definieren dann B :≡ Σ(τ ). Wir zeigen nun, daß der Übergang von τ und x0 zu den als Teilmengen von R kodierten Gewinnstrategien σ ∗ bzw. τ ∗ stetig ist, d.h. es existiert für jedes 118 K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT 00 B bzw. Σ(τ ∗ ) = f −1 00 B x0 ∈ R eine stetige Funktion fx0 : R → R, so daß Σ(σ ∗ ) = fx−1 x0 0 gilt. Sei dazu x0 ∈ R fest gewählt und y0 :≡ τ (hx0 i). Ist y0 (0) = 0, dann sei D :≡ Σ(τ ∗ ). Wir definieren nun fx0 : R → R durch: ( Φ1 (hx0 , y0 , z0 , z1 , . . . , z2n i) ∗ xII , falls xI = Φ1 (hz0 , z1 , . . . , z2n i) fx0 (x) :≡ h0, 0, . . .i , sonst. Dabei sei Φ1 : R<ω → R die in Definition 1.23 angegebene Injektion. Da Φ1 allerdings keine Surjektion ist, definieren wir S :≡ {Φ1 (s) ∗ x | x ∈ R ∧ s ∈ R<ω }. Beh. 1: fx0 S ist stetig. Beweis. Sei x, y ∈ S. Seien dann s, t ∈ R<ω , so daß x = Φ1 (s) ∗ xII und y = Φ1 (t) ∗ yII gilt. Ist 1 d(x, y) < 22n+1 , dann ist (Φ1 (s) ∗ xII )2n = (Φ1 (t) ∗ yII )2n und damit Φ1 (s)n = Φ1 (t)n und xII n = yII n. Ist s = hs0 , . . . , sk i und t = ht0 , . . . , t` i, dann folgt nach Definition von Φ1 : ∀m < n Φ0 (hs0 (m), . . . , sk (m)i) = Φ0 (ht0 (m), . . . , tl (m)i) . Wegen der Eindeutigkeit der Primfak torzerlegung gilt also k = ` und ∀m < n hs0 (m), . . . , sk (m)i = ht0 (m), . . . , tk (m)i . Also gilt ∀m < n Φ0 (hx0 (m), y0 (m), s0 (m), . . . , sk (m)i) = Φ0 (hx0 (m), y0 (m), t0 (m), . . . , tk (m)i) und damit Φ1 (hx0 , y0 ias)n = Φ1 (hx0 , y0 iat)n. Zusammen mit xII n = yII n folgt also 1 . Also ist fx0 S stetig. fx0 (x)2n = fx0 (y)2n, d.h. es ist d(fx0 (x), fx0 (y)) < 22n+1 (1) 00 B und damit D ≤ Nun gilt x ∈ D ⇔ fx0 (x) ∈ B, also D = fx−1 W B. 0 Ist y0 (0) 6= 0, dann sei D :≡ Σ(σ ∗ ). Wir definieren dann gx0 : R → R durch: a , falls xI = Φ1 (∅) Φ1 (hx0 i) ∗ (y0 (0) xII ) gx0 (x) :≡ Φ1 (hx0 , y0 , z1 , z2 , . . . , z2n+1 i) ∗ xII , falls xI = Φ1 (hz0 , z1 , . . . , z2n+1 i) h0, 0, . . .i , sonst. Man beweist ähnlich zu dem vorherigen Fall, daß auch gx0 S stetig ist. Es gilt wieder x ∈ D ⇔ gx0 (x) ∈ B, also D ≤W B. Insgesamt gilt daher Σ(σ ∗ ) ≤W B bzw. Σ(τ ∗ ) ≤W B. Damit ist das Lemma bewiesen. Als nächstes zeigen wir, daß ODA ({x}) für ein x ∈ R und A ⊆ R ebenfalls abgeschlossen gegenüber der Wadge-Reduzibilität ist: Satz 4.42: Sei x ∈ R und seien A, A0 , B, B 0 Teilmengen von R. Dann gilt: (1) Ist B 0 ≤W B und B ∈ ODA ({x}), dann ist auch B 0 ∈ ODA ({x}); 0 (2) Ist A0 ≤W A und B ∈ ODA ({x}), dann ist auch B ∈ ODA ({x}). Beweis. (1) Sei B 0 ≤W B und es gelte B ∈ ODA ({x}). Nach Voraussetzung existiert eine stetige Funktion f : R → R mit x ∈ B 0 ⇔ f (x) ∈ B. Da f ⊆ R × R ⊆ ℘(℘(R)) und R ∈ Vω+2 ist, gilt f ∈ Vω+5 . Wir benötigen ein θ ∈ Ord, so daß sowohl f in Vθ liegt als auch eine Formel existiert, die B in Vθ definiert. Dann können wir anhand dieser Formel auch B 0 in Vθ definieren. ˙ Ȧ), α ∈ Ord, Um θ zu erhalten, wenden wir den Reflektionssatz von Lévy an. Für ϕ ∈ Fml(∈, β < α und g : R → R definieren wir: 4.6. W EITERE KONSTRUKTIBLE M ODELLE VON ADR 119 χ(v0 , α, ϕ, β, g, x) :≡ ∀v1 ∈ Vα v1 ∈ v0 ⇔ ∃v2 v2 = g(v1 ) ∧ (Vα , ∈, A ∩ Vα ) |= ϕ[v2 , β, x] . ˙ Ȧ), α ∈ Ord und β < α mit χ(B, α, ϕ, Nach Definition von ODA ({x}) existieren ϕ ∈ Fml(∈, β, idR , x) und B ∈ Vα (∗). Da B ⊆ R ist, muß demnach α ≥ ω + 3 sein. Nach dem Lévyschen Reflektionssatz existiert ein θ ≥ max{α, ω + 5}, so daß die Formel (Ext) ∧ χ(v0 , . . . , v5 ) Vθ absolut ist.29 Wegen (∗) und B, α, ϕ, β, idR , x ∈ Vθ gilt also χVθ (B, α, ϕ, β, idR , x). Dann folgt: (Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= χ(B, α, ϕ, β, idR , x) ⇒ (Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= ∀v1 ∈ Vα v1 ∈ B ⇔ ∃v2 v2 = idR (v1 ) ∧ (Vα , ∈, A ∩ Vα ) |= ϕ[v2 , β, x] ⇒ (Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= ∀v1 ∈ Vα v1 ∈ B 0 ⇔ ∃v2 v2 = f (v1 ) ∧ (Vα , ∈, A ∩ Vα ) |= ϕ[v2 , β, x] da f ∈ Vθ , R ∩ Vα = R und x ∈ B 0 ⇔ f (x) ∈ B ⇒ (Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= χ(B 0 , α, ϕ, β, f, x. Da B 0 ⊆ R ist, gilt B 0 ∈ Vθ . Da χ(v0 , α, ϕ, β, f, x) stets ein eindeutiges Objekt v0 beschreibt, gilt wegen der Extensionalität außerdem: (Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= ∀v0 v0 ∈ B 0 ⇔ χ(v0 , α, ϕ, β, f, x) ⇒ ∀v0 ∈ Vθ v0 ∈ B 0 ⇔ (Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= χ(v0 , α, ϕ, β, f, x) . Es folgt, daß B 0 ∈ ODA ({x}) gilt. 0 (2) Sei A0 ≤W A und es gelte B ∈ ODA ({x}). Es existiert also eine stetige Funktion f : R → R ˙ Ȧ), α ∈ Ord, β < α und g : R → R definieren wir: mit A0 = f −100 A. Für ϕ ∈ Fml(∈, χ(v0 , α, ϕ, β, g, A, x) :≡ ∀v1 ∈ Vα v1 ∈ v0 ⇔ (Vα , ∈, g −100 A ∩ Vα ) |= ϕ[v1 , β, x] . Nach dem Reflektionssatz von Lévy existiert ein θ ≥ max{α, ω + 5}, so daß die Formel (Ext) ∧ 0 ˙ Ȧ), α ∈ Ord χ(v0 , . . . , v6 ) Vθ -absolut ist. Nach Definition von ODA ({x}) existiert ϕ ∈ Fml(∈, 0 und β < α, so daß χ(B, α, ϕ, β, idR , A , x) und B ∈ Vα gilt. Also ist wieder α ≥ ω + 3. Da alle Parameter in Vθ liegen, gilt aus Gründen der Absolutheit also χVθ (B, α, ϕ, β, idR , A0 , x). Damit folgt: (Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= χ(B, α, ϕ, β, idR , A0 , x) ⇒ (Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= ∀v1 ∈ Vα v1 ∈ B ⇔ (Vα , ∈, A0 ∩ Vα ) |= ϕ[v1 , β, x] ⇒ (Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= ∀v1 ∈ Vα v1 ∈ B ⇔ (Vα , ∈, f −100 A ∩ Vα ) |= ϕ[v1 , β, x] wegen f ∈ Vθ und A0 = f −100 A ⇒ (Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= χ(B, α, ϕ, β, f, A, x). Wegen der Eindeutigkeit des durch χ(v0 , α, ϕ, β, f, A, x) beschriebenen Objekts v0 und der Extensionalität gilt: (Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= ∀v0 v0 ∈ B ⇔ χ(v0 , α, ϕ, β, f, A, x) 29 ˙ Ȧ) als ein Element von Vω . Wir betrachten eine Formel ϕ ∈ Fml(∈, 120 K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT ⇒ ∀v0 ∈ Vθ v0 ∈ B ⇔ (Vθ , ∈, A ∩ Vθ ) |= χ(v0 , α, ϕ, β, f, A, x) . Da ebenfalls B ∈ Vθ gilt, folgt also B ∈ ODA ({x}). Satz 4.43: [ADR ] Es existiert eine monoton wachsende Funktion g : Θ → Θ, so daß für alle 1 ≤ γ < Θ mit g 00 γ ⊆ γ gilt: L(℘γ (R)) ∩ ℘(R) = ℘γ (R) und L(℘γ (R)) |= ADR . Beweis. Wir zeigen zunächst: Beh. 1: Für alle η < Θ existiert ein ξ < Θ, so daß keine Menge reeller Zahlen mit Wadge-Rang ≥ ξ ordinalzahldefinierbar ist durch eine reelle Zahl und einer Menge reeller Zahlen mit WadgeRang ≤ η: ∀η < Θ ∃ξ < Θ ∀A, B ⊆ R ∀x ∈ R |A|W ≤ η ∧ |B|W ≥ ξ ⇒ B 6∈ ODA ({x}) . Beweis. Sei η < Θ. Wähle ein A ⊆ R mit |A|W = η. Wegen Satz 4.18 existiert ein B ⊆ R, so daß ∀x ∈ R B 6∈ ODA ({x}) gilt. Sei ξ :≡ |B|W . Wegen Satz 4.42(2) gilt dann: 0 ∀A0 ⊆ R ∀x ∈ R |A0 |W ≤ η ⇒ B 6∈ ODA ({x}) . Wegen Satz 4.42(1) gilt ebenfalls: ∀B 0 ⊆ R ∀x ∈ R |B 0 |W ≥ ξ ⇒ B 0 6∈ ODA ({x}) . Aus beiden Aussagen zusammen folgt die Behauptung. (1) Wir definieren nun für η < Θ: g0 (η) :≡ min ξ | ∀A, B ⊆ R ∀x ∈ R |A|W ≤ η ∧ |B|W ≥ ξ ⇒ B 6∈ ODA ({x}) . Dann ist g0 : Θ → Θ und g0 ist monoton wachsend. Nach Satz 4.41 gilt: ∀η < Θ ∃ξ < Θ ∀A ⊆ R ∃B ⊆ R |A|W ≤ η ⇒ |B|W ≤ ξ ∧ Σ−1 (B) ist eine Wir definieren dann für η < Θ: Gewinnstrategie für einen Spieler im Spiel GR (Γ00 A) . g1 (η) :≡ min ξ | ∀A ⊆ R ∃B ⊆ R |A|W ≤ η ⇒ |B|W ≤ ξ ∧ Σ−1 (B) ist eine Gewinnstrategie für einen Spieler im Spiel GR (Γ00 A) . Dann ist g1 : Θ → Θ und g1 ist ebenfalls monoton wachsend. Sei schließlich: g(η) :≡ max{g0 (η), g1 (η)}. Dann ist g : Θ → Θ eine monoton wachsende Funktion. Sei nun 1 ≤ γ < Θ abgeschlossen unter g, d.h. es gilt g 00 γ ⊆ γ. 4.6. W EITERE KONSTRUKTIBLE M ODELLE VON ADR 121 Beh. 2: L(℘γ (R)) ∩ ℘(R) = ℘γ (R). Beweis. Da A ⊆ L(A) für jede Menge A gilt, ist ℘γ (R) ⊆ L(℘γ (R)) ∩ ℘(R). Sei andererseits B ⊆ R mit B ∈ L(℘γ (R)). Durch einen entsprechend modifizierten Beweis von Lemma 1.93 erhalten wir ein A ∈ ℘γ (R) – also ein A ⊆ R mit |A|W = η < γ – und ein x ∈ R, so daß L(℘γ (R)) |= B ∈ ODA ({x}) gilt. Aus Gründen der Absolutheit gilt dann auch B ∈ ODA ({x}) und nach Definition von g0 damit |B|W < g0 (η) < γ. Also ist B ∈ ℘γ (R). (2) Beh. 3: L(℘γ (R)) |= ADR . Beweis. Sei C ⊆ Rω mit C ∈ L(℘γ (R)). Da die in Definition 1.20 angegebene Funktion Γ elementar ist, existiert dann auch ein A ⊆ R mit A ∈ L(℘γ (R)) und C = Γ00 A. Nach Behauptung (2) ist A ∈ ℘γ (R), also gilt η :≡ |A|W < γ. Insbesondere ist ξ :≡ g1 (η) < γ, d.h. das Spiel GR (Γ00 A) besitzt eine kodierte Gewinnstrategie B ⊆ R mit |B|W ≤ ξ < γ. Damit gilt B ∈ ℘γ (R), also auch B ∈ L(℘γ (R)). Sei σ :≡ Σ−1 (B). Da Σ eine elementare Kodierung ist, kann die Strategie σ in L(℘γ (R)) wieder dekodiert werden, d.h. es gilt σ ∈ L(℘γ (R)). Analog zum Beweis von Satz 4.2 zeigt man, daß aus Gründen der Absolutheit σ auch eine Gewinnstrategie in L(℘γ (R)) ist. Also ist GR (C) auch in diesem Modell determiniert für jedes C ⊆ Rω mit C ∈ L(℘γ (R)), d.h. es gilt L(℘γ (R)) |= ADR . (3) Damit ist der Satz bewiesen. Lemma 4.44: Ist cof(Θ) > ω, dann existiert ein 1 ≤ γ < Θ, das abgeschlossen unter der in Satz 4.43 angegebenen Funktion g ist, d.h. es gilt g 00 γ ⊆ γ. Beweis. Sei cof(Θ) > ω. Angenommen, es existiert kein 1 ≤ γ < Θ, so daß g 00 γ ⊆ γ gilt. Dann existiert also für alle 1 ≤ γ < Θ ein η < γ mit γ ≤ g(η). Wir definieren nun f : ω → Θ durch Rekursion über n ∈ ω: f (0) :≡ g(0) und f (n + 1) :≡ g(f (n)). Da g : Θ → Θ ist, gilt f : ω → Θ. Wir zeigen durch Induktion über n ∈ ω, daß ∀n ∈ ω f (n) ≤ f (n + 1) gilt. Dann ist f also monoton wachsend. Für n = 0 gilt 0 ≤ g(0). Wenden wir auf beiden Seiten g an, dann folgt wegen der Monotonie von g: f (0) = g(0) ≤ g(g(0)) = f (1). Angenommen nun, es gilt f (n) ≤ f (n + 1). Dann gilt wieder wegen der Monotonie von g: f (n + 1) = g(f (n)) ≤ g(f (n + 1)) = f (n + 2). Also ist f monoton wachsend. S Wir zeigen nun, daß f unbeschränkt in Θ ist, d.h. es gilt ran(f ) = Θ. Sei dazu γ < Θ. Ist γ = 0, dann gilt γ = 0 ≤ g(0) = f (0). Sei also γ ≥ 1. Nach Voraussetzung existiert ein η0 < γ mit γ ≤ g(η0 ). Ist η0 > 0, dann gilt wieder g 00 η0 6⊆ η0 , d.h. es existiert ein η1 < η0 mit η0 ≤ g(η1 ). Dann gilt wegen der Monotonie von g auch g(η0 ) ≤ g(g(η1 )). Solange ηn > 0 ist, können wir diesen Prozeß fortsetzen und wir erhalten ein ηn+1 < ηn mit ηn ≤ g(ηn+1 ), also auch g(ηn ) ≤ g(g(ηn+1 )). Wir erhalten dann eine echt absteigende Kette von Ordinalzahlen: . . . < η3 < η2 < η1 < η0 < γ. 122 K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT Da die Ordinalzahlen fundiert sind, kann es keine unendliche, echt absteigende Kette von Ordinalzahlen geben, d.h. es existiert ein n0 ∈ ω, so daß ηn0 = 0 gilt. Dann erhalten wir aber: γ ≤ g(η0 ) ≤ g(g(η1 )) ≤ . . . ≤ g(g(. . . g( ηn0 ) . . .)) = g(g(. . . g(0) . . .)) = f (n0 ). | {z } n0 +1 Also ist f : ω → Θ monoton wachsend und unbeschränkt in Θ. Da andererseits cof(κ) das kleinste β ist, so daß eine in κ unbeschränkte und monoton wachsende Funktion g : β → κ existiert, gilt also cof(Θ) = ω. Das steht im Widerspruch zur Voraussetzung. Also muß ein γ < Θ mit g 00 γ ⊆ γ existieren. Korollar 4.45: [ADR + cof(Θ) > ω] Es existiert ein γ < Θ, so daß gilt: L(℘γ (R)) ∩ ℘(R) = ℘γ (R) und L(℘γ (R)) |= ADR . Solovay nutze in seinem Artikel [Sol78] dieses Ergebnis, um zu zeigen, daß die folgende relative Konsistenz gilt: Kon(ZF + ADR ) ⇒ Kon(ZF + AD + ¬DC). (∗) Zusammen mit dem Resultat von Kechris Satz 4.3 ist daher DC unabhängig von AD. Dazu betrachtet Solovay ein verallgemeinertes Konzept der Sharps: Sharps A# für Mengen A reeller Zahlen. Analog zur Situation für das konstruktible Universum L konnte er mittels Ununterscheidbaren zeigen, daß aus der Existenz von A# folgt, daß die Wahrheitsmenge von L(R)[A], d.h. die Menge der Gödelnummern von Sätzen, die in L(R)[A] gelten, im Universum definierbar ist. Daher kann man aus der Annahme, daß A# existiert, die Konsistenz aller Mengen Φ von Sätzen mit L(R)[A] |= Φ beweisen. Andererseits konnte er zeigen, daß unter der Voraussetzung von ADR für alle A ⊆ R die Sharps A# existieren. Daraus folgt unmittelbar: Satz 4.46: Es gilt ZF + ADR ` Kon(ZF + AD). Beweis. Einerseits gilt ADR ⇒ AD und damit auch L(R) |= AD nach Satz 4.1. Andererseits impliziert ADR , daß ∅# existiert und damit die Wahrheitsmenge von L(R) = L(R)[∅] definierbar ist.30 Da wir alle stetigen Funktionen durch reelle Zahlen elementar kodieren können, gilt für alle B ⊆ R mit B ≤W A, daß B ∈ L(R)[A] ist. Andererseits ist die Relation Wγ (X) :⇔ |X|W < γ absolut für alle festen γ < Θ und für alle transitiven Modelle M der Mengenlehre, die die Ordinalzahlen enthalten und so daß R ⊆ M und M |= AD + DC(R) gilt. Aus der Annahme, daß AD im Universum gilt, folgt aber nach Satz 4.1 und Satz 4.3 bereits L(R)[A] |= AD + DC(R). Unter ADR ist demnach für alle γ < Θ das konstruktible Modell L(℘γ (R)) eine definierbare Subklasse von L(R)[A] für ein geeignetes A ⊆ R. Durch eine entsprechende Modifikation konnte Solovay nun zeigen, daß ADR die Definierbarkeit der Wahrheitsmenge von L(℘γ (R)) für jedes γ < Θ impliziert. Damit erhält man schließlich: Satz 4.47: Es gilt ZF + ADR + cof(Θ) > ω ` Kon(ZF + ADR ). 30 Dabei ist natürlich ∅# etwas anderes als 0# ! 4.6. W EITERE KONSTRUKTIBLE M ODELLE VON ADR 123 Beweis. Nach Korollar 4.45 existiert ein γ < Θ mit L(℘γ (R)) |= ADR . Andererseits impliziert ADR , daß die Wahrheitsmenge von L(℘γ (R)) definierbar ist. Da nach Lemma 4.37 aus ACω (℘(R)) bereits cof(Θ) > ω folgt, erhalten wir unmittelbar: Korollar 4.48: Es gilt ZF + ADR + ACω (℘(R)) ` Kon(ZF + ADR ). Da nach Lemma 1.7 ACω (℘(R)) aus DC(℘(R)) folgt, erhalten wir zusammen mit Gödels Zweitem Unvollständigkeitssatz: (1) ZF + ADR 6` ACω (℘(R)); (2) ZF + ADR 6` DC(℘(R)); (3) ZF + AD 6` ACω (℘(R)); (4) ZF + AD 6` DC(℘(R)). Insbesondere gilt also auch (∗). Dieses Ergebnis besitzt noch eine weitere Implikation. Zunächst gilt: Lemma 4.49: Angenommen, es existiert eine definierbare Surjektion X × Ord V und es gilt DC(X). Dann gilt bereits DC. Wegen Lemma 1.90 folgt also aus L(R) |= DC(R) bereits L(R) |= DC. Da analog eine in L(℘(R)) definierbare Surjektion ℘(R) × Ord L(℘(R)) existiert, folgt entsprechend aus L(℘(R)) |= DC(℘(R)) bereits L(℘(R)) |= DC. Wir können das Resultat von Solovay demnach so interpretieren: während Kechris in Satz 4.3 im wesentlichen AD ⇒ L(R) |= DC(R) zeigt, können wir kein analoges Resultat für ADR und L(℘(R)) erwarten, d.h. unter ADR gilt nicht L(℘(R)) |= DC(℘(R)). Dieses Ergebnis von Solovay ist der Grundstein für eine differenzierte Hierarchie von Theorien, die umso stärker werden, je größer die Kardinalzahl ist, mit der die Konfinalität von Θ fixiert wird. Tatsächlich kann die Theorie ZF + ADR alleine keine Konfinalität von Θ fixieren. Die stärkste Theorie der hier betrachteten Art ist dann ZF+ADR zusammen mit der Forderung, daß Θ regulär ist. Man erhält die folgende, bezüglich der Konsistenzstärke aufsteigende Liste von Theorien, die wir schon am Ende von Kapitel 3 erwähnt haben. Dabei folgt die Konsistenz einer der genannten Theorien jeweils durch die Theorie unter ihr:31 ZF + ADR + cof(Θ) = ω ZF + ADR + cof(Θ) = ω1 .. . ZF + ADR + Θ ist regulär. In diesem Zusammenhang sei noch einmal erwähnt, daß Solovay in diesem Artikel vermutete, 3 daß ZF + ADω die Konsistenz von ADR zusammen mit der Regularität von Θ beweist.32 Der 3 Satz 3.30 von Martin und Woodin impliziert aber, daß diese Vermutung falsch ist: ADω ist äquivalent zu ADR . 31 32 Vgl. [And], Abschnitt 13. Vgl. [Sol78], Paragraph 6, 3. 124 K APITEL 4. KONSTRUKTIBLE M ODELLE DER D ETERMINIERTHEIT Kapitel 5 Das Axiom AD+ Wir haben in Abschnitt 4.3 gesehen, daß L(R) kein Modell von ADR ist. Wir konnten durch eine genauere Analyse der Uniformisierbarkeit die exakte Grenze des Scheiterns von L(R) als Modell von ADR bestimmen: falls AD im Universum gilt, dann sind alle Σ21 -Mengen reeller Zahlen uniformisierbar, während es eine Π21 -Menge gibt, die nicht uniformisierbar ist. Andererseits folgt aus ADR die Uniformisierbarkeit aller Mengen reeller Zahlen. Mit anderen Worten: ADR + V = L(R) ist inkonsistent. Diese Restriktivität“ von L(R) motiviert die Einführung eines neuen Axioms als Erweiterung ” von AD: das Axiom AD+ . Dieses Axiom kann als der Versuch interpretiert werden, möglichst die schönen“ Eigenschaften von L(R) unter der Annahme von AD einzufangen, ohne dabei das ” restriktive Verhalten von V = L(R)“ übernehmen zu müssen: zum Beispiel soll die Uniformi” sierbarkeit aller Mengen möglich bleiben. Mit anderen Worten: mit AD+ versucht man möglichst viel der Ausdrucksstärke von AD + V = L(R)“ zu erfassen, so daß es dennoch konsistent mit ” ADR bleiben kann. Mit dem Konzept der Uniformisierbarkeit sind die Begriffe Suslin-Menge“ und Skala“ eng ver” ” bunden.1 Ausgehend von dem Konzept der Suslin-Mengen verallgemeinert AD+ – zumindest formal – die Forderung von AD, so daß es allerdings immer noch schwächer als ADR bleibt.2 AD+ besteht aus drei Teilen: (1) Das Prinzip der abhängigen Auswahlen DC(R); (2) Eine gewisse Determiniertheitsforderung für Spiele auf Ordinalzahlen kleiner Θ der Länge ω; (3) Die Forderung, daß alle Mengen reeller Zahlen eine erweiterte Form von Borel-Mengen sind. Das Hauptresultat dieses Kapitels wird der Nachweis sein, daß unter der Voraussetzung von AD das Axiom AD+ tatsächlich im konstruktiblen Modell L(R) gilt. Oder anders ausgedrückt: daß AD+ tatsächlich schöne“ Eigenschaften von AD + L(R) erfaßt. Nach einem bereits erwähnten ” Resultat von Kechris gilt unter der Voraussetzung bereits DC im Modell L(R), vgl. Satz 4.3. Um den Nachweis von (2) und (3) erbringen zu können, werden wir im ersten Abschnitt einige substantielle Resultate zu L(R) herleiten bzw. angeben. Die entscheidenden Ergebnisse sind erstens eine auf John R. Steel zurückgehende Analyse der kleinsten stabilen Ordinalzahl und zweitens das 1 2 Vgl. dazu Korollar 1.77, Korollar 1.86 und Satz 4.21. Ob AD+ tatsächlich eine stärkere Forderung als AD ist, ist immer noch eine offene Frage. Wir werden später darauf zurückkommen. 125 126 K APITEL 5. DAS A XIOM AD+ sehr wichtige Resultat von Donald A. Martin und John R. Steel, daß in L(R) die Suslin-Mengen genau die Σ21 -Menge sind. Im zweiten Abschnitt werden wir die oben erwähnte Determiniertheitsforderung betrachten. Das entscheidende Resultat in diesem Abschnitt wird sein, daß unter der Voraussetzung von AD + DC(R) für jedes ω ≤ α < Θ und jede Menge A ⊆ αω , die sowohl Suslin, als auch Co-Suslin ist, das Spiel Gα (A) determiniert ist. Für den Beweis benötigen wir die von Alexander S. Kechris, Eugene M. Kleinberg, Yiannis N. Moschovakis und W. Hugh Woodin gezeigte Existenz von unbeschränkt vielen starken Partitionskardinalzahlen unterhalb von Θ, vgl. Satz 2.40. Wir werden die beiden Ergebnisse aus dem ersten Abschnitt verwenden, um daraus zu folgern, daß unter der Voraussetzung von AD + DC(R) im Modell L(R) die Bedingung (2) erfüllt ist, nämlich daß alle Spiele determiniert sind, deren Auszahlungsmengen aus den Urbildern von beliebigen Teilmengen reeller Zahlen unter stetigen Funktionen f : αω → R mit α wie oben bestehen. Im dritten Abschnitt formulieren wir die oben angesprochene Erweiterung des Begriffs der BorelMenge: das Konzept der ∞-Borel-Mengen. Wir werden zeigen, daß dieser Begriff tatsächlich eine Erweiterung der Suslin-Menge ist, d.h. jede Suslin-Menge ist bereits eine ∞-Borel-Menge. Wir werden durch ein ähnliches Argument wie für Bedingung (2) zeigen, daß unter der Voraussetzung von AD + DC(R) im Modell L(R) die Bedingung (3) erfüllt ist, d.h. daß alle Teilmengen von R schon ∞-Borel-Mengen sind. Hierbei wir entscheidend eine Eigenschaft der ∞-Borel-Mengen eingehen, die als Lokalität der ∞-Borel-Codes bekannt ist. Beide Beweise werden durch Widerspruch gezeigt. Dazu reflektieren wir durch eine Σ1 -Formel ein Gegenbeispiel auf diejenige Stufe von L(R), die eine kleinere Höhe als die kleinste stabile Ordinalzahl besitzt. Es wird sich herausstellen, daß aber alle Mengen reeller Zahlen in dieser Stufe bereits Suslin-Mengen sind. Über ein jeweiliges Lokalitätsargument – Moschovakis Coding Lemma und Lokalität der ∞-Borel-Codes – können wir aber zeigen, daß diese Stufe bereits Modell von Bedingung (2) bzw. (3) ist, was schließlich zu einem Widerspruch führt. 5.1 Die kleinste stabile Ordinalzahl Wir zeigen in diesem Abschnitt einige Aussagen über die kleinste stabile Ordinalzahl und werden diese sogar exakt bestimmen. Als Grundlage diente [Ste83], Paragraph 1. Wir setzen im gesamten Abschnitt die Theorie ZF + DC(R) voraus. Satz 5.1: Sei σ > 1. Angenommen, es gibt kein α < σ, so daß Jα (R) ≺R 1 Jσ (R) gilt. Dann gilt: J (R) (1) Es existiert eine partielle Funktion h : R Jσ (R) mit h ∈ Σ1 ({R}) σ ; (2) Ist α < σ, dann existiert eine (totale) Funktion h : R Jα (R) mit h ∈ Jσ (R). J (R) Beweis. (1) Sei σ > 1 mit der angegebenen Eigenschaft. Sei H :≡ Hull1 σ (R ∪ {R}) die Σ1 Skolem-Hülle gemäß Definition 1.104. Nach Lemma 1.105 existiert eine Σ1 -Skolem-Funktion f J (R) für Jσ (R) mit f ∈ Σ1 ({R}) σ . Nach Lemma 1.106 gilt H ≺1 Jσ (R). H Beh. 1: Es existiert eine partielle Funktion g : R H mit g ∈ Σ1 ({R}) . Beweis. Wir definieren zunächst eine partielle Funktion ḡ : R<ω → Jσ (R). Für x1 , . . . , xk ∈ R sei: ḡhx1 , . . . , xk i :≡ f (hx1 , . . . , xk−1 , Ri, xk ). 5.1. D IE KLEINSTE STABILE O RDINALZAHL 127 J (R) Aus f ∈ Σ1 ({R}) σ folgt: J (R) {f (hx1 , . . . , xk−1 , Ri, xk )} ∈ Σ1 (R ∪ {R}) σ . Nach Definition von H ist also ḡhx1 , . . . , xk i ∈ H, insbesondere ran(ḡ) ⊆ H. J (R) Sei andererseits a ∈ H. Dann ist {a} ∈ Σ1 (R ∪ {R}) σ , also existieren x1 , . . . , xk ∈ R und eine Σ1 -Formel ϕ mit: z = a ⇔ Jσ (R) |= ϕ[z, x1 , . . . , xk , R]. J (R) Sei A :≡ {a} und b :≡ hx1 , . . . , xk , Ri. Dann ist b ∈ Jσ (R) und A ∈ Σ1 ({b}) σ . Da f eine Σ1 -Skolem-Funktion ist, gilt: ∃y ∈ R f (b, y) ∈ A . Insbesondere ist f (b, y) = a und nach Definition ḡhx1 , . . . , xk , yi = a. Wir erhalten zusammen: ḡ : R<ω H. Es gilt g ⊆ R<ω × H und R<ω ⊆ H, also ist g ⊆ H. Sei ā :≡ (x1 , . . . , xk , h) ∈ g. Nach J (R) Definition ist dann a :≡ ((x1 , . . . , xk−1 , R), xk , h) ∈ f . Da f ∈ Σ1 ({R}) σ ist, gilt z ∈ f ⇔ Jσ (R) |= ψ[z, R] für z ∈ Jσ (R) mit einer Σ1 -Formel ψ. Wegen a, R ∈ H und H ≺1 Jσ (R) gilt daher: ā ∈ g ⇔ a ∈ f ⇔ Jσ (R) |= ψ[a, R] ⇔ H |= ψ[a, R] ⇔ H |= ψ̄[ā, R] H für eine geeignete Σ1 -Formel ψ̄. Also ist ḡ ∈ Σ1 ({R}) . Nach Definition 1.23 existiert eine H elementare Surjektion Ψ1 : R R<ω . Man zeigt leicht, daß Ψ1 ∈ Σ1 ({R}) gilt. Sei die H partielle Funktion g : R H definiert durch g :≡ ḡ ◦ Ψ1 . Dann gilt auch g ∈ Σ1 ({R}) und g ist wie gewünscht. (1) Da H ≺1 Jσ (R) gilt, existiert nach dem Kondensationsprinzip 1.103 ein eindeutiges β ≤ σ und ein eindeutiger Isomorphismus π mit: π:H∼ = Jβ (R). Da TC({R}) ⊆ H gilt und π auf transitiven Teilmengen von H die Identität ist, gilt insbesondere πR ∪ {R} = idR∪{R} . Sei nun x1 , . . . , xk ∈ R und ϕ eine Σ1 -Formel. Dann gilt: Jβ (R) |= ϕ[x1 , . . . , xk ] ⇔ H |= ϕ[π −1 (x1 ), . . . , π −1 (xk )] da π : H ∼ = Jβ (R) ⇔ H |= ϕ[x1 , . . . , xk ] da πR ∪ {R} = idR∪{R} ⇔ Jσ (R) |= ϕ[x1 , . . . , xk ] da H ≺1 Jσ (R), R ⊆ H. Also gilt Jβ (R) ≺R 1 Jσ (R). Nach Voraussetzung ist daher β = σ. Zusammen mit Behauptung (1) erhalten wir: g π R H Jσ (R), H d.h. h :≡ π ◦ g ist die gewünschte partielle Funktion. Wegen g ∈ Σ1 ({R}) ist g ⊆ H und es existiert eine Σ1 -Formel χ, so daß für alle x ∈ R: g(x) = a ⇔ H |= χ[a, x, R]. K APITEL 5. DAS A XIOM AD+ 128 Dann gilt h ⊆ Jα (R). Da π ein Isomorphismus zwischen H und Jσ (R) ist und π(x) = x für alle x ∈ R und π(R) = R gilt, folgt: H |= χ[a, x, R] ⇔ Jα (R) |= χ[π(a), x, R], insbesondere also: h(x) = b ⇔ Jα (R) |= χ[b, x, R]. J (R) Also ist h ∈ Σ1 ({R}) σ . (2) Wir geben hier nur eine Beweisskizze an. Sei α < σ. Nach Voraussetzung gilt Jα (R) 6≺R 1 Jσ (R), d.h. es existiert eine Σ1 -Formel ϕ und ~x ∈ Rk mit: Jσ (R) |= ϕ[~x], aber Jα (R) |= ¬ϕ[~x]. Durch eventuelles Vergrößern von α können wir o.E. annehmen: Jα+1 (R) |= ϕ[~x] und Jα (R) |= ¬ϕ[~x]. Sei ϕ(~x) ≡ ∃y ψ(~x, y) mit einer ∆0 -Formel ψ(~x, y). Da Jα+1 (R) |= ϕ[~x] gilt, existieren nach Definition der Jensen-Hierarchie u1 , . . . , uk ∈ Jα (R) und eine Komposition F von rudimentären Funktionen, so daß gilt: Jα+1 (R) |= ψ[~x, F (u1 , . . . , uk )]. Es existiert eine Formel θ der Logik erster Stufe, so daß für beliebiges β ∈ Ord und u1 , . . . , uk ∈ Jβ (R) gilt: Jβ+1 (R) |= ψ[~x, F (u1 , . . . , uk )] ⇔ Jβ (R) |= θ[~x, u1 , . . . , uk , R]. J (R) α Sei θ eine Σn -Formel. Sei H :≡ Hulln+1 (R ∪ {R}) die Σn+1 -Skolem-Hülle gemäß Definition 1.104. Dann gilt: H ≺n Jα (R). (∗) Nach Lemma 1.103 existiert ein γ ≤ α und ein Isomorphismus π : H ∼ = Jγ (R). Da θ eine Σn -Formel ist, Jα (R) |= θ[~x, u1 , . . . , uk , R] gilt und H der Abschluß unter Σn+1 -Formeln ist, existieren also u1 , . . . , uk ∈ H mit: H |= θ[~x, u1 . . . , uk , R]. Da π(x) = x für alle x ∈ R und π(R) = R ist, gilt wegen (∗) für ū1 :≡ π(u1 ), . . . , ūk :≡ π(uk ) ∈ Jγ (R): Jγ (R) |= θ[~x, ū1 , . . . , ūk , R]. Nach Wahl von θ gilt daher: Jγ+1 (R) |= ψ[~x, F (ū1 , . . . , ūk )] und damit Jγ+1 (R) |= ϕ[~x]. Da aber Jβ (R) |= ¬ϕ[~x] für alle β ≤ α gilt, folgt insbesondere γ + 1 > α, zusammen also γ = α. Deswegen ist π : H ∼ = Jα (R). Wir können ferner eine (totale) Funktion g : R H angeben: über eine geeignete Gödelisierung können wir Formeln als reelle Zahlen auffassen. Wir definieren dann ḡ : R<ω → Jα (R), so daß 5.1. D IE KLEINSTE STABILE O RDINALZAHL 129 ḡ(x0 , ~x) = h gilt, falls die durch x0 kodierte Formel χ eine Σn+1 -Formel ist und h ∈ Jα (R) das eindeutige Element mit Jα (R) |= χ[h, ~x, R] ist. Ansonsten setzen wir ḡ = ∅. Dann ist ḡ(x0 , ~x) ∈ H. Wie in Teil (1) erhalten wir durch g :≡ ḡ ◦ Ψ1 eine Surjektion g : R H. Man zeigt dann, H S daß g ∈ n∈ω Σn (H) gilt, d.h. es ist g ⊆ H und es existiert eine Formel χ der Logik erster Stufe und a1 , . . . , am ∈ H, so daß für alle x ∈ R: g(x) = a ⇔ H |= χ[x, a, a1 , . . . , am ]. Sei nun h :≡ π ◦ g. Dann gilt h : R Jα (R) und h ⊆ Jα (R). Da π ein Isomorphismus ist und π(x) = x für alle x ∈ R gilt, folgt: H |= χ[a, x, a1 , . . . , am ] ⇔ Jα (R) |= χ[π(a), x, π(a1 ), . . . , π(am )], insbesondere existieren also b1 , . . . , bm ∈ Jα (R) mit: h(x) = b ⇔ Jα (R) |= χ[b, x, b1 , . . . , bm ]. Daher ist h ∈ S n∈ω J (R) Σn (Jα (R)) α . Da andererseits rud(Jβ (R)) ∩ ℘(Jβ (R)) = [ n∈ω J (R) Σn (Jβ (R)) β für alle β ∈ Ord gilt, folgt h ∈ rud(Jα (R)) = Jα+1 (R) ⊆ Jσ (R). Korollar 5.2: Sei σ die kleinste R-stabile Ordinalzahl. Dann ist σ auch stabil, d.h. es gilt: Jσ (R) ≺1 L(R). Beweis. Da σ die kleinste R-stabile Ordinalzahl ist, gibt es kein α < σ mit Jα (R) ≺R 1 Jσ (R), R denn sonst wäre auch Jα (R) ≺1 L(R) im Widerspruch zur Minimalität von σ. Nach Satz 5.1(1) J (R) existiert eine partielle Funktion h : R Jσ (R) mit h ∈ Σ1 ({R}) σ . Seien x1 , . . . , xk ∈ Jσ (R) und ϕ eine Σ1 -Formel. Sei die Σ1 -Formel ψ definiert durch: ψ(a, y1 , . . . , yk ) :≡ ∃x1 , . . . , xk x1 = h(y1 ) ∧ . . . ∧ xk = h(yk ) ∧ ϕ(a, x1 , . . . , xk ) . Dann gilt: Jσ (R) |= ϕ[x1 , . . . , xk ] ⇔ Jσ (R) |= ψ[y1 , . . . , yk ] ⇔ L(R) |= ψ[y1 , . . . , yk ] nach Annahme ⇔ L(R) |= ϕ[x1 , . . . , xk ] da h ∈ L(R). Also gilt Jσ (R) ≺1 L(R). Satz 5.3 (Steel): Sei σ die kleinste R-stabile Ordinalzahl. Dann gilt: L(R) J (R) (1) Σ21 = Σ1 (Jσ (R)) σ ∩ ℘(R); L(R) (2) ∆21 = Jσ (R) ∩ ℘(R); L(R) L(R) ist die kleinste R-stabile Ordinalzahl. = σ, d.h. δ 21 (3) δ 21 K APITEL 5. DAS A XIOM AD+ 130 Beweis. (1) Sei A ⊆ R mit A ∈ Σ21 L(R) . Nach Lemma 1.100 existiert eine ∆0 -Formel ϕ mit:3 a ∈ A ⇔ hL(R), ∈, xi |= ∃B ⊆ R ∀y ∈ R ϕ[a, y, B] . Sei nun ψ(a, y, B, C) :≡ ∀z z ∈ B ⇒ z ∈ C ∧ ∀y y ∈ C ⇒ ϕ[a, y, B] . Dann ist ψ ebenfalls eine ∆0 -Formel und es gilt: a ∈ A ⇔ hL(R), ∈, xi |= ∃B ψ[a, y, B, R] . L(R) Also gilt A ∈ Σ1 (R ∪ {R}) . Da σ eine R-stabile Ordinalzahl ist, gilt: ∃x ∈ R ∃ψ ∈ Σ1 a ∈ A ⇔ hL(R), ∈, xi |= ψ[a] ⇔ hJσ (R), ∈, xi |= ψ[a] . J (R) J (R) Also ist A ∈ Σ1 (R ∪ {R}) σ ⊆ Σ1 (Jσ (R)) σ . Es folgt: Σ21 L(R) J (R) ⊆ Σ1 (Jσ (R)) σ ∩ ℘(R). J (R) Sei umgekehrt A ⊆ R mit A ∈ Σ1 (Jσ (R)) σ . Dann existieren nach Definition x1 , . . . , xk ∈ Jσ (R) und eine Σ1 -Formel ϕ, so daß: a ∈ A ⇔ Jσ (R) |= ϕ[a, x1 , . . . , xk ]. J (R) Wegen Satz 5.1(1) existiert eine partielle Funktion h : R Jσ (R) mit h ∈ Σ1 ({R}) σ . Sei die Σ1 -Formel ψ definiert durch: ψ(a, y1 , . . . , yk ) :≡ ∃x1 , . . . , xk x1 = h(y1 ) ∧ . . . ∧ xk = h(yk ) ∧ ϕ(a, x1 , . . . , xk ) . Dann existieren aufgrund der Surjektivität von h auch y1 , . . . , yk ∈ R, so daß: a ∈ A ⇔ Jσ (R) |= ψ[a, y1 , . . . , yk ]. J (R) Insbesondere gilt A ∈ Σ1 (R ∪ {R}) σ . Da σ R-stabil ist, gilt daher: Jσ (R) |= ψ[a, y1 , . . . , yk ] ⇔ L(R) |= ψ[a, y1 , . . . , yk ]. Über h können wir andererseits Jσ (R) als Teilmenge von R kodieren. Die partielle Funktion h selbst ist insbesondere ein Element von L(R). Außerdem können wir die endlich vielen y1 , . . . , yk ˙ ẏ, 3, 2) defi∈ R durch eine reelle Zahl y = π(y1 , . . . , yk ) elementar kodieren. Sei χ ∈ Fml(∈, niert durch: χ(a, B) :≡ ∃y1 , . . . , yk ∈ R y = π(y1 , . . . , yk ) ∧ hh00 B, ∈i |= ψ[a, y1 , . . . , yk ] . ˙ ẏ, 3, 2) mit: Dann existiert also y ∈ R und χ ∈ Fml(∈, Also ist A ∈ Σ21 3 L(R) a ∈ A ⇔ hL(R), ∈, yi |= ∃B ⊆ R χ[a, B] . und damit: L(R) J (R) . Σ1 (Jσ (R)) σ ∩ ℘(R) ⊆ Σ21 Man beachte, daß wir DC(R) voraussetzt haben. Damit gilt auch ACω (R) und wir können das Lemma anwenden. 5.1. D IE KLEINSTE STABILE O RDINALZAHL 131 L(R) L(R) , nach (1) . Nach Definition sind A, R − A ∈ Σ21 ∆21 Jσ (R) Jσ (R) also A, R − A ∈ Σ1 (Jσ (R)) . Damit ist A ∈ Π1 (Jσ (R)) und insgesamt A ∈ Jσ (R) ∆1 (Jσ (R)) . Nach Definition existieren also x1 , . . . , xk ∈ Jσ (R), eine Σ1 -Formel ϕ und eine Π1 -Formel ψ, so daß: (2) Sei A ⊆ R mit A ∈ a ∈ A ⇔ Jσ (R) |= ϕ[a, x1 , . . . , xk ] ⇔ Jσ (R) |= ψ[a, x1 , . . . , xk ]. Nach Korollar 5.2 ist σ ein stabile Ordinalzahl. Nach Satz 1.115 ist daher σ auch zulässig, also gilt: Jσ (R) |= KP. Andererseits erfüllt KP das ∆1 -Aussonderungsprinzip:4 ist χ eine ∆KP 1 -Formel – d.h. es existiert eine Σ1 -Formel ϕ0 und eine Π1 -Formel ψ 0 mit KP ` χ ⇔ ϕ0 ⇔ ψ 0 – dann gilt: KP ` ∀x1 , . . . , xk ∀y ∃z ∀a a ∈ z ⇔ a ∈ y ∧ χ(a, x1 , . . . , xk ) . Insbesondere gilt also für die Σ1 -Formel ϕ und x1 , . . . , xk ∈ Jσ (R): Jσ (R) |= ∃z ∀a a ∈ z ⇔ a ∈ R ∧ ϕ[a, x1 , . . . , xk ] . Dann ist aber z = A und somit A ∈ Jσ (R). Es gilt also: L(R) ⊆ Jσ (R) ∩ ℘(R). ∆21 Ist andererseits A ⊆ R mit A ∈ Jσ (R), dann existiert nach Satz 5.1(1) ein x ∈ R mit h(x) = A J (R) und h ∈ Σ1 ({R}) σ . Für die Formel ϕ(a) :≡ a ∈ h(x) gilt dann: a ∈ A ⇔ hL(R), ∈, xi |= ∃B ⊆ R ϕ[a, B] ⇔ hL(R), ∈, xi |= ∀B ⊆ R ϕ[a, B] . L(R) . Also ist A ∈ ∆21 L(R) (3) Ist α ∈ δ 21 , dann existiert nach Definition ein f : R α, so daß die Präwohlordnung L(R) 2 R :≡ {(x, y) ∈ R | f (x) ≤ f (y)} ein Element von ∆21 ist und kRk = α gilt.5 Nach (2) ist dann R ∈ Jσ (R). Da Jσ (R) ein Modell von KP ist und wir daher die kodierte Ordinalzahl α in Jσ (R) wieder dekodieren können, gilt α ⊆ Jσ (R). Wegen der Zulässigkeit von Jσ (R) gilt nach Lemma 1.110, daß Jσ (R) ∩ Ord = σ. Damit ist also α ≤ σ. Sei andererseits β < σ. Dann ist β ∈ Jσ (R) und nach Satz 5.1(2) existiert insbesondere eine Funktion h : R β mit h ∈ Jσ (R). Damit ist aber auch die Menge {hx, yi ∈ R2 | h(x) ≤ L(R) L(R) h(y)} ∈ Jσ (R), nach (2) also auch in ∆21 . Damit gilt β < δ 21 und deswegen σ ≤ L(R) δ 21 . L(R) Korollar 5.4: Sei δ :≡ δ 21 . Dann gilt Lδ (R) ≺1 L(R). Beweis. Nach Satz 5.3 ist δ die kleinste R-stabile Ordinalzahl. Nach Korollar 5.2 ist daher δ auch stabil, d.h. es gilt: Jδ (R) ≺1 L(R). Nach Satz 1.115 ist δ zulässig, nach Lemma 1.112 ist insbesondere Jδ (R) eine zulässige Menge. Nach Lemma 1.110 ist dann aber Jδ (R) = Lδ (R). Daraus folgt die Behauptung. 4 5 Vgl. [Dev84], Lemma I.11.4. Zu kRk vgl. Definition 1.21. K APITEL 5. DAS A XIOM AD+ 132 Korollar 5.5: Es gilt: L(R) L(R) = Σ1 (R ∪ {R}) ∩ ℘(R); (1) Σ21 L(R) 2 L(R) = Π1 (R ∪ {R}) ∩ ℘(R); (2) Π1 L(R) = Lδ (R) ∩ ℘(R). (3) ∆21 Beweis. (1) Es gilt: Σ21 L(R) J (R) = Σ1 (Jδ (R)) δ ∩ ℘(R) J (R) = Σ1 (R ∪ {R}) δ ∩ ℘(R) L(R) = Σ1 (R ∪ {R}) ∩ ℘(R) (2) Es ist A ∈ Π21 L(R) gdw. R − A ∈ Σ21 L(R) gdw. A ∈ Π1 (R ∪ {R}) ∩ ℘(R). L(R) nach Satz 5.3 vgl. Beweis von Satz 5.3(1) wegen Jδ (R) ≺1 L(R). L(R) gdw. R − A ∈ Σ1 (R ∪ {R}) ∩ ℘(R) (3) Wie im vorherigen Korollar gezeigt, gilt Jδ (R) = Lδ (R). Also folgt die Behauptung direkt aus Satz 5.3(2). Satz 5.6 (Martin-Steel): [AD + V = L(R)] Es gilt: Skala Σ1 (R ∪ {R}) ∩ ℘(R) . Beweis. Vgl. [MS83], Theorem 1. Aus Korollar 1.86, Korollar 5.5 und Satz 5.6 zusammen erhalten wir: Korollar 5.7: [AD + V = L(R)] Es gilt Σ21 ⊆ S ∞ . Obwohl wir nur diese Implikation benötigen, möchte wir zur Vollständigkeit erwähnen, daß man in der Tat auch die Umkehrung zeigen kann: Satz 5.8: [AD + V = L(R)] Es gilt Σ21 = S ∞ . Moschovakis hat zeigen können, daß der folgende Zusammenhang zwischen der Skala-Eigenschaft und der Uniformisierbarkeit von Mengen reeller Zahlen gilt: Satz 5.9 (Moschovakis): Sei Γ eine Punktklasse. Wenn ∀1 Γ ⊆ Γ ist, dann gilt: Skala(Γ) ⇒ Unif (Γ). Beweis. Vgl. [Mos71]. Wie man leicht überprüft, erfüllt Σ21 die im Satz geforderte Bedingung. Wir erhalten also zusammen mit dem Satz von Martin und Steel: Korollar 5.10: [AD + V = L(R)] Es gilt Unif (Σ21 ). 5.2. O RDINALZAHL -D ETERMINIERTHEIT 5.2 133 Ordinalzahl-Determiniertheit Ziel dieses Abschnitts ist die Untersuchung von Determiniertheitsforderungen für Spiele der Länge ω mit Zügen aus einer Ordinalzahl, d.h. Spiele der Form Gα (A) für ein α ∈ Ord. Ist allerdings α überabzählbar, dann können wir nicht die Determiniertheit beliebiger Teilmengen von αω fordern, denn wir haben schon in Satz 3.7 gesehen, daß aus der Theorie ZF die Existenz einer Teilmenge von ω1ω folgt, die nicht determiniert ist. Damit existiert natürlich auch für jedes α ≥ ω1 eine nicht-determinierte Teilmenge von αω . Wir werden aber zeigen, daß unter der Annahme von AD + DC(R) für Ordinalzahlen ω ≤ α < Θ und Teilmengen A ⊆ αω , die sowohl Suslin auf α als auch Co-Suslin auf α sind, das zugehörige Spiel Gα (A) determiniert ist. Dabei werden wir die Tatsache benutzen, daß nach Satz 2.40 in der Theorie ZF + AD + DC(R) unbeschränkt viele Kardinalzahlen unterhalb von Θ existieren, die die starke Partitionseigenschaft besitzen, d.h. für die gilt: ∀µ < κ κ → (κ)κµ . Wir werden eine neue Form von Determiniertheitsforderung als Axiom formulieren, die wir mit Ordinalzahl-Determiniertheit (ordinal determinacy) bezeichnen. Dieses Axiom wird ein Teil von AD+ sein und fordert die Determiniertheit der Urbilder von beliebigen Mengen reeller Zahlen unter beliebigen stetigen Funktionen αω → R für alle ω ≤ α < Θ, also die Determiniertheit von bestimmten Spielen der Form Gα (A). Dieses Axiom ist in der Tat eine Erweiterung von AD. Das oben angesprochene Resultat über Suslin- und Co-Suslin-Mengen zusammen mit der Abgeschlossenheit der Suslin-Punktklasse unter stetigen Funktionen wird die Grundlage des Beweises sein, daß unter der Annahme von AD + DC(R) dieses neuen Axiom im Modell L(R) gilt. Dabei wird entscheidend eingehen, daß nach Korollar 5.7 unter AD in L(R) jede Σ21 -Menge bereits Suslin L(R) ist und nach Korollar 5.4 Lδ (R) ≺1 L(R) gilt für δ = δ 21 . Wir definieren zunächst eine Notation, die uns eine kompakte Darstellung ermöglicht. Im folgenden seien α, γ ∈ Ord mit α, γ ≥ ω und T ein Baum auf α × γ. Weiter sei κ > max{α, γ} eine reguläre, überabzählbare Kardinalzahl. Definition 5.11: Für s ∈ α<ω sei <s :≡ <KB (Ts × Ts ) die auf Ts eingeschränkte KleeneBrouwer-Ordnung. Nach Bemerkung 1.63 ist <s eine Wohlordnung für alle s ∈ α<ω . Sei ξ(s) :≡ otp(<s ). Ist s ⊆ t, dann gilt <s ⊆ <t , insbesondere also auch ξ(s) ≤ ξ(t). Für A ⊆ κ definieren wir: [A]s :≡ [A]ξ(s) = f | f : ξ(s) → A ∧ ∀u, v < ξ(s) u < v ⇒ f (u) < f (v) . D.h. [A]s ist die Menge der streng monoton wachsenden Funktionen von otp(<s ) nach A. S Sei weiter x ∈ αω . Ist Tx = n∈ω Txn fundiert, dann ist nach Lemma 1.62 <x :≡ <KB (Tx × S Tx ) ebenfalls eine Wohlordnung. Es gilt dann <x = n∈ω <xn . Sei in diesem Fall ξ(x) :≡ otp(<x ) und [A]x analog zu oben definiert. S S Bemerkung 5.12: Es gilt Ts ⊆ n∈ω γ n . Da γ ≥ ω ist, gilt damit |Ts | ≤ n∈ω γ n = |γ| < κ. Da <s eine Wohlordnung auf Ts ist, gilt also ξ(s) = otp(<s ) < κ. Analog gilt für x ∈ αω : falls Tx fundiert ist, dann gilt ξ(x) < κ. Definition 5.13: Angenommen, für ξ(s) gilt: β < ξ(s) ⇒ ∀n ∈ ω ω · β + n < ξ(s) . 134 K APITEL 5. DAS A XIOM AD+ Sei A ⊆ κ. Für f ∈ [A]s und β < ξ(s) sei der ω-Limes von f definiert durch:6 Λf (β) :≡ sup{f (ω · β + n) | n ∈ ω}. Dann sei: Λs (A) :≡ {Λf | f ∈ [A]s }. Für f ∈ [κ]s gilt Λf : ξ(s) → κ, da cof(κ) = κ > ω ist. Außerdem ist Λf ebenfalls streng monoton wachsend. Also ist Λf ∈ [κ]s . Für eine Teilmenge A ⊆ κ hatten wir Definition 1.42 die Menge lim(A) der Häufungspunkte von A definiert durch: lim(A) = {λ < κ | sup(A ∩ λ) = λ}. Im Allgemeinen gilt allerdings lim(A) 6⊆ A. Betrachten wir aber die ω-Limites, dann erhalten wir: Lemma 5.14: Sei A ⊆ κ. Dann gilt Λs (lim(A)) ⊆ Λs (A). Beweis. Sei f ∈ [lim(A)]s . Wir zeigen, daß ein g ∈ [A]s existiert, so daß Λf = Λg gilt. Daraus folgt die Behauptung. Sei β < ξ(s). Da f streng monoton wachsend ist, gilt f (β) < f (β + 1). Da f (β + 1) ∈ lim(A) ist, gilt sup(A ∩ f (β + 1)) = f (β + 1). Es existiert also ein η ∈ A mit f (β) < η < f (β + 1). Wir definieren dann: g : ξ(s) → A, β 7→ min{η | η ∈ A ∧ f (β) < η < f (β + 1)}. Nach Konstruktion ist g ebenfalls streng monoton wachsend, d.h. es gilt g ∈ [A]s . Andererseits ist g(ω · β + n) < f (ω · β + n + 1) und f (ω · β + n) < g(ω · β + n + 1), also gilt Λf (β) = Λg (β) für alle β < ξ(s) und damit Λf = Λg . Satz 5.15: Angenommen, es existiert ein κ ∈ Card mit κ > max{α, γ}, so daß ∀ν < κ κ → (κ)ν2 gilt. Dann gelten die folgende Aussagen: (i) Sei s ∈ α<ω . Angenommen, es gilt β < ξ(s) ⇒ ∀n ∈ ω ω · β + n < ξ(s) . Dann existiert ein κ-vollständiger Ultrafilter Us auf der Menge [κ]s ; (ii) Sei x ∈ αω . Angenommen, Tx ist fundiert und es gilt β < ξ(x) ⇒ ∀n ∈ ω ω · β + n < ξ(x) . Dann existiert ein κ-vollständiger Ultrafilter Ux auf der Menge [κ]x ; (iii) Diese Ultrafilter erfüllen die folgende Kohärenzeigenschaft. Sei A ⊆ [κ]s . Seien s, t ∈ α<ω , so daß s ⊆ t gilt und Us bzw. Ut definiert sind. Dann gilt: A ∈ Us ⇒ {f ∈ [κ]t | f ξ(s) ∈ A} ∈ Ut . Diese Eigenschaft gilt auch, falls s ∈ α<ω und x ∈ αω , so daß s ⊆ x gilt und Us bzw. Ux definiert sind: A ∈ Us ⇒ {f ∈ [κ]x | f ξ(s) ∈ A} ∈ Ux . Beweis. (i) Sei s ∈ α<ω , so daß β < ξ(s) ⇒ ∀n ∈ ω ω · β + n < ξ(s) gilt. Ein κ mit der angegebenen Partitionseigenschaft erfüllt nach Lemma 1.47 auch κ → (κ)22 . Nach Lemma 1.51 ist also κ regulär. Da κ > γ ≥ ω gilt, ist κ auch überabzählbar. Wir können also die weiter oben 6 Der Übergang von f zu Λf garantiert uns, daß Λf nicht stetig an Limesstellen ist, d.h. Λf ist auch streng monoton an Limesstellen: Λf (α) > sup{Λf (β) | β < α}. Damit ist Λf keine normale Funktion. Vgl. dazu auch [Sch99], Abschnitt 3.2. 5.2. O RDINALZAHL -D ETERMINIERTHEIT 135 genannten Definitionen und Lemmata benutzen. Demnach gilt auch ξ(s) < κ, d.h. wir können die Partitionseigenschaft auf [κ]s anwenden. Nach Voraussetzung können wir die Menge Λs (A) für A ⊆ κ bilden. Wir definieren nun Us als den von der Filterbasis {Λs (C) | C ist club in κ} erzeugten Filter: Us :≡ A ⊆ [κ]s | ∃C ⊆ κ C ist club in κ ∧ Λs (C) ⊆ A . Beh. 1: Us ist ein Ultrafilter auf [κ]s . Beweis. Us ist ein Filter: ∅ ist nicht club in κ, also gilt ∅ 6∈ Us . Andererseits ist κ club in κ und nach dem oben gesagten gilt Λs (κ) ⊆ [κ]s . Also ist [κ]s ∈ Us . Nach Definition ist klar, daß Obermengen von Filtermengen wieder im Filter liegen. Daß der Schnitt zweier Filtermengen wieder im Filter liegt, folgt insbesondere aus Behauptung (2). Um zu zeigen, daß Us ein Ultrafilter ist, sei A ⊆ [κ]s beliebig. Wir definieren eine Partition von [κ]s durch: ( 0 , falls Λf ∈ A s F : [κ] → 2, f 7→ 1 , falls Λf 6∈ A. Wegen der Partitionseigenschaft existiert ein H ⊆ κ mit |H| = κ, so daß H homogen für F ist. Ist F 00 [H]s = {0}, dann ist Λs (H) ⊆ A. Ist andererseits F 00 [H]s = {1}, dann ist Λs (H) ⊆ [κ]s − A. H ist unbeschränkt in κ. Angenommen, H sei nicht unbeschränkt in κ. Dann existiert ein η < κ, so daß H ⊆ η ist. Andererseits existiert wegen |H| = κ eine Bijektion g : H ↔ κ. Wir erhalten also S eine Funktion g : η → κ mit ran(g) = κ, also cof(κ) ≤ η < κ. Widerspruch zur Regularität von κ. Nach Lemma 1.43 ist die Menge lim(H) abgeschlossen und unbeschränkt in κ. Nach Lemma 5.14 gilt Λs (lim(H)) ⊆ Λs (H). Also gilt Λs (lim(H)) ⊆ A oder Λs (lim(H)) ⊆ [κ]s − A. Nach Definition von Us ist damit A ∈ Us oder [κ]s − A ∈ Us . Also ist Us ein Ultrafilter. (1) Beh. 2: Us ist κ-vollständig. Beweis. Sei λ < κ und {Xβ | β < λ} eine Partition von [κ]s . Da κ eine unendliche Kardinalξ(s)+ξ(s) zahl ist, gilt für ν < κ auch ν + ν < κ. Nach Voraussetzung gilt also κ → (κ)2 . Nach ξ(s) s Lemma 1.52 gilt damit auch κ → (κ)λ . Wir definieren eine weitere Partition von [κ] durch: F : [κ]s → λ, f 7→ β falls Λf ∈ Xβ . Wir haben weiter oben schon bemerkt, daß für f ∈ [κ]s auch Λf ∈ [κ]s gilt. Da die Xβ paarweise S disjunkt sind und β<λ Xβ = [κ]s gilt, ist also F wohldefiniert. Aufgrund der Partitionseigenschaft existiert ein H ⊆ κ mit |H| = κ, so daß H homogen für F ist. Daher gilt Λs (H) ⊆ Xβ0 für ein β0 < λ. Analog zur Behauptung (1) gilt: lim(H) ist club in κ und es ist Λs (lim(H)) ⊆ Λs (H). Nach Definition von Us gilt also Xβ0 ∈ Us . Nach Lemma 1.45 ist daher Us κ-vollständig. (2) Also ist Us ein κ-vollständiger Ultrafilter auf [κ]s . (ii) Der Beweis für x ∈ αω , so daß Tx fundiert ist und β < ξ(x) ⇒ ∀n ∈ ω ω · β + n < ξ(x) gilt, verläuft entsprechend. K APITEL 5. DAS A XIOM AD+ 136 (iii) Sei A ⊆ [κ]s und s, t ∈ α<ω mit s ⊆ t, so daß Us bzw. Ut definiert sind. Aus s ⊆ t folgt ξ(s) ≤ ξ(t). Sei A ∈ Us . Dann existiert eine club-Menge C ⊆ κ, so daß Λs (C) ⊆ A gilt. Die gleiche club-Menge C ist auch Zeuge für die Mitgliedschaft der angegebenen Menge in Ut , denn es gilt: Λg ∈ Λt (C) ⇒ g ∈ [C]t ⇒ gξ(s) ∈ [C]s ⇒ Λgξ(s) = Λg ξ(s) ∈ Λs (C) ⊆ A da stets dom(g) = dom(Λg ) gilt ⇒ Λg ∈ {f ∈ [κ]t | f ξ(s) ∈ A} da für g ∈ [κ]t stets Λg ∈ [κ]t ist. Also gilt Λt (C) ⊆ {f ∈ [κ]t | f ξ(s) ∈ A} und nach Definition von Ut ist die Menge ein Element von Ut . Sei nun s ∈ α<ω und x ∈ αω , so daß s ⊆ x gilt und Us bzw. Ux definiert sind. Dann folgt ebenfalls ξ(s) ≤ ξ(x) und der Beweis der entsprechenden Kohärenzeigenschaft verläuft analog. Die soeben konstruierten Ultrafilter benötigen wir für den Beweis des folgenden Satzes. Satz 5.16 (Kechris-Kleinberg-Moschovakis-Woodin): Seien α, γ, δ ∈ Ord mit α, γ, δ ≥ ω. Angenommen, es existiert eine Kardinalzahl κ > max{α, γ, δ} mit ∀ν < κ κ → (κ)ν2 und es gilt DC(℘(κ)). Ist A ⊆ αω γ-Suslin und δ-Co-Suslin, dann ist Gα (A) determiniert. Beweis. Sei T ein Baum auf α × γ, so daß A = p[T ] gilt. Durch eventuelles Anfügen von Kopien endlicher Teilbäume von T können wir T auf endlichen Stufen derart zu einem Baum T 0 verbreitern, so daß [T 0 ] = [T ] gilt. Durch die Verbreiterung erhöhen wir den Ordnungstyp ξ(s) der Kleene-Brouwer-Ordnung auf Ts . Wegen dieser Möglichkeit können wir also ohne Einschränkung annehmen, daß für alle s ∈ α<ω gilt: β < ξ(s) ⇒ ∀n ∈ ω ω · β + n < ξ(s) . Wir können also Satz 5.15 uneingeschränkt anwenden. Wir betrachten das Spiel Gα (A): I II Spiel Gα (A): x0 x2 x1 x3 ... ... Nach Lemma 1.73 gilt x ∈ A genau dann, wenn Tx nicht-fundiert ist, d.h. Spieler II gewinnt Gα (A) genau dann, wenn Tx fundiert ist. Wir betrachten nun ein Hilfsspiel G∗ , bei dem Spieler II bei jedem seiner Züge zusätzlich eine Funktion angeben muß: Spiel G∗ : I II x0 x2 hx1 , f1 i hx3 , f3 i ... ... Das Gewinnkriterium dieses Spiels lautet: Spieler II gewinnt G∗ genau dann, wenn folgendes gilt: (1) x 6∈ A; (2) f2n+1 ∈ [κ]x(2n+2) für alle n ∈ ω; 5.2. O RDINALZAHL -D ETERMINIERTHEIT 137 (3) f1 ⊆ . . . ⊆ f2i+1 ⊆ . . . ⊆ f2n+1 für alle n ∈ ω und alle i ≤ n. Beh. 1: Das Spiel G∗ ist quasi-determiniert. Beweis. Angenommen, hx0 , hx1 , f1 i, x2 , . . .i ist eine Partie des Spiels ist, die die Punkte (2) und (3) erfüllt, d.h. es gilt f2n+1 ∈ [κ]x(2n+2) und f1 ⊆ . . . ⊆ f2n+1 ⊆ . . . für alle n ∈ ω. Dann ist f :≡ supn∈ω f2n+1 wohl-definiert. Nach Definition ist f2n+1 : otp(<x(2n+2) ) → κ eine streng S monoton wachsende Funktion. Also ist <∗ :≡ n∈ω <x(2n+2) eine mittels f wohlordenbare Relation und es gilt <∗ = <KB (Tx ×Tx ). Nach Lemma 1.62 ist also Tx fundiert und nach dem oben gesagten gilt x 6∈ A, d.h. Bedingung (1) ist schon automatisch erfüllt. Wenn also Spieler II verliert, dann nur, weil er eine der Bedingungen (2) oder (3) nicht erfüllen kann. Diese Entscheidung fällt aber schon unwiderruflich nach endlich vielen Zügen, denn sei p :≡ hx0 , hx1 , f1 i, . . . , x2n i eine schon gespielte partielle Partie, so daß f2i+1 ∈ [κ]x(2i+2) für i < n und f1 ⊆ . . . ⊆ f2n−1 gilt. Insbesondere ist f2n−1 : ξ(hx0 , . . . , x2n−1 i) → κ eine streng monoton wachsende Funktion. Spieler II verliert nun das Spiel, weil er einen Zug hx2n+1 , f2n+1 i machen muß, so daß entweder f2n+1 keine Erweiterung von f2n−1 ist oder f2n+1 nicht mehr streng monoton wachsend ist. In beiden Fällen führt kein weiterer Zug von Spieler II zu einem Gewinn für ihn. Dieses Kriterium können wir also so formulieren, daß alle Erweiterungen der endlichen Folge p – also alle Elemente einer basis-offenen Menge Op in einem geeignet gewählten und mit der Produkttopologie ausgestattetem Raum – zu einem Verlust von Spieler II und damit zu einem Gewinn von Spieler I führen. Das Spiel G∗ ist demnach äquivalent zu einem Spiel, dessen Auszahlungsmenge die Vereinigung von basis-offenen Mengen, also selbst eine offene Menge ist. Daher ist nach Satz 2.18 das Spiel G∗ quasi-determiniert. (1) Wir unterscheiden die beiden möglichen Fälle: Beh. 2: Angenommen, Spieler I besitzt eine Quasi-Gewinnstrategie im Spiel G∗ . Dann besitzt er auch Gewinnstrategie im Spiel Gα (A). Beweis. Da die Züge von Spieler I Elemente von α, also aus einer wohlgeordneten Menge sind, können wir eine Quasi-Strategie von Spieler I im Spiel G∗ zu einer Strategie ausdünnen. Wir erhalten also bereits eine Gewinnstrategie σ ∗ für Spieler I. Wir definieren eine Gewinnstrategie σ für Spieler I in Gα (A), indem wir die Ultrafilter Us aus Satz 5.15 benutzen, um die zusätzlichen Züge von Spieler II in G∗ zu eliminieren“. Sei s = hx0 , x1 , . . . , x2n+1 i ∈ α2n+2 . Für jedes f ∈ ” [κ]s seien f1 , f3 , . . . , f2n+1 die zusätzlichen Züge von Spieler II, die durch f induziert werden, d.h. für i ≤ n sei: f2i+1 :≡ f ξ(x(2i + 2)). Für β < α definieren wir die Mengen Zβs ⊆ [κ]s durch: Zβs :≡ f ∈ [κ]s | σ ∗ hx0 , hx1 , f1 i, . . . , hx2n+1 , f2n+1 ii = β . S Es gilt β<α Zβs = [κ]s ∈ Us und Zβs ∩ Zβs 0 = ∅ für β 6= β 0 . Nach Lemma 1.45 existiert daher genau ein β0 < α mit Zβs0 ∈ Us . Wir können also die Strategie σ im Spiel Gα (A) wie folgt definieren: ( [ σ ∗ (∅) , falls s = ∅ σ: α2m → α, s 7→ β0 , falls Zβs0 ∈ Us . m∈ω K APITEL 5. DAS A XIOM AD+ 138 Für Us -fast alle f ∈ [κ]s gilt dann: σ(hx0 , x1 , . . . , x2n+1 i) = σ ∗ (hx0 , hx1 , f1 i, . . . , hx2n+1 , f2n+1 ii). Angenommen, Spieler I spielt gemäß dieser Strategie σ, aber er verliert das Spiel Gα (A). Sei x = hx0 , x1 , . . .i ∈ αω die entsprechende Partie, so daß x 6∈ A gilt. Dann ist nach dem oben gesagten Tx fundiert, also ist <x eine Wohlordnung und die Menge [κ]x bzw. der Ultrafilter Ux sind definiert. Für alle n ≥ 1 sei Bn ⊆ [κ]x definiert durch: o n x2n . Bn :≡ g ∈ [κ]x | gξ(x2n) ∈ Zσ(x2n) x2n Für alle n ≥ 1 ist Zσ(x2n) ∈ Ux2n , also gilt wegen der Kohärenzeigenschaft der Ultrafilter: Bn ∈ Ux . Da Ux κ-vollständig und κ > ω ist, folgt damit: \ \ Bn ∈ Ux , insbesondere also Bn 6= ∅. n≥1 Sei f ∗ ∈ T n≥1 Bn . n≥1 Dann gilt also für alle n ≥ 1: x2n ∗ f2n−1 :≡ f ∗ ξ(x2n) ∈ Zσ(x2n) . ∗ ii) für alle n ∈ ω, d.h. Damit ist σ(hx0 , x1 , . . . , x2n−1 i) = σ ∗ (hx0 , hx1 , f1∗ i, . . . , hx2n−1 , f2n−1 die Folge: hx0 , hx1 , f1∗ i, x2 , hx3 , f3∗ i, . . .i ist eine Partie im Spiel G∗ , bei der Spieler I gemäß seiner Strategie σ ∗ spielt. Da aber für jedes ∗ ∗ ∈ [κ]x(2i+2) und f1∗ ⊆ f3∗ ⊆ . . . ⊆ f2n+1 , gewinnt nach n ∈ ω und jedes i ≤ n gilt: f2i+1 ∗ den Regeln von G Spieler II dieses Spiel. Widerspruch, denn nach Voraussetzung war σ ∗ eine (2) Gewinnstrategie für Spieler I. Also ist σ eine Gewinnstrategie für Spieler I im Spiel Gα (A). Beh. 3: Angenommen, Spieler II besitzt eine Quasi-Gewinnstrategie im Spiel G∗ . Dann besitzt er auch eine Gewinnstrategie im Spiel Gα (A). Beweis. Da die Züge von Spieler II Elemente einer Menge sind, die nicht notwendigerweise wohlgeordnet ist, können wir nicht unbedingt eine Quasi-Gewinnstrategie zu einer Gewinnstrategie ausdünnen. Um dennoch eine Gewinnstrategie für Spieler II im Spiel Gα (A) zu erhalten, benutzen wir die Tatsache, daß A ebenfalls δ-Co-Suslin ist. Sei S ein Baum auf α × δ, so daß ¬A = αω − A = p[S] ist. Wir können wieder ohne Einschränkung annehmen, daß S die notwendige Gestalt hat, um uneingeschränkt Satz 5.15 anwenden zu können. Wir betrachten ein weiteres Hilfsspiel G∗∗ , das genauso wie G∗ verläuft, nur daß die Rollen von Spieler I und Spieler II vertauscht sind: Spiel G∗∗ : I II hx0 , f0 i hx2 , f2 i x1 Spieler I gewinnt G∗∗ genau dann, wenn folgendes gilt: (1) x ∈ A; x3 ... ... 5.2. O RDINALZAHL -D ETERMINIERTHEIT 139 (2) f2n ∈ [κ]x(2n+1) für alle n ∈ ω; (3) f0 ⊆ . . . ⊆ f2i ⊆ . . . ⊆ f2n für alle n ∈ ω und alle i ≤ n. Es gilt analog zum vorherigen Fall: Spieler I gewinnt das Spiel Gα (A) genau dann, wenn Sx fundiert ist. Entsprechend der Argumentation beim Spiel G∗ steht der Verlust für Spieler I bereits nach endlich vielen Zügen fest. Spieler II gewinnt also genau dann, wenn die Partie Element einer Vereinigung von basis-offenen Mengen in einem geeigneten topologischen Raum ist, d.h. das Spiel G∗∗ ist äquivalent zu einem abgeschlossenen Spiel und daher nach Satz 2.18 quasi-determiniert. Der analoge Beweis wie für Behauptung (2) mit vertauschten Rollen der Spieler liefert uns: (∗) Angenommen, Spieler II besitzt eine Quasi-Gewinnstrategie im Spiel G∗∗ . Dann besitzt er auch eine Gewinnstrategie im Spiel Gα (A). Angenommen nun, Spieler II besitzt keine Quasi-Gewinnstrategie im Spiel G∗∗ . Dann besitzt Spieler I wegen der Quasi-Determiniertheit des Spiels eine Quasi-Gewinnstrategie P in G∗∗ . Wir werden zeigen, daß aufgrund von DC(℘(κ)) dann aber Spielverläufe in G∗ und G∗∗ mit derselben Folge x = hx0 , x1 , x2 , . . .i existieren, so daß Spieler II gemäß seiner Quasi-Gewinnstrategie Q in G∗ und Spieler I gemäß seiner Quasi-Gewinnstrategie P in G∗∗ spielt (vgl. Abbildung 5.1). ... I x0 x2 II P hx1 , f1 i P hx3 , f3 i ... I hx0 , f0 i Q hx2 , f2 i Q ... x3 ... G∗ G∗∗ II x1 Abb. 5.1: Die beiden Hilfsspiele G∗ und G∗∗ Beh. 3.1: DC(℘(κ)) ⇒ DC(α<ω × ℘(κ × κ)). Beweis. Angenommen, es gilt DC(℘(κ)). Da κ ≥ ℵ0 ist, existiert eine Bijektion κ ↔ κ × κ und damit auch eine Bijektion ℘(κ) ↔ ℘(κ × κ). Nach Lemma 1.6 gilt also auch DC(℘(κ × κ)). Andererseits gilt |℘(κ × κ)<ω | = |℘(κ × κ)|, nach Lemma 1.60 gilt also auch DC(β ×℘(κ×κ)) für alle β ∈ Ord, insbesondere DC(α<ω × ℘(κ × κ)). (3.1) Ist f ∈ [κ]s , dann ist insbesondere f : ξ(s) → κ. Wegen ξ(s) < κ ist f ⊆ ξ(s) × κ ⊆ κ × κ, also f ∈ ℘(κ × κ). Für t ∈ αn+1 und f ∈ [κ]t sei fi :≡ f ξ(t(i + 1)) für i ≤ n. Insbesondere ist fn = f . Wir definieren nun eine Relation R auf α<ω × ℘(κ × κ)) durch: 140 K APITEL 5. DAS A XIOM AD+ (hs, Xi, ht, f i) ∈ R :⇔ s = hx0 , . . . , x2n i ∧ ∃y < α t = sahyi ∧ f ∈ [κ]t ∧ hx0 , hx1 , f1 i, . . . , x2n , hy, f i ∈ Qi ∨ s = hx0 , . . . , x2n−1 i ∧ ∃z < α t = sahzi ∧ g ∈ [κ]t ∧ hhx0 , g0 i, x1 , . . . , x2n−1 , hz, gi ∈ P i . Man beachte, daß X bei der Definition keine Rolle spielt. Ist z.B. hx0 , f0 i ein erster Zug von Spieler I im Spiel G∗∗ gemäß seiner Strategie P , dann gilt (h∅, Xi, hx0 , f0 i) ∈ R für alle X ⊆ κ × κ. Ist nun hx1 , f1 i eine Antwort auf hx0 i von Spieler II im Spiel G∗ gemäß seiner Strategie Q, dann gilt (hx0 , Y i, hx1 , f1 i) ∈ R für alle Y ⊆ κ × κ usw. Allgemein gilt für hs, Xi ∈ a α<ω × ℘(κ × κ): ist s = hx0 , . . . , x2n i, dann existiert ein y < α und ein f ∈ [κ]s hyi , so daß hx0 , hx1 , f1 i, . . . , x2n , hy, f ii ∈ Q ist, da Q eine Quasi-Gewinnstrategie für Spieler II in G∗ a ist. Ist andererseits s = hx0 , . . . , x2n−1 i, dann existiert ein z < α und ein g ∈ [κ]s hyi , so daß hhx0 , g0 i, x1 , . . . , x2n−1 , hz, gii ∈ P ist, da P eine Quasi-Gewinnstrategie für Spieler I in G∗∗ ist. Also gilt: ∀(s, X) ∈ α<ω × ℘(κ × κ) ∃(t, f ) ∈ α<ω × ℘(κ × κ) (hs, Xi, ht, f i) ∈ R . Wegen DC(α<ω × ℘(κ × κ)) existiert also eine Funktion h : ω → α<ω × ℘(κ × κ), so daß ∀n ∈ ω (h(n), h(n + 1)) ∈ R gilt. Da nicht unbedingt h(0) = h∅, Xi gilt, müssen wir unter Umständen die Folge hh(n) | n ∈ ωi noch um ein endliches Anfangsstück ergänzen. Dies ist aber stets möglich. Wir erhalten also eine Folge der Form: hh∅, Xi, hx0 , g0 i, hx1 , f1 i, hx2 , g2 i, hx3 , f3 i, . . .i. Sei nun x :≡ hx0 , x1 , x2 , . . .i. Die Folge hhx0 , g0 i, x1 , hx2 , g2 i, x3 , . . .i ist nach Konstruktion eine Partie im Spiel G∗∗ gemäß der Quasi-Gewinnstrategie P . Also ist x ∈ A. Andererseits ist die Folge hx0 , hx1 , f1 i, x2 , hx3 , f3 i, . . .i eine Partie im Spiel G∗ gemäß der Quasi-Gewinnstrategie Q. Also ist x 6∈ A. Widerspruch. Also muß Spieler II eine Quasi-Gewinnstrategie im Spiel G∗∗ (3) besitzen und damit besitzt er wegen (∗) auch eine Gewinnstrategie im Spiel Gα (A). Da G∗ quasi-determiniert ist, muß eine der Voraussetzungen der Behauptungen (2) und (3) erfüllt sein. Damit ist das Spiel Gα (A) determiniert. Korollar 5.17: [AD + DC(R)] Sei ω ≤ α < Θ. Ist A ⊆ αω Suslin und Co-Suslin, dann ist Gα (A) determiniert. Beweis. Sei ω ≤ α < Θ. Seien γ, δ ∈ Ord mit γ, δ ≥ ω, so daß A γ-Suslin und δ-Co-Suslin ist. Nach Lemma 4.39 existieren dann auch ω ≤ γ ∗ < Θ und ω ≤ δ ∗ < Θ, so daß A γ ∗ -Suslin und δ ∗ -Co-Suslin ist. Nach Satz 2.40 existiert eine Kardinalzahl κ < Θ mit κ > max{α, γ ∗ , δ ∗ }, so daß κ die starke Partitionseigenschaft besitzt, d.h. es gilt ∀µ < κ κ → (κ)κµ . Da ein κ mit dieser Eigenschaft regulär ist, gilt nach Lemma 1.47 insbesondere auch ∀µ, ν < κ κ → (κ)νµ . Da κ < Θ ist, existiert nach dem Moschovakis Coding Lemma 2.31 eine Surjektion R ℘(κ). Nach Lemma 1.6 gilt mit DC(R) also auch DC(℘(κ)). Nach Satz 5.16 ist also Gα (A) determiniert. 5.2. O RDINALZAHL -D ETERMINIERTHEIT 141 Korollar 5.18: [AD + DC(R)] Sei ω ≤ α < Θ und f : αω → R stetig. Sei A ⊆ R Suslin und Co-Suslin. Dann ist Gα (f −100 A) determiniert. Beweis. Ist A ⊆ R Suslin und Co-Suslin, dann ist nach Lemma 1.74 und Bemerkung 1.75 die Menge B :≡ f −100 A ⊆ αω ebenfalls Suslin und Co-Suslin. Nach Korollar 5.17 ist Gα (B) determiniert. Wir haben schon zu Beginn dieses Abschnitts erwähnt, daß wir nicht die Determiniertheit der Spiele Gα (A) für beliebige ω ≤ α < Θ und beliebige A ⊆ αω fordern können. Eine interessante Frage ist, von welchen Mengen wir die Determiniertheit noch fordern können, ohne daß diese Forderung inkonsistent mit ZF ist. Das letzte Korollar zeigt uns, daß dies für gewisse schöne“ ” Mengen möglich ist, in unserem Fall für die stetigen Urbilder von Mengen, die Suslin und CoSuslin sind. Wie sieht es aber mit stetigen Urbildern beliebiger Mengen reeller Zahlen aus? Wir formulieren diese Forderung durch das nachstehende Axiom. Wir werden weiter unten sehen, daß dieses Axiom tatsächlich eine der in der Einleitung des Kapitels angesprochenen, schönen“ ” Eigenschaften von L(R) erfaßt: Definition 5.19: Das Axiom der Ordinalzahl-Determiniertheit (axiom of ordinal determinacy)7 sei: ADOrd :⇔ ∀ω ≤ α < Θ ∀A ⊆ R ∀f f : αω → R ist stetig ⇒ das Spiel Gα (f −100 A) ist determiniert . Bemerkung 5.20: Für α = ω und f ≡ idR ist das gerade die Forderung von AD, also gilt: ADOrd ⇒ AD. Aus Korollar 5.18 folgt unmittelbar: Korollar 5.21: Angenommen, jede Menge reeller Zahlen ist Suslin. Dann folgt ADOrd , d.h. es gilt S ∞ = ℘(R) ⇒ ADOrd . Aufgrund von Satz 4.21 erhalten wir: Korollar 5.22: [DC] Es gilt ADR ⇒ ADOrd . Um zeigen zu können, daß L(R) unter der Annahme von AD + DC(R) tatsächlich ein Modell von ADOrd ist, benötigen wir die folgende Aussage: Lemma 5.23: [AD + DC(R)] Sei M ein transitives Modell von ZF∗ , so daß RV ⊆ M gilt und jede Teilmenge reeller Zahlen aus M Suslin (im Universum) ist, d.h. es es gilt ℘(R)M ⊆ S ∞ .8 Dann ist M ein Modell der Ordinalzahl-Determiniertheit, d.h. es gilt: M |= ADOrd . 7 8 Das Axiom wir auch als Axiom der <Θ-Determiniertheit bezeichnet. ZF∗ bedeutet, daß in M genügend“ viele ZF-Axiome gelten, so daß die entsprechenden Beweise durchgeführt werden können. Analysiert” man den Beweis dieses Lemmas und des Coding-Lemmas von Moschovakis, so stellt man fest, daß keine unendlichen Schemata benötigt werden, d.h. es genügen endlich viele ZF-Axiome, die dann sogar durch ein einziges Axiom ausgedrückt werden können. 142 K APITEL 5. DAS A XIOM AD+ L(R) Lβ (R) β α f A Abb. 5.2: Die Stufe Lβ (R) Beweis. Seien A ∈ ℘(R)M, ω ≤ α < ΘM und f ∈ M, so daß f : αω → R eine in M stetige Funktion ist. Da M ein transitives ZF∗ -Modell ist, gilt ΘM ≤ Θ. Aus Absolutheitsgründen ist f : αω → R auch in V eine stetige Funktion. Nach Voraussetzung ist A Suslin in V. Da mit A auch R − A ein Element von M und jede Teilmenge reeller Zahlen aus M Suslin in V ist, ist A auch Co-Suslin in V. Nach Korollar 5.18 ist daher das Spiel Gα (f −100 A) in V determiniert, d.h. es existiert in V eine Gewinnstrategie für einen der Spieler in diesem Spiel. Eine Strategie ist aber eine Funktion von σ : α<ω → α und kann daher als Teilmenge S ⊆ α, d.h. als S ∈ ℘(α) elementar kodiert werden. Seien dazu χ : α<ω ↔ α und π : α × α ↔ α zwei fest gewählte Bijektionen, die nach den üblichen Methoden zur Bestimmung der Mächtigkeiten für alle α ≥ ω existieren. Wir definieren dann S ⊆ α durch: S :≡ {β | ∃s ∈ α<ω β = π(χ(s), σ(s)) }. Da α < Θ gilt, existiert nach dem Moschovakis Coding Lemma 2.31 in V eine Funktion π : R ℘(α) und damit ein x ∈ RV mit π(x) = S. Da nach Voraussetzung RV ⊆ M gilt und M Modell eines ausreichend großen Fragments von ZF ist, können wir S und damit die Strategie σ wieder in M dekodieren. Die Eigenschaft, eine Gewinnstrategie zu sein, ist absolut für transitive Modelle.9 Also gilt für eine Gewinnstrategie σ von Spieler I oder Spieler II in V, daß σ ∈ M ist und σ ebenfalls eine Gewinnstrategie in M ist. Wir erhalten: M |= Gα (f −100 A) ist determiniert. Also gilt M |= ADOrd . Lemma 5.24: [AD + DC(R)] Es gilt L(R) |= ADOrd . Beweis. Wir führen einen Widerspruchsbeweis. Angenommen, es existiert in L(R) ein Gegenbeispiel zu ADOrd , d.h. es gilt: L(R) |= ∃ω ≤ α < Θ ∃A ⊆ R ∃f f : αω → R ist stetig ∧ Gα (f −100 A) ist nicht determ. . 9 Vgl. dazu auch Satz 4.1 und Satz 4.2. 5.2. O RDINALZAHL -D ETERMINIERTHEIT 143 Nach Definition von L(R) liegen diese drei Objekte α, A und f schon in einer Stufe Lβ (R) für ein β ∈ Ord (vgl. Abbildung 5.2). Wir können β so groß wählen, daß Lβ (R) auch ein Modell von ZF∗ des letzten Lemmas ist, d.h. es gilt: ∃β ∈ Ord Lβ (R) |= ZF∗ ∧ ∃ω ≤ α < Θ ∃A ⊆ R ∃f f : αω → R ist stetig ∧ Gα (f −100 A) ist nicht determiniert . Dies ist eine Σ1 -Formel. Nach Korollar 5.4 gilt andererseits für δ :≡ δ 21 Lδ (R) ≺1 L(R). L(R) : Also existiert ein β ∗ ∈ Ord ∩Lδ (R) = δ mit dieser Eigenschaft: ∃β ∗ < δ Lβ ∗ (R) |= ZF∗ ∧ ∃ω ≤ α < Θ ∃A ⊆ R ∃f f : αω → R ist stetig ∧ Gα (f −100 A) ist nicht determiniert . (∗) Andererseits gilt nach Korollar 5.5: ∆21 L(R) = Lδ (R) ∩ ℘(R). Für eine Teilmenge A ⊆ R gilt: ist A Suslin in L(R), dann ist A auch Suslin in V. Wir erhalten also zusammen mit Korollar 5.7: L(R) L(R) L(R) ⊆ S∞ ⊆ Σ21 Lβ ∗ (R) ∩ ℘(R) ⊆ Lδ (R) ∩ ℘(R) = ∆21 ⊆ S∞. Da aber auch RV ⊆ Lβ ∗ (R) gilt, folgt aus Lemma 5.23: Lβ ∗ (R) |= ADOrd . Das steht aber im Widerspruch zu (∗). 5.3 ∞-Borel-Mengen In Abschnitt 1.3 haben wir bereits die Punktklasse der Borel-Mengen B(R) angegeben. B(R) ist die von den offenen Teilmengen von R erzeugte σ-Algebra, insbesondere ist B(R) gegenüber der abzählbaren Vereinigung abgeschlossen. Wir möchten nun das Konzept der Borel-Mengen verallgemeinern, indem wir auch überabzählbare Vereinigungen zulassen wollen. Bei der offensichtlichen“ Verallgemeinerung durch die Betrach” tung der γ-Algebra für γ > ω gemäß Definition 1.27 sind wir allerdings auf die Abgeschlossenheit unter wohlgeordneter γ-Vereinigungen beschränkt. Sei Bγ (R) :≡ Aγ (O) die von den offenen Teilmengen von R erzeugte γ-Algebra. Unter der Annahme von ACω (R) gilt dann:10 B(R) = Bω1 (R) = Bω+1 (R). Da wir aber an einer Anwendung im AD-Kontext interessiert sind und daher das Auswahlaxiom nicht benutzen können, wollen wir uns nicht auf wohlgeordnete Folgen beschränken müssen. Deswegen möchten wir die obige, naheliegende Verallgemeinerung nicht verfolgen. Wir versuchen 10 Vgl. Lemma 1.29. K APITEL 5. DAS A XIOM AD+ 144 statt dessen einen anderen Weg zu finden, das Konzept der Borel-Mengen zu verallgemeinern. Wir definieren dazu in diesem Abschnitt den Begriff der ∞-Borel-Menge und geben eine Kodierung dieser Mengen durch aussagenlogische Ausdrücke an. Wir werden zeigen, daß unter der Annahme von ACω (R) dieser neue Begriff die üblichen Borel-Mengen umfaßt und sogar den Begriff der Suslin-Menge erweitert. Wir formulieren dann die Forderung, daß alle Mengen reeller Zahlen bereits ∞-Borel-Mengen sind, als neues Axiom und zeigen, daß unter der Annahme von AD + DC(R) dieses Axiom im Modell L(R) gilt. Diese Forderung wird neben der OrdinalzahlDeterminiertheit den zweiten, wesentlichen Teil des Axiom AD+ ausmachen und wir haben damit eine weitere schöne“ Eigenschaft des Modells L(R) erfassen können. ” Nach Lemma 1.11 erfüllt R das zweite Abzählbarkeitsaxiom. Wir definieren zunächst eine konkrete abzählbare Basis der Topologie: Definition 5.25: Sei {Os | s ∈ ω <ω } die in Definition 1.9 angegebene Basis der Topologie von R. Sei weiter hsn | n ∈ ωi die in Definition 1.23 angegebene Abzählung von ω <ω . Wir definieren dann O0 :≡ ∅ und On+1 :≡ Osn . Dann bildet also {On | n ∈ ω} eine Basis der Topologie, d.h. jede offene Menge A kann dargestellt werden durch: [ A= On mit N ⊆ ω, N 6= ∅. n∈N Wir definieren nun die verallgemeinerte Form der Borel-Mengen: W Definition 5.26: Sei ω < γ ∈ Ord. Sei A das Alphabet {¬} ∪ α<β | β < γ ∪ {pn | n ∈ ω} mit abzählbar vielen aussagenlogischen Variablensymbolen pn und einer infinitären Disjunktion W α<β . Wir definieren das aus den folgenden Regeln bestehende Kalkül: pn für n ∈ ω, ϕ , ¬ϕ hϕα | α < βi W für β < γ. α<β ϕα Wie man leicht überprüft, besitzt dieses Kalkül eine eindeutige Zerlegung. Sei BCγ das Erzeugnis des Kalküls. Ein aussagenlogischer Ausdruck ϕ ∈ BCγ heißt γ-Borel-Code. Durch Rekursion über dem Kalkül definieren wir für jedes ϕ ∈ BCγ eine Teilmenge Aϕ der reellen Zahlen. Aϕ heißt dann γ-Borel-Menge und wir sagen, daß Aϕ von ϕ kodiert wird: (1) Ist ϕ ≡ pn für ein n ∈ ω, dann sei Aϕ :≡ On ; (2) Ist ϕ ≡ ¬ψ für ein ψ ∈ BCγ , dann sei Aϕ :≡ R − Aψ ; W (3) Ist ϕ ≡ α<β ψα für ein β < γ, so daß ∀α < β ψα ∈ BCγ gilt, dann sei Aϕ :≡ S α<β Aψα . Wie üblich definieren wir für β < γ und hϕα | α < βi ⊆ BCγ : ^ _ ϕα :≡ ¬ ¬ϕα . α<β α<β W T V Dann gilt für ψ :≡ α<β ϕα , daß Aψ = α<β Aϕα . Wir schreiben auch ϕ0 ∨ ϕ1 statt α<2 ϕα V und ϕ0 ∧ ϕ1 statt α<2 ϕα . Sei Bγ die Punktklasse der γ-Borel-Mengen. Nach Definition gilt für γ < δ: BCγ ⊆ BCδ und S damit auch Bγ ⊆ Bδ . Sei schließlich BC∞ :≡ ω<γ BCγ die Menge der ∞-Borel-Codes. Für ein ϕ ∈ BC∞ heißt Aϕ eine ∞-Borel-Menge. Sei B∞ die Punktklasse der ∞-Borel-Mengen. 5.3. ∞-B OREL -M ENGEN 145 Lemma 5.27: Ist γ ∈ Ord, so daß γ > ω gilt und γ keine Kardinalzahl ist, dann gilt BCγ = BC|γ|+ und damit auch Bγ = B|γ|+ . Daher genügt es, nur BCκ bzw. Bκ für κ ∈ Card mit κ > ℵ0 zu betrachten. Beweis. Sei ω < γ ∈ Ord keine Kardinalzahl. Nach Definition gilt BCγ ⊆ BC|γ|+ . Sei also W ϕ ∈ BC|γ|+ . Der einzige problematische Fall ist die Disjunktion. Sei ϕ = α<β ϕα für ein W β < |γ|+ , so daß bereits ∀α < β ϕα ∈ BCγ gilt. Wir wollen zeigen, daß schon ϕ = α<δ ϕα für ein δ < γ gilt. Daraus folgt dann die Behauptung. Wegen β < |γ|+ gilt |β| ≤ |γ|. Also existiert eine Surjektion f : γ β.11 Da nach Voraussetzung γ keine Kardinalzahl ist, existiert ein δ < γ mit |δ| = |γ| und damit eine Bijektion g : δ ↔ γ. Wir definieren π :≡ f ◦ g. Dann ist π : δ β eine Surjektion und es gilt: _ _ ϕα . ϕπ(α) = α<β α<δ Also ist ϕ ∈ BCγ . Bemerkung 5.28: Sei κ > ℵ0 . Die aussagenlogischen Ausdrücke aus BCκ besitzen eine eindeutige Zerlegung. Wir können ein ϕ ∈ BCκ+ als einen fundierten Baum auf κ auffassen. Nach Lemma 5.27 gilt BCκ+ = BCκ+1 . Es gilt also bereits ϕ ∈ BCκ+1 . Wir konstruieren nun durch Rekursion über den Aufbau von ϕ den Baum Tϕ : (1) Ist ϕ ≡ pn für ein n ∈ ω, dann sei Tϕ :≡ {∅, hn + 2i}; (2) Ist ϕ ≡ ¬ψ für ein ψ ∈ BCκ+1 , dann sei Tϕ :≡ {∅} ∪ h0iaTψ ;12 W (3) Ist ϕ ≡ α<β ψα für ein β ≤ κ, so daß ∀α < β ψα ∈ BCκ+1 gilt, dann sei Tϕ :≡ S {∅, h1i} ∪ α<β h1, αiaTψα . Es gilt [Tϕ ] = ∅, da ϕ ein Element aus dem Erzeugnis des Kalküls ist. Also ist Tϕ ein fundierter Baum auf κ. Ist κ eine Limeskardinalzahl, dann gilt nach Konstruktion: [ BCκ = BCλ+ . λ<κ Ist also ϕ ∈ BCκ , dann ist ϕ ∈ BCλ+ für ein λ < κ und wir können ϕ nach dem obigen Argument als einen fundierten Baum auf λ und damit auch als einen fundierten Baum auf κ auffassen. Der Baum Tϕ beschreibt exakt den Aufbau von ϕ, d.h. wir können ϕ aus Tϕ eindeutig rekonstruieren. Gilt das Auswahlaxiom, dann erhalten wir: Lemma 5.29: [AC] Alle Teilmengen von R sind Θ-Borel, d.h. es gilt ℘(R) = BΘ . Insbesondere folgt aus ZFC + CH, daß alle Teilmengen von R bereits ω2 -Borel sind. Beweis. Sei B ⊆ R. Wegen AC ist A wohlordenbar, d.h. es existiert eine Bijektion f : B ↔ γ für ein γ ∈ Ord. Wir definieren dann: ( f (x) , falls x ∈ B g : R → γ, x 7→ 0 , sonst. 11 12 Hierfür wird das Auswahlaxiom nicht benötigt. S Für s ∈ κ<ω und einen Baum T auf κ sei sa T :≡ {sa t | t ∈ T }. 146 K APITEL 5. DAS A XIOM AD+ Dann ist g : R γ, also gilt nach Definition von Θ bereits γ < Θ. Außerdem ist B = S −1 (α)}. Für jedes α < γ ist die einpunktige Menge {f −1 (α)} ⊆ R abgeschlossen, α<γ {f also ihr Komplement offen. Es existieren also ϕα ∈ BCω1 mit {f −1 (α)} = Aϕα (vgl. dazu das W folgende Lemma). Für ψ :≡ α<γ ϕα gilt B = Aψ ∈ BΘ . Nach Abschnitt 4.5 gilt außerdem in ZFC + CH, daß Θ = ω2 ist. Daraus folgt die Behauptung. Unter einer schwachen Form von Auswahlprinzip sind die ∞-Borel-Mengen tatsächlich eine Erweiterung der üblichen Borel-Mengen: Lemma 5.30: [ACω (R)] Es gilt B(R) = Bω1 . Beweis. Für ϕ ∈ BCω1 ist Aϕ nach Rekursionsvorschrift eine Menge, die aus endlich-facher Anwendung der Komplementbildung und abzählbarer Vereinigung aus offenen Mengen entsteht, d.h. es ist Aϕ ∈ B(R). Also gilt Bω1 ⊆ B(R). Andererseits gilt nach Voraussetzung ACω (R), nach Lemma 1.29 ist daher: [ Σ0α . B(R) = 1≤α<ω1 Wir zeigen durch Induktion über 1 ≤ α < ω1 , daß Σ0α ⊆ Bω1 gilt. Daraus folgt die Behauptung. Wir führen den Fall α = 1 explizit aus: Sei B ∈ Σ01 . Nach Definition ist B eine offene Teilmenge S von R. Es existiert daher eine Menge N ⊆ ω, N 6= ∅ mit B = n∈N On . Sei n0 ∈ N beliebig. Wir definieren dann: ( n , falls n ∈ N f : ω → ω, n 7→ n0 , sonst. W Sei weiter ϕ :≡ n∈ω pf (n) . Dann ist ϕ ∈ BCω1 und es gilt: Aϕ = [ n∈ω Of (n) = [ On = B. n∈N Insbesondere ist also B ∈ Bω1 und damit Σ01 ⊆ Bω1 . Für den Induktionsschritt nehmen wir nun an, daß Σ0β ⊆ Bω1 für alle β < α < ω1 gilt. Sei S B ∈ Σ0α . Nach Definition ist dann B = n∈ω Bn mit Bn ∈ Π0βn und βn < α, also R−Bn ∈ Σ0βn für alle n ∈ ω. Nach Induktionsvoraussetzung ist R − Bn ∈ Bω1 für jedes n ∈ ω, d.h. es existiert ein ω1 -Borel-Code ϕ von Bn . Nach Bemerkung 5.28 können wir ϕ als fundierten Baum auf ω, d.h. als Teilmenge von ω <ω auffassen. Sei Φ0 : ω <ω ,→ ω und Ψ0 : ω ω <ω die in Definition 1.23 angegebenen Funktionen, so daß Ψ0 ◦ Φ0 ≡ idω<ω gilt. Sei π : R ↔ ℘(ω) eine Bijektion. Dann ist Cn :≡ {π −1 (Φ000 ϕ) | ϕ ∈ BCω1 ∧Bn = Aϕ } eine – nach Voraussetzung nicht-leere – Teilmenge von R. Wegen ACω (R) können wir also für jedes n ∈ ω ein cn ∈ Cn wählen. Sei W dann ϕn :≡ Ψ000 (π(cn )) ∈ BCω1 . Nach Konstruktion gilt Bn = Aϕn . Sei weiter ψ :≡ n∈ω ϕn . S S Dann ist ψ ∈ BCω1 und es gilt Aψ = n∈ω Aϕn = n∈ω Bn = B, insbesondere also B ∈ Bω1 . Es folgt Σ0α ⊆ Bω1 . Damit ist das Lemma bewiesen. Bemerkung 5.31: Das letzte Resultat ist eigentlich eine Verallgemeinerung des Satzes von Suslin 1.37, der besagt, daß unter der Annahme von ACω (R) gilt: B(R) = ∆11 . Nach Lemma 1.71 5.3. ∞-B OREL -M ENGEN 147 sind daher die Borel-Mengen gerade die Mengen, die ω-Suslin und ω-Co-Suslin sind und tatsächlich kann man zeigen: ist eine Menge A reeller Zahlen κ-Suslin und κ-Co-Suslin für κ ≥ ℵ0 , dann besitzt A einen κ+ -Borel-Code.13 Wir müssen in einem Kontext ohne AC allerdings vorsichtig sein: ist hϕα | α < βi eine Folge S von ∞-Borel-Codes, dann ist nach Definition α<β Aϕα eine ∞-Borel-Menge. Ist andererseits hBα | α < βi eine Folge von ∞-Borel-Mengen, dann wissen wir ohne Auswahlaxiom nicht, S ob α<β Bα ebenfalls eine ∞-Borel-Menge ist, da wir – wie wir im Beweis des letzten Lemmas gesehen haben – für jedes Bα einen Borel-Code auswählen müssen! Tatsächlich ist es immer noch eine offene Frage, ob B∞ abgeschlossen unter abzählbarer oder gar beliebiger wohlordenbarer Vereinigung ist, d.h. ob Bγ eine γ-Algebra bildet und daher mit der Eingangs definierten Punktklasse Bγ (R) übereinstimmt. Es gilt allerdings: Lemma 5.32: [AD] Sei ℵ0 < κ < Θ. Dann ist Bκ abgeschlossen unter abzählbarer Vereinigung S und abzählbarem Durchschnitt, d.h. ist {Bn | n ∈ ω} ⊆ Bκ , dann ist auch n∈ω Bn ∈ Bκ und T n∈ω Bn ∈ Bκ . Beweis. Der Beweis verläuft im wesentlichen wie derjenige des vorherigen Lemmas mit dem Unterschied, daß wir statt der Bijektion R ↔ ℘(ω) das Moschovakis Coding Lemma 2.31 benutzen. Dieses sichert uns die Existenz einer Surjektion π : R ℘(κ) für κ < Θ. Sei also {Bn | n ∈ ω} ⊆ Bκ , d.h. für alle n ∈ ω existiert ein ϕ ∈ BCκ , so daß Bn = Aϕ ist. Wir können in jedem Fall ϕ nach Bemerkung 5.28 als einen fundierten Baum auf κ, also als Teilmenge von κ<ω auffassen. Da ℵ0 < κ ist, existiert eine Bijektion χ : κ<ω ↔ κ, d.h. es ist χ00 ϕ ⊆ κ. Nach dem Moschovakis Coding Lemma existiert eine Surjektion π : R ℘(κ). Sei S Cn :≡ {π −100 ({χ00 ϕ}) | ϕ ∈ BCκ ∧Bn = Aϕ } ⊆ R. Nach Voraussetzung ist Cn 6= ∅ für alle n ∈ ω. Nach Satz 2.24 gilt mit AD auch ACω (R). Wir können also für jedes n ∈ ω ein cn ∈ Cn auswählen. Dann existiert für jedes n ∈ ω ein ϕ ∈ BCκ mit Bn = Aϕ und cn ∈ π −100 ({χ00 ϕ}), insbesondere also π(cn ) ∈ {χ00 ϕ}, d.h. π(cn ) = χ00 ϕ. Sei nun ϕn :≡ χ−100 (π(cn )). Dann gilt W nach Konstruktion Bn = Aϕn . Sei also ψ :≡ n∈ω ϕn . Da ℵ0 < κ gilt, ist ψ ∈ BCκ und V S S es ist Aψ = n∈ω Aϕn = n∈ω Bn ∈ Bκ . Analog gilt ψ 0 :≡ n∈ω ϕn ∈ BCκ und damit T T Aψ0 = n∈ω Aϕn = n∈ω Bn ∈ Bκ . Wir werden nun zeigen, daß die ∞-Borel-Mengen auch eine Erweiterung der Suslin-Mengen sind. Der Beweis ist die Verallgemeinerung eines Ergebnisses von Wacław Sierpiński, wonach jede Σ11 Menge Vereinigung von ω1 vielen Borel-Mengen ist:14 Satz 5.33: Sei B ⊆ R κ-Suslin für ein κ ∈ Card mit κ ≥ ℵ0 . Dann besitzt B einen κ++ -BorelCode. Es gilt also S κ ⊆ Bκ++ und insbesondere S ∞ ⊆ B∞ . Beweis. Sei B ⊆ R κ-Suslin, d.h. es existiert ein Baum T auf ω × κ mit B = p[T ]. Sei C :≡ R − B das Komplement von B. Sei ρx :≡ ρTx die Rang-Funktion für den Baum Tx auf κ gemäß Definition 1.65. Nach Bemerkung 1.67 gilt kTx k = sup{ρx (s) + 1 | s ∈ Tx } ≤ κ+ und kTx k < κ+ genau dann, wenn Tx fundiert ist. Für T 6= ∅ gilt außerdem kTx k = ρx (∅) + 1. 13 14 Vgl. [Kec78], Theorem 3.6. Vgl. [Kec94], Theorem 25.16. K APITEL 5. DAS A XIOM AD+ 148 Für α < κ+ und s ∈ κ<ω definieren wir: Csα :≡ {x ∈ R | ρx (s) < α}. Mit Lemma 1.73 folgt: x ∈ C ⇔ Tx ist fundiert ⇔ kTx k < κ+ ⇔ ∃α < κ+ ρx (∅) < α ⇔ ∃α < κ+ x ∈ C∅α . Insbesondere folgt daher: C= [ C∅α . α<κ+ Angenommen, wir hätten nun für alle α < κ+ einen κ+ -Borel-Code ϕα :≡ ϕα∅ von C∅α . Dann ist W offensichtlich ψ :≡ α<κ+ ϕα ein κ++ -Borel-Code von C und daher ¬ψ ein κ++ -Borel-Code von B, insbesondere also B ∈ Bκ++ . Es bleibt zu zeigen, daß wir für jedes Csα einen kanonischen κ+ -Borel-Code angeben können. Obwohl wir eigentlich nur den Fall s = ∅ benötigen, müssen wir bei der Argumentation alle s ∈ κ<ω berücksichtigen, damit die Induktion funktioniert. Wir führen also simultan für alle s eine Induktion nach α < κ+ durch: α = 0“ Es ist Cs0 = ∅, da auch für s 6∈ Tx nach Definition der Rang-Funktion ρx (s) = 0 ist. Also ” 0 ist ϕs :≡ p0 ein κ+ -Borel-Code von Cs0 . α = β + 1“: Angenommen, für alle t ∈ κ<ω sei bereits ein κ+ -Borel-Code ϕβt von Ctβ gegeben. ” Sei s ∈ κ<ω . Für x ∈ R gilt: x ∈ Csβ+1 ⇔ ρx (s) < β ∨ ρx (s) = β. Nach Definition von ρx gilt ρx (s) = sup{ρx (sahγi) + 1 | γ < κ ∧ sahγi ∈ Tx }. Für x ∈ R mit T ρx (s) = β gilt also: ∀γ < κ ρx (sahγi) < β , insbesondere ist x ∈ γ<κ Csβa hγi . Es folgt: Csβ+1 = Csβ ∪ \ Csβa hγi . γ<κ Nach Induktionsvoraussetzung existiert ein κ+ -Borel-Code ϕβs von Csβ und für jedes γ < κ ein κ+ -Borel-Code ϕβsa hγi von Csβa hγi . Sei: ϕαs :≡ ϕβs ∨ ^ ϕβsa hγi . γ<κ Dann ist ϕαs ∈ BCκ+ und es gilt Csα = Aϕαs . Lim(α)“: Angenommen, für alle t ∈ κ<ω und alle β < α sei bereits ein κ+ -Borel-Code ϕβt von ”β Ct gegeben. Sei s ∈ κ<ω . Offensichtlich gilt: [ Csα = Csβ . β<α Da α < κ+ , ist also ϕαs :≡ W β β<α ϕs ein κ+ -Borel-Code von Csα . Für jedes α < κ+ ist also ein κ+ -Borel-Code von C∅α gegeben. Damit ist der Satz bewiesen. 5.3. ∞-B OREL -M ENGEN 149 Bemerkung 5.34: Die Umkehrung des Satzes gilt im Allgemeinen nicht, denn z.B. sind nach Lemma 5.44 unter AD + DC(R) im Modell L(R) alle Teilmengen reeller Zahlen ∞-Borel. Andererseits gibt es nach Korollar 4.23 unter der Annahme von AD in L(R) Teilmengen von R, die nicht Suslin sind. Nach Lemma 4.35 ist die Punktklasse der γ-Suslin-Mengen abgeschlossen unter der WadgeReduzibilität. Das gleiche gilt auch für die Punktklasse der κ-Borel-Mengen. Insbesondere sind die Punktklassen Bκ tatsächlich Fettdruck-Punktklassen: Lemma 5.35: Sei κ > ℵ0 . Bκ ist abgeschlossen unter der Wadge-Reduzibilität, d.h. ist C ∈ Bκ und ist B ⊆ R, so daß B ≤W C gilt, dann ist auch B ∈ Bκ . Beweis. Sei C ∈ Bκ und B ⊆ R mit B ≤W C. Dann existiert eine stetige Funktion f : R → R mit B = f −100 C. Wir fixieren nun ein derartiges f . Das Urbild von offenen Mengen unter stetigen Funktionen ist wieder offen, insbesondere gilt also für alle n ∈ ω: [ Om für ein Mn ⊆ ω mit Mn 6= ∅. f −100 On = m∈Mn Für jedes n ∈ ω sei mn ∈ Mn beliebig gewählt.15 Wie im Beweis von Lemma 5.30 definieren wir für jedes n ∈ ω: ( m , falls m ∈ Mn πn : ω → ω, m 7→ mn , sonst. Mit dieser Notation gilt also für alle n ∈ ω: f −100 On = [ Oπn (m) . m∈ω S Man beachte, daß wir O0 = ∅ definiert haben, also gilt auch ∅ = m∈ω O0 . Wir definieren nun durch Rekursion über den Aufbau einer Formel ϕ ∈ BCκ die Formel ϕf , indem wir jedes W Auftreten einer Variablen pn durch den Ausdruck m∈ω pπn (m) substituieren: W (1) Ist ϕ = pn für ein n ∈ ω, dann sei ϕf :≡ m∈ω pπn (m) ; (2) Ist ϕ = ¬ψ für ein ψ ∈ BCκ , dann sei ϕf :≡ ¬ψ f ; W W (3) Ist ϕ ≡ α<β ψα für ein β < κ und hψα | α < βi ⊆ BCκ , dann sei ϕf :≡ α<β ψαf . Man beachte, daß ϕf durch die Funktionen πn von f abhängt. Wegen κ > ℵ0 ist ϕf ebenfalls ein κ-Borel-Code, d.h. es gilt ϕf ∈ BCκ . Beh. 1: Für ϕ ∈ BCκ gilt f −100 Aϕ = Aϕf . Beweis. Wir zeigen die Aussage durch Induktion über den Aufbau der Formel ϕ: (1) Ist ϕ = pn für ein n ∈ ω, dann ist: f −100 Aϕ = f −100 On = [ m∈ω 15 Oπn (m) = AW m∈ω pπn (m) = Aϕf ; Da ω wohlgeordnet ist, brauchen wir für diese Auswahl kein weiteres Auswahlprinzip. Man kann z.B. das minimale Element von Mn wählen. K APITEL 5. DAS A XIOM AD+ 150 (2) Ist ϕ = ¬ψ für ein ψ ∈ BCκ , dann ist: IV f −100 Aϕ = f −100 (R − Aψ ) = R − f −100 Aψ = R − Aψf = A¬ψf = Aϕf ; (3) Ist ϕ ≡ W α<β ψα für ein β < κ und hψα | α < βi ⊆ BCκ , dann ist: f −100 Aϕ = f −100 [ α<β [ [ IV Aψf = AW f −100 Aψα = Aψα = α α<β α<β α<β f ψα = Aϕf . (1) Sei nun ϕ ∈ BCκ ein κ-Borel-Code von C, d.h. es gilt C = Aϕ . Dann ist also ϕf ∈ BCκ und es gilt: B = f −100 C = f −100 Aϕ = Aϕf . Also gilt B ∈ Bκ und das Lemma ist bewiesen. Wir definieren nun das folgende Axiom, das später ein Teil von AD+ sein wird: Definition 5.36: ∞-Borel :⇔ B∞ = ℘(R), d.h. jede Teilmenge der reellen Zahlen ist ∞-Borel. Aus Satz 5.33 folgt unmittelbar: Korollar 5.37: Angenommen, jede Menge reeller Zahlen ist Suslin. Dann folgt ∞-Borel. Nach Satz 4.21 erhalten wir daher: Korollar 5.38: [DC] Es gilt ADR ⇒ ∞-Borel. Wir werden nun zeigen, daß dieses Axiom tatsächlich eine Eigenschaft von L(R) unter der Annahme von AD + DC(R) ausdrückt, d.h. daß dann L(R) ein Modell von ∞-Borel ist. Dazu benötigen wir die folgende wichtige Eigenschaft der ∞-Borel-Codes unter eben dieser Voraussetzung: sie sind nicht wesentlich höher in der Wadge-Hierarchie als die Menge, die sie kodieren. Diese Eigenschaft wird als Lokalität der ∞-Borel-Codes bezeichnet. Wir definieren zunächst: Definition 5.39: Sei x ∈ R und A ⊆ R. Sei A3 (x, A) die Struktur der Arithmetik dritter Stufe in x und A, also wie die Struktur A3 (x) in Definition 1.96 mit einem weiteren Prädikat A. Analog zu Bemerkung 1.97 sei die analytische Hierarchie in x und A wie folgt definiert. Für n ∈ ω und B ⊆ Rk sei: ˙ ẋ, Ȧ, 2, 1) b ∈ B ⇔ B ∈ Σ1n (x, A) :⇔ ∃ϕ ∈ Fml(∈, A3 (x, A) |= ∃1 y1 ∀1 y2 . . . Qyn ϕ[a, y1 , . . . , yn ] . Dabei sei Q = ∀1 , falls n gerade und Q = ∃1 , falls n ungerade ist. Π1n (x, A) sei entsprechend definiert. Die projektive Hierarchie in A sei definiert durch: [ Σ1n (A) :≡ Σ1n (x, A). x∈R Entsprechend sei Π1n (A) definiert. Sei wie üblich ∆1n (A) :≡ Σ1n ∩ Π1n . Eine Menge B ⊆ Rk S heißt projektiv in A, falls B ∈ Σ1ω (A) :≡ n∈ω Σ1n (A) gilt. 5.3. ∞-B OREL -M ENGEN 151 Für eine Präwohlordnung sei ρ die assozierte Rangfunktion und kk die Länge der Präwohlordnung gemäß Definition 1.79. Dann seien die in A projektiven Ordinalzahlen definiert durch: δ 1n (A) :≡ sup α ∈ Ord | es existiert ein Präwohlordnung von R mit ∈ ∆1n (A) und kk = α . Mit diesen Notationen können wir die folgende Aussage über die Komplexität eines ∞-BorelCodes formulieren:16 Satz 5.40 (Lokalität der ∞-Borel-Codes): [AD + DC(R)] Sei A ∈ B∞ . Dann existiert ein κ ∈ sup{δ 1n (A) | n ∈ ω} mit A ∈ Bκ . Wir zeigen nun, wie wir daraus das angestrebte Resultat erhalten, daß L(R) unter den genannten Voraussetzungen ein Modell von ∞-Borel ist. Aus dem Satz folgt zunächst mit einer Version des Moschovakis Coding Lemmas: Korollar 5.41: [AD + DC(R)] Sei A ∈ B∞ . Dann gilt A = Aϕ für ein ϕ ∈ BC∞ , so daß ϕ selbst durch eine Menge reeller Zahlen und eine Präwohlordnung von R kodiert wird, die beide projektiv in A sind. Beweis. Sei A ∈ B∞ . Sei die in A projektive Präwohlordnung von R gemäß Satz 5.40, so daß für κ :≡ kk ein ϕ ∈ BCκ mit A = Aϕ existiert. Wie wir in Lemma 5.32 bereits gesehen haben, können wir ϕ als einen fundierten Baum auf κ und daher als Teilmenge C ⊆ κ auffassen. Sei ρ :≡ ρ die assozierte Norm der Präwohlordnung gemäß Definition 1.21. Dann gilt ρ : R κ. Sei weiter: B :≡ {x ∈ R | ρ(x) ∈ C}. Unter AD gilt nach einer Version des Moschovakis Coding Lemmas B ∈ Σ11 ().17 Da andererseits ∈ Σ1ω (A) gilt, folgt B ∈ Σ1ω (A), d.h. B ist projektiv in A und es gilt: C = {ρ(x) | x ∈ B}. Also ist B zusammen mit eine Kodierung von C. Da wir ϕ eindeutig aus C erhalten, sind damit B und die gewünschte Kodierung von ϕ. Für A ⊆ R sei L(R)[A] gemäß Definition 1.88 gegeben. Nach Definition ist R ∈ TC({R}) = L0 (R)[A] ⊆ L(R)[A]. Da für jedes x ∈ L(R)[A] auch A ∩ x ∈ L(R)[A] ist, gilt insbesondere A ∩ R = A ∈ L(R)[A]. Tatsächlich kann man zeigen, daß L(R)[A] das kleinste transitive Modell von ZF ist, das alle Ordinalzahlen, R als Teilmenge und A als Element enthält. Mit dieser Notation erhalten wir: Korollar 5.42: [AD + DC(R)] Sei A ∈ B∞ . Dann gilt A = Aϕ für ein ϕ ∈ L(R)[A]. Beweis. Sei B ⊆ R und die Präwohlordnung aus Korollar 5.41, so daß B und projektiv in A sind und B zusammen mit eine Kodierung der dort angegebenen Menge C ⊆ kk ist. 16 17 Vgl. [Woo99], Lemma 9.5. Coding Lemma II“, vgl. [Mos80], Lemma 7D.6. ” 152 K APITEL 5. DAS A XIOM AD+ L(R) ist gegenüber der Bildung von in X projektiven Mengen für X ∈ L(R) abgeschlossen. Entsprechend ist L(R)[A] gegenüber der Bildung von in A projektiven Mengen abgeschlossen. Da A ∈ L(R)[A] ist, gilt also B ∈ L(R)[A] und ∈ L(R)[A]. Dann ist aber wegen der rekursiven Definition von ρ = ρ und der Absolutheit rekursiv definierter Terme für transitive ZF-Modelle auch C = {ρ(x) | x ∈ B} ∈ L(R)[A]. Da ϕ aus C durch elementare Operationen eindeutig rekonstruiert werden kann, gilt also auch ϕ ∈ L(R)[A]. Wir erhalten damit das Analogon zu ADOrd in Lemma 5.23: Lemma 5.43: [AD + DC(R)] Sei M ein transitives Modell von ZF∗ , so daß RV ⊆ M gilt und jede Teilmenge reeller Zahlen aus M Suslin (im Universum) ist, d.h. es es gilt ℘(R)M ⊆ S ∞ .18 Dann sind in M alle Teilmengen reeller Zahlen ∞-Borel, d.h. es gilt: M |= ∞-Borel. Beweis. Sei A ∈ ℘(R)M. Dann ist A ∈ ℘(R) und A ist eine Suslin-Menge in V. Nach Satz 5.33 ist A auch ∞-Borel in V. Nach Korollar 5.42 existiert ein ∞-Borel-Code ϕ von A mit ϕ ∈ L(R)[A]. Sei α ∈ Ord minimal mit der Eigenschaft, daß Lα (R)[A] |= ZF∗ und ϕ ∈ Lα (R)[A] gilt. Analog zu L(R)[A] zeigt man, daß Lα (R)[A] das kleinste transitive ZF∗ -Modell A mit A ∈ A und R ⊆ A ist. Da nach Voraussetzung aber A ∈ M und R ⊆ M gilt, folgt also ϕ ∈ Lα (R)[A] ⊆ M. Wegen der rekursiven Definition ist die Bildung von Aϕ absolut für transitive Modelle von ZF∗ . Insbesondere gilt also A = Aϕ innerhalb des Modells M, d.h. A ist auch in M eine ∞-Borel-Menge. Da A ∈ ℘(R)M beliebig war, folgt: M |= ∞-Borel. Wir erhalten durch die Übertragung des Beweises von Lemma 5.24 die analoge Aussage für die ∞-Borel-Mengen: Lemma 5.44: [AD + DC(R)] Es gilt L(R) |= ∞-Borel. Beweis. Wir führen einen Widerspruchsbeweis. Angenommen, es existiert in L(R) ein Gegenbeispiel zu ∞-Borel, d.h. es gilt: L(R) |= ∃B B ⊆ R ∧ B 6∈ B∞ . Nach Definition von L(R) ist die Menge B schon Element einer Stufe Lβ (R) für ein β ∈ Ord. Wir können β so groß wählen, daß Lβ (R) auch ein Modell von ZF∗ aus dem Lemma 5.43 ist, d.h. es gilt: ∃β ∈ Ord Lβ (R) |= ZF∗ ∧ ∃B B ⊆ R ∧ B 6∈ B∞ . L(R) Dies ist eine Σ1 -Formel. Nach Korollar 5.4 gilt für δ :≡ δ 21 : Lδ (R) ≺1 L(R). 18 Hierbei bedeutet wieder ZF∗ ein genügend großes, aber endliches Fragment von ZF, so daß die entsprechenden Beweise durchgeführt werden können. 5.3. ∞-B OREL -M ENGEN 153 Also existiert ein β ∗ ∈ Ord ∩Lδ (R) = δ mit dieser Eigenschaft: ∃β ∗ < δ Lβ ∗ (R) |= ZF∗ ∧ ∃B B ⊆ R ∧ B 6∈ B∞ . (∗) Andererseits gilt nach Korollar 5.5: ∆21 L(R) = Lδ (R) ∩ ℘(R). Für eine Teilmenge A ⊆ R gilt: ist A Suslin in L(R), dann ist A auch Suslin in V. Wir erhalten also zusammen mit Korollar 5.7: L(R) L(R) L(R) Lβ ∗ (R) ∩ ℘(R) ⊆ Lδ (R) ∩ ℘(R) = ∆21 ⊆ S∞. ⊆ Σ21 ⊆ S∞ Da aber auch RV ⊆ Lβ ∗ (R) gilt, folgt nach Lemma 5.43: Lβ ∗ (R) |= ∞-Borel. Das steht aber im Widerspruch zu (∗). 5.4 Die Definition von AD+ Wir führen nun die Ergebnisse aus den beiden letzten Abschnitten über Ordinalzahl-Determiniertheit und ∞-Borel-Mengen zusammen und definieren das folgende Axiom: Definition 5.45: Sei AD+ :⇔ DC(R) + ADOrd + ∞-Borel. Nach Bemerkung 5.20 folgt aus ADOrd bereits AD. Das Axiom AD+ ist demnach eine Erweiterung des Axioms der Determiniertheit: Korollar 5.46: Es gilt AD+ ⇒ AD. Die Ergebnisse der letzten beiden Abschnitte zeigen: Korollar 5.47: [AD + V = L(R)] Es gilt AD+ . Beweis. Gilt AD, dann gilt nach Satz 4.1 ADL(R) und nach Satz 4.3 DCL(R) , insbesondere also auch DC(R)L(R) . Zusammen mit Lemma 5.24 und Lemma 5.44 folgt daher AD+ . Aus Korollar 5.22 und Korollar 5.38 folgt: Korollar 5.48: [ZF + ADR + DC] Es gilt AD+ . Eine wichtige Eigenschaft von AD+ ist die Abwärts-Absolutheit: Lemma 5.49: [AD+ ] Sei M ein transitives Modell von ZF, so daß RV ⊆ M gilt. Dann gilt auch: M |= AD+ . Beweis. (1) Sei R ∈ ℘(R × R) ∩ M eine Relation in M mit M |= ∀x ∈ R ∃y ∈ R (x, y) ∈ R . Dann existiert nach Voraussetzung in V eine Folge hxn | n ∈ ωi ∈ Rω mit (xn , xn+1 ) ∈ R für alle n ∈ ω. Nach Definition 1.20 existiert eine elementare Kodierung Γ : R ↔ Rω . Wegen R ⊆ M und 154 K APITEL 5. DAS A XIOM AD+ aus Gründen der Absolutheit gilt daher hxn | n ∈ ωi ∈ M und M |= ∀n ∈ ω (xn , xn+1 ) ∈ R . Also gilt M |= DC(R). (2) Der Beweis von ADOrd ist eine unmittelbare Übertragung des Beweises von Lemma 5.23. Ist A ∈ ℘(R)M, ω ≤ α < ΘM und f ∈ M, so daß f : αω → R eine in M stetige Funktion ist, dann ist nach Voraussetzung das Spiel Gα (f −100 A) in V determiniert. Analog zu dem dortigen Beweis können wir die Gewinnstrategie als Teilmenge von α auffassen und wegen AD+ ⇒ AD und α < Θ können wir das Moschovakis Coding Lemma anwenden. Wegen R ⊆ M erhalten wir eine Gewinnstrategie in M. (3) Der Beweis von ∞-Borel ist die direkte Übertragung des Beweises von Lemma 5.43. Eine Menge A ∈ ℘(R)M ist nach Voraussetzung ∞-Borel in V. Wegen der Lokalität der ∞-BorelCodes und wegen R ⊆ M existiert ein ∞-Borel-Code in M. Es ist immer noch offen, ob AD+ tatsächlich eine stärkere Forderung als AD ist: Frage 5.50: Folgt aus AD und DC(R) bereits ∞-Borel oder ADOrd ? Gilt also: ? AD + DC(R) ⇒ AD+ . Oder sogar:19 ? AD ⇒ AD+ . Es wird allerdings vermutet, daß AD+ keine stärkere Forderung als AD ist: ?! Vermutung 5.51: [DC(R)] AD+ ⇔ AD. Wir wollen noch ein wenig mehr auf den (möglichen) Unterschied von AD und AD+ eingehen. Dazu definieren wir: Definition 5.52: Eine Kardinalzahl κ heißt Suslin-Kardinalzahl, falls eine Menge A ⊆ R existiert, so daß A ∈ S κ und A 6∈ S α für alle α < κ gilt, d.h. falls gilt: [ S κ 6= Sα. α<κ Sei S die Menge der Suslin-Kardinalzahlen und sei lim(S) das Supremum der Suslin-Kardinalzahlen. Steel und Woodin konnten folgendes zeigen:20 Satz 5.53 (Steel-Woodin): Es gilt: (1) [AD + DC(R)] S ist eine abgeschlossene Teilmenge von lim(S); (2) [AD+ ] S ist eine abgeschlossene Teilmenge von Θ. Und eben diese Verstärkung der Aussage (2) im Verhältnis zu (1) ist die exakte Differenz von AD+ und AD: 19 20 Vgl. auch Frage 4.6. Für diesen und den folgenden Satz vgl. [Woo99], Theorem 9.18, Theorem 9.19 und Theorem 9.20. 5.4. D IE D EFINITION VON AD+ 155 Satz 5.54: Die beiden folgenden Theorien sind äquivalent: (1) ZF + AD+ ; (2) ZF + AD + DC(R) + S ist eine abgeschlossene Teilmenge von Θ“. ” Wir haben nun durch das Axiom AD+ eine Möglichkeit gefunden, schöne“ Eigenschaften von ” L(R) unter der Annahme von AD zu erfassen. Diese drei Eigenschaften sind gerade die drei definierenden Teile von AD+ , denn unter der Annahme von AD ist L(R) ein Modell von DC(R), ADOrd und ∞-Borel. Aber obwohl sogar ganz DC in L(R) gilt, wenn man die Gültigkeit von AD im Universum annimmt, fügt man zu AD+ nur die eingeschränkte Form DC(R) hinzu, da die Annahme von DC in vielen Kontexten zu stark ist. Außerdem beziehen sich die beiden anderen Teile von AD+ ebenfalls auf Teilmengen reeller Zahlen, so daß DC(R) der angemessenere Kandidat für ein Auswahlprinzip erscheint. AD+ besitzt aber nicht die Restriktivität von V = L(R) in bezug auf ADR , denn während ADR + V = L(R) inkonsistent ist, ist AD+ mit ADR verträglich. In der Tat ist AD+ sogar eine Konsequenz von ADR + DC. Wir wollen ein Beispiel für die Übertragung von tiefen Konsequenzen aus der Theorie AD + V = L(R) auf eine Theorie mit AD+ angeben. Nach Satz 5.6 zusammen mit Korollar 5.5 gilt unter der Annahme von AD und V = L(R), daß die Punktklasse Σ21 die Skala-Eigenschaft besitzt. Dieses Ergebnis wird nun durch AD+ auf L(℘(R)) übertragen. Und darin besteht auch die Hauptanwendung des Axiom AD+ : in einem gewissen Sinne liefert uns AD+ die Theorie von L(R) innerhalb des Modells L(℘(R)). Satz 5.55: [AD+ + V = L(℘(R))] Es gilt Skala(Σ21 ). 156 DAS A XIOM AD+ Literaturverzeichnis [And] Alessandro Andretta, Notes on descriptive set theory, Vorabdruck vom 15. September 2000, Monographie in Vorbereitung. 7, 17, 28, 30, 50, 55, 89, 102, 104, 111, 112, 123 [Aum92] Robert J. 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L(X)[A] . . . . . . . . . . . . . . 37 ODA (X) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Odd(α), Odd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 rud(M ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Σn (X) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 B Baire-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Baum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 fundierten Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 fundierter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 gestutzter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Rang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Borel-Menge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 ≺X n, C Club-Menge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Co-Suslin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 D definierbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 determiniert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 F fügsam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 G γ-Algebra. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .17 erzeugte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 γ-Borel-Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 γ-Borel-Menge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 γ-Co-Suslin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 γ-Norm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35 γ-Semiskala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 γ-Skala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 γ-Suslin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 γ-Vereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 γ-stark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Gewinnposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Gewinnstrategie . . . . . . . . . . . . siehe Strategie A abgeschlossen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 admissible . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 äußerster Ast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 echter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 amenable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 analytisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Arithmetik dritter Stufe . . . . . . . . . . . . 41, 152 Auswahlaxiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Auszahlungsmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Axiom der abhängigen Auswahlen . . . . . . . 6 Axiom der Determiniertheit. . . . . . . . . . . . .53 Axiom der Hyper-Determiniertheit . . . . . . 84 Axiom der Ordinalzahl-Determ. . . . . . . . . 143 Axiom der Quasi-Determiniertheit . . . . . . 56 Axiom der reellen Determiniertheit . . . . . 82 H Häufungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Hierarchie analytische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41, 152 163 164 arithmetische . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Borel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Jensen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 projektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 152 Wadge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Wadge modifiziert . . . . . . . . . . . . . . . . 112 homogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 honest leftmost branch . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I ∞-Borel-Code . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 ∞-Borel-Menge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 K Kleene-Brouwer-Ordnung . . . . . . . . . . . . . . 30 Kodierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 konstruktibel Abschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Gödelmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 relativ zu A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Kripke-Platek Mengenlehre . . . . . . . . . . . . . 45 L leftmost branch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 M meßbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 monoton . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 N Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 O ordinalzahldefinierbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 P Partie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 partielle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Partition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Partitionseigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 starke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Pfeilnotation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Präwohlordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Projektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 projektiv in A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 projektive Ordinalzahl . . . . . . . . . . . . . . . . 153 I NDEX Punktklasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 duale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Fettdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Q quasi-determiniert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 R R-stabil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Relation fundiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Länge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Rang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 rudimentäre Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 S scale-property . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 schwach kompakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 schwach unerreichbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Σ0 -Aussonderungsschema . . . . . . . . . . . . . . 45 Σ0 -Sammlungsschema . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Σn -Skolem-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Σn -Skolem-Hülle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 σ-Algebra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Skala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Skalen-Eigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 determiniert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 quasi-determiniert . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 stabil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 starke Partitionskardinalzahl . . . . . . . . . siehe Partitionseigenschaft stetig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Strategie Baum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Gewinnstrategie. . . . . . . . . . . . . . . . 50, 51 Quasi-Gewinnstrategie . . . . . . . . . . . . . 56 Quasi-Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Suslin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Suslin-Kardinalzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 T terminal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I NDEX U unbeschränkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 unerreichbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Uniformisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 V verallg. Kontinuumshypothese . . . . . . . . . . 68 W Wadge Grad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Hierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 modifizierte Hierarchie . . . . . . . . . . . 112 Rang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 reduzibel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Woodin-Kardinalzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Z zulässig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 165