© INSADCO / imago eCur Innere Med 2015 · 1–23 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 Herausgeber U. R. Fölsch, Kiel 3 Punkte sammeln auf... springermedizin.de/ eAkademie Teilnahmemöglichkeiten Diese Fortbildungseinheit steht Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) und Abonnenten von Springer Medizin e.Med in der e.Akademie zur Verfügung unter: www.springermedizin.de/eAkademie Zertifizierung Diese Fortbildungseinheit ist mit 3 CMEPunkten zertifiziert von der Landesärztekammer Hessen und der Nordrheinischen Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung und damit auch für andere Ärztekammern anerkennungsfähig. Hinweis für Leser aus Österreich Gemäß dem Diplom-Fortbildungs-Programm (DFP) der Österreichischen Ärztekammer werden die in der e.Akademie erworbenen CME-Punkte hierfür 1:1 als fachspezifische Fortbildung anerkannt. Kontakt und weitere Informationen Springer-Verlag GmbH Springer Medizin Kundenservice Tel. 0800 77 80 777 E-Mail: [email protected] CME Zertifizierte Fortbildung K. Dalhoff Medizinische Klinik III – Pulmologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck Nosokomiale Infektionen Interaktive Fälle zur aktuellen S3-Leitlinie Zusammenfassung Die häufigsten nosokomialen Infektionen sind Atemwegs-, Harnwegs- und Wundinfektionen sowie Gefäßkatheter-assoziierte Infektionen und die Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhö. Der Schwerpunkt in diesem e.Tutorial liegt auf der nosokomialen Pneumonie. Hier haben sich die therapeutischen Strategien in den letzten Jahren durch die Zunahme multiresistenter Erreger geändert. Die Empfehlungen basieren auf der interdisziplinären S3-Leitlinie „Epidemiologie, Diagnostik und Therapie erwachsener Patienten mit nosokomialer Pneumonie“ von 2012. Aktuelle Neuerungen, wie die KRINKO-Klassifikation, wurden ergänzt. In diesem e.Tutorial wird nicht auf andere Pneumonieformen eingegangen. Weiterführende Angebote zur ambulant erworbenen Pneumonie und zur Pneumonie bei Immundefizit finden Sie am Ende dieser Lerneinheit. Schlüsselwörter Nosokomiale Infektion · Nosokomiale Pneumonie · Multiresistente Erreger · KRINKO-Empfehlungen · Antimikrobielle Therapie e.Curriculum Innere Medizin | 1 CME Zusatzmaterial online Dieser Beitrag enthält Animationen, interaktive Fragen und Kasuistiken. Diese finden Sie im e.Tutorial plus, dem zertifizierten Online-Kurs, unter www.springermedizin.de/ ecurriculum-innere-medizin. Eine der häufigsten Formen nosokomialer Infektionen ist die nosokomiale Pneumonie. Ein wachsendes Problem ist dabei die Zunahme multiresistenter Erreger. Dies beeinflusst v. a. die antimikrobiellen Therapiestrategien. Lernen Sie in diesem Online-Kurs die Empfehlungen der aktuellen S3-Leitlinie „Epidemiologie, Diagnostik und Therapie erwachsener ­Patienten mit nosokomialer Pneumonie“ kennen. Lernziele Wenn Sie diese Lerneinheit beendet haben, F kennen Sie die Ursachen nosokomialer Infektionen, F können Sie die nosokomiale Pneumonie von anderen Pneumonieformen abgrenzen, F kennen Sie das diagnostische Vorgehen bei nosokomialer Pneumonie, F kennen Sie die leitliniengerechte antimikrobielle Therapie bei nosokomialer Pneumo- nie. Klinischer Fall I (Horst R., 78 Jahre) Herr R. wird vom Notarzt in die Klinik eingeliefert. Befund bei der Aufnahme F Wach, kooperativ, voll orientiert F Zunge weicht nach links ab, leichte Schluckstörung, diskrete feinmotorische Störung der linken Hand F Blutdruck 160/90 mmHg, Herzfrequenz 64/min, Sinusrhythmus F Auskultatorisch unauffällig Diagnostik F Röntgen-Thorax: ohne pathologischen Befund F Kraniales CT: frischer Hirnstamminfarkt rechts Der Patient wird mit der Diagnose Hirnstamminsult auf die Intensivstation übernommen und ­sofort heparinisiert. Nosocomial infections. Interactive cases relating to the current S3 guidelines Abstract The most frequent nosocomial infections are respiratory, urinary tract, and wound infections, vascular catheter-associated infections, and Clostridium difficile-associated diarrhea. The emphasis in this e.Tutorial is on nosocomial pneumonia. Here, the therapeutic strategies in recent years have changed due to the increase in multiresistant pathogens. The recommendations are based on the interdisciplinary S3 guideline “Adult patients with nosocomial pneumonia: epidemiology, diagnosis, and treatment”. Recent innovations such as the KRINKO classification have been added. This e.Tutorial does not address other forms of pneumonia. Further possibilities regarding community-acquired pneumonia and pneumonia in immune deficiencies can be found at the end of this unit. Keywords Nosocomial infections · Nosocomial pneumonia · Multiresistant bacteria · KRINKO recommendations · Antimicrobial therapy 2 | e.Curriculum Innere Medizin CME Abb. 1 9 Röntgen-Thorax: Infiltrate­ beidseits. (Mit freundlicher Genehmigung von Prof. Braun und Prof. Dalhoff) Anamnese F Arterielle Hypertonie F Sigmaresektion nach Divertikulose vor 10 Jahren F Kataraktoperation vor 14 Jahren F Prostataoperation vor 16 Jahren F Medikation: Enalapril, Pantoprazol Weiterer Verlauf Tag 4 nach Aufnahme F Temperatur: 38,9°C F Labor: Leukozyten 24.000/μl F Röntgen-Thorax: Infiltrate beidseits in den Unterfeldern (. Abb. 1) Der Patient fühlt sich im Lauf des Tages zunehmend schlechter. Ein erneuter Röntgen-Thorax am Nachmittag zeigt progrediente Infiltrate beidseits. Diagnose F Nosokomiale Pneumonie Für die mikrobiologische Diagnostik werden mehrere Proben entnommen. Da der Erreger momentan noch unbekannt ist, wird eine kalkulierte Antibiotikatherapie angeordnet. » Interaktive Frage online: Bei Herrn R. wurde eine nosokomiale Pneumonie diagnostiziert. Was unterscheidet die ambulant erworbene Pneumonie typischerweise von der nosokomialen Pneumonie?1 F Die Symptomatik F Das Erregerspektrum » Interaktive Frage online Definition Wie ist die nosokomiale Pneumonie definiert? Generell gilt: Eine Infektion ist nosokomial, wenn sie bei der Klinikaufnahme weder vorhanden noch in Inkubation war. Die nosokomiale Pneumonie („hospital-acquired pneumonia“, HAP) tritt frühestens 48–72 h nach Aufnahme in die Klinik auf ([1]; . Tab. 1). Typischerweise unterscheidet sich das Erregerspektrum von dem der ambulant erworbenen Pneumonie. 1 Die nosokomiale Pneumonie tritt frühestens 48–72 h nach Aufnahme in die Klinik auf Der entscheidende Unterschied ist das Erregerspektrum. e.Curriculum Innere Medizin | 3 CME Tab. 1 Definitionen der respiratorischen Infektionen. (Mod. nach [2]) Krankheitsbild Ambulant erworbene Pneumonie (CAP) Nosokomiale Pneumonie (HAP) Infektion der unteren Atemwege Akute Tracheobronchitis Akute Exazerbation einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) Influenza Definition Akute Erkrankung mit Husten und ≥1 der folgenden Symptome: – neuer fokaler Lungenbefund – Fieber – Atemnot – Tachypnoe = vermutete CAP Neu aufgetretenes Infiltrat im Röntgenbild = definitive CAP Bei älteren Patienten reicht ein Infiltrat mit akuter Erkrankung und unspezifischen Symptomen (z. B. neu aufgetretene Verwirrtheit)! Siehe oben und Manifestation frühestens 48 h nach Krankenhausaufnahme Akute Erkrankung ≤21 Tage mit Leitsymptom Husten und ≥1 der folgenden Symptome: – Sputumproduktion – Atemnot – Obstruktion – Thoraxschmerz Akute Erkrankung Zeichen einer Infektion der unteren Atemwege bei Patienten ohne COPD Pneumonie-Kriterien sind nicht erfüllt Bei Patienten mit COPD Verschlechterung von Atemnot, Husten und/oder Sputum, die zu Änderung des Therapiemanagements führt Bei zusätzlichem Infiltrat sind die Kriterien für eine ambulant erworbene Pneumonie gegeben! Plötzlicher Beginn mit ≥1 der folgenden systemischen Symptome: – Fieber – Kopfschmerz – Myalgie – Abgeschlagenheit plus ≥1 der folgenden respiratorischen Symptome: – Husten – Halsschmerzen – Heiserkeit – Rhinitis (Coryza) – Dyspnoe Tritt die Pneumonie nach der Entlassung auf, ist der Zeitrahmen weniger gut definiert. Häufig kann noch für mehrere Monate eine Besiedlung mit Krankenhauskeimen nachgewiesen werden. In vielen Studien werden 90 Tage nach Entlassung als Grenze für die Diagnose nosokomiale Pneumonie gesetzt. „Community-acquired pneumonia“ (CAP). Die ambulant erworbene Pneumonie ist eine akute mikrobielle Infektion des Lungenparenchyms und angrenzender Organe. Die Pneumonie wurde dabei zuhause, im privaten oder beruflichen Umfeld erworben. „Health care-associated pneumonia“ (HCAP). Eine eigene Kategorie stellt die HCAP dar. Sie gilt für Pneumonien bei Patienten, die zwar nicht stationär aufgenommen wurden, aber regelmäßig in klinikähnlichen Strukturen versorgt werden oder in Pflegeeinrichtungen leben. Diese Kategorie ist wissenschaftlich aber nicht ausreichend belegt, daher hat sie sich in Europa nicht durchgesetzt. Hier wird die „nursing home-associated pneumonia“ (NHAP) als Unterform der CAP gesehen. Die Mor- 4 | e.Curriculum Innere Medizin CME bidität und Mortalität der NHAP wird wesentlich durch Komorbiditäten und „frailty“ (Gebrechlichkeit) beeinflusst. „Ventilator-associated pneumonia“ (VAP). Die beatmungsassoziierte Pneumonie tritt bei beatmeten Patienten auf. Definitionsgemäß muss der Patient mindestens 48 h lang beatmet worden sein. Diese Definition wird aber kontrovers diskutiert. Pneumonie bei Immundefizit. Pneumonien bei Patienten mit einem definierten Immundefizit gelten in Deutschland als eigene Kategorie. Sie können ambulant oder nosokomial erworben werden. Das Erregerspektrum ist sehr breit und umfasst z. B. auch sog. opportunistische Erreger wie Pneumocystis jiroveci und Cytomegalie-Viren. Entsprechend unterschiedlich sind Diagnostik und Therapie. Ein definiertes Immundefizit kann verschiedene Ursachen haben: AIDS, Z. n. Organ- oder Knochenmarktransplantation, Chemotherapie solider oder hämatologischer Neoplasien, immunsuppressive oder immunmodulierende Therapie, Glukokortikoidtherapie über ≥4 Wochen mit ≥10 mg/Tag. » Interaktive Frage online: Ganz grundsätzlich gefragt: Wodurch werden nosokomiale Infektionen verursacht?2 F In den meisten Fällen durch exogene Erreger. F In den meisten Fällen durch endogene Erreger. F Zu gleichen Teilen durch exogene und endogene Erreger. Bei endogenen nosokomialen Infektionen gehören die Erreger entweder primär zur Standortflora des Patienten, oder die Haut bzw. Schleimhäute des Patienten werden während des Klinikaufenthalts kolonisiert. Wenn das Immunsystem im Rahmen der Erkrankung oder Therapie geschwächt ist oder eine Barrierestörung entsteht, können diese Erreger eine Infektion auslösen. Exogene Infektionen werden durch Erreger aus der Umgebung verursacht. Sie werden z. B. durch das medizinische Personal oder andere Patienten übertragen. » Interaktive Frage online Exogene Infektionen werden durch Erreger aus der Umgebung verursacht Ursachen Wodurch werden nosokomiale Infektionen verursacht? In den meisten Fällen werden nosokomiale Infektionen endogen verursacht ([3]; . Abb. 2). Die Erreger gehören zur normalen Patientenflora, gelangen aber z. B. durch Katheteranlagen oder Intubation in Körperteile oder Gewebe, wo sie eine Infektion auslösen. Generell wird die Entstehung einer nosokomialen Infektion durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Die Disposition umfasst alle Risikofaktoren des Patienten, wie z. B. Alter, Vorerkrankungen, Immunkompetenz. Sie wird durch die medizinische Versorgung oft verändert. Systemische Antibiotika beeinflussen die intestinale Patientenflora. So nimmt die Diversität der Darmflora, z. B. durch Clindamycin, um >90% ab. Die Exposition umfasst alle Risikofaktoren der Umgebung, wie Gegenstände, andere Patienten und Personal. Im Klinikalltag spielt die Übertragung durch das Personal eine wichtige Rolle. Eine Studie auf deutschen Intensivstationen konnte zeigen, dass ein Patient im Durchschnitt über 170 direkten Kontakten pro Tag ausgesetzt ist [4]. Darüber hinaus sind auch Luft, Wasser und Nahrungsmittel wichtige Faktoren bei der Übertragung. Ein Patient ist im Durchschnitt über 170 direkten Kontakten pro Tag ausgesetzt Wie häufig treten nosokomiale Infektionen in Deutschland auf?. Die Angaben zu nosokomialen Infektionen sind weltweit sehr unterschiedlich. Dies liegt an einem grundsätzlichen Problem: Die Zahlen beruhen auf Hochrechnungen von Stichproben, die wiederum mit unterschiedlichen Methoden erfasst wurden. In Deutschland wurden 2013 die Ergebnisse der 2. nationalen Prävalenzstudie zu nosokomialen Infektionen veröffentlicht. Diese wurde nach den Vorgaben der European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) durchgeführt [4]. Demnach treten nosokomiale Infektionen bei etwa 3,5% der Patienten neu auf, dies entspricht mehr als 600.000 Fällen. 2 In den meisten Fällen entsteht die nosokomiale Infektion durch endogene Erreger. e.Curriculum Innere Medizin | 5 CME Übertragungsweg für nosokomiale Infektionen Endogene Infektion verursacht durch körpereigene Erreger Endogen durch ein geschwächtes Immunsystem z. B. postoperativ, bei Immobilität Exogene Infektion verursacht durch körperfremde Erreger Exogen durch die Umgebung z. B. über Türgriffe, Sanitäranlagen, Nahrung Nosokomiale Pneumonie z. B. durch Legionellen im Wasser oder Schimmelpilze in der Luft Exogen durch Personen z. B. medizinisches Personal, andere Patienten Nosokomiale Pneumonie z. B. durch Aspiration oropharyngealer Flora Nosokomiale Pneumonie z. B. mit MRSA durch Übertragung an den Händen Endogen oder exogen durch medizinische Maßnahmen z. B. Intubation, Katheteranlage, Endoskopie Abb. 2 8 Ursachen für nosokomiale Infektionen Wichtige Differenzialdiagnosen bei nosokomialer Pneumonie – Atelektasen – Herzinsuffizienz/Überwässerung – Alveoläre Hämorrhagie – Interstitielle Lungenerkrankung – ARDS – Lungenarterienembolie Abb. 3 8 Differenzialdiagnosen für nosokomiale­ Infektionen Abb. 4 8 Röntgen-Thorax Was sind die häufigsten nosokomialen Infektionen?. Die wichtigsten nosokomialen Infektionen sind Pneumonien, Harnwegsinfektionen, Wundinfektionen, sowie Gefäßkatheter-assoziierte Infektionen und die Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhö. Sind nosokomiale Infektionen meldepflichtig?. Einzelinfektionen sind nicht meldepflichtig, das gehäufte Auftreten allerdings schon. Als gehäuftes Auftreten gelten bereits 2 vermutlich zusammenhängende Infektionen. Das Gesundheitsamt muss unverzüglich informiert werden, wenn ein epidemischer Ausbruch vermutet wird (§ 6 IfSG). Laut Infektionsschutzgesetz ist im Übrigen die Erhebung von Surveillance-Daten über den Verbrauch an Antiinfektiva und über die Resistenzsituation verpflichtend (§ 23 IfSG). 6 | e.Curriculum Innere Medizin CME » Interaktive Kasuistik online: Zurück zu Herrn R.: Welche Diagnosekriterien sprechen laut Leitlinie für die Verdachtsdiagnose „nosokomiale Pneumonie“ (HAP)?3 F Fieber + Leukozytose F Fieber + neue Infiltrate im Röntgen-Thorax F Fieber + Leukozytose + neue Infiltrate im Röntgen-Thorax F Leukozytose + Krankheitsgefühl + neue Infiltrate im Röntgen-Thorax » Interaktive Kasuistik online Diagnostik Wie wird eine nosokomiale Pneumonie diagnostiziert? Klinische Diagnose Die Verdachtsdiagnose einer nosokomialen Pneumonie (HAP) besteht bei F neuem oder progredientem Infiltrat im Röntgen-Thorax in Kombination mit 2 von 3 weiteren Kriterien: F Leukozyten >10.000 oder <4000/μl F Fieber >38,3°C F purulentem Sekret Bildgebende Diagnostik Empfohlen wird ein Röntgen-Thorax, möglichst in zwei Ebenen. Immobile Patienten werden im ­Liegen geröntgt. Weitere bildgebende Verfahren sind initial nicht indiziert. Sie können bei therapierefraktären Infiltraten und differenzialdiagnostischer Unsicherheit erwogen werden ([1]; . Abb. 3). Wie sicher ist die klinische Diagnose?. Die Sensitivität und Spezifität der klinischen Diagnose liegt bei etwa 70%. Dies bedeutet: 30% der Fälle von nosokomialer Pneumonie werden nicht richtig ­erkannt. Auch Röntgen- und CT-Befunde sind oft nicht eindeutig. Pneumonie-Scores helfen bei der klinischen Diagnose nicht weiter. Bei schweren Verläufen sollte überprüft werden, ob eine Sepsis vorliegt. In diesen Fällen sollten Sepsis-Scores und Biomarker verwendet werden. Differenzialdiagnostik: Hätten Sie’s gewusst? Die klinische Diagnose ist fehleranfällig, wie der folgende Fall zeigt: Eine 78-jährige Patientin wurde wegen Husten und akuter Dyspnoe stationär aufgenommen. Einweisungsdiagnose F Pneumonie rechts Klinischer Befund F Deutliche Dyspnoe F Systolikum an der Herzspitze F Feuchte, nichtklingende Atemgeräusche rechts Röntgen-Thorax F Ausgedehnte Infiltrate rechts (. Abb. 4) Was denken Sie: Welches ist die richtige Diagnose?. Unilaterales Lungenödem bei akuter Mitralklappeninsuffizienz. Die Echokardiographie zeigte ein „flail leaflet“ bei Sehnenfadenabriss. 3 Laut der S3-Leitlinie „Erwachsene Patienten mit nosokomialer Pneumonie“ spricht die Kombination aus Fieber + Leukozytose + neuen Infiltraten im Röntgen-Thorax für die Verdachtsdiagnose. e.Curriculum Innere Medizin | 7 CME Wie werden hochwertige diagnostische Proben aus dem unteren Respirationstrakt gewonnen? Risikofaktoren für Infektionen mit multiresistenten Erregern (MRE) Tracheobronchialaspirat – Erst das Sekret aus dem Tubus absaugen. – Dann einen frischen, sterilen Katheter benutzen und tief einführen. – Ein Auffangefäß für die Probe anschließen. – Jetzt erst die Absaugung aktivieren. Vorher kein Kochsalz instillieren! – Antimikrobielle Therapie – Hospitalisierung >4 Tage – Invasive Beatmung >4 – 6 Tage – Aufenthalt auf der Intensivstation – Malnutrition – Strukturelle Lungenerkrankung – Bekannte Kolonisation durch multiresistenten Erreger – Aufnahme aus Langzeitpflegebereichen – Chronische Dialyse – Tracheostoma – Offene Hautwunden Bronchoskopie – Keine Lokalanästhetika verwenden! – Bronchoskop einführen, dann erst BAL/Bronchialsekret über den Arbeitskanal des Bronchoskops aspirieren. Keine Aspiration vorher! Abb. 5 8 Materialgewinnung » Interaktive Kasuistik online Abb. 6 8 Risikofaktoren für multiresistente­ Erreger » Interaktive Kasuistik online: Bei Herrn R. sprechen die klinischen Befunde und das Röntgenbild für eine nosokomiale Pneumonie. Welche Labordiagnostik wird in der Leitlinie für diesen Fall uneingeschränkt empfohlen?4 F Procalcitonin (PCT) F Blutkultur F Legionellen-Antigen im Urin Mikrobiologische Diagnostik Bei nosokomialen Pneumonien ist die laborchemische und mikrobiologische Diagnostik unverzichtbar. Empfohlen werden laut Leitlinie: F Blutkultur F Respiratorische Kultur (tracheobronchiales Aspirat, bronchoalveoläre Lavage) Eingeschränkt empfohlen werden F Biomarker (CRP, PCT) F Legionellen-Antigen im Urin F Aspergillus-Diagnostik » Animation online Das respiratorische Material sollte vor dem Beginn der antimikrobiellen Therapie entnommen ­ erden (. Abb. 5). » Sehen Sie hierzu auch eine Online-Animation. w Die nichtinvasive und die invasive bronchoskopische Diagnostik sind gleichwertig Die nichtinvasive und die invasive bronchoskopische Diagnostik sind gleichwertig [1]. Die Keimzahlen­müssen im klinischen Kontext interpretiert werden, sie ergeben nur orientierende Werte.­ Zur Validierung der Probe erfolgt eine Ausstrichdiagnostik. Mit den Blutkulturen können bakteriämische Pneumonien diagnostiziert werden. » Interaktive Kasuistik online » Interaktive Kasuistik online: Bei Herrn R. wurde die nosokomiale Pneumonie 4 Tage nach der stationären Aufnahme festgestellt. In dieser Zeit wurde er intensivmedizinisch behandelt. Ist sein Risiko für eine Infektion mit multiresistenten Erregern erhöht?5 F Nein F Ja 4 Uneingeschränkt werden nur die Blutkultur und die respiratorische Kultur empfohlen. Die anderen Untersuchungen werden in der S3-Leitlinie „Erwachsene Patienten mit nosokomialer Pneumonie“ nur eingeschränkt empfohlen. 5 Seine Risikofaktoren sind Hospitalisierung >4 Tage und Aufenthalt auf der Intensivstation. Weitere Faktoren sind antimikrobielle Therapie, invasive Beatmung >4 bis 6 Tage, Malnutrition, strukturelle Lungenerkrankungen, bekannte Kolonisation durch multiresistente Erreger, Aufnahme aus Langzeitpflegebereichen, chronische Dialyse, Tracheo­ stoma und offene Hautwunden. 8 | e.Curriculum Innere Medizin CME Risikostratifizierung: Wann muss an multiresistente Erreger gedacht werden? Die Zahl von Infektionen mit multiresistenten Erregern (MRE) nimmt insgesamt zu. Dadurch steigt auch das Risiko, initial die falsche Therapie zu wählen. Beim Management der nosokomialen Pneumonie wird daher unterschieden zwischen (. Abb. 6): F Patienten mit Risikofaktoren für multiresistente Erreger F Patienten ohne Risikofaktoren für multiresistente Erreger Bei dem Patienten Horst R. sind Risikofaktoren vorhanden: Hospitalisierung über 4 Tage, Aufenthalt auf der Intensivstation. Sind multiresistente Erreger bei nosokomialen Infektionen besonders relevant?. Nosokomiale­ Infektionen werden wesentlich häufiger von multiresistenten Erregern ausgelöst als ambulant erworbene Infektionen. Zum einen fördert die antimikrobielle Therapie in den Kliniken die Resistenzentwicklung. Zum anderen ist dort auch das Risiko einer Kreuzübertragung multiresistenter Erreger durch das Personal erhöht. Gerade bei Hochrisikopatienten sind oft besonders viele Manipulationen erforderlich. » Interaktive Frage online: Ein anderer Patient mit nosokomialer Pneumonie hat kein erhöhtes Risiko­ für eine Infektion mit multiresistenten Erregern. Welcher Befund ist in diesem Fall am wenigsten wahrscheinlich?6 F Acinetobacter spp. F Klebsiella spp. F Enterobacter spp. F Streptococcus pneumoniae » Interaktive Frage online Erregerspektrum der nosokomialen Pneumonie Nosokomiale Pneumonien werden in erster Linie durch Bakterien verursacht (. Tab. 2). Die wichtigsten gramnegativen Erreger sind Enterobacteriaceae und Pseudomonas aeruginosa. Der häufigste grampositive Erreger ist Staphylococcus aureus. Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae kommen v. a. bei einer frühzeitig auftretenden Early-onset-Pneumonie vor. Bislang wurde zwischen einer Früh- und Spätform der nosokomialen Pneumonie unterschieden. Die Annahme war, dass multiresistente Erreger (MRE) erst bei der Spätform relevant werden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass Infektionen mit MRE auch frühzeitig auftreten können, wenn weitere Risikofaktoren vorliegen. Typische Erreger sind hier z. B. Methicillin-resistente S. aureus (MRSA), sowie Enterobakterien mit Extended-Spectrum-Betalaktamasen (ESBL) und weiteren Resistenzen. Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter spp. haben eine hohe intrinsische Resistenz (. Tab. 2). Generell gilt, dass das Erregerspektrum regional und lokal sehr unterschiedlich ist. Dies muss bei der Therapie berücksichtigt werden. Die wichtigsten gramnegativen ­Erreger sind Enterobacteriaceae und Pseudomonas aeruginosa Das Erregerspektrum ist regional und lokal sehr unterschiedlich Welche Rolle spielt die normale oropharyngeale Flora?. Die Bakterien und Pilze der oropharyngealen Standortflora sind bei der nosokomialen Pneumonie i. d. R. therapeutisch nicht relevant. Dazu gehören Corynebacterium spp., Neisseria spp., α-hämolysierende (vergrünende) Streptokokken und Koagulase-negative Staphylokokken [6]. Auch Enterococcus spp. und Candida spp. werden bei nosokomialen Pneumonien oft nachgewiesen. Sie sind ebenfalls therapeutisch nicht relevant. Welche Rolle spielen Pilze und Viren bei nosokomialen Pneumonien?. Pilze und Viren verursachen bei immunkompetenten Patienten nur selten eine nosokomiale Pneumonie [1]. Auf Intensivstationen wurden aber Infektionen mit Aspergilllus spp. beschrieben, wenn prädisponierende Faktoren, wie z. B. strukturelle Lungenerkrankungen oder Leberzirrhose, vorlagen [7]. Zu nosokomialen Viruspneumonien liegen noch zu wenige klinische Daten vor, mit Influenzaviren sollte aber als Auslöser gerechnet werden. 6 Untypisch wäre Acinetobacter spp. Der Erreger ist meist multiresistent. e.Curriculum Innere Medizin | 9 CME Tab. 2 Erregerspektrum der nosokomialen Pneumonie (HAP). (Mod. nach [1]) Für Patienten ohne Risikofaktoren für multiresistente Erreger (MRE) Enterobacteriaceae Escherichia coli Klebsiella spp. Enterobacter spp. Haemophilus influenzae Staphylococcus aureus (Methicillin-sensible S. aureus, MSSA) Streptococcus pneumoniae Zusätzlich für Patienten mit Risikofaktoren für muItiresistente Erreger (MRE) Staphylococcus aureus (MethiciIIin-resistente S. aureus, MRSA) ESBL-bildende Enterobacteriaceae (Extended-Spectrum Betalaktamasen, ESBL) Pseudomonas aeruginosa Acinetobacter baumannii Stenotrophomonas maltophilia Tab. 3 Häufigste Erreger der nosokomialen unteren Atemwegsinfektion auf Intensivstationen. (Mod. nach [8]) Erreger Staphylococcus aureus – MRSA (Anteil an S. aureus) Pseudomonas aeruginosa E. coIi – ESBL (Anteil an E. coli) Klebsiella spp. – ESBL (Anteil an Klebsiella spp.) Atemwegsinfektion assoziiert mit invasiver Beatmung (%) 17,6 31,1 16,2 13,8 14,8 13,0 10,4 Atemwegsinfektion assoziiert mit nichtinvasiver Beatmung (%) 18,6 32,1 12,9 14,6 19,7 11,5 7,7 Anteil der Device-assoziierten Infektionen, jeweils in % der Gesamtzahl aller nosokomialen Infektionen (KISS-lntensivstationen 2009–2013). Wo gibt es aktuelle Daten zu Erregern und Resistenzen? Generell gilt, dass Erreger- und Resistenzspektrum regional und lokal sehr unterschiedlich sind. Umso wichtiger ist es, die aktuelle Situation im jeweiligen Krankenhaus und auf den einzelnen Stationen zu kennen. Nur so ist eine effiziente kalkulierte Antibiotikatherapie möglich. Nationale oder internationale Daten können zwar nicht für die individuelle Therapieentscheidung herangezogen werden, sie bieten aber Anhaltspunkte, wie häufig resistente Erreger bei welchen nosokomialen Infektionen auftreten (. Tab. 3). Erreger und Resistenzen auf Intensivstationen Aktuelle Daten dazu liefert in Deutschland das KISS (Krankenhaus Surveillance System): F Referenzdaten zu Infektionen 2009–2013: http://www.nrz-hygiene.de/surveillance/kiss/its-kiss/ infektionen/ F Referenzdaten zu multiresistenten Erregern 2013: http://www.nrz-hygiene.de/surveillance/kiss/ its-kiss/erreger/ Informationen dazu liefert auch SARI, es ist Teil eines Forschungsnetzwerks zur Ausbreitung von ­nosokomialen Infektionen und resistenten Erregern auf Intensivstationen: F Grafiken zu Antibiotika-Resistenzen (Klick auf Daten > Antibiotika): http://sari.eu-burden.info F Daten zur Resistenzlage: http://sari.eu-burden.info/auswertung/down/RR_ZEIT.pdf 10 | e.Curriculum Innere Medizin CME Daten zur Epidemiologie in Europa liefert das ECDC (European Centre for Disease Prevention and Control): F Europäische Resistenzlage 2013: http://www.ecdc.europa.eu/en/publications/_layouts/forms/ Publication_DispForm.aspx?List=4f55ad51-4aed-4d32-b960-af70113dbb90&ID=1205 » Interaktive Kasuistik online: Zurück zum Fall: Bei Herrn R. wurde eine nosokomiale Pneumonie diagnostiziert. Der Erreger ist noch unbekannt, aber das Risiko für eine Infektion mit multiresistenten Erregern ist erhöht. Sollte in diesem Fall initial eine antibiotische Kombinationstherapie durchgeführt werden?7 F Nein F Ja » Interaktive Kasuistik online » Interaktive Kasuistik online: Bei Herrn R. ist das Risiko für multiresistente Erreger erhöht. Welche Kombination ist am ehesten für die initiale kalkulierte Antibiotikatherapie geeignet?8 F Ampicillin/Sulbactam + Gentamicin F Ceftriaxon + Azithromycin F Piperacillin/Tazobactam + Tobramycin » Interaktive Kasuistik online Therapie Kalkulierte Antibiotikatherapie Eine inadäquate und/oder verzögert beginnende Antibiotikatherapie erhöht die Letalität. Antibiotika sollten bei schweren Infektionen frühzeitig, adäquat dosiert, intravenös gegeben werden. Die kalkulierte Wahl der Substanzen orientiert sich an der Leitlinie. Hierbei muss jedoch das lokale Erregerspektrum und Resistenzprofil berücksichtigt werden [1]. Bei Patienten ohne erhöhtes Risiko für multiresistente Erreger (MRE) werden Aminopenicilline/ Betalaktamase-Inhibitoren, Cephalosporine der Gruppe 3a, Ertapenem oder pneumokokkenwirksame Fluorchinolone empfohlen (. Tab. 4). Bei Patienten mit erhöhtem Risiko für MRE werden pseudomonaswirksame Betalaktam-Antibiotika, wie Piperacillin/Tazobactam, Carbapeneme oder Cephalosporine empfohlen. Sie sollten initial mit einem Aminoglykosid oder pseudomonaswirksamen Fluorchinolon kombiniert werden (. Tab. 4). Ceftazidim wirkt nur schwach gegen S. aureus und sollte daher z. B. mit Levofloxacin oder Gentamicin kombiniert werden. Bei MRSA-Verdacht ist die Kombination mit Vancomycin, ­Teicoplanin oder Linezolid indiziert. Antibiotika sollten bei schweren ­Infektionen frühzeitig, adäquat ­dosiert, intravenös gegeben werden Was ist die „Tarragona-Strategie“?. Die „Tarragona-Strategie“ umfasst die wichtigsten Therapiegrundsätze für den Einsatz von Antibiotika. Sie wurden ursprünglich für die Therapie der Ventilator-assoziierten Pneumonie entwickelt, können aber generell auf die stationäre Therapie der nosokomialen Pneumonie übertragen werden: 1.„look at your patient“ (Risikofaktoren berücksichtigen, z. B. Komorbidität, vorherige Antibiotika­therapie) 2.„listen to your hospital“ (lokale Resistenzprofile beachten) 3.„hit hard“ (frühzeitige, hochdosierte i.v.-Therapie) 4.„get to the point“ (ausreichende Gewebespiegel erzielen) 5.„focus, focus, focus“ (Deeskalation der Therapie nach Erhalt des mikrobiologischen Befunds) 7 Bei erhöhtem Risiko für multiresistente Erreger wird die initiale kalkulierte Kombinationstherapie empfohlen, ebenso bei septischem Schock. Patienten ohne Risikofaktoren erhalten initial eine kalkulierte Monotherapie. 8 Bei erhöhtem Risiko für multiresistente Erreger wird eine Kombination aus einem pseudomonaswirksamen Betalaktamantibiotikum und einem Aminoglykosid oder Fluorchinolon empfohlen. e.Curriculum Innere Medizin | 11 CME Tab. 4 Kalkulierte Antibiotikatherapie bei nosokomialer Pneumonie gemäß Leitlinie. (Mod. nach [1]) ­Kalkulierte antimikrobielle Therapie der nosokomialen Pneumonie Patienten ohne erhöhtes Risiko für multiresistente Erreger Patienten mit erhöhtem Risiko für multiresistente Erreger Bei Verdacht auf MethicilIin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) Aminopenicillin/Betalaktamaseinhibitor Ampicillin/SuIbactam Amoxicillin/Clavulansäure Oder Cephalosporin Gr. 3a Ceftriaxon Cefotaxim Oder Carbapenem Ertapenem Oder Fluorchinolon Moxifloxacin Levofloxacin Pseudomonaswirksames Betalaktam Piperacillin/Tazobactam Oder Pseudomonaswirksames Cephalosporin Cefepim Ceftazidim Oder Pseudomonaswirksames Carbapenem Imipenem/Cilastatin Meropenem Doripenem Plus Fluorchinolon Ciprofloxacin Levofloxacin Oder Aminoglykosid Gentamicin Tobramycin Amikacin Plus Glykopeptid oder Oxazolidinon Vancomycin Linezolid Tagesdosis 3×3 g 3×2,2 g 1×2 g 3×2 g 1×1 g 1×400 mg 2×500 mg 3–4×4,5 g 3×2 g 3×2 g 3×1 g 3×1 g 3×0,5–1 g 3×400 mg 2×500 mg 1×3–7 mg/kg (Talspiegel <1 μg/ml) 1×3–7 mg/kg (Talspiegel <1 μg/ml) 1×15–20 mg/kg (Talspiegel <4 μg/ml) 2×15 mg/kg (Talspiegel 15–20 μg/ml) 2×600 mg Prinzipien der Antibiotikatherapie Initiale Kombinationstherapie Sie wird nur bei erhöhtem Risiko für multiresistente Erreger (MRE) und bei septischem Schock empfohlen. Nach 2 bis 3 Tagen wird geprüft, ob die Kombinationstherapie deeskaliert werden kann [1]. Therapiedauer In der Regel 8 Tage, außer bei invasiver S.-aureus-Infektion, invasiver Aspergillose und im Einzelfall bei einer Pseudomonas-aeruginosa-Infektion [1]. 12 | e.Curriculum Innere Medizin CME Deeskalationsstrategie Zwei bis drei Tage nach Therapiebeginn wird überprüft, ob die Kombinationstherapie noch nötig ist. Falls inzwischen ein Erreger nachgewiesen wurde, wird der Patient auf eine gezielte Monotherapie umgestellt. Voraussetzung ist, dass vor Therapiebeginn Material für die mikrobiologische Diagnostik entnommen wurde. Eine Deeskalation ist auch möglich, wenn zwar der Erregernachweis noch fehlt, aber beim Patienten eine klinische Besserung eintritt. In der Regel wird die Therapie dann auf ein Betalaktam-Antibiotikum umgestellt [1]. Therapieversagen Die Antibiotikatherapie der nosokomialen Pneumonie versagt in etwa 10–15% der Fälle. Ein strukturiertes Konzept hilft dabei, die Ursache zu klären (. Abb. 7; [1]). Klinischer Fall 1 – weiterer Verlauf Horst R., 78 Jahre, nosokomiale Pneumonie Noch einmal der bisherige Verlauf: Tag 4 Nosokomiale Pneumonie, Erreger unbekannt. Initiale kalkulierte Antibiotikatherapie: Ceftriaxon + Clindamycin. Hinweis: Leitlinienempfehlung z. B. Piperacillin/Tazobactam + Aminoglycosid. Tag 6 Progrediente Infiltrate im Röntgen-Thorax, beidseits Pleuraergüsse. Der Patient aspiriert nachmittags plötzlich Mageninhalt. Er wird auf der Intensivstation intubiert und nachfolgend beatmet. In den folgenden Tagen stabilisiert sich die Situation. Die Infiltrate sind rückläufig, die Infektionsparameter sinken. Tag 11 Extubation Tag 12 Die klinische Situation verschlechtert sich erneut, Reintubation. Bislang konnte immer noch kein Erreger nachgewiesen werden. Änderung der kalkulierten Antibiotikatherapie: Piperacillin/Tazobactam + Tobramycin. Zwei Tage später gelingt der Erregernachweis: In Trachealsekret und Bronchiallavage werden methicillinresistente S. aureus (MRSA) nachgewiesen. » Interaktive Kasuistik online: Bei Herrn R. wurden MRSA in den respiratorischen Kulturen nachgewiesen. Welche Substanz ist am besten für die gezielte Therapie geeignet?9 F Levofloxacin F Linezolid F Imipenem » Interaktive Kasuistik online Gezielte Antibiotikatherapie Für die gezielte MRSA-Therapie in der Lunge eignen sich Vancomycin, Teicoplanin oder Linezolid (. Tab. 5; [1]). Vancomycin kann in schweren Fällen mit Rifampicin kombiniert werden. Für die Therapie multiresistenter gramnegativer Erreger gibt es derzeit außerhalb von Studien keine neuen Antibiotika. Daher muss wieder vermehrt auf ältere Substanzen wie Colistin zurückgegriffen werden (. Tab. 5). Bei Herrn R. wird die Therapie auf Linezolid umgestellt. Die Substanz wird gewählt, da inzwischen eine Niereninsuffizienz eingetreten ist. Bereits 3 Tage später bessert sich die klinische Situation. Die 9 Richtig. Bei MRSA-Infektionen werden Linezolid, Vancomycin oder Teicoplanin empfohlen. e.Curriculum Innere Medizin | 13 CME Therapieversagen bei nosokomialer Pneumonie – Der klinische Zustand bessert sich nicht/verschlechtert sich. – Die Infiltrate nehmen zu. – Die Infektionsparameter sinken nicht/steigen. – Die Gasaustauschparameter bessern sich nicht/verschlechtern sich. Therapieversagen Ja Stimmt die Diagnose „nosokomiale Pneumonie“? Weitere diagnostische Abklärung: (Mikrobiologie, thorakale Bildgebung) – Sind die Erreger primär resistent? – Hat sich unter der Therapie eine Resistenz entwickelt? – Ist die antimikrobielle Therapie unterdosiert? – Liegt eine Superinfektion mit einem neuen Erreger vor? – Liegt eine einschmelzende/organüberschreitende Infektion vor? Nein Differenzialdiagnostische Abklärung: (Echokardiographie, Bronchoskopie mit Differenzialzytologie bzw. Angio-CT) – Interstitielle Lungenerkrankung – Medikamenten-induzierte Pneumonitis – Kongestive Herzinsuffizienz – Lungenembolie/Lungeninfarkt – Alveoläre Hämorrhagie – Aspirationssyndrom – Atelektase Abb. 7 8 Therapieversagen bei nosokomialer Pneumonie Infiltrate sind rückläufig, die Infektionsparameter normalisieren sich. Nach 8 Tagen unter Linezolid sind keine MRSA mehr nachweisbar. Was bedeutet „Antibiotic Stewardship“?. Antibiotic-Stewardship-Programme bündeln verschiedene Maßnahmen, um den Gebrauch von Antiinfektiva zu verbessern. Hintergrund ist die Zunahme an Antibiotikaresistenzen weltweit. Durch die richtige Auswahl der Substanz, Dosierung, Applikationsform und Anwendungsdauer soll das beste Behandlungsergebnis bei möglichst geringer Toxizität für den Patienten erzielt werden. Dies beeinflusst auch den Selektionsdruck und damit die Resistenzentwicklung positiv, zudem sinken die Kosten. Seit 2013 gibt es dazu eine S3-Leitlinie „Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus“ [9]. Antimikrobielle Therapie multiresistenter Erreger Die Inzidenz von Infektionen mit multiresistenten gramnegativen Bakterien nimmt zu Insgesamt hat sich in den letzten Jahren die Zahl der MRSA-Infektionen stabilisiert. Dagegen nimmt die Inzidenz von Infektionen mit multiresistenten gramnegativen Bakterien zu. Hier ist die Auswahl an Antibiotika sehr begrenzt. Zur Klassifizierung der multiresistenten gramnegativen Erreger (MRGN) hat das Robert KochInstitut (RKI) eine neue Einteilung vorgeschlagen. Sie orientiert sich an der Zahl der Resistenzen gegen 4 Antibiotikagruppen: Acylureidopenicilline, Cephalosporine der 3. und 4. Generation, Carba­ peneme und Fluorchinolone (. Abb. 8). Aminoglycoside wurden hier nicht berücksichtigt. Die ­KRINKO-Klassifikation hilft v. a. bei der Wahl geeigneter Hygienemaßnahmen, z. B. bei der Frage, welcher Patient isoliert werden muss [10]: F 3MRGN = Resistenz gegen 3 der 4 Antibiotikagruppen, F 4MRGN = Resistenz gegen 4 der 4 Antibiotikagruppen, dies schließt die Panresistenz ein. Bei 4MRGN bleibt oft nur noch das Reserveantibotikum Colistin als in vitro wirksame Substanz (. Tab. 6). 14 | e.Curriculum Innere Medizin CME Tab. 5 Gezielte Antibiotikatherapie bei nosokomialer Pneumonie gemäß Leitlinie. (Mod. nach [1]) MRSA Pseudomonas aeruginosa ESBL Stenotrophomonas maltophilia Acinetobacter spp. Vancomycin Linezolid Bei schwerer Erkrankung ggf. Vancomycin Plus Rifampicin Die Überlegenheit der Kombinationstherapie ist bislang aber nicht ausreichend belegt Ceftazidim Cefepim Piperacillin Doripenern Imipenem Meropenem Ciprofloxacin Levofloxacin Bei schwerer Erkrankung ggf. Pseudomonaswirksames Betalaktam- Antibiotikum Plus Aminoglykosid Oder Pseudomonaswirksames FluorchinoIon Bei Resistenz gegen alle Standardsubstanzen: Colistin, möglichst als Kombinationstherapie Carbapeneme Bei Resistenz gegen Carbapeneme (4MRGN lt. KRINKO-Klassifikation): Colistin, möglichst als Kombinationstherapie Co-Trimoxazol (wenn in-vitro empfindlich) Bei Resistenz gegen Co-Trimoxazol: Sensibilitätsprüfung auf – Ceftazidim – Moxifloxacin – Levofloxacin – Tigezyklin – Ticarcillin/Clavulansäure Imipenem, Meropenem Bei Panresistenz: Colistin, möglichst als Kombinationstherapie Fortsetzung Fall 1 Verlegung in die Reha-Klinik Herr R. wird im Anschluss an die Krankenhausbehandlung in eine Reha-Klinik verlegt. Die Pneumonie wurde erfolgreich behandelt, bei den letzten mikrobiologischen Kontrollen konnten keine MRSA mehr nachgewiesen werden. Dieser Befund hat die Verlegung erleichtert, da viele Reha-Einrichtungen bisher die Aufnahme MRSA-positiver Patienten ablehnen. Durch die 2014 aktualisierten Empfehlungen der KRINKO (Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention) sollte sich dies jedoch ohnehin ändern. Eine neue und zentrale Anforderung ist die ärztliche Risikoanalyse. Dabei wird das Übertragungs- bzw. Infektionsrisiko des Patienten und der Mitpatienten realistisch beurteilt sowie das Risikoprofil der Einrichtung bzw. Abteilung. Auf dieser Grundlage können die adäquaten Maßnahmen ergriffen werden. Eine Dekolonisierung sollte in jedem Fall versucht und möglichst noch in der Akutklinik begonnen werden. Mehr Infos zum praktischen Vorgehen finden Sie hier: e.Curriculum Innere Medizin | 15 CME KRINKO-Klassifikation multiresistenter Erreger KRINKO-Klassifikation der multiresistenten Erreger Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO), Definition der Multiresistenz gegenüber Antibiotika bei gramnegativen Stäbchen im Hinblick auf Maßnahmen zur Vermeidung der Weiterverbreitung. Epidemiol Bull 2011; 36: 337–9 Antibiotikagruppe Leitsubstanz Enterobacteriaceae 3MRGN 4MRGN Acylureidopenicilline Piperacillin resistent resistent Cephalosporine 3./4. Gen. Cefotaxim u./o. Ceftazidim resistent resistent Carbapeneme Imipenem u./o. Meropenem sensibel resistent Fluorchinolone Ciprofloxacin resistent resistent Pseudomonas aeruginosa 3MRGN nur 1 der 4 Acinetobacter baumannii 4MRGN 3MRGN 4MRGN resistent resistent resistent resistent resistent resistent resistent sensibel resistent resistent resistent resistent Antibiotikagruppen ist wirksam Abb. 8 8 KRINKO-Klassifikation multiresistenter Erreger. (Mod. nach [10]) Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle von MRSA (2014): http://www.rki.de/DE/Content/­ Infekt/Krankenhaushygiene/Kommission/Downloads/MRSA_Rili.pdf?__blob=publicationFile Fordert die KRINKO zwingend eine Isolierung der MRSA-Patienten in der Reha-Klinik?. Nein, g­ efordert wird eine gute und angemessene Hygiene bei allen ärztlichen und pflegerischen Tätigkeiten. Ziel ist es, einen möglichst optimalen Kompromiss zu finden um die MRSA-Übertragung zu verhindern, aber dennoch die Teilnahme an Reha-Maßnahmen zu ermöglichen. Klinischer Fall 2 (Jan T., 26 Jahre) Befund bei der Aufnahme F Verdacht auf Schädel-Hirn-Trauma F Stumpfes Thoraxtrauma, keine Rippenfrakturen F Oberschenkelfraktur rechts Die Fraktur wird sofort operativ versorgt. Herr T. kommt anschließend auf die Intensivstation. ­Wegen einer ausgeprägten Ateminsuffizienz muss er weiterhin beatmet werden. Tag 5 F Temperatur 38,6°C F Putrides Trachealsekret F Labor: Leukozyten 22.000/μl, deutliche Linksverschiebung F Röntgen-Thorax: Infiltrate im rechten Unter- und Mittellappen (. Abb. 7) F Zunehmend aggressiveres Beatmungsschema erforderlich Diagnose F Beatmungsassoziierte Pneumonie („ventilator-associated pneumonia“, VAP). 16 | e.Curriculum Innere Medizin CME Tab. 6 Dosierungsempfehlungen für die antimikrobielle Therapie bei multiresistenten Erregern. ­ (Mod. nach [6]) Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) 3MRGN Enterobacteriaceae 4MRGN Enterobacteriaceae 4MRGN Pseudomonas aeruginosa 4MRGN Acinetobacter baumannii Antibiotikum Vancomycin Linezolid Fosfomycin nur in Kombination Rifampicin nur in Kombination Cotrimoxazol nicht bei vital bedrohlicher Infektion Doxycyclin nicht bei vital bedrohlicher Infektion Daptomycin nicht bei Pneumonie Tigecyclin nicht bei Pneumonie Linezolid Daptomycin Tigecyclin Imipenem Meropenem Tigecyclin wirkt nicht gegen Pseudomonas und Proteus Fosfomycin Colistin Colistin Tigecyclin wirkt nicht gegen Pseudomonas und Proteus Sulbactam Colistin Dosierung 2×1 g 2×600 mg 3×5 g i.v. i.v./p.o. i.v. 2×300–450 mg i.v./p.o. 2×800/160 mg p.o./i.v. 2×100 mg p.o. 4–6 mg/kg KG i.v. 1×100 mg bzw. 2×50 mg i.v. 2×600 mg 4–6 mg/kg KG 1×100 mg bzw. 2×50 mg 3×1 g 3×1 g 1×100 mg bzw. 2×50 mg i.v. i.v. i.v. i.v. i.v. i.v. 3×5 mg Initial Bolus 9 Mio. IE nach 8 h 3×2–3 Mio. IE Initial Bolus 9 Mio. IE nach 8 h 3×2–3 Mio. IE 1×100 mg bzw. 2×50 mg i.v. i.v. 3×6 g Initial Bolus 9 Mio. IE nach 8 h 3×2–3 Mio. IE i.v. i.v. i.v. i.v. Beatmungsassoziierte Pneumonie (VAP) Die beatmungsassoziierte Pneumonie („ventilator-associated pneumonia“, VAP) kann bei Patienten auftreten, die mehr als 48 h beatmet wurden. Ursache ist weniger die Beatmung an sich, das größere Risiko ist vielmehr der Tubus bzw. die Trachealkanüle: Über diese Schiene gelangen die Erreger in die Lunge (. Abb. 9). Die antimikrobielle Therapie orientiert sich an den Empfehlungen bei nosokomialer Pneumonie. Die inhalative Applikation wird derzeit nicht generell empfohlen [1]. Bei multiresistenten Erregern kann erwogen werden, systemische Antibiotika mit aerosoliertem Colistin oder Tobramycin zu kombinieren. Was spricht für eine inhalative antimikrobielle Therapie?. Der Stellenwert bei einer VAP ist noch ungeklärt. Es liegen bislang nur wenige kontrollierte Studien mit zudem limitierten Patientenkollektiven vor. Es ist auch noch offen, ob die Antibiotika-Inhalation allein oder zusätzlich zur systemischen Anwendung erfolgen sollte. Positiv ist, dass durch die Aerosolierung hohe lokale Antibiotika-Konzentrationen erreicht werden. Positiv ist auch, dass die systemischen Nebenwirkungen geringer ausfallen. Daher kann die VAP z. B. bei Patienten mit multiresistenten Erregern und Niereninsuffizienz eine wichtige Zusatzoption sein. Es bleibt aber derzeit eine Einzelfallentscheidung. e.Curriculum Innere Medizin | 17 CME Beatmungsassoziierte Pneumonie (VAP) Klinische Symptome bei nosokomialem Harnweginfekt Tubus Aspiration von Erregern über das Tubuslumen oder durch Sekretübertritt neben dem Cuff – Fieber – Dysurie – Pollakisurie – Suprapubische Schmerzen – Flankenschmerzen – Klopfschmerzhaftes Nierenlager Abb. 10 8 Klinische Symptome bei noso­ komialer Harnwegsinfektion Abb. 9 9 Beatmungsassoziierte Pneumonie (VAP) Es ist noch nicht geklärt, wie gut die aerosolierten Antibiotika im betroffenen Lungenparenchym aufgenommen werden. Bisher wurden nur wenige Antibiotika speziell für die inhalative Anwendung entwickelt, daher werden häufig i.v.-Präparate benutzt. Deren Eigenschaften sind jedoch nicht optimal dafür geeignet. In jedem Fall müssen geeignete Verneblersysteme benutzt werden. Sie sollten eine ausreichende Deposition und optimale Tröpfchengröße von 1–5 µm gewährleisten. Am häufigsten werden Gentamicin, Tobramycin und Colistin inhalativ verwendet. Die Patienten können den Geschmack bei einigen Präparaten als sehr unangenehm empfinden. » Interaktive Frage online » Interaktive Frage online: Bisher ging es in diesem e.Tutorial vor allem um nosokomiale Pneumonien. Es gibt allerdings weitere typische nosokomiale Infektionen, z. B. Harnwegsinfektionen. Was ist der häufigste Erreger einer nosokomialen Harnwegsinfektion?10 F S. aureus F E. coli F Pseudomonas aeruginosa Nosokomiale Harnwegsinfektion Nosokomiale Harnwegsinfektionen (HWI) sind zu 80–90% katheterassoziiert (. Tab. 7; [11]). Es handelt sich dabei fast immer um komplizierte HWI auf der Grundlage anatomischer oder funktioneller Harnwegsstörungen. Zusätzliche Risikofaktoren sind Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz oder Immunsuppression. Der häufigste Erreger ist E. coli, daneben spielen Enterokokken und Pseudo­ monas aeruginosa eine wichtige Rolle. Diagnose Die Diagnose wird gestellt, wenn mindestens ein klinisches Zeichen vorliegt (. Abb. 10) und eine signifikante Bakteriurie nachweisbar ist (≥105 KBE/ml). Cave: Leukozyten und Nitrit im Urin sind nur wenig spezifisch. Eine asymptomatische Bakteriurie sollte auch bei Katheterträgern nicht behandelt werden. Vor Beginn einer antibiotischen Therapie muss eine Urinkultur abgenommen werden. Therapie Kalkulierte Antibiotikatherapie F Cephalosporine der Gruppe 2/3a (z. B. Ceftriaxon) F Fluorchinolone (z. B. Ciprofloxacin) F Carbapeneme (z. B. Imipenem) 10 Der häufigste Erreger ist E. coli, gefolgt von Enterokokken und Pseudomonas aeruginosa. 18 | e.Curriculum Innere Medizin CME Tab. 7 Ursachen nosokomialer Harnwegsinfektionen und Präventionsmaßnahmen. (Mod. nach [11]) Ursache der Infektion Bei der Insertion des Katheters dringen Keime der Periurethralflora in die Harnblase ein Nach der Insertion des Katheters dringen Keime der Periurethralflora in die Harnblase ein Exogene Keime dringen ein Keime steigen entlang der Katheteraußenseite auf Unsterile oder kontaminierte Katheter werden verwendet Bei der Insertion des Katheters wird das innere Lumen kontaminiert Aus dem Auffangbehälter fließt kontaminierter Urin zurück Durch Manipulation bzw. Diskonnektion wird das Kathetersystem kontaminiert Maßnahme zur Prävention Periurethralregion mit einem Schleimhautdesinfektionsmittel desinfizieren Katheter vor Bewegungen in der Urethra sichern Hygienische Händedesinfektion und Verwendung steriler Handschuhe und aseptischer Technik bei Katheterinsertion und Katheterpflege Keine gesicherten Maßnahmen vorhanden Ausschließlich sterile Katheter verwenden, vor Kontamination bei der Insertion schützen Kontamination durch Insertion in aseptischer Technik reduzieren Verwendung von Harndrainagesystemen mit wirksamen Rückflussventilen Auffangbeutel auf Niveau unterhalb der Harnblase lagern Kathetersysteme mit punktionsfähiger Entnahmestelle für Urin verwenden Geeignete Konnektionsstutzen für Katheter und Auffangbehälter nutzen Geschlossene Drainagesysteme nutzen Auslassstutzen zur leichten und tropffreien Entleerung des Auffangbehälters nutzen Hygienische Händedesinfektion vor Manipulationen am Katheter durchführen Tab. 8 Häufigste Erreger nosokomialer Harnwegsinfektionen auf Intensivstationen. (Mod. nach [8]) Erreger E. coli – ESBL (Anteil an E. coli) Enterococcus spp – ESBL (Anteil an E. coli) Pseudomonas aeruginosa Harnwegsinfektion assoziiert mit Harnwegskatheter (%) 31,5 12,0 27,0 16,6 14,9 Anteil der Device-assoziierten Infektionen, jeweils in % der Gesamtzahl aller nosokomialen Infektionen (KISS-Intensivstationen 2009–2013) F Piperacillin/Tazobactam Die Antibiotikaauswahl richtet sich wie bei der Pneumonie nach dem lokalen Erreger- und Resistenzspektrum. Die Substanz sollte so gewählt werden, dass ihre Empfindlichkeit für Enterobakterien abteilungsspezifisch bei >80–90% liegt. Nach Erhalt der Urinkultur wird auf eine gezielte Therapie umgestellt. Trimethoprim-Sulfamethoxazol wird ohne Austestung nicht mehr empfohlen. Bei schweren Infektionen oder Nichtansprechen auf die Therapie muss auch an multiresistente Erreger gedacht werden (. Tab. 8). Prävention Wie können nosokomiale Infektionen vermieden werden? Neben dem rationalen Umgang mit Antibiotika (Antibotic Stewardship) sind die grundlegenden­ ­ ygienemaßnahmen entscheidend. Sie werden zunehmend als Maßnahmenbündel umgeH setzt. ­Dabei ist die Händehygiene nach wie vor von größter Bedeutung (. Abb. 11). Das RKI (Robert Koch-Institut) stellt umfassende Informationen zur Prävention bereit: Empfehlungen der KRINKO: http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/­ Kommission/kommission_node.html e.Curriculum Innere Medizin | 19 CME Häufigste Erreger nosokomialer Infektionen Häufigste Erreger nosokomialer Infektionen auf Intensivstationen Atemwegs- Wundinfektionen infektionen Harnwegsinfektionen ZVKassoziierte Sepsis E. coli Klebsiella spp. Staphylococcus aureus Pseudomonas aeruginosa Enterokokken Koagulasenegative Staphylokokken Abb. 12 8 Häufigste Erreger nosokomialer Infektionen. (Mod. nach [8]) Abb. 11 8 Die 5 Momente der Händehygiene. (Aus [6]) Leitlinien Unter Federführung der deutschen Gesellschaft für Infektiologie wurde 2013 eine S3-Leitlinie zur „Hospital Antibiotic Stewardship“ fertiggestellt. Die CDC (Centers for Disease Control and Prevention) beschäftigen sich seit vielen Jahren mit der Prävention nosokomialer Infektionen. Das HICPAC (Healthcare Infection Control Practices Advisory Committee) ist ein unabhängiges Expertengremium, das die CDC unterstützt. Gemeinsam geben CDC/HICPAC Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle von nosokomialen Infektionen heraus. S3-Leitlinie: Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus (2013): http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/092-001l_S3_Antibiotika_Anwendung_im_­ Krankenhaus_2013-12.pdf CDC/HICPAC: Prävention intravaskulärer katheterassoziierter Infektionen (2011): http://www.cdc.gov/hicpac/pdf/guidelines/bsi-guidelines-2011.pdf CDC/HICPAC: Prävention von katheterassoziierten Harnweginfektionen (2009): http://www.cdc.gov/hicpac/pdf/CAUTI/CAUTIguideline2009final.pdf Resümee Horst R., 78 Jahre. Herr R. wurde nach einem akuten Hirnstamminfarkt stationär aufgenommen. An Tag 4 wurde eine nosokomiale Pneumonie diagnostiziert. Bei der initialen kalkulierten Therapie wurde das erhöhte Risiko für eine Infektion mit multiresistenten Erregern nicht berücksichtigt, der Zustand verschlechterte sich. Die Antibiotikatherapie wurde angepasst. Nach dem Nachweis von MRSA in den respiratorischen Kulturen wurde die Therapie erneut geändert: Nach Gabe von Linezolid besserte sich der Zustand rasch. Der Fall zeigt, dass eine gezielte Therapie bei MRSA-Infektionen gut wirkt, selbst wenn zuvor mehrere Versuche mit Breitspektrum-Antibiotika erfolglos blieben. Jan T., 26 Jahre. Herr T. wurde nach einem Motorradunfall stationär aufgenommen An Tag 5 wurde eine beatmungsassoziierte Pneumonie diagnostiziert. Ursache war vermutlich der Tubus, über den die Erreger in die Lunge gelangten. Die antimikrobielle Therapie orientiert sich an den generellen Empfehlungen bei nosokomialer Pneumonie. 20 | e.Curriculum Innere Medizin CME Fazit für die Praxis F Infektionen, die bei Klinikaufnahme weder vorhanden noch in Inkubation waren, gelten als nosokomial. F Die wichtigsten nosokomialen Infektionen sind Pneumonien, Harnwegsinfektionen, Wundinfektionen sowie Gefäßkatheter-assoziierte Infektionen und die Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhö (. Abb. 12). F Nosokomiale Pneumonien treten frühestens 48–72 h nach der Aufnahme in die Klinik auf. Die Diagnose wird gestellt, wenn neue oder progrediente Infiltrate und klinische Kriterien auftreten. Für die Diagnostik werden Blutkultur und respiratorische Kultur empfohlen. F Vor Beginn der kalkulierten Therapie muss beurteilt werden, ob Risikofaktoren für eine Infektion mit multiresistenten Erregern vorliegen. F Antibiotika sollten frühzeitig, adäquat dosiert, intravenös gegeben werden. Die kalkulierte Auswahl der Substanzen orientiert sich an der aktuellen Leitlinie, dabei müssen aber das lokale Erregerspektrum und das Resistenzprofil berücksichtigt werden. F Eine initiale Kombinationstherapie wird nur bei erhöhtem Risiko für multiresistente Erreger und bei septischem Schock empfohlen. F Die nosokomiale Harnwegsinfektion ist in der Regel katheterassoziiert. Die Diagnose wird gestellt, wenn mindestens ein klinisches Zeichen vorliegt und eine signifikante Bakteriurie nachweisbar ist. F Die nosokomiale, bzw. postoperative Wundinfektion tritt im Operationsgebiet innerhalb von 30 Tagen auf, bei Implantaten innerhalb von 1 Jahr. Wo gibt es weitere Informationen? F S3-Leitlinie „Epidemiologie, Diagnostik und Therapie erwachsener Patienten mit nosokomialer­ Pneumonie: http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/020-013l_S3_Nosokomiale_­ Pneumonie_Epidemiologie_Diagnostik_Therapie_2012-10_01.pdf F Pneumonie bei Immundefizit (Vortrag von Prof. Dalhoff im DGIM-Onlinekongress 2014):­ https://www.dgim-onlinekongress.de/2014/vortraege/vortrag/lec/pneumonie-bei-­ immunsuppresion/ F Ambulant erworbene Pneumonien (e.Tutorial plus-Modul von Prof. Dalhoff in der DGIM ­e.Akademie): http://www.springermedizin.de/dgim-eakademie-kursdetails/?offeringId=dowbt000000000013764 F Pneumonie aktuell (Website mit Kasuistiken und Informationen zu ambulant erworbene ­Pneumonien, zusammengestellt von Prof. Dalhoff und Prof. Braun): ­ http://pneumonie-aktuell.de Korrespondenzadresse Prof. Dr. K. Dalhoff Medizinische Klinik III – Pulmologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck [email protected] Interessenkonflikt. K. Dalhoff weist auf folgende Beziehung hin: Referentenhonorare von AstraZeneca, Bayer Vital, GSK, MSO, Novartis, Pfizer. Literatur 1. Dalhoff K, Abele-Horn M, Andreas S et al (o J) Epidemiologie, Diagnostik und Therapie erwachsener Patienten mit nosokomialer Pneumonie. S3 Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, der Deut- schen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie, der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. und der PaulEhrlich Gesellschaft für Chemotherapie. http://www.awmf.org/uploads/ tx_szleitlinien/020013l_S3_Nosokomiale_Pneumonie_Epidemiologie_ Diagnostik_Therapie_2012–10.pdf 2. Woodhead M, Blasi F, Ewig S et al (2005) Guidelines for the management of adult lower respiratory tract infections. Eur Respir J 26:1138– 1180 e.Curriculum Innere Medizin | 21 CME 3. Geffers C, Gastmeier P, Rüden H (2002) Gesundheitsberichterstattung des Bundes: Nosokomiale Infektionen, Heft 8. Robert Koch-Institut, Berlin 4. Scheithauer S, Haefner H, Schwanz T et al (2009) Compliance with hand hygiene on a surgical, a medical, and a neurological ICU: direct observation versus calculated disinfectant usage. Am J Infect Control 37:835– 841 5. Behnke M, Hansen S, Leistner R et al (2013) Nosocomial infection and antibiotic use – a second national prevalence study in Germany. Dtsch Arztebl Int 110(38):627–633. doi:10.3238/arztebl.2013.0627 6. Schulz-Stübner S (Hrsg) (2013) Repetitorium Krankenhaushygiene und hygienebeauftragter Arzt. doi:10.1007/978-3-642-36864-6_20. Springer-Verlag, Berlin 7. Meersseman W, Van Wijngaerden E (2007) Invasive aspergillosis in the ICU: an emerging disease. 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Springer Medizin, Heidelberg, S 38 22 | e.Curriculum Innere Medizin springermedizin.de/eAkademie CME-Fragebogen Bitte beachten Sie: • Teilnahme nur online unter: springermedizin.de/eAkademie • Die Frage-Antwort-Kombinationen werden online individuell zusammengestellt. • Es ist immer nur eine Antwort möglich. ??Wie hoch ist Sensitivität der klinischen Diagnose bei einer nosokomialen Pneumonie? Etwa 55% Etwa 70% Etwa 85% Etwa 90% >98% ??Welches Antibiotikum wird – vorbehalt- ??Welches Symptom bzw. welcher Befund ist laut Definition charakteristisch für eine nosokomiale Pneumonie? Akute Erkrankung mit Husten Thoraxschmerz Abgeschlagenheit Heiserkeit Obstruktion ??Welche mikrobiologische Diagnostik ??Bei einem 74-jährigen Patienten wurde eine nosokomiale Pneumonie diagnostiziert, der Erreger ist noch nicht bekannt. Vor Beginn der kalkulierten Antibiotikatherapie müssen die Risiken für eine Infektion mit multiresistenten Erregern beurteilt werden. Was gilt dabei als Risikofaktor? Hospitalisierung über 24 h Übergewicht Herzinsuffizienz Aufenthalt auf der Intensivstation Nichtinvasive Beatmung >24 h Pneumonie eine initiale antimikrobielle Kombinationstherapie empfohlen? In jedem Fall In keinem Fall Bei Patienten >75 Jahre Bei Rauchern Bei erhöhtem Risiko für multiresistente Erreger ??Die „Tarragona-Strategie“ umfasst die wichtigsten Therapiegrundsätze für den Einsatz von Antibiotika. Was gehört nicht dazu? „Look at your patient“ (Risikofaktoren berücksichtigen) „Listen to your hospital“ (lokale Resistenzprofile beachten) „Hit hard“ (frühzeitige, hochdosierte i.v.Therapie) „Hit long enough“ (ausreichend lange und breite Therapie) „Get to the point“ (ausreichende Gewebespiegel erzielen) Imipenem Ceftazidim ??Was ist der häufigste Erreger einer noso ??In welchen Fällen wird bei nosokomialer wird laut Leitlinie bei Verdacht auf nosokomiale Pneumonie uneingeschränkt empfohlen? Legionellen-Antigen im Urin Pilzdiagnostik Blutkultur C-reaktives Protein im Serum (CRP) Procalcitonin im Serum (PCT) lich der Resistenztestung – bei einer vital bedrohlichen nosokomialen Pneumonie mit MRSA am ehesten empfohlen? Linezolid Cefotaxim Levofloxacin Imipenem Tigecyclin komialen Pneumonie? P seudomonas aeruginosa Staphylococcus aureus E. coli Klebsiella spp. Acinetobacter baumannii ??Was ist der häufigste Erreger einer noso komialen Harnwegsinfektion? P seudomonas aeruginosa Staphylococcus aureus E. coli Klebsiella spp. Acinetobacter baumannii Diese zertifizierte Fortbildung ist 12 Monate auf springermedizin.de/ eAkademie verfügbar. Dort erfahren Sie auch den genauen Teilnahmeschluss. Nach Ablauf des Zertifizierungszeitraums können Sie diese Fortbildung und den Fragebogen weitere 24 Monate nutzen. ??Auf welches Antibiotikum reagieren 3MRGN Acinetobacter baumanii laut KRINKO-Definition sensibel? Ciprofloxacin Cefotaxim Piperacillin D Für DGIM-Mitglieder und Abonnenten von Springer Medizin e.Med ist die Teilnahme an diesem e.Tutorial plus kostenfrei e.Curriculum Innere Medizin | 23