Fachrichtungen der Physik UNIVERSITÄT DES SAARLANDES Physikalisches Grundpraktikum für Physiker/innen Teil II Ferroelektrizität WWW-Adresse Grundpraktikum Physik: http://grundpraktikum.physik.uni-saarland.de/ 0 Kontaktadressen der Praktikumsleiter: Dr. Manfred Deicher Zimmer: 1.11, Gebäude E 2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-58198 1H Dr. Patrick Huber Zimmer: 3.23, Gebäude E2.6 e-mail: [email protected] Telefon: 0681/302-3944 2H Ferroelektrizität 1 Stoffgebiet - Hauptsätze der Wärmelehre Struktur von Kristallen Spezifische Wärmekapazität von Festkörpern Wheatstone´sche Brücke Wechselstromwiderstände Dielektrika Pyroelektrika Messung von Ladungen Dipolmoment Phasenumwandlungen Gitterschwingungen Umwandlungswärme Phasendiagramme Ferromagnetismus Ferroelektrizität Kritische Exponenten 2 Literatur - Gerthsen, C. Gerthsen Physik, zuvor bearbeitet von H. Vogel z.B. 21. Auflage, Springer-Verlag, 2002 - Bergmann, L. / Schaefer, C. Lehrbuch der Experimentalphysik, de Gruyter Band ?, 1998 - Demtröder, W. Experimentalphysik 1, Mechanik und Wärme, Springer 2002 C. Kittel, Festkörperphysik GP-Anleitung zu Versuchen mit Cassy und LabVIEW Saarbrücken, 2002 Forsbergh, P.W., Piezoelectricity, electrostriction, and ferroelectricity, Encyclopedia of physics 17, 264-392, 1956 2 Ferroelektrizität 3 Fragen 1. Überlegen Sie sich mindestens zwei Meßmethoden zur Bestimmung von elektrischen Kapazitäten C. Sind die Meßmethoden auch für andere „Wechselstromwiderstände geeignet? 2. Betrachten Sie einen Plattenkondensator. Wie verändert sich die Kapazität C wenn man den Raum zwischen den Platten mit einem Dielektrikum ( εr = ε1 ) füllt, wie verändert sie sich wenn man den Raum mit zwei gleich dicken Platten mit verschiedenen Dielektrika ( εr = ε1, ε2 ) füllt? In welcher Größenordnung bewegen sich übliche Werte für die Dielektrizitätszahl von Festkörpern? 3. Was ist Pyroelektrizität: Wie kommt sie zustande? Beschreiben Sie typische Eigenschaften von Pyroelektrika. 4. Was unterscheidet ein Ferroelektrikum von einem Dielektrikum. Was unterscheidet Ferroelektrizität von Pyroelektrizität? 5. Erklären Sie den Unterschied zwischen Phasenübergängen erster und zweiter Art. Welche Phasenübergänge treten typischerweise erst bei tiefen Temperaturen auf? 6 Was versteht man unter Zustandsgrößen? Welche Zustandsgrößen spielen bei idealen und realen Gasen, welche bei Ferroelektrika eine wichtige Rolle? Geben Sie eine Form für die Freie Energie eines Ferroelektrikums an. 7. Geben Sie die Schaltskizze für einen Sawyer-Tower Kreis an und erklären Sie seine Funktionsweise mit Hilfe der Kirchhoff´schen Regeln. Welche Rolle spielen elektrische Feldstärken, Ladungen, Oberflächenladungsdichte, Polarisation. Geben Sie eine alternative Messmöglichkeit für die Spontane Polarisation Ps an 8 Was ist die Aussage des Curie-Weiss-Gesetzes. Geben Sie eine qualitative Erklärung für sein Zustandekommen. Welche Rolle spielt das Gesetz in der Freien Energie des Ferroelektrikums? 9. Erklären Sie das Zustandekommen der ferroelektrischen Hysterese und der Spontanen Polarisation Ps des Ferroelektrikums aus der Freien Energie des Ferroelektrikums. 10. Wie kann man das Kleinsignalverhalten des Ferroelektrikums und wie das Großsignalverhalten in ihrem Zusammenhang verstehen? 3 Ferroelektrizität Ferroelektrische Phasenübergänge 4 Grundlagen Ferroelektrika sind Pyroelektrika, deren Polarisation durch äußere Maßnahmen (elektrisches Feld, mechanische Spannung) umgepolt werden kann. In der Regel findet bei einer bestimmten Temperatur T0, dem Curie-Punkt, ein Übergang von einer ferroelektrischen Tieftemperaturphase zu einer unpolaren (parelektrischen) Hochtemperaturphase statt. Bei Annäherung an den Curie-Punkt von hohen Temperaturen her beobachtet man einen nichtlinearen Zusammenhang zwischen der elektrischen Feldstärke E und der dielektrischen Verschiebung D, nach Unterschreitung des Curie-Punktes eine Hystereseerscheinung. Im allgemeinen folgt die Dielektrizitätskonstante (DK) in der Nähe des Curie-Punktes einem Curie-Weiß-Gesetz (1.1) ε = ε∞ + C/T-Tc im parelektrischen bzw. (1.2) ε = ε∞ + C´/Tc´-T im ferroelektrischen Gebiet. C und Tc bzw. C’ und T’c heißen parelektrische bzw. ferroelektrische Curie-Konstante und Curie-Temperatur. Die Phasenumwandlung kann 1. oder 2. Art sein. Einige charakteristische Unterschiede sind in Abb. 1 zusammengestellt. Remanente und spontane Polarisation unterscheiden sich im allgemeinen nur wenig. Während bei Umwandlungen 1. Art die Curie-Temperaturen Tc und T’c prinzipiell untereinander und von den durch eine thermische Hysterese aufgespaltenen Umwandlungstemperaturen T0 und T’0 verschieden sind, sollten bei einer Umwandlung 2. Art Tc , T’c und T0 zusammenfallen. Tatsächlich ist aber auch bei Umwandlungen 2. Art in der Regel Tc < T0 < T’c. Dabei sind die jeweiligen Lagen von Störungen im Kristallgitter abhängig. Daher können durch Inhomogenitäten die thermische Hysterese und die sprunghafte Änderung der spontanen Polarisation bei Umwandlungen 1. Art so verschmiert werden, dass die Art der Umwandlung experimentell nicht ohne weiteres ermittelt werden kann, zumal durch Verunreinigungen auch bei Substanzen mit einer Umwandlung 2. Art thermische Hystereseerscheinungen verursacht werden können. Die Kristallsymmetrie wird durch die Ferroelektrizität stets erniedrigt. Alle Ferroelektrika gehören zu den 10 pyroelektrischen Kristallklassen. Orthogonal zur ferroelektrischen Achse sind häufig keine oder nur geringfügige dielektrischen Anomalien zu beobachten. Ist die parelektrische Phase kubisch, so können in einem Einkristall natürlich verschiedene Richtungen der spontanen Polarisation auftreten. Die Gestalt der Domänen ist stets sehr einfach, wenn die Kristalle in der parelektrischen Phase piezoelektrisch sind, da die über den inversen Piezoeffekt durch die spontane Polarisation verursachte spontane Deformation nur spezielle Domänenkonfigurationen ohne innere Spannungen gestattet. Grundtypen der Domänenkonfigurationen und ihre Bezeichnungen sind in Fig. 1.2 zusammengestellt. Domänen können durch Ätzen sichtbar gemacht werden. Gelegentlich werden auch durch 4 Ferroelektrizität Bestäuben mit geeigneten Pulvern die Domänenwände dekoriert. In günstigen Fällen ist eine polarisationsmikroskopische Beobachtung der Domänen möglich. Anm.: Im Gegensatz zum Ferromagnetismus ist es nicht sinnvoll, von einer Drehung der spontanen Polarisation zu sprechen. Dagegen kann die durch ein äußeres Feld hervorgerufene Polarisation nicht ohne weiteres gegen die spontane Polarisation vernachlässigt werden. Ferner sind die hohen DK-Werte – bei einigen Kristallen am Curie-Punkt über 105 – paraelektrischer Natur. Wandverschiebungen tragen im ferroelektrischen Gebiet zwar auch zur DK bei, sind aber nicht so dominierend wie im Ferromagnetismus; häufig können sie als kleine Korrektur des dielektrischen Volumenverhaltens aufgefasst werden. Zu einer quantitativen Beschreibung der für den Phasenübergang relevanten Größen benutzt man die Entwicklung der freien Energie F als Funktion der Polarisation P F(P,T) = g0 + ½ g2 P2 + ¼ g4 P4 +…. (2.1) Die ungeraden Potenzen verschwinden aus Symmetriegründen. Um einen ferroelektrischen Zustand zu erhalten, muß der Koeffizient g2(T) für eine Temperatur verschwinden g2 = γ (T-T0) (2.2) Weiterhin ist vorausgesetzt, dass g4 > 0 ist. Mit ∂F = E, ∂P bei T = konst. (2.3) folgt bei E = 0 ∂F = E = 0 = γ (T − TC ) P + g 4 P 3 ∂P mit den Lösungen P = 0 und P 2 = Ps2 = − γ g4 (T − Tc ) (2.4) Für die Dielektrizitätskonstante (DK) ε gilt weiterhin ∂ 2 F ∂E = = ε −1 = β = γ (T − Tc ) 2 ∂P ∂P (2.5) bei T > Tc (paraelektrischer Bereich). Analog folgt für den ferroelektrischen Bereich β ∝ (Tc – T) (2.6) 5 Ferroelektrizität Abbildung 1 : Temperaturabhängigkeit der spontanen Polarisation PS und der Suszeptibilität c = e − 1 für ein Ferroelektrikum mit einen Phasenübergang 1. Ordnung. Temperaturabhängigkeit der spontanen Polarisation PS und der Suszeptibilität c = e − 1 für ein Ferroelektrikum mit einen Phasenübergang 2. Ordnung. P Neukurve E Hysteresekurve eines Ferroelektrikums im elektrischen Feld mit EK: Koerzitivfeldstärke, PSp: spontane Polarisation, Pr: remanente Polarisation, PSat: Sättigungspolarisation. 6 Ferroelektrizität 5 Messung der P-E-Hysterese nach Sawyer und Tower Mit Hilfe der „Sawyer-Tower-Schaltung“ kann die P-E-Hysterese auf einem Oszilloskop dargestellt werden. In dieser Schaltung ist die x-Richtung des Oszilloskops proportional zur Feldstärke E und die y-Richtung des Oszilloskops proportional zur Polarisation P. Dabei ist Cx das als Plattenkondensator geschaltete Ferroelektrikum, C1 ist eine bekannte Referenzkapazität. Cx R2 y U0 ~ x R1 Oszi C1 Sawyer-Tower-Kreis zur Bestimmung der P-E-Hysterese. Der Spannungsabfall an den Kondensatoren ist gegeben durch Q Q U C1 = 1 und U Cx = x C1 Cx und in der Reihenschaltung der Kondensatoren gilt Q1 = Qx. damit gilt also U Cx C1 = . U C1 C x Am x-Eingang des Oszilloskops liegt die Spannung Ux beider Kondensatoren über einen Spannungsteiler an: R1 (U C1 + U Cx ) Ux = R1 + R2 Der Kondensator Cx ist ein Plattenkondensator mit der Fläche A und dem Plattenabstand d, also ist UCx = Ed. Wird nun C1 Cx gewählt, gilt U Cx U C1 und damit ist R1 R1d Ux ≈ U Cx = E. R1 + R2 R1 + R2 Am y-Eingang liegt die Spannung UC1 an: A ee 0 C d Ed = ee 0 A E U y = U C1 = x U Cx = C1 C1 C1 P Mit der Beziehung E = und für den Fall e 1 ergibt sich e 0 (e − 1) ee A P A eA = Uy = 0 P≈ P C1 e 0 (e − 1) (e − 1)C1 C1 7 Ferroelektrizität 6 Kapazitätsmessbrücke Eine Kapazitätsmessbrücke erlaubt (ähnlich wie die Wheatstone-Brücke für ohmsche Widerstände) die Messung unbekannter Kapazitäten bzw. der Dielektrizitätskonstanten eines Materials: Cx C1 R1 R2 ~ U0 Die Brücke wird mit Wechselspannung betrieben und es treten komplexe kapazitive Widerstände auf. Damit die Brücke stromlos wird, müssen sowohl die Phase als auch die Amplitude abgeglichen werden. Über den Schiebewiderstand und durch C1 wird die Brücke so eingestellt, dass durch das Messgerät kein Strom fließt. Mit den Kirchhoff’schen Regeln ergibt sich I 2 − I1 = 0 = I Cx − I C1 I Cx 1 1 − I1 R1 = 0 = I C1 − I 2 R2 iw Cx iw C1 und damit R2 C1 . R1 In diesem Versuch wird eine universelle LCR-Messbrücke benutzt, die bei einer festen Frequenz die Abgleiche automatisch durchführt. Cx = 8 Ferroelektrizität 7 Aufgaben 1) Welche Bedeutung haben Real- und Imaginärteil der komplexen DK? Welche Beziehung besteht zwischen beiden? 2) Diskutieren Sie den Verlauf der (reellen) DK eines Ferroelektrikums bei Variation der angelegten Meßspannung von sehr tiefen (kHz) zu sehr hohen (optischen) Frequenzen. Wie stark tragen einzelne Prozesse zur gesamten DK bei? Welche Methoden benutzt man zur Messung der DK in den verschiedenen Bereichen? 3) Bestimmen Sie die DK des Triglyzinsulfats (TGS, (CH2NH2COOH)3 H2SO4) im Temperaturbereichvon 35 C bis 65 C (T_ ≈ 50 C). Tragen Sie 1/ε gegen die Temperatur T auf und verifizieren Sie das Curie-Weiß-Gesetz (1.1) und (1.2). Bestimmen Sie die Curiekonstanten C und C’. 4) Bestimmen Sie mit dem Sawyer-Tower-Kreis den Temperaturverlauf von Ps zwischen Tc und Raumtemperatur. Tragen Sie Ps und P2s gegen ׀T-T0 ׀auf. 5) Welcher Art ist der auftretende Phasenübergang? 8 Probendaten Die geometrischen Daten der TGS-Proben: Probe für die DK-Messung: d = 1,08 mm A = 0,85 cm2 Probe für die D(E)-Messungen: d = 0,25 mm A = 0,385 cm2 9 Ferroelektrizität 9 Versuchsaustattung - 1 Rechner Pentium 600 MHz mit IEEE-488-Schnittstelle - 1 Netzwerk-Drucker (HP) - 1 PREMA 5000 DMM mit Scanner und IEEE-488-Schnittstelle - 1 Konstantstromquelle 2A, 15V - Labview, Mathlab, Zugang zu Origin, Standard-Software Zur Auswertung z.B. mit Origin: Die Messdaten können als ASCII-Dateien eingelesen werden. Mit dem Auswerteprogramm können die Ausgleichspolynome n-ten Grades an die Messkurven gelegt werden. 10 GPIB Bus 11 _ U0 + +5 V 2 + 1 3 UMess + UVor RVor _ _ 5 RMess 2 TTL 3 AD-Eingänge 4 + _ 4 6 10 nF 0.1 µF 1 µF 10 µF Timer 1 7 CRef 2 8 Oszi. 2 _ Opt. M2 Masse AD-Ausgänge 1 + CMess Temperatur Freq. Heizung Verteiler für NI PCI-6035E Datenerfassungsmodul M1 Masse 1 GPIB-address: 14 LCR Databridge Model 6458 Voltcraft MX-2020 Regelung Heizung Conrad PS-303D Ferroelektrizität 10 Aufbau des Versuchs