Uni Saarland

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Biopsychologie 6., aktualisierte Auflage
John P. J. Pinel; Paul Pauli (Hrsg.)
Kapitel 1: Biopsychologie als Neurowissenschaft
1.2 Definition
Biopsychologie ist das wissenschaftliche Studium der Biologie des Verhaltens – das
wissenschaftliche Studium von allen gezeigten Aktivitäten eines Organismus und von allen internalen
Prozessen, auf denen diese vermutlich basieren. (z.b. Lernen, Motivation, Gedächtnis,
Wahrnehmung, Emotion)
1.3 Welche Beziehung besteht zwischen der Biopsychologie und anderen Disziplinen der
Neurowissenschaft?
Biopsychologen sind Neurowissenschaftler, deren Forschung stark durch ihre Erkenntnisse über
Verhalten und über die Methoden der Verhaltensforschung geprägt ist. Da Biopsychologie eine
integrative Disziplin ist, greifen Biopsychologen auf das Wissen aus anderen neurowissenschaftlichen
Disziplinen zurück:
 Neuroanatomie: Die Erforschung der Struktur des Nervensystems.
 Neurochemie: Die Erforschung der chemischen Grundlagen neuronaler Aktivität.
 Neuroendokrinologie: Die Erforschung der Interaktionen zwischen dem Nervensystem und dem
endokrinen System.
 Neuropathologie: Die Erforschung von Störungen des Nervensystems.
 Neuropharmakologie: Die Erforschung der Wirkungen von Pharmaka und Drogen auf die
neuronale Aktivität.
 Neurophysiologie: Die Erforschung der Funktionen und Aktivitäten des Nervensystems.
1.4 Welche Art von Forschung kennzeichnet den biopsychologischen Ansatz?
Es gibt 3 wichtige Dimensionen entlang denen biopsychologische Forschung variiert:
1.4.1 Versuchspersonen und Versuchstiere
Vorteile der Untersuchung an Menschen:
 Menschen können Instruktionen leichter folgen.
 Menschen können über ihr subjektives Erleben berichten.
 Humanforschung ist billiger.
Vorteile der Untersuchung an Tieren:
 Evolutionäre Kontinuität des Gehirns: Die Gehirne der Menschen unterscheiden sich von den
Gehirnen anderer Säugetiere hauptsächlich in der Größe und dem Ausmaß der kortikalen
Entwicklung. Unterschiede eher quantitativ als qualitativ - somit lassen sich viele der Prinzipien
der menschlichen Gehirnfunktionen an Tieren ableiten.
 Gehirn und Verhalten von Versuchstieren sind weniger komplex, daher können
Untersuchungen mit höherer Wahrscheinlichkeit grundlegende Gehirn-Verhalten Interaktionen
aufzeigen.
 Der vergleichende Ansatz, bei dem biologische Prozesse durch den Vergleich verschiedener
Spezies erforscht werden, führt häufig zu neuen Einsichten.
 An Labortieren kann Forschung durchgeführt werden, die aus ethischen Gründen am Menschen
nicht möglich ist.
Ethischer Grundsatz!: Wenn die Tiere, die wir untersuchen, sinnvolle Modelle unserer eigenen,
höchst komplexen Handlungen sein sollen, dann müssen wir sie so respektieren, wie wir unsere
eigenen Empfindungen respektieren! (Ulrich, 1991).
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1.4.2 Experimente und nicht-experimentelle Studien
Experimente:
Methode, die Wissenschaftler zur Aufdeckung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen verwenden.
Der Experimentator legt zuerst 2 oder mehr Bedingungen fest, unter denen der Proband getestet wird.
 Intergruppen-Versuchsplan: unter jeder Bedingung werden verschiedene Probandengruppen
getestet.
 Intragruppen-Versuchsplan: Unter jeder Bedingung wird dieselbe Probandengruppe getestet.
 Unabhängige Variable: Nur ein relevanter Unterschied zwischen den Versuchsbedingungen.
 Abhängige Variable: Variable, die gemessen wird, um den Effekt der unabhängigen Variable zu
erfassen.
 Es ist wichtig, dass sich die Versuchsbedingungen, außer in der unabhängigen Variable nicht
unterscheiden, da es bei mehreren Unterschieden schwierig ist festzustellen, ob der
unbeabsichtigter Unterschied,  die konfundierende Variable, zu den Effekten geführt hat.
Beispiel eines Experiments: „CoolidgeEffekt“
Lester und Gorzalka (1988) wiesen den so
genannten „Coolidge-Effekt“ nach. Das
männliche Geschlecht ist nach einer
Kopulation mit einem Sexualpartner ab
einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr zu
einer weiteren Kopulation mit demselben
Sexualpartner fähig, bei einem neuen
Sexualpartner jedoch wieder häufiger!
Experimentelle Fragestellung: CoolidgeEffekt auch bei Weibchen?
Problem: Männchen ermüden schneller als
Weibchen, daher ist diese Untersuchung bei
Weibchen mit der Ermüdung der Männchen
konfundiert! Wird einem Weibchen ein neuer
Sexualpartner präsentiert, kann die
Zunahme der sexuellen Empfänglichkeit des
Weibchens ein echter Coolidge-Effekt sein,
oder auf die größere Spannkraft des neuen
Männchens zurückzuführen sein!
Lösung: Weibchen1 kopulierte mit
Männchen1, während anderes Männchen2 mit Weibchen2 kopulierte. Danach pausierten beide
Männchen, während Weibchen1 mit Männchen3 kopulierte. Danach wurde Weibchen1 entweder mit
bekannten Männchen1 oder unbekannten Männchen2 getestet. Weibchen1 reagierte im 3. Test
sexuell stärker auf das unbekannte Männchen2 als auf das bekannte Männchen1, obwohl beide
Männchen gleichermaßen erschöpft waren.
Nichtexperimentelle Untersuchungen
Quasiexperimentelle Untersuchungen:
Manche unabhängigen Variablen können als Versuchsbedingung nicht umgesetzt werden (z.B.
Probanden übermäßigen Alkoholkonsum aufzwingen!). Deshalb werden Probanden gesucht,
die in ihrem Leben dieser Situation ausgesetzt sind!
Nachteile:
 Sind keine echten Experimente, da mögliche konfundierende Variablen nicht kontrolliert werden
können. Versuchspersonen ordnen sich selbst den Versuchsgruppen zu.
Fallstudien: Studien, die sich auf einen einzelnen Fall oder ein einzelnes Versuchsobjekt
konzentrieren.
Vorteile:
 Liefern tiefergehendes Bild als Experimente/Quasiexperimente.
 Hervorragende Quelle, um überprüfbare Hypothesen zu generieren.
Nachteil:
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 eingeschränkte Generalisierbarkeit: Ausmaß, in dem sich Ergebnisse einer Untersuchung
für andere Individuen oder Situationen verallgemeinern lassen
1.4.3 Grundlagenforschung und angewandte Forschung
Grundlagenforschung:
hauptsächlich durch die Neugier der Forscher motiviert
Angewandte Forschung:
hat das Ziel, einen direkten Nutzen für die Menschheit zu bringen
1.5 Welche Teilbereiche hat die Biopsychologie?
 Physiologische Psychologie: Direkte Manipulation des Gehirns (chirurgisch; elektrisch); meist
Grundlagenforschung! Fast ausschließliche Untersuchung von Labortieren.
 Psychopharmokologie: Wirkung durch Pharmaka und Drogen auf das Gehirn/Verhalten wird
untersucht! (oft anwendungsbezogen!) Ziel: neue Medikamente für Therapien zu entwickeln. Test
an Labortieren, manchmal am Menschen.
 Neuropsychologie: untersucht psychologische Auswirkungen von Gehirnschäden (viele
Fallstudien und quasiexperimentelle Untersuchungen!) Spezialisierung auf den äußeren
Neocortex, da er am leichtesten verletzt wird. Großer Anwendungsbezug!
 Psychophysiologie: untersucht Zusammenhang zwischen physiologischer Aktivität und
psychologischen Prozessen! Typische psychophysiologische Maße zur Messung von
Gehirnaktivität: EEG, Muskelspannung, Augenbewegung, etc.
 Kognitive Neurowissenschaft: untersucht neuronale Grundlagen der „Kognition“, also höhere
geistige Prozesse, wie Denken, Gedächtnis, Aufmerksamkeit, etc. Tests meistens an Menschen
durchgeführt. Hauptmethode: nicht-invasive Messungen, keine direkte Manipulation des Gehirns –
funktionelle Bildgebung des Gehirns, während Proband bestimmte kognitive Aktivitäten durchführt.
Häufig interdisziplinäre Zusammenarbeit.
 Vergleichende Psychologie: schließt eine evolutionäre Perspektive mit ein und untersucht
und vergleicht das Verhalten verschiedener Spezies, um so Evolution, Genetik und
Adaptivität zu verstehen. Verhalten wird untersucht im Labor oder bei Tieren in ihrer
natürlichen Umgebung. 2 Teile der Vergleichenden Psychologie sind die Evolutionäre
Psychologie und die Verhaltensgenetik.
1.6 Konvergenz der Ansätze: Wie arbeiten Biopsychologen zusammen?
Biopsychologen arbeiten oft zusammen – konvergierende Arbeitsweise, d.h. die Schwächen eines
Ansatzes werden durch die Stärken kompensiert.
Beispiel: Korsakoff-Syndroms (oft bei Alkoholikern!) Hauptsymptom: Schwerer Gedächtnisverlust!
Erste Annahme: es handle sich um eine direkte Folge der toxischen Effekte von Alkohol. Diese
Schlussfolgerung ist eigentlich nicht legitim, da sie einer quasiexperimentellen Interpretation
entspricht. Andere Untersuchungen ergaben, dass dieses Syndrom auch bei mangelernährten
Menschen, die keinen Alkohol tranken, durch Mangel an Thiamin (Vitamin B1) auftritt!
Experimente mit Ratten zeigten, dass Thiamindefizit ähnliche Muster von Gehirnschädigungen
erzeugte wie bei Alkoholikern.
Einer neuen Idee zufolge darf vermutet werden, dass Alkoholiker hauptsächlich durch mangelnde
Ernährung (Alkohol hat keine Vitamine) am Korsakoff-Syndrom leiden können!
1.7 Wissenschaftliches Schlussfolgern: Wie erforschen Biopsychologen die unbeobachtbaren
Tätigkeiten des Gehirns?
Wissenschaftliches Schlussfolgern = grundlegende Methode der Biopsychologie – sie ist ein
systemischer Ansatz, um durch sorgfältige Beobachtungen bestimmte Dinge herauszufinden. Viele
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Prozesse können nicht beobachtet werden, sondern nur ihre Auswirkungen – daher
wissenschaftliches Schlussfolgern. Die Wissenschaftler messen entscheidende Ereignisse, die sie
beobachten können sehr genau. Diese Messungen dienen ihnen dann als Grundlage, um die Natur
von Ereignissen, die sie nicht beobachten können, logisch abzuleiten.
Beispiel: Bewegungswahrnehmung unter 4 verschiedenen Bedingungen
1.8 Kritische Gedanken über biopsychologische Behauptungen?
Wissenschaftlicher Review-Prozess! Wie stellt man die Gültigkeit einer wissenschaftlichen
Behauptung fest:
Sind die Behauptungen und die dahinter stehende Forschung in einer angesehenen
wissenschaftlichen Zeitschrift erschienen? Grund: Artikel wird vor der Veröffentlichung von Experten
auf diesem Gebiet begutachtet und als qualitativ hochwertig veröffentlicht.
Andernfalls sollte man besonders kritisch sein – wobei es auch bei wissenschaftlichen Artikeln keine
Garantie für Richtigkeit gibt.
Beispiel: José und der Stier
José Delgado demonstrierte ein neues Verfahren zur Aggressionskontrolle. An dem Stier war ein
Funksender angebracht, der eine Serie schwacher elektrischer Entladungen vom Stimulator aus
durch eine Elektrode, die in den Nucleus caudatus implantiert worden war, aussandte. Immer wenn
der Stier angriff, wurde er nach Aktivierung des Funksenders, ruhig – Beweis für Zähmungszentrum?
Nein, denn die Stimulation könnte ganz anderes aktiviert haben z.b. Schwindel, Übelkeit.
Morgans Kanon/Ockhams Rasiermesser: Wenn es mehrere Interpretationsmöglichkeiten für eine
Verhaltensbeobachtung gibt, ist die einfachste Erklärung meist die Beste.
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Kapitel 2: Evolution, Genetik und Erfahrung
2.2 Von Dichotomien zu Beziehungen und Interaktionen
2.2.1 Ist Verhalten physiologisch oder psychologisch bedingt?
In der Renaissance kam es zum Konflikt zwischen Kirche und Wissenschaft, da ein Großteil der
wissenschaftlichen Erkenntnisse, den Vorschriften der Kirche widersprach. René Descartes löste
diesen Konflikt, indem er argumentierte, dass das Universum aus physischer Materie, welche den
Naturgesetzen unterworfen ist und somit legitimer Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen
ist, und dem menschlichen Geist, welcher keine physische Substanz besitzt, aufgebaut ist 
kartesische Dualismus – wurde von Kirche genehmigt, Sichtweise hat bis heute überlebt.
2.2.2 Ist Verhalten angeboren oder erlernt?
Gelehrte diskutieren seit Jahrhunderten, ob Menschen/Tiere ihre Verhaltenfähigkeiten ererben oder
durch Lernen erwerben  Anlage-Umwelt-Problem (nature-nurture problem).
 Die meisten frühen nordamerikanischen Experimentalpsychologen (z.b. Watson) waren
überzeugt, dass die Umwelt die entscheidende Rolle spielt.
 Zur gleichen Zeit in Europa entwickelte sich die Ethologie, die sich auf instinktives Verhalten
konzentrierte und der Meinung war, dass es angeboren ist.
2.2.3 Die traditionellen Dichotomien passen nicht zu einer Biologie des Verhaltens
Die traditionellen Debatten über Dichotomien unterliegen einer falschen Denkweise.
„Physiologie oder Psychologie“: 2 Beweislinien
 Selbst die komplexesten psychologischen Veränderungen können Folge einer Schädigung oder
Stimulation von Teilen des Gehirns sein.
 Einige nichtmenschliche Spezies besitzen Fähigkeiten, von denen angenommen wurde, dass sie
rein psychologisch und daher menschlich sind.
Bsp: „Der Fall eines Schimpansen und eines Spiegel“: Das Maß an Selbstbewusstsein korreliert
mit der Fähigkeit, Gegenstand seiner eigenen Aufmerksamkeit zu werden  Möglichkeit zur
Testung durch Spiegel – Schimpanse sieht sich.
„Anlage oder Umwelt“: Wie viel von einem bestimmten Verhalten ist genetisch bedingt und wie viel
das Ergebnis von Erfahrung? Erkenntnis: genetische Faktoren und Umweltfaktoren interagieren und
kombinieren sich additiv!
Bsp: Musik: wie viel davon ist vom Musiker und wie viel ist vom Instrument? (ungeschickte Frage!)
Neuronen sind lange bevor sie völlig entwickelt sind aktiv und der weitere Verlauf ihrer Entwicklung
hängt stark von ihrer Aktivität ab, die zu einem großen Teil durch die Umwelt ausgelöst wird.
Resultierendes Modell, welches die Interaktion dreier Faktoren beinhaltet (s. Abb nächste Seite)
Dieses Modell kann auf die Folgenden Faktoren reduzieren.
1. die genetische Ausstattung eines Organismus, die ein Produkt seiner evolutionären
Vergangenheit ist
2. seiner Erfahrung
3. seiner Wahrnehmung der aktuellen Situation
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2.3 Die menschliche Evolution
Evolution ist die Idee, dass sich Arten aus bereits bestehenden Arten entwickeln. Darwin präsentierte
3 Arten von Beweisen:
 Dokumentation der Evolution anhand von Fossilien.
 strukturelle Ähnlichkeiten zwischen lebenden Spezies, z.b. zwischen einer menschlichen Hand
und dem Flügel eines Vogels, was gemeinsame Vorfahren nahe legt.
 bedeutende Veränderungen, die durch selektive Züchtung bei domestizierten Pflanzen und
Tieren hervorgerufen wurden.
Evolution über natürliche Selektion  vererbbares Merkmal, welches mit hohen Überlebens- und
Fortpflanzungsraten zusammenhängt, wird am wahrscheinlichsten weitervererbt.
Fitness  Fähigkeit eines Organismus zu überleben und die eigenen Gene an die nächste
Generation weiterzugeben.
2.3.1 Evolution und Verhalten
2 Beispiele für wichtige Faktoren in der Evolution
 Soziale Dominanz: Männliche Vertreter vieler Spezies legen durch Rangkämpfe mit anderen
Männchen eine stabile soziale Dominanzhierarchie fest. Bei einigen Arten kopulieren dominante
Männchen mehr und geben somit erfolgreicher ihre Merkmale weiter. Bei anderen Arten haben
dominante Weibchen mehr und auch gesünderen Nachwuchs.
 Balzverhalten: Bei vielen Spezies geht der Kopulation ein kompliziertes Balzritual voraus.
Annahme, dass das Balzverhalten die Evolution neuer Spezies begünstigt. Spezies = Gruppe von
Organismen, die hinsichtlich der Reproduktion von anderen Organismen isoliert ist. Eine neue
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Spezies spaltet sich von einer bereits existierenden ab, wenn eine Barriere Paarungen
zwischen einer Teilpopulation und dem Rest verhindert, z.b. aufgrund geographischer
Besonderheiten.
2.3.2 Der Verlauf der menschlichen Evolution
Heute existieren 7 Vertebratenklassen:
 3 Klassen von Fischen (Rundmäuler (Neunaugen), Knorpelfische (Hai), Knochenfische(Forelle))
 Amphibien (Bsp: Frösche)
 Reptilien (Bsp: Schildkröte)
 Vögel (Bsp: Milane)
 Säugetiere (Bsp: Menschen)
Die Evolution der Wirbeltiere (Vertebraten):
Vor ca. 600 Mio. Jahren  Vielzellige Organismen tauchten auf.
Vor ca. 450 Mio. Jahren  Entwicklung der Chordatiere (Chordata) - haben einen dorsalen
Nervenstrang. Sie sind einer von insgesamt ca. 20 Stämmen in der Zoologie.
Vor ca. 425 Mio. Jahren  Erste Chordatiere mit Rückenwirbeln (Schutz des Nervenstrangs)
(Vertebratae, Wirbeltiere)
Die Evolution der Amphibien:
vor ca. 410 Mio. Jahren  ersten Knochenfische kamen aus dem Wasser.
Vor ca. 400 Mio. Jahren  Entwicklung sich die ersten Amphibien.
Amphibien müssen in ihrer Larvenform im Wasser leben; nur Erwachsene können an Land leben.
Die Evolution der Reptilien:
Vor ca. 300 Mio. Jahren  aus Amphibien entwickelten sich Reptilien. Reptilien waren die ersten
Vertebraten, die mit Schalen ummantelte Eier legten und die mit trockenen Schuppen bedeckt waren.
Die Evolution der Säugetiere
Vor ca. 180 Mio. Jahren  Entwicklung von Säugetieren als neue Klasse von Vertebraten, deren
Weibchen ihre Jungen mittels Brustdrüsen säugen und ihre Jungen in der feuchten Umwelt des
eigenen Körpers heranreifen lassen. Das Schnabeltier ist ein Säugetier, welches noch Eier legt!
Die Entstehung des Menschen
Heute existieren 14 Säugetierordnungen. Eine davon ist die Ordnung der Primaten (Herrentiere).
Menschenaffen und Hominiden gehören zu den Primaten! Unter den Hominiden gibt es die
Gattungen Australopithecus und Homo! Im Rahmen der Gattung Homo ist der Mensch die Art Homo
sapiens (Homo sapiens sapiens). 3 bedeutendsten menschlichen Attribute:
 Großes Gehirn
 Aufrechter Gang
 Freie Hände mit opponierbaren Daumen
Gedanken über die menschliche Evolution
 Evolution folgt keiner geraden Linie – einverzweigter Busch wäre eine angemessene Metapher.
 Menschen sind letzte Art einer Familie, die erst „kurz“ existiert.
 Evolution schreitet nicht immer langsam und graduell voran.
 Nur wenige Produkte der Evolution haben bis heute überlebt.
 Evolution führt nicht zu einer vorherbestimmten Perfektion.
 Nicht alle existierenden Verhaltensweisen oder Strukturen sind adaptiv.
 Nicht alle existierenden adaptiven Merkmale haben sich aufgrund ihrer gegenwärtigen Funktion
entwickelt  Exadaption.
 Ähnlichkeiten zwischen Spezies müssen nicht unbedingt auf einem gemeinsamen evolutionären
Ursprung beruhen;
o homolog = ähnliche Struktur – gemeinsamer evolutionärer Ursprung;
o analog = ähnliche Struktur – kein gemeinsamer evolutionärer Ursprung  entsteht durch
konvergente Evolution = evolutionäre Entwicklung ähnlicher Lösungen zur Bewältigung
derselben Umweltanforderung bei nicht verwandten Arten.
Die Evolution des menschlichen Gehirns
Zwischen Gehirngröße und Intelligenz besteht kein eindeutiger Zusammenhang.
Evolutionspsychologie: Warum gibt es Paarbindung?
 Promiskuität  Paarungsverhalten, bei dem Mitglieder beider Geschlechter während jeder
Paarungszeit unterschiedslos mit vielen verschiedenen Partnern kopulieren.
o Vorherrschende Fortpflanzungsart
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Die meisten Säugetierarten neigen dazu Paarbildungen einzugehen.
 Polygenie  ein Männchen geht eine Bindung mit mehreren Weibchen ein.
o Vorherrschende Fortpflanzungsart bei Säugetieren
o Weibliche Säugetiere leisten einen weit größeren Beitrag zur Aufzucht der Jungen.
Säugetierväter tragen oft nur zur Fortpflanzung ihr Sperma bei.
o Weibchen paaren sich mit fitten Männchen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass die
Jungen gut angepasst sind.
o Männchen paaren sich mit vielen Weibchen – es entsteht ein geringerer Druck ihre
Verbindungen gezielt auszuwählen.
 Polyandrie  Paarungsmuster, bei dem ein Weibchen Paarbindungen mit mehr als einem
Männchen eingeht.
o Tritt nicht bei Säugetieren auf, sondern nur bei Arten, bei denen die Beiträge der Männchen zur
Fortpflanzung größer sind als diejenigen der Weibchen (zb. Seepferdchen)
 Monogamie  Paarbindungsmuster bei dem ein einziges Männchen und ein einiges Weibchen
eine anhaltende Bindung eingehen.
o Die Weibchen können mehr Nachwuchs oder Nachwuchs mit einer höheren Fitness aufziehen,
je ungeteilter die Unterstützung ist.
o Männchen wählen fruchtbare Weibchen, Weibchen wählen fitte Männchen, die ihren
Nachwuchs beschützen können.
2.4 Grundlegende Genetik
2.4.1 Mendel’sche Genetik
Mendel untersuchte Vererbung an Erbsenpflanzen, die so genannte dichotome Merkmale besitzen =
Eigenschaft, die nur in der einen oder anderen Form, aber nie in Kombination auftreten kann, z.b.
Farbe der Samen (braun oder weiß). Bei reinerbigen Zuchtlinien haben die Nachkommen immer
dieselbe Farbe
Phänotyp: Das äußere Erscheinungsbild eines Organismus ist sein Phänotyp.
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Genotyp: die Merkmale, die durch das genetische Material an die Nachkommen
weitergegeben werden, aber nicht im Phänotyp ausgeprägt sind.
Die 4 Mendelschen Ideen:
1) Für jedes dichotome Merkmal gibt es zwei Arten vererbter Faktoren = Gene.
2) Jeder Organismus hat zwei Gene für jedes seiner dichotomen Merkmale. Die beiden Gene, die
dasselbe Merkmal kontrollieren werden Allele genannt. Organismen, die zwei identische Gene für
ein Merkmal besitzen, werden als homozygot bezeichnet. Diejenigen, die zwei verschiedene
Gene für ein Merkmal besitzen als heterozygot.
3) Bei heterozygoten Organismen dominiert eines der Gene. Das nicht dominante Gen =
rezessives Gen - es kommt nur zur Ausprägung im Phänotyp, wenn beide Allele rezessiv? sind.
4) Jeder Organismus erbt zufällig für jedes Merkmal eines der beiden Gene des Vaters und eines der
beiden Gene der Mutter.
2.4.2 Chromosomen, Fortpflanzung und Genkopplung (linkage)
Chromosomen in Körperzellen treten paarweise auf, wobei jeweils ein Chromosom von der Mutter
und eines vom Vater stammt! (Ausnahme: Geschlechtschromosomen männlicher Säugetiere!)
Beide Chromosomen eines solchen Paares haben an gleichen Orten (Lokus) Gene für die gleichen
Merkmale (homolges Paar). Sie sind jedoch nicht identisch, sondern können unterschiedliche Allele
beherbergen.
Eine Art besitzt eine charakteristische Zahl von Chromosomenpaaren (Mensch: 23).
Es gibt zwei Arten von Zellteilungen, in deren Rahmen Chromosomen weitergegeben werden: Meiose
und Mitose!
Meiose: Prozess der Zellteilung, aus dem Gameten entstehen (Eizellen und Spermazellen).
Eizelle hat nur einen durchmischten „Mutterchromosomensatz“.
Spermazelle hat nur einen durchmischten „Vaterchromosomensatz“.
Beide Zellen sind haploid. Bei der Befruchtung entsteht eine Zygote, die beide Chromosomensätze
enthält = diploid.
Die Meiose läuft in 2 Zellteilungszyklen ab:
Meiose 1: Reduktionsteilung, da der diploide Chromosomensatz auf einen haploiden reduziert wird.
1) Prophase 1: Die homologen Chromosomen eines Paares legen sich eng aneinander. Es
kommt zum „crossing over“, einer teilweisen Überkreuzung der homologen Paare. Das
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crossing over löst sich auf, es kommt zur Rekombination über einen homologen
Stückaustausch.
2) Metaphase 1: Die rekombinierten Chromosomen(paare) ordnen sich an der Äquatorialeben
an.
3) Anaphase 1: Die Paare wurden durch die Längsstreckung getrennt.
4) Telophase 1: Zelle schnürt sich wieder an der Äquatorialebene zusammen  es entstehen
2 Tochterzellen mit einem jeweils haploiden Chromosomensatz (zufällige Anordnung der
rekombinierten Chromosomen).
Meiose 2: ist eigentlich eine schnell ablaufende Mitose
1) Metaphase 2: beide Tochterzellen gehen in sie über; Chromosomen lagern sich an der
Äquatorialebene an.
2) Anaphase 2: Längsstreckung  Chromosomen werden am Zentromer in Chromatiden
geteilt  an jedem Zellpol 23 Chromatiden.
3) Telophase: Zelle schnürt sich ein  Zellmembran am Nord-Südpol bildet sich  4
Tochterzellen mit jeweils 23 Chromatiden im Kern.
Im Fall der Befruchtung kommt es zur Fusion der Zellkerne mit jeweils 23 Chromatiden, woraus
dann die Zygote mit 46 Chromosomen entsteht.
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Die Mitose ist die Teilung der Körperzellen. Befruchtete Eizelle (Zygote) teilt sich viele Male
bis ein erwachsenes Individuum entstanden ist.
1) Prophase: Die zwei Zentriolen wandern zu den Polen.
2) Metaphase: Chromosomen duplizieren sich. Chromosomen lagern sich an der Äquatorialebene
an. An Eiweißproteinkomplexen bei der Zentromerregion der Chromosomen, setzt der
Spindelfaserapparat an.
3) Anaphase: Es kommt zu einer Längsstreckung. Jedes der 46 Chromosomen erfährt eine
Längsteilung durch das Zentromer - Chromosomen trennen sich in Chromatiden auf.
4) Telophase und Cytokinese: Zelle schnürt sich im Bereich der Äquatorialplatte ein. Es bildet sich
am Nord/Südpol wieder eine Zellmembran  es entstehen zwei Tochterzellen mit zwei
Zellkernen.
Aus der Mutterzelle mit diploiden Chromosomensatz (n=46) wurden 2 Tochterzellen mit einem
46er Chromatidenatz. Danach durchlaufen beide Tochterzellen die Interphase  Verdoppelung
der Chromatiden zu Chromosomen.
Wiederholung der Mitose solange bis ein erwachsener Organismus entstanden ist.
Genetische Vielfalt: Wie kommt diese zustande?
 Jede Gamete enthält zufällig ein Chromosom von
jedem der 23 Paare. Daraus resultiert eine
mögliche Zahl von 2 hoch 23 (8.388.608)
Chromosomenkombinationen =
Interchromosomale Variation
 Crossing over (Stückaustausch zwischen
Chromatiden homologer Chromosomen): Findet
nach der Chromosomenverdopplung während der
Meiose statt. Homologe Chromosomen lagern sich
nebeneinander an, überkreuzen zufällig an
manchen Orten, brechen auf und tauschen
Abschnitte aus = Intrachromosomale Variation.
Genkopplung: bedeutet, dass meist mehrere Gene
eines ganzen Clusters vererbt werden.
2.4.3 Geschlechtschromosomen und geschlechtsgekoppelte Merkmale
Geschlechtschromosomen:
Chromosomenpaar, welches die Ausprägung des Geschlechts eines Organismus bestimmt!
Weibliche Säugetiere besitzen zwei X-Chromosomen, männliche ein X- und ein Y-Chromosom!
Merkmale, die durch Gene auf Geschlechtschromosomen beeinflusst werden, nennt man
„geschlechtsgekoppelte Merkmale“! Fast alle „geschlechtsgekoppelten Merkmale“ werden durch
das X-Chromosom bestimmt, da das Y-Chromosom nur wenige Gene trägt  Merkmale, die durch
Gene auf dem X-Chromosom bestimmt werden, treten bei einem Geschlecht häufiger auf als beim
anderen!
Die geschlechtsabhängige Häufigkeit variiert mit der Dominanz bzw. der Rezessivität eines
entsprechenden Merkmals. Ein dominantes X-chromosomales Merkmal tritt häufiger beim weiblichen
Geschlecht auf, während ein rezessives X-chromosomales Merkmal häufiger beim männlichen
Geschlecht zu finden ist! WARUM? Beispiel eines rezessiven geschlechtsgekoppelten Merkmals:
Farbenblindheit! Das entsprechende Gen ist selten und Frauen erben fast nie zwei dieser Gene,
während jeder Mann, der dieses Gen besitzt, unweigerlich farbenblind ist!
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2.4.4 Aufbau der Chromosomen und Replikation
Jedes Chromosom ist ein doppelstrangiges Molekül
der Desoxyribonukleinsäure (DNS/DNA). Jeder
Strang besteht aus einer Sequenz von
Nukleotidbasen, die an eine Kette aus Phosphaten
und Desoxyribose angeheftet ist.
4 Arten von Basen:
Es werden immer nur DNA: Adenin+Thymin (RNA:
Adenin+Urazil) und Guanin+Cytosin gekoppelt.
Aufbau der DNS (Trägersubstanz der
Erbinformation):
 DNA-Doppelkette ist spiralig gewunden („DoppelHelix“)
 die Basen sind zur Innenseite gerichtet
Wechselwirkung zwischen den Basenpaaren
ergibt eine Verdrillung des Doppelstranges 
dreidimensionale Doppelhelix.
 ein Strang stellt das komplementäre Gegenstück
des anderen dar
 Chromatin = DNA + Eiweiß = lange, dünne Faser,
die im Chromosom eng gefaltet und aufgewunden
ist.
 Ein Gen ist ein Teil eines DNA –Moleküls.
Replikation (s. rechts) = Verdoppelung der
Chromosomen, um im Zuge einer mitotischen
Teilung beiden Tochterzellen einen
vollständigen Chromosomensatz weitergeben
zu können.
Die DNS-Stränge beginnen sich zu trennen!
Die dann freigelegten Nukleotidbasen ziehen
ihre jeweils komplementären Basen aus der
Umgebung an (Kopiervorgang)!
Das Ergebnis sind zwei idente Doppelstränge.
Während der Replikation können Fehler
passieren (fehlerhafte Kopie)  Mutationen.
Diese Art der genetischen Variation führt zu
nicht lebensfähigen Nachkommen bzw. zu
unvorteilhaften Ausprägungen. In seltenen
Fällen erhöhen Mutationen die Fitness eines
Organismus und tragen so zu einer
evolutionären Weiterentwicklung bei!
2.4.5 Genetischer Kode und Genexpression
Es gibt verschiedene Arten von Genen, z.b:
Strukturgene = Gene, die die notwendige Information für die Synthese eines Proteins enthalten.
Operatorgene = Gene, die die Funktionen der Strukturgene kontrollieren. Ein Operatorgen legt fest,
ob und mit welcher Rate ein Strukturgen das Protein, für welches es kodiert, synthesieren soll oder
nicht (schaltet und kontrolliert also die Genexpression eines Strukturgens)  entscheidend dafür, wie
sich jede Zelle im Körper eines Organismus entwickelt (Zelldifferenzierung). Eine Gruppe von so
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genannten Regulatorproteinen schaltet abgeschaltete Operatorgene an und eine andere Gruppe von
regulatorproteinen schaltet angeschaltete Operatorgene ab. Viele Regulatorproteine werden durch
Signale beeinflusst, die eine Zelle aus der Umwelt erhält  ERFAHRUNG interagiert mit GENEN!!!!
Genexpression:
Ein kleiner DNS-Abschnitt trennt sich auf, sodass ein Strukturgen freiliegt! Dieser Abschnitt dient als
Vorlage für die Transkription eines kurzen Stranges Ribonukleinsäure:
 Im Zellkern wird der Code der DNA durch die ähnlich aufgebaute RNA kopiert 
Basensequenz des aktivierten Gens wird durch Nukleotide nachgebildet, die im Chromatin
enthalten sind.
Die so entstandene mRNA: ist eine einfache Kette; hat als Zuckermolekül eine Ribose hat;
verwendet statt Thymin Urazil
 ist eine Matrize einer Eiweißstruktur
 bringt den Gen-Code zu den für die Proteinsynthese zuständigen Ribosomen des
endoplasmatischen Retikulums.
 Vor der Proteinsynthese: RNA-Spleissen: Introns werden entfernt.
tRNA:
 ebenfalls im Zellkern gebildet
 sind relativ kurze RNA-Moleküle, die jeweils eine der 20 Aminosäuren binden und diese
ebenfalls zu den Ribosomen transportieren.
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 sind für jeweils eine Aminosäure und das dazugehörige Codon auf der mRNA spezifisch.
rRNA:
 In den Ribosomen findet unter ihrer Mitwirkung und der dort vorhandenen Enzyme die
Proteinsynthese statt
Translation:
mRNA wandert durch das Ribosom hindurch  die im Code niedergelegten Eiweißmoleküle werden
Codon für Codon durch Aneinanderknüpfen der von den tRNA herbeigebrachten Aminosäuren
aufgebaut, bis ein Kodon auftaucht, welches die Information beinhaltet, dass mit der Synthese
aufgehört werden soll!
Ein komplettes Protein wurde synthetisiert und wird nun zur weiteren Verwendung (als Material!) ins
Cytoplasma freigesetzt!
Kodon/Triplet: sind aus je 3 Nukleotiden zusammengesetz
2.4.6 Mitochondriale DNA
Mitochondrien der
Zellen enthalten
mitochondriale DNA.
Mitochondrien sind
Energie lieferende
Strukturen, die sich
im Cytoplasma einer
jeden Zelle befinden.
Mitochondriale Gene
werden von der
Mutter geerbt.
Interesse daran aus
2 Gründen:
 Mutationen in
der
mitochondrialen
DNA spielen bei
Krankheiten eine Rolle.
 Mutationen in der mitochondiralen DNA ereignet sich in einer konstanten Geschwindigkeit – somit
evolutionäre Uhr.
2.4.7 Das Humangenomprojekt: Was kommt als Nächstes?
Ziel: eine Karte sämtlicher 3 Milliarden Basen der menschlichen Chromosomen zu erstellen.
Gelungen im Jahr 2001.
Nächsten Ziele:
 Genom weiterer Spezies entschlüsseln
 Fokus auf vielen Unterschiede zwischen Menschen
 Unterschiede im Expressionsmuster von Genen in verschiedenen Teilen des Körpers untersuchen
 Welche Proteine werden von den einzelnen menschlichen Genen kodiert
 Erforschung der Funktion jedes dieser genkodierten Proteine
2.5. Verhaltensentwicklung: Die Interaktion zwischen genetischen Faktoren und Erfahrung
Ontogenese = Entwicklung eines Individuums über die Lebensspanne
Phylogenese = evolutionäre Entwicklung einer Art
2.5.1 Selektive Züchtung „labyrinthschlauer“ und „labyrinthdummer“ Ratten
Tyron (1934): trainierte Ratten durch ein komplexes Labyrinth zu laufen - mit Futter als Belohnung!
Er paarte Weibchen und Männchen, die schnell lernten, durch das Labyrinth zu laufen und züchtete
so selektiv „labyrinthschlaue Ratten“ – weiters paarte er Weibchen und Männchen, die häufig in
falsche Labyrintharme liefen und züchtete so selektiv „labyrinthdumme Ratten“. Die Nachkommen
15
wurden erneut getestet und die schlauesten und die dümmsten gepaart, usw.  21
Generationen lang. Ab der 8ten Generation gab es kaum noch eine Überlappung der Leistungen der
beiden Stämme beim Labyrinthlernen!
Tyron’s zusätzliche Kontrollprozedur - Labyrinthschlaue Ratten wurden von labyrinthdummen Ratten
aufgezogen und labyrinthdumme Ratten von labyrinthschlauen. Frage: Lerneffekt durch Eltern? –
Antwort: Nein, kein übertragener Lerneffekt!
 Strategie kann vermutlich jedes messbare Verhaltensmerkmal, welches zwischen Vertretern einer
Art variiert, selektiv herauszüchten!
Searle (1949): die zwei oben genannten Gruppen von Ratten unterschieden sich auch in vielen
anderen Tests  er meinte, dass die labyrinthschlauen Ratten nicht besser lernten, weil sie
intelligenter sind, sondern, weil sie weniger emotional sind!
Cooper und Zubek (1958) zogen labyrinthschlaue Ratten und labyrinthdumme Ratten in
verschiedenen Umgebungen auf - verarmte, stimulationsdeprivierte Umgebung vs. angereicherte
stimulierende Umgebung.
Nur labyrinthdumme Ratten, die in einer verarmten Umgebung aufgewachsen sind, machten signifikant
mehr Fehler als labyrinthschlaue Ratten  reizvolle Umgebung kann negativen Effekte benachteiligter
Gene ausgleichen!
 Gene und Erfahrung beeinflussen die Entwicklung von Verhalten gleichermaßen.
Bennett et al.,(1964): Ratten, die einer angereicherten Umgebung aufgezogen werden, entwickeln
ein dickere Großhirnrinde als Ratten, die in einer verarmten Umgebung aufwachsen.
2.5.2 Die Phenylketonurie: Eine durch ein einziges Gen bedingte metabolische Störung
Symptome: führt zu einer geistigen Behinderung, zu Übelkeit, epileptischen Anfällen, Hyperaktivität,
Hyperirritabilität und Hirnschädigungen!
Vererbung: In Europa trägt einer von 100 Menschen das entsprechende Gen, welches rezessiv ist
und somit nur bei homozygoten Trägern zur Ausprägung kommt, d.h. das PKU-Gen muss sowohl von
Vater, als auch von Mutter geerbt werden.
Biochemie: Es fehlt die Phenylalaninhydroxylase = Enzym zur Umwandlung der Aminosäure
Phenylalanin in Tyrosin. Folge = Phenylalanin sammelt sich an - Dompaminspiegel bleibt niedrig 
Abnormale Gehirnentwicklung.
16
Behandlung: die Interaktion zwischen dieser genetischen Störung und einer bestimmten
Ernährungsweise führt zu verbesserten Verhaltenssymptomen:
eine phenylalaninarme Diät senkt den Phenylalaninspiegel im Blut und verringert die Entwicklung
einer geistigen Behinderung. Entscheidend: Diät muss früh beginnen  sensitive Phase!
2.5.3 Die Entwicklung des Vogelgesangs
Linke absteigende motorische Bahn wichtiger als
Rechte
Gesangszentrum beim Männchen 4 x größer
Gesangsstruktur im Frühjahr doppelt so groß (gesteuert
durch Testosteron/ Zunhame des Tageslichts)
 Wachstum der
Neurone!
2.6 Genetische Grundlagen psychologischer Unterschiede beim Menschen
2.6.1 Entwicklung von Individuen versus Entwicklung von Unterschieden zwischen Individuen
Effekte von Genen und Erfahrung sind bei der Entwicklung von Unterschieden zwischen Individuen
trennbar.
Um den relativen Beitrag der Gene und der Erfahrung auf die Entwicklung von Unterschieden in
psychologischen Merkmalen zu bestimmen, untersuchen Verhaltensgenetiker Individuen, deren
genetische Ähnlichkeit bekannt ist  eineiige Zwillinge (monozygote Zwillinge) im Vergleich zu
zweiigen Zwillingen (dizygote Zwillinge).
2.6.2 Die Minnesota Studie über getrennt aufgewachsene Zwillinge
Testung von:
 59 eineiige Zwillinge und 47 zweiige Zwillinge die getrennt voneinander aufgewachsen sind
 und viele Paare die gemeinsam aufwuchsen.
 Alter der Zwillinge zwischen 19 und 68
Fragestellung: Sind sich erwachsene eineiigen Zwillinge, die getrennt voneinander aufgewachsen
sind, ähnlich, da sie genetisch identisch sind, oder würden sie sich als verschieden erweisen,
aufgrund unterschiedlicher familiärer Verhältnisse?
Ergebnisse:
17
 Eineiige Zwillinge sind sich auf allen psychologischen Dimensionen ähnlicher als zweiige
Zwillinge, unabhängig vom gemeinsamen oder getrennten familiärer Umfeld.
 Korrelation zwischen IQ und eineiigen getrennt aufgewachsenen Zwillingen lag bei 0,75
 Korrelation zwischen IQ und zweiiigen getrennt aufgewachsenen Zwillingen lag bei 0,38
Aber Achtung:
 Keine allgemeine Aussage über den relativen Beitrag der Gene und der Erfahrung zur
Entwicklung von Intelligenz und Persönlichkeit eines Individuums machen.
 Durch die Korrelation wurde nicht darauf geschlossen, dass der IQ zu 70 % genetisch bedingt ist
 Erblichkeitsschätzungen sagen etwas über den Beitrag genetischer Unterschiede zu
Unterschieden im Phänotyp zwischen Probanden aus; nichts aber über die relativen Beiträge von
Genen und Erfahrung an der Entwicklung eines Individuums.
Häufig übersehen: Genetische Unterschiede fördern psychologische Unterschiede über eine
Beeinflussung der gemachten Erfahrungen, d.h. Individuen mit einer ähnlichen genetischen
Ausstattung neigen dazu, auch ähnliche Umwelten und Erfahrungen aufzusuchen.
18
Kapitel 3: Die Anatomie des Nervensystems
3.1 Die Systeme, Strukturen und Zellen unseres Nervensystems
3.2 Der allgemeine Aufbau des Nervensystems
3.2.1 Gliederung des Nervensystems
Das Wirbeltiernervensystem besteht aus 2
Teilen:
Zentrales Nervensystem (ZNS) befindet
sich im Schädel und der Wirbelsäule
Peripheres Nervensystem (PNS) befindet
sich außerhalb des Schädels und der
Wirbelsäule
Das ZNS besteht aus 2 Teilen:
- dem Gehirn (Encephalon) 
befindet sich im Schädel
- dem Rückenmark (Medulla
spinalis)  befindet sich in der
Wirbelsäule
Das periphere Nervensystem besteht aus
dem somatischen (SNS) und dem
autonomen (ANS) Nervensystem!
Das SNS interagiert mit der Umwelt und
besteht aus:
- afferenten Nerven (die sensorische
Signale von Haut, Skelettmuskeln,
Gelenken, Augen und Ohren zum
ZNS leiten) und aus
- efferenten Nerven, die motorische Signale vom ZNS zu den Skelettmuskeln
übertragen!
19
Das ANS reguliert das innere Milieu. Es besteht aus afferenten Nerven, die sensorische
Signale von den Organen zum ZNS leiten und aus efferenten Nerven, die motorische
Signale vom ZNS zu den Organen übertragen!
Das ANS besitzt 2 Arten von efferenten Nerventypen:
- sympathische Nerven
- parasympathische Nerven
Beide Nerventypen werden auf ihrem Weg zum Zielorgan einmal umgeschaltet: die
sympathischen und parasympathischen Neurone gehen vom ZNS aus, legen einen Teil des
Weges zum Erfolgsorgan zurück und bilden dann synaptische Verbindungen (Synapsen) mit
anderen Neuronen, die das Signal die restliche Wegstrecke weiterleiten.
Projektionen sympathischer Nerven werden in einiger Entfernung von ihrem
Zielorgan umgeschaltet, während Projektionen parasympathischer Nerven in der nahen
Umgebung ihrer Zielorgane umgeschaltet werden.
3 wichtige Funktionsprinzipien des sympathischen und parasymphatischen Nervensystems:
1) die sympathischen Nervenzellen stimulieren, organisieren und mobilisieren
Energiereserven in bedrohlichen Situationen, während parasymphatische Nerven
tätig werden, um Energie zu konservieren
2) jedes autonome Erfolgsorgan enthält gegensätzlichen sympathischen und
parasympathischen Input, seine Aktivität wird somit durch das relative Niveau der
sympathischen und parasympathischen Aktivität kontrolliert
3) durch den Sympatikus hervorgerufene Veränderungen psychologische Entspannung
anzeigen.
Die meisten peripheren Nerven entspringen dem Rückenmark!
Ausnahmen: es gibt 12 paarige Hirnnerven, die direkt vom Gehirn ausgehen:
- rein sensorisch: Nervus olfactorius, Nervus opticus
- die meisten beinhalten sowohl sensorische als auch motorische Fasern
- längste Hirnnerv: Nervus vagus, dessen motorische und sensorische Fasern von
und zu den Eingeweide
3.2.2 Hirnhäute, Ventrikel und Cerebrospinalflüssigkeit
Gehirn und Rückenmark sind am besten geschützt: sie sind von Knochen eingeschlossen
und von 3 schützenden Membranen, den 3 Meningen bedeckt (als Schutz des ZNS neben
Schädel und Wirbel!):
- Dura mater (harte Mutter)
- Arachnoidea mater (spinnwebenartige Membran)
- Pia mater (fromme Mutter)
Zwischen Pia mater undArachnoidea mater befindet sich der Subarachnoidalraum: enthält
viele Blutgefäße und Cerebrospinalflüssigkeit. Subarachnoidalraum, Zentralkanal und die
Ventrikel sind miteinander
verbunden und bilden ein zusammengehörendes Reservoir!
Die cerebralen Ventrikel sind die 4 großen Kammern des Gehirns:
2 Seitenventrikel, 3ter Ventrikel und 4ter Ventrikel.
Die Cerebrospinalflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) füllt den Subarachnoidalraum, den
Zentralkanal und die Ventrikel.
Die Cerebrospinalflüssigkeit wird kontinuierlich vom Plexus choroideus produziert, ein
Kapillarnetz, welches von der Pia mater in die Ventrikel hinausragt.
Überschüssige Cerebrospinalflüssigkeit wird aus dem Subarachnoidalraum in so genannte
Sinusräume absorbiert!
Wie entsteht ein so genanter „Wasserkopf“ (Hydrocephalus)?
Gelegentlich wird der Fluss der Cerebrospinalflüssigkeit durch einen Tumor in der Nähe der
20
engen Kanäle, die die Ventrikel verbinden, verhindert. Die resultierende
Flüssigkeitsansammlung führt dazu, dass sich die Wände der Ventrikel und somit das ganze
Gehirn ausdehnen.
Der Wasserkopf wird behandelt, indem die überschüssige Flüssigkeit aus den Ventrikeln
abgeleitet und versucht wird, die Blockade zu beseitigen.
3.2.3 Blut-Hirn-Schranke
Ein weiterer Schutzmechanismus, der den Übertritt toxischer Substanzen aus dem Blut in
das Gehirn verhindert.
Cerebrale Blutgefäße haben eng nebeneinander liegende Zellen in den Gefäßwänden,
sodass die meisten Proteine und andere große Moleküle nicht passieren können
(Schranke!).
Medikamente, die im Gehirn wirken sollen, müssen die Blut-Hirn- Schranke passieren
können!
Wichtige natürliche Proteine können aktiv durchgeschleust werd
3.3 Die Zellen des Nervensystems
Es gibt Neurone und Gliazellen.
21
3.3.1 Die Anatomie der Neurone
Neuronen sind spezialisiert auf Empfang, Weiterleitung und Übertragung elektrochemischer
Signale!
Wichtige Strukturen im
Zellinneren:
- Endoplasmatisches
Reticulum
- Cytoplasma
- Ribosomen
- Golgi-Apparat
- Nucleus
- Mitochondrien
- Mikrotubuli
- Synaptische Vesikel
- Neurotransmitter
22
Die Zellmembran:
besteht aus einer Lipid-Doppelschicht (zwei Schichten von Fettmolekülen)
Entscheidenderweise sind in die Lipid-Doppelschicht zahlreiche Proteinmoleküle eingebettet,
die für viele Funktionen der Membran wichtig sind: Kanalprotein, die bestimmte Moleküle
passieren können und Signalproteine, die ein Signal ins Innere des Neurons übertragen,
wenn bestimmte Moleküle an der Außenseite der Membran an sie binden.
Die wichtigsten Klassen von Neuronen auf Basis morphologischer Unterschiede:
- Unipolare Neuronen (Neuron mit einem Fortsatz)
- Bipolare Neuronen (Neuron mit 2 Fortsätzen)
- Multipolare Neuronen (Neuron mit mehr als 2 Fortsätzen, die von seinem Zellkörper
ausgehen; die meisten Neurone sind multipolar)
- Interneuronen (Neuronen mit kurzen oder überhaupt keinen Axonen; Funktion
besteht darin, die neuronale Aktivität innerhalb einer einzigen Gehirnstruktur zu
integrieren, und nicht darin, Signale von einer Struktur zur anderen weiterzuleiten.)
Funktionelle Bedeutung morphologischer Unterschiede:
Mit Axon: Weiterleitung über lange Distanzen!
Ohne Axon: Integration innerhalb einer Gehirnstruktur!
Im Gehirn gibt es zwei grob zu unterscheidende Arten neuronaler Strukturen:
- diejenigen, die hauptsächlich aus Zellkörpern bestehen
im ZNS Anhäufung von Zellkörpern als Nucleus bezeichnet
m PNS Anhäufung von Zellkörpern als Ganglion bezeichnet
- diejenigen, die hauptsächlich aus Axonen bestehen
im ZNS wird ein Bündel von Axonen als Trakt bezeichnet
m PNS wird ein Bündel von Axonen als Nerv bezeichnet
Graue Substanz
Weisse Substanz
23
3.3.2 Gliazellen: Die vergessene Mehrheit
es gibt ca. 10 mal mehr Gliazellen als Neuronen!
Gliazellen sind an der Übertragung von Signalen beteiligt, indem sie Signale zu Neuronen
senden und Signale von Neuronen erhalten. Zudem kontrollieren sie die Bildung und
Erhaltung von Synpasen zwischen Neuronen und bilden gliale Schaltkreise
4 Arten von Gliazellen:
1. Oligodendrocyten
(ZNS): Klasse von
Gliazellen, die sich um
die Axone einiger
Neurone des zentralen
Nervensystems wickeln.
Jeder Oligodendrocyt
bildet mehrere
Myelinsegmente(oft an
mehreren Axonen).
Ausläufe sind reich an
Myelin, einer
fetthaltigen,
isolierenden Substanz,
und Myelinscheiden, die
sie bilden, erhöhen
Geschwindigkeit und
Effizienz der axonalen
Leitung.
2. Schwann-Zellen (PNS)
Jede Schwann-Zelle
bildet ein
Myelinsegment. Nur
Schwann- Zellen
können axonale Regeneration nach Verletzungen einleiten.
24
3. Astrocyten (größten Gliazellen, sternförmig)
Ummanteln Blutgefäße im Gehirn und nehmen
Kontakt mit Neuronen auf. Sind an der Passage
chemischer Verbindungen vom Blut in die ZNSNeuronen beteiligt!
4. Mikroglia (kleinsten Gliazellen) Regagieren auf
Verletzungen oder Krankheiten, indem sie tote oder
abgestorbene Neuronen entfernen und
Entzündungsprozesse auslösen.
3.4 Neuroanatomische Methoden:
3.4.1 Neuroanatomische Methoden
Wie können Neuronen sichtbar gemacht werden?
Schwierigkeit ist nicht die Kleinheit, sondern die enge Verflochtenheit der Neuronen!
 durch bestimmte Präparationstechniken können Neuronen sichtbar gemacht werden!
-
Golgi-Färbung (Camillo Golgi): wollte eigentlich Meningen färben, indem er
Kaliumdichromat und Silbernitrat verwendete. Daraus entstand Silberchromat,
welches nur wenige Neuronen schwarz färbt und so prinzipielle Darstellungen
ermöglicht. Diese Entdeckung machte es zum ersten Mal möglich, einzelne Neurone
zu sehen, wenn auch nur als Silhouette. Golgi- Färbung kann keine Auskunft über die
Zahl von Neuronen liefern!
-
Nissl-Färbung (Franz Nissl): Kresylviolett (hauptsächlich verwendeter Farbstoff)
dringt in alle Zellen eines Gewebeschnitts ein und lagert sich an Strukturen in den
Zellkörpern an. Unter dem Mikroskop kann dann die Zahl der Neuronen sehr gut
eingeschätzt werden. (dient der Ermittlung der Zelldichte!)
-
Elektronenmikroskopie:
Dünne Gewebsabschnitte werden mit einer elektronen- absorbierenden Substanz
beschichtet. Die Substanz wird von verschiedenen Neuronenteilen unterschiedlich
aufgenommen. Ein darauf gerichteter Elektronenstrahl wird dann durch das Gewebe
auf einen Film gelenkt und erzeugt detaillierte Strukturabbildungen. (dient der
Abbildung von Details!)
-
Tracing-Verfahren: 2 Arten: anterograd (vorwärts) und retrograd (rückwärts)
1. Anterogrades Tracing ermöglicht das Verfolgen der Axone, die von den Zellkörpern
eines bestimmten Gebiets entspringen (diese werden von den Zellkörper entnommen
und dann entlang der Axone zu den Endknöpfchen transportiert).
2. Retrogrades Tracing ermöglicht das Verfolgen der Axone von den Endknöpfchen
zum Zellkörper. (dient der Beschreibung von Projektionen!)
25
Richtungsbezeichnungen im Nervensystem:
Wirbeltiernervensysteme werden auf die Orientierung der Wirbelsäule bezogen!
Es gibt drei Achsen: anterior-posterior, dorsal-ventral, medial-lateral
-
anterior/rostral: in Richtung Nase
postorior/kaudal: in Richtung Schwanz
dorsal: in Richtung des Rückens oder der Kopfunterseite
ventral: in Richtung des Brustkorbs oder der Brustunterseite
medial: in Richtung der Mittellinie des Körpers
lateral: weg von der Mittellinie in Richtung der seitlichen Körperoberfläche
Für Menschen gibt es dieselben Achsenbezeichnungen, nur sind diese durch den aufrechten
Gang (Bipedie) für Kopf und Rumpf getrennt zu betrachten.
Beim Menschen werden sowohl die Kopfoberseite als auch die Vorderseite des Körpers als
ventral bezeichnet. Häufig werden die Begriffe superior und inferior zur Bezeichnung der
Ober- und Unterseite des Primatenkopfes verwendet.
Weitere Begriffe:
rostral-caudal (vorne-hinten), superior-inferior (oben-unten), proximal-distal (nahentfernt)
Schnittebenen: horizontal, frontal, sagittal
26
Ein Schnitt durch die Mitte des Gehirns zwischen den beiden Hemisphären, wird als
Medianschnitt bzw. als Mediansagittalschnitt bezeichnet.
3.5 Das Rückenmark
Grob betrachtet gibt es zwei Bereiche:
 innerer H-förmiger Kern (graue Substanz)
 umgebender Bereich weißer Substanz
Die graue Substanz besteht hauptsächlich aus Zellkörpern und unmyelinisierten
Interneuronen!
Die weiße Substanz besteht hauptsächlich aus myelinisierten Axonen!
Die zwei dorsalen Arme der grauen Substanz des Rückenmarks werden als Hinterhörner
oder Dorsalhörner und die zwei ventralen Arme als Vorderhörner oder Ventralhörner
bezeichnet
Auf 31 Ebenen sind jeweils links und rechts Paare von Spinalnerven mit dem Rückenmark
verbunden.
Jeder der 62 Spinalnerven teilt sich und seine Axone ziehen entweder über die Hinterwurzel
oder über die Vorderwurzel in das Rückenmark hinein!
Über die Hinterwurzel ziehen ausschließlich afferente sensorische unipolare Neuronen,
deren Zellkörper unmittelbar außerhalb des Rückenmarks das so genannte
Hinterwurzelganglion bilden! Die meisten ihrer synaptischen Endknöpfchen befinden sich in
den Hinterhörnern der grauen Substanz!
Die Neuronen der Vorderwurzel sind
efferent, motorisch und multipolar! Ihre
Zellkörper liegen in den Vorderhörnern!
Die somatischen Neuronen projizieren
zu den Skelettmuskeln, während die
autonomen Neuronen zu Ganglien
projezieren, die über weitere
synaptische Kontakte mit inneren
Organen in Verbindung stehen!
27
3.6 Die fünf Hauptabschnitte des menschlichen Gehirns
Telencephalon (Endhirn)
Diencephalon (Zwischenhirn)
Mesencephalon (Mittelhirn)
Metencephalon (Hinterhirn)
Myelencephalon (Nachhirn)
Die Abschnitte ohne dem
Telencephalon werden oft als
Truncus encephali (Hirnstamm)
bezeichnet! (Meist wird
allerdings das Diencephalon
auch nicht dazu gerechnet und
der Rest als Truncus cerebri
bezeichnet!)
Das Myelencephalon wird oft
auch als Medulla oblongata
(verlängertes
Rückenmark)bezeichnet!
Beim Embryo von Wirbeltieren ist das Gewebe,
das sich irgendwann zu m ZNS entwickelt als
flüssigkeitsgefülltes Rohr ( Neuralrohr)
erkennbar. Die ersten Anzeichen sind drei
Verdickungen ( Hirnbläschen), die am
anterioren Ende des Rohrs entstehen. Diese
entwickeln sich ins erwachsene Proencephalon
(Vorderhirn), Mesencephalon (Mittelhirn) und
Rhombenencephalon (Rautenhirn). Vor der
Geburt werden aus den drei anfänglichen
Verdickungen des Neuralrohrs fünf:
Telencephalon (Endhirn), Diencephalon
(Zwischenhirn), Mesencephalon (Mittelhirn),
Metencephalon (Hinterhirn), Myelencephalon
(Nachhirn).
3.7 Die Hauptstrukturen des Gehirns
1. Das Myelencephalon (Abb. Rechts
unten)
überträgt hauptsächlich Signale
28
zwischen dem Rest des Gehirns und dem Körper!
Wichtige Unterstruktur: Formatio reticularis: Netzwerk aus ca. 100 kleinen Kernen,
die sich von der posterioren Grenze des Myelencephalon bis zur anterioren Grenze
des Mesencephalon erstrecken!  Spielt eine wichtige Rolle bei der allgemeinen
Aktivierung (aufsteigendes reticuläres Aktivierungssystem!). Die verschiedenen
Kerne sind beteiligt am Schlaf, der Aufmerksamkeit, der Bewegung, der
Aufrechterhaltung des Muskeltonus und diverser autonomer Reflexe!
2. Das Metencephalon (Abb. Rechts unten einen Seite zuvor)
beinhaltet viele auf- und absteigende Nerven und auch Teile der Formatio reticularis
Metencephalon besteht aus 2 Teilen: Pons und Cerebellum:
Auf der ventralen Seite befindet sich der Pons
Auf der dorsalen Seite befindet sich das Cerebellum
Das Cerebellum ist
wichtig für die
präzise Kontrolle
von Bewegungen
und ihrer
Anpassung an sich
verändernde
Bedingungen (
wichtige
sensomotorische
Struktur).
Seit einiger Zeit ist
deutlich geworden,
dass das
Cerebellum auch
bei vielen
kognitiven
Prozessen beteiligt
ist!
3. Das
Mesencephalon
(Abb. rechts)
besteht auch aus 2
Abschnitten:
Tectum und
Tegmentum
dorsal liegt das
Tectum
ventral liegt das
Tegmentum
Das Tectum (Dach)
beinhaltet die Colliculi inferiores (auditorisches System) und die Colliculi superiores
(visuelles System)! In niedrigen Wirbeltieren erfüllt Tectum rein visuelle Funktion,
daher oft Tectum opticum bezeichnet.
Das Tegmentum beinhaltet weitere Bereiche der Formatio reticularis, das
periaquäduktale Grau (wichtig bei der Rolle der Vermittlung der analgetischen =
schmerzreduzierenden Wirkung von Opiaten (laut Wikipedia: Als wichtigstes der
Opiate wird Morphin als Schmerzmittel verwendet.), die Substantia nigra
(Sensomotorik) und den Nucleus ruber (Sensomotorik)
29
4. Das Diencephalon:
besteht auch aus 2
Strukturen: Thalamus und
Hypothalamus
Thalamus: besteht aus 2
Lappen (sitzt auf beiden
Seiten des 3ten Ventrikels).
Die beiden Lappen sind
über die Adhesio
interthalamica verbunden.
Der Thalamus beinhaltet
viele verschiedene paarige
Kerngebiete, die meist zum
Cortex projizieren.
Einige sind sensorische
Relaiskerne: Bsp.: Corpus
geniculatum laterale und
Corpus geniculatum
mediale
Hypothalamus: befindet
sich unterhalb des
Thalamus! Er besteht aus
mehreren Nuclei und spielt
eine wichtige Rolle bei der
Regulation verschiedener
motivationaler
Verhaltensweisen! Er
steuert zum Teil die
Freisetzung von Hormonen der Hypophyse, die sich direkt darunter befindet!
Zusätzlich zur Hypophyse liegen 2 weitere Strukturen an der inferioren Seite des
Hypothalamus :Das Chiasma opticum als Ort, an dem sich die Sehnerven kreuzen
und die Mamillarkörper = Corpora mammillaria (paarige kugelförmige Nuclei!)
5. Das Telencephalon: beim Menschen der grösste Abschnitt! Er vermittelt die
komplexesten Funktionen des Gehirns. Es initiiert willkürliche Bewegungen,
interpretiert sensorischen Input und vermittelt komplexe kognitive Prozesse wie
Lernen, Sprechen und Problemlösen.
Cerebraler Cortex (Grosshirnrinde): Die cerebralen Hemisphären sind von einer
Gewebeschicht bedeckt, die als cerebraler Cortex (Cortex cererbri) bezeichnet wird.
Beim Menschen ist sie eine tief gefaltete äußere Schicht (graue Substanz). Durch die
Faltung wird die Oberfläche des cerebralen Cortex vergrößert, ohne das
Gesamtvolumen des Gehirns zu vergrößern.
nicht alle Säugetiere besitzen einen gefalteten Cortex (lissencephal, bedeutet dass
sie ein glattes Gehirn haben)!
Die großen Furchen heißen Fissurae, die kleinen heißen Sulci!
Die Erhebungen zwischen den Fissurae und Sulci heißen Gyri!
Beide Hemisphären sind durch die Fissura longitudinalis cerebri beinahe getrennt!
Verbindungen gibt es über so genannte cerebrale Commissuren! Die größte Commissur ist
das Corpus callosum (verbindet die Hemisphären)!
Die markantesten Sulci sind: Sulcus centralis (Zentralfurche), Sulcus lateralis (Sylvische
Furche)
Die Fissurae unterteilen jede Hemisphäre in vier Lappen(cortical):
Frontallappen, Parietallappen, Temporallappen und Occipitallappen!
30
Markante Gyri sind: Gyrus precentralis (beinhaltet den motorischen Cortex),
Gyrus postcentralis (beinhaltet den somatosensorischen Cortex- Körperempfindungen) und
Gyrus temporalis superior (beinhaltet den auditorischen Cortex)
90% des menschlichen cerbralen Cortex bestehen aus Neocortex! Dieser wiederum besteht
aus 6 Schichten (I – VI)
Es gibt zwei Arten von corticalen Neuronen: Pyramidenzellen und Sternzellen!
Die Zahl beider Zelltypen variiert ja nach Schicht! Es gibt einen dominanten vertikalen
Verlauf der Axone und Dendriten Kolumnenorganisation!
Pyramidenzellen sind groß und multipolar mit pyramidenförmigen Zellkörpern! Sie haben
einen grossen Dendriten, der als apikaler Dendrit bezeichnet wird. Er zieht zur
Cortexoberfläche zieht.
Sternzellen sind kleine sternförmige Interneurone (Neurone mit kurzen oder überhaupt
keinen Axonen)!
Neuronen in einer bestimmten Kolumne bilden oft einen eigenen kleinen Schaltkreis mit
einer ganz bestimmten Funktion! Die Schichtung des Neocortex unterscheidet sich in
verschiedenen Gehirnbereichen:
 die Sternzellen der 4ten Schicht sind z.B. auf den Empfang sensorischer Signale aus dem
Thalamus spezialisiert. Deshalb ist diese Schicht in den verschiedenen sensorischen
corticalen Arealen besonders dick!
 Schicht 5 ist beispielsweise im Bereich des Motorcortex besonders dick, da die darin
befindlichen Pyramidenzellen Signale vom Cortex zum Hirnstamm und zum Rückenmark
senden!
Der oft erwähnte Hippocampus ist ein wichtiger Teil des Cortex, der aber nicht zum
Neocortex gehört!  Er hat nur 3 Schichten!
Subcortical besteht das Telencephalon großteils aus weisser Substanz (Axone, die von und
zum Cortex verlaufen)!
 es gibt aber einige große subcorticale Kerngebiete, die meist entweder dem Limbischen
System oder den Basalganglien zuzuordnen sind!
Das Limbische System (Abb. rechts unten)
Medial gelegene Strukturen, die den Thalamus umgeben! Reguliert motivationale
Verhaltensweisen (Kampf-, Flucht-, Ernährungs- und Sexualverhalten; die 4 „Fs)!
Hauptstrukturen: Mammilarkörper, Hippocampus, Amygdala, Fornix, cingulärer Cortex und
Septum
Beschreibung des Systems:
Die Amygdala ist ein mandelförmiges Kerngebiet (mehrere Nuclei) im anterioren
Temporallappen.
Posterior zur Amygdala beginnt der Hippocampus, der im medialen Temporallappen
verläuft.
Der Fornix verlässt das dorsale Ende des Hippocampus und schwingt bogenförmig entlang
der superioren Seite des 3ten Ventrikels nach vorne und endet im Septum und den
Mammilarkörpern.
Der cinguläre Cortex ist Teil des Neocortex (Gyrus cinguli) und liegt auf der medialen
Seite der cerebralen Hemisphären direkt über dem Corpus callosum
Das Septum (medial gelegener Kern) liegt an der anterioren Spitze des cingulären Cortex
Das Septum und die Mammilarkörper sind über Faserzüge mit den Amygdalae
und dem Hippocampus verbunden und bilden so den „Limbischen Ring“!
Die Basalganglien:
Die Amygdalae werden meist auch zu den Basalganglien dazugezählt! Aus jeder Amygdala
zieht der Nucleus caudatus anfangs in eine posteriore und dann in eine anteriore Richtung,
31
wobei der Schweif immer dicker wird! Im Mittelpunkt des kreisförmigen Nucleus caudatus
liegt das Putamen. Das Putamen ist mit dem Nucleus caudatus über Faserbrücken
verbunden!
beide Strukturen haben deshalb gemeinsam eine gestreifte Erscheinung und werden
zuasmmen als Corpus striatum bezeichnet!
Eine weitere Struktur gehört zu den Basalganglien, der Globus pallidus, dieser liegt medial
zum Putamen!
Die Basalganglien sind für die Ausführung willkürlicher Bewegungen wichtig!
Klinische Implikation:
Bei der Parkinsonschen Krankheit ist eine Bahn, die von der Substantia nigra des
Mesencephalons zum Corpus striatum projiziert betroffen. Die Zerstörung dieser Bahn führt zu
den typischen Symptomen wie Steifheit (Rigor), Zittern (Tremor) und einer Verarmung willkürlicher
Bewegungen (Hypokinese)! Neuerdings werden die Basalganglien auch mit der Integration von
Prosody und sprachlicher Emotion in Verbindung gebracht! (kritisches Denken!)
32
33
Kapitel 4 Nervenleitung und synaptische Übertragung
4.1 Wie Neurone Signale senden und empfangen
In diesem Kapitel werden die folgenden Fragen behandelt:
•
•
•
Wie werden Nervensignale erzeugt?
Wie werden diese Signale weitergeleitet?
Wie werden diese Signale auf andere Neuronen übertragen?
Ein Beispiel für die Sinnhaftigkeit, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen ist die
Parkinsonsche Krankheit („Die Eidechse“):
Hier ist die Bahn von der Substantia nigra (schwarze Substanz) zum Corpus betroffen. In der
Substantia nigra wird normalerweise der Neurotransmitter Dopamin produziert, welches an
das Corpus Striatum abgegeben wird und für eine normale Bewegungssteuerung sorgt. Bei
der Parkinsonschen Krankheit wird zuwenig Dopamin produziert.
Dopamin kann nicht von außen zugeführt werden, da es die Blut-Hirnschranke nicht
durchdringen kann. Sehr wohl kann aber L-Dopa, als chemische Vorläufer die BlutHirnschranke durchdringen und wird dann im Gehirn in Dopamin umgewandelt. Der
Krankheit kann also durch Biopsychologische Kenntnis entgegengewirkt werden (Klinische
Implikation).
4.2 Das Ruhemembranpotential eines Neurons
Das Membranpotential ist der Unterschied in der elektrischen Ladung zwischen der
Innenseite und der Außenseite einer Zelle.
4.2.1 Aufzeichnung des Membranpotentials
Ein Membranpotential kann mithilfe zweier Elektroden gemessen werden, wobei sich die
Spitze einer Elektrode im Außenmilieu befindet und die Spitze der anderen Elektrode im
Zellinneren. Die Spitze der intrazellulären Elektrode (Mikroelektrode) muss fein genug
sein, damit sie die neuronale Membran durchdringen kann.
4.2.2 Das Ruhemembranpotential
Solange beide Elektrodenspitzen außerhalb eines Neurons sind, messen sie dieselbe
Spannung (Spannungsdifferenz zwischen ihnen ist Null). Sobald aber eine Elektrode in ein
ruhendes Neuron eingestochen wird, entsteht als Messwert eine Spannungsdifferenz von ca.
-70 Millivolt Ruhemembranpotential (polarisiertes Neuron) !
Das Potential im Inneren des ruhenden Neurons ist also ca. 70 mV geringer als außerhalb
des Neurons.
4.2.3 Ionen sind Basis des Ruhemembranpotentials
 Wie entsteht diese Spannungsdifferenz?
Zuerst eine chemische Grundlage:
Salze (sehr wichtig für lebende Organismen) sind Kristallgitter aus Ionen (+/- geladene
Teilchen).
In Flüssigkeiten sind Salze gelöst und im gelösten Zustand können sich die Ionen frei
bewegen!
Außerhalb und innerhalb eines Neurons herrscht ein flüssiges Milieu vor und es befinden
sich auf beiden Seiten frei bewegliche Ionen.
34
Positiv geladene Ionen nennt man Kationen! (meist Metalle)
Negativ geladene Ionen nennt man Anionen! (meist Nicht-Metalle)
Ruhemembranpotential bedeutet also, dass sich im Inneren eines ruhenden Neurons mehr
Anionen als Kationen befinden. Warum es zu dieser ungleichen Verteilung kommt, kann
durch das Zusammenspiel von 4 Faktoren verstanden werden:
•
2 davon sind mit der Tatsache verbunden, dass sich Ionen an sich gleichmäßig
verteilen (passive Vorgänge d.h. sie ist nicht mit dem Verbrauch von Energie
verbunden)
•
die anderen 2 hängen mit Eigenschaften einer neuronalen Membran zusammen, die
den ersten 2 Faktoren entgegenwirken (ein Vorgang ist ebenso passiv, der andere
ist aktiv)
Genaueres zu den 4 Faktoren:
Faktor 1:
Die so genannte Brown´sche Molekularbewegung (Zufallsbewegung) sorgt dafür, dass
sich Ionen ständig zufällig bewegen. Teilchen, die sich in einer zufälligen Bewegung
befinden, neigen dazu sich gleichmäßig zu verteilen. Durch das Bestreben nach
Konzentrationsausgleich bewegen sich Ionen deshalb von Gebieten hoher Konzentration
in Gebiete niedriger Konzentration (Diffusionsdruck!)
Faktor 2:
Die sogenannte elektrostatische Kraft begünstigt ebenso eine gleichmäßige Verteilung der
Ionen. Jede Ansammlung von positiven oder negativen Ladungen in einem Gebiet löst sich
durch die Abstoßung der gleichartig geladenen Ionen und durch die Anziehung der
entgegengesetzten Ladungen auf.
Trotz dieser homogenisierenden Effekte existiert ein Ungleichgewicht auf beiden Seiten
der Membran eines ruhenden Neurons.
An diesem Ungleichgewicht sind 4 Arten von Ionen maßgeblich beteiligt:
• Natriumionen (Na+) – außen viel
• Kaliumionen (K+) – innen viel
• Chloridionen (Cl-) – außen viel
• Verschiedne negativ geladene Proteinionen (Protein-) – innen viel
Faktor 3:
Die selektive Permeabilität (Durchlässigkeit) der neuronalen Membran für die maßgeblich
beteiligten Ionen sorgt passiv für einen Teil des Ungleichgewichts.
Bei Neuronen im Ruhestand passieren K+ und Cl- -Ionen leicht die Membran, Na+-Ionen
können nur sehr schwer durch die Membran und die Protein- Ionen passieren sie überhaupt
nicht. Verschiedene Ionenkanäle sind für die Passage jeweils eines bestimmten Ions
spezialisiert.
Faktor 4:
Letztendlich ist auch ein aktiver, Energie verbrauchender Prozess an der Aufrechterhaltung
des Ungleichgewichts beteiligt.
 die Natrium-Kalium-Pumpe
Im Ruhestand wirkt auf Na+-Ionen das Äquivalent einer Potentialdifferenz von -120mV und
versucht, sie durch die Membran in die Zelle zu zwingen.
Trotz der geringen Permeabilität der Membran gegenüber Na+-Ionen (im Ruhestand)
gelangen einige durch diesen Druck in das Zellinnere.
35
Ähnlich werden auch K+ -Ionen (Potentialdiffernez: -90mV) aus dem Zellinneren
herausgetrieben.
 Warum bleiben dann die Na+ und K+ -Ionen bezogene Konzentrationsunterschiede
konstant?  Weil die Natrium-Kalium-Pumpe das Ungleichgewicht aufrechterhält. Dieser
Ionentransport erfolgt über aktive Energie verbrauchende Mechanismen in der
Zellmembran.
Die Natrium-Kalium-Pumpe schleust kontinuierlich 3 Na+-Ionen aus dem Neuron heraus und
2 K+ -Ionen in das Neuron hinein. So kann außerhalb eines ruhenden Neurons eine hohe
Na+-Ionen Konzentration aufrechterhalten werden und innen eine hohe K+ -Ionen
Konzentration (Ruhemembranpotential)
Die Verteilung der Cl- -Ionen ergibt sich passiv aus ihrem Gleichgewichtspotential beim
Ruhepotential von ca. -70 mV.
Siehe Seite 104 im Buch, Tabelle 4.1 für die Faktoren, die bei ruhenden Neuronen für die
Aufrechterhaltung der Unterschiede in den intrazellulären und extrazellulären
Konzentrationen von Na+, K+ und Cl- -Ionen verantwortlich sind.
4.3 Generierung und Weiterleitung postsynaptischer Potentiale
Aktive Neurone setzen an ihren Endköpfchen Neurotransmitter (chemische Verbindungen)
frei, die durch den synaptischen Spalt diffundieren und an spezialisierten
Rezeptormolekülen an der postsynaptischen Membran eines folgenden Neurons andocken.
Eine solche Bindung eines Neurotransmitters mit einem Rezeptor hat im Folge-Neuron eine
von zwei Wirkungen, abhängig von
1. der Struktur des Neurotransmitters und
2. der Art des Rezeptors
36
Sie können die postsynaptiche Membran (Folge-Neuron) depolarisieren (d.h. das
Ruhemembranpotential von -70mV wird herabgesetzt; zb auf -67mV) oder
hyperpolarisieren (d.h. das Ruhemembranpotential von -70mV wird angehoben; zb auf 75mV)
Eine postsynaptische Depolarisation wird als Exzitatiorisches Postsynaptisches Potential
(EPSP) bezeichnet, weil sie die Feuerwahrscheinlichkeit im entsprechenden Neuron erhöht.
Eine postsynaptische Hyperpolarisation wird als Inhibitorisches Postsynaptisches
Potential (IPSP) bezeichnet, weil sie die Feuerwahrscheinlichkeit im entsprechenden
Neuron verringert.
Sowohl EPSP als auch IPSP sind graduelle (abgestufte) Reaktionen. Das bedeutet, dass
sich ihre Amplituden proportional zur Intensität der Signale sind, die sie auslösen (schwache
Signale lösen kleine PSPe aus und starke Signale lösen große PSPe aus).
Sie breiten sich im Zellkörper des Folge-Neurons elektrotonisch (passiv) aus.
Dementsprechend weist die Übertragung der PSPe 2 Merkmale auf:
•
•
PSPe werden schnell übertragen (beinahe unverzögert)
PSPe werden mit der Distanz schwächer
Die Amplitude der PSPes nimmt ab, während sie über das Neuron wandern.
4.4 Integration der postsynaptischen Potentiale und Generierung des
Aktionspotentials
Die PSPe einer einzelnen Synapse sind klein und haben für gewöhnlich keinen Effekt! Die
Rezeptorbereiche eines Neurons sind aber meist mit tausenden Synapsen bedeckt. Das
bedeutet, die Bilanz aller EPSPe und aller IPSPe, die bis an den Anfang eines Neurons
gelangen, ist entscheidend dafür, ob das entsprechende Neuron feuert oder nicht. 
Bedeutet die Bilanz am Anfang des Axons, dass die Membran ausreichend depolarisiert wird
(negatives Potential herabgesetzt), dann feuert das Neuron. „Ausreichend depolarisiert“
bedeutet wiederum über eine gewisse Schwelle depolarisiert  Erregungsschwelle bei ca.
-65mV. Wird diese Schwelle überschritten, wird ein Aktionspotential (AP) generiert.
Ein Aktionspotential ist eine massive, kurzzeitige Umkehrung des Membranpotentials (ca.
1ms) vom Ruhepotential (ca. -70mV) auf ungefähr +50mV. Im Gegensatz zu den PSPen
sind APe keine abgestuften Reaktionen, d.h. ihre Stärke steht in keiner Beziehung zur
Intensität der Signale, die sie auslösen.  sie sind Alles-oder-Nichts-Reaktionen, d.h. sie
treten entweder in ihrem vollen Ausmaß auf oder überhaupt nicht.
Ein Neuron addiert also alle EPSPe und IPSPe, die sein Axon erreichen, und entscheidet
aufgrund ihrer Summe, ob es feuert oder nicht. Diese Aufsummierung wird als Integration
(oder Summation) bezeichnet. Neuronen integrieren eingehende Signale über den Ort
(Räumlich) und über die Zeit (also Zeitlich).
3 Möglichkeiten der räumlichen Summation:
1. Das gleichzeitige Auftreten von EPSPen an verschiedenen Stellen der rezeptiven
Membran auf der postsynaptischen Seite addiert sich auf, um in Summe ein größeres
EPSP zu bilden.
2. Das gleichzeitige Auftreten von IPSPen an verschiedenen Stellen der rezeptiven
Membran auf der postsynaptischen Seite addiert sich auf, um in Summe ein größeres
IPSP zu bilden.
3. Es können sich auch die EPSPs und IPSPs summieren, um sich gegenseitig
aufzuheben
37
2 Möglichkeiten der zeitlichen Summation:
1. Eine schnelle Abfolge EPSPe kann durch Aufsummieren der einzelnen kleinen
Potentialänderungen zu einem größeren EPSP führen.
2. Gleiches gilt wieder auch für IPSPe, sowie sich das resultierende Potential auch
wieder durch eine Mischung EPSPe und IPSPe ergeben kann.
Konsequenz : Ein unterschwelliger Reiz kann ein Neuron zum Feuern veranlassen, wenn er
in rascher Folge wiederholt passiert. Wenn also eine Synapse nochmals aktiviert wird, bevor
sich das ursprüngliche PSPe wieder vollständig zurückgebildet hat, so setzt sich der Effekt
des zweiten Reizes auf das noch anhaltende PSPe, das durch den ersten Reiz verursacht
wurde.
Allgemein: Jedes Neuron integriert fortlaufend Signale über Zeit und Raum, mit denen es
kontinuierlich über die Tausenden von Synapsen, die seine Zellkörper bedecken, bomardiert
wird.
Ein EPSP, ein IPSP und ein EPSP
Gefolgt von einem AP.
Die drei Möglichkeiten räumlicher
Summation
38
Die zwei Möglichkeiten der
zeitlichen Summation.
4.5 Weiterleitung der Aktionspotentiale
4.5.1 Ionen sind die Grundlage des Aktionspotentials
Wie werden APe erzeugt und wie werden sie weitergeleitet?  dies geschieht über die
Aktivität spannungsgesteuerter (spannungsabhängiger) Ionenkanäle.
Wiederholung: Während des Ruhepotentials (-70mV) herrscht ein großer Drang der Na+Ionen vor, in die Zelle hineinzuströmen. Dies wird erstens durch die geringe Permeabilität
der Membran für Na+-Ionen und zweitens durch die Aktivität der Na-Ka-Pumpe verhindert.
Na+-Ionen drängen also in das Zellinnere, sie werden aber abgehalten. Diese Situation
ändert sich aber schlagartig, sobald das Membranpotential am Anfang des Axons bis zur
bereits erwähnten Erregungsschwelle von ca. -65mV herabgesetzt (depolarisiert) wird. Bei
Erreichen der Erregungsschwelle öffnen sich die spannungsgesteuerten Natriumkanäle und
Na+-Ionen können in das Zellinnere einströmen. Daraus resultiert eine plötzliche
Potentialumkehr auf ca. +50mV. Das nun plötzlich vorherrschende Membranpotential von ca.
+50mV öffnet die spannungsgesteuerten Kaliumkanäle. Somit werden die K+-Ionen aus der
Zelle hinausbefördert. Der Ausstrom der K+-Ionen erfolgt einerseits wegen ihrer hohen
intrazellulären Konzentration und andererseits wegen der nun plötzlich aufgetretenen
positiven Ladung im Zellinneren. Nach ca. 1ms schließen sich die Natriumkanäle wieder.
Dies kennzeichnet das Ende der AP-Anstiegsphase und den Beginn der Repolarisation
durch den kontinuierlichen Ausstrom von K+-Ionen. Nach erreichen der Repolarisation
schließen sich auch die Kaliumkanäle wieder. Das Schließen der Kaliumkanäle erfolgt relativ
langsam, deshalb kommt es zu einer kurzen Hyperpolarisation (K+-Ionen stömen aus der
Zelle).
39
Die Zahl der Ionen, die während eines APs in Bewegung sind, ist verglichen mit der
Gesamtzahl der Ionen innerhalb und außerhalb eines Neurons sehr gering. Am AP sind nur
die Ionen in unmittelbarer Nähe der Membran beteiligt. Somit hat ein einziges AP nur eine
geringe Auswirkung auf die relativen Konzentrationen verschiedener Ionen innerhalb und
außerhalb des Neurons das Ruhemembranpotential wird durch zufällige Bewegungen der
Ionen schnell wiederhergestellt.
4.5.2 Refraktärzeiten
Nach der Auslösung eines AP gibt es eine kurze Zeitspanne (1-2ms), während der es nicht
möglich ist ein weiteres AP auszulösen.  absolute Refraktärzeit, darauf folgt die 
relative Refraktärzeit , währenddessen ist es möglich ein AP zu generieren, aber nur bei
stärkerer Reizung. Die relative Refraktärzeit ist beendet, wenn die Höhe der Stimulation, die
zum Auslösen eines APs notwendig ist, wieder auf das Grundniveau zurückkehrt.
Die Refraktärzeit ist verantwortlich dafür, dass:
1. Die AP nur in eine Richtung weitergeleitet werden kann. Da die Abschnitte (über die
ein AP weitergeleitet wird) eines Axons vorübergehend refraktär sind, kann ein AP
seien Richtung nicht ändern.
2. Die Entladungsrate begrenzt ist und im Zusammenhang mit der ursächlichen
Reizintensität steht. Bei andauernder (starker) Stimulation wird gefeuert, sobald die
absolute Refraktärzeit vorüber ist.
Bei geringer Reizintensität (also wenn im Ruhezustand nur ein AP ausgelöst werden
kann) feuert das Neuron erst dann wieder, wenn auch die relative Refraktärzeit
vorüber ist.
4.5.3 Axonale Weiterleitung der Aktionspotentiale
Die Weiterleitung des APs unterscheidet sich von der Weiterleitung der EPSPs und IPSPs in
2 wichtigen Punkten:
1. Die Weiterleitung eines APs erfolgt entlang eines Axons ohne Abschwächung.
2. Die Weiterleitung eines APs entlang eines Axons erfolgt relativ langsam.
Der Grund für diese Unterscheidung ist, dass die Weiterleitung der EPSPs und IPSPs passiv
erfolgt, während die Weiterleitung einer AP hauptsächlich aktiv erfolgt.
40
Wie erfolgt die Weiterleitung?:
Nachdem ein AP generiert wurde, wird dieses kurz passiv bis zu den nächsten
Natriumkanälen weitergeleitet. Diese Natriumkanäle müssen sich aber erst noch öffnen
(nach der Öffnung strömen Na+-Ionen in das Neuron), wo es dann erneut zur aktiven
Entstehung eines APs kommt.
Diese Ereignisse laufen wiederholt ab, sodass daraus eine so genannte Erregungsschwelle
resultiert; bis also in allen synaptischen Endköpfchen ein voll ausgebildetes AP ausgelöst
wird. Die Erregungsschwelle breitet sich rückwärts über den Zellkörper und die Dendriten
des Neurons aus. (ein bisschen wie eine Schnur, die auf einer Seite ruckartig nach oben
ausgelenkt wird)
Analogie zur axonalen Weiterleitung  Mäusefallen (siehe Buch Seite 110/Kritisch Denken)
• Antidrome (gegenläufige) Weiterleitung: Wenn das Axonende mit ausreichender
Intensität stimuliert wird, so wird ein AP generiert und wandert entlang des Axons
zurück zum Zellkörper – die Weiterleitung erfolgt also vom Endköpchen zu den
Zellkörper.
• Orthodrome (richtige) Weiterleitung: Wenn die axonlae Ausbreitung vom Zellkörper
zu den Endköpfchen erfolgt.
4.5.4 Weiterleitung in myelinisierten Axonen
Die Axone sind durch Myelin von der Extrazellulärflüssigkeit isoliert. Hier können Ionen die
axonale Membran nur an den sogenannten Ranvier´schen Schnürringen (Lücken
zwischen benachbarten myelinisierten Segmenten) passieren. Ionenkanäle kommen
vermehrt an den Ranvier´schen Schnürringen vor. Ein generiertes AP breitet sich passiv –
d.h. unmittelbar und durch die Weiterleitung abgeschwächt – entlang des ersten
Myelinsegments bis zum ersten Ranvier-Schnürring aus. Obwohl es dadurch etwas an
Stärke verliert, reicht es immer noch aus, um die spannungsgesteuerten Natriumkanäle zu
öffnen und so ein neues AP generieren zu können. Dieses AP wird dann passiv entlang des
Axons bis zum nächsten Schnürring geleitet, wo ein weiteres AP ausgelöst wird und so
weiter.
Die Myelinisierung erhöht die Geschwindigkeit der axonalen Weiterleitung, also  schnellere
Geschwindigkeit durch saltatorische ( „springen“ ) Erregungsleitung
Da sich ein AP entlang eines Myelinabschnitts passiv ausbreitet, findet die Ausbreitung
unmittelbar statt. Das Signal „springt“ also von einem Schnürring zum nächsten. Es kommt
zu einer kurzen Verzögerung, während das AP aktiv generiert wird, aber dennoch erfolgt die
Weiterleitung in myelinisierten Axonen schneller als in unmyelinierten Axonen. Die
Übertragung von APen in myelinisierten Axonen wird als saltatorische Erregungsleitung
bezeichnet.
Was für Geschwindigkeiten sind möglich?
Die Erregungsleitung findet in Axonen mit einem großen Durchmesser und myelinisierten
Axonen schneller statt (bis zu 100m/s). Im Gegensatz dazu leiten dünne, unmyelinisierte
Axone AP langsamer (1m/s).
Neueste Entdeckungen:
1. Auch einige Dendriten sind in der Lage, APe zu generieren
2. So genannte Dornen teilen einen Dendriten in Kompartimente. D.h also sie haben die
Eigenschaft, die postsynaptischen chemischen Veränderungen auf das unmittelbare
Gebiet der Synapse begrenzt zu halten.
3. Die Gestalt und die Zahl der Dornen ändern sich schnell als Reaktion auf neuronale
Stimulation.
41
4.6 Synaptische Transmission: Die chemische Übertragung von Signalen von einem
Neuron auf ein anderes
 Wie lösen APe, die an den Endköpfchen der Axone ankommen, die Freisetzung von
Neurotransmittern in den synaptischen Spalt aus?
 Wie tragen die Neurotransmitter das Signal auf andere Zellen über (chemische
Signalübertragung)?
5 wichtige Aspekte der synaptischen Übertragung:
1. Struktur der Synapsen
2. Synthese, Verpackung und Transport von Neurotransmittern
3. Freisetzung von Neurotransmittern
4. Aktivierung von Rezeptoren
5. Wiederaufnahme der Neurotransmitter
4.6.1 Struktur der Synapsen:
Kommunikation zwischen Neuronen findet über Synapsen statt. Neurotransmittermoleküle
werden von den Endköpfchen in den synaptischen Spalt freigesetzt und induzieren EPSPs
oder IPSPs an anderen Neuronen.
Man unterscheidet :
 Axosomatische Synapsen: befindet sich zwischen Axon und Soma (Zellkörper)
 Axodendritische Synapsen: zwischen Axon und Dendrit; meist an dendritischen
Dornen
 Axoaxonische Synapsen: zwischen zwei Axonen; wichtig für präsynaptische
Hemmung
 Dendrodentrische Synapsen: sind in der Lage in beiden Richtungen zu übertragen
Es gibt weiters:
 Direkte Synapsen: bei direkten Synapsen liegt der Ort der
Neurotransmitterfreisetzung und der postsynaptischen Rezeptorort nahe beieinander.
 Indirekte Synapsen: bei indirekten Synapsen liegt der Ort der
Neurotranmitterfreisetzung in einiger Entfernung vom Rezeptorort. Neurotransmitter
werden aus Varikositäten (Erweiterungen) entlang des Axons und seiner Äste
freigesetzt; diese werden dann weit auf umgebende Ziele verteilt
42
4.6.2 Synthese, Verpackung und Transport der Neurotransmittermoleküle
Es gibt 2 Kategorien von Neurotransmittermolekülen:
1. kleine (niedermolekulare) und
2. große (hochmolekulare) Neurotransmitter
Von den kleinen Neurotranmittern gibt es verschiedene Typen und große Neurotransmitter
sind immer Peptide. Peptide sind Aminosäureketten, die aus 10 oder weniger Aminosäuren
bestehen; sind also kurze Proteine.
Die kleinen Neurotransmitter werden in den Endköpfchen synthetisiert und vom GolgiApparat in synaptische Vesikel verpackt. Nachdem die Vesikel gefüllt sind, werden sie in der
Nähe der präsynaptischen Membran gespeichert.
Die Peptide allerdings (die großen Neurotransmitter) werden im Zellkörper von Ribosomen
zusammengesetzt (Vergleich mit Genexpression). Der Golgi-Apparat im Zellkörper verpackt
die Peptide dann ebenso in Vesikel. Die Vesikel werden dann über Mikrotubuli zu den
Endköpfchen gebracht (ca. 40cm/Tag).
Die größeren Vesikel mit Peptiden lagern sich nicht so nahe an der präsynaptischen
Membran an wie die kleinen Vesikel.
43
Manche Neuronen synthetisieren beide Neurotransmitter-Typen Koexistenz; also ein
niedermolekularer Neurotransmitter und ein Neuropeptid.
4.6.3 Freisetzung der Neurotransmitter (Exocytose)
Im Ruhezustand sammeln sich mit Neurotransmitter gefüllte Vesikel an der präsynaptischen
Membran. An der präsynaptischen Membran gibt es viele spannungsgesteuerte
Calciumkanäle. Bei Eintreffen eines APs in einem Endköpfchen einer axonalen Endigung,
öffnen sich diese Calciumkanäle und Ca2+-Ionen strömen ins Innere des Endköpfchens.
Dieser Ca2+-Ionen-Einstrom lässt die gefüllten Vesikel mit der Membran verschmelzen und
Ihren Inhalt in den synaptischen Spalt freisetzen.
Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen der Freisetzung kleiner Neurotransmitter und
der Freisetzung großer Neuropeptide. Kleine Neurotransmitter werden impulsartig im
Zusammenhang mit dem Eintreffen der APe freigesetzt (kurzzeitiger Einstrom von Ca2+Ionen), während Neuropeptide allmählich freigesetzt werden. (Abbildung auf Buch Seite 116)
4.6.4 Rezeptoraktivierung durch Neurotransmittermoleküle
Nach ihrer Freisetzung lösen Neurotransmittermoleküle in den postsynaptischen Neuronen
Signale aus, indem sie sich an Rezeptoren in der postsynaptischen Membran binden. 
PSPe werden durch die Bindung von Neurotransmittern an Rezeptoren erzeugt.
Ein Rezeptor besteht aus einem Protein mit Bindungsstellen für nur bestimmte
Neurotransmitter. Ein Neurotransmitter braucht immer einen spezifischen Rezeptor, um
Wirkung zu zeigen. Jedes Molekül, das an ein anderes bindet, wird als dessen Ligand
bezeichnet. Ein Neurotransmitter ist also ein Ligand seines Rezeptors.
Meist kann ein Neurotransmitter aber an mehrere verschiedene Rezeptoren binden
(Subtypen des spezifischen Rezeptors). Ein Vorteil der Rezeptorsubtypen ist, dass sie einem
Neurotransmitter ermöglichen, in verschiedenen Bereichen des Gehirns unterschiedliche
Arten von Nachrichten zu übermitteln.
2 Typen von Rezeptoren:
1. Ionotrope Rezeptoren sind an ligandgesteuerten Ionenkanälen gekoppelt. Die
Bindung an einen ionotropen Rezeptor öffnet sofort den Ionenkanal, sodass
unmittelbar ein PSP induziert wird.
2. Metabotrope Rezeptoren: sind an Signalproteine und an G-Proteine gekoppelt. Die
Bindung an einen metabotropen Rezeptor veranlasst die Abspaltung einer
Untereinheit eines innen angekoppelten G-Proteins. Die abgespaltete Untereinheit
kann dann innen entlang der Membran an nahe gelegene Ionenkanäle binden
(dadurch wird ein EPSP/IPSP induziert), oder sie kann die Synthese eines
sekundären Botenstoffs auslösen.
Der sekundäre Botenstoff diffundiert dann durch das Zytoplasma und kann
beispielsweise in den Zellkern eindringen und Genexpression beeinflussen.
Weiters gibt es auch sogenannte Autorezeptoren. Autorezeptoren sind metatrop und
gehen eine Bindung mit Neurotransmittern des eigenen Neurons ein (präsynaptisch).
Sie können die Freisetzung der Neurotransmitter in den synaptischen Spalt
reduzieren oder stärken.
Metabotrope Rezeptoren sind häufiger als ionotrope Rezeptoren; ihre Effekte entwickeln sich
langsamer und halten länger an. Sie sind diffuser und variieren mehr.
Wichtige Hinweise:
Kleine (niedermolekular) Neurotransmitter werden eher an direkten Synapsen ausgeschüttet
und aktivieren eher ionotrope Rezeptoren, oder direkt auf Ionenkanäle wirkende metatrope
Rezeptoren. Sie sind in schnelle Signalübertragung eingebunden.
44
Neuropeptide werden eher diffus freigesetzt (indirekte Synapsen) und binden an
metatrope Rezeptoren, die über sekundäre Botenstoffe wirken. Sie sind in langsame und
lang anhaltende Signalübertragung eingebunden.
4.6.5 Wiederaufnahme, enzymatischer Abbau und Recycling
Damit ein Neurotransmitter nicht unaufhörlich aktiv bleibt (wenn es aktiv bleiben würde,
würde es den Kommunikationskanal blockieren) gibt es eine sogenannte Wiederaufnahme
(oft) und einen enzymatischen Abbau (selten) von Neurotransmittern.
45
Die Wiederaufnahme der
Neurotransmitter in die
präsynaptischen Endköpfchen
findet sofort nach ihrer
Freisetzung statt.
m Zuge eines enzymatischen
Abbaus werden die anderen
Neurotransmitter in der
Synapse aufgespalten und ihre
Abbauprodukte wieder in die
Endköpfchen aufgenommen.
Enzyme sind Proteine, die
biochemische Reaktionen
stimulieren oder hemmen ohne
selbst von ihnen beeinflusst zu
werden. (Abbildung auf Buch
Seite 118)
Was machen Gliazellen, von
denen es ja 10 mal mehr gibt
als Neuronen?
Astrocyten setzen auch
chemische Botenstoffe frei,
haben auch Rezeptoren für
Neurotransmitter, leiten Signale
weiter und sind an der
Wiederaufnahme von
Neurotransmittern beteiligt.
Astrocyten sind mit Neuronen
über sogenannte Gap
junctions verbunden.
Gap junctions sind enge
Räume zwischen Zellen, die
über röhrenförmige und mit
Cytoplasma gefüllte Kanäle
verbunden sind.  Elektrische
Synapsen (sind im NS
wirbelloser Tiere weit
verbreitet). Durch die
Verbindung ist das Cytoplasma
zwischen den beiden Neuronen nicht unterbrochen, somit können die elektrischen Synapsen
von einem Neuron zum anderen wandern. Gap junctions spielen für die Funktion des
menschlichen Gehirns eine wichtige Rolle.
4.7 Neurotransmitter
4.7.1 Aminosäuren
Die meisten schnell reagierenden, direkten Synapsen basieren auf Aminosäuren
(Proteinbausteine) als Neurotransmitter.
Die bekanntesten 4 sind:
1. Glutamat
2. Aspartat
3. Glycin
4. Gamma-Amino-Buttersäure (GABA)
46
Glutamat ist der am weitesten verbreitete exzitatorische Neurotransmitter im ZNS der
Säugetiere; GABA ist der am weitesten verbreitete inhibitorische Neurotransmitter im ZNS
der Säugetiere.
4.7.2 Monoamine
Jedes Monoamin wird aus einer bestimmten Aminosäure synthetisiert. Monoamine kommen
in kleinen Neuronengruppen, deren Zellkörper sich hauptsächlich im Hirnstamm befinden,
vor. Monoaminerge Neurotransmitter sind etwas größer als aminerge Neurotransmitter und
ihre Wirkungen sind etwas diffuser.
Es gibt 4 Monoamine-Neurotransmitter:
1. Dopamin
2. Andrenalin (od Epinephrin)
3. Noradrenalin (Norepinephrin)
4. Serotonin
Die Monoamine lassen sich strukturell in 2 Gruppen einteilen:
Catecholamine:
Indolamine:
Dopamin
Serotonin
Noradrenalin
Adrenalin
Die Catecholamine werden alle aus der Aminosäure Tyrosin synthetisiert.
Serotonin wird aus der Aminsäure Tryptophan synthetisiert.
Abbildung 4.14 Buch Seite 120: Tyrosin wird in L-Dopa umgewandelt und dieses wiederum
in Dopamin.  Noradranalin Adrenalin
Neurone die Noradrenalin ausschütten werden als noradrenerg bezeichnet und solche die
Adrenalin ausschütten als adrenerg.
4.7.3 Lösliche Gase
Die löslichen Gase beinhalten Stickstoffmonoxid (NO) und Kohlenmonoxid (CO).
Beide löslichen Gase werden im Cytoplasma entsprechender Neuronen produziert und
diffundieren direkt durch die Zellmembran in die extrazelluläre Flüssigkeit und dann in
benachbarte Zellen.
Sie lösen die Produktion eines sekundären Botenstoffes aus und werden rasch deaktiviert
(wenige Sekunden), indem sie in andere Moleküle umgewandelt werden. Sie sind an der
sogenannten retrograden Transmission beteiligt. D.h. sie regulieren postsynaptisch die
Aktivität präsynaptischer Neuronen, indem sie „Feedbacksignale“ abgeben.
4.7.4 Acetylcholin
Acetylcholin entsteht indem eine Acetylgruppe an ein Cholinmolekül gekoppelt wird. Ach ist
der Neurotransmitter neuromuskulärer Synapsen, vieler Synapsen des autonomen (PNS)
und auch des zentralen Nervensytems. Sie wird im synaptischen Spalt über das Enzym
Acetylcholinesterase abgebaut. Ach auschüttende Neuronen werden als cholinerg
bezeichnet.
4.7.5 Neuropeptide
Es gibt an die 100 verschiedene Neuropeptide. Ein Beispiel sind die sogenannten
Endorphine (endogene Opiate). Endorphine aktivieren neuronale Systeme, die an der
Schmerzunterdrückung beteiligt sind (Analgesie) und auch solche, die das Erleben von
Freude vermitteln.
47
4.8 Pharmakologie der synaptischen Übertragung
Durch die neurowissenschaftliche Erkenntnis über die prinzipiellen Mechanismen
synaptischer Übertragung ergaben sich viele Möglichkeiten, Substanzen zu entwickeln, die
diese modifizieren. Die Untersuchung von Pharmaka, die synaptische Übertragung
verändern und so auf psychologische Prozesse einwirken, ist weit verbreitet.
Pharmakologische Substanzen wirken immer entweder erleichternd (Agonist) oder
hemmend (Antagonist) auf eine synaptische Übertragung.
4.8.1 Wie Pharmaka und Drogen die synaptische Übertragung beeinflussen
1. Kokain (ein Agonist): erhöht die Aktivität von Dopamin und Noradrenalin, indem es
die Wiederaufnahme dieser Neurotransmitter aus dem synaptischen Spalt in die
präsynaptischen Endköpfchen hemmt. Als Konsequenz ist die Wirkung von Dopamin
und Noradrenalin an den postsynaptischen Rezeptoren länger anhaltend. Psychische
EffekteEuphorie, Appetitverlust und Schlaflosigkeit!
2. Benzodiazepine (Agonist): binden an den ionotropen GABAA-Rezeptor an einer
anderen Stelle als die normalen GABA-Moleküle und verstärken so den
inhibitorischen Effekt (als zusätzliche Rezeptorwirkung; fördern den Einstrom von Cl- Ionen und helfen so bei der Hyperpolarisation) Sie haben eine Angst reduzierende,
Schlaf induzierende und Krampf hemmende Wirkung.
3. Atropin (ein Antagonist): ist der pharmakologisch aktive Bestandteil der Tollkirsche
(Atropa belladonna) Atropin bindet an den muskarinergen Rezeptor (ein Subtyp des
Acetylcholinrezeptors) und wirkt so als Rezeptorblocker für Aceytlcholin. Da es viele
cholinerger Gedächtnisprozesse gibt, lösen hohe Dosen von Atropin
Gedächtnisbeeinträchtigungen hervor.
4. Curare (ein Antagonist): bindet an den nikotinergen Rezeptor (ein weiterer Subtyp
des Acetylcholinrezeptors) und blockiert so die Übertragung an neuromuskulären
Synapsen. Curare führt zu Lähmungen und kann über die Hemmung der Atmung
zum Tod führen.
5. Botulinustoxin (Botox, ein Antagonist): ist genauso wie Curare ein nikotinerger
Antagonist. Es blockiert auch die Übertragung an der neuromuskulären Synapse und
führt zu Lähmungserscheinungen. Sie wird häufig in verdorbenem Essen gefunden
und ist ein tödlicher Gift.
Einige Mechanismen, wie Pharmaka und Drogen wirken (Abbildung 4.17 auf Buch Seite 125)
48
49
Kapitel 5: Die Forschungsmethoden der Biospsychologie
1. Methoden zur Untersuchung des Nervensystems
1.1 Visualisierung und Stimulation des lebenden menschlichen Gehirns
 Röntgenkontrastuntersuchungen
Konventionelle Röntgenaufnahmen sind zur Visualisierung des
Gehirns nicht brauchbar, das Gehirn ist
nämlich keine innere Struktur die sich von
ihrer Umgebung erheblich unterscheidet.
Beispiel: Wenn ein Röntgenstrahl auf
Knochen im Fleisch trifft absorbiert das
Fleisch größtenteils die Strahlen und die Knochen sind deutlich
sichtbar! Die zahlreichen, einander überlappenden Strukturen des
Gehirns absorbieren die Strahlen aber annähernd gleich somit lassen sie sich auf einem Röntgenbild
nicht unterscheiden (man sieht zwar das Gehirn als ganzes, aber nicht die einzelnen komplexen
Strukturen)
Bei Röntgenkontrastuntersuchungen ist dies aber möglich. Hier wird eine Substanz in einen Bereich
des Körpers injiziert, die Röntgenstrahlen entweder stärker oder schwächer absorbiert als das
umliegende Gewebe. Die injizierte Substanz erhöht den Kontrast zw. Interessierenden Bereich und
Gewebe drumherum. Bestimmte Form der Röntgenkontrastuntersuchung: cerebrale
Angiographie hier wird Kontrastmittel in eine cerebrale Arterie injiziert, um das cerebrale
Kreislaufsystem während einer Röntgenuntersuchung sichtbar zu machen. Diese Methode ist vor
allem zur Lokalistation vaskulärer Schädigungen und Tumoren nützlich.
 Computertomographie (CT)
= computergestütztes Röntgenverfahren zur Visualisierung des Gehirns und anderer innerer
Strukturen. Während einer cerebralen CT liegt Patient mit seinem Kopf im
Zentrum eines großen Zylinders (siehe Bild) Auf einer Seite des Zylinders
befindet sich eine Röntgenröhre, die einen Röntgenstrahl durch den Kopf
des Patienten zu dem Röntgenstrahldetektor auf der gegenüberliegenden
Seite projiziert. Röntgenröhre und –detektor rotieren automatisch auf einer
Ebene um das Gehirn des Patienten und erstellen so viele einzelne
Röntgenbilder, diese werden dann per Computer zusammengesetzt.
Anschließend bewegen sich Röntgenröhre und Detektor zu einer anderen
Ebene des Gehirns. Vorgang wird so lang wiederholt bis man eine, durch Computer
zusammengestellte, 3D- Darstellung des Gehirns hat.
 Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT)
= Verfahren bei dem hochauflösende Bilder über die Messung von Wellen erstellt werden, die
Wasserstoffatome ausstrahlen, wenn sie über Radiowellen in einem Magnetfeld erregt werden. MRT
liefert deutlichere Bilder als CT, hat eine relativ hohe räumliche Auflösung und kann zusätzlich
dreidimensionale Bilder erzeugen.
 Positronen-Emissions-Tomographie (PET)
= bilde gebendes Verfahren zur Darstellung des Gehirns. Wird in
biopsychologischer Forschung oft verwendet, weil es Bilder von
Gehirnaktivitäten und nicht nur der Gehirnstruktur liefert. Übliche
Anwendung: Radioaktive 2-Desoxyglukose (2-DG) wird in die Karotisarterie
(Halsarterie, die die ipsilaterale cerebrale Hemisphäre versorgt) injiziert. Da
2-DG der Glukose ähnlich ist, wird sie schnell von aktiven Neuronen
aufgenommen. Sie kann aber nicht wie die Glukose metabolisiert werden
und sammelt sich daher in aktiven Neuronen an bis sie zerfällt. PET-Scan
liefert ein Abbild der Stärker der Radioaktivität in verschiedenen Teilen des
Gehirns, wird Patienten z.B. aufgefordert zu lesen, lässt sich mittels PET-Scan jenes Hirnareal
bestimmen, welches beim Lesen am stärksten aktiv ist. PET-Scan liefert also keine Bilder des Gehirns
sondern quasi eine farbige Karte der Stärke der Radioaktivität.
 Funktionelle MRT (fMRT)
=> erzeugen Bilder von den Veränderungen in der Sauerstoffsättigung des Blutes in den aktiven
Bereichen des Hirns. Vorteile gegenüber PET:
• Keine radioaktive Injektion nötig
50
•
Liefert sowohl strukturelle als auch funktionelle Information in ein und demselben Bild
•
Räumliche Auflösung besser
•
Liefert 3D Bilder der Aktivität des gesamten Gehirns
 Magnetoencephalographie (MEG)
 Misst Veränderungen in den Magnetfeldern auf der Oberfläche der Kopfhaut, die durch
Veränderungen in den zugrunde liegenden Mustern neuronaler Aktivität hervorgerufen
werden. Hauptvorteil gegenüber fMRT ist die zeitliche Auflösung: kann schnelle
Veränderungen der neuronalen Aktivität erfassen.
 Gehrinbilder-Archive
Neue Entwicklung: Fokus nicht auf der Entwicklung neuer Bildgebungsverfahren sondern auf der
Einrichtung von Gehirnbilder- Archiven. Mittlerweile reichen viele Bildgebungsforscher ihre Rohdaten
aus zahlreichen Untersuchungen in ein Gehirnbilder-Archiv ein, zu dem andere Forscher Zugang
haben. Kognitive Neurowissenschaftler können so die Rohdaten einer bestimmten Studie mit den
Bildern aus dem Archiv vergleichen oder kombinieren.
 Transkranielle Magnetstimulation (TMS)
PET, fMRT und MEG können zwar Zusammenhang zwischen kognitiver Aktivität und Gehirnaktivität
aufzeigen, können aber nicht beweisen dass diese auch wirklich in einem kausalen Zusammenhang
stehen. TMS könnte eine Möglichkeit eröffnen kausale Zusammenhänge zwischen der menschlichen
kortikalen Aktivität und Kognition zu untersuchen. TMS = Verfahren, mit dem die Aktivität in einem
Bereich des Cortex unterbrochen werden kann, indem ein Magnetfeld und einer Spule erzeugt wird,
die neben dem Schädel positioniert ist. Tatsächlich schaltet die magnetische Stimulation
vorübergehend Teile des Gehirns ab, und während dieser Zeit werden die Auswirkungen auf
Kognition und Verhalten untersucht. Aktuell wird TMS zur Untersuchung der neuronalen Grundlagen
der Kognition verwendet. Das volle Potential kann erst ausgeschöpft werden wenn grundlegendende
Fragen über Sicherheit, Tiefe des Effekts und die Mechanismen der neuronalen Unterbrechung
beantwortet sind.
1.2 Die Aufzeichnung psychophysiologischer Aktivität beim Menschen
Methoden zur Aufzeichnung physiologischer Aktivität von der Oberfläche des menschlichen Körpers
 Elektroenzephalographie (EEG)
= Maß der elektrischen Gesamtaktivität des Gehirns . Scheibenförmige Elektroden werden auf die
Kopfhaut geklebt, das Oberflächen-EEG Signal spiegelt die Summer elektrischer Ereignisse im
ganzen Kopf wieder. Ereignisse umfassen: Aktionspotentiale; postsynaptische Potentiale; elektrische
Signale von der Haut, den Muskeln, dem Blut und den Augen (letztere werden eher ungewollt
aufgezeichnet Störfaktoren) Bestimmte EEG- Wellen gehen mit bestimmten
Bewusstseinszuständen einher (z.B. Alpha-Wellen regelmäßige hochamplitudige Wellen, mit 8 bis
12 Schwingungen pro Sekunde, die mit entspannter Wachheit verbunden sind) oder mit bestimmten
cerebralen Pathologien (z.B. Epilepsie)
Psychophysiolegen sind meist mehr an den EEG-Wellen interessiert, die mit bestimmten psychischen
Vorgängen eihergehen, als an den EEG-Hintergrund-Signalen (= Spontan-EEG; werden i.A. als
ereigniskorrelierte Potentiale [EKPs] bezeichnet). Eine häufig untersuchte Art der EKPs sind die
sensorisch evozierten Potentiale (= Veränderungen im kortikalen EEG-Signal) die durch kurzzeitige
Präsentation eines sensorischen Reizes ausgelöst wird.
Das kortikale EEG, das auf einen sensorischen Stimulus folgt, hat 2 Komponenten: Die Reaktion auf
den Reiz (das Signal) und die permanente EEG-Hintergrundaktivität (das Rauschen). Das Signal ist
der interessante Teil. Problem: Rauschen ist oft stärker als das Signal. Methode zur Reduktion des
Rauschens: SignalmittelungReaktion einer Vp auf einen Reiz wird viele Male aufgezeichnet z.B.
1000 Mal. Dann bestimmt ein Computer den Millivolt-Wert der 1000 Punkte. Als nächstes betrachtet
er den Wert jeder der 1000 Spuren 1 Millisekunde (ms) nach ihrem Beginn und berechnet den
Mittelwert dieser Werte. Vorgang wird bei 2-ms-Marke, 3 ms-Marke usw. wiederholt. Wenn diese
Mittelwerte dann graphisch dargestellt werden, wird die durchschnittliche Reaktion, die das Klicken
ausgelöst hat, deutlich sichtbar, da sich das zufällige Hintergrund-EEG über die Mittelung aufhebt. Bei
der Analyse gemittelter evozierter Potentiale ist dann jede Welle durch Ausrichtung (positiv/negativ)
und durch ihre Latenz gekennzeichnet.
EEG allein reicht, wegen schlechter räumlicher Auflösung, nicht um Quelle der Signale zu lokalisieren.
Allerdings erlaubt die Kombi EEG+MRT-Scan die Quelle sehr genau zu lokalisieren.
51
 Muskelspannung
Muskelfasern kontrahieren nach dem Alles oder Nichts-Prinzip. Zu jedem Zeitpunkt kontrahieren sich
in jedem ruhenden Muskel wahrscheinlich ein paar Fasern, wodurch der Gesamttonus (Spannung)
des Muskels aufrecht erhalten wird. Bewegung entsteht dann, wenn sich eine große Zahl an
Muskelfasern gleichzeitig kontrahiert. Psychophysiologen verwenden den Grad der Ruhespannung in
Muskeln als Indikator für psychische Aktiviertheit (arousal).
Elektromyographie = das gebräuchliche Verfahren zur Messung der Muskelspannung. Die
resultierende Aufzeichnung wird als Elektromyogramm (EMG) bezeichnet. Messung ähnlich wie bei
EEG: EMG-Aktivität wird zw. 2 Elektroden abgeleitet, die über interessierenden Muskel befestigt
sind Zunahme in der Muskelkontraktion bedeutet Zunahme in der Amplitude des EMG-Rohsignals,
wobei das Rohsignal die Anzahl der aktivierten Muskelfasern widerspiegelt. Psychophysiologen
arbeiten aber nicht mit den Rohsignalen sondern integrierten Signalen (d.h. die gesamte EMGAktivität pro Zeiteinheit; ähnlich wie Signalmittelung bei EEG)
 Augenbewegungen
Verfahren zur Aufzeichnung von Augenbewegungen = Elektrookulographie. EOG basiert auf der
Tatsache, dass zwischen Vorderseite (positiv) und Rückseite (negativ) des Augapfels eine konstante
Potentialdifferenz besteht. Aufgrund dessen kann eine Augenbewegung in dem elektrischen Potential
zwischen Elektroden, die um das Auge herum platziert werden, gemessen werden.
 Hautleitfähigkeit (elektrodermal Aktivität)
Gemessen durch: Hautleitfähigkeitsniveau (SCL = skin conductance level) und die
Hautleitfähigkeitesreaktion (SCR= skin conductance response). SCL= Maß für das Hintergrundniveau
der Hautleitfähigkeit, das mit bestimmter Situation assoziiert ist. SCR= Maß für vorübergehende
Veränderung in der Hautleitfähigkeit, die mit diskreten Ereignissen verknüpft sind.
Physiologische Grundlagen der Hautleitfähigkeit sind noch weitgehend unerforscht. Zahlreiche
Befunde bringen die Schweißdrüsen damit in Zusammenhang. Drüsen neigen nämlich auch dazu, in
emotionalen Situationen aktiv zu werden.
 Kardiovaskuläre Aktivität
Das Kard.v. System besteht aus 2 Teilen: den Blutgefäßen und dem Herz. Es ist ein System zur
Verteilung von Sauerstoff und Nährstoffen zu den Geweben des Körpers, zur Entfernung von
Abfallprodukten des Stoffwechsels und zur Übertragung chemischer Botschaften. In
psychophysiologischer Forschung werden 3 Maße der kardiovaskulären Aktivität verwendet:
Herzrate, arterieller Blutdruck und lokales Blutvolumen.
Herzrate: Aufzeichnung der Schläge pro Minute durch EKG. Gesunder Erwachsener: 70
Schläge/Minute.
Blutdruck: Zur Messung gehören 2 unabhängige Maße Maß fürs Druckmaximum während der
Phasen der Herzkontraktion (Systolen) und ein Maß fürs Druckminimum während der Phasen der
Entspannung (Diastolen). Blutdruck wird gewöhnlich als Verhältnis zwischen systolischem zu
diastolischem Blutdruck in mmHg (Millimeter Quecksilbersäule) angegeben. Durchschnittswert:
130/70 mmHg. Chronisch über 140/90 Gesundheitsrisiko (Hypertonie)
Unser Blutdruck wird oft mittels Sphygmomanometer (Sphygmos= Puls) (Druckmanschette mit
Gummiball zum Aufpumpen und einer Druckanzeige) gemessen. In der Forschung werden aber
zuverlässigere automatisierte Verfahren verwendet.
Blutvolumen: Veränderungen im Blutvolumen in bestimmten Teilen des Körpers sind mit psychischen
Vorgängen assoziiert. Bekanntestes Beispiel: Anschwellen der Genitalien bei sexueller Erregung.
Verschiedene Verfahren zur Messung des Volumens werden als Plethysmographie (Plethysmos=
Vergrößerung) bezeichnet. Bei einer dieser Methoden wird das Volumen des Zielgewebes über einen
darumgewickelten Dehnungsmessstreifen erfasst. Nachteil: Anwendungsmöglichkeiten eingeschränkt.
Bei einer anderen Methode wird Licht durch das Zielgewebe gesendet und die absorbierte Lichtmenge
erfasst. Je mehr Blut im Gewebe, desto mehr Licht wird absorbiert.
1.3 Invasive physiologische Forschungsmethoden
Da direkte Manipulation des menschlichen Gehirns aus ethischen Gründen untersagt ist, werden bei
den direkten invasiven Verfahren statt Vp Labortiere verwendet. Diese Verfahren lassen sich 3
Kategorien zuordnen: Läsionsmethoden, elektrische Stimulationsmethoden und invasive
Ableitungsmethoden. Vorerst wird aber die stereotaktische Chirurgie beschrieben:
52
 Stereotaktische Chirurgie
= Hilfsmittel durch das experimentelle Vorrichtungen präzise innerhalb des Gehirns positioniert
werden. 2 Dinge werden benötigt:
1. Stereotaktischer Atlas nötig zur Lokalistation von Gehirnstrukturen. Alle Entfernungen von
einem bestimmten Bezugspunkt sind in mm angegeben.
2. Und ein Instrument (zum Erreichen des zu untersuchenden Ortes) Stereoaktischer Apparat:
besteht aus einer Kopfhalterung und einer Elektrodenhalterung.
 Läsionsmethoden
Teile des Gehirns werden beschädigt, zerstört oder entfernt und anschließen das Verhalten des
Versuchstieres sorgfältig beurteilt, um die Funktion en der geschädigten Struktur zu bestimmen.
Vier Läsionstypen werden besprochen:
Aspirationsläsionen Wenn Läsion im Bereich von kortikalem Gewebe ausgeführt werden soll, der
den Augen und Instrumenten des Chirurgen zugänglich ist wird meistens Methode der Aspiration
(Absaugung) verwendet.
RadiofrequenzläsionenKleine subkortikale Läsionen: Über die Spitze einer stereotaktisch
positionierten Elektrode wird Hochfrequenzstrom geleitet.
Transektionen „Durchtrennung wird verwendet, um Weiterleitung in einem Nerven oder einem Trakt
auszuschalten.
Kryogene Blockade (reversible Läsionen) Alternative zu zerstörenden Läsionen: Kühlflüssigkeit wird
durch eine implantierte Kryosonde gepumpt. Neuronen in Nähe dieser Sondenspitze werden
abgekühlt, bis sie das „Feuern“ einstellen. Wenn sich Gewebe anschließen wieder erwärmt, kehrt die
neuronale Aktivität wieder zurück.
Interpretation von Läsionseffekten:
=Nicht einfach! Auch bei sehr fähigen Chirurgen kann es vorkommen das auch benachbarte
Strukturen zerstört werden. Deswegen größte Vorsicht bei Interpretationen!
Bilaterale und unilaterale Läsionen: Generell gilt (außer bei wenigen bemerkenswerten Ausnahmen),
dass die Verhaltenseffekte von unilateralen (auf eine Seite des Hirns beschränkten) Läsionen
wesentlich leichter ausfallen als diejenigen von symmetrischen bilateralen (beide Seiten des Hirns
betreffenden) Läsionen. Tatsächlich sind aber Verhaltenseffekte unilateraler Läsionen einiger
Gehirnstrukturen schwer nachzuweisen. Somit basieren die meisten experimentellen Studien auf
bilateralen Läsionen.
 Elektrische Stimulation
Wird gewöhnlich durch eine bipolare Elektrode durchgeführt: Schwache Stromimpulse bedingen einen
unmittelbaren Anstieg der Feuerrate von Neuronen in der Nähe der Spitze der Elektrode. Ist enorm
wichtiges Forschungswerkzeug da sie oft zu Verhaltenseffekten führt, die gewöhnlich denen einer
Läsion an derselben Stelle entgegengesetzt sind. Die spezielle Verhaltensantwort auf die Stimulation
hängt von der Lage der Elektrodenspitze, den Parametern des Stroms und der Testumgebung ab.
 Invasive elektrophysiologische Ableitungsmethoden
1. Intrazelluläre Zellableitung: ermöglicht eine kontinuierliche Aufzeichnung der abgestuften
Fluktuationen im Membranpotential eines einzelnen Neurons.
2. Extrazelluläre Zellableitung: Aktionspotential eines Neurons kann auch über Mikroelektrode
aufgezeichnet werden. Liefert aber keine Info über das Membranpotential.
3. Summenableitung: Hier können Signale von mehreren Neuronen registriert werden.
Aktionspotentiale werden in einen integrierenden Schaltkreis eingespeist und so addiert.
4. Invasive EEG-Ableitung: An Labortieren werden EEG-Signale über implantierte Elektroden
aufgezeichnet. Kortikale EEG-Signale werden über rostfreie Schädelschrauben, subkortikale
über stereotaktisch implantierte Drahtelektroden erfasst.
53
1.4 Pharmakologische Forschungsmethoden
Forschungsstrategie: pharmakologische Substanzen werden verabreicht, die die Wirkung bestimmter
Neurotransmitter entweder verstärken oder verringern, und deren Auswirkungen auf das Verhalten
werden beobachtet.
 Applikation pharmakologischer Substanzen
Arten diese Substanzen zu verabreiche: Tier fütter (oral), in den Magen injiziert (intragastral), unter die
Haut injiziert, entweder in die Bauchfellhöhle des Abdomens (intraperitonal, IP), in einen Großen
Muskel (intramuskulär, IM), in das Fettgewebe (subkutan, SK) oder in eine große Oberflächenvene
(intravenös, IV). Problem: Viele Substanzen durchdringen Blut-Hirnschranke nicht leicht.
Problemlösung: Kleine Mengen können auch über Kanüle (implantierte, dünne, hohle Röhre)
verabreicht werden.
 Selektive chemische Läsionen
Hierbei werden Neurotoxine (Nervengifte) injiziert, diese haben eine Affinität für bestimmte
Komponenten des Nervensystems. Beispiele für selektive Neurotoxine: Kainsäure oder Ibotensäure
werden bevorzugt von den Zellkörpern an der Spitze der Kanüle aufgenommen und zerstören diese
Neuronen, lassen aber Neurone, deren Axone durchs Gebiet verlaufen, größtenteils unbeschädigt. 6Hydroxydopamin (6 –OHDA) wird nur von Neuronen aufgenommen, die die Neurotransmitter
Noradrenalin oder Dopamin freisetzen.
 Messung der chemischen Aktivität des Gehirns
Hierfür existieren viele Methoden, 2 davon haben sich als besonders hilfreich erwiesen:
1. 2-DesoxyglukoseTechnik: wird Versuchstier injiziert, dieses wird dann in eine Testsituation
gebracht, in der es das interessierende Verhalten zeigt. 2-DG hat ähnliche Struktur wie
Glukose und wird daher von den während des Tests aktiven Neuronen stark absorbiert, aber
nicht metabolisiert. Nach Test wird das Versuchstier getötet, sein Gehirn entnommen und
Schnitte angefertigt. Diese werden dann einer Autoradiographie unterzogen, dazu werden sie
mit einer photographischen Emulsion bedeckt, ein paar Tage im Dunkeln gelagert und dann,
wie ein Film, entwickelt. Bereiche des Hirns die viel radioaktive 2-DG absorbiert haben
erscheinen auf den Abzügen als schwarze Flecken. Dichte der Flecken kann anschließend
farbkodiert werden.
2. Cerebrale Dialyse: Verfahren zur Messung der extrazellulären Konzentration bestimmter
neurochemischer Substanzen in aktiven Tieren. CD erfordert Implantation eines dünnen
Röhrchens mit einem kurzen semipermeablen Abschnitt, welcher in der interessierenden
Struktur positioniert wird, in das Gehirn. So können extrazelluläre chemische Substanzen aus
dem Gewebe in das Röhrchen diffundieren. Substanz im Röhrchen kann dann entweder
entnommen und zur späteren Analyse eingefroren werden oder in Lösung direkt mittels eines
Chromatographen (Gerät zur Messung der chemischen Bestandteile von Flüssigkeiten oder
Gasen) analysiert.
 Lokalisierung von Neurotransmittern und Rezeptoren im Gehirn
Hierfür stehen 2 Techniken zur Verfügung, bei beiden werden die Gehirnschnitte einem markierten
Liganden des zu untersuchenden Moleküls ausgesetzt (Ligand eines Moleküls ist ein anderes
Molekül, das sich an dieses bindet.
1. Immunocytochemie: Wenn einem Tier ein fremdes Protein (Antigen) injiziert wird, so
produziert es Antikörper, die sich an das Protein binden und dem Körper helfen, es zu
entfernen oder zu zerstören Immunreaktion des Körpers. Die Immunocytochemie ist ein
Verfahren zur Lokalisation eines bestimmten Neuroproteins im Hirn, indem dessen Antikörper
mit einem Farbstoff oder radioaktiven Element markiert werden und anschließend Schnitte
des Gehirngewebes den markierten Antikörper ausgesetzt werden. Regionen mit
Ansammlung von Farbstoffe oder Radioaktivität markieren die Lage des interessierenden
Neuroproteins.
54
Immunocytochemie eignet sich dazu, Neurotransmitter über die Bindung an ihre Enzyme
zu lokalisieren. Dies wird erreicht, indem Gehirnschnitte markierten Antikörpers ausgesetzt
werden, die an Enzyme binden, die nur in dem Neuron vorkommen, das den interessierenden
Neurotransmitter enthält.
2. In-situ-Hybridisierung: Dieses Verfahren nutzt die Tatsache, dass alle Peptide und Proteine
basierend auf den Sequenzen von Nukleotidbasen auf Strängen von messenger-RNA
synthetisiert werden. Die Sequenzen von Nukleotidbasen, die die Synthese vieler
Neuroproteine steuern, sind identifiziert und Hybridstränge von mRNA mit den
komplementären Basensequenzen künstlich hergestellt worden. Die in-situ-Hybridisierung
beinhaltet folgende Schritte: Als erstes braucht man Hybrid-RNA-Stränge mit der
Basensequenz, die komplementär zu der mRNA ist, die die Synthese des Zielneuroproteins
steuert. Dann werden die Hybrid-RNA-Stränge mit einem Farbstoff oder einem radioaktiven
Element markiert. Schließlich werden die Gehirnschnitte dem markierten Hybrid-RNASträngen ausgesetzt; sie binden an die komplementären mRNA Stränge und markieren so die
Position von Neuronen, die das Zielneuroprotein freisetzten.
1.5 Gentechnik
 Gen-Knockout
Gen-Knockout-Techniken sind Verfahren, mit denen Organismen erzeugt werden, denen ein
bestimmtes, zu untersuchendes Gen fehlt. Wenn solche Versuchstiere erzeugt sind, wird versucht
möglichst jede beobachtbare neuronale oder Verhaltensanomalie zu identifizieren und zu analysieren.
Interpretation der Verhaltensstudien: Auch hier Vorsicht geboten! Erstens werden die meisten
Verhaltensmerkmale durch die Aktivität vieler interagierender Gene beeinflusst. Zweitens beeinflusst
die Elimination eines Gens häufig die Expression anderer Gene, demzufolge könnte jede beobachtete
Veränderung im Verhalten nur indirekt mit dem ausgeschalteten Gen in Beziehung stehen, oder
umgekehrt könnten die Effekte eines ausgeschalteten Gens durch kompensatorische Veränderung
anderer Gene verdeckt sein. Und drittes kann die Expression von Genen durch Erfahrung beeinflusst
werden.
Antisense Pharmaka können wahrscheinlich einige Probleme der Gene-Knockout-Techniken
umgehen. Antisense-Konzept: Organismus entwickelt sich normal, anschließend wird ins Gehirn
eingegriffen und die Expression eines bestimmten Genes gehemmt Moleküle mit einer Abfolge von
Nukleinsäuren, die komplementär zu der zum Ziel-Gen gehörigen messenger-RNA ist, können die
mRNA deaktivieren und die Genexpression blockieren. Praktische Umsetzung dieses Konzepts ist
allerdings problematisch. Antisense-Pharmaka müssen dem Abbau durch den Körper widerstehen,
dürfen nicht toxisch sein und müssen spezifisch für die mRNA sein, auf die sie abzielen. Außerdem
müssen Verfahren verfügbar sein, mit denen die Antisense-Pharmaka an bestimmte neuronale
Systeme abgegeben werden können.
 Genaustausch
-Techniken eröffnen einige interessante Möglichkeiten für Entwicklungsforschung und Therapie.
Z.Bsp. haben Wissenschaftler pathologische Gene aus menschlichen Zellen entfernt und sie in das
Gnom von Mäusen eingefügt (Mäuse mit Genen einer anderen Spezies transgene Mäuse). Ebenso
besteht die Möglichkeit ein Gen durch ein anderes zu ersetzen, das mit ihm bis auf einige zusätzliche
Basen identisch ist. Diese können als Schalter fungieren, mit denen das Gen in Reaktion auf
bestimmte chemische Substanzen an- oder ausgeschaltet werden kann. Diese chemischen
Substanzen können dazu verwendet werden, ein Gen an einem bestimmten Punkt in der Entwicklung
oder in einer bestimmten Gehirnstruktur zu aktivieren oder zu unterdrücken.
2. Methoden zur Untersuchung des Verhaltens
2.1 Die neuropsychologische Untersuchung
= für Patienten mit Veränderungen in perzeptiven, emotionalen, motivationalen oder kognitiven
Funktionen. Solche Untersuchungen helfen in dreierlei Hinsicht:
a; Durch ihren Beitrag bei der Diagnose einer neuronalen Störung (besonders in Fällen, in denen EEG
und neurologische Untersuchungen keine eindeutigen Befunde erbringen)
b; Als Grundlage für Beratung und Betreuung der Patienten
c; Als Grundlage für objektive Bewertung der Wirksamkeit der Behandlung und der Ernsthaftigkeit
ihrer Nebenwirkungen
55
 Moderne neuropsychologische Ansätze
Einzeltestverfahren (vor 1950): blieben erfolglos , da ein einziger Test nicht sensitiv genug ist für die
vielen verschiedenen und komplexen psychischen Symptome, die bei einer Hirnschädigung auftreten
können.
Standardisierte Testbatterie (1960): Damals weitverbreitet: Halstead-Reitan Neuropsychological Test
Batterie) und Tübinger Luria-Christensen-Neuropsychologische Untersuchungsreihe (TÜLUC)
Ersteres ist z.B. eine Zusammenstellung von Tests, bei denen hirnschädigten Patienten im Vgl. zu
anderen (gesunden) Patienten. Diese Methode ist nur teilweise erfolgreich, weil sie effektiv zwischen
neurologischen und hirngesunden Patienten unterscheiden kann, aber nicht zwischen neurologischen
und psychiatrischen.
Individualisierte Testung: Ziel einer modernen neuropsychologischen Untersuchung: nicht nur
Patienten mit Hirnschädigung zu identifizieren, sondern auch die psychologischen Defizite zu
klassifizieren. Ablauf: begonnen wird mit einem allgemeinen Test um Hinweise auf allgemeine
neuropsychologische Symptome zu erhalten. Danach wird individualisierter Test vorgegeben um die
Ergebnisse des allgemeinen Tests detaillierter zu beschreiben. Unterschied zu älteren Methoden: die
neuen Testungen basieren auf aktuellen Forschungsergebnissen, die Interpretation beruht auf der
kognitiven Strategie, die der Patient bei der Durchführung verwendet (also nicht wie gut der Patient
abschneidet) und zur Vorgabe und Durchführung können nur sehr erfahrene und kompetente
Neuropsychologen herangezogen werden.
 Die neuropsychologische Standard-Testbatterie
Intelligenz: eigentlich schlechtes Maß für Hirnschädigung, wird aber trotzdem fast immer zu Beginn in
der Batterie neuropsychologischer Tests verwendet. Viele Testungen fangen mit dem Wechsler
Intelligenztest für Erwachsene (auch bekannt als HAWIE) an. Grund: Kenntnis des IQ eines
Patienten helfen bei der Interpretation spezifischer Ergebnisse. Außerdem kann schon anhand eines
Defizitmusters in den Untertest eine erste Schlussfolgerung über die neuropsychologische
Funktionsstörung gezogen werden.
Gedächtnis: HAWIE übersieht oft schwere und spezifische Gedächtnisdefizite. Diese werden eher
vom Neuropsycholegen während einem Gespräch mit dem Patienten entdeckt oder sogar selber vom
Patienten oder seiner Familie berichtet.
Sprache: Funktionstüchtigkeit kann durch HAWIE (verbaler Teil) und durch den Token-Test
untersucht werden. Token-Test: 20 Plättchen (Token) in 2 Formen (Kreis + Quadrat) 2 Größen (klein,
groß) und 5 verschiedenen Farben liegen vor dem Probanden. Untersucher liest Instruktionen vor
(Berühren Sie den roten Kreis…) und Proband führt diese durch. Schwierigkeitsgrad wird gesteigert.
Schließlich wird der Proband gebeten, die Instruktion selbst laut vorzulesen und sie auszuführen.
Sprachlateralisierung: Welche Hemisphäre des Hirns ist dominant für die Sprache? 
Natrium-Amytal-Test: Natrium-Amytal wird in die Karotisarterie injiziert Dadurch wird die ipsilaterale
(auf derselben Seite liegende) Hemisphäre vorübergehend betäubt während die kontralaterale (auf
der gegenüber Seite liegende) unbeeinträchtigt bleibt. Während die ipsilaterale anästhesiert ist,
werden schnell einige Tests zur Sprachfunktion durchgeführt. Später wird Vorgang für die andere
Hälfte des Hirns wiederholt. Injektion auf der für die Sprache dominanten Seite des Gehirns führt
dazu, dass der Patient für ungefähr 2 Minuten völlig stumm ist. Diese Methode wird gewöhnlich vor
Gehirnoperationen angewendet.
Dichtotischer Hörtest: Probanden hören über Stereokopfhörer gesprochene Ziffernfolgen. Beiden
Ohren werden gleichzeitig 2 unterschiedliche Folgen von 3 Ziffern genannt. Proband muss dann so
viele der 6 Ziffern wie möglich berichten. Hier wurde entdeckt, dass die Probanden mehr von den
Ziffern richtig wiedergeben, die sie mit dem Ohr gehört hatten, das kontralateral zu ihrer
sprachdominanten Hemisphäre liegt.
 Tests für spezifische neuropsychologische Funktionen
Spezifischere Testes, die von Neuropsychologen ausgewählt werden können
Gedächtnis: Im Anschluss auf einen Allgemeinen Test müssen 4 Fragen beantwortet werden:
1; Ist das Kurzzeit- oder Langzeitgedächtnis betroffen oder beide?
2; Sind Defizite im Langzeitgedächtnis anterograd (beeinträchtigen sie die Speicherung von Dingen,
die nach der Schädigung gelernt wurden), retrograd (vor der Schädigung) oder beides?
3; Ist das semantische Gedächtnis (Erinnerung an allgemeines Wissen) oder das episodische
Gedächtnis (Erinnern an persönliche Erfahrungen) von etwaigen Defiziten im Langzeitgedächtnis
betroffen?
4; Ist das explizite Gedächtnis (Erinnerungen, denen sich der Patient bewusst ist und die er daher
verbal ausdrücken kann) oder das implizite Gedächtnis (Erinnerung die durch die verbesserte
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Leistung des Patienten nachgewiesen werden, obwohl sich der Patient ihrer nicht bewusst ist) von
Defiziten im LZG betroffen oder beide?
Häufigstes Erscheinungsbild: Schwere Defizite im expliziten Gedächtnis, ohne dass das implizite
Gedächtnis betroffen ist. Repetition-Priming-Tests sind bei Beurteilung und Erforschung dieser
Gedächtnisprobleme sehr hilfreich. Bei solchen Tests wird Patienten eine Wortliste vorgelegt, später
sollen sie eine Liste mit Wortfragmenten vervollständigen.
Sprache: Funktionsstörung kann mit 3 Arten von grundlegenden Problemen einhergehen: Phonologie
(die Regeln des Klanges der Sprache), Syntax (Grammatik) und Semantik (Bedeutung). Hier müssen
Tests in der Lage sein, zwischen verschiedenen Störungsmustern zu differenzieren.
 Frontallappenfunktionen:
Hilfreich zur Diagnose einer Störung: Wisconsin-Card-Sorting-Test Auf jeder Karte des Tests
befinden sich entweder 1 Symbol, oder 2,3 oder 4 identische Symbole. Symbole sind entweder
Dreiecke, Sterne, Kreise oder Kreuze und sie sind entweder rot, grün, gelb oder blau. Zu Beginn wird
der Patient mit 4 Stimuluskarten konfrontiert, die sich voneinander hinsichtlich Form, Farbe und
Anzahl der Symbole unterscheiden. Aufgabe besteht darin die Karten aus einem Kartendeck anhand
der Stimuluskarten in Stapel zu sortieren. Es werden aber keine direkten Hinweise gegeben wie der
Patient die Karten sortieren soll, sondern lediglich Rückmeldungen ob die gerade verwendete
Sortierart richtig oder falsch ist. Der Patient ist so quasi gezwungen seine Sortierart nach einziger Zeit
immer zu ändern. Patienten mit einer Schädigung des Frontallappen sortieren oft noch 100 oder mehr
Durchgänge nach einem Sortierprinzip weiter, das dann aber mittlerweile nicht mehr korrekt ist.
2.2 Verhaltensbezogene Methoden der Kognitiven Neurowissenschaft
2 Annahmen: Die erste besagt, dass jeder komplexe kognitive Prozess aus der kombinierten Aktivität
einfacher kognitiver Prozesse, den so genannten konstituierenden kognitiven Prozessen, resultiert.
Entsprechend der zweiten Annahme wird jeder konstituierende kognitive Prozess über neuronale
Aktivität in einem bestimmten Bereich des Gehirns vermittelt. Eines der Hauptziele der Kognitiven
Neurowissenschaft besteht darin, die Teile des Gehirns zu lokalisieren, die unterschiedliche
konstituierende kognitive Prozesse vermitteln. In diesem Sinne ist das Subtraktionsverfahren eine der
entscheidenden Methoden der Verhaltensforschung im Bereich der Kognitiven Neurowissenschaft.
Bei diesem Verfahren werden während der Durchführung mehrerer verschiedener kognitiver
Aufgaben PET- oder fMRT-Bilder erstellt. Idealerweise sind die Aufgaben so konstruiert, dass sich
Paare von ihnen allein hinsichtlich eines einzigen konstituierenden kognitiven Prozesses
unterscheiden. Folglich kann die Gehirnaktivität, die mit diesem Prozess assoziiert ist, abgeschätzt
werden, indem die Aktivität in dem Bild, das mit der einen oder zwei Aufgaben verknüpft ist, von der
Aktivität in dem Bild abgezogen wird, das mit der anderen Aufgabe verknüpft ist. Das resultierende
Differenzbild zeigt dann denjenigen Bereich, der speziell bei dem konstituierenden kognitiven Prozess
aktiv ist. Um Störfaktoren, wie z.B. das „Rauschen“, welches durch zufällige cerebrale Vorgänge
zustande kommt, auszuschalten werden viele individuelle Differenzbilder (also von mehreren
Patienten) gemittelt (Vgl. Signalmittelung)
2.3 Biopsychologische Paradigmen des Verhaltens von Tieren
 Paradigmen zur Erfassung artspezifischen Verhaltens (By the way: Paradigmen sind im
diesem Sinne ein Repertoire zur Erfassung und Beschreibung eines
Untersuchungsgegenstandes)
Zu den häufig untersuchten artspezifischen Verhaltensweisen gehören das Putz-, Fress-, Trink-,
Kopulations-, Kampf- und Nestbauverhalten (in diesem Fall von Laborratten).
Offenes-Feld-Test (openfield-Test): Versuchstier wird in eine große, leere Kammer gesetzt und seine
Aktivität wird registriert. Zwar reagieren Ratten anfangs ängstlich in einer neuen Kammer, die
Ängstlichkeit nimmt aber mit wiederholter Exposition gegenüber demselben Feld ab.
Tests zum Aggressions- und Defensiverhalten: Kolonie-Eindringlings-Paradigma Alpha-Männchen
einer Kolonie verteidigt sein Revier und zeigt somit Aggressionsverhalten während der sich
schützende Eindringling defensive Verhaltensweisen aufzeigt. Beim erhöhten Plus Labyrinth
(vierarmiges Labyrinth in Form eines Pluszeichens) handelt es sich um einen Test für
Defensivverhalten, der gewöhnlich zur Untersuchung der anxiolytischen (angstreduzierenden)
Wirkungen pharmakologischer Substanzen an Ratten eingesetzt wird. Zwei Arme des Labyrinths
haben Seitenwände, die anderen beiden nicht. Als Maß für Defensivverhalten oder Angst wird der
Anteil der Zeit verwendet den die Ratten in den geschützten, geschlossenen Armen verbringen im
Vergleich zu den offenen Armen. Durch solche Untersuchungen konnte die Wirksamkeit anxiolytischer
57
Substanzen bestätigt werden und somit können diese heute auch bei der Behandlung von
Menschen eingesetzt werden.
Tests zur Erfassung des Sexualverhaltens: Drei häufige Maße für das Sexualverhalten der
männlichen Ratte sind:
1; Anzahl der Besteigungen, die benötigt werden um eine Intromission (Einführung des Penis in die
Vagina) zu erreichen
2; Anzahl der Intromission, die benötigt werden um eine Ejakulation zu erreichen
3; Das Intervall zwischen Ejakulation und der Wiederaufnahme des Besteigens.
Maß für Sexualverhalten einer weiblichen Ratte ist der Lordosequotient (Lordose = Paarungsstellung
der weiblich Ratte Heben des Hinterteils, u-förmige Haltung des Rückens, Schwanz wird zur Seite
gelegt.
 Traditionelle Konditionierungsparadigmen
Klassische Konditionierung (Pawlow`scher Hund): Konditionierter Reiz (Ton) wird mit
unkonditioniertem Reiz (Fleisch) gepaart, welcher eine unkonditionierte Reaktion (Speichelfluss)
auslöst. Folge dieser Paarung: Konditionierter Reiz kann alleine die unkonditionierte Reaktion
auslösen.
Operante Konditionierung: Wenn Raten für bestimmte willkürliche Aktion bestraft werden führen sie
diese weniger oft aus (genauso umgekehrt wird Ratte belohnt führt sie die Aktion öfter durch) Häufig
verwendetes operantes Konditionierungsparadigma: Selbststimulationsparadigma: Tiere drücken
einen Hebel, um eine elektrische Stimulation an bestimmten Stellen in ihrem eigenen Gehirn zu
erhalten, diejenigen Strukturen die Selbststimulation fördern werden oft als Belohnungszentrum oder
Lustzentren bezeichnet.
 Seminaturalistische tierexperimentelle Lernparadigmen
Lernverhalten des Tieres in der „freien Wildnis“ (im Labor nachgeahmt)
Konditionierte Geschmacksversion: Wenn Ratten bestimmte Nahrung essen, bei der sie im
nachhinein krank werden oder die Übelkeit auslöst dann meiden sie diese Nahrung oder
geschmacksähnliches Futter. Dieser Lernprozess findet überraschend schnell statt.
Radioalarmlabyrinth: Dient der Überprüfung der räumlichen Fähigkeit von Nagetieren im Bezug auf
die Futtersuche. Die räumliche Fähigkeit ist bei Ratten eine komplexe Struktur, da das Tier lernen und
behalten muss wo wahrscheinlich Futter zu finden ist und sich auch merken muss welche Futterstellen
sie zuletzt leer gefressen hat. Bei dem Radioalarmlabyrinth handelt es sich um eine Anordnung von
Armen die um eine zentrale Startzone herum sternförmig angeordnet sind. Am Ende jedes Armes
befindet sich ein Futternapf der entweder Futter enthält oder nicht. In einer Version dieses
Paradigmas, in der eine Ratte jeden Tag in ein Labyrinth gesetzt wurde bei dem jedes Mal dieselben
Arme Futter enthalten wurde festgestellt das Ratten die Arme ohne Futter nach einigen Tagen nur
mehr selten inspizieren und auch die Futterstellen die sie leer gefressen hatten nur mehr selten am
selben Tag inspizieren. Da die Arme des Labyrinths ident sind, müssen sich die Ratten unter Bezug
auf äußere Hinweisreize im Raum orientieren.
Morris-Wasserlabyrinth: Dient ebenso wie letzteres der Untersuchung der räumlichen Fähigkeiten von
Ratten. Die Nagetiere werden in ein rundes Becken gesetzt und müssen so lange schwimmen bis sie
die Rettungsplattform, die unsichtbar dicht unter der Wasseroberfläche liegt, entdeckt haben. Das
Vorgehen wird wiederholt und die Startposition wird von Durchgang zu Durchgang variiert. Die Ratten
lernen aber schon nach wenigen Durchgängen direkt zur Plattform zu schwimmen, indem sie
wahrscheinlich räumliche Hinweisreize aus dem Zimmer als Bezugspunkt verwenden. Das MWLabyrinth hat sich als äußert nützlich zur Beurteilung der Navigationsfähigkeiten von Tieren erwiesen,
denen Läsionen gesetzt oder denen pharmakologische Substanzen verabreicht wurden.
Konditioniertes defensives Vergraben: Wenn Ratten von einem Objekt, das an der Wand ihrer
Kammer befestigt ist, einen Schock erhalten, identifizieren sie dieses Objekt als Bedrohung und
begraben es nach nur einem Schock) mit Streu, welches in ihrer Kammer liegt. Angstreduzierende
Pharmaka verringern das Ausmaß des konditionierten Vergrabens, daher wird dieses Paradigma dazu
verwendet, die neurochemische Grundlage von Angst zu untersuchen.
58
Kapitel 6 Das visuelle System
6.2 Licht fällt in die Augen und trifft auf die Retina
In vollkommener Dunkelheit können wir nichts sehen – Ohne Licht ist sehen also nicht
möglich. Somit ist Licht der adäquate Reiz für die Augen.
Licht kann auf zwei verschiedene Weisen betrachtet werden:
• Energieteilchen (Photonen)
• elektromagnetische Wellen
Sichtbares Licht für das menschliche Auge ist im Bereich von 380 – 760 Nanometer.
Wellenlänge und Intensität sind zwei wichtige Eigenschaften des Lichts, weil
- Wellenlänge spielt eine Rolle bei der Farbwahrnehmung
- Intensität spielt eine wichtige Rolle bei der Wahrnehmung von Helligkeit.
Bestandteile des Auges
Licht fällt durch die Pupille in das Auge ein. Die Pupille ist die Öffnung in der Iris – als in das
Auge. Die Pupille passt sich den Beleuchtungsverhältnissen an und die Iris ändert die
Öffnungsweite. Dies stellt einen Kompromiss zwischen
 Sensitivität (Fähigkeit schwach beleuchtete Gegenstände zu entdecken)
 Sehschärfe (Auflösungsvermögen, zum Sehen von Details)
im Dunklen: Die Pupille weitet sich aus, um mehr Licht einfangen zu können -> weniger
Tiefenschärfe, weniger Sehschärfe
im Hellen: Pupille verängt sich, weil sie nicht so viel Licht einfangen muss -> Sehschärfe und
Tiefenschärfe sind erhöht.
Hinter der Pupille befindet sich die Linse. Sie hat eine kugelförmige Gestalt. Jedoch wird die
Linse durch die Zugkraft der Ligamente abgeflacht. Die Ligamente sind mit den Ziliarmuskeln
verbunden, Kontraktionen ausführen können:
• bei Nahsicht (Blick auf etwas in der Nähe): Die Zugkraft der Ligamente wird durch die
Kontraktion der Ziliarmuskeln reduziert, wodurch die Linse kugelförmiger wird.
• bei Fernsicht (Blick auf etwas in der Ferne): Die Ziliarmuskeln entspannen sich, die
Zugkraft der Ligamente wird verstärkt, die Linse wird abgeflacht (ovaler).
Diese Justierung der Linse zur Schrfstellung von Bildern auf der Retina wird als
Akkomodation bezeichnet
59
Menschen haben zwei Augen an der Vorderseite des Kopfes um dreidimensionale
(Tiefensehen) Bilder zu erkennen. Augen müssen konvergieren (sich seitwärts drehen),
damit jeder Punkt der visuellen Umwelt auf korrespondierende Netzhautpunkte der zwei
Augen projiziert wird. Dreidimensionales Sehen wird also durch binokulare Disparität
erzeugt, zwei sich überlappende Bilder.
Genauere Anatomie:
6.3 Die Retina und die Übersetzung des Lichts in neuronale Signale
Die Retina
Die Retina besteht aus 5 Schichten unterschiedlicher Neuronenarten:
• retinale Ganglienzellen
• amakrine Zellen
• Bipolarzellen
• Horizontalzellen
• Rezeptoren ( Zapfen und Stäbchen)
Im Auge gibt es eine „verkehrte Situation“:
Das Licht erreicht die Rezeptorschicht nur, nachdem es die anderen vier Schichten passiert
hat. Dann, nachdem die Rezeptoren aktiviert wurden, wird die neuronale Botschaft zurück
durch die Netzhautschichten zu den retinalen Ganglienzellen übertragen. Deren Axone
projizieren, bevor sie sich in einem Bündel sammeln und den Augapfel verlassen. Dadurch
ergeben sich 2 Probleme:
• das einfallende Licht wird durch das Netzhautgewebe verzerrt
• für das Bündel der Axone muss es eine Lücke geben, durch die sie das Auge verlassen.
Diese Lücke wird auch als blinder Fleck bezeichnet.
Die Lösung des ersten Problems (Verzerrung) wird durch die Fovea centralis gelöst.
- Sie ist eine Einbuchtung der Retina von 0,33cm Durchmesser im Zentrum der Retina
- Stelle des schärfsten Sehens
60
-
Diese Verdünnung vermindert die Verzerrung des ankommenden Lichtes.
6.3.1 Sehen mit Zapfen und Stäbchen
Es gibt zwei Arten von
Rezeptoren:
• Zapfen
• Stäbchen
Nach der Duplizitätstheorie
des Sehens vermitteln Zapfen
und Stäbchen verschiedene
Arten des Sehens:
 zapfenvermittelte
Sehen =
photopisches
Sehen:
+ bei guter
Beleuchtung
+ liefert scharfe,
farbige
Wahrnehmungen
+ weniger
Empfindlichkeit
+ direkte
Verschaltung
+ niedrige
Konvergenz
 stäbchenvermittelte = skotopische Sehen
+ bei dämmriger Beleuchtung
+ sensitiveres Sehen
+ es fehlt die Detailgenauigkeit – weniger Schärfe
+ hohe Konvergenz
In der Fovea centralis gibt es überhaupt keine Stäbchen, sondern nur Zapfen. In der nasalen
Hemiretina gibt es mehr
Stäbchen als in der
temporalen Hemiretina
Spektrale Empfindlichkeit
Lichter derselben Intensität
können abhängig von ihrer
Wellenlänge unterschiedlich
hell wahrgenommen werden!
Die relative Helligkeit von
Lichtern derselben Intensität
kann graphisch in Form von
so genannten spektralen
Empfindlichkeitskurven
dargestellt werden.
Bei Vorhandensein von
Zapfen und Stäbchen gibt es
zwei spektrale
Empfindlichkeitskurven
Photopische spektrale
Empf.kurve
Skotopische spektrale Empf.kurve
61
Beim Übergang vom photopischen zum Skotopischen Sehen (Dämmerung) kann es zu
interessanten Phänomenen kommen -> Purkinje-Effekt
6.3.2 Augenbewegungen
Die meisten Zapfen befinden sich in der Fovea centralis, dennoch nehmen wir eine
ausgedehnte farbige Umwelt dar, denn wie können unsere Augen bewegen.
Die Augen tasten das Sehfeld ständig ab, wobei es zu eine Reihe von Fixationen
kommt, die durch sehr schnelle Augenbewegungen, sog. Sakkaden, miteinander verbunden
werden.
Eine weitere Funktion der Augenbewegungen besteht darin, das retinale Bild hin- und
herzubewegen, denn die Neurone des visuellen Systems reagieren eher auf Veränderungen
als auf
konstante Stimulation.
Eine Blockierung der Augenbewegungen würde dazu führen, dass das
retinale Bild nach einigen Sekunden verschwindet und ein merkmalsloses graues Feld
hinterlässt.
Nach ein paar Sekunden würde das Bild oder ein Teil davon zwar spontan wieder
wahrgenommen, es würde im nächsten Moment aber auch wieder verschwinden.
6.3.3 Phototransduktion: Umwandlung von Licht in neuronale Signale
Abb.: Die
inhibitorische
Reaktion der
Stäbchen auf Licht.
Wenn Licht die
Rhodopsinmoleküle
bleicht, schließen
sich die
Natriumkanäle der
Stäbchen; als Folge
werden die Stäbchen
hyperpolarisiert und
setzen weniger
Glutamat frei
Transduktion
Umwandlung
Phototransduktion:
Umwandlung von
Licht durch die
visuellen Rezeptoren
in neuronale Signale.
Pigment: Ein
Pigment ist jede
Substanz, die Licht
absorbiert.
Es wurde ein rotes
Pigment aus der mit
Stäbchen besetzten
Retina des Frosches
extrahiert. Dieses
Pigment (Rhodopsin)
hatte eine besondere
Eigenschaft:
-> Wenn es
konstantem,
62
intensivem Licht ausgesetzt war, bleichte es aus und verlor die Fähigkeit Licht zu
absorbieren
-> Wenn es ins dunkel zurückgebracht wurde, erlangte es die Röte und die licht –
absorbierende Fähigkeit wieder.
Die Absorption von Licht und das Ausbleichen des Rhodopsins sind der erste Schritt
stäbchen-vermittelten Sehens – skotopisches Sehen ist also Rhodopsin abhängig
Rhodopsin:
• ist ein G – Protein gekoppelter Rezeptor, der auf Licht reagiert
• Rhodopsinrezeptoren stoßen eine Kaskade intrazellulärer chemischer Vorgänge an,
wenn sie aktiviert werden:
Stäbchen im Dunkeln:
1.) Rhodopsinmolekühle sind inaktiv
2.) Natriumkanäle werden durch zyklisches GMP offen gehalten
3.) Natriumjonen fließen in die Stäbchen ein und depolarisieren sie teilweise
4.) Stäbchen setzen kontinuierlich Glutamat frei
Stäbchen im Hellen:
1.) Licht bleicht die Rhodopsinmolekühle aus
2.) Als Folge wird das zyklische GMP abgebaut und die Natriumkanäle schließen sich
3.) Natriumjonen können nicht in die Stäbchen eindringen, die Stäbchen werden also
hyperpolarisiert.
4.) Die Glutamatfreisetzung ist reduziert.
Die Funktionsweisen der Zapfen sind weniger bekannt. – dürfte der Funktionsweise der
Stäbchen ähnlich sein.
6.4 Von der Retina zum primären visuellen Cortex
Die größte Bahn, die visuelle Information überträgt ist die retino – geniculo – striäre
Sehbahn.. Die Signale werden von jeder Retina über das Corpus geniculatum laterale (im
Thalamus) zum primären visuelle Kortex (= Area striata) geleitet.
Wichtiges zur ABBILDUNG:
• Alle Signale vom linken Gesichtsfeld erreichen den rechten primären visuellen Cortex,
entweder
- ipsilateral über die temporale Hemiretina des rechten Auges oder
- kontralateral über die nasale Hemiretina des linken Auges
• Das genaue Gegenteil gilt für alle Signale vom rechten Gesichtsfeld
Das Corpus geniculatum laterale besteht aus 6 Schichten
- 3 Schichten erhalten Input ipsilateral von einem Auge
- 3 Schichten erhalten Input kontralateral vom anderen Auge
Die meisten Neuronen enden in der Schicht IV, da diese Schicht charakteristische Streifen
hat, wird sie auch als Area striata bezeichnet.
---> Retinotrope Organisation
Das retino – geniculo – striäre System ist retinotop organisiert. Dies bedeutet, dass Reize,
die benachbarten Bereiche der Retina präsentiert werden, auf allen Ebenen des Systems
benachbarte Neuronen erregen. Auffallend ist, dass die Fovea einen überproportional
großen Anteil im primären visuellen Kortex ausmacht.
---> Die M – und P – Kanäle
Es verlaufen zwei unabhängige Kommunikationskanäle durch jedes Corpus ceniculatum
laterale.
63
1.) der P – Kanal oder parvozelluläre Kanal:
• Er verläuft
durch die vier
oberen
Schichten
• bestehen aus
langsam
leitenden
Neuronen mit
kleinen
Zellkörpern
• Parvozelluläre
Neuronen
reagieren
besonders auf
Farbe, feine
Musterdetails,
stationäre
• oder sich
langsam
bewegende
Objekte
• Zapfen liefern
den
Hauptinput
2.) der M – Kanal
oder
magnozelluläre
Kanal:
* verläuft durch
die beiden
unteren Schichten
* bestehen aus
schnell leitenden
Neuronen mit
großen
Zellkörpern
* Die Neuronen
reagieren besonders gut auf Bewegung
* Stäbchen liefern den Hauptinput
Die parvozellulären und magnozellulären neuronen projizieren zu leicht unterschiedlichen
Orten im unteren Teil der Schicht IV.
-> Die magnozellulären Neurone enden genau über den parvozellulären Neuronen. Diese Mund P Teile der Schicht IV projizieren wiederum zu verschiedenen Teilen des visuellen
Kortex.
6.5 Kanten Sehen
Kanten sind die informativsten Merkmale jeder visuellen Darstellung, da sie die Ausdehnung
und Position der verschiedenen Gegenstände in ihr definieren.
Definition von visueller Kante:
• Sie ist ein Ort, an dem zwei Flächen eines visuellen Bildes zusammentreffen also
• die Wahrnehmung eines Kontrasts zwischen zwei benachbarten Stellen des
Gesichtsfeldes also
• die Wahrnehmung zwischen Bereichen, die sich in ihrer Helligkeit unterscheiden.
64
6.5.1 Laterale Hemmung und Kontrastverstärkung
Laterale Inhibition:
Hemmung von
benachbarten Neuronen
oder Rezeptoren d. h.. ein
Rezeptor hemmt, wenn er
feuert seine Nachbarn
über das laterale
neuronale Netzwerk.Der
Grad der lateralen
Inhibition, die von einem
Rezeptor ausgeht, nimmt
mit der Lichtintensität zu
und wirkt auf Rezeptoren
in der unmittelbaren
Nachbarschaft am
stärksten.
Kontrastverstärkung: An
jeder Kante erscheint der
helle Streifen heller und
der dunkle Streifen
dunkler, als sie es in
Wirklichkeit sind. Die nicht
vorhandenen hellen und
dunklen Streifen
unmittelbar an der Kante werden als Mach-Bänder bezeichnet. Dadurch, dass sie den
Kontrast an jeder Kante verstärken, erleichtern sie das Entdecken von Kanten.
Die neuronale Basis der Kontrastverstärkung:
Die Kontrastverstärkung entsteht, weil der Rezeptor D, der unmittelbar an der Kante auf der
lichtintensiveren Seite liegt, stärker feuert als die anderen Rezeptoren A, B ,C auf derselben
Seite, während der Nachbar E dieses Rezeptors auf der weniger schwächer beleuchteten
Seite, weniger stark feuert als die anderen Rezeptoren F, G, H auf der dunkleren Seite.
Diese Unterschiede lassen sich durch die laterale Inhibition erklären: Die Rezeptoren A, B, C
feuern alle gleich stark, da sie alle gleich stark stimuliert und gleich stark durch ihre
Nachbarn gehemmt werden. Rezeptor D feuert stärker als A, B, C, da er bei gleicher
Stimulation weniger gehemmt wird, weil von seinen Nachbarn auf der schwächer
beleuchteten Seite der Kante eine geringere laterale Hemmung auf ihn ausgeübt wird. Bei
den Rezeptoren auf der dunkleren Seite feuern F, G, H gleich stark, da sie alle mit der gleich
schwachen Lichtintensität gereizt werden und von den Nachbarn gleich schwach gehemmt
werden. Rezeptor E feuert jedoch noch schwächer, das er bei gleich schwacher Erregung
stärker durch Rezeptor D auf der helleren Seite gehemmt wird.
6.5.2 Rezeptive Felder der visuellen Neurone
Das rezeptive Feld eines visuellen Neurons ist der Bereich des Gesichtsfeldes, in dem es für
einen visuellen Reiz möglich ist, das Feuern dieses Neurons zu beeinflussen. Visuelle
Neurone sind kontinuierlich aktiv, daher sind wirksame Reize solche, die die Feuerrate
entweder erhöhen oder senken.
Erforscht wurden diese rezeptiven Felder mittels invasiven Methoden bei Affen und Katzen
von Hubel und Wiesel. Die Augenbewegungen wurden mit Curare blockiert und die Linsen
auf der Retina scharf gestellt. Dann wurde mit einer Mikroelektrode in einem einzelnen
neuron im visuellen Kortex positioniert. Dieser Vorgang wurde immer wieder wiederholt,
wodurch die rezeptiven Felder der visuellen Neuronen identifiziert wurden und die
entsprechenden Reizarten ebenfalls
65
6.5.3 Rezeptive Felder: Neurone des retino-geniculo-striären Systems
Hubel und Wiesel
untersuchten
Neurone auf drei
Ebenen:
• retinale
Ganglienzellen
• Neurone des
corpus
geniculatum
laterale
• striäre Neurone
der unteren
Schicht IV
Sie konnten 4
Gemeinsamkeiten
entdecken:
1.) Die
rezeptiven
Felder des
fovealen
Bereichs der
Retina waren
kleiner als
diejenigen in
der
Peripherie
2.) Alle
Neuronen
hatten
kreisförmige
rezeptive
Felder
3.) Alle
Neuronen
waren
monokular, d. h. Jedes Neuron hat
ein rezeptives Feld in einem Auge,
aber nicht in dem anderen Auge
4.) Alle Neuronen hatten rezeptive
Felder, die aus einem erregenden
und einem hemmenden Bereich
bestanden. Diese Bereiche sind
durch eine kreisförmige Grenze
getrennt.
Wir unterscheiden
On – Zentrum – Zellen: Sie reagieren auf
Licht, das in den zentralen Bereich ihres
rezeptiven Feldes gestrahlt wird, mit einer
On – Reaktion und auf Licht, das in die
Peripherie ihres rezeptiven Feldes gestrahlt
wird mit einer Hemmung, gefolgt von einer
Off – Reaktion wenn das Licht ausgeschaltet
wird.
66
Off – Zentrum Zellen: Sie reagieren mit einer Hemmung und einer Off – Reaktion als
Antwort auf Licht im Zentrum ihres rezeptiven Feldes und mit einer On – Reaktion auf Licht
in der peripherie ihres rezeptiven Feldes.
Am besten reagieren On und Off – Zellen auf Kontrast.
Die effektivste Methode, um das Feuern einer On – Zentrum Zelle oder einer Off Zentrum
Zelle zu maximieren, besteht darin, entweder die On oder die Off Zone ihres rezeptiven
Feldes vollständig auszuleuchten Wenn beide Bereiche des rezeptiven Feldes einer Zelle
zusammen beleuchtet werden, reagiert die Zelle nur schwach.
Die Neurone der Area striata stellen Ausnahmen dar – sie unterscheiden sich von den
übrigen Neuronen
6.5.4 Rezeptive Felder: Einfache kortikale Zellen
Einfache Zellen sind im primären visuellen Kortex zu finden – sie gehören zu zwei Klassen:
Einfache Zellen:
+ haben rezeptive Felder, die in antagonistische On – Off – Regionen unterteil werden
können
+ sie reagieren nicht auf diffuses Licht
+ sie sind monokular
+ Die Grenzen sind eher gerade Linien und keine Kreise.
+ Sie reagieren am stärksten
- auf Lichtstreifen in einem dunklen Feld
- dunkle Streifen in einem hellen Feld
- einzelne gerade Kanten zwischen dunklen und hellen Zonen
+ Sie reagiert nur dann maximal wenn sich ihr bevorzugter grad – kantiger Reiz in einer
bestimmten Position und in einer bestimmten Orientierung befindet
+ die rezeptiven Felder sind eher rechteckig als kreisförmig aufgebaut.
6.5.5 Rezeptive Felder: Komplexe kortikale Zellen
+ sind zahlreicher vorhanden als einfache Zellen
+ Sie haben ein rechteckiges rezeptives Feld
+ reagieren am stärksten auf geradlinige Reize in einer bestimmten Orientierung
+ reagieren nicht auf diffuses Licht
+ Komplexe Zellen unterscheiden sich von einfachen in drei verschiedenen Arten:
1.) Sie haben größere rezeptive Felder
2.) Es ist nicht möglich ihre rezeptiven Felder in statische On – Off Bereiche zu unterteilen:
Eine komplexe Zelle reagiert, wenn eine gerade Kante einer bestimmten Orientierung
als Reiz dargeboten wird, aber diese Reaktion ist unabhängig von der Position der
Kante innerhalb des rezeptiven Feldes der Zelle. Bewegt man also einen Stimulus, der
eine On- Reaktion hervorruft über das rezeptive Feld der Zelle, dann wird sie weiterhin
mit gleichbleibender Intensität feuern. Viele komplexe Zellen bevorzugen jedoch eine
bestimmte Bewegungsrichtung.
3.) Viele komplexe Zellen sind binokular, während nahezu alle einfachen Zellen monokular
sind.
Monukular: Die Zellen reagieren nur auf die Stimulation eines Auges.
Binokular: Die Zellen reagieren auf die Stimulation jedes der beiden Augen. Binokulare
Zellen reagieren auf die Stimulation beider Augen stärker, als wenn nur ein Auge
stimuliert wird. Mehr als die Hälfte der binokularen Zellen im primären Cortex des Affen
zeigen jedoch eine okuläre Dominanz, d.h. sie reagieren bei einem Auge stärker auf eine
Stimulation als beim anderen Auge. Einige Zellen reagieren am stärksten, wenn der Reiz
beide Augen gleichzeitig aber in versetzter Position stimuliert. => Diese Zellen spielen
vermutlich bei der Tiefenwahrnehmung eine Rolle.
6.5.6 Die säulenartige Organisation des primären visuellen Cortex
Untersuchungen zu komplexen und einfachen rezeptiven Feldern haben zu zwei
Schlussfolgerungen geführt:
67
Wie werden Signale von Neuronen mit
einfachen rezeptiven Feldern zu
denjenigen mit komplexen rezeptiven
Feldern weitergeleitet
Es sieht folgendermaßen aus: Die
Signale von On – Zentrum Zellen und
Off Zentrum Zellen der unteren Schicht
IV werden zu einfachen Zellen und von
denen zu komplexen Zellen
weitergeleitet.
Neuronen im primären visuellen
Kortex sind in funktionalen
vertikalen Säulen (Kolumnen)
organisiert.
- Die rezeptiven Felder der
verschiedenen Zellen in
derselben Säule liegen ungefähr
im gleichen Bereich des
Gesichtsfeldes. Die Fläche des
Gesichtsfeldes, die von allen
diesen rezeptiven Feldern
überdeckt wird, wird als
aggregiertes Feld der Säule
bezeichnet. Die Zellen
derselben Säule reagieren am
stärksten auf gerade Linien mit
einer bestimmten, für alle Zellen
gleichen, Orientierung.
- Die Zellen, die horizontal
nebeneinanderliegen, weisen
leicht versetzte rezeptive
Felder auf. Diese Zellen
reagieren am stärksten auf gerade
Linien mit etwas
unterschiedlichen Ausrichtungen. Auch wechseln sich in horizontaler Richtung
bereiche mit rechtsäugiger und linksäugiger Dominanz ab.
- Alle funtionellen Säulen des primären visuellen Cortex, die den Input von einem
bestimmten Gebiet der Retina verarbeiten, liegen in einem Cluster zusammen. Dabei
erhält jeweils die Hälfte des Clusters Signale vom linken, die andere Hälfte vom
rechten Auge.
-
6.5.7 Die Ortsfrequenztheorie
Die Ortsfrequenztheorie besagt, dass der visuelle Cortex nicht mit einem Code gerader
Linien und Kanten, sondern mit einem Ortsfrequenzcode arbeitet. So reagieren Neurone des
visuellen Cortex noch stärker auf Streifenmuster mit sinusförmigen Helligkeitsschwankungen
(=Sinuswellengitter), als auf Balken und Kanten gleicher Orientierung, wobei die meisten
Neurone des visuellen Cortex auf Sinuswellengitter mit einer bestimmten Ortsfrequenz und
einem bestimmten Orientierungswinkel an einer bestimmten Stelle im visuellen Feld
reagieren.
Ein Sinuswellengitter besteht aus abwechselnd dunklen und hellen Streifen, wobei die
Lichtintensität von Streifen zu Streifen einer sinusförmigen Funktion folgt. Sinuswellengitter
unterscheiden sich in
a) ihrer Ortsfrequenz (der Anzahl der Streifen pro Längeneinheit),
b) ihrer Amplitude (den maximalen Intensitätsunterschiedne zwischen hellen und dunklen
Streifen) und
c) in ihrem Orientierungswinkel.
Die Reizmuster aus gradlinigen Kanten lassen sich aber einfach in Sinuskurven umformen.
68
6.6 Farbe sehen
achromatische Farben:
• schwarz. wird bei Abwesenheit von Licht wahrgenommen
• weiß: wird durch eine intensive Mischung der bandbreite an Wellenlängen in einem
annährend gleichen Anteil erzeugt
• grau: wird durch dasselbe Mischverhältnis bei niedrigen Intensitäten erzeugt
chromtaische Farben:
• z.B. Rot, Gelb, Blau
• die korekte Bezeichnung ist Farbtöne; umgangssprachlich: Farbe
Zu einem großen Anteil hängt die Wahrnehmung der Farbe eines Objektes von den
Wellenlängen ab, die ins Auge reflektiert werden. Aber: Außerhalb des Labors trifft man
selten Gegenstände, die einzelne Wellenlängen reflektieren. Das Sonnenlicht und künstliche
Lichtquellen beinhalten eine komplexe Mischung von sichtbaren Wellenlängen
6.6.1 Die Dreifarben- und Gegenfarbentheorie
Die Dreifarbentheorie oder trichromatische Theorie (Young, Helmholtz):
Dieser Theorie zufolge gibt es 3 unterschiedliche Zapfenarten, die jeweils eine andere
spektrale Empfindlichkeit aufweisen. Die wahrgenommene Farbe ist abhängig von der
Stärke der Aktivierung, die ein Lichtreiz in den unterschiedlichen Zapfentypen hervorruft.
Die Theorie stützt sich auf die Beobachtung, dass sich jede Farbe des sichtbaren Spektrums
aus einer Mischung 3 verschiedenen Wellenlängenkomponenten des Lichts erzeugen lässt.
Man kanndies mit 3 beliebigen Wellenlängen erreichen, wobei keine der 3 aus den anderen
beiden Wellenlängen herstellbar sein darf.
Die Gegenfarbentheorie (Hering):
Gegenfarben sind Paare von Farben, die Weiß oder Grau ergeben, wenn man sie zu
gleichen Teilen mischt.
• Hiernach gibt es im visuellen System 2 Klassen von Zellen zur Farbsignalisierung und eine
weitere zur Helligkeitssignalisierung. Jede der 3 Klassen ist für 2 komplementäre
Empfindungen verantwortlich: Bei den farbsignalisierenden Zellen signalisiert eine Klasse
durch Änderung ihrer Aktivität in eine Richtung (z.B. Hyperpolarisierung) die Farbe Rot
(Blau), während eine Änderung der Aktivität in die entgegengesetzte Richtung (z.B.
Depolarisierung) die Komplementärfarbe Grün (Gelb), signalisiert. Die 3 Klasse von Zellen
ist auf die selbe Art und Weise für die Signalisierung von Schwarz und Weiß zuständig.
• Stützt sich auf die 2 Beobachtungen: 1) Komplementärfarben treten niemals zusammen in
einem Farbton auf (es gibt kein rötliches Grün) und 2) Nachbilder: Wenn man eine rote
Fläche intensiv betrachtet und dann eine Weiße Fläche, sieht man ein grünes Nachbild.
Diese beiden Theorien stehen nicht im Widerspruch zueinander, sondern im visuellen
System sind beide Mechanismen bei der Farbwahrnehmung wirksam
Mikrospektrophotometrie: Verfahren zur Messung des Absorptionsspektrums von
Photopigmenten in einer einzelnen Zelle
6.6.2 Farbkonstanz und Retinex-Theorie
Farbkonstanz bezieht sich auf die Tatsache, dass die wahrgenommene Farbe eines
Gegenstandes nicht eine einfache Funktion der Wellenlänge ist, die von ihm reflektiert
werden. Farbkonstanz zeigt sich darin, dass ein Gegenstand normalerweise dieselbe Farbe
hat, trotz großer Veränderungen in den Wellenlängen des Lichts, das er reflektiert.
Farbsehen ohne Farbkonstanz wäre mühsam, denn der Nutzen liegt darin, dass wir
Gegenstände so unterscheiden können, dass wir sie einprägen können.
69
Land demonstrierte, dass blaue Gegenstände blau bleiben, und grüne grün,.... –
unabhängig von den Wellenlängen, die sie reflektieren. Diese Farbkonstanz besteht so
lange, wie der Gegenstand als Teil einer Szene und nicht isoliert betrachtet wird.
Retinex – Theorie von Land:
Die Farbe eines Gegenstandes wird durch seine Reflaktanz bestimmt. Reflaktanz ist Anteil
des Lichts verschiedener Wellenlänge, den eine Oberfläche reflektiert. Nach dieser Theorie
berechnet das visuelle System die Reflaktanz von Oberflächen und nimmt somit ihre Farben
wahr, indem es das Licht, das von benachbarten Oberflächen in mind. 3 verschiedenen
Wellenlängenbändern (kurz, mittel, lang) reflektiert wird.
Im Bereich der Neuropsychologie ist dies sehr bedeutsam, weil entscheidende Neuronen
tatsächlich auf Farbkontrast reagieren.
Doppelte Gegenfarbenzellen im visuellen Kortex des Affen reagieren mit einer sehr starken
On – Reaktion, wenn das Zentrum ihres kreisförmigen rezeptiven Feldes mit einer
Wellenlänge wie z.B. Grün beleuchtet wird und die Einfassung gleichzeitig mit einer anderen
Farbe z.B. Rot.
Doppelte Gegenfarbenzelllen sind nicht gleichmäßig über den visuellen Kortex verteilt. Die
Neuronen im promären visuellen Cortex sind in stabartige Säuelen konzipiert, die die
Schichten des pr. vis. Cortex des Affen durchdringen, nicht aber Schicht IV. Viele dieser
Neuronen enthalten das Enzym Cytochromoxidase. Diese stabartigen,
cytochromoxidasereichen Gegenfarbenzellsäulen nennt man Blobs. Blobs wurden eher in
der Mitte von okularen Dominanzsäulen gefunden.
70
Kapitel 7 Mechanismen der Wahrnehmung, des
7.2. Organisationsprinzipien des sensorischen Systems
Es gibt 3 verschiedene Arten von Gebieten:



Primärer sensorischer Kortex: = das Gebiet des sensorischen Cortex, enthält den
größten Teil seiner Inputs von thalamischen Relaiskernen dieses Systems
Sekundärere sensorischer Kortex: = das Gebiet des sensorisches Cortex, das den
größten Teil seiner Inputs vom primären sensorischen Cortex dieses Systems erhält,
bzw. von anderen Gebieten des sekundären sensorischen Cortex desselben
Systems.
Der Assoziationscortex ist jener Bereich des Cortex, der Input aus mehr als einem
sensorischen System erhält. Der meiste Input kommt über Bereiche des sekundären
sensorischen Cortex.
Die Interaktion zwischen den 3 Typen des sensorischen Cortex lassen sich durch 3
Hauptprinzipien beschreiben:



Hierarchische Organisation
Funktionelle Trennung
Parallele Verarbeitung
7.2.1 Hierarchische Organisation
Sensorische Systeme sind durch Hierarchische Organisation charakterisiert.
Hierarchie = ein System, dessen Mitglieder in Relation zueinander bestimmten Ebenen oder
Rängen zugeordnet werden können. Beispiel: Armee
Jede Ebene der sensorischen Hierarchie erhält ihren Input von niedrigeren Ebenen und fügt
eine weitere Analyseebene hinzu und leitet die Info in der Hierarchie weiter nach oben.
Die hierarchische Organisation des sensorischen Systems wird durch einen Vergleich der
Auswirkungen von Schädigungen auf verschiedenen Ebenen deutlich. je höher die Ebenen
der Schädigung, desto spezifischer und komplexer das Defizit. Beispiel: Zerstörung von
Rezeptoren eines sensorischen Systems bewirkt einen vollständigen Verlust der Fähigkeit, in
dieser sensorischen Modalität wahrzunehmen (völlige Blindheit oder Taubheit)
Die Zerstörung von Bereichen des Assoziationskortex oder des sekundären
sensorischen Cortex bewirkt typischerweise komplexe und spezifische sensorische
Defizite, die grundlegenden sensorischen Fähigkeiten bleiben erhalten.
Allgemeiner Ablauf des Wahrnehmens kann in 2 Phasen unterteilt werden.
 Empfindung
 Wahrnehmung
Empfindung entspricht dem Prozess, die Anwesenheit eines Reizes zu entdecken
Wahrnehmung ist der höhere Prozess des Integrierens, Erkennens und Interpretierens
gesamter Empfindungsmuster.
7.2.2 Funktionelle Trennung
Forschung hat gezeigt, dass es eine funktionelle Trennung und nicht eine funktionelle
Homogenität für den Aufbau der sensorischen Systeme gibt.
Funktionelle homogen = auf einer beliebigen Ebene der sensorische Hierarchie wirken alle
Bereiche des Cortex zusammen, um dieselbe Funktion zu erfüllen
71
Jede der 3 Ebenen der Großhirnrinde – primärer, sekundärer und Assoziationskortex –
jedes sensorischen Systems beinhaltet funktionell unterschiedliche Bereiche, die auf
verschiedene Arten von Analysen spezialisiert sind.
7.2.3. Parallele Verarbeitung
Sensorische Systeme sind parallele Systeme, nicht wie früher angenommen serielle
Systeme ( = Info fließt nur über eine Bahn).
Bei den parallelen Systemen fließt die Info über mehrere Bahnen durch die Komponenten.
Parallele Systeme realisieren parallele Verarbeitung – d.h. ein Signal wird gleichzeitig auf
unterschiedliche Arten durch die multiplen parallelen Bahnen eines neuronalen Netzwerks
analysiert.
2 grundlegend verschiedene Arten von parallelen Analysewegen:
Einer, der unser Verhalten beeinflussen kann, ohne dass wir dies bewusst bemerken
und einer, der unser Verhalten beeinflusst, indem bewusste Prozesse angestoßen
werden.
7.2.4. das aktuelle Modell der Organisation des sensorischen Systems
Abb 7.2.: Zwei Modelle der Organisation des sensorischen Systems: Das frühere Model war
hierarchisch, funktionell homogen und seriell; das aktuelle Modell, das eher mit den
Befunden übereinstimmt, ist hierarchisch, funktionell getrennt und parallel. Im aktuellen
Modell sind absteigende Bahnen, die für Feedback von höheren Ebenen zu niedrigeren
Ebenen sorgen, nicht dargestellt.
Sensorische Systeme sind durch Arbeitsteilung charakterisiert: mehrere spezialisierte
Bereiche auf mehreren Ebenen, verbunden über mehrere parallele Bahnen.
Komplexe Reize werden als ein integriertes Ganzes wahrgenommen, nicht als
Kombinationen unabhängiger Merkmale (= Bindungsproblem)
es gibt auch viele Bahnen, die durch die sensorischen Hierarchien absteigen (nicht gezeigt in
Abb. 7.2)
z.B.: kortikofugale Bahnen = Neuronengruppen, die Info aus kortikalen sensorischen
Gebieten zu subkortikalen Gebieten leiten.
Kortikofugale Bahnen sind eine der Möglichkeiten, über die kognitive Prozesse – also z.B.
Aufmerksamkeit – die Wahrnehmung beeinflussen können. = top-down- Einfluss
72
7.3. Kortikale Mechanismen des Sehens
Beim Sehen sind der ganze Occipitalcortex sowie große Bereiche des Temporalcortex
und des Parietalcortex beteiligt. Abb.7.3.
Primärer visueller Cortex: in der posterioren Region des Occipitallappens, zu einem großen
Teil versteckt in der Fissura longitudinalis.
Sekundärer visueller Cortex: 2 Hauptregionen: im prästriären Cortex (dies is der
Gewebestreifen im Occipitallappen, der den primären visuellen Cortex umgibt) und im
inferotemporalen Cortex (dies ist der inferiore Teil des Temporallappens)
Die Bereiche des Assoziationscortex, die visuellen Input erhalten, sind in verschiedenen
Bereichen der Großhirnrinde lokalisiert, wobei der größte einzelne Bereich der posteriore
Parietalcortex ist.
Der Hauptfluss der visuellen Info erfolgt vom primären visuellen Cortex zu den
verschiedenen Bereichen des sekundären visuellen Cortex und von dort zu den Bereichen
des Assoziationskortex.
Je weiter oben in der Hierarchie, desto größer werden die rezeptiven Felder der Neurone
und desto spezifischer und komplexer die Reize, die auf die Neuronen reagieren.
7.3.1 Skotome: Wahrnehmungsergänzung
Skotom = ein blinder Bereich im korrespondierenden Bereich des kontralateralen
Gesichsfeld beider Augen, hervorgerufen durch eine Schädigung eines Bereiches des
primären visuellen Cortex Abb. 7.4.
Neurologische Patienten mit einer mutmaßlichen Schädigung werden mittel Perimetrie
untersucht.
Als Ergebnis erhält man eine Karte vom Gesichtsfeld jeden Auges. Diese Karte bildet
etwaige Bereiche von Blindheit ab. Abb.7.4.
Viele Patienten mit großflächigen Skotomen sind sich ihrer Defizite nicht bewusst. Dies ist
durch das Phänomen der Wahrnehmungsergänzung erklärbar (sehen z.B. ein vollständiges
Bild einer komplexen Gestalt obwohl ein Teil davon in dem Skotom liegt).
In einigen Fällen kann diese Wahrnehmungsergänzung von residualen visuellen Fähigkeiten
im Skotombereich abhängen, muss aber nicht sein, da auch Patienten, die hemianopisch
sind ( d.h. dass das Skotom sich über die Hälfte des Gesichtsfeldes erstreckt), ein
vollständiges Gesicht sehen können, wenn sie die Nase einer Person fokussieren.
7.3.2 Skotome: Blindsehen ( bei Schädigungen des primären visuellen Cortex)
Blindsehen (Kortikale Blindheit) = Fähigkeit eines Patienten, auf visuelle Reize in ihren
Skotomen zu reagieren, obwohl sie keine bewusste Wahrnehmung dieser Reize besitzen.
Am wahrscheinlichsten bleibt von allen visuellen Fähigkeiten die Bewegungswahrnehmung
erhalten. (Beispiel: Patienten greift nach einem sich in ihrem Skotom bewegenden Objekt,
kann es auch ergreifen, obwohl sie behauptet, es die ganze Zeit nicht gesehen zu haben).
2 neurologische Interpretationen:


Die Area striata ist nicht vollständig zerstört, daher sind die erhaltenen Inseln
funktionstüchtiger Zellen in der Lage, einige visuelle Fähigkeiten zu vermitteln – ohne
dass bewusste Wahrnehmung stattfindet.
Diejenigen visuellen Bahnen, die von subkortikalen visuellen Strukturen direkt zum
sekundären visuellen Cortex aufsteigen, ohne den primären visuellen Cortex zu
passieren, sind in der Lage, einige visuelle Fähigkeiten – bei Fehlen eines kognitiven
Bewusstseins – aufrechtzuerhalten.
73
7.3.3. Bewusste visuelle Wahrnehmung und neuronale Aktivität
Die Aktivität visueller kortikaler Neurone
ist oft mit den Eigenschaften der
Wahrnehmung assoziiert und nicht mit
dem physikalischen Reiz.
Abb.7.6. zeigt diesen Punkt deutlicher,
indem sie zeigt, dass wir oft visuelle
Konturen sehen, wo keine vorhanden
sind. Dies nennt man subjektive
Konturen oder Scheinkonturen. Grund
dafür sind prästriäre Neurone, die auf
Scheinkonturen der passenden
Orientierung in ihren rezeptiven Feldern
so reagieren, als ob reale Konturen
vorhanden wären.
Abb.: Neurone des prästriären und des
primären visuellen Cortex eines Affen
reagieren auf Scheinkonturen einer
bestimmten Orientierung (adaptiert nach
Cortex Peterhans & von der Heydt,
1991).
7.3.4. Funktionelle Areale des sekundären visuellen Cortex und des visuellen
Assoziationscortex
Sekundärer visueller Cortex und Teile des Assoziationscortex, die an der visuellen Analyse
beteiligt sind, setzen sich beide aus verschiedenen Arealen zusammen, von denen jedes für
eine best. Art der visuellen Analyse spezialisiert sind.
Beispiel: Makakken – Affe (visueller Cortex besitzt mind. 30 verschiedene funktionelle
Areale, wobei die verschiedenen Areale des sekundären visuellen Cortex und des visuellen
Assoziationscortex des Makakken sehr stark miteinander verbunden sind)
Um die verschiedenen Areale des visuellen Cortex beim Menschen zu identifizieren bedarf
es der Methoden wie PET (Positronen Emissions Tomographie) und fMRT .
Abb. 7.8. zeigt die Areale, die hinsichtlich Lage, anatomischer Merkmale und Funktion den
Arealen des Makakken großteils entsprechen.
7.3.5. Dorsale und ventrale Bahnen
Im primären visuellen Cortex wird Info
vom Corpus geniculatum laterale
empfangen, kombiniert und dann auf
mehrere Verarbeitungswege verteilt,
die dann getrennt zu den
verschiedenen funktionellen Arealen
des sek. Visuellen Cortex und auch
zum Assoziationscortex projizieren.
Viele der Bahnen, die Info vom
primären visuellen Cortex zum
sekundären- und zum
Assoziationscortex leiten, sind Teil
zweier Bahnen:
74
Die dorsale Bahn: vom primären visuellen Cortex -> dorsalen prästriären Cortex ->
posterioren Parietalcortex
Ventrale Bahn: vom primären visuellen Cortex -> ventraler prästriärer Cortex ->
inferotemporaler Cortex … Abb. 7.9.
Dorsale Bahn ist entscheidend für die Wahrnehmung „wo“ sich Objekte befinden
Die ventrale Bahn ist entscheidend für die Wahrnehmung „was“ die Objekte sind
Die wichtigste Implikation der „wo versus was“ Theorie ist, dass eine Schädigung mancher
Areale des Cortex bestimmte Aspekte des Sehens zerstört, während andere unbeeinflusst
bleiben.
Beispiel: Patienten mit einer Schädigung des posterioren Parietalcortex haben
Schwierigkeiten, präzise nach Gegenständen zu greifen. Sie können diese aber problemlos
beschreiben.
Goodale und Milner behaupten hingegen, dass der Hauptunterschied zwischen der dorsalen
und ventralen Bahn nicht in der Art der Info besteht, die sie weiterleiten, sondern wozu die
Info genutzt wird.
Funktion der dorsalen Bahn: Verhaltensinteraktionen mit Objekten
Funktion der ventralen Bahn: die bewusste Wahrnehmung von Objekten zu vermitteln
Diese Theorie nennt man „Verhaltenskontrolle versus bewusste Wahrnehmung“
Theorie.
Diese Theorie besagt, dass Patienten mit einer Schädigung der dorsalen Bahn schlecht in
Tests zu Lage und Bewegung sind, da diese auf Verhaltensmaßen beruhen, und Patienten
mit einer Schädigung der ventralen Bahn schlecht in Tests zu visueller Widererkennung sind,
weil diese Tests auf verbalen und somit bewussten Angaben beruhen.
2 wichtigste Aussagen:
Patienten mit bilateralen Läsionen der ventralen Bahn haben keine bewusste visuelle
Wahrnehmung und sind dennoch in der Lage, mit Objekten unter visueller Lenkung zu
interagieren
Patienten mit bilateralen Läsionen der dorsalen Bahn können bewusst Objekte sehen, aber
unter visueller Kontrolle nicht mit ihnen interagieren.
7.3.6. Prosopagnosie
Darunter versteht man eine neuropsychologische Störung des visuellen Erkennens.
Kurz gesagt: eine visuelle Agnosie für Gesichter
Agnosie = Ausfall des Erkennens, ist nicht auf eine verbale oder intellektuelle
Beeinträchtigung zurückzuführen
Visuelle Agnosie
 man kann visuelle Reize sehen, aber man weiß nicht, was sie sind
 spezifisch für bestimmte Aspekte z.B. Bewegungsagnosie, Objektagnosie,
Farbagnosie
 resultiert aus einer Schädigung des sekundären visuellen Cortex, der die Erkennung
dieser bestimmten Eigenschaft vermittelt
Prosopagnostiker
 sind visuelle Agnostiker mit einer spezifischen Schwierigkeit beim Erkennen von
Gesichtern
 können Gesichter erkennen, aber sie haben Probleme damit, zu erkennen, wessen
Gesicht es ist.
 Berichten oft ein Durcheinander einzelner Gesichtsteile
 In extremen Fällen: erkenne sich selbst nicht
75

Sorgfältige Untersuchungen haben ergeben, dass Prosopagnostiker nicht nur
Defizite beim Erkennen von Gesichtern haben, sondern ein allgemeines Problem
damit haben, spezifische Objekte zu erkennen, die zu komplexen Klassen von
Objekten gehören (z.B. bestimmte Autos)
Die Diagnose ist gewöhnlich mit einer Schädigung der ventralen Bahn im Bereich der
Grenze zwischen den Occipital – und Temporallappen assoziiert. Dieses Gebiet bezeichnet
man als fusiformes Gesichtsareal.
Prosopagnosie resultiert aus einer bilateralen Schädigung der ventralen Bahn, daher legt
das nahe, dass die Funktion der dorsalen Bahn intakt ist.
Prosopagnostiker könnten somit in der Lage sein, Gesichter unbewusst zu erkennen, die sie
bewusst nicht erkennen können.
7.3.7. Bereiche der ventralen Bahn, die für das Erkennen bestimmter Objektklassen
spezialisiert sind
Die funktionelle Bildgebung des Gehirns hat gezeigt, dass das Erkennen von Gesichtern,
nicht aber von anderen Objekten, mit einer ausgeprägten Zunahme der Aktivität im
fusiformen Gesichtsareal einhergeht.
2 wichtige Aussagen:
 Es reagiert mehr als ein Gebiet der ventralen Bahn auf jede Objektklasse
 Es gibt eine große Überlappung zwischen den Bereichen, die auf verschiedene
Objektklassen reagieren.
Neuronale Schaltkreise im menschlichen visuellen Cortex, die spezifisch für die Erkennung
best. Objektklassen sind, scheinen mit Schaltkreisen zur Erkennung anderer Objekte
verwoben zu sein.
7.4. Hören
Funktion des auditorischen
Systems: Wahrnehmung von
Geräuschen – präziser:
Wahrnehmung von Objekten und
Ereignissen über den Schall, den
sie erzeugen
Abb.: Die Beziehung zwischen den
physikalischen und perzeptuellen
Dimensionen des Schalls.
Schall = Schwingung von
Luftmolekülen, die das
auditorische System stimuliert
(Menschen hören molekulare
Schwingungen zwischen 20 und 20 000 Hertz )
1 Hertz = 1 Zyklus pro Sekunde
Amplitude, Frequenz und Komplexität der molekularen Schwingungen werden als
Lautstärke, Tonhöhe und Klangfarbe wahrgenommen.
Reine Töne nur in Laboratorien. Im echten Leben besteht Schall aus komplexen
Schwingungsmustern.
Jede komplexe Schallwelle kann in eine Reihe von Sinuswellen verschiedener Frequenz
und Amplitude zerlegt werden. Dies wird mittels Fourier-Analyse festgestellt.
76
7.4.1 Das Ohr
Schallwellen -> wandern Gehörgang entlang -> verursachen Schwingungen des
Trommelfells ( Membrana tympanica) -> 3 Gehörknöchelchen (Ossicula auditus) - Malleus
(Hammer), Incus (Amboss) und Stapes (Steigbügel)
Schwingungen des Stapes lösen Schwingungen der Membran aus, die als das ovale Fenster
bezeichnet wird, das wiederum die Schwingungen auf die Flüssigkeit in der
schneckenförmigen Cochlea überträgt.
Die Cochlea = lange, aufgerollte Röhre mit einer inneren Membran. Diese innere Membran
ist das auditorische Rezeptororgan (Corti-Organ)
Corti-Organ:
Besteht aus 2 Membranen, der Basilarmembran und der Tektorialmembran.
Die auditorischen Rezeptoren, also die Haarzellen, sitzen auf der Basilarmembran. Die
Tektorialmembran liegt auf den Haarzellen.
Eine Auslenkung des Corti-Organs erzeugt eine Scheerkraft auf die Haarzellen derselben
Stelle -> diese Kraft stimuliert die Haarzellen -> Aktionspotentiale in den Axonen des Nervus
cochlearis (Hörnerv, ein Ast des VIII. Hirnnervs, des Nervus vestibulocochlearis) werden
erzeugt -> Schwingungen der Cochlearflüssigkeit werden durch das runde Fenster, eine
elastische Membran in der Wand der Cochlea, abgeleitet.
Hauptprinzip der cochlearischen Kodierung:
Unterschiedliche Frequenzen stimulieren die Haarzellen an unterschiedlichen Stellen
maximal -> die vielen, durch ein einzelnes komplexes Geräusch hervorgerufenen Signale
werden über viele verschiedene auditorische Neurone aus dem Ohr weitergeleitet.
Organisation der Cochlea ist tonotop, die des visuellen Systems retinotop.
77
Das auditorische System schafft es, viele einzelne Frequenzbotschaften in separaten
Kategorien zu sortieren und sie so zu kombinieren, dass man sämtliche Quellen komplexer
Geräusche unabhängig voneinander hören kann (Raum voller Mensche, tanzen zur Musik,
zahlreiche Gespräche)
Das vestibuläre System erzeugt Informationen über die Richtung und Intensität von
Kopfbewegungen, es hilft daher, unser Gleichgewicht zu halten.
7.4.2. vom Ohr zum primären auditorischen Cortex
Keine Hauptbahn zum
auditorischen Cortex,
sondern mehrere
auditorische Bahnen.
Die Axone jedes Nervus
cochlearis bilden synaptische
Verbindungen mit den
ipsilateralen Nuclei
cochleares, von denen viele
Projektionen zum superioren
Olivenkern ( Nucleus olivaris
superior) auf derselben
Ebene führen.
Die Axone der Olivenneurone
projizieren über den
Lemniscus lateralis (seitliche
Schleifenbahn) zu dem
Colliculus inferior, wo sie
synaptische Verbindungen
mit Neuronen bilden, die
dann zum Corpus
geniculatum mediale(mittlerer
Kniehöcker) des Thalamus
projizieren. Diese wiederum
projizieren zum primären
auditorischen Cortex.
7.4.3. Der primäre auditorische Cortex
Im Temporallappen, größtenteils im Sulcus lateralis versteckt
Sekundärer auditorischer Cortex wird durch eine Gürtelregion (belt region) dargestellt.
2 wichtige Organisationsprinzipien des primären aud. Cortex:
 Ist in funktionellen Säulen organisiert
 Tonotop organisiert: posteriore Bereiche sind sensitiver gegenüber höheren
Frequenzen
Über die Neurone des sekundären aud. Cortex ist wenig bekannt, weil sie schwach und
inkonsistent auf reine Töne reagieren.
7.4.4 Schalllokalisation
Die Lokalisation von Geräuschen im Raum wird über den lateralen und medialen superioren
Olivenkern vermittelt, die unterschiedlich arbeiten.
Wenn ein Geräusch links von einem -> geht zuerst ins linke Ohr -> im linken Ohr lauter
78
Mediale und laterale Olivenkerne projizieren zum Colliculus superior und zum Colliculus
inferior. Die oberen Schichten des Colliculus superior, die visuellen Input erhalten, sind
retinotop organisiert.
Vermutung der Hauptfunktion des Colliculus superior: Lokalisation von sensorischen
Reizen im Raum
7.4.5. Auswirkungen einer Schädigung des auditorischen Cortex
Untersuchungen waren schwer, da der größte Teil des aud. Cortex tief im Sulcus lateralis
liegt.
Daher ist der auditorische Cortex auch nur selten ganz zerstört, daher fast nur
Untersuchungen an Tieren möglich.
Vollständige bilaterale Läsionen des prim. aud. Cortex bei Säugetieren, also
Laborratten, verursachen keine dauerhaften Defizite in der Fähigkeit zu erkennen, ob
Geräusche vorhanden sind oder nicht, sogar wenn die Läsionen wesentliche Bereiche
des sek. aud. Cortex miteinschließen.
Diese Läsionen zerstören aber die Fähigkeiten, kurze Geräusche zu lokalisieren.
7.5. Somatosensorik: Berührung und Schmerz
Breite Vielfalt an Empfindungen, die vom Körper ausgehen = Somatosensationen
Somatosensorisches System besteht aus 3 getrennten, aber interagierenden Systemen:
 Exterozeptives System: registriert externale Reize, die auf Haut treffen
 Propriozeptives System: überwacht die Info über die Position des Körpers, die von
den Muskeln, den Gelenken und den Gleichgewichtsorganen stammen
 Interozeptives System: liefert allgemeine Infos über Bedingungen innerhalb des
Körpers (Blutdruck, Temperatur)
Exterozeptives System:
Besteht aus 3 getrennten Abteilungen:
 Bereich zur Wahrnehmung mechanischer Reize (Berührung)
 Bereich zur Wahrnehmung thermischer Reize (Temperatur)
 Bereich zur Wahrnehmung nozizeptiver Reize (Schmerz)
7.5.1. Hautrezeptoren
In der Haut: mehrere Arten von
Rezeptoren
4 Arten von Rezeptoren in behaarter Haut
und auch in ungehaarter Haut
(Handflächen)
Einfachste Hautrezeptoren:
Freie Nervenendigungen: sind besonders
sensitiv gegenüber
Temperaturveränderungen und Schmerz
Größte und am tiefsten liegende
Hautrezeptoren:
Zwiebelartige Pacini- Körperchen:
adaptieren schnell, reagieren am besten
auf plötzliche Verschiebungen der Haut
Im Gegensatz dazu adaptieren die MerkelZellen (Tastscheiben) und die RuffiniKörperchen langsam und reagieren am
besten auf langsame, kontinuierliche
79
Veränderungen von Druck und Dehnung der Haut
Stereognosie = die Identifizierung von Objekten über Berührung
7.5.2. Dermatome
Nervenfasern, die Info von Hautrezeptoren
und anderen somatosensorischen
Rezeptoren übertragen, werden zu Nerven
zusammengeführt und treten dann über die
Hinterwurzeln in das Rückenmark ein.
Dermatom = jener Bereich des Körpers,
der über die linke und rechte
Hinterwurzel eines gegebenen
Rückenmarksegements innerviert wird
Abb.: Dermatome des
menschlichenKörpers.
S, L, T und C bezeichnendie sakralen,
lumbalen, thorakalenund
zervikalenAbschnittederWirbelsäuleV1, V2
und V3 bezeichnendie dreiÄstedes N.
trigeminus
7.5.3. Die zwei großen aufsteigenden
somatosensorischen Bahnen
Somatosensorische Info wird über 2 großen
aufsteigenden somatosensorischen Bahnen
zum Cortex gebracht
 Hinterstrang- Lemniscus-medialisSystem: überträgt Info über
Berührung und Propriozeption
 Anterolaterale System
(Vorderseitenstrangsystem):
überträgt Info über Schmerz und
Temperatur
Abb. Hinterstrang- Lemniscus-medialisSystem
Die sensorischen Neurone dieses Systems
treten über die Hinterwurzel in das
Rückenmark ein -> steigen ipsilateral im
Hinterstrang auf, und bilden Synapsen in den
Hinterstrangkernen der Medulla.
Die Axone der Neurone der
Hinterstrangkerne kreuzen (= auf die andere
Seite des Gehirns ziehen) und steigen im
Lemniscus medialis (mediale Schleifenbahn)
zum kontralateralen Nucleus ventralis
posterior des Thalamus auf.
80
Meisten Neuronen des Nucleus ventr. post.
projizieren zum primären somatosens.
Cortex, andere zum sekundären somatosens.
Cortex.
Nucleus ventralis post. empfängt auch Äste
des Nervus trigeminus.
Abb.: Anterolaterale System
Meisten Hinterwurzelneurone bilden
synaptische Verbindungen, sobald sie ins
Rückenmark eingetreten sind.
Das anterolaterale System besteht aus 3
verschiedenen Bahnen:
 Dem Tractus spinothalamicus, der
zum Nucleus ventralis posterior des
Thalamus projiziert
 Dem Tractus spinoreticularis, der zur
Formatio reticularis zieht
 Dem Tractus spinotectalis, der zum
Tectum (Colliculi) zieht
Die 3 Äste des Nervus trigeminus, die zu
den identischen Orten im Thalamus
ziehen, übertragen Schmerz – und
Temperaturinfos vom Gesicht.
Bilaterale Läsionen den Nucleus ventralis
post., der Input vom Tractus spinothalamicus
aber auch vom Hinterstrang- Lemniscusmedialis-System erhält, bedingten nur
geringe Verluste in der Sensitivät der Haut
gegenüber Berührung, Temperaturveränderungen
und stechendem Schmerz.
Die Läsionen hatten aber keinen Effekt auf
chronischen Tiefenschmerz.
7.5.4 Kortikale Areale der Somatosensation
Bei Stimulation des Gyrus postcentralis berichteten
Patienten über somatosensorische Empfindungen
in verschiedenen Körperteilen.
So wurde auch (von Penfield) die somatotope
Organisation des menschl. primären
somatosensorischen Cortex, also eine Organisation
entsprechend einer Karte der Körperoberfläche,
entdeckt. -> Abb. links
Diese Karte wird als somatosensorischer
Homunkulus bezeichnet (Homunkulus steht für
„Menschlein“)
Ein zweites somatotop organisiertes Gebiet, der
sekundär somatosens. Cortex (SII), liegt genau
ventral vom primären somatosens. Cortex (SI) im
Gyrus postcentralis.
81
SII empfängt Input größtenteils von SI -> daher auch sekundär somatosens. Cortex.
SI empfängt hauptsächlich kontralateralen Input, SII Input von beiden Seiten des
Körpers.
Großer Teil des Outputs von SI und SII geht zum Assoziationskortex des posterioren
Parietallappens.
Man kann die rezeptiven Felder des prim. somatosens. Cortex in exzitatorische und
inhibitorische Bereiche unterteilen.
7.5.5 Auswirkungen einer Schädigung des prim. somatosens. Cortex
Die Auswirkungen einer Schädigung des prim. somatosens. Cortex sind gering.
Untersuchungen von somatosens. Fähigkeiten an epileptischen Patienten sowohl vor als
auch nach einer Exzision (Herausschneiden von Gehirngewebe) haben gezeigt, dass nach
der OP die Patienten 2 geringe kontralaterale Defizite zeigten:
 Herabgesetzte Fähigkeiten bei der Entdeckung leichter Berührungen
 Und bei der Identifikation von Objekten durch Berührung
7.5.6. somatosensorische Agnosie
2 Haupttypen:
 Astereognosie: Unfähigkeit, Objekte durch Berührung zu erkennen
 Asomatognosie: Unfähigkeit, Teile des eigenen Körpers zu erkennen; ist
gewöhnlich unilateral (betrifft nur de linke Körperseite)
 Asomatognosie geht oft mit einer Anosognosie ( = Unfähigkeit neurologischer
Patienten, ihre eigenen Symptome zu erkennen) oder mit einem kontralateralen
Neglect (also nicht auf Reize zu reagieren) einher.
7.5.7. Paradoxien des Schmerzes
Paradoxon = logischer Widerspruch
Es gibt 3 Paradoxien des Schmerzes:
1. Adaptivität des Schmerzes
2. Fehlen eindeutiger kortikaler Schmerzrepräsentationen
3. Absteigende Schmerzkontrolle
Ad1) es gibt keinen bestimmten Reiz für Schmerz, Schmerz ist eine Reaktion auf
übermäßige (schädliche) Stimulation jeder Art.
Ad2) Schmerz weist keine offensichtlich kortikale Repräsentation auf. d.h. dass
schmerzhafte Reize häufig Bereiche des Cortex aktivieren, aber dass diese
Aktivierungszonen stark variieren.
Das kortikale Gebiet, das am häufigsten mit dem Schmerzerleben in Verbindung gebracht
wird, ist der anteriore cinguläre Cortex (der Cortex des anterioren Gyrus cinguli)
Der cinguläre Cortex ist eher an der emotionalen Reaktion auf Schmerz beteiligt als an der
Wahrnehmung des Schmerzes an sich.
Ad3) Schmerz kann durch kognitive und emotionale Faktoren unterdrückt werden (Beispiel:
Soldaten im Krieg -> schwere Wunden -> empfinden oft geringen Schmerz
Gate- Control-Therie: versucht zu erklären, wie kognitive und emotionale Faktoren Schmerz
blockieren. Es wird vermutet, dass vom Gehirn absteigende Signale neuronale
Kontrollschaltkreise (gating circuits) im Rückenmark aktivieren, um auf diese Weise
eintreffende Schmerzsignale zu blockieren.
82
3 Entdeckungen haben bei der
Identifikation eines absteigenden
Schmerzhemmsystems
beigetragen:
Eine elektrische Stimulation des
periaquäduktalen Graus (PAG) hat
schmerzhemmende (analgetische)
Effekte.
PAG und andere Bereiche des
Gehirns haben spezialisierte
Rezeptoren für opioide Analgetika
wie Morphin.
Es konnten endogene (körpereigene)
opioide Analgetika isoliert werden.
Abb. absteigendes
Schmerzhemmungsystem von
Basbaum und Fields
Der Output aus dem PAG erregt die
serotonergen Neurone des Nuclei
raphé -> diese projizieren abwärts in
den Hinterstrang des Rückenmarks > erregen Interneurone -> diese
blockieren die eintreffenden
Schmerzsignale in Hinterhorn
7.6. die chemischen Sinne: Riechen und Schmecken
Olfaktion (Geruch) und Gustation (Geschmack) werden deshalb als chemische Sinne
bezeichnet, da ihre Funktion in der Überwachung des chemischen Gehalts der Umwelt
besteht.
Beim Essen: Geruch und Geschmack arbeiten zusammen durch die Nahrungsmoleküle, da
diese sowohl Geruchs – als auch Geschmacksrezeptoren aufweisen. Dieser integrierte
sensorische Eindruck = Geschmack oder Aroma
Mitglieder vieler Spezies setzten Pheromone frei. Dies sind chemischer Verbindungen, die
die Physiologie und das Verhalten ihrer Artgenossen beeinflussen. Beispiel: bei Hamstern
steht das Sexual –und das Aggressionsverhalten unter pheromonaler Kontrolle.
Menschen können ebenfalls Sexualphermone freisetzen.
Beispiele:
 Die olfaktorische Sensitivität von Frauen ist während der Ovulation (Eisprung) am
größten
 Frauen, die zusammenleben, haben gehäuft synchronisierte Menstruationszyklen.
 Menschen, besonders Frauen, können das Geschlecht einer Person aufgrund des
Atem- bzw. Axelhöhlengeruchs bestimmen
 Männer können das Stadium des Menstruationszyklus einer Frau auf der Grundlage
ihres Vaginalgeruchs bestimmen
Allerdings noch kein direkter Beweis, dass menschliche Gerüche als Sexuallockstoff
dienen könnten.
Weitere Besonderheit der chemischen Sinne ist die Beteiligung am Lernen.
83
Tiere, die nach dem Verzehr einer bestimmten Nahrung unter Magen-DarmVerstimmungen litten, entwickeln eine konditionierte Aversion gegenüber deren Geschmack
7.6.1. das olfaktorische System
Im oberen Teil der
Nase: olfaktorische
Rezeptoren
(Geruchsrezeptoren),
eingebettet im
Riechepithel
(schleimbedecktes
Gewebe)
Olfaktorische
Rezeptoren besitzen
eigene Axone, die
durch die Siebbeinplatte
(Lamina cribrosa) in de
Bulbus olfaktorius
(Riechkolben) eintreten.
-> dort bilden sie
synaptische
Verbindungen mit
Neuronen, die über den
Tractus olfactorius zum
Gehirn ziehen.
Es gibt über 1000 Arten
von Rezeptorproteinen,
von denen jedes
sensitiv gegenüber
unterschiedlichen
Gerüchen ist.
Bei Säugetieren:
Jede olfaktorische Rezeptorzelle enthält eine Art von Rezeptorproteinmolekül = „ein –
olfaktorischer – Rezeptor – ein olfaktorisches – Neuron“ – Regel
Unterschied zwischen olfaktorischen Rezeptorzellen und den Rezeptorzellen anderer
sensorischer Systeme:
Olfaktorische Rezeptorzellen werden während des gesamten Lebens immer wieder neu
erzeugt -> ersetzen die funktionsunfähig gewordenen Rezeptorzellen
Tractus olfactorius projiziert zu verschieden Strukturen des medialen Temporallappens,
der Amygdala und des präpiriformen Cortex (dieser ist wahrscheinlich der primäre
olfaktorische Cortex).
Das olfaktorische System is das einzige sensorische System, dessen sensorische
Hauptbahn die Großhirnrinde erreicht, ohne den Thalamus zu passieren.
2 Hauptbahnen verlassen das Amygdala-präpiriforme Gebiet:
Eine projiziert zum limbischen System, die andere über den Nucleus mediodorsalis des
Thalamus zum orbitofrontalen Cortex (liegt bei der Orbita = Augenhöhle)
Das Limbisches System vermittelt die emotionale Reaktion auf Gerüche
Die Thalamo-orbitofrontale Projektion ist für die bewusste Wahrnehmung von Gerüchen
verantwortlich.
7.6.2 das gustatorische System
Geschmacksrezeptoren auf Zunge und in der Mundhöhle
84
-
Bilden Gruppen von 50 Rezeptoren = Geschmacksknospen
Geschmacksknospen sind auf der Zunge um kleine Ausstülpungen, so
genannten Papillen, angeordnet.
Früher ging man von 4 Geschmacksqualitäten aus – süß, sauer, salzig, bitter
Heute geht man von 5 aus, die 5. Geschmacksqualität ist umami (=wohlschmeckend oder
pikant)
Für einige
Geschmacksrezeptoren
(salzig oder sauer) gibt es
keine spezifischen
Rezeptoren.
Abb. Hauptbahnen, die die
gustatorischen Signale zum
Cortex weiterleiten
Afferente gustatorische
Neurone verlassen den
Mund als Teil des Nervus
facialis (VII Hirnnerv), Nervus
glosspharyngeus (IX.
Hirnnerv) und Nervus vagus (
X. Hirnnerv), die die Infos
vom der Zungenspitze, dem
hinterenTeil der Zunge und
dem hinteren Teil der
Mundhöhle übertragen.
Diese Nerven enden alle in
den Nervus solitarius, der
Medulla, wo sie synaptische
Verbindungen mit Neuronen
bilden, die zum Nucleus
ventralis posterior des
Thalamus projizieren.
Die gustatorischen Axone
des Nucleus ventralis post.
projizieren dann zum prim.
und sekundären
gustatorischen Cortex.
Die Projektionen des gustatorischen Systems sind hauptsächlich ipsilateral.
Die meisten gustatorischen Neurone reagieren auf eine Vielzahl unterschiedlicher
Geschmacksqualitäten und ein bestimmter Geschmack scheint im Gehirn über ein
Aktivitätsprofil von Gruppen von Neuronen kodiert zu werden.
7.6.3. Hirnschädigung und die chemischen Sinne
Anosmie = Unfähigkeit, zu riechen
Ageusie = Unfähigkeit, zu schmecken
Häufigste Ursache für Anosmie ist ein Schlag auf den Kopf, der zu einer Verschiebung
des Gehirns im Schädel führt und die olfaktorischen Nerven dort abschneidet, wo sie die
Lamina cribrosa passieren.
Weniger vollständige Defizite im Geruchsvermögen gehen mit einer Reihe von
neurologischen Störungen, wie der Alzheimer-Erkrankung, des Down-Syndroms, der
85
Epilepsie, der MS (Multiple Sklerose) oder auch der Parkinson Erkrankung oder des
Korsakoff-Syndroms einher.
Ageusie ist selten -> da es 3 getrennte Bahnen aus dem Mund für die sensorischen Signale
gibt
Partielle Ageusie: ist beschränkt auf die vorderen 2 Drittel einer Seite einer Zunge und wird
oft mit einer Schädigung des Ohrs auf derselben Körperseite beobachtet.
Grund: der Ast des Nervus facialis, der die gustatorische Info von den vorderen 2 Dritteln der
Zunge weiterleitet, passiert das Mittelohr.
7.7 Selektive Aufmerksamkeit
Selektive Aufmerksamkeit = nur ein kleiner Teil der vielen Reize wird bewusst
wahrgenommen
2 Aspekte der selektiven Aufmerksamkeit:
Sie verbessert die Wahrnehmung der Reize, die gerade in ihrem Fokus sind
Sie interferiert mit der Wahrnehmung der Reize, die nicht in ihrem Fokus sind
2 unterschiedliche Arten der Aufmerksamkeitsfokussierung:
a) durch internale kognitive Prozesse = endogene Aufmerksamkeit
b) durch externale Ereignisse = exogene Aufmerksamkeit
Beispiel: Aufmerksamkeit wird auf Tisch gerichtet, da ich Schlüssel suche (endogene
Aufmerksamkeit)
Aufmerksamkeit wird auf Tisch gerichtet, weil Katze ein Glas umgestoßen hat (exogene
Aufmerksamkeit)
Endogene Aufmerksamkeit wird über neuronale top-down (= von der höheren zur
niedrigeren Ebene) Mechanismen vermittelt
Exogene Aufmerksamkeit über neuronale bottom- up (= von der niedrigeren zur höheren
Ebene) Mechanismen
Aufmerksamkeit:
Ist ein wichtiger Aspekt der Wahrnehmung
Phänomen der Veränderungsblindheit ( change blindness) : Abb.7.26
Probanden werden Bilder gezeigt -> sollen Veränderungen am Bild bekannt geben, sobald
sie sie sehen -> Ein Bild besteht aus 2 Bildern, wobei auf einem z.b ein Gegenstand
weggelassen wird -> diese 2 Bilder werden abwechselnd (mit einem kurzen Intervall:
weniger als 0,1 sec) präsentiert
Ergebnis: meisten Probanden schauen Bild mehrere Sekunden lang an, ehe ihnen ein
Unterschied auffällt -> Warum trifft Veränderungsblindheit auf?
Grund: Tritt auf, weil beim Betrachten eines Bildes man sich nicht an alle Teile der Szene
erinnern kann, die nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit gelegen sind
Veränderungsblindheit trifft aber nur auf, wenn die Bildpräsentation durch kurze Intervalle
(also weniger als 0,1 sec) getrennt sind.
Experimente, die die Auswirkungen von Aufmerksamkeit auf die neuronale Aktivität im
visuellen System nachwiesen:
Moran und Desimone (1985): waren die ersten, die dies untersuchten, an Affen
Corbetta und Collegen (1990): untersuchten Menschen
Präsentierten eine Reihe sich bewegender, farbiger Reize verschiedener Formen und baten
die Probanden, zwischen den Reizen aufgrund von Bewegung, Farbe oder Form zu
unterscheiden
 Aufmerksamkeit gerichtet auf Farbe oder Form bedingte eine erhöhte
Aktivität in den Bereichen der ventralen Bahn
 Aufmerksamkeit gegenüber Bewegung eine erhöhte Aktivität in den
Bereichen der dorsalen Bahn
86
Selektive Aufmerksamkeit funktioniert über eine Verstärkung der Repräsentationen
der beachteten Aspekte und eine Abschwächung der anderen.
Im Allgemeinen erhöht die Antizipation eines Reizes die neuronale Aktivität in den gleichen
Schaltkreisen, die auch durch den Reiz selbst beeinflusst werden.
Augenbewegungen spielen bei der visuellen Aufmerksamkeit eine wichtige Rolle. Allerdings
lässt sich die visuelle Aufmerksamkeit verschieben, ohne die Richtung des visuellen Fokus
zu verlagern -> siehe Buch Seite 240
Ein weiteres wichtiges Merkmal der selektiven Aufmerksamkeit:
Cocktail-Party-Phänomen: selbst wenn man sich so aufmerksam auf ein Gespräch
konzentriert, dass die Inhalte in den Gesprächen um einen herum nicht bewusst
wahrgenommen werden, so wird man trotzdem die Erwähnung des eigenen Namens in
einem der Gespräche sofort bewusst wahrnehmen.
 zeigt, dass das Gehirn den Zugang zum Bewusstsein für Reize, außer
einem ganz bestimmten, blockiert. Gleichzeitig werden aber die dem
Bewusstsein zugänglichen Reize überwacht, für den Fall, dass etwas
auftaucht, was Aufmerksamkeit erfordert.
Visuelle Simultanagnosie = man hat ein Problem damit, mehr als ein visuelles Objekt
gleichzeitig zu beachten (siehe Beispiel Seite 202)
Grund: die dorsale Bahn ist für Lokalisierung von Objekten im Raum zuständig. Und bei
dieser Form der Agnosie ist dieser Bereich geschädigt. Die Schädigung ist üblicherweise
bilateral.
87
Kapitel 8: Das sensomotorische System
8.2. Drei sensomotorische Funktionsprinzipien
8.2.1 Das sensomotorische System ist hierarchisch organisiert
Die hierarchische Organisation des sensomotorischen Systems kann mit der Organisation
eines Unternehmens verglichen werden. Das Unternehmen wird durch Befehle gesteuert, die
die Hierarchieebenen nach unten verlaufen – vom Assoziationskortex zu den Muskeln.
Der Assoziationskortex gibt dabei eher allgemeine Ziele, als spezifische Handlungspläne
vor. Der Hauptvorteil der hierarchischen Organisation besteht darin, dass die höheren
Ebenen komplexere Funktionen verrichten können.
Das sensomotorische System ist parallel und hierarchisch organisiert, d.h. die Signale
zwischen den Ebenen laufen gleichzeitig über mehrere Bahnen. Der parallele Aufbau
ermöglicht dem Assoziationskortex niedrigere Hierarchieebenen zu kontrollieren. (z.B.:
Assoziationskortex kann Lidschlussreflex hemmen um Kontraktlinseneinsetzen zu
ermöglichen)
Die sensomotorischen Hierarchien sind außerdem durch eine funktionelle Trennung
charakterisiert. Jede Ebene einer sensomotorischen Hierarchie besteht aus
unterschiedlichen Einheiten (neuronale Strukturen oder Abteilungen), von denen jede eine
unterschiedliche Funktion erfüllt.
Der Hauptunterschied zwischen dem sensorischen und sensomotorischen System besteht in
der Hauptrichtung des Informationsflusses. In sensorischen Systemen verläuft der
Informationsfluss hauptsächlich die Hierarchie hinauf, in sensomotorischen Systemen
verläuft der Informationsfluss hauptsächlich die Hierarchie hinab.
8.2.2 Motorischer Output wird durch sensorischen Input gesteuert
Die Augen, Gleichgewichtsorgane und die Rezeptoren in der Haut, in den Muskeln und den
Gelenken überwachen die körperlichen Reaktionen und speisen diese Information wieder in
die sensomotorischen Schaltkreise ein. Dieses sensorische Feedback spielt vor allem bei
der Weiterleitung eine wichtige Rolle. (Ballistische Bewegungen = kurze, schnelle, Allesoder- Nichts Bewegungen, werden nicht vom sensorischen Feedback beeinflusst)
Viele Anpassungen im motorischen Output, die als Antwort auf sensorisches Feedback
stattfinden, werden durch die niedrigeren Ebenen der sensomotorischen Hierarchie
unbewusst, und ohne Beteiligung der höheren Ebenen kontrolliert. („automatisch)
Der Fall G.O. (Dartspieler):
Ausfall von nur einer Art von sensorischem Feedback: dem Feedback aus den
somatosensorischen Nerven des Arms;
Infektion zerstörte somatosensorische Nerven in Armen; große Schwierigkeiten bei
visueller Kontrolle, große Schwierigkeiten durch Unfähigkeit motorischen Output an
unerwartete äußere Störungen anzupassen; konnte Stärke der Muskelkontraktion nicht
konstant halten – musste daher jede Aufgabe, die einen konstanten motorischen Output
zur Hand erforderte visuell kontrollieren;
8.2.3 Lernen verändert die Art und den Ort der sensomotorischen Kontrolle
Während der Anfangsstadien des motorischen Lernens wird jede einzelne Reaktion unter
bewusster Kontrolle ausgeführt, dann, nach einiger Übung, werden einzelne Reaktionen in
kontinuierliche, integrierte Handlungssequenzen organisiert, die glatt ablaufen und über
sensorisches Feedback, ohne bewusste Regulationsprozesse korrigiert werden.
Sensorisches Lernen besteht größtenteils darin einzelne Reaktionen in
zusammenhängende motorische Programme zusammenzufassen und deren Kontrolle
auf niedrige Ebenen des Nervensystems zu übertragen. (Also dass auch „niedrigere“
Ebenen die Handlungen kontrollieren können, und die höheren Ebenen sich mit wichtigerem
beschäftigen können)
88
8.2.4 Ein allgemeines Modell der Funktionsweise des sensomotorischen Systems
Die Kontrolle
willkürlichen
Verhaltens beginnt auf
der Ebene des
Assoziatinoskortex und
folgt den wichtigen
motorischen Signalen
durch die
sensomotorische
Hierarchie hinunter bis
zu den Skelettmuskeln,
die am Ende die
Bewegungen
ausführen.
8.3 Der sensomotorische Assoziationskortex
Wie in dem oben skizzierten Modell ersichtlich steht der Assoziationskortex an der Spitze der
Hierarchie. Er besteht aus 2 Hauptgebieten: dem posterioren parientalen
Assoziationskortex und dem dorsolateralen präfrontalen Assoziationskortex. Beide
sollen aus mehreren Schichten bestehen, die aber noch nicht definiert sind.
8.3.1 Der posteriore parientale Assoziationskortex
Bevor eine tatsächliche Bewegung initiiert werden kann, muss das Nervensystem die
Ausgangsposition der zu bewegenden Körperteile und die Position der externen Objekte
erkennen, mit denen der Körper interagieren will. Der posteriore parientale
Assoziationskortex spielt bei der Integration dieser beiden Arten von Information und bei der
Steuerung der Aufmerksamkeit eine große Rolle. Der posteriore parientale
Assoziationskortex empfängt Information von den drei sensorischen Systemen, die eine
Rolle bei der Lokalisation des Körpers und externer Objekte im Raum spielen: dem visuellen
System, auditorischen System, und dem somatosensorischen System.
Ein Großteil des Outputs des posterioren parientalen Assoziationskotex gehen zum
dorsolateralen präfrontalen Assoziationskortex, zu verschiedenen Gebieten des
sekundären motorischen Kortex und zum frontalen Augenfeld (steuert
Augenbewegungen).
Eine Schädigung des posterioren parientalen Assoziationskortex kann verschiedene
sensomotorische Defizite hervorrufen:
Störungen
•
in der Wahrnehmung und dem Gedächtnis für räumliche Beziehungen
•
beim präzisen Angreifen und Aufheben
•
bei der Steuerung der Augenbewegungen
•
bei der Aufmerksamkeit.
89
Apraxie
Störung der Willkürbewegungen, die nicht auf ein einfaches motorisches Defizit oder
auf irgendein Verständnis- oder Motivationsdefizit zurückgeführt werden kann. Der
Betroffene hat beachtliche Schwierigkeiten spezifische Bewegungen bei Aufforderung
auszuführen, besonders, wenn sie aus dem Zusammenhang gerissen sind. Obwohl die
Symptome bilateral auftreten wird die Schädigung oft durch eine unilaterale
Schädigung des linken posterioren Parientallappens oder seiner Verbindung
verursacht.
Kontralateraler Neglekt
Störung der Fähigkeit auf Reize zu reagieren, die auf der Körperseite gegenüber
einer Gehirnläsion auftauchen (bei gleichzeitiger Abwesenheit sensorischer und
motorischer Defizite). Der kontralaterale Neglekt ist häufig mit großen Läsionen des
rechten posterioren Parientallappens verbunden. Es treten Reaktionsdefizite bei
Reizen links vom Körper der Betroffenen auf, was als egozentrisches Links (wird tw.
Über Gravitationskoordinaten definiert) bezeichnet wird. Viele Patienten neigen auch
dazu nicht auf die linke Seite von Objekten zu reagieren (also objektbezogen). - Im
Parientalkortex von Primaten wurden Neurone mit egozentrischen rezeptiven Feldern
und andere mit objektbezogenen rezeptiven Feldern nachgewiesen.
Nur weil ein Objekt in der linken Hälfte nicht bewusst wahrgenommen werden kann,
muss es nicht fordernd auch unbewusst nicht wahrgenommen werden. Personen mit
K.N neigen dazu nach wiederholter Darbietung eines Objekts an derselben linken Stelle
genau an diese Stelle zu schauen, obwohl ihnen die Objekte nicht bewusst waren.
Unvollständige Zeichnungen konnten bei der Darbietung auf der rechten Seite besser
identifiziert werden, wenn sie zuvor auf der linken Seite gezeigt wurden.
8.3.2 Der dorsale präfrontale Assoziationskortex
Der dorsale präfrontale
Assozationskortex ist
wichtig für
sensomotorische
Funktionen und
erhält/sendet Projektionen
vom/zum posterioren
Parientalkortex und
sendet Projektionen zu
Gebieten des sekundären
motorischen Kortex und
zum frontalen Augenfeld.
Er scheint eine Rolle bei
der Bewertung externer
Reize und der Initiierung
von auf sie bezogenen
willkürlichen Reaktionen zu
spielen. Diese Annahme
wird durch die
Antwortcharakteristiken
von Neuronen in diesem
Bereich des
Assoziationskortex
unterstützt. Die Aktivität
von Neuronen hängt entweder von den Eigenschaften des Objektes ab, oder von der
Position des Objektes, oder von einer Kombination aus beidem. Jedoch: die Aktivität wieder
anderer Neuron zeigt eher eine Beziehung zur Reaktion, und nicht zu den Objekten: diese
Neuronen beginnen dann vor der Reaktion zu feuern, und feuern weiter, bis die Reaktion
dann abgeschlossen ist.
 Die Antworteigenschaften dorsolateraler präfrontaler Neurone und das Muster der
Verbindungen zwischen diesem und anderen Gebieten des sensomotorischen Kortex
90
weisen darauf hin, dass die Entscheidungen für die Initiierung von
Willkürbewegungen in diesem Bereich des Cortex getroffen werden. Jedoch ist es
wahrscheinlicher, dass Entscheidungen für die Initiierung von Willkürbewegungen
aus einer Interaktion des dorsolateralen präfrontalen Kortex und des posterioren
parientalen Kortex entstehen.
8.4 Der sekundäre motorische Cortex
Abb.: Vier Areale des sekundären
motorischen Cortex –das
supplementär-motorische Areal,
der prämotorische Cortex und
zwei motorische Areale des
Gyrus cinguli –und ihr Output
zum primären motorischen
Cortex. Abgebildet sind die
laterale Oberfläche der linken
Hemisphäre und die mediale
Oberfläche der rechten
Hemisphäre.
Zum sekundären motorischen
Cortex gehören die Gebiete, die
einen großen Teil ihres Inputs
vom Assoziationskortex
empfangen und einen großen
Teil ihres Outputs zum primären
motorischen Cortex senden.
Das supplementär motorische
Areal
•
legt sich um die Oberseite
des Frontallappens, anterior zum primären motorischen Cortex
•
erstreckt sich herunter in die Fissura longitutinalis
Der prämotorische Cortex
•
verläuft in einem Streifen vom supplementär- motorischen Areal zum Sulcus lateralis
Viele Jahre waren nur diese beiden Gebiete vom sekundären motorischen Cortex bekannt.
Später wurden dann mehrer Areale bekannt: 2 unterschiedliche supplementär motorische
Areale, 2 unterschiedliche prämotorische Areale und drei kleine Gebiete im Cortex des Gyrus
Cinguli: die motorischen Areale des Gyrus cinguli. Allerdings besteht immer noch kein
Konsensus über die genauen Grenzen dieser Areale.
Um als sekundärer motorischer Kortex zu gelten, muss ein Areal mit anderen
sensomotorischen Gebieten passend verknüpft sein. Funktionell betrachtet ruft eine
elektrische Stimulation eines Areals des sekundären motorischen Cortex normalerweise
komplexere Bewegungen hervor, die oft auf beiden Körperhälften auftreten. Neurone im
sekundären motorischen Cortex erhöhen oft genau vor der Einleitung einer Willkürbewegung
ihre Aktivität und bleiben während der Bewegung aktiv.
Es wird davon ausgegangen, dass die Gebiete des sekundären motorischen Kortex für an
der Programmierung spezifischer Bewegungsmuster beteiligt sind, nachdem sie
allgemeine Instruktionen vom dorsolateralen präfrontalen Cortex erhalten haben. (Bsp.
Parson und Kollegen: erhöhte PET Aktivität im supplementär motorischen Areal während
Probanden sich vorstellten nach einem bestimmten Objekt zu greifen)
Graziano und Gross erforschten wie Neurone des prämotorischen Kortex räumliche
Beziehungen koordinieren. Viele prämotorischen Neurone reagieren auf Berührung. Jedes
Neuron besitzt ein somatosensorisches rezeptives Feld in einem bestimmten Körperteil.
Viele Neurone reagieren auch auf visuellen Input. (bimodale Neurone: Neurone, die auf
Reize aus zwei verschiedenen Reizmodalitäten reagieren) Das visuelle Feld eines
bimodalen Neurons grenzt immer an sein somatosensorisches rezeptives Feld.
91
8.5 Der primäre motorische Cortex
Der primär motorische Cortex befindet sich im Gyrus parientalis des Frontallappens. Es
ist der wichtigste Konvergenzpunkt der kortikalen sensomotorischen Signale, und der
wichtigste Ausgangspunkt für sensomotrische Signale aus der Großhirnrinde.
Der primär motorische Cortex ist somatotrop organisiert. Der somatotrope Aufbau wird als
der motorische Homunkulus bezeichnet. Die Stimulation von Stellen im primären
motorischen Cortex ruft einfache Bewegungen hervor. Der Größte Teil des primären
motorischen Cortex ist für die Kontrolle von Körperteilen bestimmt, die zu komplizierten
Bewegungen in der Lage sind. (Hände, Mund, ect.)
Der Bereich im primären motorischen Cortex kontrolliert Bewegungen bestimmter
Muskelgruppen, und jeder empfängt über den somatosensorischen Cortex
somatosensorisches Feedback von Rezeptoren in diesen Muskeln und Gelenken.
Affen haben zwei unterschiedliche Handareale im primären motorischen Cortex in jeder
Hemisphäre. Ein Areal erhält einen Input von Rezeptoren in der Haut. Diese Anpassung
erleichtert vermutlich die Stereognosie (Vorgang der Identifikation von Objekten durch
Berührung)
Die Neurone im Armareal des primären motorischen Kortex feuern maximal, wenn sich der
Arm in eine bestimmte Richtung ausstreckt. Jedes Neuron besitzt eine andere bevorzugte
Richtung.
Größe Läsionen des primären motorischen Kortex können
•
die Fähigkeit beeinträchtigen, ein Körperteil unabhängig von den anderen zu
bewegen
•
eine Astereognosie (Defizite in der Stereognosie) hervorrufen
•
Geschwindigkeit, Genauigkeit und Kraft der Bewegungen reduzieren.
8.6 Cerebellum und Basalganglien
Das Cerebellum und die Basalganglien sind wichtige sensomotorische Strukturen und
interagieren mit verschiedenen Ebenen der sensomotorischen Hierarchie und koordinieren
und modulieren ihre Aktivität. Man geht davon aus, dass die wechselseitigen Verbindungen
zwischen den motorischen und sensorischen Bereichen über das Cerebellum und die
Basalganglien der Grund dafür sind, warum eine Schädigung der kortikalen Verbindungen
zwischen dem visuellen Cortex und den frontalen motorischen Arealen keinen Ausfall von
visuell gesteuerten Reaktionen bedingt.
8.6.1 Cerebellum
Das Cerebellum erhält Informationen
•
vom primären und sekundären motorischen Cortex
•
über absteigende motorische Signale von den motorischen Kernen des Hirnstamms
•
über die somatosensorischen und vestibulären Systeme Feedback über motorische
Reaktionen.
Man nimmt an, dass das Cerebellum diese drei Quellen von Input vergleicht und
ablaufenden Bewegungen, die von ihrem intendierten Verlauf abweichen, korrigiert. Das
Cerebellum spielt eine Rolle beim motorischen Lernen, besonders beim Lernen von
Bewegungsfolgen.
Die Folgen einer Schädigung sind für die motorischen Funktionen verheerend:
•
Der Patient verliert die Fähigkeit Richtung, Kraft, Geschwindigkeit und Amplitude von
Bewegungen präzise zu kontrollieren und diese an sich verändernde Bedingungen
anzupassen.
•
Dem Patient fällt es schwer eine Körperhaltung beizubehalten.
•
Es treten schwere Störungen des Gleichgewichts, des Gangs, der Sprache und der
Kontrolle der Augenbewegungen auf
•
neue motorische Abläufe werden nur schwer erlernt.
92
Die Auffassung, dass sich die Funktion des Cerebellums auf die Feinabstimmung und das
Erlernen motorischer Reaktionen beschränkt wurde in Frage gestellt.
8.6.2 Die Basalganglien
Die Basalganglien sind eine komplexe, heterogene Ansammlung miteinander
verbundener Kerne. Sie erfüllen eine modulatorische Funktion. Sie sind Bestandteil
neuronaler Schleifen, die kortikalen Input von verschiedenen kortikalen Gebieten
empfangen und ihn über den Thalamus zurück zu den verschiedenen Arealen des
motorischen Cortex übertragen.
Die Funktionen bestehen unter anderem in der Modulation des motorischen Outputs und in
der Beteiligung an vielen kognitiven Funktionen: Die Basalganglien projizieren zu kortikalen
Gebieten, die kognitive Funktionen haben.
8.7 Absteigende motorische Bahnen
Neuronale Signale werden vom primären motorischen Cortex über vier verschiedene
Bahnen zu den Motoneuronen des Rückenmarks geleitet. Zwei Bahnen steigen im dorsalen
Bereich des Rückenmarks ab, zwei im ventromedialen Bereich des Rückenmarks. Die
Bahnen wirken bei der Kontrolle von Willkürbewegungen zusammen.
8.7.1 Die dorsolaterale Bahn: Tractus corticospinalis lateralis und Tractus
corticorubrospinalis
tractus
corpticospinalis
(direkt)
Gruppe von
Axonen, die vom
primären
motorischen
Cortex zu den
Pyramiden der
Medulla absteigen
– zwei Wülsten
auf der ventralen
Seite der Medulla
– kreuzen dort
und steigen weiter
in der
kontralateralen
dorsolateralen
weißen Substanz
des Rückenmarks
ab.
Die Axone der
Betz- Zellen
(extrem große
Pyramidenzellen
(Neurone) des
motorischen
Cortex) enden in
den unteren
Bereichen des
Rückenmarks auf
Motoneuronen,
die zu den
Muskeln der Beine projizieren. Sie dienen der Kontrolle schneller, kraftvoller, willkürlicher
Bewegungen.
93
Die meisten Axone haben Verbindungen mit kleinen Interneuronen der grauen Substanz
der Rückenmarks, die Synapsen mit Motoneuronen der distalen Muskeln der Handgelenke,
Hände, Finger und Zehen haben. Alle Säugetiere, die in der Lage sind, Finger und Zehen
unabhängig voneinander zu bewegen, haben Neurone im tractus corticospinalis lateralis die
direkt Synapsen auf den Motoneuronen der Finger und Zehen bilden.
Tractus cortico rubrospinalis (indirekt)
Gruppe von Axonen, die vom primären motorischen Cortex absteigen, hat Synapsen im
nucleus ruber (roter Kern) des Mittelhirns. Die Axone der Neurone im nucleus ruber
kreuzen anschließend und steigen durch die Medulla ab. Einige enden in der Medulla auf
den Kernen der Hirnnnerven, die die Gesichtsmuskeln kontrollieren. Andere steigen im
dorsolateralen Teil des Rückenmarks weiter ab.
Die Axone des Trakts bilden Synapsen auf Interneuronen, die Synapsen auf Motoneuronen
haben, die zu den distalen Muskeln der Arme und Beine projizieren.
8.7.2 Die ventromediale Bahn: Tractus corticospinalis anterior und Tractus
corticobulbospinalis
tractus
corpticospinalis
anterior (direkt)
Die langen Axone
des tractus
corticospinalis
anterior steigen
vom primären
motorischen
Cortex ipsilateral
direkt im
ventromedialen
Bereichen der
weißen Substanz
des Rückenmarks.
Während jedes
Axon des tractus
corpticospinalis
anterior absteigt,
verzweigt es sich
diffus und
innerviert
Interneuronenschaltkreise in mehreren verschiedenen Rückenmarkssegmenten auf beiden
Seiten der grauen Substanz.
Tractus corticobulbospinalis
Er besteht aus Axonen, des motorischen Cortex, die zu einem komplexen Netzwerk von
Hirnstammstrukturen führen. Die Axone von einigen der Neurone in diesem komplexen
motorischen Hirnstammnetzwerk steigen dann bilateral im ventromedialen Teil des
Rückenmarks ab. Jede Seite überträgt Signale von beiden Hemisphäre und jedes Neuron
94
bildet Synapsen auf Interneuronen von mehreren verschiedenen
Rückenmarkssegmenten, die die proximalen Muskeln des Rumpfes und der Gliedmaßen
steuern.
4 wichtige Strukturen interagieren mit dem coricobulbospinalis:
1) Tectum: erhält auditorische und visuelle Information über räumliche Positionen
2) Nucleus vestibularis: empfängt Information über das Gleichgewicht von Rezeptoren
der Bogengänge des Innenohrs
3) Formatio reticularis: enthält motorische Programme, die komplexe arttypische
Bewegungen regulieren
4) motorische Kerne der Hirnnerven: kontrollieren die Gesichtsmuskeln
8.7.3 Vergleich der 2 dorsolateralen motorischen Bahnen mit den 2 ventromedialen
motorischen Bahnen
Gemeinsamkeiten
• Alle 4 absteigenden Bahnen haben den Ursprung in der Großhirnrinde – man nimmt an,
dass sie Willkürbewegungen vermitteln; die Bahnen weisen allerdings große
Unterschiede in ihrem Verlauf und ihren Zielorten auf; (Lawrence & Kuypers 1968)
• Beide bestehen aus zwei Hauptfaserzügen, einem mit direkt zum Rückenmark
absteigenden Axonen und einem mit Axonen, die im Hirnstamm auf Neurone
umgeschaltet werden, die zum Rückenmark absteigen.
Unterschiede
Zwei ventromediale Bahnen
sind diffuser: viele ihrer Axone innervieren
Interneurone auf beide Seiten der grauen
Substanz im Rückenmark und in mehreren
unterschiedlichen Rückenmarkssegmenten.
Motorneurone, die über die ventromediale
Bahn aktiviert werden, projizieren zu den
proximalen Muskeln des Rumpfes und der
Gliedmaßen
sind an der Korntrolle der Haltung und der
Kontrolle von Ganzkörperbewegungen
beteiligt
kontrollieren die beiden dorsolateralen
Bahnen – die Bewegungen der Gliedmaßen

Zwei dorsolaterale Bahnen
Ihre Axone enden in der kontralateralen
Hälfte des Rückenmarksegments, manchmal
direkt auf einem Motoneuron
Motoneurone, die von den dorsolateralen
Bahnen aktiviert werden, projizieren zu
distalen Muskeln
Nur der corticospinale Teil der dorsalen
Bahnen ist in der Lage unabhängige
Bewegungen der Finger und Füße zu
vermitteln;
1. Exp. von Lawrence & Kuypers
Bei Affen, durchtrennen des linken und rechten tractus corticospinalis lateralis auf der
Höhe der Pyramiden der medulla, über der Kreuzung der Bahnen; Affen konnten stehen,
laufen, relativ normal klettern; Fähigkeit Gliedmaßen für andere Aktivitäten zu nutzen
war einbeeinträchtig; (z.B. Greifbewegungen waren schwach und wenig gerichtet); es
zeigte sich eine wesentliche Verbesserung der Greifbewegungen in den folgenden
Wochen, es bleiben jedoch Defizite bestehen: Finger unabhängig voneinander zu
bewegen war unmöglich und Objekte, die einmal ergriffen wurde, konnten nicht mehr
losgelassen werden; beim Klettern hatten die Tiere keine großen Schwierigkeiten: das
zeigt, dass dieselbe Reaktion in einem anderen Kontext ausgeführt, durch
unterschiedliche Teile des ZNS kontrolliert werden kann.
 2. Exp. von Lawrence und Kuypers (Aufbauend auf Exp. 1)
1. Gruppe: Die beiden führten in diesem Exp. zusätzlich Transsektionen
(~Quereinschnitt?) bei den Affen durch, deren tractus corticospinalis lateralis schon
durchtrennt worden war. Affen konnten stehen, laufen, klettern. Beim Sitzen hingen
95
Arme schlaff nach unten. Motorische Beeinträchtigung der Arme beim Greifen nach
Dingen;
2. Gruppe: es wurden zusätzlich beide ventromediale Bahnen durchtrennt; schwere
Haltungsabnormalitäten: Schwierigkeiten beim Laufen und Sitzen;
8.8 Sensomotorische Schaltkreise im Rückenmark
8.8.1. Muskeln
Motorische Einheiten = kleinsten Einheiten der motorischen Aktivität
Jede Motorische Einheit besteht aus einem einzigen Motorneuron und allen von ihm
innervierten Skelettmuskelfasern
Motorneuron feuert -> alle Muskelfasern einer Einheit kontrahieren gemeinsam
Motor. Einheiten unterscheiden sich in der Zahl der dazugehörenden Muskelfasern -> die
Einheiten mit den wenigsten Fasern (bei den Fingern und im Gesicht) erlauben den höchsten
Grad an feinmotorischer Kontrolle
1 Skelettmuskel besteht aus hunderttausenden fadenförmigen Muskelfasern -> diese sind
von einer festen Membran umschlossen und über eine Sehne an einem Knochen befestigt
Acetylcholin: veranlasst Kontraktion der Muskelfaser, da die Motorneurone Acetylcholin an
den neuromuskulären Synapsen freisetzen und so die motorische Endplatte aktivieren
Motorischer Pool = alle Motorneurone, die die Fasern eines Muskels innervieren
2 Typen von Skelettmuskelfasern:
Schnelle Muskelfasern: kontrahieren und entspannen schnell, ermüden schnell
Langsame Muskelfasern: sind zu längerer Kontraktion fähig
2 Kategorien von Muskeln:
Flexoren (Beuger):beugen ein Gelenk
Extensoren (Strecker)
Abb. 8.10: Bizeps und Trizeps = antagonistische Muskeln (spielen gegeneinander)
Synergistische Muskeln = 2 Muskeln, deren Kontraktion dieselbe Bewegung erzeugt
2 Arten von Muskelkontraktionen:
Isometrische Kontraktion = Muskel verkürzt sich bei Spannung auf den Knochen nicht ->
Knochen bewegt sich aber trotzdem
Isotonische Kontraktion = Muskel verkürzt sich und die Knochen ziehen sich zusammen
8.8.2. Rezeptororgane der Sehnen und Muskeln
2 Arten von Rezeptoren überwachen die Aktivität des Skelettmuskels:
Golgi –Sehnenorgane: sind in den Sehnen eingebettet, die jeden Skelettmuskel mit dem
Knochen verbinden
Muskelspindeln: liegen im Muskelgewebe selbst
Golgi- Sehnenorgane reagieren auf die Zunahme der Muskelspannung (d.h. auf den Zug
des Muskels an einer Sehne), sind aber vollständig unempfindlich gegenüber
Veränderungen in der Muskellänge
Muskelspindeln reagieren auf Veränderungen in der Muskellänge, jedoch nicht auf
Veränderungen in der Muskelspannung
Abb. 8.11. Feedbackschaltkreis der Muskelspindeln
96
Jede Muskelspindel besitzt eigene fadenähnliche intrafusale Muskelfasern, die durch ein
eigenes intrafusales Motorneuron innerviert werden. Ohne den intrafusalen motorischen
Input würde eine Muskelspindel jedes Mal erschlaffen, wenn ihr Skelettmuskel (extrafusale
Muskelfaser) kontrahiert.
8.8.3 Der Dehnungsreflex
Dehnungsreflex = ein Reflex, der durch
eine plötzliche, von außen bewirkte
Dehnung des Muskels auslöst
z.B. Patellarsehnenreflex (patella =
Kniescheibe)
Arzt beklopft Knie mit Gummihämmerchen
-> wenn er die Sehne trifft ->
Streckmuskel, der durch Oberschenkel
verläuft, dehnt sich -> Dehnung des
Oberschenkelmuskels -> Dehnung der
Muskelspindel-Dehnungsrezeptoren -> löst
Salven von Aktionspotentialen aus ->
diese Aktionspotentiale werden mittels
afferenter Spindelneurone über die
Hinterwurzel ins Rückenmark übertragen
Diese Salve von Aktionspotentialen erregt
Motorneurone im Vorderhorn des
Rückenmarks, die dann Aktionspotentiale
zurücksenden an den Muskel, dessen
Dehnung sie ursprünglich erregt hat
Diese Impulse bewirken dann am
Ausgangspunkt der Erregung eine
kompensatorische Muskelkontraktion ->
Streckung des Beines
Funktion der Dehnungsreflexe:
 Sollen eine gewünschte
Körperposition trotz extern
wirkender Kräfte konstant halten
Abb.8.14 zeigt den Mechanismus, über
den der Dehnungsreflex die Stabilität der Gliedmaßen gewährleistet
2 wichtige Funktionsprinzipien des sensomotorischen Systems:
 Wichtige Rolle des sensorischen Feedbacks bei der Regulation des motorischen
Outputs
 Fähigkeit von untergeordneten motorischen Schaltkreisen „Detailangelegenheiten“
ohne Beteiligung höherer Ebenen zu reagulieren
8.8.4 Der Schutzreflex
Der Schutzreflex ist nicht monosynaptisch. Nach Auftreten eines schmerzhaften Reizes an
der Hand, treten erste Reaktionen in den Motoneuronen des Armreflexors ~ 1,6 ms später
auf. Die kürzeste Strecke im Schaltkreis des Schutzreflexes beinhaltet ein Interneuron. Nach
der Initiierungssalve  weitere Reaktionen in den Motoneuronen des Armreflexors. Diese
Reaktionen werden durch Signale ausgelöst, die über multisynaptische Bahnen laufen.
97
8.8.5 Reziproke Innervation
Die reziproke Innervation ist
ein wichtiges Prinzip der
Schaltkreise im Rückenmark.
Antagonistische Muskeln sind
so innerviert, dass eine glatte,
unbehinderte motorische
Reaktion möglich ist- wenn
der eine Muskel kontrahiert,
entspannt der andere. Die
Aktivitäten von Agonisten und
Antagonisten werden über die
inneren Schaltkreise des
Rückenmarks automatisch
koordiniert.
 Abb. : reziproke
Innervation von
antagonistischen
Armmuskeln.
Während eines
Schutzreflexes werden die
Ellenbogenflexoren erregt,
und die
Ellenbogenextensoren gehemmt:  Die Signale (Input = Schmerz) erregen sowohl
exzitatorische als auch inhibitorische Motoneurone:
Am schnellsten sind Bewegungen, bei gleichzeitiger Erregung aller Agonisten und
Hemmung aller Antagonisten. Bei Willkürbewegungen kontrahieren die meisten Muskeln
immer zu einem gewissen Ausmaß, und Bewegungen entstehen durch Anpassung der
Stärke der relativen Kontraktion der Antagonisten. Bewegungen, die durch Kontraktion
erzeugt werden sind glatt, und können durch eine geringe Erhöhung der Kontraktion des
Antagonisten gestoppt werden. Die Kontraktion schützt vor unterwartet einwirkenden
äußeren Kräften – also vor „Überdehnung“.
8.8.6 Rekurrente kollaterale Hemmung
Für Pausen der Muskelfasern und ihren innervierenden Neuronen sorgen inhibitorische
Motoneurone im Rückenmark. Jedes Motoneuron verzweigt sich bevor es das Rückenmark
verlässt und seine Äste bilden Synapsen mit einem kleinen inhibitorischen Interneuron, das
dann das Motoneuron hemmt, von dem es seinen Input erhält. Die Hemmung die diese
lokalen Feedbackschaltkreise erzeugen wird rekurrente kollaterale Hemmung genannt, ihre
Interneurone heißen Renshaw- Zellen. Die Folge dieser Hemmung ist, dass nachdem ein
Motoneuron gefeuert hat, es sich gleich darauf selbst hemmt.
8.8.7 Gehen – ein komplexer sensomotorischer Reflex
Die meisten Reflexe sind viel komplexer als der Schutz- und Dehnreflex. Ein solches
komplexes Programm, wie Gehen, muss visuelle Informationen von den Augen integrieren,
somatosensorische Informationen von den Füßen, Knien, Hüften, Armen usw. und
Information über das Gleichgewicht aus den Bogengängen des Innenohrs. Auf Grundlage
dieser Information muss es dann eine integrierte Folge von Bewegungen erzeugen, an
denen die Muskeln des Rumpfes, der Beine, der Füße und der Oberarme beteiligt sind.
Außerdem muss dieses Programm flexibel sein: der Output muss unmittelbar an
Veränderungen im Gefälle eines Geländes angepasst werden können.
Grillner (1985): Das Gehen kann über Schaltkreise kontrolliert werden (Katzen wurde das
Gehirn vom Rückenmark getrennt, wurden dann über ein Laufband gehängt; wenn das
98
Laufband gestartet wurde, und Katzen so ein sensorisches Feedback erhielten, begannen
sie zu laufen; )
Beim Menschen spielen absteigende motorische Bahnen eine größere Rolle.
8.9 Zentrale sensomotorische Programme
Eine Theorie der sensomotorischen Funktion besagt, dass das sensomotorische System
eine Hierarchie zentraler sensomotorischer Programme enthält. Alle Ebenen des
sensomotorischen Systems –Ausnahme die höchste Ebene – haben bestimmte
Aktivitätsmuster einprogrammiert. Komplexe Bewegungen werden über die Aktivierung der
passenden Kombination hervorgerufen.(Bsp.: Zeitschrift ansehen: auf höchster Ebene
werden kortikale Programme aktiviert -> diese aktivieren spinale Programme -> Muskel
werden veranlasst, das Ziel zu realisieren),
Die meisten Aktivitäten (Reaktionskomponenten) werden ohne direkte kortikale Beteiligung
ausgeführt und werden kaum bewusst sondern jede Ebene des sensomotorischen Systems
operieren auf der Basis des sensomotorischen Feedbacks. Wie z.B. der Generaldirektor
auch nur einen Befehl an seine Führungskräfte erteilt, die die richtigen Leute weiter unten in
der Hierarchie Befehle erteilen.
Im sensomotorischen System sind vermutlich Cerebellum und Basalganglien dafür
verantwortlich.
8.9.1 Zentrale sensomotorische Programme ermöglichen motorische Äquivalenz
Motorische Äquivalenz= dieselbe einfache Bewegung kann auf verschiedene Weise mit
verschiedenen Muskeln ausgeführt werden.
Bsp: Name wird mit stereotypen Fingerbewegungen geschrieben; auch die Zehen schreiben
den Namen mit typischen Merkmalen. Diese motorische Äquivalenz zeigt, dass die
sensomotorischen Programme, welche für das Schreiben verantwortlich sind, nicht in den
neuronalen Schaltkreisen gespeichert sind, die direkt die Hand steuern, sondern höher in der
sensomotorischen Hierarchie
8.9.2 Sensorische Information, die zentrale sensomotorische Programme steuert,
muss nicht bewusst sein
Gibt es bei gesunden Menschen die Trennung von Wahrnehmung und sensorischer
Kontrolle des Verhaltens?
Haffenden und Goodale (1998) lieferten den Beweis:
Die innere Scheibe der rechten „Blume“ ist ebenso gross wie die der
Linken (Ebbinghaus Täuschung). Sie erscheinen unterschiedlich
gross. Zeigen die Probanden die Grösse der zentralen Scheibe mit
Daumen und Zeigefinger an, beurteilten sie die Scheibe der
grösseren Abbildung kleiner als die der Kleineren Abbildung. Wenn
die Probanden danach Greifen, entsprach der Abstand zwischen ihren Daumen und
Zeigefinger der tatsächlichen Grösse der Scheibe und nicht der bewusst wahrgenommenen
Grösse.
8.9.3 Zentrale sensomotorische Programme können ohne Übung entstehen
Zentrale sensomotorische Programme entwickeln sich für viele arttypische
Verhaltensweisen ohne explizite Übung.
Fentress (1973) untersuchte Mäuse, die ohne Vordergliedmaßen zur Welt kamen. Sie
zeigten obwohl sie keine Vorderpfoten hatten, die notwendingen Schulterbewegungen für
das Putzen – auch die Zungen,-Kopf,- und Augenbewegungen (Blinzeln, wenn
Schulterbewegungen ausgeführt wurden, da die Pfote in die Nähe des Auge gekommen
wäre). Den Mäusen fehlte das sensomotorische Feedback -> sie unterbrachen das
scheinbare Putzen, um kurz den Boden zu lecken.
99
8.9.4 Zentrale sensomotorische Programme können durch Übung entstehen
Übung ist ein sicherer Weg, um sensomotorische Programme zu erzeugen oder zu
modifizieren, obwohl sie sich auch ohne Übung entwickeln.
Zwei Prozesse von Theorien des Lernens, welche den Erwerb sensomotorische Programme
beeinflussen:
• Response Chunking
•
Verlagerung der Kontrolle auf untergeordnete Ebenen des sensomotorische Systems
Response Chunking: Übung verbindet die zentralen sensomotorischen Programme, die
einzelnen Reaktionskomponeten kontrollieren. So werden die Sequenzen von Verhalten
kontrolliert (Chunks).
Das Tippen eines Wortes auf einer Schreibmaschine -> für Anfänger werden die Reaktionen
einzeln ausgelöst. Bei einer geübten Tippse werden Abfolgen von Buchstabe als eine Einheit
gebildet. Dies führt zur Steigerung der Geschwindigkeit. Chunks können auch zu chunks
höherer Ordnung kombiniert werden.
Verlagerung der Kontrolle auf untergeordnete Ebenen des sensomotorische Systems:
Während des Erlernens eines zentralen sensomotorischen Programmes wird die Kontrolle
von höherer Ebene der sensomotorischen Hierarchie auf untergeordnete Ebenen verlagert.
Dadurch können sich die höheren Ebenen des Systems mit mehr abstrakten Aspekten
beschäftigen und eine höhere Geschwindigkeit kann erreicht werden (Schaltkreise der
unteren Ebene agieren gleichzeitig).
8.9.5 Funktionelle Bildgebung des sensomotorischen Lernens
->erlaubt die Gehirnaktivität während des Erlernens zu untersuchen.
Jenkins und Kollegen (1994) untersuchten die PET- Aktivität von Probanden, die zwei
verschiedene Sequenzen von Tastendrücken ausführten. Es gab drei
Untersuchungsbedingungen: die Ruhekontrollbedingung, und weiters, wo Prabanden neu
erlernte Sequenz und eine gut geübte Sequenz ausführten.
•
Posteriore Parietalcortex: sehr aktiv während der neu erlernten und aktiv während der
gut geübten Sequenz. Der Posteriore Parietalcortex integriert sensorische Reize ->
während dem Lernen werden Reize viel stärker beachtet.
•
Dorsolaterale präfrontale Coortex: aktiv während der Ausführung der neugelernten
Sequenz, nicht aktiv während der gut geübten Sequenz. Der Dorsolaterale
präfrontale Coortex spielt eine besonders wichtige Rolle bei der motorischen
Ausführung unter bewusster Kontrolle
•
Areale des sekundären motorischen Cortex: der kontralaterale präfrontale Cortex war
aktiver während der Ausführung der neugelernten Sequenz (spielt eine Rolle, wenn
das Verhalten über sensorische Reize gesteuert wird) , das bilaterale supplementärmotorische Areal war während der gut geübten Sequenz aktiver (wenn Verhalten
unabhängig von sensorischen Reizen erfolgt- automatische ablaufende Sequenzen).
Kontrlaterale primäre motorische und somatosensorische Cortex: sowohl aktiv
während der Ausführung der neugelernten Sequenz, als auch aktiv während der gut
geübten Sequenz. Motorische Elemente beider Sequenzen sind dieselben, deshalb
gleichermassen aktiv!
•
•
Kontralateralen Basalganglien: aktiv während der Ausführung der neugelernten
Sequenz, als auch aktiv während der gut geübten Sequenz. dzt. noch nicht eindeutig
geklärt, ob unterschiedliche Subpopulationen der Neurone aktiv sind.
Cerebellum: aktiv während der Ausführung der neu gelernten Sequenz (hier in einem
stärkeren Ausmass), als auch aktiv während der gut geübten Sequenz. Cerebellum spielt
eine bedeutende Rolle beim motorischen Lernen.
100
Kapitel 9: Die Entwicklung des Nervensystems
9.1 Von der befruchteten Eizelle zum erwachsenen Organismus
Das NS (Nervensystem) ist kein statisches Netzwerk von Schaltkreisen; es ist ein
plastisches, veränderbares, lebendes Organ. Aufgrund seiner genetischen Programme und
der Interaktion mit der Umwelt wächst und verändert es sich kontinuierlich.
Der Prozess der neuronalen Entwicklung startet mit einer einzigen Eizelle und endet mit
einem funktionsfähigen erwachsenen Gehirn.
Menschen unterschätzen die Rolle der Erfahrung bei der neuronalen und psychischen
Entwicklung.
Bsp.: Der Fall von Genie
Mädchen (13Jahre), 1,35m, 28,1kg, stehen nicht möglich, feste Nahrung kauen war nicht
möglich, Blasen und Darmkontrolle nicht möglich. Seit dem 20 Monat war Genie in einem
dunklen Raum an einem Töpfchen angebunden. Die Nacht verbrachte es in einem Gitterbett
in einer Zwangsjacke. Wurde geschlagen, wenn sie einen Mucks von sich gab.. Diese
Kindheitsdeprivation hinterliess schwerwiegende Narben. Genie erreichte nie eine
annähernd normale psychische Entwicklung. Sie reagiert nicht auf extreme Wärme od. Kälte,
hat Wutanfälle, erschrak leicht, starke Angstreaktionen. Dieser Fall zeigt: Erfahrung spielt
eine wichtige Rolle bei den Prozessen der neuronalen Entwicklung.
9.2 Phasen der neuronalen Entwicklung
Durch Verschmelzung von einer Eizelle und einer Samenzelle entsteht eine Zygote. Diese
teilt sich in zwei Tochterzellen.. Diese teilen sich in vier Tochterzellen, diese vier in acht
Tochterzellen usw. bis sich ein ausgereifter Organismus entwickelt hat.
Ausser der Zellvermehrung müssen noch drei weitere Dinge stattfinden:
Die Zellen müssen sich differenzieren (Muskelzellen, Gliazellen, multipolare Neuronen,..)
Die Zellen müssen ihre Bestimmungsorte erreichen und sich mit den Zellen um sie herum
zusammen schliessen.
Die Zellen müssen geeignete funktionelle Verbindungen mit anderen Zellen aufbauen.
Dies wird von den Neuronen in fünf Phasen erreicht.
9.2.1 Induktion der Neuralplatte
Drei Wochen nach der Empfängnis ->
Gewebe wird als Neuralplatte (ektodermaler
Fleck an der dorsalen Oberfläche des
Embryos) erkennbar. Ektoderm=äußere
der drei Schichten embryonaler Zellen:
Ektoderm, Mesoderm, Entoderm.
Die Entwicklung der Neuralplatte scheint
durch chemische Signale des
darunterliegenden Mesoderms induziert (=
Organisator). Die Suche nach der
Substanz, die durch den Organisator
freigesetzt wird und die Entwicklung der
Neuralplatte induziert, ist im vollen Gange.
Entscheidender Vorgang ist wahrscheinlich
die Hemmung einer Klasse von Proteinen,
die normalerweise die neuronale
Entwicklung unterdrücken.
Zum dem Zeitpunkt, wenn die Neuralplatte
erkennbar ist, verändern sich die Zellen des
NS.
Die frühesten Zellen sind totipotent (=
können sich zu jeder Art der Körperzelle
entwickeln, wenn sie an der
101
entscheidenden Stelle transplantiert werden).
Es folgt dann eine weitere Spezifizierung. Durch die Entwicklung der Neuralplatte büssen
die Zellen viel von ihrem Potential ein; d.h. sie können nicht mehr unterschiedliche Arten von
Zellen werden. Aber jede Zelle der Neuralplatte hat noch immer das Potential, sich zu jeder
Zellart des reifen NS zu entwickeln (=multipotente Zelle)
Zellen der Neuralplatte = embryonale Stammzellen:
besitzen unbegrenzte Kapazität zur Selbsterneuerung
besitzen die Fähigkeit, sich zu verschiedenen Arten ausgereifter Zellen des adulten NS zu
entwickeln
Während der Entwicklung des Neuralrohrs spezifizieren sich einige seiner Zellen zu
Gliazellen verschiedener Arten und andere zu zukünftigen Neuronen verschiedener Arten.
Diese sind immer noch unbegrenzt selbsterneuernd und multipotent; deshalb werden sie als
gliale Stammzellen und neuronale Stammzellen bezeichnet. ( wird derzeit intensiv erforscht –
Stammzellentherapie)
Die Neuralplatte faltet um den 18 bis 21.Tag zur Neuralrinne, die Ränder verschmelzen und
bilden das Neuralrohr. Das innere wird zu den cerebralen Ventrikel und dem Zentralkanal. 40
Tage nach der Befruchtung entwickeln sich aus dem Neuralrohr Vorderhirn, Mittelhirn und
das Rautenhirn.
9.2.2 Neuronale Proliferation
Nach der Bildung des Neuralrohrs beginnen die Zellen dessen zu poliferieren. Diese
neuronale Poliferation tritt nicht gleichzeitig und gleichmässig in allen Teilen des Rohrs auf.
Durch diese entstehen Muster – Verdickungen und Faltungen - das dem Gehirn seine
arttypische Gestalt gibt. Der Grossteil findet in der ventrikulären Zone statt.
9.2.3 Migration und Aggregation
Migration: Zellen (unreif- Fortsätze fehlen) wandern in der ventrikulären Zone des
Neuralrohres zu ihren Bestimmungsorten.
Zwei Arten der Zellmigration:
Radiale Migration: verläuft von der ventrikulären Zone in einer geraden Linie nach aussen zu
der äusseren Wand des Rohres
Tangentiale Migration: erfolgt im rechten Winkel zur radialen Migration (paralell zu den
Wänden des Rohrs)
Die meisten Zellen nutzen beide um zum Bestimmungsort zu gelangen.
Somale Translokation: aus der Zelle
wächst eine Ausdehnung in Richtung
Migration – es entstehen wegweisende
Fortsätze – Zellkörper bewegt sich
entlang des sich ausdehnenden
Zellkörpers – Fortsätze werden
eingezogen.
Glia-vermittelte Migration: es entsteht ein
Netzwerk von Gliazellen
(Radialgliazellen); die radial migrierenden
Zellen bewegen sich entlang dieses
Netzwerkes radialer Gliazellen.
Das Timing ist wichtig! Die Neurone der
sechs Schichten des Cortex entstehen
und migrieren zu sechs unterschiedlichen Zeitpunkten – entwickeln anschliessend
schichtspezifische anatomische und funktionelle Merkmale.
Radiale Muster der Cortexentwicklung = Inside-out pattern: Zellen rücken von tieferern zu
oberflächicheren Schichten vor; Zellen wandern durch bereits gebildeten unteren Schichten.
102
Neuralleiste:
liegt unmittelbar
dorsal vom
Neuralrohr; die
Zellen der
Neuralleiste
entwickeln sich
zu Neuronen
und Gliazellen
des peripheren
NS -> müssen
sehr weit
wandern!
Aggregation:
Neuronen
müssen sich
nach erfolgter
Migration neu
ausrichten und
das NS
aufbauen.
Migration und
Aggregation
werden
vermutlich über
Zelladhäsionsmolekühle vermittelt (CAMs=celladhesion molecules). Diese erkennen andere
Zellen und heften sich an sie an.
9.2.4. Axonwachstum und Synapsenbildung
Axonwachstum: Sobald Migration und Aggregation vollzogen, beginnen Axone und
Dendriten zu angemessenen Zielorten auszuwachsen. An jeder Spitze eines Axons oder
Dendriten sitzt ein Wachstumskegel. Diese erreichen meist die richtigen Zielorte, auch wenn
sie sehr weite Entfernungen zurücklegen müssen.
Dieser hat Filopodien (fingerartige cytoplasmatische Ausläufer), die nach dem richtigen Weg
suchen.
Sperry (ca 1940) durchtrennte die Sehnerven von Fröschen, drehte die Augäpfel um 180°
und wartete, dass die Axone der retinalen Ganglienzellen sich regenerieren (bei Fröschen
möglich). Er untersuchte dann die visuellen Fähigkeiten nach der Regeneration. Die visuelle
Welt hatte sich um 180° gedreht. Die retinalen Ganglienzellen wächst zurück zu derselben
Stelle des Tectum opticum (entspricht dem colliculus siperior beim Säugetier) mit der sie
ursprünglich verbunden war.
Nach Durchtrennung des Sehnervs, Augendrehung um 180° und Regeneration des
Sehnervs springt ein Frosch um 180° falsch. Die Nervenfasern haben wieder ihre alten
Zielgebiete innerviert (ohne Rücksicht auf die erfolgte Drehung des Auges). Nicht die visuelle
Erfahrung, sondern die differentielle chemische Affinität von Axonen unterschiedlicher
retinaler Herkunft erklärt diesen Befund. (Aus Sperry 1963.)
Die Auf der Grundlage seiner Untersuchungen schlug Sperry die Chemoaffinitätshypothese
vor, welche besagt, dass auswachsende Axone zu Zellen ihrer Umgebung spezifische
Affinitäten haben, die ihnen eine Orientierung ermöglichen. Während der neuronalen
Entwicklung und auch der Regeneration wird eine chemische Signatur freigesetzt. Das
wachsende Axon wird dadurch zum Zielort angezogen.
Weitere Untersuchungen führten zu einer Weiterentwicklung der Chemoaffinitätshypothese.
Das Wachstum der Axone scheint von chemischen Signalen (Leitsignale) entlang des
Weges beeinflusst. Einige Leitsignale ziehen das Axon an, andere stossen sie ab.
103
Einige Leitsignale werden von Gliazellen freigesetzt. Auch benachbarte wachsende
Axone senden Signale.
Pionierwachstumskegel sind die ersten Wachstumskegel, die im entwickelnden NS einen
bestimmten Weg wandern,
interagieren mit Leitsignalen
entlang der Route. Nachfolgende
Wachstumskegel folgen dann
dieser markierten Route =
Faszikulation. Das Wachstum hält
die topographische Anordnung
von Neuronen aus der ersten
Anordnung bei.
Untersuchungen zur
Regeneration von retino-tectalen
Projektionen zeigten folgendes:
Der Sehnerv von Fröschen und
Fischen wurde durchtrennt. Dann
wurden Teile der Retina oder des
Tectum zerstört – die Axone
wuchsen nicht zu Ihren
ursprünglichen
Verbindungsstellen, sondern
wuchsen aus, um den
verfügbaren Raum auszufüllen.
Wenn die Hälfte der Retina
zerstört und der Sehnerv
durchtrennt wurde, projizierten die
retinalen Ganglienzellen von der
verbleibenden Hälfte der Retina
zum gesamten Tectum.
Wenn die Hälfte des Tectum
opticum zerstört und der Sehnerv
durchtrennt wurde, projizierten die
retinalen Ganglienzellen von der Retina zur verbleibenden Hälfte des Tectums.
Abb.: Die Regeneration des Sehnervs des Frosches, nachdem entweder Teile der Retina
oder des Tectum opticum zerstört wurden. Diese Befunde unterstützen die topographische
Gradientenhypothese.
Topographische Gradientenhypothese: erklärt das präzise axionale Wachstum in
Zusammenhang mit einer topographischen Anordnung im sich entwickelnden Gehirn. Die
wachsenden Axone werden durch zwei sich überschneidenden Signalgradienten (anteriorporterior Gradienten & medial-lateral Gradienten) zu ihren Bestimmungsort gelenkt.
Synapsenbildung: Neuron braucht die koordinierte Aktivität von zumindest zwei Neuronen
um eine Synapse zwischen ihnen zu bilden.
Synaptogenese = Bildung neuer Synapsen: hängt von der Anwesenheit von Gliazellen
(insbes. Von Astrocyten) abhängt! Während der Synapsenbildung sind Neuronen auf hohen
Cholesterolspiegel angewiesen -> wird von Astrocyten bereitgestellt
Welche chemischen Signale zwischen prä- und postsynaptischen Neuronen damit eine
Synapse entsteht ausgetauscht werden ist nicht genau erforscht. Es scheint als ob die
Entstehung dieser nicht durch einen einzelnen Satz chemischer Signale kontrolliert wird –
wahrscheinlicher ist ein hierarchischer Prozess (synapsenfördernder und hemmender
Signale, damit Synpse mit der am besten geeigneten Zelle gebildet wird).
9.2.5 Neuronentod und Synapsenneuanordnung
Neuronentod: normaler und wichtiger Bestandteil der neuronalen Entwicklung (survival oft
he fittest). Etwa 50% mehr Neuronen gebildet, als gebraucht werden! Neuronen sterben ab,
104
weil sie nicht um lebenserhaltende chemische Substanzen konkurrieren konnten, welche
von ihren Zielorten geliefert werden.
Die Implantation zusätzlicher Zielorte verringert den Neuronentod. Bsp: Transplantation einer
zusätzlichen Gliedmasse eines Hühnerembryos reduziert das Absterben von Motoneuronen
auf dieser Seite)
Zerstörung einiger Neuronen erhöht Überlebensrate der verbleibenden Neuronen
Eine Erhöhung der Zahl der Axone bedingt, das der Anteil der überlebenden Neurone sinkt
Neurotrophine= Bekannteste Klasse der chemischen Substanz, welche von den Zielorten an
die Neuronen geliefert werden; das erste NEurotrophin war der Nervenwachstumsfaktor
(nerv growth factor)
Funktion von Neutrophine:
fördern das Wachstum und das Überleben von Neuronen
Wirken als Leitsignale für Axone
Stimulieren die Synaptogenese
Passiver Zelltod=
Nekrose (Zellen fallen auseinander -> Entzündung)
Aktiver Zelltod=
Apoptose
Der Zelltod während der Entwicklung ist ein aktiver Prozess. Das Fehlen der geeigneten
Neutrophine kann ein genetisches Programm auslösen, dass die Zelle veranlasst aktiv
Suizid zu begehen.
Bei der Apoptose werden Fresszellen angezogen, welche eine Entzündung verhindern.
Werden die genetischen Programme für die Apoptose gehemmt, kann Krebs entstehen;
werden die Programme unangemessen aktiviert, kann eine neurodegenerative Erkrankung
die Folge sein.
Synapsenneuanordnung: Durch den Zelltod, wird auf der postsynaptischen Membran
Raum freigegeben. Dieser wird von den ausspriessenden Axonendigungen der anderen
überlebenden Neurone ausgefüllt = Neuanordnung der synaptischen Verbindungen->
Selektivität der Übertragung wird erhöht. Abb.9.8
9.3 Postnatale Entwicklung bei Kindern
Das menschliche Gehirn entwickelt sich viel langsamer als andere Arten; erreicht seine Reife
erst in der späten Adoleszenz.
9.3.1 Postnatales Wachstum des menschlichen Gehirns
Alle Neuronen, die das adulte Gehirn bilden werden, sind bereits im 7ten Monat der
pränatalen Entwicklung entstanden und zu den Zielorten gewandert. Zwischen der Geburt
und dem Erwachsenenalter vervierfacht sich das Volumen des Gehirns. Zunahme der
Grösse resultiert nicht aus der Zunahme von Neuronen, sondern vermutlich auf:
der Synaptogenese
der Myelinisierung vieler Axone
Verzweigung der Dendriten
Nach der Geburt nimmt die Synapsenbildung überall im Gehirn zu; es gibt Unterschiede in
den kortikalen Regionen (Bsp.: explosionsartige Zunahme der Synaptogenese im 4
postnatalen Monat im primären auditiven und visuellen Cortices)
Die Myelinisierung erhöht die Geschwindigkeit axionalen Leitung. Die Myelinisierung der
verschiedenen Bereiche im Gehirn erfolgt parallel zu ihrer funktionellen Entwicklung. (
sensorischer Bereich: ersten paar Monate nach der Geburt, motorische Bereiche erfolgen
kurz darauf; präfrontale Cortex: Adoleszenz).
Das Muster der Dendritenverzweigung erfolgt nach dem Muster der neuronalen Migration.
Auch die Dendritenverzweigung schreitet von tieferen zu oberflächigen Schichten fort.
Es gibt in der postnatalen Gehirnentwicklung sowohl Wachstum als auch rückläufige
Veränderungen (primärer visueller Cortex geht mit 3a auf Erwachsenenniveau zurück).
9.3.2 Die Entwicklung des präfrontalen Cortex
-> längste Entwicklungszeit!
105
Drei Arten von kognitiven Funktionen:
Spielt beim Arbeitsgedächtnis (relevante Info während der Erledigung einer Aufgabe
behalten) eine Rolle
Planen und Ausführen von Handlungsfolgen
Hemmung von Reaktionen, welche im aktuellen Kontext unpassend sind
Piagets Studien zur Entwicklung des präfrontalen Cortex an Babys:
Lerndurchgänge mit 7 Monate alte Kinder, wobei ein Gegenstand immer hinter einem von
zwei Sichtschutzschirmen gestellt wird – immer hinter dem Gleichen. Alle konnten den
Gegenstand richtig hervorholen. Nach Lerndurchgängen wird das Spielzeug hinter dem
anderen Schirmchen gestellt -> trotzdem griffen die Kinder grossteils weiter hinter dem
ehemals richtigen Schirm
=> Perseverationsfehler (zw. 7-12 Monaten)
Diamond stellte Hypothese auf, dass dieser Perseverationsfehler auftrat, weil der neuronale
Schaltkreis des präfrontalen Cortex noch nicht voll entwickelt ist.
9.4 Auswirkungen von Erfahrung auf die frühe Entwicklung, Erhaltung und
Reorganisation neuronaler Schaltkreise
Die neuronale Entwicklung entfaltet sich durch Wechselwirkungen zwischen Neuronen und
ihrer Umwelt.
Hauptprinzip: Neurone und Synapsen, die nicht durch Erfahrung aktiviert werden, überleben
gewöhnlich nicht.  nutze es oder verliere es („use it or lose it“)
Die neuronale Entwicklung beim Menschen läuft einmalig langsam ab. Vorteil der
Langsamkeit dass sich dadurch der Erfahrung viele Gelegenheiten bieten, die sich
entwickelnden Systeme fein abzustimmen.
9.4.1 Erste Untersuchungen über Erfahrung und neuronale Entwicklung
Erste Nachweise über den Einfluss von früher Erfahrung auf die neuronale Entwicklung aus
zwei Forschungsrichtungen:
Untersuchungen über Auswirkung einer frühen visuellen Deprivation
Untersuchungen einer frühen Auseinandersetzung mit einer angereicherten, stimulierenden
Umwelt.
Beispiel: Ratten, die von Geburt an im Dunkeln aufgezogen wurden, haben in ihrem
primären visuellen Cortex weniger Synapsen und weniger dendritische Dornen und haben
als erwachsene Tiere Defizite im Tiefen- und Mustersehen.
Ratten, die in angereicherten, komplexen Gruppenkäfigen (anstatt einzeln in kargen Käfigen)
aufgezogen wurden, haben einen dickeren Cortex mit mehr dendritischen Dornen und
besitzen mehr Synapsen pro Neuron.
9.4.2 Erfahrung und neuronale Entwicklung stehen im Wettstreit
Abb.: Die
Auswirkungen einiger
weniger Tage früher
monokularer
Deprivation auf die
Struktur der Axone, die
vom Corpus
geniculatum laterale in
die Schicht 4 des
primären visuellen
Cortex projizieren.
Axone, die
Informationen vom
deprivierten Auge
übertragen, zeigten
eine wesentlich
106
geringere Verzweigung (adaptiert von Antonini und Stryker, 1993)
Erfahrung fördert zwar Entwicklung aktiver neuronaler Schaltkreise und Aufrechterhaltung
oder Regeneration bereits existierender, gleichzeitig scheint es dabei aber auch einen
komplexen Aspekt zu geben:
Wenn ein Auge verbunden wird, ist die Fähigkeit dieses Auges, den visuellen Cortex zu
aktivieren, reduziert, wohingegen die Fähigkeit des anderen Auges (das nicht verbunden ist)
erhöht. Effekte treten auf, weil eine frühe monokulare (=einäugig) Deprivation das Muster
des synaptischen Inputs in die Schicht IV des primären visuellen Cortex verändert.
Wenn jedoch nur eines der beiden Augen irgendwann während der ersten paar
Lebensmonate für einige Tage gegenüber Licht depriviert wird, wird das System
reorganisiert: Die Breite der Säulen, die Input vom deprivierten Auge erhalten, wird
verringert, und die Breite der Säulen, die Input vom nicht deprivierten Auge erhalten, wird
erhöht. Der genaue Ablauf der sensitiven Phase für diesen Effekt ist für jede Art spezifisch.
Die negativen Auswirkungen einer frühen monokularen Deprivation manifestieren sich
innerhalb weniger Tage. Es kommt zu einer massiven Abnahme in der axionalen
Verzweigung der Neurone des Corpus geniculatum laterale, die normalerweise Signale vom
deprivierten Auge zur Schicht IV des primären visuellen Cortex übertragen.
9.4.3 Auswirkungen von Erfahrung auf topografische Karten des sensorischen Cortex
Bei Frettchen wurde der Verlauf der sich entwicklenden Axone der retinalen Ganglienzellen
chirurgische so verändert, dass die Axone Synapsen im Corpus geniculatum mediale des
auditorischen Systems bildeten, anstatt im Corpus geniculatum laterale des visuellen
Systems.
Die Erfahrung von visuellem Input in den auditorischen Cortex der Frettchen bedingte, dass
sich dieser retinotrop organisierte (aufgebaut wie eine Karte der Retina).
Schleiereulen wurden mit Prismen vor den Augen aufgezogen. Ihre visuelle Welt war um 23°
nach rechts verschoben und ihre auditorische Karte ebenfalls um 23° nach rechts
verschoben, d.h. die Objekte wurden von dieser Eule dort gehört, wo sie von ihr gesehen
wurden.
Mehrere Studien zeigten, dass eine frühe musikalische Ausbildung die Organisation des
menschlichen auditorischen Cortex beeinflussen. Frühe musikalische Ausbildung geht mit
einer Ausdehnung des auditorischen Cortex einher, der auf komplexe musikalische Klänge
reagiert, und Verhaltensstudien haben gezeigt, dass eine frühe musikalische Ausbildung zur
Entwicklung eines absoluten Gehörs führt (der Fähigkeit, die Höhe eines beliebigen Tons zu
identifizieren).
9.4.4 Mechanismen, über die Entwicklung die neuronale Entwicklung beeinflussen
könnte
Es ist zwar nachgewiesen, dass Erfahrung die Entwicklung und Aufrechterhaltung
neuronaler Schaltkreise entscheidend beeinflussen kann, aber die Mechanismen, über die
Erfahrung diese Wirkungen ausübt, sind noch nicht gut verstanden. 3 Möglichkeiten:
Neuronale Aktivität reguliert die Expression von Genen, die die Synthese von
Zelladhäsionsmolekülen steuert. Somit könnte Erfahrung über ihre Wirkung auf die
neuronale Aktivität Veränderungen in der Zelladhäsion bewirken.
Neuronale Aktivität beeinflusst die Freisetzung von Neurotrophinen. Somit könnte Erfahrung
über ihre Wirkung auf die neuronale Aktivität das Wachstum von Neuronen steuern und ihr
Überleben beeinflussen.
Einige neuronale Schaltkreise sind früh im Verlauf der Gehirnentwicklung spontan aktiv, und
die Aktivität dieser Schaltkreise ist für den normalen Fortgang einiger Aspekte der
Gehirnentwicklung notwendig. Somit könnte Erfahrung den verlauf der Gehirnentwicklung
beeinflussen, idem sie die Spontanaktivität aktiver neuronaler Schaltkreise.
107
Bis ins letzte Jahrhundert ging man davon aus, dass die Neuroplastizität auf die Phase
der Gehirnentwicklung beschränkt ist. Man betrachtete Gehirne gewissermaßen als
festgelegt, unfähig zu einer wesentlichen Reorganisation.
Heute ist deutlich, dass das reife Gehirn kein statisches Organ ist, sondern sich
kontinuierlich verändert und anpasst.
9.5 Neuroplastizität bei Erwachsenen
9.5.1 Neurogenese bei erwachsenen Säugetieren
2 wichtige Prinzipien der Gehirnentwicklung:
Das menschliche Gehirn fängt in der Gebärmutter zu funktionieren an und hört niemals auf
zu arbeiten, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem man aufsteht, um eine öffentliche Rede zu halten.
Bei Erwachsenen findet keine Neurogenese statt.  falsch
Früher dachte man, dass alle Neurone während früher Phasen der Entwicklung entstehen.
Dementsprechend wurde die nachfolgende Gehirnentwicklung als ein Abwärtsgefalle
angesehen: Neurone sterben während der Lebenszeit eines Menschen kontinuierlich ab, und
man ging davon aus, dass die verlorenen Zellen niemals durch neue ersetzt werden.
In den 1980er Jahren entdeckte man, dass die für das Singen wichtige Gehirnstrukturen bei
Singvögeln direkt vor jeder Paarungssaison zu wachsen beginnen und dass dieses
Wachstum eine Zunahme in der Anzahl der Neurone zurückzuführen ist.
Es wurde entdeckt, dass im Bulbus olfactorius von Erwachsenen kontinuierlich nee
Neuronen hinzukommen. Somit scheint die Neurogenese bei erwachsenen Säugetieren auf
den Bulbus olfactorius und den Hippocampus beschränkt zu sein.
Adulte neuronale Stammzellen werden an bestimmten Orten im Ependym, das die Ventrikel
auskleidet, und in den angrenzenden Schichten neuronalen Gewebes erzeugt. Von dort
wandern sie zum Bulbus olfactorius. Im Gegensatz dazu scheinen neue hippocampale
Zellen in der Nähe ihrer endgültigen Position erzeugt werden.
Beispiel: Adulte Ratten, die in einer stimulierenden, angereicherten Umwelt leben 60% mehr
neue Neurone im Hippocampus produzieren als adulte Ratten, die in einer nicht
angereicherten Umwelt leben.
Der Effekt beruht größtenteils auf der Intensivierung der körperlichen Aktivität, zu der es
typischerweise in einer stimulierenden Umgebung kommt.
Angesichts der Tatsache, dass der Hippocampus an manchen Gehirnprozessen beteiligt ist,
könnte vielleicht körperliche Bewegung zur Behandlung von Menschen mit
Gedächtnisproblemen eingesetzt werden.
9.5.2 Auswirkungen von Erfahrung auf die Reorganisation des adulten Cortex
Erfahrung im Erwachsenenalter kann zur Reorganisation der sensorischen und motorischen
Karten führen.
Beispiele:
Tinnitus (ein Klingeln in den Ohren) ruft eine größere Reorganisation des primären
auditorischen Cortex hervor.
Erwachsene Musiker, die Streichinstrumente spielen, die mit den Fingern der linken Hand
gespielt werden, weisen eine vergrößerte Repräsentation des Handareals in ihrem rechten
somatosensorischen Cortex auf.
Training von Fertigkeiten und nicht Kraft- oder Ausdauertraining ist entscheidende für eine
Reorganisation des motorischen Cortex.
9.6 Störungen der neuronalen Entwicklung: Autismus und Williams- Syndrom
9.6.1 Autismus
Komplexe neuronale Entwicklungsstörung, die ca. bei 4 von 10.000 Menschen auftritt
108
Zeichnet sich ab dem Alter von 3 Jahren ab und ändert sich danach wenig
3 Kernsymptome:
reduzierte Fähigkeit, die Emotionen und Absichten anderer zu interpretieren
reduzierte Fähigkeit zur sozialen Interaktion und Kommunikation
eine übermäßige Beschäftigung mit einem einzelnen Thema oder einer einzelnen Aktivität
75% der Autisten sind männlich, 75% leiden an geistiger Behinderung, 35% leiden an
Epilepsie
Meisten Autisten haben Schwierigkeiten die Gesten anderer nachzuahmen
Schwer zu behandelnde Störung
Intensive Verhaltenstherapie kann Leben verbessern, es ist aber kaum möglich für einen
Autisten selbstständig zu leben
Autismus ist eine heterogene Störung: nicht alle autistischen Patienten zeigen dasselbe
Muster von Defiziten und ausgesparten Fähigkeiten, was die Untersuchung dieser Störung
stark erschwert
Bei den meisten Autisten sind folgende Fähigkeiten erhalten (sogar bei denen, die schwer
retardiert sind): Auswendiglernen, die Fähigkeit Puzzles zu lösen, musikalische Fähigkeiten
und künstlerische Fähigkeiten
Sogar innerhalb der Kategorie gibt es oft ein sehr heterogenes Muster an Defiziten
Bei ca. ¼ der Autisten ist die Sprachfähigkeit gering ausgeprägt oder überhaupt nicht
vorhanden.
Autistische Savants: Savants sind geistig behinderte Menschen die nichtsdestotrotz
erstaunliche spezifische kognitive oder künstlerische Begabungen zeigen
Ca. einer von 10 Autisten weist Savants- Fähigkeiten auf
Am Meisten verbreitetste Savants- Fähigkeiten: Gedächtniskunststücke, Nennen des
Wochentages für ein beliebiges zukünftiges oder vergangenes Datum, Identifizierung von
Primzahlen, Zeichnen und Musikinstrumente spielen
Savant- Fähigkeiten entstehen nicht durch Auswendiglernen oder Übung: sie scheinen
spontan zu entstehen. Savants mit Sprachfähigkeiten können ihre eigenen Meisterleistungen
nicht erklären.
Es wird spekuliert, dass Savant- Fähigkeite entstehen, wenn eine Schädigung der linken
Hemisphäre eine kompensatorische funktionelle Verbesserung in der rechten Hemisphäre
auslöst.
Neuronale Basis des Autismus: Autismus tritt in Familien gehäuft auf- für Geschwister von
Menschen mit Autismus besteht eine 5%ige Chance, dass bei ihnen die Störung
diagnostiziert wird
Autismus tritt bei monozygoten Zwillingen gehäuft gemeinsam auf; wenn ein Zwilling als
autistisch diagnostiziert wurde, besteht für den anderern eine 60%ige Chance, dieselbe
Diagnose zu erhalten.
Autismus wird durch mehrere Gene ausgelöst, die mit der Umwelt interagieren
Eine Schädigung wurde am häufigsten im Cerebellum und in angrenzenden Bereichen des
Gehirns beobachtet, im Allgemeinen besteht aber die Tendenz, dass sie weit über das
Gehirn verteilt ist
Schwangere Frauen, die Thalidomid (Pille gegen morgendliche Übelkeit) hatten ein stark
erhöhtes Risiko, ein Kind mit Autismus zur Welt zu bringen
Autismus geht mit verschiedenen Defiziten in der Gesichts-, Mund- und Augensteuerung
einher
Erscheinungsbild ist normalerweise unauffällig; allerdings gibt es ein paar kleine Anomalien
in der Ohrstruktur: quadratische Ohr- Form, sitzen zu weit unten am Kopf, sind leicht nach
hinten gedreht und die Spitzen klappen um
Manche Menschen mit Autismus besitzen eine abweichende Form von Hoxa1 (bekanntes
Gen), das sich auf dem Chromosom 7 befindet
9.6.2 Williams- Syndrom
Auch Williams- Beuern- Syndrom genannt; auch eine Störung der neuronalen Entwicklung,
die mit geistiger Behinderung und einem auffallend ungleichmäßigen Muster an Fähigkeiten
und Unfähigkeiten einhergeht
Bei einer von 20.000 Geburten
Menschen mit Williams- Syndrom sind gesellig, empathisch und gesprächig
109
Sprachfähigkeiten ziehen die meiste Aufmerksamkeit auf sich: Obwohl sie eine
Verzögerung in der Sprachentwicklung und Sprachdefizite im Erwachsenenalter aufweisen,
sind ihre Sprachfähigkeiten bemerkenswert, insbesondere wenn man den charakteristisch
geringen IQ (ca. 60 Punkte) in Betracht zieht.
bei Tests wo Kinder Tiere nennen sollen nannten sie Koala, Yak, Steinbock, Chihuahua,
Brontosaurus und Nilpferd; besonders lebhafte Erzählungen
Manche besitzen andere kognitive Stärken, von denen einige mit Musik zu tun haben- einige
besitzen ein perfektes oder nahezu perfektes Gehör und unheimliches Rhythmusgespür
Bemerkenswerte Fähigkeit Gesichter wieder zu erkennen
Viele schwere kognitive Defizite und durchschnittlicher IQ von 60 Punkten
Fähigkeit zur räumlichen Kognition ist grundlegend beeinträchtigt- große Schwierigkeit Lage
von Bauklötzen zu erinnern; Fähigkeit Objekte zu zeichnen ist nahezu nicht vorhanden und
raumbezogene Sprache ist schlecht
Williams- Syndrom mit Vielzahl von Gesundheitsproblemen assoziiert, einschließlich
mehrerer, die das Herz betreffen
Herzerkrankung entsteht aufgrund einer Mutation eines Gens auf Chromosom 7, das die
Synthese von Elastin steuert, einem Protein, das vielen Organen und Geweben Elastizität
verleiht
Starke Unterentwicklung des Occipital- und Parientalcortex, was auf schlecht räumliche
Fähigkeiten hinweisen könnte
Abnormalität im limbischen System, was ihre erhöht Freundlichkeit erklären könnte
Menschen mit Williams- Syndrom werden oft als elfenhaft beschrieben; sie sind eher klein
und besitzen kleine, nach oben zeigende Nasen, ovale Ohren, breite Münder mit vollen
Lippen, verquollene Augen und kleine Kinne.
110
Kapitel 10: Hirnschädigung und Neuroplastizität
10.1 Kann sich das Gehirn von einer Schädigung erholen?
10.2 Ursachen einer Hirnschädigung
10.2.1 Hirntumore
Ein Tumor oder Neoplasma (wörtlich,
„Neubildung“) ist eine Zellansammlung, die
unabhängig vom Rest des Körpers wächst.
Mit anderen Worten, es ist Krebs.
Ungefähr 20% der Tumore sind
Meningiome (Tumore, die sich zwischen
den Meningen entwickeln, den drei
Membranen, die das zentrale Nervensystem
bedecken). Alle Meningiome sind
abgekapselte Tumore, Tumore, die
innerhalb ihrer eigenen Membran wachsen.
Gutartige, benigne Tumore sind chirurgisch
leicht entfernbar und es besteht nur ein
geringes Risiko, dass sie im Körper wieder
wachsen.
Außer Meningiomen wachsen die meisten Hirntumore infiltrierend. Infiltrierende Tumore
wachsen diffus in das umliegende Gewebe ein, daher sind sie gewöhnlich bösartig (maligne
Tumore) und nur schwer zu entfernen oder vollständig zu zerstören; kanzeröses Gewebe,
das nach der Operation zurückbleibt, wächst weiter.
Hirnmetastasen; Metasierung bezieht sich auf die Übertragung einer Krankheit von einem
Organ zum anderen (z.B Lungenkrebs aufs Gehirn durch den Blutkreislauf)
10.2.2 Cerebrovasculäre Erkrankungen
Schlaganfälle sind plötzlich eintretende cerebrovaskuläre Erkrankungen, die eine
Hirnschädigung verursachen.
Cerebrale Hämorrhagie; Eine cerebrale Hämorrhagie (Blutung im Gehirn) tritt auf, wenn ein
cerebrales Blutgefäß reißt und Blut in das umgebende neuronale Gewebe eindringt und es
schädigt. Aneurysma; ist einen pathologische, ballonartige Erweiterung, die sich in der
Wand eines Blutgefäßes an einem Punkt bildet, an dem die Elastizität der Gefäßwand
beeinträchtigt ist. Diese können kongenital (angeboren) sein oder aufgrund von Gefäßgiften
oder einer Infektion entstehen.
Cerebrale Ischämie; Bei einer cerebralen Ischämie ist die Blutzufuhr zu einem Bereich des
Gehirns unterbrochen. Die drei Hauptursachen sind:
1.Thrombose; es bildet sich ein Pfropf, Thrombus genannt, und blockiert an seinem
Entstehungs den Blutfluss.
2. Embolie; Eine Embolie ähnelt einer Thrombose, außer dass der Pfropf, in diesem Fall der
Embolus (ein Thrombus der auf Reisen geht), in einem größeren Gefäß gebildet wird und
dann über das Blut in ein kleineres Gefäß Gefäß gelangt, wo er sich festsetzt.
3. Asteriosklerose; Bei dieser verdicken sich die Wände der Blutgefäße, es kommt zu einer
Gefäßverengung, gewöhnlich als Folge von Fettablagerungen.
Ein großer Teil der mit einem Schlaganfall einher gehenden Hirnschädigungen ist die Folge
einer übermäßigen Freisetzung von exzitatorischen Aminosäuren, besonders von Glutamat,
dem im Gehirn am häufigsten vorkommenden exzitatorischen Neurotransmitter.
111
Die Kaskade von Ereignissen,
durch die ein schlaganfallinduzierte Freisetzung von
Glutamat Neurone zerstört.
Drei Eigenschaften
ischämischer Hirnschäden
1.Zeit bis zur vollen Entwicklung
(bis 10 Minuten keine
dauerhaften Schäden)
2.Selektive Vulnerabilität
(Hippocampus)
3. Mechanismen der ischämieverursachten Hirnschäden sind
von Struktur zu Struktur
verschieden.
112
10.2.3 Gedeckte Schädel-Hirn-Traumata
Hirnverletzungen, die durch Schläge verursacht werden,
die die Schädeldecke nicht durchbrechen, werden als
gedeckte Schädel-Hirn-Traumata bezeichnet.
Von einem Konstusionssyndrom (Contusio cerebri,
Gehirnprellung) spricht man, wenn das gedeckte SchädelHirn-Trauma eine Schädigung des cerebralen
Kreislaufsystems zur Folge hat. Ein Hämatom ist eine
lokale Ansammlung von geronnenem Blut in einem Organ
oder Gewebe - mit anderen Worten ein Bluterguss.
Kontusionen treten häufig gegenüber der vom Schlag
betroffenen Seite des Gehirns auf. Der Grund für diese so
genannten „Contre-Coup“ Verletzungen (GegenstoßVerletzungen) ist, dass der Schlag bewirkt, dass das Gehirn auf der anderen Seite des
Kopfes gegen das Innere des Schädels schlägt.
Wenn einem Schlag auf den Kopf eine Bewusstseinsstörung folgt und es keinen Hinweis auf
eine Kontusion oder eine andere strukturelle Schädigung gibt, wird ein
Kommotionssyndrom (Gehirnerschütterung) diagnostiziert (man geht davon aus, dass
solche keine Langzeitfolgen nach sich ziehen).
Die so genannte Boxerencephalopathie (Punch-Drunk-Syndrom oder Dementia
pugilistica) zeigt aber etwas anderes. Dabei handelt es sich um eine Demenz (ein
allgemeiner intellektueller Verfall) und eine cerebrale Narbenbildung, die bei Boxern bzw.
Personen mit wiederholten Gehirnerschütterungen beobachtet wird.
10.2.4 Infektionen des Gehirns
Eine Gehirninfektion basiert auf einer Invasion des Gehirns durch Mikroorganismen. Die
dadurch hervorgerufene Entzündung wird als Encephalitits bezeichnet.
Bakterielle Infektionen; Wenn Bakterien das Gehirn infizieren, führen sie oft zur Bildung
cerebraler Abszesse – Eiteransammlungen im Gehirn. Bakterien greifen häufig Hirnhäute an,
entzünden diese und rufen dadurch eine als Meningitis bekannte Erkrankung hervor, die bei
Erwachsenen in bis zu 25% der Fälle tödlich ist. (Antibiotika beseitigen manchmal die
Infektion können aber eine Hirnschädigung, die sich bereits entwickelt hat, nicht rückgängig
machen).
Das Syndrom aus Wahnsinn und Demenz, das infolge einer Syphilisinfektion entsteht, wird
als progressive Paralyse bezeichnet.
Virale Infektionen; Es gibt zwei Arten viraler Infektionen des Nervensystems: solche mit
einer besonderen Affinität für Nervengewebe (neurotrop) und solche, die zwar
Nervengewebe angreifen, aber keine höhere Affinität dafür haben als für anderes Gewebe
(pantrop). z.B. Tollwut/Herpesviren/Prionen (BSE)
10.2.5 Neurotoxine
Das Nervensystem kann durch eine Vielzahl toxischer Substanzen geschädigt werden, die
über den Magen-Darm-Trakt (Gestrointestinaltrakt) die Lungen oder die Haut in den
Blutkreislauf eintreten.
Intoxikationspsychose (chronischer Wahnsinn verursacht durch ein Neurotoxin)
Antipsychotische Medikamente in den 1950er unausgereift auf den Markt gekommen 
Patienten entwickelten nach mehreren Jahren eine tardive Dyskinesie (TD ) oder
Spätdyskinesie Hauptsymptome waren unwillkürliche Schmatz- und Saugbewegungen der
Lippen, Herausstrecken und Rollen der Zunge, seitliche Kieferbewegungen und Aufblasen
der Backen.
Alkohol (indirekt toxische Wirkung bei Thiaminmangel). Endogene (vom Körper des
Patienten erzeugte Neurotoxine) vs exogene Neurotoxine.
10.2.6 Genetische Faktoren
Fehlerhafte Chromosomenduplikation Down-Syndrom
113
Abnorme rezessive Gene  Phenylketonurie (PKU) = Fehlen von
Phenylaminhydroxylase  Dopaminmangel
Abnorme dominante Gene (selten)  Huntington-Erkrankung
10.2.7 Programmierter Zelltod
Neuronen und andere Zellen besitzen
genetische Programme, die ihren
Suizid steuern. Dieser Prozess wird
Apoptose genannt. Jeder der sechs
Ursachen einer Hirnschädigung, die in
bisher genannt wurden, scheinen ihrer
Wirkung zumindest teilweise über die
Aktivierung von Programmen der
Apoptose, der Selbstzerstörung zu
erzielen.
Früher ging man davon aus, dass das
Absterben von Neuronen infolge einer
Hirnschädigung vollständig nekrotisch
abläuft – Nekrose bezeichnet einen
passiven Zelltod infolge einer
Verletzung. Heute nimmt man an,
dass Zellen, wenn sie nicht zu schwer
geschädigt sind, versuchen genügend
Ressourcen zu rekrutieren, um Suizid
zu begehen. Allerdings beruht der
Zelltod nicht immer ausschließlich auf
einem Prozess, sodass geschädigte
und absterbende Zellen sowohl
Anzeichen einer Nekrose als auch einr Apoptose zeigen.
Vorteil bei der Apoptose eines Neurons ist, dass diese schrittweise stattfindet und mit der
Schrumpfung des Zellkörpers beginnt. Die Trümmer, die beim Absterben von Teilen des
Neurons entstehen, werden in Vesikel verpackt. Daher kommt es zu keiner Entzündung und
die Schädigung benachbarter Zellen bleibt minimal.
10.3 Neuropsychologische Erkrankungen
10.3.1 Epilepsie
Das Hauptsymptom der Epilepsie, ist der epileptische Anfall; aber nicht alle Menschen, die
Anfälle erleiden, haben eine Epilepsie.
Die Diagnose Epilepsie trifft nur auf diejenigen Patienten zu, deren Anfälle wahrscheinlich
durch eine chronische Funktionsstörung ihres eigenen Gehirns bedingt sind.
Viele Anfälle zeigen sich nicht durch Konvulsionen (motorische Anfälle) sondern schlagen
sich auf subtilere Art wieder, in Form von Veränderungen im Denken, in der Stimmung und
dem Verhalten, die sich nicht leicht von normal ablaufenden Aktivitäten untescheiden lassen.
Manche Epileptiker erleben unmittelbar vor einer Konvulsion eigenartige psychische
Veränderungen, welche als epileptische Aura bezeichnet wird (z.B. schlechter Geruch oder
bestimmter Gedanke).
Wenn bei einem Patienten eine Epilepsie diagnostiziert wird, wird diese in eine von zwei
Kategoriken eingeordnet.
Partielle Anfälle; betrifft nicht das gesamte Gehirn.
Einfach-partielle Anfälle gehen hauptsächlich mit sensorischen oder motorischen
Symptomen oder mit einer Kombination aus beiden einher.
Komplex-partielle Anfälle sind oft auf die Temporallappen beschränkt und werden daher
auch als Temporallappenepilepsie bezeichnet.
Generalisierte Anfälle betreffen das gesamte Gehirn. Genauso wie partielle Anfälle treten
auch generalisierte Anfälle in vielen Formen auf.
114
Grand-mal-Anfall (wörtlich „großes Übel“) Hauptsymptome sind Bewusstseinsverlust,
Gleichgewichtsverlust und heftige tonisch-klonische Konvulsionen. (Hypoxie;
Sauerstoffunterverorgung des Gewebes, z.B. des Gehirns kann ihrerseits eine
Hirnschädigung verursachen)
Petit-mal-Anfall (wörtlich „kleines
Übel“) Diese sind nicht mit
Konvulsionen verbunden, ihr
wichtigstes Verhaltenssymptom ist die
Ptit-mal-Absence – eine
Bewusstseinstrübung, die mit der
Unterbrechung der erade ablaufenden
Handlung, einem leeren Blick und
manchmal flatterdenen Augenliedern
einher geht.
10.3.2 Parkinson-Erkrankung
Die Parkinson-Erkrankung ist eine Bewegungsstörung des mittleren und hohen Alters, die
ungefähr 0,5% der Bevölkerung betrifft.
Häufigsten Symptome der voll ausgeprägten Störung sind ein Ruhetremor, also ein Tremor,
der während Inaktivität verstärkt ist und während willkürlicher Bewegungen oder im Schlaf
abnimmt, Muskelsteifheit (Rigor), Schwierigkeiten bei der Bewegungsinitiation, eine
Bewegungsverlangsamung und ein maskenhaftes Gesicht. Dysfunktion des nigrostriatalen
Systems dessen Bahn zum Striatum der Basalganglien projizieren. Dopaminmangel im
Striatum. Durch L-Dopa (der chemischen Substanz aus der Dopamin synthetisiert wird) kann
die Krankheit gelindert werden.
10.3.3 Huntington-Erkrankung
Die Huntington-Erkrankung (oder Chorea Huntington sowie umgangssprachlich
„Veitstanz“) ist wie die Parkinson-Erkrankung eine fortschreitende Störung der Motorik, die
im mittleren und hohen Alter beginnt. Anders als Parkinson ist sie selten, hat eine starke
genetische Grundlage und geht mit einer schweren Demenz einher.
Neuro-degeneartive ErkrankungSchädigung der Basalganglien
Progressive Bewegungsstörung; Demenz; Dominantes Gen/spätes Auftreten
115
10.3.4 Multiple Sklerose
Die Multiple Sklerose (MS) ist eine fortschreitende Erkrankun, die das Myelin der Axone im
ZNS angreift. Es kommt zum vollständigen Zerfall des Myelins und der davon umhüllten
Axone und damit einher gehend zur Entwicklung vieler Bereiche mit verhärtetem
Narbengewebe (Sklerose bedeutet „Verhärtung).
Die Epidemiologie untersucht verschiedene Faktoren, wie z.B. Ernährung, geographische
Lage, Alter, Geschlecht und Rasse, die die Verteilung einer Erkrankung in der
Allgemeinbevölkerung beeinflussen. Die Multiple Sklerose ist eine Autoimmunerkrankung –
eine Störung, bei der das körpereigene Immunsystem Teile des Körpers angreift, so als ob
diese eine fremde Substanz wären.
Experimentelle autoimmune Encephalomyelitis (Labortiere bekommen Myelin injiziert
und ein Mittel, dass das Immunsystem stimuliert  keine Wirkung/Heilung)
10.3.5 Alzheimer-Erkrankung
Die Alzheimer-Erkrankung ist die häufigste Ursache einer Demenz.
Die Alzheimer-Erkrankung hat einen progressiven Verlauf. Die Anfangsstadien sind oft durch
einen selektiven Gedächtnisabbau gekennzeichnet, die Zwischenstadien durch Verwirrung,
Reizbarkeit, Angst und eine Verschlechterung der Sprachfähigkeit, und in den
fortgeschrittenen Stadien verschlechtert sich der Patient derart, dass für ihn selbst einfache
Reaktionen wie Schlucken oder die Kontrolle der Blase schwieirg sind. Die Alzheimer
Erkrankung ist unheilbar.
116
Eine eindeutige
Diagnose von
Alzheimer ist erst nach
einer Autopsie möglich.
Die beiden
charakteristischen
Merkmale der
Erkrankung sind
Neurofibrillenbündel
(fadenförmige
Proteinknäuel im
neuronalen
Cytoplasma) und
Amyloidplaques
(Klumpen im
Narbengewebe,
bestehen aus
degenerierten
Neuronen und einem
Protein, dem so
genannten Amyloid,
das in normalen Gehirnen nur in sehr kleinen Mengen vorkommt).
10.4 Tiermodelle von neuropsycholgischen Erkrankungen des Menschen
10.4.1 Das Kindling-Model der Epilepsie
Krampfanfälle nach einer Amygdala-Stimulation bei Ratten ähnelten epileptischen Anfällen.
Die progressive Entwicklung und Verstärkung von Konvulsionen, die durch eine Reihe
periodischer Gehirnstimulationen hervorgerufen wird, wurde als Kindling-Phänomen
bekannt. Das Kindling hat viele interessante Eigenschaften, wobei zwei es verdienen
hervorgehoben zu werden. Erstens: Die neuronalen Veränderungen, sind dauerhaft
(Konvulsionen auch nach mehreren Monaten Pause und erneuter Stimulation). Zweitens:
Kindling wird durch zeitlich verteilte (größere Zeiträume mehr als 2 Stunden) und nicht durch
massierte (schnell aufeinander folgende) Stimulationen hervorgerufen. Interesse am Kindling
kommt daher, dass einerseits die Konvulsionen, die bei Tieren ausgelöst werden, den von
Menschen ähneln und andererseits das Kindling-Phänomen mit der Epileptogenese (der
Entwicklung bzw. Entstehung der Epilepsie) vergleichbar ist. Kindling wie es in Laboren
angewandt wird unterscheidet sich von epileptischen Anfällen, da es induziert wird und nicht
spontan auftritt. Allerdings wir dieses Problem umgangen, da nach ca. 300 Stimulationen ein
echtes epileptisches Syndrom hervorgerufen wird.
10.4.2 Das transgene Mausmodell der Alzheimer-Erkrankung
Das transgene Modell der Störung war vielleicht die aufregendste Entwicklung bei der
Erforschung der Alzheimer-Erkrankung. Transgen bezieht sich auf Tiere, in deren Genom
die Gene einer anderen Spezies eingefügt wurden.
Das transgene Mausmodell von Hsiao et. Al. ist das beste Tiermodell der AlzheimerErkrankung, aber es hat auch Probleme. Beispielsweise weisen die Mäuse keine
Neurofibrillenbündel auf und das Ausmaß der Gedächtnisbeeinträchtigung verändert sich nur
wenig im Verlauf der Entwicklung der Mäuse und der Zunahme von Plaques.
10.4.3 MPTP-Modell der Parkinson – Erkrankung
Nichthumane Primaten reagieren wie Menschen auf MPTP (zeigen aller Parkinson
Symptome; MPTP “synthetisches Heroin“). Das MPTP – Tiermodell kam den Patienten mit
Parkinson-Erkrankung bereits zugute. Z.B. hat man entdeckt, dass Deprenyl, ein
Monoaminoagonis, die Effekte von MPTP im Tiermodell blockiert, und in der Folge konnte
117
nachgewiesen wreden, dass Deprenyl bei Parkinsonpatienten im Frühstadium der
Erkrankung das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamt.
Durschnittliche Häufigkeit von
motorischen Symptomen, die sich
bei Parkinsonpatienten im
Frühstadium der Erkrankung
entwickelten, die mit Deprenyl
(einem Monoaminooxidasehemmer)
oder Placebo behandelt wurden.
Deprenyl verlangsamte das
Fortschreiten der Erkrankung um
50% (adaptiert nach Tetrud und
Langston,1989)
10.5 Neuroplastische Reaktion auf eine Schädigung des Nervensystems:
Degeneration, Regeneration, Reorganisation und Wiederherstellung
10.5.1
Neuronale
Degeneration
Distale Teil 
Teil zwischen
Schnitt und
synaptischen
Nervenendigungen.
Proximale Teil
zwischen Schnitt
und dem Zellkörper
118
10.5.2 Neuronale Regeneration
Drei Arten der axonalen
Regeneration bei peripheren
Nerven von Säugetieren
Zu dem dritten: Es bildet sich ein
Knäuel um den proximalen
Stumpf herum.
Warum gibt es keine
Regeneartion im ZNS?
Die Schwann-Zellen fördern die
Regeneration im PNS der
Säugetiere, indem sie sowohl
neurotrophe Faktoren als auch
Zelladhäsionsmoleküle
produzieren (neurotrophe
Faktoren stimulieren das
Wachstum neuer Axone;
Zelladhäsionsmoleküle
bestimmten den Weg, entlang
daem die regenerierenden PNSAxone wachsen).
Die Oligodendroglia, die die
Axone des ZNS myelinisieren,
weder die Regeneration, noch
lenken sie sie; tatsächlich setzen
sie sogar Faktoren frei, die die
Regeneration aktiv hemmen.
Kollaterale Aussprossung; Wenn
ein Axon degeneriert, wachsen
axonale Verzweigungen aus
benachbarten, gesunden Axonen
aus und bilden an den Stellen
Synapsen, die durch die
Degeneration des Axons frei
werden.
119
10.5.3 Neuronale Reorganisation
Reorganisation des motorischen Cortex bei der Ratte,
im Anschluss an eine Durchtrennung der motorischen
Neurone, die die Bewegungen der Vibrissae
(Tasthaare) kontrollieren. Der motorische Cortex
wurde vor der Durchtrennung und dann wieder einige
Wochen danach mittels Hirnstimulation kartiert.
 Einige Wochen später aktivierte nun
die Stimulation des Bereichs des
motorischen Cortex, der früher eine
Bewegung der Vibrissae ausgelöst hat,
andere Gesichtsmuskeln.
Das Zwei-PhasenModell der
neuronalen
Reorganisation:
1.Verstärkung
bereits bestehender
Verbindung über
den Wegfall von
Hemmung
2.Bildung von neuen
Verbindungen über
kollaterale
Aussprossungen
10.5.4
Wiederherstellung
der Funktion nach
Hirnschädigung
Teuber (1975)
beurteilte die
Defizite von
hirngeschädigten
120
Soldaten in der Woche nach ihrer Verletzung und nochmals 20 Jahre später.
Die Mechanismen der Funktinoserholung bleiben unbekannt bzw. gibt es nur schwammige
Hypothesen.
10.6 Neuroplastizität und die Behandlung einer Schädigung des Nervensystems
10.6.1 Reduktion einer Hirnschädigung durch Blockade der neuronalen Degeneration
Zusätzlich zu dem Apoptose hemmenden Protein wurde auch für mehrere andere
neurochemische Substanzen nachgewiesen, dass sie die Degeneration geschädigter
Neurone blockieren.
Im Allgemeinen fördern Moleküle, die die neuronale Degeneration beschränken, die
Regeneration.
10.6.2 Förderung der Erholung von einer ZNS-Schädigung durch Förderung der
Regeneration
Obwohl es im ZNS von Säugetieren normalerweise nicht zur Regeneration kommt, haben
mehrere Studien gezeigt, dass sie induziert werden kann.
10.6.3 Förderung der Erholung von einer ZNS-Schädigung durch Neurotransplantation
Es gibt zwei Ansätze der Neurotransplantation: Bei der einen wird fetales Gewebe
transplantiert, bei der anderen Stammzellen.
10.6.4 Förderung der Erholung von einer ZNS-Schädigung durch rehabilitative
Maßnahmen
Verschiedene Rehabilitationsprogramme für Schlaganfälle, Rückenmarksverletzungen,
Phantomglieder.
Schlaganfall: Neurone befinden sich in einer Wettbewerbssituation: sie konkurrieren
untereinander um synaptische Verbindungsstellen und um Neurotrophine, und die Verliere
sterben ab (Deswegen Training der betroffenen Gliedmaßen für Besserung)
Rückenmarksverletzungen  Geschirr stützt anfänglich auf einem Laufband, Reduktion des
Geschirrs über 90% konnten wieder gehen (herkömmliche Physiotherapie 50%
Phantomglieder; die meisten Amputierten nehmen Gliedmaßen, die amputiert wurden,
weiterhin wahr (in 50% der Fälle mit starkem Phantomschmerz verbunden z.B. Gefühl Hand
verkrampft)
 Bei einem Paienten Spiegelbox, wo gesunder Arm reinkam. Synchrone
Bewegungen. Nach drei Wochen Phantomarm verschwunden.
121
Kapitel 11: Lernen, Gedächtnis und Amnesie
Frühe Theorien zum Gedächtnis
Karl Lashley: Massenaktionsprinzip; Gedächtnis im ganzen Neokortex verteilt
Prinzip der Äquipotenz; alle Teile des Neokortex gleich bedeutsam
Donald Hebb: Reverberationskreise/Konsolidierung „Wired together what fires togehter“
11.1 Wie Ihr Gehirn Informationen speichert
Beim Lernen geht es darum, wie Erfahrung das Gehirn verändert, und Gedächtnis handelt
davon, wie diese Veränderungen gespeichert und anschließend reaktiviert werden.
11.2 Amnestische Auswirkungen einer bilateralen mediotemporalen Lobektomie
Der Fall von H.M., dem Mann, der die Untersuchung des Gedächtnisses veränderte.
Abb.: Die mediotemporale Lobektomie. Die
Teile des medialen Temporallappens, die
aus H.Ms Gehirn entfernt wurden, sind aus
Sicht der inferioren Oberfläche des Gehirns
dargestellt.
Lobektomie; ist eine Operation, bei der ein
Gehirnlappen oder ein größerer Teil davon
aus dem Gehirn entfernt wird.
Lobotomie; ist eine Operation, bei der ein
Lappen oder ein größerer Teil davon vom
Rest des Gehirns durch einen großen
Schnitt abgetrennt, aber nicht entfernt wird.
H.M war der letzte Patient, der einen
bilaterale mediotemporale Lobektomie
erhielt – wegen ihrer verheerenden
amnestischen Auswirkungen.
Retrograde Amnesie; rückwirkend, den
Zeitraum vor der Operation (der
Schädigung) betrefend nicht bei H.M.
Anterograde Amnesie; vorwärts gerichtet, Erinnerungsvermögen für postoperative
Erfahrungen bei H.M. diagnostiziert.
122
11.2.1 Formale Beurteilung von H.M.‘s anterograder Amnesie
Übereinstimmungstest:
Zahlennachsprechen:
H.M. konnte die 8-Ziffern Folge nicht wiederholen. Gesunde Probanden können nach 25
Lerndurchgängen ungefähr 15 Ziffern wiederholen. (5 Ziffern. Nach jedem Durchgang, nach
korrekter Wiedergabe eine Ziffer dazu usw…)
Corsi-Würfeltest:
H.M. hatte eine globale Amnesie – eine Amnesie, die Informationen aus allen sensorischen
Modalitäten betraf. 9 Würfel.Bestimmte Berührungsreihenfolge. 5 schaffte H.M.
(Normalbereich) allerdings nicht möglich 6 zu erlernen.
Spiegelzeichen-Test (Abb.
Rechts):
Obwohl sich seine Leistung
verbesserte, besaß H.M. keine
bewusste Erinnerung daran, die
Aufgabe schon einmal durchgeführt
zu haben (adaptiert nach Milner,
1965)
123
Rotary-Pursuit-Test:
Ziel: Kontakt mit dem rotierenden Ziel halten
H.M. lernte diese Aufgabe und konnte seine
Leistung verbessern, obwohl er keine bewusste
Erinnerung an die Lerndurchgänge hatte.
Unvollständiger-Bilder-Test (Gollin- Test)
Zwei Bespiele aus dem Unvollständigen-Bilder-Test. H.M.s Gedächtnis für die 20 Test-Bilder
zeigte sich in seiner Fähigkeit, beim Wiederholungstest jeweils unvollständigere Versionen
der Bilder zu erkennen. Nichtsdestotrotz konnte er sichnicht bewusst daran erinnern, die
Bilder zuvor gesehen zu haben.
Klassische (Pawlow’sche) Konditionierung
Wurde konditioniert (Ton; LuftstoßLiedschlag; TonLiedschlag) und zeigte zwei Jahre
danach diese Reaktion immernoch fast perfekt, obwohl er sich nicht an das Training
erinnerte.
11.2.2 Der Wissenschaftliche Beitrag des Falles H.M.
Gedächtnisfunktionen sind im Gehirn lokalisierbar
Medialer Temporallappen spielt dabei eine große Rolle
LZG und KZG sind getrennte Systeme
Medialer Temporallappen  Konsolidierung (Übertragung von Kurzzeiterinnerungen in den
Langzeitspeicher
Deklarative und prozedurale Gedächtnissysteme
124
11.2.3 Mediale Temporallappenamnesie
Patienten, die einem Profil von Gedächtnisdefiziten, das dem von H.M. ähnelt, sowie
erhaltene intellektuelle Fähigkeiten und eine nachgewiesene mediale
Temporallappenschädigung haben leiden an einer so genannten medialen
Temporallappenamnesie.
Tests, die zur Beurteilung des impliziten Gedächtnisses entwickelt wurden, werden als
Repetition-Priming-Tests bezeichnet (z.B. Gollin Test).
Die Forschung hat gezeigt, dass nicht das gesamte Langzeitgedächtnis gleichermaßen
betroffen ist. Das semantische Gedächtnis von Patienten mit einer medialen
Temporallappenamnesie ist oft vollkommen normal, jedoch ist ihr episodisches Gedächtnis
größtenteils verloren gegangen. Das semantische Gedächtnis beinhaltet explizite
Erinnerungen an allgemeine Fakten oder Informationen, während das episodische
Gedächtnis explizite Erinnerungen an bestimmte Ereigenisse oder Erfahrungen des eigenen
Lebens enthält.
Zwei parallele Gedächtnissysteme, ein bewusstes (explizites) und ein unbewusstes
(implizites)  Flexibilität, vermutlich gewährleistet die Evolution expliziter
Gedächtnissysteme, dass Informationen flexibel genutzt werden können.
11.2.4 Auswirkungen einer cerebralen Ischämie auf Hippocampus und Gedächtnis
Patienten, die eine cerebrale Ischämie – also
eine Unterbrechung der Blutzufuhr zu ihrem
Gehirn – erlebt haben, leiden oft an einer
medialen Temporallappenamnesie.
Abb.: Die Hauptkomponenten des
Hippocampus: CA1, CA2, CA3 und CA4Regionen und der Gyrus dentatus. R.B.s
Hirnschädigung war größtenteils auf die
Pyramidenzellschicht des CA1-Feldes
beschränkt (CA steht für cornu ammonis =
Ammonshorn, eine andere Bezeichnung für
den Hippocampus).
R.B.s Fall lässt den Rückschluss zu, dass eine
Schädigung des Hippocampus allein bereits
eine Amnesie hervorrufen kann.
(Schlussfolgerung wurde in Frage gestellt)
11.3 Amnesie beim Korsakoff-Syndrom
Amnsie nach Alkoholabusus, die sowohl anterograde & retrograde Anteile hat. Eine intakte
implizite Gedächtnisleistung ist vorhanden. Der Mediodorsale Nuclei des Thalamus ist immer
geschädigt (der Fall N.A.)
125
11.4 Amnesie bei der Alzheimer-Erkrankung
Zusätzlich zu beträchtlichen anterograden und retrograden Defiziten in expliziten
Gedächtnistests weisen prädemente Alzheimerpatienten oft auch Defizite im
Kurzzeitgedächtnis und in manchen impliziten Gedächtnisformen auf: das implizite
Gedächtnis für verbales und perzeptuelles Material ist oft beeinträchtigt, das implizite
Gedächtnis für sensomotorisches Lernen hingegen nicht.
11.5 Amnesie nach einer Gehirnerschütterung: Evidenz für die Konsolidierung
Häufigste Ursache für Amnesie sind Schläge, die ein Kommotionssyndrom
(Gehirnerschütterung) auslösen. Diese Form einer Amnesie wird als posttraumatische
Amnesie (PTA) bezeichnet
11.5.1 Posttraumatische Amnesie
11.5.2 Gradienten der retrograden Amnesie und der Gedächtniskonsolidierung
Weit zurückreichende und damit flache Gradienten einer retrograden Amnesie sind mit
Hebbs Theorie der Konsolidierung unvereinabar. Es ist sinnvoll anzunehmen, dass die
neuronale Aktivität, die aus einer Erfahrung resultiert, für ein paar Sekunden oder sogar
Minuten im Gehirn durch kreisende Aktivierungsprozesse aufrecht erhalten wird; allerdings
können Gradienten einer
retrograden Amnesie, die Tage,
Wochen oder sogar Jahre
umfassen, nicht einfach durch
eine bloße Unterbrechung der
kreisenden neuronalen Aktivität
erklärt werden. Solche lang
andauernden Gradienten einer
retrograden Amnesie sprechen
vielmehr dafür, dass die
Gedächtniskonsolidierung noch
sehr lange Zeit nach dem
Lernen weitergehen kann,
vielleicht sogar unbegrenzt.
Abb.: Eine EKS
(Elektrokonvulsionsschock)erzeugte retrograde Amnesie
126
mit einem kurz andauernden Gradienten. Abgebildet ist die Behaltensleistung nach
einem einzigen Durchgang von Appetenzlernen für eine Kontrollgruppe von Ratten und für
Gruppen von Ratten, die in verschiedenen Zeitabständen nach dem Lerndurchgang einen
EKS erhielten. Nur die Ratten, die einen EKS innerhalb von zehn Minuten nach dem
Lerndurchgang erhielten, zeigten eine bedeutsame retrograde Amnesie (adaptiert nach
Pinel, 1969).
Abb.: Eine EKS-erzeugte
retrograde Amnesie mit einem
lang andauenden Gradienten.
Eine Serie von fünf
elektrokonvulsiven Schocks
erzeugte eine retrograde
Amnesie für
Fernsehsendungen, die nur eine
Saison lang innerhalb der drei
Jahre vor den Schocks
gesendet wurden; die EKSs
erzeugten allerdings keine
Amnesie für vergleichbare
Fernsehsendungen, die vor drei
Jahren oder mehr gesendet
wurden (adaptiert nach Squire,
Slater & Chace, 1975).
11.5.3 Rekonsolidierung
Die Rekonsolidierung ist ein theoretisches Konstrukt, das vor kurzem die Aufmerksamkeit
auf sich gezogen hat. Nach dieser Vorstellung wird eine Erinnerung, jedes Mal wenn sie aus
dem Langzeitspeicher abgerufen wird, vorübergehend im labilen Kurzzeitgedächtnis
gehalten; dort ist sie bis zur Rekonsolidierung wieder für eine posttraumatische Amnesie
anfällig.
11.5.4 Hippocampus und Konsolidierung
Zwei Theorien zur Gedächtniskonsolidierung:
1. Erinnerungen werden vorübergehend im Hippocampus gespeichert und werden dann in
stabilere kortikale Speichersysteme überführt. (Scoville und Milner 1957)
2. Hippocampus speichert Erinnerungen so lange, wie sie bestehen. Aufbewahrte
Erinnerungen werden zunehmend wiederstandsfähiger gegenüber einer
Hippocampusschädigung, da jedes Mal, wenn eine ähnliche Erfahrung stattfindet oder die
ursprüngliche Erinnerung abgerufen wird, ein neues Engramm (eine Veränderung im
Gehirn, die eine Erinnerung speichert) gebildet und mit dem ursprünglichen Engramm
verknüpft wird, so wird die Erinnerung immer leichter abrufbar und das ursprüngliche
Engramm wird immer schwerer störbar. (Erklärt lange Gradienten der RG Amnesie)
11.6 Neuroanatomie des Gedächtnisses für die Objekterkennung
11.6.1 Amnesie der Objekterkennung im Affenmodell: Der „delayed non-matching-tosample“ Test
Abb. Die richtige Ausführung eines Durchgangs des delayed-nonmatching-to-sample-Tests
(adaptiert nach Mishkin & Appenzeller 1987)
127
Die Entwicklung des delayed-nonmatching-to-sample-Tests für Affen lieferte eine Mehtode
zur Überprüfung der Annahme, dass die Amnesie infolge einer medialen
Temporallappenschädigung ausschließlich auf einer Hippocampusschädigung basiert.
Die Leistungsdefizite von Affen
mit großen bilateralen Läsionen
des medialen Temporallappens
beim delayed-nonmatching-tosample-Test. Es zeigten sich bei
allen Behaltensintervallen,
außer dem kürzesten, Defizite.
Diese Defizite entsprechen den
Gedächtnisdefiziten
menschlicher Patienten mit
einer medialen
Temporallappenamnesie bei
derselben Aufgabe.
11.6.2 Der delayed-nonmatching-to-sample-Test für Ratten
Abb.: Durch Aspiration erzeugte
Läsionen des Hippocampus bei
Affen und Ratten. Wegen der
Unterschiede in der Größe und Lage
des Hippocampus bei Affen und
Ratten werden bei einer
Hippocampektomie beim Affen, aber
nicht bei Ratten, überlicherweise
große Anteile des rhinalen Cortex
entfernt.
128
Abb.:
Die
MumbyBox und
die
Version
des
delayednonmatchingtosampleTests für
Ratten.
Abb.: Ein Vergleich der
Leistung von unversehrten
Affen und unversehrten
Ratten beim delayednonmatching-to-sampleTest.
11.6.3 Neuroanatomische Grundlagen der Defizite bei der Objekterkennung nacheiner
medio-temporalen Lobektomie
Abb.: Die Auswirkungen von Läsionen des rhinalen Cortex und von kombinierten Läsionen
von Hippocampus-und Amygdala bei Ratten. Läsionen des rhinalen Cortex, aber nicht
kombinierte Läsionen von Hippocampus und Amygdala, erzeugten bei Ratten schwere
Leistungsdefizite beim delayed-nonmatching-to-sample Test (adaptiert nach Mumby &
Pinel, 1994; Mumby, Wood & Pinel, 1992).
Studien mittels funktioneller Bildgebung stützen die Theorie, dass die
Objekterkennungsdefizite von ischämischen Patienten durch extrahippocampale Störungen
bedingt sind. Ausgedehnte cerebrale Dysfunktionen werden häufig in neuroanatomischen
intakten Bereichen beobachtet, die fern von Orten des ischämischen Zellverlusts liegen.
Folglich liefern Fälle einer ischämie-erzeugten Amnesie mit hippocampalem Zellverlust (Fälle
129
wie der von R.B.) keinen eindeutigen Beweis dafür, dass der Hippocampus die
entscheidende Rolle bei der Objekterkennung spielt.
11.7 Hippocampus und räumliches Gedächtnis
11.7.1 Hippocampusläsionen beeinträchtigen das räumliche Gedächtnis
Hippocampusläsionen beeinträchtigen konsistent die Leistung bei Aufgaben, die das
Gedächtnis für räumliche Lagen betreffen.
Morris-Wasserlabyrinth („Morris water maze test“): unversehrte Ratten, die an
verschiedene Orte in ein kreisförmiges Becken mit trüben Wasser gesetzt werden, lernen
schnell zu einer stationären Plattform zu schwimmen, die unmittelbar unter der Oberfläche
verborgen ist. Ratten mit Hippocampusläsionen lernen diese einfache Aufgabe nur mit
großen Schwierigkeiten.
Radialarmlabyrinth-Test („radial arm maze test“): gehen von einer zentralen Startkammer
mehrere Arme aus (z.B. acht) und jeden Tag enthalten dieselben Arme Futter. Die Fähigkeit
nur die Arme es aufzusuchen, die Futter enthalten, ist ein Maß für das Referenzgedächtnis
(das Gedächtnis für allgemeine Prinzipien und Fertigkeiten, die zur Durchführung einer
Aufgabe benötigt werden). Einen Arm nicht mehr als einmal an einem bestimmten Tag
aufzusuchen, ist ein Maß für das Arbeitsgedächtnis (das temporäre Gedächtnis, das für die
erfolgreiche Durchführung einer gerade bearbeiteten Aufgabe notwendig ist). Ratten mit
Hippocampusläsionen zeigen in beiden wesentliche Leistungsdefizite.
11.7.2 Hippocampale Ortszellen
Die Beobachtung, dass Hippocampusläsionen das räumliche Gedächtnis beeinträchtigen, ist
gut mit der Tatsache vereinbar, dass viele Hippocampusneurone Ortszellen sind – Neurone,
die nur dann reagieren, wenn sich ein Versuchstier an einem bestimmten Ort befindet.
130
11.7.3 Hippocampus und räumliches Gedächtnis: Vergleichende Untersuchungen
Vögel von Futterversteckenden Arten besitzen einen größeren Hippocampus.
Bei Primaten und Menschen sind zwar Ortsfelder vorhanden jedoch sind die Auswirkungen
einer Hippocampusschädigung auf die Durchführung einer räumlichen Gedächtnisaufgabe
nicht eindeutig. Schwierigkeit bei Ratten Exp. Diese in Bewegung bei Menschen sitzend an
Computerbildschirmen.
11.7.4 Theorien über die Funktion des Hippocampus
Theorie der kognitiven Landkarte („cognitive map theory“): Hippocampus erstellt und
speichert allozentrische (bezeichnet eine Repräsentation des Raumes basierend auf
Relationen zwischen externen Objekten und Orientierungspunkten) Landkarten der
Außenwelt (O’Keefe & Nadel, 1978)
Theorie der konfiguralen Assoziationen („configural association theory“): Der
Hippocampus spielt eine Rolle bei der Erinnerung an die Verhaltensbedeutsamkeit von
Reizkombinationen (z.B. Objekt-Positionsverknüpfung) nicht aber von Einzelreizen. (Rudy
&Sutherland, 1992)
Theorie von Brown und Aggleton (2001): Sie schlagen vor, dass der Hippocampus wichtig
für das Wiedererkennen einer räumlichen Anordnung von Objekten ist, wie z.B. in einer
visuellen Szene.
11.8 Wo sind Erinnerungen gespeichert?
Abb.(nächste Seite oben): Strukturen des Gehirns, die erwiesenermaßen eine Rolle
beim Gedächtnis spielen. Das Striatum ist nicht abgebildet, da es die Sicht auf andere
Strukturen verdeckt hätte.
11.8.1 Inferotemporaler Cortex
Aufgrund der Beteiligung des inferotemporalen Cortex (der Cortex des inferioren
Temporallappens) an der visuellen Wahrnehmung von Objekten, wird davon ausgegangen,
dass er an der Speicherung von Erinnerungen an visuelle Strukturen beteiligt ist.
131
11.8.2 Amygdala
Die Amygdala ist für die Erinnerung
der emotionalen Bedeutsamkeit von
Erfahrung wichtig.
11.8.3 Präfontaler Cortex
Patienten mit einer Schädigung sind
nicht stark amnestisch, sie zeigen in
herkömmlichen Gedächtnistests oft
überhaupt keine Defizite. Allerdings
zeigen sie Defizite im Gedächtnis
für die zeitliche Abfolge von
Ereignissen, sogar wenn sie die
Ereignisse an sich erinnern können,
und sie haben Defizite im
Arbeitsgedächtnis ( der Fähigkeit,
relevante Erinnerungen
aufrechtzuerhalten während eine
Aufgabe ausgeführt wird).
11.8.4 Cerebellum und Striatum
Man nimmt an, dass das Cerebellum Erinnerungen an gelernte sensomotirsche Fertigkeiten
speichert.
Das Striatum speichert wahrscheinlich Erinnerungen an konsistente Beziehungen zwischen
Reizen und Reaktionen – die Art von Erinnerungen, die sich zunehmend über viele
Lerndurchgänge entwickeln.
11.8.5 Synaptische Mechanismen von Lernen und Gedächtnis
Nun Fokusverlagerung auf die neuroplastischen Mechanismen innerhalb dieser Strukturen,
von denen man annimmt, dass sie die grundlegende Basis von Lernen und Gedächtnis
darstellen.
11.8.6 Langzeitpotenzierung (LTP)
Hebbs These: dauerhafte
Erleichterung der synaptischen
Übertragung = Grundlage für Lernen
und Gedächtnis
LTP ( Nach einer hochfrequenten
elektrischen Stimulation von
präsynaptischen Neuronen kommt es
zu einer Bahnung (oder Facilitation)
der synaptischen Übertragung.)
Abb.: Ein Gewebeschnitt aus dem
Hippocampus von Ratten, der die
drei Synapsen zeigt, an denen die
LTP am häufigsten untersucht wird:
(1) die Synapsen von Körnerzellen im
Gyrus dentatus, (2) die Synapsen
von CA3-Pyramidenzellen und (3) die
Synapsen von CA1-Pyramidenzellen.
Das LTP besitzt zwei entscheidende
Eigenschaften.
132
1. Die LTP kann für lange Zeit anahlten – nach mehrfacher Stimulation für viele Wochen.
2. Ein LTP entsteht nur, wenn auf das Feuern des präsynaptischen Neuron ein Feuern des
postsynpatischen Neurons folgt.
Die Auffassung, dass die LTP mit den neuronalen Mechanismen von Lernen und Gedächtnis
zusammenhängt, wird durch mehrere Beobachtungen zusätzlich unterstützt.
1. Die LTP kann durch niedrige Stimulationsniveaus, die eine
normale neuronale Aktivität imitieren, ausgelöst werden.
2. Die LTP-Effekte sind am ausgeprägtesten in
gedächtnisrelevanten Strukturen
3. Eine Konditionierung von Verhalten kann im Hippocampus LTPähnliche Veränderungen hervorrufen
4. Viele Pharmaka und Drogen, die Einfluss auf Lernen und das
Gedächtnis haben, haben entsprechende Auswirkungen auf
die LTP
Viele Forscher begreifen die LTP als drei-stufigen Prozess und untersuchen die
Mechanismen von Induktion, Aufrechterhaltung und Ausdruck (Expression) d.h. 1. Die
Prozesse, aufgrund derer die Hochfrequenzstimulation die LTP induzieren (Lernen), 2. Die
Veränderungen, auf denen die Speicherung der LTP baisert (Gedächtnis), und 3.
dieVeränderungen, aufgrund derer die LTP in Tests zum Ausdruck kommt (Abruf).
11.8.7 Induktion der LTP: Lernen
Die Induktion einer durch NMDA-Rezeptoren vermittelten LTP
133
11.8.8 Aufrechterhaltung und Expression der LTP: Speicherung und Abruf
Die Aufrechterhaltung und Expression der LTP ist sowohl mit Veränderungen in
präsynaptischen als auch mit Veränderunge in postsynaptischen Neuronen verbunden.
Fünf bedeutsame Fortschritte:
1. Mechanismus der bewirkt, dass die Ereignisse an einer Gruppe von Synapsen auf einem
postsynaptischen Neuron nicht andere Synapsen auf demselben Neuron beeinflussen. Dafür
verantwortlich sind die Dendtritischen Dornen (K+-Ionen, die einen solchen einströmen
diffundieren nicht ohne weiteres aus ihm heraus). Diese haben somit einen lokalen Effekt.
2. Speziell die langfristige Aufrechterhaltung ist wegen ihrer Dauerhaftigkeit wahrscheinlich
mit strukturellen Veränderungen verbunden, die von der Proteinsynthese abhängen. Für die
kurzfristige Aufrechterhaltung kann die Proteinsynthese nicht verantwortlich sein, da sie nicht
schnell genug stattfindet.
3. Es gibt direkte Hinweise darauf, dass präsynaptische Veränderungen an der
Aufrechterhaltung und Expression der LTP an Synapsen mit NMDA-Rezeptoren beteiligt
sind.
4. Es muss eine Art Signal von den postsynaptischen Neuronen zurück zu den
präsynaptischen Neuronen geben. Befunde deuten darauf hin, dass dieses Signal bei
NMDA-Synapsen in Form eines löslichen Gases erfolgt, dem Neurotransmitter
Stickstoffmonoxid.
5. Mittlerweile ist es gut belegt, dass es im Zusammenhang mit einer lang anhaltenden LTP
zu strukturellen Veränderungen an NMDA-Synapsen kommt. Es kommt zu einer Zunahme in
der Zahl und Größe der Synapsen, in der Zahl und Größe der dendritischen Dornen und in
der Zahl der postsynaptischen NMDA-Rezeptoren.
11.8.9 Variabilität der LTP
Keine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem LTP. Es wurden nur immer mehr Fragen
aufgeworfen.
Wahrscheinlich kann die LTP nur vollständig verstanden werden, wenn auch die LTD („longterm depression“, Kehrseite der LTP; die LTD tritt als Antwort auf eine anhaltende
niederfrequente Stimulation präsynaptischer Neurone auf) verstanden wird.
11.9 Schlussfolgerung: Infantile Amnesie und der Biopsychologe, der sich an H.M.
erinnerte
134
Kapitel 12: Hunger, Essen und Gesundheit
12.2 Verdauung, Energiegewinnung und -verbrauch
Lipide (Fette)
Aminosäuren (Proteine)
Glucose (Kohlenhydrate, Glycogen)
Fett ist wichtigste Speicherform
 Gegenüber Glycogen doppelter
Energiegehalt
 Glycogen zieht Wasser an
135
Glukoneogenese
12.3 Theorien zu Hunger und Essen: Sollwerte versus positive Anreize
12.3.1 Die Sollwerthypothese
Diese Hypothese geht davon aus, dass die Energiereserven einer Person nach einer Mahlzeit
(eine kurze Zeit der Nahrungsaufnahme) nahe an ihrem Sollwert liegen und danach, während der
Körper Energie für die Aufrechterhaltung seiner physiologischen Prozesse verbraucht, abnehmen.
Alle Sollwertsysteme haben drei Komponenten:
1. Der Sollwertmechanismus ( bestimmt den Energiesollwert)
2. Detektormechanismus (entdeckt Abweichungen vom Sollwert Blutzuckerspiegel, Körperfett)
3. Effektormechanismus (wird tätig, um die Abweichungen zu beseitigen  Hunger, Essen)
Alle Sollwertsysteme sind negative Rückkoppelungssysteme – Systeme, bei denen die
Rückmeldung von Veränderungen in einer Richtung kompensatorische Effekte in die entgegen
gesetzte Richtung auslöst.
12.3.2 Glukostatische und lipostatische Sollwerttheorien von Hunger und Essen
Glukostatische Theorie: Vorstellung, dass wir hungrig werden, wenn unser Blutzuckerspiegel
bedeutsam unter seinen Sollwert fällt, und dass wir uns satt fühlen, wenn das Essen unseren
Blutzuckerspiegel wieder auf seinen Sollwert zurück bringt.
Die lipostatische Theorie ist eine weitere Sollwerttheorie. Nach dieser Theorie hat jede Person
einen Sollwert für Körperfett, und Abweichungen von diesem Sollwert rufen kompensatorische
Anpassungen in der Menge der Nahrungsaufnahme hervor, die den Anteil des Körperfetts wieder
auf den Sollwert zurückbringt.
 Man nahm an, dass die glukostatische Theorie den Beginn und das Ende einer
Mahlzeit erklären kann und die lipostatische Theorie die Langzeitregulation.
Waren in den 1950ern aktuell!
136
12.3.3 Probleme der Sollwerttheorien von Hunger und Essen
1. Die Sollwerttheorien von Hunger und Essen sind nicht vereinbar mit der heutigen Auffassung
eines grundlegenden evolutionären Selektionsddruck in Zusammenhang mit der
Nahrungsaufnahme. Jede warmblütige Art muss, um unter natürlichen Bedingungen überleben zu
können, ein System zur Regulation von Hunger und Nahrungsaufnahme besitzen, das
Energiedefiziten vorbeugt, anstatt bloß auf bereits entstandene Energiedefizite zu reagieren.
2. Sollwertregulation nur in Extremsituationen ( in Experimenten wurde eine zuverlässige
Nahrungsaufnahme induziert, die unter natürlichen Bedingungen nur selten stattfindet)
3.Nichtberücksichtigung von Geschmack, Lernen und sozialen Einflüssen. (z.B. nach großem
Hauptgang trotzdem noch ein Dessert essen)
12.3.4 Die Anreizperspektive
Die zentrale Annahme dieser neuen theoretischen Perspektive, die gewöhnlich als positive
Anreiztheorie (positive-incentive theory) bezeichnet wird, ist, dass Menschen und andere Tiere
normalerweise nicht durch innere Energiedefizite zum Essen veranlasst werden, sondern durch
die Antizipation der positiven Wirkungen des Essens dazu motiviert werden – die antizipierte
positive Wirkung eines Verhaltens wird als ihr positiver Anreizwert bezeichnet.
Ausmaß des Hungers, den man zu einem bestimmten Zeitpunkt empfindet, hängt von der
Interaktion all der Faktoren ab, die den positiven Anreizwert des Essens beeinflussen:
Geschmack, Zeit nach der letzten Mahlzeit, Gesellschaft beim Essen, Tageszeit,
Blutzuckerspiegel.
12.4 Faktoren, die bestimmen, was, wann und wie viel wir essen
12.4.1 Faktoren, die bestimmen, was wir essen




Artspezifische Präferenzen
Kulturspezifische Präferenzen
Individuelle Präferenzen; erlernte Geschmackspräferenzen/Aversionen
Ernährungsmangel; Geschmack (z.B. Essen mit viel Vitamin B wird als positiv
abgespeichert; Essen mit wenig Vitamin B Aversion) Auswirkung auf
Essverhalten
 Problem des Überangebots
12.4.2 Faktoren, die beeinflussen, wann wir essen
 Kulturelle Normen, Arbeitszeiten, Bräuche
 Hunger wird ausgelöst durch die Erwartung von Nahrung, nicht durch Energiedefizit
Nach Woods sind die starken, unangenehmen Hungergefühle, die durch die
Vorbereitung ihres Körpers auf die erwartete Störung der Homöostase aufgrund
einer Mahlzeit entstehen.
 Hunger ist klassisch konditionierbar
12.4.3 Faktoren, die beeinflussen, wie viel wir essen
Sättigung: Dies ist der motivationale Zustand, der uns veranlasst, den Verzehr einer Mahlzeit zu
beenden, auch wenn noch Essen übrig ist.
Sättigungssignale: Diese hängen sowohl vom Volumen als auch von der Energiedichte
(Kalorien pro Volumeneinheit) der Nahrung ab.
„Schein“-Essen
Die Untersuchung des Schein-Essens (shameating) zeigt, dass Sättigungssignale aus dem
Magen-Darm-Trakt oder aus dem Blut nicht
notwendig sind, um eine Mahlzeit zu
beenden. (Entgegengesetzt zu den
137
Sollwerttheorien, werden nicht riesige Mengen an Futter verzehrt)
Appetizer-Wirkung und Sättigung: Appetizer, vergrößern den Hunger anstatt ihn zu reduzieren
weitere Schwäche der Sollwerttheorien
Soziale Einflüsse und Sättigung: Das Gefühl der Sättigung hängt davon ab, ob wir alleine oder
zusammen mit andern essen. (z.B wenig essen, um dem gesellschaftlichen Schlankheitsideal zu
entsprechen)
Sensorisch-spezifische Sättigung: Die Anzahl der unterschiedlichen Geschmacksrichtungen,
aus denen eine Mahlzeit besteht, wirkt sich wesentlich auf die gegessene Menge aus.
(Widersprechen eindeutig der Vorstellung, dass Sättigung starr durch interne Energiesollwerte
kontrolliert wird).
2 adaptive Auswirkungen: 1. fördert Verzehr abwechslungsreicher Kost; Ohne diese würde
einPerson dazu neigen, ausschließlich ihr Lieblingsessen zu essen
und nichts sonst, Fehlernährung wäre die Folge.
2. Nahrungsaufnahme auch bei vielfältigem Angebot; Ein Tier, das
sich an einem Nahrungsmittel satt gefressen hat, wird oft wieder zu
fressen beginnen, wenn es auf ein anderes Nahrungsmittel trifft.
12.5 Physiologische Forschung über Hunger und Sättigung
12.5.1 Die Rolle des Blutzuckerspiegels bei Hunger und Sättigung
Unterstützt der oben dargestellte Befund von Campfield und Smith die glukostatische Theorie des
Hungers? (ca. 10 Min. vor Beginn einer Mahlzeit sinkt der Blutzuckerspiegel um 8%)
Dagegen sprechen drei Gründe:
1. Es ist leicht möglich eine Situation herzustellen, in der der Nahrungsaufnahme keine Abnahme
des Blutzuckerspiegels vorausgeht z.B indem Futter mit hohem positiven Anreizwert unerwartet
serviert wird.
2. Die Abnahme im Blutzuckerspiegel vor einer Mahlzeit, stellt eher eine Reaktion der Tiere dar,
mit der Nahrungsaufnhame zu beginnen, als umgekehrt. ( Ratten geht nicht die Energie aus,
sondern sie senken ihren eigenen Blutzuckerspiegel indem sie Insulin freisetzen).
3. Der Blutzuckerspiegel geht auf sein vorheriges ursprüngliches homöostatisches Niveau zurück,
wenn die erwartete Mahlzeit nicht serviert wurde.
12.5.2 Der Mythos von hypothalamischen Hunger- und Sättigungszentren
Sättigungszentrum im ventromedialen Hypothalamus (VMH): Im Jahr 1940 wurde entdeckt,
dass große bilaterale elektrolytische Läsionen des VMH bei Ratten eine Hyperphagie (exzessives
Fressen) und eine extreme Fettleibigkeit hervorrufen.
Hungerzentrum im lateralen Hypothalamus (LH): Im Jahr 1951 hieß es, dass bilaterale
elektrolytische Läsionen des lateralen Hypothalamus eine Aphagie erzeugen (vollständige
138
Einstellung der Nahrungsaufnahme). Schluss, dass der laterale Bereich des
Hypothalamus ein Fress- bzw. Hungerzentrum ist.
NEUINTERPREATION DER AUSWIRKUNGEN VON VMH- UND LH-LÄSIONEN:
Die Theorie, dass der VMH ein Sättigungszentrum ist, fiel angesichts zweier Beweislinien in sich
zusammen.
1. Der Hypothalamus hat seine primäre Rolle in der Regulation des Energiestoffwechsels und
nicht in der Regulation der Nahrungsaufnahme. Ursprüngliche Interpretation war, dass Tiere mit
VMH-Läsionen fettleibig werden, weil sie sich überfressen – Befunde zeigen das Gegenteil – dass
sie sich überfressen, weil sie fettleibig werden. Bilaterale VMH Läsionen erhöhen den
Insulinspiegel im Blut, was die Lipogenese (die Produktion von Körperfett) steigert nd die
Lipolyse (die Aufspaltung von Körperfett in verwertbare Energieformen) vermindert.
2. Viele Auswirkungen von VMH-Läsionen sind nicht auf eine Schädigung des VMH
zurückzuführen. Ein großes Faserbündel, das ventrale noradrenerge Faserbündel, verläuft hinter
dem VMH und wird zwangsläufig durch umfangreiche elektrolytische VMH-Läsionen geschädigt.
Beweise dafür, dass der LH nicht ein Hunger- bzw. Fresszentrum ist. Neuere Forschung zeigt,
dass LH-Läsionen eine große Bandbreite von schweren motorischen Störungen und eine
reduzierte Reagibilität auf sensorischen Input (Essen und Trinken nur zwei Bsple) hervorruft.
12.5.3 Die Rolle des Magen-Darm-Trakts bei der Sättigung
Die Transplantation eines zusätzlichen
Magens und Darmabschnitts bei einer
Ratte. Koopmans (1981) implantierte
jedem seiner Versuchstiere einen
zusätzlichen Magen und ein Stück
Darm. Dann verband er die wichtigsten
Blutgefäße des implantierten Magens
mit dem Kreislaufsystem des
Empfängertiers. Nahrung, die in den
zusätzlichen Magen injiziert wurde und
dort aufgrund einer Schlinge um den
Schließmuskel des Magens (Musculus
sphincter pyloricus) verblieb, verringerte
die Nahrungsaufnahme proportional zu
ihrem Volumen und ihrem
Kaloriengehalt.
Der implantierte Magen besaße keine
funktionstüchtigen Nerven, so daß das
gastrointstinale Sättigungssignal das
Gehirn über das Blut erreichte. Und da
der Magen keine Nährstoffe absorbiert,
konnte das im Blut übertragene
Sättigungssignal kein Nährstoff sein.
Somit mußten es eine oder mehrere chemische Substanzen sein, die vom Magen als Reaktion auf
den Kaloriengehalt und das Volumen der Nahrung freigesetzt wurden.
12.5.4 Die Rolle von Peptiden bei Hunger und Sättigung
Beweise häuften sich, dass es sich bei den chemischen Substanzen, welche vom Magen-DarmTrakt freigesetzt wurden um Peptide handelte, also kurze Ketten von Aminosäuren, die als
Hormone und Neurotransmitter wirken.
Cholecystokinin (CCK): Ein Sättigungspeptid  Information über Menge und Beschaffenheit der
Nahrung
Hungerpeptide (z.B Neuropeptin-Y, Galantin): injiziert an bestimmten Stellen des Hypothalamus
Effekt auf Nahrungsaufnahme. Die bloße Anzahl von Hunger und Sättigungspeptiden zeigt,
dass das neuronale System, das die Nahrungsaufnahme kontrolliert, auf viele verschiedene
Signale reagiert.
139
12.5.5 Serotonin und Sättigung
Beim Menschen wurde gezeigt, dass Serotoninagonisten unter den verschiedensten Bedingungen
Hunger, Nahrungsaufnhame und Körpergewicht reduzieren.
12.6 Regulation des Körpergewichts: Sollwert versus dynamisches Gleichgewicht
12.6.1 Annahmen der Sollwerttheorie zu Körpergewicht und Nahrungsaufnahme
Drei Beweislinien, die wesentliche Aspekte vieler Sollwerttheorien zur Regualtion des
Körpergewichts in Frage stellen.
1. Variabilität des Körpergewichts: Nach der Sollwerttheorie der Körpergewichtsregulation ist es
die beste Methode, jedes mal zu essen, wenn eine Motivation zu essen vorhanden ist. Viele
Menschen vermeiden jedoch Übergewicht nur dadurch, dass sie ihrem Verlangen zu Essen
widerstehen.
2. Sollwerte und Gesundheit: Eine Implikation der Sollwertheorien der Körpergewichtsregulation
ist, dass der Sollwert jeder Person für die Gesundheit dieser person optimal ist – oder zumindest
nicht unvereinbar mit einer guten Gesundheit.
Zwei Arten von Beweisen sprechen dafür, dassdie Menge von ad libitum (nach Belieben)
konsumierter Nahrung der Gesundheit abträglich ist.
1. Okinawa-Studie  Nahrungsreduktion (20% weniger Kalorien) erhöht Gesundheit
(geringere Mortalitätsrate (Sterberate) und Morbiditätsrate (Krankheitsrate), 40x mehr 100Jährige)
2. Reduzierung der Kalorienaufnahme bei Mäusen um25, 55, 65 %  wenigsten
Krebserkrankungen, beste Immunreaktion, längste Lebensdauer bei 65 %
3.Regulation des Körpergewichts durch Veränderungen in der Effizienz der
Energienutzung: Der Mechanismus, über den der Körper die Effizienz der Engergienutzung als
Reaktion auf seinen Körperfettgehalt anpasst, wird als nahrungsinduzierte Thermogenese
bezeichnet. Personen unterscheiden sich deutlich sowohl im metabolischen Grundumsatz (der
Rate, mit der Energie im Ruhezustand zur Aufrechterhaltung der Körpervorgänge genutzt wird) als
auch in ihrer Fähigkeit, den Grundumsatz an Veränderungen im Körperfettgehalt anzupassen.
12.6.2 Sollwerte und dynamisches Gleichgewicht bei der Gewichtskontrolle
Neue Übersichtsarbeiten zur Forschung über Hunger und Gewichtsregulation räumen ein, dass
ein striktes Sollwertmodell die Fakten der Gewichtsregulation nicht erklären kann und
argumentieren für ein flexibleres Modell.
Das Modell des dynamischen Gleichgewichts geht davon aus, dass das Körpergewicht dazu neigt,
um einen natürlichen Gleichgewichtspunkt (settling point) herum zu schwanken. Der
Gleichgewichtspunkt ist das Niveau, auf dem die verschiedenen Faktoren, die das Körpergewicht
beeinflussen, im Gleichgewicht zueinander stehen, Die Idee ist, dass es bei einer Zunahme des
Körperfettgehalts zu Veränderungen kommt, die eine weitere Zunahme einschränken, bis
schließlich ein Gleichgewicht zeischen all den Faktoren erreicht ist, die eine Gewichtszunahme
fördern beziehungsweise hemmen.
Das „Undichte-Fass-Model“: Ein Gleichgewichtsmodell der Nahrungsaufnahme und der
Körpergewichtshomöostase.
140
Vier Befunde zur Gewichtsregulierung:
1. Gesamtanteil des Körperfetts bleibt konstant.
2. Häufige Veränderungen des Körpergewichts.
3. Stoffwechseländerungen nach Reduktion/Erhöhung der Nahrungsaufnahme.
4. Nach Gewichtsverlust: Tendenz ursprüngliches Gewicht wiederherzustellen.
Das Wissen, dass das Körpergewicht über ein Gleichgewichtssystem reguliert wird, hilft die
Veränderungen im körpergewict, die in verschiedenen Situationen auftreten, besser zu verstehen
und genauer vorherzusagen; es liefert auch Anhaltspunkte über die Art der physiologischen
Mechanismen, die dieser Veränderungen wahrscheinlich vermmitteln.
12.7 Übergewicht beim Menschen
12.7.1 Warum gibt es eine Epidemie des Übergewichts?
Jeder von uns besitzt ein System zur Regulation der Nahrungsaufnahme und des Körpergewichts,
dass sich entwickelt, um effektiv mit regelmäßig wiederkehrender Nahrungsknappheit fertig zu
werden, und viele von uns leben in Kuluturen, deren nahrungsbezogene Bräuche sich zu
demselben Zweck entwickelt haben. Unsere gegenwärtige Umwelt unterscheidet sich jedoch von
unserer „natürlichen“ Umwelt entscheidend hinsichtlich des Nahrungsangebotes. Wir leben in
einer Umwelt, in der eine endlose Vielfalt von Nahrungsmitteln mit dem höchsten positiven
Anreizwert leicht und kontinuierlich verfügbar ist. Die Folge ist ein erschreckend hohes Niveau der
Nahrungsaufnahme.
12.7.2 Warum werden manche Menschen übergewichtig, ander hingegen nicht?
Menschen unterscheiden sich im Hinblick auf den Energieverbrauch deutlich voneinander. Der
eindeutigste Unterschied besteht, darin dass sich Menschen beträchtlich darin unterscheiden, wie
viel sie sich bewegen. Weiter Unterschiede sind: Grundumsatz und die Fähigkeit, auf eine
Zunahme des Fettanteils mit nahrungsinduzierter Thermogenese zu reagieren. Der dritte Faktor
wird als NEAT („nonexercise activity thermogenesis“; Thermogenese aufgrund nicht an Sport
141
gebundener Aktivitäten) bezeichnet und resultiert aus Aktivitäten wie „Zappeln“ und die
Aufrechterhaltung der Körperhaltung und des Muskeltonus.
12.7.3 Warum sind Diätprogramme meistens nicht effektiv?
 Der Jo-Jo Effekt
12.7.4 Mutierte fettleibige Mäuse und Leptin
Im Jahr 1994 wurde das Gen geklont, dass in ob/ob-Mäusen (obese =fettleibig) mutiert war. Es
wurde festgestellt, dass dieses Gen nur in Fettzellen exprimiert wird und Forscher beschrieben
das Proteinhormon, für das es kodiert. Sie nannten dieses Protein Leptin.
Forschung hat gezeigt, dass Leptin drei Kriterien für ein negatives Feedbacksignal für
denKörperfettgehalt erfüllt:
1. Der Leptinspiegel im Blutt korreliert beim Menschen und bei anderen
Tieren positiv mit den Fettdepots.
2. Injektionen von Leptin in Dosen, die zu niedrig sind, um aversiv zu
sein, reduzieren bei ob/ob Mäusen die Nahrungsaufnahme und den
Körperfettgehalt.
3. Es wurden Rezeptoren für Leptin im Gehirn gefunden.
 Zwar besitzen nur wenige übergewichtige Menschen eine genetische Mutation des
ob-Gens, aber für diese könnte sich Leptin als Allheilmitel erweisen.
12.7.5 Insulin: Ein weiteres negatives Feedbacksignal für den Körperfettgehalt
Der Insulinspiegel im Gehirn ist mit dem Körperfettgehalt positiv korreliert. Es gibt Rezeptoren für
Insulin im Gehirn. Infusionen von Insulin in das Gehrin von Labortieren, in so geringen Dosen,
dass sie nicht aversiv sind und den Blutzuckerspiegel nicht beeinflussen, reduzieren die
Nahrungsaufnahme und das Körpergewicht.
 Individuen mit einem Insulinmangel sind im Gegenteilzu Individuen mit einem
Leptinmangel, nicht übergewichtig. Trotz ihrer hochgradigen Hyperphagie bleiben
142
sie schlank, da sie ohne Insulin die Nahrung nicht in Fett umwandeln
können. Der größte Teil der konsumierten Kalorien bleibt im Blut und wird dann
ausgeschieden.
12.7.6 Serotonerge Medikamente und die Behandlung des Übergewichts
Serotoninagonisten wurden bei übergewichtigen Patienten eingesetzt: sie reduzierten das
Verlangen kalorienreiche Nahrungsmittel zu essen, den Konsum von Fett, die subjektive Intensität
des Hungers, die Größe der Mahlzeiten, die Anzahl der Imbisse zwischen den Mahlzeiten und
Anfälle von übermäßigen Essen (binge eating).
Wurden jedoch vom Markt genommen, da eine chronische Anwendung bei einer kleinen aber
bedeutenden Anzahl von Patienten mit Herzerkrankungen in Zuammenhang stand. (Gegenwärtige
Forschung lasse aufgrund der Vielfalt von Subtypen von Serotoninrezeptoren das Hoffen zu)
12.8 Anorexia nervosa
Im Gegensatz zum Übergewicht ist die Anorexia nervosa eine Störung, bei der zu wenig
Nahrung aufgenommen wird.
Personen, die sich in einen Kreislauf aus Fasten, Essanfällen und Purging-Verhalten (z.B.
Erbrechen oder große Mengen Abführmittel zu sich nehmen) befinden, jedoch keinen extremen
Gewichtsverlust zeigen, leiden an Bulimia nervosa.
Anorektikerinnen (überwiegend Frauen) sind gegenüber Nahrung ambivalent. Einerseits zeigen
sie in der cephalischen Phase eine erhöhte Insulinreaktion und sie sind ständig damit beschäftigt,
über Essen zu reden, es einzukaufen oder es zuzubereiten. Andererseits zeigt sich ein anderes
Bild beim Verzehr von Essen; sie sind von süßem oder fettigen Geschmack oft angewidert und sie
fühlen sich nach einer Mahlzeit oft krank.
12.8.1 Anorexie und Diäthalten
Die Befunde deuten darauf hin, dass Menschen – hauptsächlich adoleszente Mädchen – unter
dem großen Druck eines gesellschaftlich betonten Schlankheitsideals beginnen, Diät zu halten,
und diejenigen die stark kontrolliert, rigide und zwanghaft sind, entwickeln die Störung
12.8.2 Anorexie und positive Anreize
Unter der Perspektive der Anreiztheorie der Nahrungsaufnahme lässt sich vermuten, dass die
Reduktion der Nahrungsaufnahme, die die Anorexia nervosa kennzeichnet, wahrscheinlich eine
Folge einer entsprechenden Abnahme im positiven Anreizwert der Nahrung ist.
 Die Tatsache, dasss viele anorektische Patienten von Essen besessen sind – sie
reden ununterbrochen davon, denken fortwährend daran und bereiten es für
andere zu – scheint darauf hinzuweisen, dass es für sie immer noch einen hohen
positiven Anreizwert hat. Hier ist es aber wichtig zu bedenken, dass der positive
Anreizwert des Umgangs mit Nahrung nicht unbedingt dasselbe ist, wie der positive
Anreizwert des Essen von Nahrung - und es ist der positive Anreizwert des Essens,
der bei der Anorexia nervosa entscheident ist.
143
Kapitel 13: Hormone und Sexualität
13.1 Warum ist die Annahme „Männer-sind-Männer-und-Frauen-sind-Frauen“ falsch?
13.1.1 Die Auswirkungen von Sexualhormonen auf Sexualentwicklung und Sexualverhalten
Hormone beeinflussen die Sexualität auf zweierlei Weise:
1. Indem sie vom Zeitpunkt der Konzeption bis zum Eintritt der Geschlechtsreife die Entwicklung
der anatomischen, physiologischen und Verhaltensmerkmale beeinflussen (man spricht von einer
organisierenden Wirkung), die Männer von Frauen unterscheiden.
2.Indem sie bei geschlechtsreifen Erwachsenen Verhaltensweisen aktivieren (aktivierende
Effekte), die mit der Fortpflanzung in Zusammenhang stehen.
13.2 Das neuroendokrine System
Die endokrinen Drüsen (s.
Abb)
13.2.1 Drüsen
Exokrine Drüsen setzen
ihre chemischen
Substanzen in Gänge frei,
durch die sie zu ihren
Zielen, die meist an der
Oberfläche des Körpers
liegen, gelangen.
Endokrine Drüsen
(ganglose Drüsen) setzen
ihre chemischen
Substanzen, die als
Hormone bezeichnet
werden, direkt in das
Kreislaufsystem frei, sodass
das Hormon zu seinem Ziel
transportiert wird, wo es
seine Wirkung entfaltet.
13.2.2 Hormone
Die meisten Hormone lassen sich in einer von
drei Kategorien zuordnen:
1. Aminosäurederivate
2. Peptide und Proteine
3. Steroide
13.2.3 Gonaden
Im Mittelpunkt jeder Diskussion über Hormone und Sexualität stehendie Gonaden (Keimdrüsen
engl. gonads) – die männlichen Hoden (Testes) und die weiblichen Eierstöcke (Ovarien).
13.2.4 Steroide Sexualhormone
Die Gonaden produzieren nicht nur Sperma- und Eizellen. Sie erzeugen und setzen auch
Steroidhormone frei. Hoden und Eierstöcke setzen genau dieselben Keimdrüsenhormone frei: Die
zwei wichtigesten Klassen sind: Androgene und Östrogene; Testosteron ist das häufigste
Androgen und Östradiol ist das häufigste Östrogen (Hoden setzen mehr Androgene als
Östrogene frei und die Eierstöcke setzen mehr Östrogene als Androgene frei).
144
Eierstöcke und Hoden setzen zudem noch eine dritte Klasse von Steroidhormonen frei,
die natürlichen Gestagene. Das häufigste natürliche Gestagen ist Progesteron (bereitet bei
Frauen die Gebärmutter und die Brüste auf eine Schwangerschaft vor; bei Männer Wirkung
unklar).
Androgen und Östrogenausschüttung auch durch Nebennierenrinde (kleine Mengen)
13.2.5 Hormone der Hypophyse
Die Hypophyse
(Hirnanahngsdrüse) wird oft als
„Steuerungsdrüse“ bezeichnet,
da die meisten ihrer Hormone so
genannte glandotrope Hormone
(Hauptfunktion ist die Freisetzung
von Hormonen aus anderen
Drüsen zu beeinflussen
(Adjektiv „trop“ beschreibt
Dinge, die andere Dinge
stimulieren oder ändern)
Die Hypophyse besteht aus
einem Vorder- und Hinterlappen,
die im Verlauf der
embryonalentwicklung
miteinander verschmelzen.
Der Hypophysenvorderlappen
setzt glandotrope Hormone frei,
daraus folgt, dass die
Bezeichnung „Steuerungsdrüse“
besonders auf den
Hypophysenvorderlappen zutrifft und nicht auf die Hypophyse im Allgemeinen.
13.2.6 Weibliche Sexualhormone werden zyklisch, männliche Sexualhormone gleichmäßig
freigesetzt
Unterschied bei Männern und Frauen: Der Spiegel der Sexualhormone und der gonadotropen
Hormone bei Frauen sind einem Zyklus unterworfen, der sich ungefähr alle 28 Tage wiederholt.
Bei Männern ändert sich der Spiegel der Sexualhormone und gonadotropen Hormone kaum von
einem zum andern Tag.
13.2.7 Neuronale Kontrolle der Hypophyse
Die neuronale Verbindung zwischen
dem Hypothalamus und der
Hypophyse. Der gesamt neuronale
Input zur Hypophyse geht an den
Hypophysenhinterlappen, der
Hypophysenvorderlappen hat keine
neronale Verbindung.
145
13.2.8 Kontrole des
Hypophysenvorderlappens und
Hypophysenhinterlappens durch
den Hypothalamus
Es gbit zwei verschiedene
Mechanismen, über die der
Hypothalamus die Hypophyse steuert:
einen für den Hypophysenhinterlappen
und einen für den
Hypophysenvorderlappen.
Hypophysenvorderlappen:
1. Oxytocin und Vasopressin (zwei
wichtigesten Hormone des
Hypophysenvorderlapppens) werden
im Nucleus paraventricularis und im
Nucleus supraopticus des
Hypothalamus synthetisiert.
2. Oxytocin und Vasopressin werden
durch axonalen Transport den
Hypophysenstiel hinunter transportiert.
3. Oxytocin und Vasopressin werden
von den Endknöpfchen des
Hypophysenhinterlappens in den
Blutkreislauf freigesetzt.
Hypophysenvorderlappen:
1. Die Releasing-Hormone und
Inhibiting-Hormone werden von
Hypothalamusneuronen in das
hypothalamo-hypophysäre
Pfortadersystem freigesetzt.
2. Die Hypothalamus-ReleasingHormone und Inhibiting-Hormone
werden durch das hypothalamohypophysäre Pfortadersystem den
Hypophysenstiel hinunter transportiert.
3. Die Hypothalamus-ReleasingHormone und Inhibiting-Hormone
stimulieren oder hemmen die Freisetzung von Hormonen des Hypophysenvorderlappens in den
Blutkreislauf.
13.2.9 Entdeckung der Hypothalamus-Releasing-Hormone
Hypothese: Die Freisetzung jedes Hormons des Hypophysenvoderlappens wird durch jeweils ein
anderes Hormon des Hypothalamus kontrolliert. Releasing-Faktoren wurden die
Hypothalamushormone genannt, von denen man annahm, dass sie die Freisetzung eines
Hypophysenvorderlappenshormons stimulieren. Diejenigen, die die Freisetzung eines
Hypophysenvorderlappenhormons hemmen sollten, wurden Inhibiting-Faktoren genannt.
(Wechsel der Fachausdrücke von „Releasing-Fraktoren“ zu „Releasing-Hormonen“; Hormon
solange als ein „Faktor“ oder eine „Substanz“ bezeichnet bis es isoliert und seine chemische
Struktur identifiziert wurde.
146
13.2.10 Regulation der Hormonspiegel
Neuronale Regulation: Alle
endokrinen Drüsen, der
Hypophysenvorderlappen
ausgenommen, werden direkt
durch Signale aus dem
Nervensystem reguliert.
Hormonfreisetzung wird durch
Erfahrung beeinflusst
(hormonelle Erklärungen
schließen keineswegs
Erklärungen durch Erfahrung
aus)
Hormonelle Regulation: Die
hormonellen Signale selbst
können wiederum die
Freisetzung von Hormonen
beeinflussen. Die Funktion der
meisten hormonellen
Feedbackmechanismen besteht
in der Aufrechterhaltung eines
stabilen Hormonspiegels im
Blut.
Regulation durch nichthormonelle chemische
Substanzen: Sowohl die
Glukose-, als auch die Kalziumund Natriumspiegel im Blut
beeinflussen die Freisetzung
bestimmter Hormone.
13.2.11 Pulsatile
Hormonfreisetzung
147
Pulsatile Hormonfreisetzung: Hormone werden oft schubweise freigesetzt d.h. die
Freisetzung erfolgt mehrmals am Tag in großen Schüben, die üblicherweise nicht länger als ein
paar Minuten andauern. Die Hormonspiegel im Blut werden durch Veränderungen in der
Häufigkeit und der Dauer der Hormonschübe reguliert.
13.2.12 Ein zusammenfassendes Modell der Regulation der Sexualhormone
s. rechts!
13.3 Hormone und Sexualentwicklung
In diesem Abschnitt wird beschrieben, wie die Entwicklung der weiblichen und männlichen
Merkmale durch Hormone gesteuert wird.
13.3.1 Fetale Hormone und die Entwicklung der Fortpflanzungsorgane
Gonaden: (nächste Seite rechtes Bild oben)
Die Entwicklung eines Eierstocks und eines Hodens aus der Medulla bzw. dem Cortex einer
Primordialgonade (in diesem Entwicklungsstadium besitzt jeder Fetus unabhängig von seinem
genetischen Geschlecht dasselbe Paar gonadaler Strukturen, die so genannten
Primordialgonaden (primordial bedeutet „von Anfang an vorhanden“)), wie sie 6 Wochen nach der
Befruchtung vorhanden ist.
Cortex: äußere Hulle (Potential sich zum Eierstock zu entwickeln)
Medulla: innerer Kern ( Potential, sich zu einem Hoden zu entwickeln)
148
Innere Genitalwege (bezieht sich auf linkes Bild): Die Entwicklung der inneren
Genitalwege des männlichen und weiblichen Fortpflanzungssystem aus den Wolff-Gängen und
den Müller Gängen. (Ovariektomie – Entfernung der Eierstöcke; Orchidektomie – Entfernung
der Hoden; Gonadektomie oder Kastration – chirugische Entfernung der Gonaden
(Eierstöcke oder Hoden)
Äußere Geschlechtsorgane:
Männliche und weibliche Genitalien entwickeln sich aus demselben Vorläufer (bipotente
Vorläufer).
Die Entwicklung der äußeren Geschlechtsorgane wird, wie die Entwicklung der inneren
Genitalwege durch die An- oder die Abwesenheit von Testosteron kontrolliert. Wenn Testosteron
im kritischen Stadium der Fetalentwicklung vorhanden ist, entwickeln sich aus dem bipotenten
Vorläufer männliche äußere Geschlechtsorgane, wenn kein Testosteron vorhanden ist, verläuft die
Entwicklung der äußeren Geschlechtsorgane in Richtung des weiblichen Geschlechts.
149
13.3.2 Geschlechtsunterschiede im Gehirn
Die Entdeckung des ersten Geschlechtsdimorphismus (strukturelle Unterschiede zwischen
dem männlichen und dem weiblichen Geschlecht) im Gehirn von Säugetieren
Gonadektomie Experimente von Pfeiffer (1936):
1.Gonadektomie bei neonatalen (neugeborenen) Ratten (männlichen und weiblichen
Geschlechts). Ergebnis: Führte bei beiderlei Geschlechtern dazu, dass sie sich zu adulten Tieren
mit dem weiblichen, zyklischen Muster der Gonadotropinfreitsetzung (stimuliert Freisetzung von
Sexualhormonen) entwickelten.
2. Transplantation von Hoden. Ergebnis: Bewirkte in gonadektomierten oder intakten Ratten,
dass sie sich zu adulten Tieren mit dem männlichen kontinuierlichen Muster der
Gonadotropinfreisetzung entwickelten.
3. Transplantation von Ovarien. Ergebnis: Die Transplantation von Eierstöcken hatte keinen
Effekt auf das Muster der Hormonfreisetzung.
Experimente von Pfeiffer wiesen erstmals die Bedeutung der perinatalen (um den Zeitpunkt
der Geburt herum) Androgene für die sexuelle Diffferenzierung der Hypthalamus nach.
 Pfeiffer kam daher zu dem Schluss, dass sich das weibliche, zyklische Muster der
Gonadotropinfreisetzung entwickelt, außer wenn das vorprogrammierte weibliche, zyklische
Muster während der perinatalen Entwicklung durch Testosteron außer Kraft gesetzt wird.
Umwandlung eines Ringes des Testosteronmoleküls in einen Benzolring wodurch aus Testosteron
Östradiol ensteht, dieser Vorgang wird Aromatisierung genannt. Es spricht einiges dafür, dass
die Aromatisierung bei einigen Arten der entscheidende Schritt für die Maskulinisierung des
Gehirns durch Testosteron ist (beim Menschen scheint dies nicht der Fall zu sein)
Vermännlichung durch Aromatisierung. Östradiol maskulinisiert das Gehirn
- Neonatale Östradiolinjektionen  männl. Entwicklung
- Dihydrotestosteron (kann nicht in Östradiol umgewandelt werden)  weibl. Entwicklung
- Wirkstoffe, die Aromatisierung beeinträchtigen  weibl. Entwicklung
Wie bleiben weibliche Feten i Mutterleib weiblich?
- Alpha-Fetoprotein (AFP) inaktiviert weibl. Östradiol
- Testosteron immun gegen AFP
- AFP kann die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren
13.3.3 Perinatale Hormone und Verhaltensentwicklung
Perinatales Testosteron maskulinisiert  Männliches Sexualverhalten von Weibchen
Mangel an perinatalem Testosteron demaskulinisiert männliche Ratten
Einfluss perinataler Hormone auf prozeptives Verhalten (Werbeverhalten) noch unklar
Die Aromatisierung des perinatalen Testosterons zu Östradiol scheint sowohl für die
Defeminisierung als auch für die Maskulinisierung des Kopulationsverhalten von Nagetieren
wichtig zu sein.
13.3.4 Pubertät: Hormone und die Entwicklung der sekundären Geschlechtsmerkmale
150
Die Pubertät geht mit einer Zunahme der Freisetzung von Hormonen durch den
Hypophysenvorderlappen einher.
Bei pubertierenden Jungen sind die Androgenspiegel höher als die Östrogenspiegel, was eine
Maskulinisierung zur Folge hat.
Bei putertierenden Mädchen überwiegen die Östrogene, was eine Feminisierung zur Folge hat.
Individuen, die vor der Pubertät kastriert wurden, werden nicht geschlechtsreif, außer wenn sie
Substitutionsinjektionen von Androgenen oder Östrogenen erhalten.
13.3.5 Drei außergewöhnliche Fälle der Sexualentwicklung
Testikuläre Feminisierung/Androgen-Insensitivitäts-Syndrom:
Mutation des Androgenrezeptorgens, die zu defekten Androgenrezeptoren führt.
Während ihrer Entwicklung setzen die Hoden eine, für eine männliche Entwicklung normale
Menge von Androgen frei. Der Körper kann jedoch nicht darauf reagieren, die Entwicklung verläuft
daher so, als ob keine Androgene freigesetzt werden. Ohne die Wirkung der Androgene, die das
weiblich Programm außer Kraft setzen, entwickeln sich äußere Genitalien, das Gehirn und das
Verhalten in eine weibliche Richtung und die Hoden können nicht aus der Körperhöhle absteigen,
da es kein Scrotum gibt, in das sie absteigen können. Keine Entwicklung von weiblichen Genital,
da die Hoden, genau wie bei allen genetischen männlichen Feten, das Anti-Müller-Hormon
freisetzen. In der Pubertät setzen die Hoden genug Östrogene frei, um den Körper zu
feminisieren, da die entgegenirkenden Effekte der Androgene fehlten; jedoch konnten das in den
Nebennierenrinden gebildete Androstendion das Wachstum der Scham- und Achselhaare nicht
stimulieren. (Auf den Fall von Anne S. bezogen)
Adrenogenitales Syndrom:
Dies ist eine Störung der Sexualentwicklung, die durch eine kongenitale adrenale Hyperplasie
151
hervorgerufen wird – ein kongenitales (bereits bei Geburt vorhandenes) Defizit in der
Freisetzung eines Hormons der Nebennierenrinde, dem Cortisol. Dadurch kommt es zu einer
übermäßigen Freisetzung von adrenalen Androgenen. Beim männlichen Geschlecht hat dies
kaum Auswirkungen, außer, dass die Pubertät früher beginnt. Frauen mit diesem Syndrom
werden normalerweise mit einer vergrößerten Klitoris und teilweise verschmolzenen Schamlippen
geboren. Ihre Gonaden und ihre inneren Genitalwege sind gewöhnlich normal entwickelt, da die
Androgene der Nebennierenrinde zu spät freigesetzt werden, um die Entwicklung der Wolff-Gänge
zu stimulieren. (Beispiel Elaine)
Ablatio penis:
Kastration (aufgrund misslungener Beschneidung), künstliche Vagina zu formen und ihn als
Mädchen groß zu ziehen, und ihm während der Pubertät Östrogen zu verabreichen, um seinen
Körper zu feminisieren. (Beispiel John)
13.3.6 „Bestätigen“ diese außergewöhnlichen Fälle die Regel?
Obwohl die aktuellen Theorien nicht alle Fragen beantworten können, besonders wenn es um
Dimorphismen im Gehirn und im Verhalten geht, so haben sie dennoch sehr zu unserem
Verständnis einer außergewöhnlichen Sexualentwicklung beigetragen.
13.4 Auswirkungen der Sexualhormone auf Erwachsene
13.4.1 Männliches fortpflanzungsbezogenes Verhalten und Testosteron
Die entscheidende Rolle der Sexualhormone bei der Aktivierung des männlichen
Sexualverhaltens wird durch die asexualisiernde Wirkung einer Orchidektomie eindeutig belegt.
Bremers Studie zu den Folgen einer Orchidektomie:
1. Reduktion des sexuellen Interesses und des
sexuellen Verhaltens
2. Geschwindigkeit und das Ausmaß des
Verlustes variabel ist.
 Von 102 Sexualstraftätern in Bremers Untersuchungen wurden nur drei erneut
wegen einer Sexualstraftat verurteilt. Daher empfahl er die Kastration als einen
letzten Ausweg zur erfolgreichen Behandlung männlicher Sexualstraftäter.
Die Tatsache, dass Testosteron für das männliche Sexualverhalten notwendig ist, führte zu zwei
weit verbreiteten Annahmen:
1. Dass das Ausmaß der Sexualität eines Mannes eine
Funktion der Testosteronmenge in seinem Blut ist
2. Dass der Sexualtrieb eines Mannes durch eine Erhöhung
seiner Testosteronspiegel verstärkt werden kann.
 Beide Annahmen
sind falsch! Bei
gesunden Männern
sind Sexualtrieb und
Testosteronspiegel
nicht korreliert, und
Testosteroninjektionen
verstärken den
Sexualtrieb nicht.
Das Sexualverhalten
von männlichen
Meerschweinchen mit
schwachem, mittlerem
und starkem
Sexualtrieb. Das
152
Sexualverhalten wurde durch die Kastration unterbrochen, kehrte aber im Anschluss an
die hoch dosierten Testosteron- Substitutionsinjektionen wieder auf das ursprüngliche Niveau
zurück (adaptiert aus Grunt & Young, 1952).
13.4.2 Weibliches fortpflanzungsbezogenes Verhalten und Sexualhormone
Die enge Beziehung zwischen dem Zyklus der Hormonfreisetzung und dem Östrus-Zyklus – dem
Zyklus der sexuellen Empfängnisbereitschaft- bei weiblichen Ratten und Meerhschweinchen und
bei vielen anderen Säugetierarten weist darauf hin, dass das weibliche Sexualverhalten bei diesen
Arten von Hormonen gesteuert wird.
Frauen unterscheiden sich hinsichtlich der hormonellen Kontrolle des Sexualverhaltens von
Ratten und Meerschweinchen. Weder die sexuelle Motivation noch das Sexualverhalten von
Frauen stehen in einem engen Zusammenhang mit ihrem Menstruationszyklus. Die wichtigste
Folge einer Ovariektomie bei Frauen ist, neben der Sterilität, eine verringerte vaginale Lubrikation
(Vaginalsekret).
Die Theorie, dass Androgene und NICHT Östrogene die Sexualität von Frauen steuern, wird
durch drei Arten von Befunden gestützt:
5. Injektionen von Testosteron (nicht Östradiol) intensiviern das
Sexualverhalten von gonadektomierten Rhesusaffenweibchen.
6. Sexuelle Bereitschaft bei Frauen korreliert mit Androgen und nicht
mit Östradiolspiegel
7. Gebärmutter/Eierstockentfernung: Testosteroninjektionen stärken die
sexuelle Motivation
13.4.3 Missbrauch anaboler Steroide
Anabole Steroide (Anabolika) sind Steroide (z.B. Testosteron), die anabole
(wachstumsfördernde) Wirkungen haben.
Effekte von Anabolika auf die sportliche Leistung: Spärliche wissenschaftliche Belege; allerdings
waren die Dosen bei Untersuchungen geringer, in kürzeren Zeiträumen und die Probanden
trainierten nicht im Leistungssportbereich.
Experten sind sich im Allgemeinen darin einig, dass Menschen, die hohe Dosen von Anabolika
einnehmen, mehrer geschlechtsspezifische physiologische Nebenwirkungen riskieren.
Verhaltenseffekte der Anabolika (angebliches aggressives Verhalten) dagegen sprechen drei
Punkte:
1. Viele Menschen glauben, dass Testosteron mit Aggressivität
zusammenhängt  somit Berichte von aggressvien Verhalten von
Steroidnutzern Folge dieser Erwartungen
2. Viele Personen waren wahrscheinlich schon vorher aggressiv
(professionelle Boxer oder Footballspieler)
3. Aggressives Verhalten könnte eine indirekte Folge der Größen- und
Muskelzunahme sein.
13.4.4 Neuroprotektive Wirkungen von Östradiol
Die Entdeckung der neuroprotektiven Eigenschaften des Östradiols löst unter
Neurowissenschaftlern einige Aufregung aus. Diese Eigenschaften könntenfür die größere
Langlebigkeit von Frauen, für das geringere Auftreten mehrerer weit verbreiteter
neuropsychologischer Erkrankungen, bei Frauen und für die Abnahme mancher kognitiver
Funktionen Frauen nach der Menopause verantwortlich sein.
153
13.5 Neuronale Mechanismen des Sexualverahaltens
Bedeutsame Unterschiede zwischen den
Kulturen in Sexualpraktiken und sexuellen
Präferenzen zeigen, dass beim Menschen
die höchsten Ebenen des Nervensystems
an der Kontrolle des Sexualverhaltens
beteiligt sind.
13.5.1 Strukturelle Unteschiede
zwischen dem männlichen und
weiblichen Hypothalamus
Nissl-gefärbte Koronarschnitte durch die
Area preoptica von männlichen und
weiblichen Ratten. Die sexuell dimorphen
Kerne sind bei männlichen Ratten größer
als bei weiblichen Ratten (adaptiert nach
Gorski et al., 1978).
Dieser Kern heißt sexuell dimorpher
Kern.
Auswirkungen einer neonatalen
Testosteronexposition auf die Größe der
sexuell dimorphen Kerne bei männlichen
und weiblichen adulten Ratten (adaptiert
nach Gorski, 1980)
Eine Kastration von männlichen Ratten, die
einen Tag alt sind (jedoch nicht bei vier
Tage alten), führt zu einer signifikanten
Verkleinerung ihrer sexuell dimorphen
Kerne im Erwachsenenalter, während eine
Testosteroninjektion bei neugeborenen
weiblichen Ratten zu einer signifikanten
Vergrößerung ihrer sexuell dimorphen
Kerne führt.
154
13.5.2 Der Hypothalamus und das männliche Sexualverhalten
Area preoptica medialis steuert männlichds Sexualverhalten (Kopulation). Eine vollständige
Zerstörung dieses Bereichs löscht bei den Männchen aller bisher untersuchten Säugetierarten das
Sexualverhalten aus. Anscheinend löschen bilaterale Läsionen der Area preoptica medialis bei
beiden Geschlechtern das männliche Kopulationsverhalten.
Bei Weibchen: Beseitigung löscht männliches Sexualverhalten und lässt weibliches
Sexualverhatlen intakt.
Die Befunde sind nicht eindeutig, sprechen aber deutlich für die Hypothese, dass die Area
preoptica medialis an den motivationalen Aspekten des männlichen Sexualverhaltens beteiligt ist.
Anscheinend steuert die Area
preoptica medialis das männliche
Sexualverhalten über eine Bahn,
die zu einem Bereich des
Mittelhirns projiziert, der als das
laterale tegmentale Areal
bezeichnet wird (Zerstörung dieser
Bahn = Löschung des
Sexualverhaltens)
(Bild) Die hypothalamotegmentale Verbindungen, die beim
Sexualverhalten von weiblichen und
männlichen Ratten eine Rolle
spielen.
13.5.3 Der Hypothalamus und das weibliche Sexualverhalten
Der Nucleus ventromedialis (VMN) im Hypothalamus der Ratte enthält Schaltkreise, die
anscheinend für das weibliche Sexualverhalten entscheidend sind. Weibliche Ratten mit
bilateralen Läsionen des VMN zeigen keine Lordose (Rückratkrummung als Zeichen für die
Bereitschaft zum Geschlechtsakt) und neigen dazu, allzu „glühende Freier“ anzugreifen.
Der Einfluss des VMN auf das Sexualverhalten von weiblichen Ratten wird anscheinend über eine
Bahn vermittelt, die zum periaquäduktalen Grau (PAG) des Tegmentum absteigt. Die Zerstörung
dieser Bahn schaltet das weibliche Sexualverhalten aus, genauso wie die Läsion des PAG selbst.
13.6 Sexuelle Orientierung, Hormone und das Gehirn
13.6.1 Sexuelle Orientierung und Gene
Hohe Konkordanzraten für Homosexualität: 52% der monozygoten Zwillingsbrüder und 22% der
dizygoten Zwillingsbrüder homosexuell
13.6.2 Sexuelle Orientierung und perinatale Hormone
Heterosexuelle und Homosexuelle unterscheiden sich nicht im Spiegel ihrer im Blutkreislauf
zirkulierenden Hormone. Menschen stellen ihrer sexuellen Präferenzen fest, sie wählen sie nicht.
Perinatale Hormone beeinflussen sexuelle Präferenz im Erwachsenenalter.
Diethylstilböstrolbehandlung (ein synthetisches Östrogen) bei schwangeren Müttern. Antworten
der Probandinnen wiesen darauf hin, dass sie sich wesentlich mehr zu Frauen hingezogen fühlten
als eine Gruppe vergleichbarer Kontrollprobandinnen. Ehrhardt und Kollegen schlossen daraus,
dass eine perinatale Östrogenexposition bei Frauen Homosexualität und Bisexualität begünstigt,
dieser Effekt aber relativ schwach ist.
13.6.3 Was löst die Entwicklung der sexuellen Anziehung aus?
155
McClintock und Herdt (1996) weisen darauf hin, dass das Auftauchen von sexueller
Anziehung durch die von der Nebennierenrinde freigesetzten Steroide stimuliert sein könnte. Im
Gegensatz zur Reifung der Gonaden tritt die Reifung der Nebenniere im Alter von ungefähr 10
Jahren ein.
13.6.4 Untescheiden sich die Gehirne von Homosexuellen und Heterosexuellen?
Bisher wurde kein konsistenter Unterschied zwischen den Gehirnen von Heterosexuellen und
Homosexuelle entdeckt.
13.6.5 Transsexualität
Transsexualität ist einen Störung der sexuellen Identität, bei der ein Mensch glaubt, dass er oder
sie im Körper des anderen Geschlechts gefangen ist.
13.6.6 Die Unabhängigkeit der sexuellen Orientierung und der sexuellen Identität
Heute ist klar, dass sich die Gehirne von Männern und Frauen in vielerlei Hinsicht unterscheiden
und dass sich diese Unterschiede zu verschiedenen Zeitpunkten und über verschiedene
Mechanismen entwickeln.
156
Kapitel 14: Schlaf, Traum und circadiane Rhythmen
14.1 Einführung:
Fall der Miss M. die kaum schläft, ihr Tag dauert 23,5Std.
Was hat dies für Konsequenzen?
Fakten:
– Mensch verbringt 175000 Std. seines Lebens mit Schlaf.
– Täglich schläft der Mensch durchschnittlich acht Stunden.
Wie viel Schlaf braucht der Mensch eigentlich?
Zwei grundlegende Theorien zu der Wichtigkeit des Schlafes:
1) Schlaf hat eine gesundheitsfördernde, erholsame
Wirkung. Jeder braucht so viel Schlaf, wie er sich leisten
kann.
2) Viele Leute schlafen mehr, als sie eigentlich müssten.
14.2 Physiologie und Verhalten im Schlaf
14.2.1 Die drei psychophysiologischen
Standardmaße des Schlafes
Das EEG (Elektroenzephalogramm) misst die
elektrische Aktivität des Gehirns
Das EMG (Elektromyogramm) registriert
Muskelbewegungen
Das EOG (Elektro-Okulogramm) registriert
Augenbewegungen
14.2.2 Die vier Stadien des Schlaf-EEGs
Je größer die Amplitudengröße und je kleiner die
Frequenz, desto
entspannter ist der Mensch.
Im Verlauf der Schlafstadien 1-4 nimmt die
Amplitude des EEG-Singnals immer mehr zu,
während die Frequenz abnimmt.
Schlafstadium 1: Durch ein
niederamplitudiges, hochfrequentes EEG-Signal
charakterisiert, das dem EEG eines aktiven
Wachzustandes ähnelt, jedoch langsamer ist.
Schlafstadium 2: Weist eine leicht höhere
Amplitude und eine leicht niedrigere Frequenz
auf als das von Stadium 1. Außerdem wird es
von zwei charakteristischen Wellenformen
unterbrochen: von K-Komplexen und
Schlafspindeln. Jeder K-Komplex ist eine
einzelne große negative Welle (Ablenkund nach
oben), unmittelbar gefolgt von einer einzelnen,
großen, positiven Welle (Ablenkung nach
unten). Jede Schlafspindel ist ein 1 bis 2sekündiges auf und ab von Wellen mit einer
Frequenz von 12 bis 14 Hertz.
Schlafstadium 3: Das EEG ist hier durch das
gelegentliche Auftreten von Delta-Wellen – den
größten und langsamste EEG-Wellen mit einer Frequenz von 1 – 2 Hertz – gekennzeichnet.
157
Schlafstadium 4: Dominanz von Delta-Wellen.
Beim ersten Auftreten des Schlafstadiums 1 während einer Nacht (initiales Schlafstadium 1)
zeigen sich keine auffälligen Veränderungen in der elektromyographischen oder
elektrookulographischen Aktivität, wohingegen alle darauf folgenden Phasen des Schlafstadiums
1 (emergent stage 1) mit schnellen Augenbewegungen (REMs = rapid eye movements) und einem
Verlust des Tonus der quergestreiften Muskulatur einhergehen.
Dieser erste Schlafzyklus – vom initialen Schlafstadium 1 bis zum Schlafstadium 4 und wieder
zurück – wiederholt sich im Verlauf der restlichen Nacht mehrmals.
REM-Schlaf = Der Schlaf während des Schlafstadiums 1 (initiales Schlafst.1 ausgenommen), da
er mit schnellen Augenbewegungen verbunden ist.
Non-REM-Schlaf (NREM-Schlaf) = alle anderen Schlafstadien zusammengenommen.
Slow-Wave-Sleep (SWS) = Schlafstadien 3 und 4, da die beiden Phasen durch Delta-Wellen
charakterisiert sind.
Abbildung :
Der Verlauf der Schlafstadien während eines typischen Nachtschlafes sowie die Beziehung
zwischen dem Schlafstadium 1(mit Ausnahme des initialen Schlafstadiums 1) und REM-Phasen
sowie Tonusverlust der quergestreiften Muskulatur.
14.3 REM-Schlaf und Träumen
14.3.1 Überprüfung gängiger Vorstellungen über das Träumen
Die Theorie, dass der REM-Schlaf das physiologische Korrelat des Träumens ist, wird stark durch
die Beobachtung gestützt, das das Aufwecken aus dem REM-Schlaf in 80% der Fälle eine
Traumerinnerung zur Folge hatte, das Aufwecken aus einem Non-REM-Schlaf jedoch nur in 7%
der Fälle.
Fünf Tatsachen über das Träumen:
1. Äußere Reize werden in Träume mit einbezogen.
2. Träume laufen in Echtzeit ab.
3. Alle Menschen Träumen.
4. Erektionen sind unabhängig vom Trauminhalt.
5. Sprechen im Schlaf (Somniloquie) und Schlafwandeln (Somnambulismus) kommt beim
Träumen (REM Phase) am seltensten vor; meist in SWS 4
14.3.2 Die Interpretation der Träume
Freud’sche Traumdeutung: Träume enthalten versteckte Botschaften
(latente vs. Manifeste Träume /unbewusster Zensor)
Aktivierungs-Synthese-Theorie (Hobson; 1989)  moderne Sicht
Geht davon aus, dass dem Cortex während des REM-Schlafs größtenteils zufällige Informationen
zur Verfügung gestellt werden, und der daraus entstehende Traum der Versuch des Cortex ist,
aus diesem zufälligen Signalen Sinn zu machen.
„Bedeutung des Traums liegt in der Interpretation des Wirrwarrs“
158
Träume haben Bedeutung; allerdings anderer Herkunft als von Psychoanalytikern
postuliert.
14.3.3 Luzide Träume
Schlafender ist sich bewusst, dass er träumt und dass er den Traumverlauf beeinflussen kann.
Informationen über das Träumen können in die Welt übertragen werden (Es gibt Verfahren zur
Untersuchung luzider Träume  Beweise für die Existenz bleiben allerdings spärlich).
14.4 Warum schlafen wir, und warum schlafen wir so, wie wir schlafen?
Es gibt zwei Arten von Theorien über den Schlaf.
Regenerative Theorien des Schlafs: Die Kernannahme ist, dass wach sein die Homöostase
(das innere physiologische Gleichgewicht) des Körpers irgendwie stört und Schlaf benötig wird,
um sie wiederherzustellen.
Circadiane Theorien des Schlafes: Die Kernannahme ist, dass der Schlaf keine Reaktion auf die
störenden Auswirkungen des wach seins ist, sondern durch einen inneren Zeitgebermechanismus
gesteuert wrid – d.h. dass wir Menschen alle darauf programmiert sind, nachts zu schlafen,
unabhängig davon, was sich tagsüber ereignet hat.
 Die circadianen Theorien des Schlafes konzentrieren sich stärker darauf, wann wir schlafen als
auf die Funktion des Schlafes
14.5 Die vergleichende Analyse des Schlafes
1.Die Tatsache, dass alle Säugetiere und Vögel schlafen, weist darauf hin, dass der Schlaf eine
wichtige physiologische Funktion erfüllt, anstatt die Tiere einfach nur vor Unglücksfällen zu
schützen und Energie zu sparen.
2. Da alle Säugetiere und Vögel schlafen, hat der Schlaf wahrscheinlich keine spezielle, höhere
menschliche Funktion.
3. Die großen Unterschiede in der Dauer des Schlafs zwischen den verschiednen Arten lassen
darauf schließen, dass Schlaf, obwohl er möglicherweise überlebensnotwendig ist, nicht unbedingt
in großen Mengen benötigt wird.
4. Es gibt zwischen der Schlafdauer einer Art und ihrem Aktivitätsniveau, ihrer Körpergröße oder
ihrer Körpertemperatur keinen klaren Zusammenhang. (Die circadianen Theorien sagen korrekt
voraus, dass die tägliche Schlafdauer einer Art damit im Zusammenhang steht, wie verwundbar
sie im Schlaf ist und wie viel Zeit sie jeden Tag mit Fressen verbringen muss oder mit anderen
lebenserhaltenden Maßnahmen Bsp. Zebra schläft 2 Stunden Löwen nach Fresen teilweise 2 bis
3 Tage)
14.6 Circadiane Schlafzyklen
Die Welt in der wir leben, durchläuft alle 24 Stunden einen Hell-Dunkel-Zyklus, und die meisten an
der Erdoberfläche lebenden Arten haben sich an diese regelmäßige Veränderung in ihrer Umwelt
angepasst indem sie unterschiedliche so genannte circadiane Rhythmen entwickelt haben (
Circadian bedeutet, ungefähr einen Tag dauernd). Unser Körper passt sich Tag für Tag auf
verschiedenste Weisen an die Anforderungen der zwei Umwelten, in denen wir leben, an: an Licht
und an Dunkel.
Zeitgeber: Hinweisreize aus der Umgebung die circadiane Rhythmen steuern
14.6.1 Freilaufende circadiane Schlaf-Wach-Zyklen
Circadiane Rhythmen unter konstanten Umweltbedinungen werden als freilaufende Rhythmen
bezeichnet, und ihre Dauer als freilaufende Periode. Die freilaufenden Perioden dauern von
Proband zu Proband unterschiedlich lang, sind innerhalb eines bestimmten Probanden aber relativ
konstant und normalerweise länger als 24 Stunden- bei den meinsten Menschen ungefähr 25
Stunden. Ein bemerkenswertes Merkmal der freilaufenden circadianen Zyklen ist, dass sie nicht
erlernt werden müssen. Die freilaufenden Perioden von Schlaf-Wach-Zyklen sind trotz tagtäglicher
Schwankungen in der körperlichen und geistigen Aktivität sehr regelmäßig; diese Tatsache
unterstreicht die Dominanz circadianer Faktoren über regenerative Faktoren bei der Steuerung
159
des Schlafes. Ein weiterer Befund zu freilaufenden circadianen Schlaf-Wach-Zyklen ist
nicht mit den regenerativen Schlaftheorien vereinbar  Wenn Probanden länger als gewöhnlich
wach bleiben, schlafen sie anschließend kürzer anstatt länger.
14.6.2 Jetlag und Schichtarbeit
Jetlag: Vorverlegung (Phasenvorverlegung) bzw. nach hinten Verschieben (Phasenverzögerung)
der Zeitgeber.
Schichtarbeit: Zeitgeber bleiben konstant, jedoch sind die Arbeiter gezwungen, ihren natürlichen
Schlaf-Wach-Zyklus an die wechselnden Schichten anzupassen.
Beeinträchtigung körperlicher und geistiger Funktionen
Behandlungsansätze: Pahsenverzögerung statt Phasenverkürzung (bei Schichtarbeit)
Antizipation der Phasenverkürzung
Intensives Licht früh am Morgen oder intensives körperliches Training früh
am Morgen des ersten Tages nach einem Flug Richtung Osten (Jetlag)
14.7 Schlafdeprivation
Die regenerativen Schlaftheorien machen spezifische Vorhersagen über die Auswirkungen einer
Schlafdeprivation (Schlafentzug).
8. Lange Wachphasen stören die physiologischen Abläufe und das
Verhalten
9. Diese Störungen werden immer schlimmer, je länger die
Schlafdeprivation andauert
10.Der versäumte Schlaf nach dem Ende einer Deprivationsphase
größtenteils nachgeholt wird
14.7.3
Entzug bis zu 72 Stunden: keine Beeinträchtigung von Körperkraft und motorischer Leistung (aber
schnellere Erschöpfung)
Keine Beeinträchtigungen bei anspruchsvollen Aufgaben, aber Aufmerksamkeits-Defizite
Keine Korrelation zwischen Dauer des Entzugs und Ausmaß der kognitiven Beeinträchtigung
 Nach 2-4 Tagen Deprivation; Mikrosleeps: kurze Schlafphasen, typischerweise
circa 2 oder 3 Sekunden lang, in denen die Augenlieder zufallen und die
Probanden kaum auf äußere Reize reagieren, obwohl sie sitzen oder stehen
bleiben.
14.7.4 Unterschungen zur Schlafdeprivation an Labortieren
Problem bei dieser
Art von
Experiment:
Vielleicht hat das
wiederholte
Aufwecken durch
die bewegte
Plattform oder das
noch schlimmere
ins Wasser stoßen
während des
Schlafs die
Experimentalratten
getötet; weil es sie
stresst und
körperlich schädigt
und nicht, weil es sie vom Schlafen abhält (passt zu den pathologischen Symptomen die post
mortem festgestellt wurden: geschwollene Nebennieren, Magengeschwüre und innere Blutungen)
160
14.7.5 Deprivation des REM-Schlafs
Die Deprivation es REM-Schlafs hat
zwei konsistente Auswirkungen.
1. Nimmt mit jeder weiteren
deprivierten Nacht bei den Probanden
die Neigung zur Initiierung von REMSchlaf zu.
2. Bei den Probanden kommt es zu
einem REM-Rebound; d.h. sie zeigen
in den erseten zwei oder drei Nächten
mehr REM-Schlaf als normalerweise.
Über die Funktion des REM-Schlafs
wurden zahlreiche Theorien aufgestellt
(meisten lassen sich einer von drei
Kategorien zuordnen).
1. REM-Schlaf zur Aufrechterhaltung
der geistigen Gesundheit
2.REM-Schlaf zur Aufrechterhaltung
eines normalen Motivationsniveaus
notwendig.
3. REM-Schlaf zur Verarbeitung von
Erinnerungen notwendig.
Kritischer Test: trizyklische Antidepressiva blockieren selektiv den REM-Schlaf, sind aber ohne
ernsthafte Begleiterscheinungen.
Eine neuere Theorie die „Default“-Theorie des REM-Schlafs besagt, dass es schwierig ist,
ununterbrochen im REM Schlaf zu bleiben, sodass das Gehirn periodisch in einen von zwei
weiteren Zuständen wechselt. Nach dieser Theorie sind der REM-Schlaf und der Wachzustand
ähnliche Zustände, jedoch ist der REM-Schlaf adaptiver (anpassen), wenn keine unmittelbaren
körperlichen Bedürfnisse zu erfüllen sind.  Diese Theorie wird indirekt durch die vielen
Ähnlichkeiten zwischen dem REM-Schlaf und dem Wachzustand gestützt.
14.7.6 Schlafdeprivation steigert die Effizienz des Schlafes
Menschen werden unter Schlafentzug zu effizienteren Schläfern. Das besondere ist, dass ihr
Schlaf einen höheren Anteil an Slow-Wave-Schlaf hat, der wahrscheinlich wichtige regenerative
Funktionen erfüllt.
Es spricht dafür, dass
4. Probanden holen nach Schlafdeprivation zwar nur einen kleinen Teile
ihres Schlafes nach, diesen aber in Schlafstadium 4
5. EEG des Slow-Wave-Schlafes beim Menschen enthält nach einer
Schlafdeprivation einen höheren Anteil langsamer Welllen als
normalerweise.
6. Kurzschläfer haben normalerweise genauso viel Slow-Wave-Schlaf
wie Langschläfer.
7. Das EEG von Probanden, die am Morgen nach einer
durchgeschlafenen Nacht ein zusätzliches Nickerchen machen, zeigt
nur wenige langsame Wellen, und das Nickerchen reduziert nicht die
Dauer des nachfolgenden Nachtschlafes.
8. Probanden, die allmählich ihre normale Schlafdauer reduzieren,
verbringen zwar weniger im Schlafstadium 1 und 2, die Dauer ihrers
Slow-Wave-Schlafes bleibt jedoch ungefähr gleich.
9. Das wiederholte Wecken der Probanden während des REM-Schlafes
am nächsten Tag führt zu wenig, wenn überhaupt mehr Schläfrigkeit,
während das wiederholte Wecken der Probanden während des Slow
Wave-Schlafes gravierende Effekte hat.
161
14.8 Vier für den Schlaf wichtige Bereiche des Gehirns
14.8.1 Zwei
wichtige
für den Schlaf
Bereiche des
Hypothalamus
14.8.2 Retikuläres Aktivierungssystem und Schlaf
14.8.3 Retikuläre Kerne und REM-Schlaf
Dieser Sagittalschnitt durch den Hirnstamm der Katze veranschaulicht die Bereiche, die die
verschiedenen physiologischen Charakteristika des REM-Schlafes kontrollieren (adaptiert aus
Vertes, 1983).
162
Der REM-Schlaf, der Slow-Wave-Schlaf und der Wachzustand werden nicht jeweils durch einen
einzigen Mechanismus gesteuert. Jeder dieser Zustände scheint vielmehr durch die Interaktion
mehrerer Mechanismen zu entstehen, die unter bestimmten Bedingungen unabhängig
voneinander operieren können.
14.9 Die circadiane Uhr: Neuronale und molekulare Mechanismen
Die Tatsache, dass die circadianen Schlaf-Wach-Zyklen auch bei Awesenheit zeitlicher
Hinweisreize in der Umwelt bestehen bleiben, weist darauf hin, dass die physiologischen
Systeme, die den Schlaf regulieren, durch einen internen Zeitgebermechanismus gesteuert
werden – die so genannte circadiane Uhr.
14.9.1 Die Lokalisation der circadianen Uhr im Nucleus suprachiasmaticus
2 Belege:
1. Richter (1967) entdeckte, das ausgedehnte Läsionen des medialen
Hypothalamus bei Ratten die circadianen Fress-, Trink- und Aktivitätszyklen
beeinträchtigen. Danach Nachweis, dass spezifische Läsionen des Nucleus
suprachiasmaticus (NSC) im medialen Hypothalamus verschiedene circadiane
Zyklen, einschließlich der Schlaf-Wach-Zyklen, unterbrechen.
2. Ralph et al. (1990) Transplantationsexperimente bei Ratten. Entfernung des NSC
bei Feten eines Stammes mutierter Hamster, die einen abnormal kurzen
freilaufenden Schlaf-Wach-Zyklus besaßen und transplantierten den NSC in
normale adulte Hamster, deren freilaufende Schlaf-Wach-Zyklen von 25 Stunden
druch NSC-Läsione beseitigt worden waren.
Gibt auch noch weitere circadiane Zeitgeber!
14.9.2 Die Mechanismen der Synchronisation
Die Entdeckung des Tractus retinohypothalamicus. Ausgehend von jeder Retina projizieren
Neurone bilateral zum Nucleus suprachiasmaticus.
163
14.9.3 Die Genetik der circadianen Rhythmen
Die Identifikation der circadianen Gene hatte zwei wichtige Entdeckungen zur Folge.
1. Dieselben oder ähnliche Gene wurden für circadiane Rhythmen bei vielen Spezies mit
unterschiedlichem evolutionärem alter entdeckt.
2. Die Identifikation der circadianen Gene eröffnete eine direktere Methode zur Untersuchung der
Fähigkeit anderer Körperstrukturen, außer dem NSC, circadiane Rhythmen zu generieren.
14.10 Pharmakologische Beeinflussung des Schlafs
Zwei Klassen von Pharmaka, die den Schlaf beeinflussen. Die Hypnotika fördern den Schlaf,
Antihypnotika hemmen ihn. Eine dritte Klasse besteht aus Pharmaka, die den circadianen
Rhythmus des Schlafes beeinflussen; die wichtigste Substanz dieser Klasse ist das Melatonin.
14.10.1 Hypnotika
Benzodiazepine verstärken kurzfristig die Schläfrigkeit, verkürzen die Zeit bis zum Einschlafen,
reduzieren die Häufigkeit des nächtlichen Erwachens und erhöhen die Gesamtschlafdauer. Diese
helfen bei gelegentlich auftretenden Schlafstörungen.
Wenn langfristig eingesetzt: 1. Entwicklung einer Toleranz  höhere Dosen
2. Beendigung ruft Insomnie hervor
3. chronischer Benzodiazepingebrauch abhängig
4. Verzerrung des normalen Schlafmusters länger Stadium 2 weniger
Stadium 4 und REM-Schlaf
5-Hydroxytryptophan (5-HTP); Injektion hilft bei Insomnie (Schlaflosigkeit) bei Rtten und Katzen.
Allerdings nicht bei Menschen.
14.10.2 Antihypnotika
Zwei Hauptklassen: Die Stimulantien (z.B. Kokain) und die trizyklischen Antidepressiva. Steigern
die Aktivität der Catecholamine (Noradrenalin, Adrenalin und Dopamin), indem sie entweder ihre
Freisetzung verstärken oder ihre Wiederaufnahme (Reuptake) aus der Synapse hemmen oder
beides zugleich tun.
164
14.10.3 Melantonin
Melantonin ist ein Hormon, das in der Epiphyse (Zirbeldrüse) aus dem Neurotransmitter
Serotonin synthetisiert wird. Exogenes (extern erzeugtes und zugeführtes) Melatonin verbessert
den Schlaf von Insomnie-Patienten, die an einem Melatonindefizit leiden und von blinden
Patienten, deren Schlafstörungen auf die fehlende Synchronisation durch den Hell-Dunkel-Zyklus
zurückzuführen sind.
14.11 Schlafstörungen
Viele Schlafstörungen lassen sich in einer von zwei komplementären Katgegorien zuordnen. Zur
Insomnie gehören alle Einschlaf- und Durchschlafstörungen, während die Hypersomnie
Störungen mit übermäßiger Schlafdauer oder Schläfrigkeit umfasst. Eine dritte Klasse beinhaltet
die Störungen, die spezifisch mit einer REM-Schlaf-Dysfunktion zusammen hängen.
14.11.1 Insomnie
Viele Fälle von Insomnie sind iatrogen (durch den Arzt) verursacht (verschriebene Schlafmittel
von Ärzten ein Hauptursache der Insomnie).
Die Schlafapnoe ist eine weitere häufige Ursche für Insomnie. Bei dieser hören die Patienten jede
Nacht mehrere Male auf zu atmen. Dabei wachen sie jedes Mal auf, beginnen wieder zu atmen
und schlafen wieder ein  führt zu dem Gefühl schlecht geschlafen zu haben.
Ein nächtlicher Myoklonus ist eine periodisch im Schlaf auftretende Muskelzuckung des
Körpers, gewöhnlich der Beine. (nicht des Problems bewusst)
Restless-Legs-Syndrom; Patienten klagen über eine schwer zu beschreibende Spannung oder
ein unbehagliches Gefühl in ihren Beinen, das sie am Einschlafen hindert. (Problem bewusst)
 Insomnie ist nicht unbedingt ein Problem von zuwenig Schlaf; das Problem ist oft zu
enig ungestörter Schlaf.
14.11.2 Hypersomnie
Narkolepsie; 1. Tagsüber starke Schläfrigkeit und wiederholte, kurze (10- bis 15minütige)
Schlafepisoden auf. 2. Zweite Leitsymptom ist die Kataplexie, diese ist durch einen wiederholt
auftretenden Musekltonusverlust im Wachzustand gekennzeichnet, der oft durch ein emotionales
Erlebnis ausgelöst wird. Die Schlafparalyse ist die Bewegungsunfähigkeit beim Einschlafen oder
Aufwachen. Hypnagoge Halluzinationen sind traumartige Erlebnisse während des
Wachzustandes. Dies sind beides weitere Symptome bei Narkoleptikern.
14.11.3 Störungen des REM-Schlafes
Kataplexie (Schrecklähmung, ‚Schreckstarre); Narkolepsie; Schlaflähmung
14.11.6 Langfristige Schlafreduktion durch Nickerchen
Die meisten Säugetiere und auch Kleinkinder zeigen polyphasische Schlafzyklen, d.h. sie
schlafen normalerweise mehr als einmal am Tag. Im Gegensatz dazu neigen die meinsten
erwachsenen Menschen zu monophaischen Schlafzyklen, d.h. sie schlafen einmal pro Nacht.
Die Forschung hat gezeigt, dass Nickerchen eine regenerative Wirkung haben, die in keinem
Verhältnis zu ihrer kurzen Dauer steht, was darauf hindeutet, dass der polyphasische Schlaf
besonders effizient sein könnte.
165
Kapitel 15: Drogenabhängigkeit und die Belohnungszentren des
Gehirns
15.2 Grundlegende Prinzipien der Drogenwirkung
Psychoaktive Drogen sind Drogen, die unser subjektives Erleben und unser Verhalten durch
ihrer Wirkung auf das Nervensystem beeinflussen. Dorgen werden normalerweise auf eine der
folgenden Arten verabreicht: orale Einnahme, Injektion, Inhalation oder Absorption durch die
Schleimhäute der Nase, des Mundes oder des Rektums. Injektion: subkutan (SK) in das
Fettgewebe unmittelbar unter die Haut; intramuskulär (IM) in große Muskeln, oder intravenös
(IV) direkt in die Vene. Die Wirkung der meiten Drogen wird über Enzyme beendet, die von der
Leber synthetisiert werden. Diese Leberenzyme stimulieren die Umandlung von aktiven Drogen in
nichtaktive Formen – ein Prozess der Metabolisierung der Droge genannt wird.
15.2.5 Drogentoleranz
Drogentoleranz entspricht einer herabgesetzten Sensitivität gegenüber einer Droge infolge der
Exposition gegenüber der Droge.
Zwei Arten wie eine Toleranz demonstriert wird:
1. Bestimmte Droge wirkt nach einer Drogenexposition weniger.
2. Große Menge der Droge ist nötig, um den Effekt zu erreichen.
Es gibt drei wichtige Punkte, die man sich zur Spezifität der Drogentoleranz merken sollte:
1. Kreuztoleranz; Die Exposition gegenüber der Droge kann Toleranz gegenüber einer anderen
Droge erzeugen, die über denselben Mechanismus verfügt.
2. Gegenüber einigen Wirkungen einer Droge kann sich eine Toleranz entwickeln, während
gegenüber anderen Wirkungen derselben Droge die Sensitivität zunimmt – eine Steigerung der
Sensitivität gegenüber einer Droge wird als Sensitivierung bezeichnet.
3. Drogentoleranz ist kein einheitliches Phänomen, was bedeutet, dass es keinen einzelnen
Mechanismus gibt, der allen Toleranzphänomenen zugrunde liegt.
Drogentoleranz beruht auf zwei Arten von Veränderungen:
3.1 Toleranz infolge von Veränderungen, die die Menge der Droge an den Wirkungsorten
reduziert wird als metabolische Toleranz, bezeichnet.
3.2 Toleranz infolge von Veränderungen, die die Reaktivität der Wirkungsorte der Droge reduziert
wird als funktionelle Toleranz, bezeichnet.
15.2.6 Entzugserscheinungen und physische Abhängigkeit
Entzugssyndrom; plötzliche Elimination der Droge verbunden mit einer negativen körperlichen
Reaktion.
166
Die Wirkung eines Drogenentzugs sind praktisch immer den anfänglichen Wirkungen der
Droge entgegengesetzt. Wenn Personen unter Entzugserscheinungen leiden, sobald sie den
Konsum einer Droge beenden, spricht man von einer physischen Abhängigkeit.
Die Beziehung zwischen Toleranz und Entzugserscheinungen. Dieselben adaptiven
neurophysiologischen Veränderungen, die sich als Reaktion auf die Drogenexposition entwickeln
und Toleranz erzeugen, manifestieren sich als Entzugs-erscheinungen, wenn die Droge abgesetzt
wird. Während sich die neurophysiologischen Veränderungen entwickeln, nimmt die Toleranz zu;
während sie sich zurückbilden, nimmt die Stärke der Entzugserscheinungen ab.
15.2.7 Abhängigkeit: Was ist das?
Substanzabhängigkeit ist der fortgesetzte Konsum einer Droge, trotz deren nachteiligen
Auswirkungen auf Gesundheit und Sozialleben und trotz wiederholer Versuche, den Konsum zu
beenden.
Psychische Abhängigkeit wurde als Ursache für jeden zwanghaften Drogenkonsum bei
fehlernder körperlicher Abhängigkeit angesehen. Da es inzwischen allerdings klar ist, dass die
körperliche Abhängigkeit nicht der wichtigste motivationale Faktor der Abhängigkeit ist, besteht
kaum mehr Bedarf für die Sonderkategorie der psychischen Abhängigkeit.
15.3 Die Bedeutung von Lernen für Drogentoleranz und Drogenentzug
15.3.1 Kontingente Drogentoleranz
Die kontingente Toleranz bezieht sich auf Befunde, nach denen sich eine Toleranz nur
gegenüber denjenigen Drogenwirkungen entwickelt, die tatsächlich auch erlebt werden. Die
meisten Unterschungen der kontingenten Toleranz verwenden ein Vorher-Nachher-Design, bei
dem zwei gruppen von Versuchstieren dieselbe Abfolge von Drogeninjektionen erhalten.
167
Kontingente Toleranz gegenüber der antikonvulsiven Wirkung von Alkohol. Die Ratten, die den
Alkohol bei jedem Lerndurchgang vorder konvulsiven Stimulation erhielten, wurden gegenüber
seiner antikonvulsiven Wirkung tolerant; die Ratten, die dieselben Injektionen bei jedem
Lerndurchgang nachder konvulsiven Stimulation erhielten, wurden nicht tolerant (adaptiert aus
Pinel, Mana & Kim, 1989).
Schädigende Wirkung des Alkohols auf Sexualverhalten (Sex nach Injektion)
Anorektische Wirkung von Cholecystokinin (Fressen nach Injektion)
Schädigende Wirkung des Alkohols auf räumliches Verhalten (Labyrinth nach Alkohol)
15.3.2 Konditionierte Drogentoleranz
Die konditionierte Toleranz bezieht sich auf Befunde, nach denen die Toleranzwirkungen dann
maximal zum tragen kommen, wenn einer Droge in der Situation verabreicht wird, in der sie zuvor
schon verabreicht wurde.
Siegel hat die hypothetische entgegenwirkende konditionierte Reaktion als konditionierte
kompensatorsische Reaktion bezeichnet. Die Theorie besagt, dass Reize, die wiederholt die
Wirkungen einer Droge vorhersagen, allmählich immer stärkere konditionierte kompensatorische
Reaktionen auslösen, die den unkonditionierten Wirkungen der Droge zunehmend
entgegenwirken und dadurch eine situationsspezifische Toleranz hervorrufen.
 Obwohl sich Toleranz für viele Drogenwirkungen entwickelt, tritt manchmal auch
das Gegenteil – eine Sensitivierung – auf. Die Drogensensitivierung kann, genauso
wie die Toleranz, situationsspezifisch sein.
Merkmale der Situation sind entscheidend für Toleranzentwicklung (situative Toleranz)
168
15.3.3 Konditionierte Entzugserscheinungen
Entzugserscheinungen, die durch Drogenumgebung oder andere drogenassoziierte Hinweisreize
ausgelöst werden, werden als konditionierte Entzugerscheinung bezeichnet.
Konditionierte Morphinentzugserscheinungen bei Ratten. Wenn man Ratten in eine Umgebung
setzt, in der sie zuvor die Wirkungen von Morphin erlebt hatten, löst diese Umgebung
Morphinentzugserscheinungen aus.
15.4 Fünf häufig missbrauchte Drogen
Tabak, Alkohol, Marihuana, Kokain und Opiate
169
15.4.1 Tabak
Beim Rauchen einer Zigarette werden Nikotin – der wichtigste psychoaktive Bestandteil des
Tabaks – und ungefähr 4000 weitere chemische Substanzen, die zusammengefasst als Teer
bezeichnet werden, über die Lunge absorbiert. Es besteht kein Zweifel, dass starke Raucher in
jeder Hinsicht drogenabhängig sind. Das zwanghafte Verlangen nach der Droge (das „Craving“)
ist bei jedem gewohnheitsmäßigen Raucher sichtbar. Die Folgen eines langfristigen
Tabakgebrauchs snd alamierend. Zum Rauchersyndrom gehören Brustschmerzen, erschwerte
Atmung, Keuchen, Husten und eine erhöhte Anfälligkeit für Inektionen der Atemwege. Menschen,
die an der Winiwarter-Buerger-Krankheit leiden, sind ein schockierendes Beispiel für das
Abhängigkeitspotential des Nikotins. Bei der Winiwarter-Buerger-Krankheit verengen sich die
Blutgefäße, v.a. die in den Beinen, sobald Nikotin in die Blutbahn gelangt. Die anscheinend
entspannende Wirkung des Rauchens spiegelt lediglich die zeitweilige Aufhebung der
Anspannung wider, die durch die Abhängigkeit bedingt ist.
15.4.2 Alkohol
Da die Alkoholmoleküle klein und sowohl in Wasser als auch in Fett löslich sind, dringen sie in alle
Teile des Körpers ein. Alkohol wird als Sedativum (Beruhigungsmittel) klassifiziert, da der in
mittleren bis hin zu hohen Dosen die neuronale Aktivität dämpft.
Alkoholentzugssyndrom besteht aus 3 Phasen:
1. 5 oder 6 Stunden nach der Beendigung einer längeren Phase starken Trinkens (Tremor,
Agitiertheit, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfe, starkes Schwitzen manchmal
Halluzinationen) gekennzeichnet.
2. 15 bis 30 Stunden nach der Beendigung des Trinkens (Krampfanfälle)
3. Einen Tag oder zwei nach der Beendigung des Trinkens beginnt die dritte Phase. Diese hält für
3 oder 4 Tage an und wird als Delirium Tremens bezeichnet (beunruhigende Halluzinationen,
bizarre Wahnvorstellungen, Agitiertheit, Verwirrtheit, Hyperthermie (hohe Temperatur) und
Tachykardi (schneller Herzschlag)
Alkohol greift beinahe jedes Gewebe im Körper an. Der chronische Alkoholkonsum erzeugt eine
ausgedehnte Hirnschädigung und das Korsakoff-Syndrom; eine neuropsychologische Störung,
die durch einen schweren Gedächtnisverlust, sensorische und motorische Funktionsstörungen
sowie eine schwere Demenz gekennzeichnet ist.
Der chronische Alkoholkonsum verursacht auch eine umfangreiche Vernarbung der leber
(Zirrhose).
Alkoholembryopathie; wenn Mütter während der Schwangerschaft wesentliche Mengen an
Alkohl trinken
Erweiterung der Blutgefäße →Wärmeabgabe →Hypothermie
15.4.3 Marihuana
Unter Marihuana versteht man normalerweise die getrockneten Blätter und Blüten von Cannabis
sativa –der gemeinen Hanfpflanze.
Die psychoaktiven Wirkungen von Marihuana sind hauptsächlich auf einen Bestandteil
zurückzuführen, der THC (Delta-9-Tetrahydrocamnabinol) genannt wird.
Die meisten Cannabinoide (chemische Substanzen derselben Klasse wie THC) sind im Harz
vorhanden, dass die Blätter und Blüten der Pflanze bedeckt; extrahiert und getrocknet entsteht
eine dunkle, korkähnliche Masse  Haschisch
Marihuana besitzt ein niedriges Abhängigkeitspotential; bei dauerhaften Konsum bildet sich eine
Toleranz; Nebenwirkungen (z.B Übelkeit, Schwitzen, Zittern etc) selten  ausgenommen unter
Laborbedinungen wo hohe Dosen oral verabreicht wurden.
Negative Folgen (regelmäßiger Konsum): Atemwegsprobleme (Husten, Bronchitis, Asthma);
Tachykardie (erhöhte Herzrate, daher können einzelne hohe Dosen bei anfälligen Personen einen
Herzinfarkt auslösen  ältere Männger)
 Es gibt keine überzeugenden Belege dafür, dass der Marihuanakonsum eine
Hirnschädigung bedingt, wobei aber die Belege bezügliche der Gedächtnisdefizite
komplexer sind.
Klinischer Nutzen: Verringerung der Übelkeit bei Krebspatienten; Appetitsteigerung; Krampfanfälle
verhindert, Bronchiolen von Astmatikern werden erweitert
170
Wirkungsweise: THC bindet an Rezeptoren, die in den Basalganglien, dem
Hippocampus, dem Cerebellum und dem Neocortex besonders häufig vorkommen (größten Teil
seiner Wirkung wahrscheinlich durch Bindung an Cannabinoidrezeptoren entfaltet).
15.4.4 Kokain und andere Stimulantien
Stimulantien sind Drogen, deren Hauptwirkung darin besteht, ene allg. Steigerung der
neuronalen und Verhaltensaktivität herbeizuführen.
Kokain wird aus den Blättern des Kokastrauchs hergestellt. Direkt aus den Blättern vorher Auszug
(Kokapaste) hergestellt und gegessen. Heute wird diese weiterverarbeitet und daraus
Kokainhydrochlorid extrahiert  weißes Pulver, dass Kokain genannt wird, geschnupft oder
injiziert.
Kokainhydrochlorid kann in seine basische Form umgewandelt werden; Kochen in
Backpulverlösung bis das Wasser verdampft ist. Der verunreinigte Rückstand ist das so genannte
Crack, eine potente, billige und rauchbare Form des Kokains.
Kokainhydrochlorid ist ein wirksames Lokalanästhetikum. Wirkung: Welle des Wohlbefindens,
extravertiert, gesprächig, selbsticher geringes Nahrungs- und Schlafbedürfnis.
 Allg. bei Kokain oder Crack: Durchquerung der Blut-Hirnschranke; Zeit bis zur
Wirkung ca 10-30 min; Dauer des Rausches ca 20-90 min; noch nach Wochen im
Haar nachweisbar.
Folgen: Schlaflosigkeit, Zittern, Übelkeit, Hyperthermie und psychotisches Verhalten 
Kokainpsychose Symptome ähneln einer paranoiden Schizophrenie (wird häufig fälschlicherweise
diagnostiziert)
Obwohl es hochgradig abhängig macht treten nach „Kokainpartys“ nur leichte
Entzugserscheinungen auf
Kokain fördert katecholaminerge Übertragung, indem es die Wiederaufnahme (reuptake) der
Catecholamine (Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin) in die präsynaptische Neuronen blockiert.
 Entzug von Kokain: Reduzierung des cerebralen Blutflusses  Minderaktivität vor
allem in Frontalhinr  Wahnvorstellungen, depressive Zustände, suizidale
Gedanken.
15.4.5 Opiate: Heroin und Morphin
Opium – der Saft, der von den Kapseln des Schlafmohns abgesondert wird – hat mehrere
psychoaktive Bestandteile. Die bedeutendsten sind Morphin und sein schwächerer Verwandter
Kodein.
171
Opiate haben zwei Gesichter: positive Seite; als Analgetike (Schmerzmittel) unerreicht
effektiv sind und sich mit ihnen außderm Husten und Durchfall äußerst wirksam behandeln lassen.
Negative Seite; das Risiko einer Abhängigkeit
Wirkung: überwältigendes Gefühl (rush) das auf die intravenöse Injektion folgt. Der Heroinflash ist
eine Welle von Intensiven, abdominalen, organischen Wohlbefinden, das sich zu einem Zustand
gelassener, schläfriger Euphorie entwickelt.
Die Opiattoleranz trägt dazu bei, dass die Abhängigen höhere und potentere Drogen (z.B Heroin)
konsumieren und direktere Applikationswege (z.B. die IV-Injektion) nutzen.
Obwohl Opiate hochgradig abhängig machen sind direkten Gesundheitsrisiken eines chronischen
Konsums gerng: Verstopfung, Pupillenkonstriktion, Menstruationsstörungen und reduzierte Libido.
 Der Opiatentzug ist etwa so gefährlich wie eine schwere Grippe –weit entfernt von
den Krämpfen, dem Delirium und der Lebensgefahr, mit der der Alkoholentzug
verbunden ist.
Wirkungsweise: Opiate wirken wahrscheinlich ähnlich wie Marihuana, indem sie an bestimmten
Rezeptoren binden, an die normalerweise endogene chemische Substanzen binden. Die
endogenen chemischen Verbindungen, die an die Opiatrezeptoren binden, werden als Endorphine
bezeichnet.
15.5 Biopsychologische Theorien der Abhängigkeit
Theorien der physischen Abhängigkeit
Entzugserscheinungen zwingen zu erneutem Drogenkonsum. Aber: Entgiftung wirkungslos
Rückfälle: Versuch konditionierten Entzugssymptomen entgegenzuwirken
aber: -situationsbedingte Effekte ähneln der Drogenwirkung
Vorliebe für Hinweisreize auch ohne Drogenkonsum
Positiver-Anreiz Theorie
Grundlage der Sucht ist die Erwartung des mit der Drogeneinnahme verbunden Wohlgefühls
Entkopplung von Wohlbefinden und positiven Anreiz
Eine bestimmte positive Anreiztheorie: Anreiz-Sensitivierungs-Theorie („incentive-senzitization
theory“) Grundlage der Abhängigkeit ist nicht das durch den Drogenkonsum hervorgerufene
Wohlbefinden (Mögen oder „linkin“) an sich ist, sondern die Antizipation des Wohlbefindens
(Wollen oder „wanting“) des Drogenkonsums (also der pos. Anreizwert der Drogen)
 Viele Hinweise deuten darauf hin, dass der positive Anreizwert der abhängig
machenden Dorgen der wichtigste Faktor der Abhängigkeit ist
Intrakranielle Selbststiumlation und die Belohnungszentren des Gehirns
15.6.2 Das mesotelencephale Dopaminsystem und die intrakranielle Selbststimulation
Das mesotelencephale Dopaminsystem spielt bei der intrakraniellen Selbststiumaltion eine
wichtige Rolle. Es ist ein System dopaminerger Neuronen, das vom Mesencephalon (dem
Mittelhinr) aus zu verschiednen Regionen des Telencephalons projiziert.
Die Auffassung, dass die mesocorticolimbische Bahn eine wichtige Rolle bei der Vermittlung der
Wirkung der intrakraniellen Selbstimulation spielt, wurde durch Befunde aus verschiedenen Arten
von Untersuchungen gestützt.
172
1. Viele Stellen im Gehirn, an denen eine Selbststiumulation stattfindet, sind Teil des
mesotelencephalen Dopaminsystems. Einige Bereiche, an denen eine Selbstimulation stattfindet
und die keine dopaminergen Neuronen enthalten, projizieren direkt zum mesotelencephalen
Dopaminsystem.
2. Bei Unterschungen mittels Methoden der cerebralen Dialyse werden, während das Versuchstier
aktive ist, kontiknuierlich aus bestimmten Breichen des Gehirns kleine Proben der
Extrazellulärflüssigkeit entnommen und später chemisch analysiert. Solche Untersuchungen
haben gezeigt, dass die intrakranielle Selbstimulation oft mit einer erhöhten Dopaminfreisetzung in
der mesocorticolimbischen Bahn einhergeht.
3. Dopaminagonisten erhöhen die intrakranielle Selbstimulation, Dopaminantagonisten verringern
sie.
4. Läsionen der mesocorticolimbischen Bahn beeinträchtigen die intrakranielle Selbststimulation.
15.7 Neuronale Mechanismen der Motivation und der Abhängigkeit
Suche nach den neuronalen Mechanismen der Dorgenabhängigkeit hat sich auf die
mesocorticolimbische Bahn konzentriert (3 Gründe).
1. Aufgrund der zunehmenden Anerkennung, dass die belohnende Wirkung der Droge und nicht
die Reduzierung der Entzugssymptome die Hauptfraktoren der Abhängigkeit sind.
2. Weil diese Bahn bei der intrakraniellen Selbststimulation (die Stellen, die in der Lage sind
dieses Phänomen zu vermitteln werden oft als Belohnungszentren (bzw. Verstärkerzentren)
bezeichnet) eine entscheidende Rolle spielt.
3. Weil diese Bahn für die Vermittlung der Wirkung natürlicher Verstärker (z.B Nahrung und Sex)
wichtig ist.
15.7.5 Dopamin, Nucleus accumbens und Abhängigkeit: Die aktuelle Sicht
Es gibt kaum Zweifel, dass Dopamin und der Nucleus accumbens für Belohnungen und
Abhängigkeit eine Rolle spielen. Jedoch wissen die Forscher gegenwärtig nicht genau, wie diese
Beteiligung aussieht.
1. Viele Befunde bringen das Dopamin und den Nucleus accumbens mit Belohnung und
Abhängigkeit in Zusammenhang, sodass es kaum fraglich ist, dass sie in irgendeiner Form eine
Rolle spielen.
2. Andererseits zeigen viele Belege, dass der Nachweis einer Beteiligung des Dopamins lediglich
ein erster, stark vereinfachter Schritt zum Verständnis der neuronalen Mechanismen von
Belohnung und Abhängigkeit ist.
3. Die Entwicklung vieler Verbindungen zwischen den Mechanismen von Belohnung und
Abhängigkeit unterstützen die positive Anreiztheorie der Abhängikeit.
173
Kapitel 16: Lateralisierung, Sprache und das geteilte Gehirn
16.1 Das linke und das rechte Gehirn der Sprache
Die linke und die rechte Hemisphäre besitzen unterschiedliche Fähigkeiten und sind in der Lage,
unabhängig voneinander zu funktionieren – unterschiedliche Gedanken, Erinnerungen und
Gefühle zu haben.
16.2 Die cerebrale Laterisierung von Funktionen: Eine Einführung
16.2.1 Aphasie, Apraxie und links-hemisphärische Schädigung
Aphasie:
1. Ursache – plötzlich auftretende Hirnschädigung (umschriebene kortikale Läsion
der linken Hemisphäre
2. sprachliche Leistung der Betroffenen ist beeinflusst; Störung des Sprachsystem
(Sprachstörung, keine Sprechstörung!) nach abgeschlossenem Spracherwerb
3. betrifft sprachliche Leistungen bei relativer Intaktheit von Intelligenz und
Gedächtnis
4. ist eine Störung aller sprachlichen Modalitäten (d.h. Sprechen, Verstehen,
Schreiben, Lesen) und Ebenen (d.h. Phonologie, Morphologie, Semantik, Syntax
und Pragmatik)
5. Aphasien sind ab einem bestimmten Zeitpunkt nach der Hirnschädigung relativ
chronisch und stabil
Apraxie: Wie eine Aphasie, nahezu immer mit einer linkshemisphärichen Schädigung verbunden
ist, trotz der Tatsache, dass ihre Symptome bilateral (auf beiden Seiten des Körpers) auftreten.
Apraxie-Patienten haben Schwierigkeiten, aus dem Zusammenhang gerissene Bewegungen
174
auszuführen, wenn man sie dazu auffordert, obwohl sie häufig keine Schwierigkeiten
hatten, dieselben Bewegungen auszuführen, wenn sie nicht darüber nachdenken.
16.2.2 Tests zur cerebralen Lateralisierung
Natrium-Amytal-Test: Eine kleine Menge von
Natrium-Amytal wird in die Halsschlagader auf
einer Seite des Halses injiziert. Die Injektion
betäubt die Hemisphäre auf dieser Seite für ein
paar Minuten, sodass es möglich ist, die
Fähigkeiten der anderen Hemisphäre zu
untersuchen. Währenddessen soll der Patien
bekannte Reihen (Alphabet, Monate etc.)
aufsagen. Danach Injektion auf der anderen Seite
und der Test wird wiederholt.  Wenn die für die
Sprache dominante Seite betäubt ist Stummheit,
sobald Fähigkeit wieder da ist Reihenfolge- und
Benennungsfehler. Wenn nichtdominante
(normalerweise rechte) weniger Fehler und keine Stummheit.
Dichotischer Hörtest: nicht invasiv; drei Ziffernpaar über Köpfhörer; Die beiden Ziffern eines
Paares werden gleichzeitig präsentiert, jeweils eine Ziffer einem Ohr. Versuchsperson soll alle
Ziffern nennen. Meisten Menschen geben etwas größeren Teil der Ziffern wieder, die dem rechten
Ohr dargeboten werden, was eine linkshemisphärische Dominanz für Sprache anzeigt.
Funktionelle Bildgebung des Gehirns: Mittels funktioneller Bildgebung (Positronen-EmissionsTomographie PET oder funktioneller Magnetresonanztomographie fMRT). Bei Sprachtests
erzielen diese bildgebenden Verfahren normalerweise eine weit größere Aktivität der linken als der
rechten Hemisphäre an. (sprachliche Aufgabe = Aktivität)
16.2.3 Sprachlateralisierung und Händigkeit
Ergebnisse belegen, dass die linke Hemisphäre bei fast allen Rechtshändern dominant für
Sprachfähigkeiten ist; sie zeigen auch, dass Linkshänder im Bezug auf die Sprachlateralisierung
mehr variieren als Rechtshänder.
16.2.4 Geschlechterunterschiede in der Gehirnlateralisierung
Mehrere Bildgebungsstudien weisen darauf hin, dass Frauen bei der Durchführung von
sprachbezogenen Aufgaben stärker als Männer beide Hemisphären nutzen.
16.3 Das geteilte Gehirn („Split-Brain“)
Anfängliche Versuche in den 30er und 40ern. Durchtrennung des Copus callosum ohne
Veränderung. Zweifel an der Wichtigkeit.
16.3.1 Das bahnbrechende Experiment von Myers und Sperry
Das Experiment erbrachte zwei erstaunliche theoretische Ergebnisse.
1. Es zeigte, dass eine Funktion des Corpus callosum darin besteht, gelernte Informationen von
einer Hemisphäre zur anderen zu übertragen.
2. Es zeigte, dass nach einer Durchtrennung des corpus callosum jede Hemisphäre unabhängig
von der anderen arbeitet; jede Split-Brain-Katze schien zwei Gehirne zu haben.
Eine Methode, um bei Katzen die visuelle Information auf eine Hemisphäre zu beschränken. Um
die visuelle Information auf eine Hemisphäre zu beschränken, durchtrennten Myers und Sperry 1.
Das Corpus callosum, 2. Das Chiasma opticum und 3. Bedeckten ein Auge. Dadurch wird die
visuelle Information auf die Hemisphäre ipsilateral zum nicht bedeckten Auge beschränkt
175
Abb.: Schematische Illustration des bahnbrechenden Split-Brain-Experiments von Myers und
Sperry (1953). Es gab vier Gruppen: 1. Die entscheidende Experimentalgruppe bei er sowohl das
Chiasma opticum als auch das Corpus callosum durchtrennt wurde, 2. Eine Kontrollgruppe bei der
nur das Chiasma opticum durchtrennt wurde, 3. Eine Kontrollgruppe bei der nur das Corpus
callosum durchtrennt wurde und 4. Eine Kontrollgruppe ohne Läsion. Die Leistung der drei
Kontrollgruppen unterschieden sich nicht und sind hier daher gemeinsam dargestellt.
16.3.2 Commissurotomie bei Epileptikern
Abb.: Die Untersuchungsmethode zur Beurteilung des neuropsychologischen Status von SplitBrain Patienten. Der visuelle Input verläuft vom jeweiligen Gesichtsfeld zur kontralateralen
176
Hemisphäre; der feine taktile Input gelangt von jeder Hand zur kontralateralen
Hemisphäre; und jede Hemisphäre kontrolliert die feinmotorische Bewegung der kontralateralen
Hand
Besonders schwere Fälle von Epilepsie  Commissurotomie – bei der normalerweise der Corpus
callosum durchtrennt wird und die kleineren Commissuren intakt bleiben – liegt die Idee zugrunde,
dass die Schwere der Krampfanfälle reduziert wird, wenn die Entladung auf die Hemisphäre ihrer
Entstehung beschränkt werden könnte.  Erfolg viele Patiente keine weiteren schweren
Krampfanfälle (nur bei den schwersten Fällen gemacht)
Wie Split-Brain-Labortiere haben Patienten zwei voneinander unbhängige Gehirn, jedes mit
seinem eigenen Bewusstsein, eigenen Fähigkeiten, Erinnerungen und Emotionen. Anders als bei
den Labortieren sind die Hemisphären beim Menschen in ihren Fähigkeiten, bestimmte Aufgaben
auszuführen nicht gleich. Am bemerkenswertesten ist, dass die linke Hemisphäre der meisten
Split-Brain-Patienten sprachfähig ist, während es die rechte Hemisphäre nicht ist.
16.3.3 Die Hemisphären von Split-Brain-Patienten arbeiten unabhängig
16.3.4 Cross-Cuing
Die Hemisphären eines Split-Brain-Patienten haben zwar keine Möglichkeit zur direkten
neuronalen Kommunikation, aber sie kommunizieren manchmal indirekt miteinander, über einen
Prozess der Cross-Cuing genannt wird.
Bsp.: Kann die linke Hemispäre auf Farben im linken Gesichtsfeld reagieren=
Darbiertung im linken Gesichtsfeld: roter oder grüner Stimulus
Aufgabe des Patienten: Farbe benennen
Ergebnis: erst Zufallsniveau (d.h. 50%) dann Verbesserung
Rotes Licht: a) Antwort „rot“ b) Antwort „grün“, Stirnrunzeln, „Oh nein, ich meinte rot“
Rechte Hemisphäre sah das rote Licht und hörte die linke „grün“ raten. Wissend, dass die
Antwort falsch war, leitete die rechte Hemisphäre elig ein Stirnrunzeln und ein Kopfschütteln ein,
was wiederum der linken Hemisphäre den Hinweis (cue) gab, dass die Antwort falsch war und
dass sie sich besser korrigierte.
16.3.5 Zwei Dinge auf einmal lernen
Bsp. 1. Patient sieht:
Linkes Gesichtsfeld
Rechtes Gesichtsfeld
Stift
Orange
Patient soll blind entsprechende Gegenstände in zwei Taschen suchen. Was halten sie in den
Händen?: „Zwei Orangen“
Linke Hand
Rechte Hand
Stift
Orange
 Beide Hemisphären haben zwei verschiedene Dinge zur gleichen Zeit gelernt.
Bsp. 2. Patient sieht
Linkes Gesichtsfeld
Rechtes Gesichtsfeld
Stift
Orange
Patient soll das abgebildete Objekt aus einer Reihe von Objekten herausgreifen, die gut sichtbar
auf dem Tisch liegen
Rechte Hand: will zur Orange greifen
Rechte Hemisphäre: Fehler!
 Linke Hand: zieht dir echte von Orange weg („helping-hand“-Phänomen); dirigiert
sie zum Stift
Bsp. 3 Gesichtsschimären-Test
Photografien blitzen in der Mitte eines Bildschirms auf, die aus zusammengesetzten
Gesichtshälften verschiedener Menschen gebildet sind. Aufforderung anzugeben, was sie
gesehen hatten, entweder durch verbale Beschreibung oder dadurch, dass sie aus einer Reihe
von Photografien von intakten Gesichtern das gesehene durch Fingerzeig auswählten.
177
 Versuchspersonen
berichteten ein
vollständiges,
beidseitiges
symmetrisches Gesicht
zu sehen, Als die
Versuchspersonen
aufgefordert wurden zu
beschreiben, was sie
sahen, beschrieben sie
normalerweise eine
vollständige Version der
Hälfte, die dem rechten
Gesichtsfeld (d.h. der
linken Hemisphäre)
präsentiert worden war.
16.3.6 Die Z-Linse
Abb.: Die Z-Linse, die von Zaidel
entwickelt wurde, um die funktionelle
Asymmetrie an Split-Brain-Patienten zu
untersuchen. Es handelt sich dabei um
eine Kontaktlinse, die auf einer Seite
undurchsichtig ist (links oder rechts),
sodass der visuelle Input nur eine
Hemisphäre erreicht.
16.3.7 Duale mentale Funktion und
Konflikt bei Split-Brain-Patienten
Bei den meisten Split-Brain-Patienten
scheint die rechte Hemisphäre keinen
starken eigenen Willen zu haben; die
linke Hemisphäre steuert anscheinend
die meisten Alltagsaktivitäten. Bei
anderen Patienten dagegen übernimmt
die rechte Hemisphäre eine aktivere
Rolle bei der Kontrolle des Verhaltens.
In diesen Fällen kann es ernsthafte
Konflikte zischen den linken und rechten
Hemisphären geben
16.4 Unterschiede zwischen der linken und rechten Hemisphäre
16.4.1 Relative oder absolute Hemisphärenunterschiede
16.4.2 Einige Beispiele für die funktionelle Lateralisierung
Die Forschung zur funktionellen Lateralisierung hat die veraltete Vorstellung von einer
linkshemisphärischen Dominanz in den Ruhestand geschickt. Die drei Bereiche, für die einen
rechtshemisphärische Überlegenheit am besten dokumentiert ist, sind räumlich Fähigkeiten,
Emotionen und musikalische Fähigkeiten. Außerdem ist die rechte Hemisphäre beim Ausführen
mancher Erinnerungsaufgaben überlegen.
Überlegenheit der linken Hemisphäre bei der Kontrolle ipsilateraler (auf der gleichen Seite des
Körpers) Bewegungen.
Überlegenheit der rechten Hemisphäre bei räumlichen Fähigkeiten.
Überlegenheit der rechten Hemisphäre beim Erleben von Emotionen.
Überlegenheit der rechten Hemisphäre bei musikalischen Fähigkeiten
178
Hemisphärenunterschiede beim Gedächtnis. Im Allgemeinen spielt die linke Hemisphäre
bei der Erinnerung von verbalen Material die größere Rolle, während die rechte Hemisphäre für
die Erinnerung von nonverbalem Material wichtiger ist.
16.4.3 Was ist lateralisiert – umfassende Cluster von Fähigkeiten oder einzelne kognitive
Prozesse?
Cerebrale Lateralisierungen spiegeln leichte, relative hemisphärische Unterschiede wieder und
nicht absolute Alles-oder-Nichts-Unterschiede.
Problem: Informationen wie in der Tabelle oben, werden oftmals zu wörtlich genommen! (linke
Hemisphäre sei die logische Sprachehemisphäre und die rechte Hemisphäre die emotionale,
räumliche Hemisphäre. Das Problem ist, dass Kategorien wie Sprache, Emotion, musikalische
Fähigkeit und räumliche Fähigkeit jeweils aus dutzenden von unterschiedlichen individuellen
kognitiven Aktivitäten zusammengesetzt sind, und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass all
179
diese Aktivitäten, die mit einer allgemeinen sprachlichen Bezeichnung (z.B. räumliche
Fähigkeiten) verknüpft sind, unbedingt in derselben Hemisphäre lateralisiert sind.
16.4.4 Anatomische Gehirnasymmetrien
Planum temporale; Annahme, dass
es für das Sprachverständnis wichtig
ist und es wird of als Wernicke-Areal
bezeichnet.
Heschl-Gyrus sitz den primären
auditorischen Cortex
Operculum frontale ist das
Cortexgebiet des Frontallappens
unmittelbar vor dem Gesichtsareal des
primären motorischen Cortex; in der
linken Hemisphäre ist es der Sitz des
Broca-Areals.
Da diese drei alle an
sprachbezogenen Aktivitäten beteiligt
sind, würde man erwarten, dass sie
alle bei den meisten
Versuchspersonen in der linken
Hemisphäre größer als in der rechten
sind  ber so ist es nicht!
16.4.5 Theorien der cerebralen Asymmetrie
Generelle Prämisse, die allen drei folgenden Theorien zugrunde liegt ist, dass es vorteilhaft ist,
wenn Hirnregionen, die die gleiche Funktion ausüben, in derselben Hemisphäre liegen.
Analytisch-synthetische Theorie
Diese besagt, dass es zwei grundlegende Arten zu Denken gibt, einen analytischen Modus und
einen synthetischen Modus, die im Verlauf der Evolution getrennt auf die linke (analytische;
Zuordnung nach Funktion) und rechte (synthetische; Zuordnung nach Aussehen) Hemisphäre
aufgeteilt wurden.
 Da nie spezifiziert werden kann, zu welchem Grad eine Aufgabe entweder eine analytische
oder eine synthetische Verarbeitung erfordert, ist es schwierig, die analytisch-synthetische Theorie
empirisch zu prüfen.
Motorische Theorie
Diese besagt, dass die linke Hemisphäre nicht auf die Kontrolle von Sprache per se spezialisiert
ist, sondern auf die Kontrolle von feinen Bewegungen, von denen Sprache nur eine Kategorie ist.
Bestätigung: Läsionen, die zu Aphasie führen, ziehen auch andere motorische Defizite nach sich.
Linguistische Theorie
Diese besagt, dass Sprache die primäre Aufgabe der linken Hemisphäre ist. Sie unterscheidet
sich darin von der analytisch-synthetischen und der motorischen Theorie, die beide Sprache als
eine sekundäre Spezialisierung der linken Hemisphäre, aufgrund der primären Spezialiesierung
jeweils für analytische Gedanken und feinmotorische Aktivität, betrachten.
Die Tatsache, dass eine linkshemishärische Schädigung den Gebrauch der Gebärdensprache
stören kann, nicht aber pantomimische Gesten, lässt den Schluss zu, dass Sprache die
grundlegende Spezialisierung der linken Hemisphäre ist.
16.4.6 Evolution der funktionellen cerebralen Lateralisierung
Theorie zur Evolution der cerebralen Lateralisierung
Gebrauch von Werkzeugen vorwiegend mit der rechten Hand.
Linkshemisphärische Dominanz der motorischen Kontrolle
Wegen größerer motorischer Gewandtheit  zuerst Lautsprache: Lokalisation der sich
entwickelnden Sprache in linker Hemisphäre
180
Diese Theorie der Evolution der funktionellen cerebralen Lateralisierung wird aber von
Berichten über Händigkeit bei nichtmenschlichen Primaten in Frage gestellt.
Befunde legennahe, dass die Evolution der cerebralen Lateralisierung der Evolution des
Menschen vorausging.
16.5 Kortikale Lokalisation der Sprache: Das Wernicke-Geschwind-Modell
Nun verlagert sich der Schwerpunkt von der Sprachlateralisierung auf die Sprachlokalisation. Im
Gegensatz zur Sprachlateralisierung, bei der es um die relativen Anteile der linken und der
rechten Hemisphäre an der Kontrolle von sprachbezogenen Funktionen geht, bezieht sich die
Sprachlokalisation auf die Lokalisation der Schaltkreise innerhalb der Hemisphären, die an
sprachbezogenen Aktivitäten teilhaben.
16.5.1 Historische Vorläufer des Wernicke-Geschwind-Modells
Die Geschichte der Lokalisation der Sprache und die Geschichte der funktionellen Lateralisierung
begannen beide mit Brocas Behauptung, dass ein kleines Gebiet im inferioren Teil des linken
präfrontalen Cortex (Broca-Areal) das Zentrum der Sprachproduktion sei. Nach Broca sollte eine
Schädigung, die auf das Broca-Areal begrenzt bleibt, die Sprachproduktion beeinträchtigen, ohne
Defizite beim Sprachverständnis hervorzurufen.
Danach folgerte Carl Wernicke, auf Grundlage 10 klinischer Fälle, dass es ein Sprachareal im
linnken Temporallappen gebe, unmittelbar posterior zum primären auditorischen Cortex (d.h. im
linken Planum temporale). Dieses zweite Sprachareal, das nach Wernickes Meinung das kortikale
Gebiet für das Sprachverständnis war, wurde als Wernicke-Areal bekannt.
Wernicke behauptete, dass selektive Läsionen des Broca-Areals ein Syndrom von Aphasien
erzuegen, dessen Symptome vor allem expressive sind – charakterisiert durch ein normales
Verständnis sowohl von geschriebener als auch gesprochener Sprache und druch eine Sprache,
deren Bedeutung erhalten ist, obwohl sie langsam, umständlich, unzusammenhängend und
schlcht artikuliert ist diese hypotetische Form der Aphasie wurde als Broca Aphasie bekannt.
Eine Läsion des Wernicke Areals würden eher ein Syndrom von Aphasien erzeugen, dessen
Defizite vor allem rezeptiv sind – charakterisiert durch ein schlechtres Verständnis sowohl
geschriebener als auch gesprochener Sprache und durch Sprache, die bedeutungslos ist, aber
noch immer die oberflächliche Struktur, den Rhythmus und die Intonation der normalen Sprache
ha. diese hypotetische Form der Aphasie wurde als Wernicke Aphasie bekannt, die normal
klingende, aber unsinnige Sprache der Patienten mit Wernicke-Aphasie als Wortsalat.
Wernicke vermutete, dass eine Schädigung des Faserzugs, der das Broca- und das WernickeAreal verbindet- der Fasciculus arcuatus –eine dritte Art von Aphasie hervorrufen würde, die so
genannte Leitungsaphasie. Bei diesen Patienten wäre das Sprachverständnis und spontane
Sprache weitgehend intakt, allerdings hätten sie Probleme Wörter zu wiederholen, die sie gerade
gehört hatten.
In den 1960er Jahren erweckte Norman Geschwind die alten Lokalisationsideen von Broca,
Wernicke und Dejerine wieder zum Leben, fügte ein paar neue Daten und aufschlussreiche
Interpretationen hinzu und mixte daraus eine leistungsfähige Theorie: Das Wernicke-GeschwindModell.
16.5.2 Das Wernicke-Geschwind-Modell
1. Gehörte Frage; man fürht ein Gespräch; auditorische Signale werden vom primären
auditorischen Cortex empfangen und zum Wernicke-Areal weitergeleitet, wo sie verstanden
werden; wenn antwort notwendig, generiert das Wernicke-Areal neuronale Repräsentation des
Gedankens, der der Antwort zugrunde liegt, wird über den linken Fasciculus arcuatus zum BrocaAreal übertragen. Broca Areal aktiviert dieses Signal das geeignete Programm zur Artikulation,
das wiederum entsprechende Neurone des primären motorischen Cortex und letztendlich ihre
Artikulationsmuskeln aktiviert
2. Laut Lesen, Signal, das der visuelle Cortex empfängt zum linken Gyrus angularis übertragen,
dort visuelle Gestalt des Wortes in auditorischen Code übersetzt und zum Verständnis in das
Wernicke-Areal übertragen. Wernicke Areal löst entsprechende Reaktionen über den Fasciculus
181
arcuatus, das Broca Areal und den motorischen Cortex, um so die angemessenen
Sprachlaute zu generieren.
Die sieben Komponenten des
Wernicke-Geschwind-Modells
Wie das Wernicke-Geschwind-Model in einer Person arbeitet, die auf eine gehörte Frage
antwortet oder laut liest. Der hypothetische Schaltkreis, der bei der Beantwortung einer gehörten
Frage atkiv ist, ist in grün dargestellt; der hypothetische Schaltkreis, der beim lauten Lesen aktiv
ist, in schwarz.
16.6 Bewertung des Wernicke-Geschwind-Modells
16.6.1 Auswirkungen von Schädigungen verschiedener Cortexareale auf sprachgebundene
Fähigkeiten
1. Chirurgische Entfernung von kortikalem Gewebe
182
Nach chirurgischer Exzision der klassischen Wernicke-Geschwind Sprachregionen treten keine
dauerhaften Störungen von sprachbezogenen Fähigkeiten auf (adaptiert nach Penfield & Roberts,
1959)
2. Unfall- oder krankheitsbedingte Hirnschädigungen
Die relativen Asuwirkungen von
Schädigungen in fünf Regionen des linken
Cortex auf sprachbezogene Fähigkeiten
von 214 Personen nach Unfall oder
Krankheit.
Kleine Läsionen des Broca-Areals
verursachen selten bleibende
Sprachdefizite und Läsionen die auf das
Wernicke-Areal begrenzt sind manchmal
auch keine derartigen Defizite nach sich
ziehen. Es ist bemerkenswert, dass keiner
der 214 Probanden ein aphasisches
Syndrom zeigte, das entweder völlig
expressiv (Broca-Aphasie) oder völlig
rezeptiv (Wernicke-Aphasie) war.
3. CT- und strukturelle MRT-Aufnahmen von aphasischen Patienten
183
Studien zeigten, dass keiner der aphasische Patienten kortikale Schädigungen, die auf
das Broca- und Wernicke-Areal begrenzt waren hatte, sondern ausgedehnte Schädigungen der
subkortikalen weißen Substanz aufwiesen.
16.6.2 Elektrische Stimulation des Cortex und Sprachlokalisation
Das Ziel der elektrischen Gehirnstimulation war, die Sprachareale des Gehirns jedes Patienten zu
kartieren, um so an Sprache beteiligtes Gewebe während der Operation umgehen zu können. Die
Kartierung wurde durchgeführt, indem die Reaktionen der Patienten, die bei Bewusstsein, aber
lokal anästhesiert waren, auf Stimulationen an verschiedenen Punkten der kortikalen Oberfläche
erfasst wurden. Penfield und Roberts (1959) fanden heraus, dass die Orte, deren Stimulation bei
Patienten die Sprache blockierte oder störte, über große Gebiete des Frontal-, Temporal- und
Parietelcortex verstreut waren, sich als nicht auf die Sprachareale des Wernicke-GeschwindModells beschränkten. Sie fanden außerdem keine Anzeichen dafür, dass bestimmte Arten von
Sprachstörungen in bestimmten Regionen des Cortex ausgelöst werden können.
Auf 24 und 28 achten!
Die Reaktionen der linken Hemisphäre eines 37 Jahre alten Epileptikers auf elektrische
Stimulationen. Während der Operation wurden nummerierte Karten auf das Gehirn gelegt, um die
Stellen zu markieren, wo eine Gehirnstimulation durchgeführt worden war (adaptiert nach Penfield
& Roberts, 1959).
Die linkshemisphärische Orten,
deren kortikale Stimulation
entweder die Sprache
blockierte oder störte, liegen
weit verstreut (adaptiert nach
Penfield & Roberts, 1959).
184
Ojemann et al.(1983):Sprachcortex ist wie ein Mosaik organsiert, d.h. weit verstreute
Regionen an Sprache beteiligt große interindividuelle Unterschiede in neuronaler
Organisation der Sprachverarbeitung
Cameron 1989: Fissura Lateralis  phonologische Analyse; andere Hirnstrukturen
grammatikalische/semantische Analysen
16.6.3 Derzeitiger Status des Wernicke-Geschwind-Modells
Broca und Wernicke Areal spielen wichtige Rolle bei der Sprache
Spezifische Aussagen durch empirische Befunde nicht gestützt
1. Schädigungen, die auf die Cortexgebiete des Wernicke-Geschwind-Modells beschränkt sind,
häufig wenig überdauernde Auswirkungen auf den Sprachgebrauch.
2. Hirnschädigunge, die keines der Wernicke-Geschwind-Areale betreffen, einen Aphasie
erzeugen
3. Broca- und Wernicke-Aphasien existieren selten in einer Form
4. Es scheint starke individuelle Unterschiede hinsichtlich der Lokalisation kortikaler
Sprachgebiete zu geben
Aufgrund der fehlenden empirischen Unterstützung für seine wichtigsten Vorhersagen, wurde das
Wernicke-Geschwind-Modell von den Forschern weitgehend aufgegeben, aber für die Lehre und
in der Klinik ist es immer noch bedeutsam. Alternative ist der kognitiv-neurowissenschaftliche
Ansatz.
16.7 Der kognitiv-neurowissenschaftliche Ansatz zu Sprache
Drei Prämissen:
1. Sprechen, Verstehen und Lesen wird durch konstituierende kognitive Prozese realisiert:
phonologische, grammatikalische und semantische Prozesse
2. An Sprache beteiligte Gehirnregionen haben noch andere Funktionen (z.B. Kurzzeitgedächtnis)
3. Gehirnareale die Sprachfunktionen ausführen sind klein, weit verteilt und hochspezialisiert.
16.7.1 Funktionelle Gehirntomographie und Sprache
Die fMRT Studie von Bavelier zum Lesen:
Probanden sollten still lesen. Zwischen den Abschnitten mit stillem Lesen waren
Kontrollabschnitte eingefügt, in denen den Probanden Zeichenketten aus Konsonanten
dargeboten wurden. Die Unterschiede in der Aktivität während dem Lesen und während den
Kontrollabschnitten dienten als Grundlage, um die mit dem Lesen verbundenen Gebiete kortikaler
Aktivität bestimmen zu können.
Gebiete, in denen in der fMRT-Untersuchung von Bavelier und Kollegen (1997) mit dem Lesen
assoziierte Aktivitätsanstiege beobachtet wurden. Diese Bilder basieren auf der Mittelung der
Werte aller Probanden, wobei allerdings jeder Proband während eines einzelnen Lesedurchgangs
fleckartige Aktivitätsanstiege zeigte, die nur 5-10% der hier markeriten Gebiete betrafen.
185
 Linke Hemisphäre deutlich stärker aktiv & Aktivität weit über die Gebiete
die laut Wernicke-Geschwind-Modell aktiv sein sollten.
Die PET-Studie von Damasio zur Objekterkennung
Ziel: selektiv die Aktivität des Temporallappens beim Benennen von Objekten aus bestimmten
Kategorien zu betrachten.
Es gab drei Arten von Bildern die benannt werden sollten: berühmte Gesichter, Tiere und
Werkzeuge. Für ein spezifisches Maß wurde die Aktivität während dieser Aufgabe die Aktivität
abgezogen, die gemessen wurde, während die Probanden die Ausrichtung der Bilder beurteilten.
Benennen von Objekten aktivierte den linken Temporallappen außerhalb des klassischen
Wernicke-Sprachareals. Genaue Gebiet, dass aktiviert wurde von der Kategorie abhängig.
Allgemein gesagt sind die Gebiete zum Bennen berühmter Gesichter, Tieren und Werkzeugen von
anterior nach posterior entlang dem Mittelteil des linken Temporallappens angeordnet.
16.8 Der kognitiv-neurowissenschaftliche Ansatz und Dyslexie
Dyslexie ist eine pathologische Leseschwäche, die nicht von einem allgemeinen visuellen,
motorischen oder intellektuellen Defizit herrührt.
Zwei Arten von Dyslexie. Entwicklungsbedingte Dyslexien treten auf, wenn ein Kind lesen lernt.
Erworbene Dyslexien sind durch Hirnschädigungen an Individuen verursacht, die bereits lesen
konnten. Ungefähr 15% Männer und 5% Frauen entwicklungsbedingte Dyslexie
Unklare strukturelle Auffälligkeiten im Gehirn. Abnormalitäten im Gehirn können Ursache oder
Folge der Dyslexie sein.
16.8.1 Entwicklungsbedingte Dyslexie: Kulturelle Vielfalt und biologische Einheit
Die Dyslexie kann sich bei Menschen, die verschiedene Sprachen sprechen, unterschiedlich
manifestieren, aber die zugrunde liegende neuronale Pathologie scheint die gleiche zu sein.
16.8.2 Die kognitiv-neurowissenschaftliche Analyse des lauten Lesens: Tiefen und
Oberflächendyslexie
Das laute Lesen kann auf zwei völlig unterschiedliche Arten durchgeführt werden. Zum einen über
eine lexikalische Verarbeitung, die auf spezifisch gespeicherter Information beruht, die über
geschriebene worte erworben wrude: der Lesende blickt einfach auf das Wort, erkennt es und
spricht es aus. Die andere Art zu Lesen kann über eine phonetische Verarbeitung erreicht
werden: der Lesende blickt auf ein Wort, erkennt die Buchstaben, vokalisiert sie und spricht so
das Wort aus. Die lexikalische Verarbeitung dominiert beim Lesen von vertrauten Wörtern, die
phonetische Verarbeitung beim Lesen von unbekannten Wörtern.
Bei der Oberflächendyslexie haben die Patienten ihre Fähigkeit verloren, Wörter basierend auf
ihren spezifischen Erinnerungen an diese Wörter auszusprechen. (d.h. sie haben Defizite bei der
lexikalischen Verarbeitung) aber sie können beim Lesen immer noch Ausspracheregeln anwenden
(d.h. sie können die Wörter immer noch phonetisch verarbeiten).
Bei der Tiefendyslexie haben die Patienten ihrer Fähigkeit verloregen, Ausspracheregeln auf ihr
Lesen anzuwenden (d.h. sie haben Defizite bei der phonetischen Verarbeitung), aber sie können
immer noch vertraute, konkrete Wörter aussprechen, beruhend auf ihren spezifischen
Erinnerungen an sie (d.h. sie können sie immer noch lexikalisch verarbeiten).
 Eselsbrücke: Oberflächendyslektiker Probleme auf die Gesamtheit des Wortes zu
reagieren, und dies inst ein mehr oberflächliches Problem (wenniger tief) als
Probleme beim Anwenden von Ausspracheregeln, wie es Tiefendyslektiker haben.
186
Kapitel 17: Biopsychologie von Emotionen, Stress und
Gesundheit
17.1 Furcht, die dunkle Seite der Emotionen
17.2 Biopsychologie der Emotion: Einleitung
17.2.1 Frühe Meilensteine der
biopsychologischen Untersuchung
von Emotion
Darwins Theorie der Evolution von
Emotion (1872):
Emotion als Ergebnis der Evolution
1. Emotionale Ausdrücke entwickeln sich
aus Verhaltensweisen, die zukünftiges
Verhalten vorhersagen (z.B.
Drohgebärden)
2. Bei entsprechendem Nutzen 
Weiterentwicklung der kommunikativen
Funktion (event. Verlust der
ursprünglichen Funktion)
3. Gegensätzliche Verhaltensweisen
signalisieren gegensätzliche emotionale
Botschaften (Prinzip der Antithese)
James-Lange-Theorie (1884)
Cannon-Bard-Theorie (1915)
Schein-Wut (1929 von Bard):
Diese kann bei Katzen ausgelöst werden,
deren cerebrale Hemisphären von oben
gesehen bis zum Hypothalamus entfernt
wurden (decortiziert); aber sie kann nict
ausgelöst werden, wenn auch der
Hypothalamus entfernt wurde. Auf der
Grundlage dieser Beobachtungen
schloss Bard, dass der Hypothalamus für
den Ausdruck von aggressiven
Reaktionen notwendig ist und dass die
Funktion des Cortex darin besteht, diese
Reaktionen zu hemmen und
auszurichten.
Limbisches System und Emotionen
(1937 Papez):
Papez nahm an, dass emotionale
Zustände aufgrund der Wirkung der
anderen limbischen Strukturen auf den Hypothalamus ausgedrückt werden und aufgrund der
Wirkung der limbischen Strukturen auf den Cortex erlebt werden.
Kluver-Bucy-Syndrom (1939 von Kluver und Bucy):
Bei Affen denen die anterioren Temporallappen entfernt worden waren. Vehaltensweisen: Verzehr
von nahezu allem was essbar ist, gesteigerte sexuelle Aktivität, die sich oft auf unpassende
Objekte richtet, Neigung, bekannte Objekte wiederholt zu untersuchen, Neigung Objekte mit dem
Mund zu untersuchen und Mangel an Furcht.
17.2.2 Emotionen und das autonome Nervensystem
Emotionale Spezifität des autonomen Nervensystems (ANS):
Die experimentellen Befunde sprechen dafür, dass die Spezifität von ANS-Reaktionen irgendwo
zwischen den Extremen einer absoluten Spezifität und einer absoluten Allgemeinheit liegt. Es gibt
187
reichlich Evidenz, dass nicht alle Emotionen mit demselben Muster von ANS-Aktivität
einhergehen; allerdings gibt es nicht genügend Beweise für die Annahme, dass jede Emotion
durch ein unterschiedliches Muster von ANS-Aktivität charakterisiert ist.
Polygraphische Lügendetektion:
Die Polygraphie ist eine Befragungsmethode, die emotionale Reaktionen des autonomen
Nervensystems verwendet, um den Wahrheitsgehalt der Antworten der Probanden zu erschließen
(nicht unfehlbar). Polygraphie wird zwar gemeinhin als Lügendetektion bezeichnet, aber sie
detektiert Emotionen und nicht Lügen.
Die typische Befragungsmethode ist die Kontrollfragetechnik, bei der die physiologischen
Reaktionen auf die Zielfrage mit den physiologischen Reaktionen auf Kontrollfragen, deren
Antworten bekannt sind, verglichen wird. Problem: in realen Lebenssituation lösen solche Fragen
vermutlich bei allen Verdächtigen eine emotionale Reaktion aus, unabhängig von ihrer Schuld
oder Unschlud.
Lykken (1959) entwickelte den „Guilty Knowledge Test“ (Tatwissen-Test), um das oben
beschriebene Problem bei der Kontrollfragetechnik zu umgehen. Anstatt zu versuchen, den
Verdächtigen bei einer Lüge zu ertappen, bewertet der Untersucher nur die Reaktion des
Verdächtigen auf einer Liste von tatsächlichen und erfundenen Details des Verbrechens.
Unschuldige Teilnehmer reagieren auf all diese Details auf die gleiche Weise, da sie nichts über
das Verbrechen wissen; nur der Schuldige reagiert unterschiedlich.
17.2.3 Emotion und Gesichtsausdruck
Universalität des Gesichtsausdrucks:
Menschen unterschiedlicher Kulturen haben ähnliche Gesichtsausdrücke in ähnlichen Situationen
und diese können von Menschen anderer Kulturen gezeigt und richtig identifiziert werden.
Primäre Gesichtsausdrücke:
Ekman und Frisen schlussfolgerten, dass die Gesichtsausdrücke der folgenden sechs Emotionen,
der Basisemotionen, grundlegend sind: Überraschung, Wut, Trauer, Ekel, Furcht und Freude. Sie
schlussfolgerten weiter, dass alle anderen Gesichtsausdrücke echter Emotionen aus einer
vorhersagbaren Mischung dieser sechs Grundformen zusammengesetzt sind (Affektmischung).
„Facial-Feedback“ Hypothese:
Die Hypothese, dass unsere
Gesichtsausdrücke unser emotionales
Erleben beeinflussen, nennt man
„Facial-Feedback“ Hypothese.
Abb.: Die Auswirkungen des
Gesichtsausdrucks auf das Erleben
von Emotionen. Probanden
berichteten, dass sie sich fröhlicher
und weniger ärgerlich fühlten, wenn
sie während der Betrachtung von Dias
ein fröhliches Gesicht machten, und
dass sie sich weniger fröhlich und
ärgerlicher fühlten, wenn sie Dias
betrachteten, während sie ein
ärgerliches Gesicht machten
(adaptiert nach Rutledge & Hupka,
1985).
Willkürliche Kontrolle des Gesichtsausdrucks:
Da wir unsere Gesichtsmuskeln willkürlich kontrollieren können, ist es möglich, echte
Gesichtsausdrücke zu unterdrücken und dafür falsche vorzuspiegeln. Es gibt zwei Ansätze, um
echte von falschen Gesichtsausdrücken zu unterscheiden (1985 Ekman). Erstens wird die
vorgetäuschte Emotion häufig von Mikroexpressionen (sehr kurze Gesichtsausdrücke) der wahren
Emotion durchbrochen. Zweitens gibt es oft subtile Unteschiede zeischen echten und falschen
Gesichtsausdrücken. Für beide gilt, dass diese von einem qualifiziertem Beobachter bemerkt
werden können.
188
Abb.: Der M. orbicularis oculi und der
M. zygomaticus major sind die beiden
Muskeln, die sich während eines
echten (Duchenne) Lächelns
kontrahieren. Weil es für die meisten
Menschen schwer ist, den lateralen
Anteil des M. orbicularis oculi
willkürlich zu kontrahieren, fehlt einem
vorgetäuschten Lächeln
normalerweise diese
Reaktionskomponente.
Ekman nannte dieses Lächeln
Duchenne-Lächeln.
Mittels der GesichtsmuskelElektromyographie (EMG) können
Veränderungen im motorischen Input
der Gesichtsmuskeln festgestellt
werden, auch wenn diese zu gering
sind, um beobachtbare
Muskelkontraktionen zu verursachen.
Menschen neigen dazu, die
Gesichtsausdrücke anderer Personen
nachzuahmen, selbst wenn sie sich
nicht bewusst sind, was sie sehen.
17.3 Furcht Abwehr und Aggression
17.3.1 Aggressive und defensive Verhaltensweisen
Die Analyse von aggressivem und defensivem Verhalten führte zur Entwicklung des „Target-Site“
Konzeptes (Angriffsziel-Konzept) – der Vorstellung, dass die aggressvien und defensiven
Verhaltensweisen eines Tieres häufig darauf angelegt sind, bestimmte Körperstellen des anderen
Tieres anzugreifen und gleichzeitig bestimmte eigene Körperstellen zu schützen.
17.3.2 Aggression und Testosteron
Die Tatsache, dass zwischen der menschlichen Aggression und dem Testosteronspiegel kein
starker Zusammenhang besteht (bei Nichtprimaten besteht Zusammenhang), könnte bedeuten,
189
dass sich seine hormonelle und neuronale Regulation von der bei säugenden
Nichtprimaten unterscheidet.
 Albert, Walsch und Jonik (1993), dass die Befunde eine andere Schlussfolgerung
stützen. Vermutung, dass Forscher, die menschlich Aggression untersucht haben
häufig nicht zwischen sozialer Aggression, die bei vielen Spezies mit Testosteron
zusammenhängt, und defensiver Aggression, bei der das nicht so ist,
unterschieden haben. Meisten aggressive Ausbrüche des Menschen sind
Überreaktionen auf einen reale oder wahrgenommene Bedrohung und sollten
daher korrekterweise als defensive Attacken und nicht als soziale Aggressionen
betrachtet werden. Folglich passt der Befund, dass beim Menschen keine positive
Korrelation zwischen aggressivem Verhalten und Testosteronspiegel, besteht, zu
den Befunden, dass bei anderen Spezies keine positive Korrelationen zwischen
defensiver Attacke und Testosteronspiegel beobachtbar sind.
17.4 Stress und Gesundheit
17.4.1 Die Stressreaktion
Abb.: Die Stressreaktion kann als
Reaktion zweier Systeme
verstanden werden.
Das linke Verästelung geht auf das
Prinzip von Selye in den 1950er
zurück. Dieser vernachlässigte nur
die Beiträge des sympathischen
Nervensystems.
Der Glucocortidspiegel im Blut ist
das am häufigsten verwendete
physiologische Maß für Stress.
Die Stärke der Stressreaktion
hängt nicht nur vom Stressor und
dem Individuum ab; sie hängt auch
von den Strategien ab, die das
Individuum einsetzt, um den Stress
zu bewältigen.
Alle Arten vo häufig auftretenden
psychischen Stressoren gehen mit
hohen Spiegeln an zirkulierenden
Glucocorticoiden, Adrenalin und
Noradrenalin einher, welche
wiederum mit vielen körperlichen
Krankheiten in Zusammenhang
gebracht werden.
190
Das generelle
Adaptionssyndrom
Hans Selye (1950)
„Stress ist eine
unspezifische
Reaktion des
Organismus auf
Störung der
Homöostase und der
Versuch diese wieder
herzustellen“
Abb.: Alarm-,
Wiederstand-,
Erschöpfungsphase
17.4.2 Stress und Magengeschwüre
Es gibt einen weiteren Faktor, der die Anfälligkeit der Magenwand gegenüber Schädigungen
durch H. pylori (Bakterium, dass für Magenschwüre (schmerzhafte Läsionen der Schleimhäute
von Magen oder Zwölffingerdarm) verantwortlich ist) erhöht, und dieser Faktor ist vermutlich
Stress.
17.4.3 Psychoneuroimmunologie: Stress, das Immunsystem und das Gehirn
191
Psychoneuroimmunologie neues Fachgebiet – das Studium der Interaktionen zwischen
psychischen Faktoren, dem Nervensystem und dem Immunsystem.
Immunsystem:
Das Immunsystem schütz den Körper vor Eindringlingen. Bevor es aber Maßnahmen gegen diese
ergreifen kann, muss es auf irgendeine Art fremde Zellen von Köperzellen unterscheiden. Aus
diesem Grund spielen Antigene – Proteinmolekphle auf der Oberfläche einer Zelle, die diese als
eigen oder fremd kennzeichnen – eine wichtige Rolle für spezifische Immunreaktionen.
Das Immunsystem hat wahscheinlich zwei Arten von Barrieren gegen Infektionen.
1. unspezifische Barriere, die allgemein und schnell gegen die meisten Eindringlinge wiren.
2. spezifische Barriere (zwei Arten), die sich spezifisch gegen bestimmte Arten von Eindringlingen
richten.
2.1 zelluläre Komponente des Immunsystems
2.2 humorale Komponente des Immunsystems
Welche Auswirkungen hat Stress auf die Immunfunktion?
Metaanalyse von Segestrom und Millner (2004). Wiesen nach, dass akute(kurze) Stressoren (z.B.
welche die weniger als 100 min andauern, Wettkämpfe oder öffentliches Reden) tatsächlich zur
Verbesserung der Immunfunktion führten. Verbesserung der Immunfunktion infolge von akutem
Stress hauptsächlich die unspezifischen Immunbarrieren, die schnell aufgebaut werden können,
betrafen.
Im Gegensatz dazu wirkten sich chronisch ( andauernde) Stressoren (z.B. Die Pflege einer
dementen, geliebten Person, Arbeitslosigkeit) negativ auf komplexere Vorgäng des
Immunsystems aus.
Wie beeinflusst Stress die Immunfunktion?
Nervensystem und Immunsystem können über unzählig viele physiologische Mechanismen
interagieren. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass Stress auch über Verhalten auf die
Immunfunktion wirken kann. Beispielsweise zeigen stark gestresste Menschen oft veränderte
Verhaltensmuster bezüglich Ernährung, Schlaf und Medikamentengebrauch, alles Faktoren die
die Immunfunktion beeinflussen können.
Wirkt sich Stress auf die Anfälligkeit für Infektionskrankheiten aus?
Es hat sich als schwierig erwiesen eindeutig nachzuweisen, dass Stress bei menschlichen
Probanden die Anfälligkeit für Infektionskrankheiten erhöht. Ein Grund für diese Schwierigkeit ist,
dass nur korrelative Studien möglich sind. Zahlreiche Untersuchungen haben an menschlichen
Probanden positive Korrelationen zwischen Stress und gesundheitlichen Störungen gefunden.
Durch die Unterstützung von Studien an Labortieren konnte eindeutig gezeigt werden, dass eine
chronische Expositon gegenüber einem Stressor tatsächlich die Immunabwehr stören und die
Anfälligkeit für Infektionen erhöhen kann.
17.4.4 Frühe Stressexposition
Eine frühe schwerwiegende Stressexpositon kann eine Vielzahl nachteiliger Auswirkungen auf die
nachfolgende Entwicklung haben. Kinder, die Misshandlung oder anderen Formen von schwerem
Stress ausgesetzt waren, zeigen eine Reihe von Abnormalitäten in endokrinen und
Gehirnfunktionen.
Die Rattenmütter, die am stärksten auf Stress reagieren, bieten ihren Nachkommen die
schlechteste mütterliche Pflege. Diese schlechte Pflege hat andauernde nachteilige Auswirkungen
auf die Stressreaktionen der Nachkommen. Bedeutung dieser Ereignisse: Sie stellt einen
nichtgenetischen Mechanismus dar, über den Verhaltenstendenzen von Generation zu Generation
weitergegeben werden können.
17.4.5 Stress und Hippocampus
Viele Untersuchungen zur Wirkung von Stress auf das Gehirn wiesen darauf hin, dass der
Hippocampus besonders anfällig für stressinduzierte Effekte ist. Der Grund für diese Anfälligkeit
scheint die besonders dichte Population von Glucocorticoidrezeptoren im Hippocampus zu sein.
Fünf wichtige Befunde:
1. Die Wirkung von Stress scheint auf dem Hippocampus durch eine stressinduzierte
Steigerung der Corticosteroidfreisetzung vermittelt zu sein
192
2. Eine Stressphase, die nur ein paar Stunden dauert, kann strukturelle
Veränderungen im Hippocampus induzieren, die einen Monat oder länger anhalten.
3. Natürliche Stressoren rufen eine stärkere hippocampale Schädigung als künstliche
Stressoren hervor
4. Auswirkungen von Stress auf den Hippocampus sind groß genug, um Verhalten zu stören,
das durch die Hippocampusaktivität vermittelt wird.
5. Auswirkungen von Stress auf den Hippocampus bei Männchen sind etwas größer
17.5 Furchtkonditionierung
Bei der Furchtkonditionierung wird Furcht als Reaktion auf einen vorher neutralen Stimulus (der
konditionierte Stimulus) erzeugt, indem dieser Reiz, normalerweise mehrfach, vor der Applikation
eines aversiven Reizes (der unkonditionierte Stimulus) dargeboten wird. Die Furchtkonditionierung
wurde zur bevorzugten Methode für die Untersuchung von Furcht, da der Ursprung der Furcht (der
unkonditionierte Stimulus) immer eindeutig ist und da die Entstehung der Furchtreaktion
systematisch untersucht werden kann.
17.5.1 Amygdala und Furchtkonditionierung
Die Amygdala erhält Input von allen sensorischen Systemen, und man nimmt an, dass sie die
Struktur ist, in der die emotionale Bedeutsamkeit von sensorischen Signalen gelernt und
gespeichert wird.
Es gibt zwei Bahnen vom Corpus geniculatum mediale (im Thalamus) zur Amygdala: die direkte
(Corpus genicualtum mediale zur Amygdala) und die indirekte, die über den auditorischen Cortex
projiziert. Beide Wege können die Furchtkonditionierung für einfache Töne vermitteln; wenn nur
einer zerstört ist, verläuft die Konditionierung normal. Allerdings ist nur der kortikale Weg in der
Lage, die Furchtkonditionierung für komplexe Geräusche zu vermitteln.
17.5.2 Die Anatomie der Amygdala: Ein Allgemeiner Kommentar
Die Amygdala ist einen Zusammenballung von vielen Kernen, die häufig als Amygdalakomplex
bezeichnet werden.
Die Forscher verfolgen die Bahnen, über die der sensorische Input, der die Anwesenheit eines
konditionierten Stimulus signalisiert, in die Amygdala eintritt, und sie untersuchen, wie dieser Input
193
durch Konditionierung Schaltkreise innerhalb der Amygdala aktiviert, die Verbindungen
zu Strukturen außerhalb der Amygdala ansprechen, welche schließlich die Furchtreaktion
erzeugen.
17.5.3 Kontextuelle Furchtkonditionierung und der Hippocampus
Der Prozess, durch den harmlose Kontexte aufgrund ihrer Assoziation mit furchtinduziernden
Reizen selbst furchtauslösend werden, wird kontextuelle Furchtkonditionierung genannt.
Da der Hippocampus eine Schlüsselrolle beim räumlichen Gedächtnis spielt, ist es sinnvoll zu
erwarten, dass er an der kontextuelen Furchtkonditionierung beteiligt ist. Zwei Arten von
Läsionsstudien als Beleg. Erstens: bilaterale Hippocampusläsionen VOR der Konditionierung
verhindern Furchtreaktion gegenüber dem Kontext, ohne die Entstehung einer Furchtreaktion
gegenüber einem expliziten konditionierten Stimulus (z.B. Ton) zu beeinträchtigen. Zweitens:
verhindern bilaterale Hippocampusläsionen, kurz nach der Konditionierung, das Behalten der
Furchtreaktion gegenüber dem Kontext, ohne die Furchtreaktion gegenüber einem expliziten
konditionierten Stimulus zu beeinträchtigen.
 Beleg durch fMRT Studien, dass beide, Amygdala und Hippocampus, an
menschlichen Furchtreaktionen beteiligt.
17.6 Gehirnmechanismen menschlicher Emotionen
17.6.1 Bei Emotionen haben spezifische Gehirnstrukturen spezifische Rollen
Erstens scheinen bestimmte Gehirnstrukturen nur an manchen menschlichen Emotionen beteiligt
zu sein; beispielsweise scheint die Amygdala für Furcht eine besondere Rolle zu spielen, und zu
einem gewissen Grad für andere negative Emotionen. Zweitens ist eine bestimmte Gehirnstruktur,
die an einer einzelnen Emotion beteiligt ist, nicht unbedingt an allen Aspekten dieser Emotion
beteiligt.
17.6.2 Die rechte Hemisphäre ist beim Menschen stärker an Emotionen beteiligt als die
linke
Viele Belege dafür, dass die rechte Hemisphäre bei der Wahrnehmung von Emotionen dominiert –
sowohl bei der Wahrnehmung von Gesichtsausdrücken als auch von Prosodie (emotionale
Färbung der Sprachmelodie). Allerdings bedeutet das nicht, dass die linke Hemisphäre keine
Rolle spielt oder dass alle Strukturen der rechten Hemisphäre eine größere Rlle spielen als die
korrespondierenden Strukturen in der linken Hemisphäre. Die allgemeine rechtshemisphärische
Dominanz für die Produktion emotionaler Gesichtsausdrücke wird auch durch die genaue
Untersuchung des emotionalen Ausdrucks selbst nahe geleget. Gesichtsausdrücke scheinen sich
auf der linken Seite des Gesichts, die von der rechten Hemisphäre kontrolliert wird, früher und
stärker auszubilden. Bemerkenswerterweise wrude dieselbe Asymmetrie auch bei Affen
beobachtet.
17.6.3 Individuelle Unterschiede in den neuronalen Mechanismen der Emotion
Anders als die Bestandteile des Gehirns, die für die Sensorik und die Motorik entscheidend sind,
scheinen die Gebiete des Gehirns, die für Emotionen wichtig sind, deutlich zwischen Personen zu
variieren. Somit müssen Unterschiede zwischen Versuchspersonen berücksichtigt werden.
194
Birmbauer und Schmidt Kapitel 10
10.1 Blut als Transportmedium
10.1.1 Zusammensetzung und Volumen des Blutes
Blutplasma und interstitielle Flüssigkeit (Interstitium) bilden einen einheitlichen Flüssigkeitsraum,
nämlich den Exrazellulärerraum
Aufgabe des Blutes:
Blut als Transportmedium Sauerstofftransport / CO2 Transport
Nährstofftransport
Transport von Stoffwechselzwischenprodukten
Hormontransport
Wärmeverteilung
Abwehr von Fremdkörpern und Krankheitserreger Immunität
Gerinnung
10.1.2 Bluteiweiße und ihre Aufgaben
Jeder Liter menschlichen Plasmas enthält 65-80g Eiweiß. Dadurch ist das Plasma etwa
doppelt so zähflüssig (viskös) wie Wasser. Im Plasmaeiweiß ist Albumin und verschiedene
Globuline. Die Albuminmoleküle sind für 80% des kolloidosmotischen Drucks
(Plasmaeiweiße können nicht aus den Kapillaren in das Interstitium diffundieren. Im Bezug
195
auf sie besteht daher ein osmotisches Druckgefälle aus dem Interstitium Richtung
Kapillarinnenraum) verantwortlich; dieser ist eine wichtige Kraft beim transkapillären
Flüssigkeitsaustausch. Die Globuline dienen teils als Transportmittel, teils nehmen sie
Schutz- und Abwehrfunktionen wahr (humorale Immunität).
10.2 Herzmechanik
10.2.1 Bau des Herzens, Funktion der Pumpen
Das Blut fließ aus den
großen Körpervenen
(Vena cava superior und
Vena cava inferior) über
den rechten Vorhof in die
rechte Kammer und von
dort in die Arteriae
pulmonales
(Lungenarterie).
Entsprechend fließt das
aus den Lungen
zurückströmende Blut
über den linken Vorhof in
die linke Kammer und
wird von dort in die Aorta
(Körperhauptschlagader)
gepumpt.
 Das Herz ist eine doppelkammerige Druck-Volumen-Pumpe. Sie verfügt
zwischen den Vorhöfen und den Kammern und zwischen den Kammern und
den Arterien über Klappen, die den Blutstrom nur in eine Richtung möglich
machen. Das aus dem Herzen gepumpte Blut dehnt die Arterienwände auf.
Auf diese Weise wird Druckenergie gespeichert und ein gleichmäßiger
Blutfluss sichergestellt.
10.2.2 Arbeitszyklus des Herzen, Herztöne, Herzspitzenstoß
1. Jeder Herzschlag wird durch eine Fullung der Kammern eingeleitet. Dabei fließt das in
den Vorhöfen angesammelte Blut durch die Vorhof-Kammer-Klappen in die Kammern. Zum
Schluss dieser Füllphase kontrahieren sich die Muskelfasern der Vorhofwand und drücken
durch diese Vorhofkontraktion soviel Blut wie möglich in die Kammern. Die Klappen
zwischenden Kammern und den Arterien sind zu dieser Zeit verschlossen.
2. Die Kammern beginnen sich zu kontrahieren. Das heißt, die Muskelfasern spannen sich
an und versuchen sich zu verkürzen. Durch den Druckanstieg in den Kammern schlagen
sofort die Vorhof-Kammer-Klappen zu. Für eine kurze Zeit, die der Anspannung der
Herzmuskelfasern, sind dann alle 4 Klappen des Herzens geschlossen.
3. Die Anspannungszeit endet wenn durch die Kammerkontraktion der Druck in den
Kammern den Druck in den Arterien übersteigt. In diesem Augenblick öffnen sich die
Arterienklappen, und Blut wird aus den Kammern in die Arterien ausgeworfen. Dabei
steigt gleichzeitig der Druck weiter an, um den Druckabfall in den
Arterien seit der letzten Auswurfphase wieder auszugleichen.
4. Nach der Kontraktion erschlafft die Kammermuskulatur. Sobald dadurch der Druck in
den Kammern unter den in den Arterien sinkt, schlagen die Klappen zwischen
ihnen zu. In den Vorhöfen hat sich unterdessen venöses Blut angestaut. Es beginnt, in die
Kammern zu fließen. Der nächste Arbeitszyklus wird eingeleitet.
196
Die vier Phasen des Herzschlages, dargestellt am Beispiel
des rechten Herzens. Die erste und die vierte Phase werden
als Distole, die zweite und dritte Phase als Systole
zusammengefasst.
Ursache für Herztöne und das Herzspitzenstoßes:
Der erste Herzton und der Herzspitzenstoß signalisieren die
Anspannungskontraktion, der zweite den Klappenschluss bei
der Erschlaffung. Herzschall aus pathologischer Ursache wird
Herzgeräusch genannt.
10.2.3 Suffiziente und insuffiziente Herztätigkeit
Herzzeitvolumen: Das in einer bestimmten Zeit vom Herzen
umgepumpte Blutvolumen.
Ein Herz, das den normalen Anforderungen des Alltags
gewachsen ist, wird als suffizient bezeichnet.
Herzmuskelsuffizienz nennt man mehr oder weniger
ausgeprägte Herzmuskelschwächen. Häufige Ursachen sind
lange bestehende Klappeninsuffizienzen oder –stenosen und
chronischer Bluthochdruck.
10.3 Erregungsbildung, Erregungsleitung und
elektromechanische Kopplung im Herzen
10.3.1 Erregungsbildung in Schrittmacherzellen
Das Herz ist ein funktionelles Synzytium (Herzmuskelzellen
alle netzförmig, elektrisch leitend miteinander verknüpft), das
rhythmische Erregung spontan ausbildet. Normalerweise geht
die Herzerregung von den Schrittmacherzellen des
Sinusknoten im rechten Vorhof aus. Fallen diese aus, können
auch andere Herzmuskelzellen die Schrittmacherrolle übernehmen.
10.3.2 Erregungsausbreitung, Aktionspotentiale des Arbeitsmyokards
Die vom Sinusknoten sich ausbreitende Erregungswelle erreicht über den AV-Knoten
(Atrioventrikularknoten, schmale Muskelbrücke in der Herzmitte) die Herzkammermuskulatur.
Das Aktionspotenzial des Arbeitsmyokards weist ein Plateau von 200-400 ms auf. Es ist
umso kürzer, je schneller das Herz schlägt. Während des Plateaus ist das Herz refraktär.
Am Aktionspotential der Herzmuskelfaser sind aufeinander folgende Änderungen der Na+(Aufstrich), der Ca++-(Plateau) und der K+-Leitfähigkeit (Repolarisation) beteiligt. Das
Ruhepotenzial ist im Wesentlichen ein K+-Gleichgewichtspotenzial.
10.3.3 Elektromechanische Kopplung
Die elektromechanische Kopplung wird durch Ca2+-Ionen bewerkstelligt, die während des
Aktionspotenzials aus dem sarkoplasmatischen Retikulum freigesetzt werden.
Festzuhalten ist, dass das Aktionspotenzial 2 wichtige Aufgaben im Dienst der Kontraktion
erfüllt. Erstens einen Triggereffekt (d.h. die Auslösung der Kontraktion und zweitens einen
Auffülleffekt, d.h. eine mit der Erschlaffung einhergehende Bereitstellung von Ca2+-Ionen in
den intrazellulären Speichern für die nachfolgende Kontraktion.
Pharmakologisch Reduzierung der intrazellulären Ca-Konzentration schwächt die Kraft der
Kontraktion, Steigerung stärkt sie.
10.4 Das Elektrokardiogramm, EKG
197
10.4.1 Grundlagen der EKG-Registrierung
Elektrokardiographie ist das Aufzeichnen von elektrischen Potenzialdifferenzen von der
Hautoberfläche, die durch die Depolarisation und Repolarisation des Herzmuskels
entstehen. Das EKG ist als ein Ausdruck der am Herzen ablaufenden Erregung.
Die P-Welle signalisiert die Vorhoferregung, die QRS-Zacken die Erregungsausbreitung in
den Ventrikeln und die T-Welle die dortige Erregungsrückbildung.
10.4.2 Vektorielle Interpretation des EKG
Die Zacken und Wellen des EKG lassen sich als Projektion des resultierenden elektrischen
Dipols (Integralvektor genannt) auf die Verbindungslinie zwischen den Ableitestellen
auffassen. Der Integralvektor spiegelt den Ablauf der Herzerregung in Vorhof und Kammer
wider.
In dieser Abb. Sind die momentanen Integralvektoren und die daraus resultierenden
Ausschläge im Extremitäten-EKG dargestellt. Die zu verschiedenen Zeitphasen von dem
Erregungsprozess erfassten Herzmuskelanteile sind rot markiert. Die Pfeile stellen den
jeweiligen Integralvektor dar, der sich durch Addition der einzelnen Lokalvektoren an der
Ausbreitungsfront ergibt.
198
10.4.3 Das EKG als Diagnosehilfe
Das EKG ist ein wichtiges diagnostisches Hilfsmittel ei der Beurteilung von Bildung,
Ausbreitung und Rückgang der Erregung am Herzen. Ausmaß und Verlauf von Herzinfarkten
lassen sich z.B. über die dabei auftretenden EKG-Veränderungen abschätzen.
Hypoxie: mangelndes O2-Angebot, Anoxie: fehlendes O2-Angebot
199
10.5 Die Anpassung der Herzleistung an den Bedarf
10.5.1 Der Blutdruck und seine Messung
Bei jungen Erwachsenen liegt der systolische Blutdruck bei 120 mmgHg (mmHg = Millimeter
Quecksilber), der diastolische bei 80mmHg. Ihre Differenz ist die Blutdruckamplitude. Im
Alter und bei körperlicher Arbeit steigt v.a. der systolische Blutdruck an.
Der Blutdruckanstieg in der Aorta während der Systole pflanzt sich als Druckpulswelle in 0,2
s über alle Arterien fort. Dünne Arterien mit dicken Wänden leiten die Pulswelle schneller fort
als die Aorta mit ihrer dünnen und elastischen Wand.
Der Blutdruck wird meist nach der Methode von Riva-Rocci gemessen. FINAPRES erlaubt
eine kontinuierliche, nichtinvasive Blutdruckmessung, z.B. zur Erfassung der
kardiovaskulären Reagibilität.
200
10.5.2 Herzarbeit und Herzleistung
Das Herzminutenvolumen beträgt in Ruhe 5
l/min, bei Arbeit das bis zu 7-fache.
Herzarbeit ist nahezu ausschließlich DruckVolumen-Arbeit. Die Volumenarbeit der
beiden Herzkammern ist gleich, die
Druckarbeit des rechten Herzens ist jedoch
viel geringer als die des linken.
10.5.3 Anpassung der Herzarbeit über
den Frank-Starling-Mechanismus
Dehnung der Herzkammern (durch
vermehrten venösen Zustrom oder erhöhtes
Restblut) regt die Arbeitsmuskulatur zu
erhöhter Leistung an. Das Herz kann sich
über diesen Frank-Starling-Mechanismus
autonom an wechselnde Anforderungen
anpassen.
10.5.4 Anpassung der Herzarbeit über
die Herznerven
Die sensible Innervation (Versorgung eines
Körperteils oder Organs mit Nerven) des
Herzens dient teils der Messung der
Vorhoffüllung (über Mechanosensoren,
Afferenzen im Vagus), teils der
Übermittlung von Herzschmerzen (über
Nozizeptoren, Afferenzen im Sympathikus).
Die efferenten sympathische Innervation
wirkt positiv-chronotrop (Erhöhung der
Herzfrequenz) und inotrop (Erhöhte Kraft
der Kontraktion), die parasympathische
hauptsächlich negativ chronotrop (Senkung der Herzfrequenz durch Abflachung des
Schrittmacherpotenzials).
10.5.5 Optimierung der Herzarbeit durch Ausdauertraining
Bei großem Schlagvolumen und geringer Herzfrequenz hat das Herz seinen besten
Wirkungsgrad. Ein regelmäßiges, lebenslängliches Ausdauertraining hält das Herz in Ruhe
und Arbeit im optimalen, niederfrequenten Arbeitsbereich.
10.6 Akute Anpassung des Kreislaufs an den Bedarf
10.6.1 Arterielle und venöse Kreisläufe im Überblick
Das Blut verteilt sich auf 2 Teilkreisläufe, den Körper- und den Lungenkreislauf, wobei die
Venen das meiste Blut enthalten. Die Verteilung des Herzzeitvolumens auf die einzelnen
Organkreisläufe ist sehr unterschiedlich.
Der Blutdruck dient zur Überwindung der Flusswiderstände im Kreislauf. Der größte
Widerstand liegt in den dünnen Arteriolen. Der Gesamtwiderstand des Lungenkreislaufs ist
wesentlich kleiner als der des Körperkreislaufs. Entsprechend weniger Druck wird benötigt.
Die Strömungsgeschwindigkeit des Blutes ist umso langsamer, je größer der
Gesamtquerschnitt des jeweiligen Kreislaufabschnitts ist. Es strömt am schnellsten in der
Aorta und am langsamsten in den Kapillaren.
201
10.6.2 Lokale Modulation der Organdurchblutung
Nach Hagen-Poiseuille hängt der Flusswiderstand eines Gefäßes von der 4. Potenz seines
Radius ab. Änderungen der Gefäßweite, v.a. er Arteriolen, sind daher am besten zur
Anpassung des regionalen Blutangebots an den aktuellen Bedarf geeignet. (s. Abb.)
Die Weite der Arteriolen wird durch den myogenen (vom
Muskel ausgehend) Gefäßtonus vorgegeben (BaylissEffekt). Dieser wird v.a. in Nieren und Gehirn
autoregulatorisch konstant gehalten. Wenn und wo
notwendig , lässt sich die Gefäßweite durch die
sympathischen Gefäßnerven sowie durch Metabolite,
Hormone und NO verändern.
Die Durchblutung der Organe richtet sich einmal nach deren
mehr oder weniger wechselnden lokalen Bedürfnissen, zum
anderen nach der Gesamtsituation des Organismus, da die
Förderkapazität des Herzens beschränkt ist.
10.6.3 Reflektorische Anpassung des Kreislaufs an den Bedarf
Die überregionale, akute Anpassung des Kreislaufs an den Bedarf geschieht reflektorisch.
Die von den Barorezeptoren gelieferte Blutdruckinformation wird in den Kreislaufzentren des
Hirnstamms ausgewertet und in Steuerbefehle an Herz und Gefäßsystem umgesetzt. Ziel ist,
den Blutdruck im Normbereich zu halten
202
10.6.4 Wirkung der Barorezeptoraktivität auf die Hirnaktivität
Stimulation der Barosensoren führt auch zu zentralnervöser Hemmung und damit zur
Abnhame des Muskeltonus, zum Anstieg von Wahrnehmungsschwellen und evtl. zu Schlaf;
die Entstehung einer Bluthochdruckerkrankung kann über diesen Mechnismus begünstigt
werden.
10.7 Mittel- und langfristige Regulation des Kreislaufs
10.7.1 Mittelfristige Regulation
Mittelfristig, d.h. im Minuten-bis Stundenbereich, sorgen das Renin-Angiontensin-System, die
Stressrelaxation der Gefäße und transkapilläre Volumenverschiebung für die
Konstanthaltung des Blutdrucks.
Die langfristigen Regulationsmechanismen wie das renale Volumenregulationssystem regeln
das extrazelluläre Volumen und damit die Füllung des Gefäßsystems, d.h. vor allem den
zentralen Venendruck.
10.7.3 Risikofaktoren für Fehlregulationen im Herz-Kreislauf-System
Psychophysiologische Faktoren (psychische oder soziale Belastungen „Hilflosigkeit“) stellen,
neben dem Bluthochdruck und dem Übergewicht, das bedeutsamste Risiko zur Entwicklung
von Herz-Kreislauf-Erkrankungen dar. Effektive verhaltensmedizinische Präventions- und
Therapieverfahren sind verfügbar, werden aber wenig angewandt.
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