Epilepsie Ekaterina Pataraia Universitätsklinik für Neurologie Medizinische Universität Wien Definition Epileptische Anfälle – klinische Manifestationen von exzessiven, hypersynchronen Entladungen der Nervenzellen des zerebralen Kortex Epilepsien – heterogene Gruppe von Erkrankungen unterschiedlicher Ursache mit gemeinsamen Merkmal - wiederholte, nicht provozierte epileptische Anfälle 3 - 5% der Population hat einmal im Leben einen epileptischen Anfall... 0,8 – 1% der Bevölkerung leidet an Epilepsie... Epileptische Anfälle unspezifische Reaktionsform des Gehirns - akut symptomatische Anfälle bzw. Gelegenheitsanfälle: - im Rahmen einer akuten ZNS-Erkrankung, - im Rahmen einer akuten Allgemeinerkrankung - bedingt durch andere Auslösefaktoren… - unprovozierte Anfälle im Rahmen einer Epilepsie Epilepsie chronische Hirnerkrankung mit wiederholten, nicht provozierten Anfällen Epilepsie – heterogene Erkrankungsgruppe unterschiedlicher Epilepsiesyndrome mit unterschiedlichen Ursachen Epilepsieklassifikation: Einteilungskriterien Ätiologie: Ätiologie: - idiopathisch - genetisch - symptomatisch - strukturell/metabolisch - kryptogenetisch - unbekannte Ursache Epilepsieklassifikation 1. Fokale (lokalisationsbezogene, lokale, partielle) Epilepsien und Syndrome • Idiopathisch (mit altersgebundenem Beginn) - • Symptomatisch - • benigne Epilepsie des Kindesalters mit zentrotemporalen Spitzen (Rolando-Epilepsie) Epilepsie des Kindesalters mit occipitalen Paroxysmen primäre Lese-Epilepsie chronisch progressive Epilepsia partialis continua der Kindheit (Kojewnikow-Syndrom) Temporallappenepilepsie Frontallappenepilepsie Parietallappenepilepsie Occipitallappenepilepsie Bi- und multilobäre Epilepsien Kryptogenetisch (vermutlich symptomatisch, Ursache nicht nachweisbar) - Temporallappenepilepsie Frontallappenepilepsie Parietallappenepilepsie Occipitallappenepilepsie Bi- und multilobäre Epilepsien Epilepsien mit spezifischen Anfallsauslösern Epilepsieklassifikation 2. Generalisierte Epilepsien und Syndrome • Idiopathisch (mit altersgebundenem Beginn) - • Kryptogenetisch und/oder symptomatisch (mit altergebundenem Beginn) - • benigne familäre Neugeborenenkrämpfe benigne Neugeborenenkrämpfe benigne myoklonische Epilepsie des Kleinkindesalters Absence-Epilepsie des Schulalters (Pyknolepsie) juvenile Absence-Epilepsie juvenile myoklonische Epilepsie Aufwach-Grand-Mal-Epilepsie andere generalisierte idiopathische Epilepsien Epilepsien mit spezifischer Anfallsauslösern West-Syndrom (Blitz-Nick-Salaam-Krämpfe) Lennox-Gastaut-Syndrom Epilepsie mit myoklonisch-astatischen Anfällen Epilepsien mit myoklonischen Absencen Symptomatisch - mit unspezifischer Ätiologie - - frühe myoklonische Encephalopathie frühe infantile epileptische Encephalopathie mit Burst-Suppression andere symptomatische generalisierte Epilepsien spezifische Syndrome - epileptische Anfälle im Rahmen verschiedener anderer Erkrankungen (z.B. Missbildungssyndrome oder Stoffwechselerkrankungen) Epilepsieklassifikation 3. Epilepsien, die nicht als fokal oder generalisiert eingeordnet werden können • Epilepsien mit fokalen und generalisierten Anfällen • • • • • • Neugeborenenkrämpfe schwere myoklonische Epilepsie des Kleinkindesalters Epilepsie mit kontiniuerlichen Spikes und Waves im Schlaf (ESES) erworbene epileptische Aphasie (Landau-Kleffner-Syndrom) andere unbestimmte, nicht oben genannte Epilepsien Anfälle ohne klare fokale oder generalisierte Zeichen (weder in Klinik noch im EEG), z.B. nächtliche Grand-Mal-Anfälle 4. Spezielle Syndrome • Situationsbezogene Anfälle (Gelegenheitsanfälle) • • • Fieberkrämpfe singuläre Anfälle oder singulärer Status epilepticus Anfälle aus akutem metabolischem oder toxischem Anlass (z.B. Alkohol, Medikamente, Eklampsie, Hyperglykämie, etc.) Epileptischer Anfall kurze Funktionsstörung der Nervenzellen in einem Teil des Gehirns charakterisiert durch Übererregbarkeit der Nervenzellen mit Störung der Übertragung der Information zwischen den Nervenzellen ein Gewitter im Gehirn... Anfallsklassifikation: Einteilungskriterien Anfallsklassifikation (ILAE, 1981) fokale Anfälle generalisierte Anfälle Anfallsklassifikation (ILAE, 1981) fokale (partielle) Anfälle fokale Anfälle mit einfacher Symptomatik (Bewusstsein erhalten) fokale Anfälle mit komplexer Symptomatik (Bewusstseinsstörung) fokale Anfälle, die sich in sekundär generalisierte Anfälle entwickeln Anfallsklassifikation (ILAE, 1981) • fokale (partielle) Anfälle fokale Anfälle mit einfacher Symptomatik fokale Anfälle mit komplexer Symptomatik fokale Anfälle, die sich in sekundär generalisierte Anfälle entwickeln beginnen in einer umschriebenen Hirnregion Unterschied: einfache und komplexe Anfälle => Bewusstseinsstörung = fehlende Reaktion auf Ansprache generalisierte Anfälle - Absencen myoklonische Anfälle generalisierte tonische Anfälle generalisierte atonische Anfälle generalisierte tonisch-klonische Anfälle = Grand-Mal Anfälle generalisierte klonische Anfälle Fallbeispiele Komplex-partieller Anfall, Temporallappenepilepsie Komplex-partieller Anfall, Orale Automatismen Temporallappenepilepsie Komplex-partieller Anfall, Orale Automatismen Temporallappenepilepsie Iktale Sprachstörung Temporallappenepilepsie Fokal-komplexer Anfall Iktale Übelkeit Temporallappenepilepsie Aura => fokal-komplexer Anfall => Generalisierung Iktale Parese li. Temporallappenepilepsie Aura => fokal-komplexer Anfall => Generalisierung Version Temporallappenepilepsie Klonischer Anfall Frontallappenepilepsie Hypermotorischer Anfall Frontallappenepilepsie Hypermotorischer Anfall Frontallappenepilepsie Postiktale Hemianopsie Occipitallappenepilepsie myoklonischer Anfall Absence Generalisierter tonisch-klonischer Anfall Erste Hilfe Massnahmen Ruhig bleiben und überlegt handeln Betroffenen bei bekannten Vorzeichen eines Anfalls hinlegen Seitenlage, Unterlegen weicher Kissen Verletzungsrisiko minimieren (gefährliche Gegenstände von der Umgebung entfernen) Kleidung lockern (um Atmung zu erleichtern) Keine Gegenstände in den Mund!!! (Verletzungsrisiko, Aspirationsgefahr…) Kein aktives Festhalten Rettung verständigen (wenn Anfall >3 min) Was kann die Anfälle auslösen? - Ausgeprägter Schlafentzug - Fieber - Stress - Alkohol, Drogen (vermehrter Konsum/Entzug) - Medikamente - Hypoglykämie - Entgleisung der Elektrolyte... Leben mit Epilepsie… Epilepsie ist nicht gleich Behinderung Schule – Mehrheit der Patienten besuchen normale Schule (Lehrer, Mitschüler u. Schularzt sollten informiert sein) Sonderschule - Kinder mit häufigen u. schweren Anfällen - Kinder mit körperlicher u. geistiger Behinderung Studium, Weiterbildung - für vielen Patienten möglich Epilepsie und Beruf bei der Wahl des Berufes 1. Art der Anfälle (fokal vs. generalisierte) 2. Bewusstseinstörung? 3. Aura 4. Sturzanfälle, Verletzungsrisiko 5. Frequenz 6. Tageszeitliche Bindung 7. Dauer der postiktalen Phase Epilepsie und Beruf Nicht geeignete Berufe 1. Arbeit in den Höhen, auf Gerüsten 2. Arbeit an gefährlichen Maschinen 3. Personenbeförderung: LKW-Fahrer, Busfahrer, Lokführer, Pilot… 4. Soldat, Feuerwehrmann, Polizist 5. Arbeit in den Tiefen – Tiefseetaucher 6. Berufe mit Ausübung von Nachtdiensten Sport und Freizeit Nicht geeignet •Tiefseetauchen •Wassersportarten •Bergsteigern, Klettern •Skispringen, alpines Skifahren, Skibob •Segelfliegen, Paragleiten •alle Motorsportarten •Schwimmen – nur unter Aufsicht •Radfahren – Helmpflicht! •Eislaufen – Helmpflicht! Führerschein Nicht möglich – Lenken der Fahrzeuge aus der Gruppe 2 (LKW und Personenbeförderung Möglich – Lenken der Fahrzeuge aus der Gruppe 1, allerdings nach einem Jahr Anfallsfreiheit keine Meldepflicht zu beachten – NW der AEDs... erster Anfall sicher unsicher Epilepsie? nein spezielle weitere Diagnostik ja keine Epilepsietherapie Epilepsiesyndrom? nein fokaler Anfall spezifisches AED ja gener./unklassif. Anfall “breitband“-AED geeignetes AED Langfristige Behandlungsziele - Anfallskontrolle - Vermeidung von negativen sozialen Folgen der Krankheit - Prävention der erhöhten Morbidität - Depressionen und Psychosen, erhöhtes Verletzungspotential (SHT, Frakturen, Zahnverletzungen, oder Verbrennungen) - Prävention der erhöhten Mortalität - Tod im Anfall durch Verletzung oder Ertrinken, Suizid, SUDEP Ein ideales Medikament? -gute Wirksamkeit -keine Nebenwirkungen -keine Wechselwirkungen -gute Verträglichkeit -niedrige Kosten 1. Monotherapie Anfallskontrolle Therapieresistenz 2. Monotherapie Anfallskontrolle Therapieresistenz Kombinationstherapie Anfallskontrolle Therapieresistenz Epilepsiechirurgie Palliative Verfahren