Antibiotische Therapie im Wandel der Zeit

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Diplomarbeit
Antibiotische Therapie im Wandel der Zeit
Bakteriophagentherapie als mögliche Alternative zur antibiotischen Therapie
eingereicht von
Katrin Steinmayr
Geb.Dat.: 30.10.1988
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor(in) der gesamten Heilkunde
(Dr. med. univ.)
an der
Medizinischen Universität Graz
ausgeführt am
Institut für Klinische und Experimentelle Pharmakologie
unter der Anleitung von
Univ.-Prof.i.R. Mag.pharm. Dr. Eckhard Beubler
Graz, 09.04.2014
Katrin Steinmayr
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den
benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich
gemacht habe.
Graz, am 09.04.2014
Katrin Steinmayr
i
Danksagungen
Mein besonderer Dank gilt Herrn Univ.-Prof. i.R. Mag. pharm. Dr. Eckhardt Beubler für
die Betreuung und Unterstützung während der Bearbeitung dieses sehr interessanten
Themas. Außerdem möchte ich mich für die Begutachtung sowie für die Bemühungen in
jeglichen Fragen herzlichst bedanken.
Meinen lieben Eltern, meinen Geschwistern und meinem Partner möchte ich an dieser
Stelle für die großartige Unterstützung während des gesamten Studiums außerordentlich
danken. Für die emotionale Stütze möchte ich ganz besonderen Dank aussprechen.
Meiner besten Freundin und vielen Wegbegleitern möchte ich auch herzlichst danken.
ii
Zusammenfassung
Antibiotika sind seit ihrer Entdeckung die einzige Möglichkeit bakterielle Infektionen zu
therapieren. Deshalb revolutionierten diese Antiinfektiva zu Beginn ihrer Einführung die
Humanmedizin und brachten enorme Erfolge. Doch nun sind Wissenschaftler und
Mediziner mit einer rasant steigenden Resistenzproblematik konfrontiert und die
Wirksamkeit der Antibiotika sinkt stetig. Bakterielle Infektionen bedingt durch
multiresistente Erreger sowie fehlende Neuentwicklung von Antibiotika lassen Mediziner
in Therapienotstand geraten.
In Anbetracht dieser Thematik wurde diese Literaturrecherche, die im Wintersemester
2013/14 durchgeführt wurde, verfasst. Diese soll die derzeitige antibakterielle Therapie
und die damit verbundene steigende Resistenzproblematik beleuchten.
In der vorliegenden Arbeit wird eine genaue Übersicht der sich derzeitig im Einsatz
befindlichen antibiotischen Therapie dargestellt. Die Vorstellung der jeweiligen
Antibiotika- Gruppen wird anhand der zur Verfügung stehenden Fachliteratur beschrieben.
Die aktuellen Resistenzlagen wichtiger Bakterien
gegen bestimmte Gruppen werden
angeführt und deren Ursachen sowie mögliche Maßnahmen zur Vermeidung dieser,
werden diskutiert. Besondere Problemkeime wie MRSA, VRE und ESBL bildende
gramnegative Bakterien, die aktuell im Klinikalltag eine bedrohliche Rolle spielen, werden
beschrieben.
Unter Berücksichtigung der raschen Resistenzentwicklung vieler Bakterien und die
steigende Problematik durch multiresistente Erreger, sollte nach adäquaten Alternativen
gesucht werden. Daher wird hier eine eventuell mögliche Alternative zur antibiotischen
Therapie beschrieben. Dabei handelt es sich um die in Vergessenheit geratene
Bakteriophagentherapie. Obwohl die vielversprechende virale Therapiemethode durch ihre
hohe bakterielle Wirtsspezialisierung viele Vorteile wie ein geringes Nebenwirkungsprofil,
Auto-Dosierung und Biofilmpenetration bringen würde, kann diese noch nicht breit im
klinischen Alltag angewendet werden. Nach Beleuchtung der Vor- und Nachteile der
Bakteriophagentherapie stellte sich heraus, dass durch fehlende Studienlage nach
westlichen Guidelines diese die Antibiotikatherapie noch lange nicht ersetzen wird.
iii
Abstract
Since their breakthrough discovery antibiotics are the only therapeutic option to cure
bacterial infections. The development and mass production of them was one of the
twentieth century’s greatest scientific achievements. At the beginning antibiotics have
comprised Western medicine’s primary defense against bacterial disease and their use was
very successfully. Nowadays scientists and medical practitioners are faced with more
inefficient antibiotics and growing antibiotic resistance. The evolution of multidrugresistant pathogens and the decline of antibiotics newly approved, pose serious challenges
for clinicians. The aim of this thesis, which was realized in winter term 2013/2014, is to
give an up-to- date review about the current effective antibiotics and about the worrisome
increasing occurrence of antibiotic resistance.
An overview of current figures of bacterial resistance, causes that lie behind it and
appropriate strategies out of this problem should be given. Antibiotic- resistant bugs like
MRSA, VRE and ESBL- producing gram- negative bacteria are described, which are
causing enormous problems because of intractable nosocomial infections.
One of this treatment options would be the phage therapy, or the use of bacteriophages to
kill pathogenic bacteria, represents a potentially significant, if currently underdeveloped,
weapon in our ongoing battle against bacterial disease. Although phage therapy would
bring enormous advantages like auto dosing, less side effects and the ability of biofilm
penetration, skeptics argue that phage therapy has not proven its mettle in rigorous, largescale trials following Western protocols. These are reasons, because of them phage therapy
will not replace antibiotic therapy in near future.
iv
Inhaltsverzeichnis
Danksagungen ....................................................................................................................... ii
Zusammenfassung ................................................................................................................ iii
Abstract ................................................................................................................................. iv
Inhaltsverzeichnis .................................................................................................................. v
Abkürzungen ....................................................................................................................... vii
Abbildungsverzeichnis ....................................................................................................... viii
1 Einleitung ...................................................................................................................... 1
2 Beschreibung konventioneller antibiotischer Therapie ................................................. 2
2.1 Allgemein................................................................................................................ 2
2.2 Wirkmechanismus .................................................................................................. 3
2.3 Angriffspunkte der einzelnen Antibiotika .............................................................. 5
2.4 Resistenz ................................................................................................................. 6
2.4.1
Arten der Resistenz .......................................................................................... 6
2.4.2
Resistenzmechanismen: ................................................................................... 7
3 Einteilung in ihre Gruppen ............................................................................................ 8
4 Hemmung der Zellwandsynthese .................................................................................. 8
4.1 Betalactam-Antibiotika mit ihren wichtigsten Vertretern ...................................... 8
4.1.1
Penicilline ...................................................................................................... 11
4.1.2
Cephalosporine und die wichtigsten Vertreter .............................................. 15
4.1.3
Carbapeneme ................................................................................................. 16
4.1.4
Monobactame ................................................................................................ 18
4.2 Glykopeptidantibiotika ......................................................................................... 18
4.3 Fosfomycin ........................................................................................................... 19
5 Hemmung der ribosomalen Proteinsynthese ............................................................... 20
5.1 Aminoglykosidantibiotika .................................................................................... 20
5.1.1
Resistenzlage in Österreich ........................................................................... 22
5.2 Makrolide, Lincosamide und Ketolide ................................................................. 23
5.2.1
Resistenzlage in Österreich ........................................................................... 26
5.3 Tetracycline .......................................................................................................... 27
5.4 Andere auf die Proteinsynthese wirkende Antibiotika ......................................... 29
5.4.1
Chloramphenicol ........................................................................................... 29
5.4.2
Linezolid ........................................................................................................ 30
5.4.3
Proteinsynthesehemmer für die lokale Anwendung ...................................... 30
6 Störung der bakteriellen Zellmembran ........................................................................ 31
6.1 Daptomycin ........................................................................................................... 32
6.2 Polymyxin B, Colistin und Thyrothricin .............................................................. 32
7 Hemmung der Tetrafolat- Bereitstellung im Folsäuremetabolismus .......................... 32
7.1 Sulfonamide, Diaminopyrimidine und Kombinationen ........................................ 32
8 Interferenz mit der bakteriellen DNA .......................................................................... 34
8.1 Fluorchinolone ...................................................................................................... 34
8.1.1
Resistenzlage Österreich................................................................................ 37
8.2 Nitroimidazole ...................................................................................................... 38
9 Antimykobakterielle Wirkstoffe .................................................................................. 39
9.1 Isoniazid ................................................................................................................ 39
9.2 Rifampicin und Rifabutin ..................................................................................... 40
9.3 Ethambutol ............................................................................................................ 40
9.4 Pyrazinamid .......................................................................................................... 41
9.5 Streptomycin ......................................................................................................... 41
v
10 Endet die Ära Antibiotika? .......................................................................................... 41
10.1
Bedrohliche Problemkeime der heutigen Medizin ............................................ 43
10.1.1 MRSA ............................................................................................................ 43
10.1.2 Vancomycin- resistente Enterokokken .......................................................... 45
10.1.3 ESBL- bildende gramnegative Bakterien ...................................................... 47
10.2
Ursachen der Resistenzen.................................................................................. 48
10.3
Maßnahmen gegen die zunehmende Resistenzentwicklung ............................. 49
11 Vorstellung einer möglichen Alternative .................................................................... 51
11.1
Bakteriophagentherapie ..................................................................................... 51
11.1.1 Geschichte der Phagen................................................................................... 51
11.1.2 Was sind Bakteriophagen .............................................................................. 53
11.1.3 Humanmedizinische Anwendungen .............................................................. 57
12 Diskussion ................................................................................................................... 59
13 Literaturverzeichnis ..................................................................................................... 62
vi
Abkürzungen
MRSA
Methicillin- resistenter Staphylococcus Aureus
VRE
Vancomycin- resistente Enterokokken
ESBL
extended- spectrum- ß- lactamases
MHK
minimala Hemmkonzentration
MBK
minimale bakterizide Konzentration
DNA
Desoxyribonukleinsäure
RNA
Ribonukleinsäuren
ß-Lactam- AB
Betalactam Antibiotika
WEF
World economic Forum
PBP
Penicillin- bindendes- Protein
E. coli
Escherichia coli
K. pneumoniae Klebsiella pneumoniae
P. mirabelis
Proteus mirabelis
GREF
Glykopeptid resistenter Enterococcus faecium
VISA
Vancomycin intermediate sensitive Staphylococcus aureus
i.v.
intravenös
p.o.
peroral
TESSy
The European Surveillance System
mRNA
Messanger- RNA
tRNA
Transfer- RNA
2+
Ca
Calciumcarbonat
M. tuberculosis Mykobacterium tuberculosis
M. kansii
Mykobacterium kansii
CA- MRSA
common acquired MRSA
SPL
staphylococcal phage lysate
vii
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Unterschiede in der Gramfärbung entnommen aus (9) .................................... 4
Abbildung 2 Angriffspunkte der Antibiotika bei Bakterien entnommen aus (4) .................. 5
Abbildung 3 Escherichia coli – Aminoglykoside resistent im Ländervergleich 2012
entnommen aus TESSy- The European Surveillance System ............................................. 23
Abbildung 4 Streptococcus- pneumoniae- Makrolide resistent im Ländervergleich 2012
entnommen aus TESSY- The European Surveillance System ............................................ 26
Abbildung 5 Escherichia coli- Fluorchinolone resistent im Ländervergleich 2012
entnommen aus TESSy- The European Surveillance System ............................................. 38
Abbildung 6 MRSA- Raten im Ländervergleich 2012 entnommen aus TESSy- The
European Surveillance System ............................................................................................ 45
Abbildung 7 Enterococcus faecium - Vancomycin resistent Ländervergleich 2012
entnommen aus TESSy- The European Surveillance System ............................................ 46
Abbildung
8:
Klebsiella
pneumoniae-
3.Generations-Cephalosporine
resistent
Ländervergleich 2012 entnommen aus TESSy- The European Surveillance System ......... 48
Abbildung 9: Lysogener und lytischer Zellzyklus bei Bakteriophagen entnommen aus (45)
............................................................................................................................................. 53
viii
1 Einleitung
Die Entwicklung und der breite Einsatz von Antibiotika war eine der größten
wissenschaftlichen Errungenschaften in der westlichen Medizin im Laufe des 20.
Jahrhunderts. Seit mehr als 60 Jahren sind Antibiotika ein unverzichtbares Therapeutikum
im Kampf gegen bakterielle Infektionen. Viele Menschenleben wurden dadurch gerettet
und die Humanmedizin wurde revolutioniert (1). Die Einführung antibiotischer Wirkstoffe
brachte viele Vorteile und trug wesentlich zur Weiterentwicklung der medizinischen
Versorgung bei. Nichtsdestotrotz sind Wissenschaftler nun in einer ähnlichen Situation wie
vor Entdeckung der Antibiotika. Die zunehmende Resistenzentwicklung der Bakterien
gegen gebräuchliche Antibiotika bringen Mediziner in Bedrängnis. Durch übermäßigen,
teilweise unüberlegten Antibiotika- Verbrauch in der Humanmedizin sowie Einsatz der
Wirkstoffe in der Landwirtschaft und Tierzucht verschlimmerte sich die Situation
zunehmend.
Obwohl Bakterien immer schon die Fähigkeit besitzen, Resistenzen zu entwickeln, ist man
nun vor allem mit dem Kampf gegen multiresistente Erreger konfrontiert. Dadurch werden
die zuvor verlässlichen Antibiotika zunehmend unnütze und bakterielle Infektionen werden
erneut zur menschlichen Bedrohung. Multiresistente Erreger wie MRSA, VRE und ESBLbildende gramnegative Bakterien spielen in der Resistenzproblematik eine entscheidende
Rolle (2). Deren Fähigkeit sich ständig weiterzuentwickeln, sich an die gegebenen
Umweltbedingungen anzupassen, sich schnell zu replizieren und nützliches genetisches
Material auszutauschen, begründet und begünstigt ihre Widerstandsfähigkeiten. Während
sich Antibiotika resistente Bakterien immer weiter ausbreiten, hinkt die Entwicklung neuer
potenter antibiotischer Wirkstoffe weit hinterher. So lohnt es sich nicht für
Pharmakonzerne Geld und Zeit in die Forschung an neuen Antibiotika zu investieren,
wenn diese bereits nach kurzer Zeit wieder ineffektiv sind (3).
Daher ist es nun an der Zeit, dass man nach Alternativen zu Antibiotika sucht, um weiter
den hohen Standard in der Therapie von Infektionserkrankungen zu gewährleisten. Dies
wäre ein Möglichkeit, die Medizin nicht wieder in die prä-antibiotische Ära
zurückzuversetzen. In dieser Literaturrecherche wird nach genauer Beschreibung der
herkömmlichen antibiotischen Therapie und deren Resistenzproblematik eine mögliche
Alternative vorgestellt. Dabei handelt es sich um die Bakteriophagentherapie. Die im
Westen in Vergessenheit geratene Therapieform wird mit ihren Vor- und Nachteilen
vorgestellt und mögliche Einsatzgebiete angeführt. Ob sich die Bakteriophagenherapie im
1
Kampf gegen bakterielle Infektionen jemals auch in der westlichen Medizin behaupten
wird, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.
2 Beschreibung konventioneller antibiotischer Therapie
2.1 Allgemein
Ein wichtiger Bestandteil der antiinfektiven Therapie sind die antibakteriellen
Chemotherapeutika, besser bekannt als Antibiotika. Unter Chemotherapeutika im
Allgemeinen versteht man synthetische Verbindungen, welche gegen entartete Zellen,
Viren und Mikroorganismen eingesetzt werden. Die Gruppe der Antibiotika, ist jene
Gruppe der antiinfektiven Therapie, die zur Behandlung bakterieller Infektionen benutzt
wird. Dabei handelt es sich um Naturstoffe, die von Pilzen oder anderen Mikroorganismen
produziert werden. Diese sind fähig Bakterien zu töten oder deren Wachstum und
Vermehrung zu hemmen. Heute werden aber die meisten antibiotisch wirksamen
Pharmaka synthetisch erzeugt, daher werden sie unter der Bezeichnung Chemotherapeutika
geführt (4).
Die Entdeckung der Antibiotika geht wahrscheinlich schon weit in die Antike zurück, als
Chirurgen bereits mit Schimmelpilzarten behaftete Tücher auf Wunden legten um diese
vor Infektionen zu bewahren. Die Schimmelpilztherapie wurde dann aber wegen
mangelnder Hygiene verworfen.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts trugen einige Beobachtungen zur Entdeckung und
Entwicklung der Antibiotika-Therapie bei. So beobachtete 1847 Ignaz Semmelweis per
Zufall auf seiner Geburtenstation, dass durch die Hände- und Instrumentendesinfektionen
mittels Chlorkalk weniger Mütter postpartal starben (5). Die nächste Etappe in der
Etablierung der antibiotischen Therapie erreichte ein deutscher Arzt namens Paul Ehrlich,
der den Begriff der selektiven Toxizität prägte. Der Entdecker einer Substanz namens
Salvarsan, wobei es sich nicht um ein direktes Antibiotikum sondern um eine antibiotisch
wirkende Substanz handelt, die er gezielt gegen Syphilis einsetzte. Dies zählte zu den
ersten gezielten Einsätzen der Chemotherapie. 1929 war schließlich die Geburtsstunde der
antibiotischen Therapie als Alexander Fleming per Zufall Penicillin entdeckte. Er
beobachtete, dass der in Laborkulturen gezüchtete Pilz Penicillium notatum benachbarte
Bakterien in Wachstum hemmte (4). In den darauf folgenden Jahren wurden hauptsächlich
Penicillinpräparate eingesetzt und weiterentwickelt, hier war vor allem die Entdeckung des
Penicillin G 1941 durch Wissenschaftler aus Oxford ein Meilenstein in der Geschichte.
2
Den ersten großen Hype erlebte die antibiotische Therapie schließlich in den 50er Jahren
als diese breit zur Anwendung kamen. Viele Erkrankungen wie Tuberkulose und
Pneumonien, die vorher das Todesurteil bedeuteten, konnten endlich behandelt werden.
Auch im chirurgischen Sektor eröffneten sich neue Möglichkeiten. Operationen, die
aufgrund des hohen Infektionsrisikos vor der antibiotischen Ära nicht möglich waren,
konnten nun durchgeführt werden.
Weitere Eckpfeiler in der Entwicklung der Antibiotika war die Entdeckung des ersten
Antituberkulotikum Streptomycin 1943 durch S.A. Walksman sowie das Hervorbringen
der Cephalosporine 1948 (4). Weiters folgten in den 80er Jahren dann die Fluorchinolone,
welche aufgrund ihres breiteren Wirkungsspektrums große Hoffnung brachten.
Heute sprechen wir von antibakteriell wirksamen Chemotherapeutika im Gegensatz zu den
ersten Antibiotika, welche Naturstoffe waren. Die heutigen Antibiotika werden wie der
Name schon sagt, synthetisch erzeugt oder halbsynthetisch modifiziert (6). Sie können
daher individueller in ihrem Wirkmechanismus optimiert und spezialisiert werden.
2.2 Wirkmechanismus
Der Begriff Antibiotika hat seinen Ursprung im Griechischen und bedeutet annähernd
„gegen Lebendes“. Heute wird dieser Ausdruck für alle antibakteriell wirkenden
Substanzen verwendet (7). Dabei soll es deren Aufgabe sein nicht den befallenen Patienten
zu schädigen sondern den pathogenen Mikroorganismus zu töten. Hier handelt es sich also
um eine spezielle Beziehung zwischen Patient und dessen Immunsystem, bakterieller
Erreger und Antibiotikum. Je nach Virulenz der Keime, gelingt es dem intakten
menschlichen Immunsystem die Barriere von Haut und Schleimhäuten vor dem
Eindringling aufrechtzuhalten. Gelingt es dem Immunsystem des Patienten nicht, den
Keim
abzuwehren,
kommt
es
zu
dessen
Vermehrung
und
dadurch
zur
Infektionserkrankung. In der Therapie der bakteriellen Infektion macht man sich den
unterschiedlichen
Stoffwechsel
und
Aufbau
zwischen
eukaryontischer
und
prokaryontischer Zelle zu Nutze. Prokaryonten besitzen im Gegensatz zu Eukaryonten
keinen Zellkern sondern einen DNA Faden, keine Mitochondrien, eine zusätzliche
Zellwand und eine Zellmembran. Hier liegen daher die jeweiligen Angriffspunkte der
Antibiotika, um nur das Bakterium zu schädigen und nicht den Patienten (8).
Ein wichtiges Detail in der antibiotischen Therapie ist auch die Unterscheidung zwischen
grampositiven und gramnegativen Bakterien. Hier handelt es sich um die Eigenschaft der
Färbbarkeit nach Hans C. Gram (1853-1938). Diese Gram- Unterscheidung erlaubt
Rückschlüsse auf die Zellwandzusammensetzungen. Gram positive Bakterien erscheinen
3
blau in dieser speziellen Gram- Färbung und bieten deshalb nur wenig Barriere für
Antibiotika. Gram negative Bakterien färben sich rot und können aufgrund ihrer äußeren
Zellmembran aus einer Phospholipiddoppelschicht schwieriger mittels Antibiotika
behandelt werden (8).
Abbildung 1 Unterschiede in der Gramfärbung entnommen aus (9)
Grundsätzlich unterscheidet man je nach Wirkung zwei große Gruppen von Antibiotika.
Einerseits die bakterizid wirkenden, und andererseits die bakteriostatisch wirkenden.
Bakterizid bedeutet, dass die Bakterien abgetötet werden und bakteriostatisch wirkend
nennt man ein Antibiotikum, welches nur die Proliferationsphase der Erreger hemmt. Die
Ruheformen der Keime werden dabei nicht zerstört (4).
Je nach Wirkspektrum, welches angibt welche Keime das Antibiotikum am Infektionsort in
welchen Konzentrationen erfasst, teilt man die Substanzen weiter in Schmalband-,
Mittelband- und Breitbandantibiotika ein. Vor allem Breitbandantibiotika werden gern und
oft eingesetzt, da sie ein breites Keimspektrum von gramnegativen Stäbchen bis hin zu
grampositiven Kokken umfassen (5).
In der Charakterisierung antibakterieller Wirkstoffe spielen noch zwei weitere Begriffe
eine wichtige Rolle. Die MHK (minimale Hemmkonzentration), das ist jene geringste in
vitro
gemessene
Konzentration
der
Substanz,
bei
der
das
Wachstum
der
Bakterienpopulation gehemmt wird. Und als zweites die MBK (minimale bakterizide
Konzentration), die in vitro bestimmte geringste Konzentration des Antibiotikums, bei
welcher 99,9 % der Bakterienpopulation getötet ist. Therapeutischer Erfolg stellt sich dann
ein, wenn am Infektionsort die Konzentration des Antibiotikums über der MHK des
Bakteriums bleibt. Umgekehrt wenn die Antibiotikumkonzentration am Infektionsort unter
der MHK des Erregers liegt, verhalten sich diese nicht sensibel (4).
4
2.3 Angriffspunkte der einzelnen Antibiotika
Die Wirkung der antibakteriellen Chemotherapeutika ist von vielen Faktoren abhängig.
Dabei greifen Antibiotika in verschiedene bakterielle Stoffwechselvorgänge ein und
machen sich zu nütze, dass diese bakteriellen Angriffspunkte beim Menschen nicht
existieren. Daher spricht man von selektiver Toxizität (5). Hier kann man folgende
Mechanismen unterscheiden, wo die unterschiedlichen Gruppen angreifen.
1. Hemmung der Zellwandsynthese: durch Betalaktamantibiotika, Glykopeptide und
Fosfomycin
2. Hemmung der Proteinsynthese: durch Aminoglykoside, Tetracycline, Makrolide,
Lincosamide, Ketolide
3. Schädigung der bakteriellen Zellmembran: durch Daptomycin, Polymyxin B,
Colistin und Thyrothricin
4. Hemmung der Tetrafolatbereitstellung (im Folsäuremetabolismus): Sulfonamide,
Diaminopyrimidine
5. Interferenz mit der bakteriellen DNA: wie Gyrasehemmer (Fluorchinolone),
Nitroimidiazole
6. Antimykobakterielle Wirkstoffe: Isoniazid, Rifampicin, Ethambutol, Pyrazinamid,
Streptomycin (10)
Abbildung 2 Angriffspunkte der Antibiotika bei Bakterien entnommen aus (4)
5
2.4 Resistenz
Der Begriff Resistenz ist in den letzten Jahren zu einem sehr häufig verwendeten Wort in
der Medizin geworden. Mehr und mehr müssen sich Mediziner und Wissenschaftler mit
diesem Problem auseinandersetzen, dass immer mehr Bakterien Resistenzen entwickeln.
Grundsätzlich versteht man unter Resistenz die Widerstandfähigkeit eines Keimes gegen
ein Antibiotikum. Die Interaktion zwischen bakterieller Zielstruktur und Antibiotikum
findet nicht im gewünschten Ausmaß statt. In solch einem Fall ist es einem Antibiotikum
also nicht mehr möglich das Bakterium abzutöten oder zu schädigen und ist daher
wirkungslos (8).
2.4.1 Arten der Resistenz
Es werden verschiedene Arten der Resistenzen unterschieden. Man differenziert zwischen
natürlicher, primärer und sekundärer Resistenz.
 Natürliche Resistenz: es besteht die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem
Antibiotikum bei allen Stämmen einer Spezies. Es bestehen keine Veränderungen
im bakteriellen Erbgut und trotzdem wirkt das Antibiotikum nicht.
 Primäre Resistenz: schon vor antibiotischer Therapie sind bestimmte bakterielle
Stämme einer Spezies unempfindlich gegenüber dem Chemotherapeutikum. Unter
der Behandlung findet eine Selektion der resistenten Stämme statt.
 Sekundäre Resistenz: hier handelt es sich um eine im Laufe der Zeit erworbenen
Resistenz. Das zuerst auf ein bestimmtes Antibiotikum sensible Bakterium, wird
durch Mutationen zum resistenten Keim. Bei dieser Art unterscheidet man die OneStep (Einschritt-) Resistenz von der Multi- Step- (Mehrschritt-) Resistenz (5)
Bei der Einschritt- Resistenz entwickelt sich die Widerstandsfähigkeit relativ schnell nach
mehrmaliger Exposition des Bakteriums gegenüber dem Antibiotikum. Zu dieser Gruppe
werden beispielsweise Antituberkulotika und Makrolid- Antibiotika gezählt.
Im Gegensatz dazu gibt es noch die Multi- Step Resistenz, welche sich in mehreren
Mutationsschritten langsam entwickelt. Von dieser Art der Resistenz spricht man bei
Betalaktam- Antibiotika, Aminoglykosiden, Tetracyclinen, Chloramphenicol, Linezolid,
neueren Fluorchinolonen und Sulfonamiden. (5)
6
2.4.2 Resistenzmechanismen:
Um sich widerstandsfähig zu machen und einem Antibiotikum zu strotzen, bedient sich ein
Bakterium verschiedener Mechanismen um dies zu erreichen. Viele Mikroorganismen sind
schon aufgrund ihrer chromosomalen Erbinformation resistent, hier spricht man von
chromosomaler Resistenz.
Das Gegenstück dazu nennt man extrachromosomale Resistenz, welche zwischen den
Bakterien in Form von Resistenzplasmiden übertragen werden kann. Dabei handelt es sich
um ringförmige DNA Moleküle mit ein oder mehreren Genen, die von einem Bakterium
zum nächsten gegeben werden. Diese Plasmide werden mittels Konjugation oder
Transduktion von Zelle zu Zelle übertragen. Auch mittels Phagen, wie es speziell bei
Staphylokokken der Fall ist, können Plasmide nach Einarbeitung in ihr eigenes Genom, an
eine andere Zelle weitergegeben werden.
Gramnegativen Bakterien bedienen sich bei den Übertragungsmöglichkeiten eher der
Konjugation, durch welche auch speziesübergreifend Plasmide übertagen werden können.
Dagegen ist die Weitergabe der Resistenzgene durch Phagen und Transduktion
speziesspezifisch gebunden.
Eine weitere Methode Resistenzen rasch zu verbreiten ist der Austausch von Transposons
(kleine DNA Moleküle), die intrazellulär von Plasmid zu Plasmid oder Chromosom
übertragen werden. Jeder Partner besitzt nach Austausch diese neue genetische
Information. Die Information der Resistenz wird schließlich via Plasmiden in die andere
Zelle transferiert (5).
Alle diese Mechanismen führen im Bakterium zur Entwicklung folgender Fähigkeiten:
 Bildung von Enzymen, welche das Antibiotikum inaktivieren. So hemmen ßLactamasen die Wirkung von Betalactam- Antibiotika. Die enzymatische
Phosphorylierung und Acetylierung findet bei Aminoglykosid- Antibiotika statt.
 Die Herabsetzung der Zellpermeabilität resultiert in der geringeren Aufnahme des
Antibiotikums wie es bei Fluorchinolonen, Aminoglykosiden und Sulfonamiden
der Fall ist.
 Beschleunigte Ausschleußung von den jeweiligen Antibiotika durch Effluxpumpen
wie beispielsweise bei Tetracyclinen.
 Abnahme der Bindungsfähigkeit der Antibiotika an das Bakterium wie
beispielsweise bei ß- Lactam- Antibiotika, Aminoglykosiden, Makroliden und
Glykopeptidantibiotika (5)(8).
7
Diese
steigende
Problematik
durch
Antibiotikaresistenzen
lässt
viele
Fragen
unbeantwortet. Vor allem wie sich die weitere Entwicklung und die Knappheit der noch
wirksamen Antibiotika in Zukunft weitergestaltet. Von der WEF (World Economic Forum)
wird berichtet, dass die Antibiotikaresistenzen eine große Gefahr für die Menschheit
darstellt. Es stellt sich hauptsächlich die Frage ob wir je der Geschwindigkeit, mit der sich
Antibiotikaresistenzen entwickeln, mittels Neuentwicklung adäquater antibiotischer
Therapie stand halten können. Trotz aller Bemühungen neue Maßnahmen zu entwickeln,
sind die Ideen nicht ausreichend gut genug um das Resistenzproblem in den Griff zu
bekommen. Prokaryonten schaffen es seit ihrem Ursprung vor Billionen Jahren sich
widerstandsfähig zu machen um weiterzuleben. Dieses Problem der Resistenzen gibt es
also seit Menschen Gedenken, was ein interessanter Fund beweist. In Höhlen, welche vier
Millionen Jahre nicht betreten wurden, entdeckte man bereits Resistenzen gegen
Antibiotika. Es wurden hier außerdem Resistenzen auf synthetisch erzeugte Antibiotika,
die erst im 20. Jahrhundert auf den Markt kamen, bei den gefundenen Bakterien entdeckt
(11). Nun ist es also an der Zeit auch andere Alternativen so weit zu erforschen, dass sie in
der Medizin wirksam als Therapie von bakteriellen Infektionen eingesetzt werden können
(siehe Punkt 11).
3 Einteilung in ihre Gruppen
Wie bereits erwähnt werden Antibiotika grob nach Wirkspektrum in Schmal-, Mittel und
Breitband Antibiotika eingeteilt. Weiter unterteilt man sie nach den Angriffspunkten in
unterschiedliche Gruppen. Zu den heute am häufigsten verordneten Antibiotika gehören
die Betalaktam- Antibiotika wie Penicilline, Cephalosporine und Peneme. Tetrazycline mit
den Wirkstoffen Minocyclin und Doxicyclin sowie die Makrolide Azithromycin,
Clarithromycin und Erythromycin. Fluorchinolone wie Ciprofloxacin und Oloxacin
werden nicht mehr so häufig verschrieben.(7)
Hier wird eine Übersicht der derzeit angewendeten Antibiotika gegeben und auf spezielle
Nebenwirkungen bzw. Besonderheiten hingewiesen. Die Einteilung erfolgt nach
Wirkmechanismen.
4 Hemmung der Zellwandsynthese
4.1 Betalactam-Antibiotika mit ihren wichtigsten Vertretern
In diese Gruppe werden Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme und Monobactame
gezählt. Als strukturelles Merkmal ist ihnen ein viergliedriger ß-Laktamring gemeinsam.
Außerdem ist diese Gruppe gut wasserlöslich aufgrund der Fähigkeit der Salzbildung (4).
8
Pharmakodynamik
Allgemein kann man sagen, dass das Wirkungsspektrum bei dieser Gruppe stark variiert.
Es umfasst sowohl grampositive als auch gramnegative Bakterien oder wirkt nur gegen
eine dieser beiden Bakterienpopulationen. (5)
Betalactam- Antibiotika zählen zu den bakterizid wirkenden Antibiotika. Hier wird die
bakterielle Mureinsynthese der Zellwand blockiert, ein Mechanismus, welcher nur von der
bakteriellen Zelle betrieben wird und nicht von der menschlichen (4).
Dieser bakterizide Wirkmechanismus ist folgendermaßen zu erklären. Durch Hemmung
der Transpeptidase, was den letzten Schritt der Mureinsynthese der Zellwand des
Bakteriums darstellt, wirkt ein Betalactam- Antibiotikum bakterizid. Dabei öffnet es seinen
ß-Lactamring und bindet an das aktive Zentrum der Transpeptidase und dieser Schritt führt
zur irreversiblen Blockade (5). Als Angriffspunkt der Betalactam- Antibiotika dienen die
bakteriellen Mureinsynthethasen, auch bekannt als PBP (Penicillin-bindendes-Protein). Es
handelt sich dabei um Enzyme, welche im bakteriellen Wachstum eine große Rolle spielen
(4).
In Puncto PBP und Zellwandaufbau unterscheiden sich die Bakterienstämme und genau
hier greifen Betalaktam- Antibiotika an. Die unterschiedlichen chemisch-physikalischen
Charakteristika der Gruppe ermöglichen ein sehr breites Wirkspektrum. Diese sind
abhängig von ihrer Penetrationsfähigkeit in die Bakterienzelle und ihrer Affinität zu den
einzelnen Enzymen (5).
Resistenzmechanismen gegen Betalactam- Antibiotika:
Bakterien entwickeln ihre Resistenzen langsam gegenüber Betalactam- Antibiotika. Dabei
beruht die Widerstandsfähigkeit der Bakterien gegenüber ß-Lactam-AB auf der
Inaktivierung durch ß- Lactamasen, der Veränderung des Angriffspunktes mittels
veränderter Penicillin- Bindeproteine und Membranveränderungen. Beispielsweise durch
verminderte Aufnahme der Antibiotika durch Porindefekte oder vermehrte Ausschleußung
durch Effluxpumpen (12).
Das wichtigste für den klinischen Alltag sind die ß-Lactamasen, Enzyme welche die
Öffnung des ß-Laktamrings bewirken und dadurch die Wirkung der Antibiotika
verhindern. Penicillinasen (z.B. bei Staphylokokken) und Cephalosporinasen (z. B. bei
Pseudomonas) stellen hier die häufigsten Enzyme dar. Grampositive Bakterien geben im
Gegensatz zu gramnegativen Keimen ihre ß-Lactamasen in die Umgebung nach außen ab.
Bei gramnegativen Erregern bleibt das Enzym im periplasmatischen Raum (13).
9
Eine wichtige Rolle im klinischen Alltag spielt noch die Plasmid- oder Transposonvermittelte ß-Lactamase- Produktion. Erstmals wurde eine solche Plasmid-kodierte ßLactamase aus gramnegativen Keimen 1965 beschrieben, genannt TEM-1 oder ein
ähnliches Enzym SHV-1. Heute sind circa 200 solcher Lactamasen vom TEM-Typ oder
SHV-Typ bekannt. Sie kommen hauptsächlich bei E.coli, K. pneumoniae, P. mirabelis und
bei anderen Enterobactericae vor. Durch Mutationen und Austausch „beweglicher Gene“
entwickeln sich daher zunehmend „neue ß-Lactamasen“, die auch Cefatoxim und andere
Cephalosporine mit breitem Spektrum hydrolisieren. Hier spricht man von so genannten
ESBL (extended spectrum ß-lactamases). Infektionen durch solche Keime konnte man
beispielsweise mit Carbapenemen behandeln. Aber auch hier werden Resistenzen durch
die Bildung von Carbapenemasen zunehmend mehr. So laufen Studien im Bayrischen
Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, zur Untersuchung der Verbreitung
von ESBL in der Normalbevölkerung. Es zeichnet sich dabei ein Trend ab, dass 7% der
Studienteilnehmer mit ESBL- bildenden-E. coli besiedelt sind. So erkennt man, dass die
Einbringung von ESBL- Bildnern in Krankenhäuser nicht vermeidbar ist (13).
Pharmakokinetik
Die meisten Betalactam- AB werden parenteral verabreicht, da sie nicht magensäurestabil
sind und daher zur oralen Verabreichung ungeeignet sind. Betalactam-AB verteilen sich
hauptsächlich extrazellulär und werden daher nicht zur Behandlung intrazellulär
eingedrungener Keime eingesetzt (z.B. Legionellen). Außerdem kommt es mit steigendem
Entzündungsgrad des Gewebes zur ph-Wert Senkung, was die Wirkung positiv beeinflusst
(4).
Der Hauptteil dieser Arzneimittel wird unverändert ausgeschieden und hat eine kurze
Plasmahalbwertszeit von etwa einer Stunde. Auch Cephalosporine werden sehr schnell
eliminert außer Ceftriaxon mit einer Plasmahalbwertszeit von etwa 8 Stunden. Bei der
Ausscheidung spielt die renale Elimination die Hauptrolle und daher muss die Dosierung
bei Niereninsuffizienten Patienten entsprechend angepasst werden (4).
Nebenwirkungen und Interaktionen
Neben gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Diarrhoe, Übelkeit und Erbrechen können
Überempfindlichkeitsreaktionen auftreten. Mit einer Häufigkeit von 1-10% kommt es nach
Gabe eines Betalactam- Antibiotikums zur Allergie. Am häufigsten treten allergische
Reaktionen bei Penicillinen auf und dies passiert häufiger nach parenteraler Gabe als nach
oraler Verabreichung. Die schwerste Form dabei ist die Anaphylaxie, welche bei 0,05%
aller allergischen Reaktionen auftritt. Bei echter Penicillinallergie reagiert der Patient auf
10
alle Penicillinderivate allergisch. Klinisch präsentiert sich dies durch ein urtikarielles
Exanthem, welches durch Gedächtniszellen vermittelt wird. Oder es kommt zur Vaskulitis,
wobei sich der Wirkstoff an zirkulierende Serumproteine gebunden hat. Davon zu
unterscheiden ist ein masernähnliches Exanthem, welches bei falsch induzierter
Verabreichung von Aminopenicillinen bei viralem Infekt wie bei Mononukleose auftritt
(4).
Weiters
werden
den
Betalactam-
Antibiotika
eine
neurotoxische
Komponente
zugesprochen. Hohe Dosen von Penicillin G beispielsweise können das Auftreten von
Krampanfällen hervorrufen. Das Potential des Auftretens der Neurotoxizität steigt bei
höheren Dosen und eingeschränkter Nierenfunktion sowie Vorschädigungen des
Zentralnervensystems (4). So zeigt eine retrospektive Studie, in welcher die neurotoxe
Wirkung von ß-Lactamen auf Dialysepatienten untersucht wurde, dass eine deutliche
Besserung der neurotoxischen Nebenwirkungen erzielt werden kann, wenn die
Dosierungen adäquat angepasst werden (14).
Arzneimittelinteraktionen beobachtet man in Kombination mit Aminoglykosiden. Beide
werden oft miteinander kombiniert, dürfen aber nicht gemeinsam in einer Infusionsflasche
gemischt werden, da es zur Inaktivierung der Wirkstoffe kommen kann. Im Blut
beobachtet man dieses Phänomen nicht (4).
4.1.1 Penicilline
Wie bereits oben erwähnt wurde Penicillin 1928 per Zufall entdeckt. Die natürlich
vorkommenden Penicilline wurden aus den Pilzkulturen Penicillium notatum und
Penicillium chrysogenum isoliert. Von diesen natürlichen Penicillinen hat heute nur mehr
Penicillin G (Benzylpenicillin) klinische Relevanz. Allen gemeinsam ist diesen ihr
Grundgerüst, die 6- Aminopenicillansäure, ein bicyclisches Dipeptid aus Cystin und Valin.
Unterschiede bestehen unter den einzelnen Penicillinen in der Carbonsäure, mit der die
Aminogruppe in 6-Stellung acyliert wird. Durch Weiterentwicklung zu partialsynthetisch
hergestellten Penicillinen konnten Nachteile von Penicillin G verringern. Beispielsweise
deren
Säureempfindlichkeit
und
dadurch
hoher
Resorptionsverlust
bei
oraler
Verabreichung, die Inaktivierung durch Penicillinasen sowie die Unwirksamkeit gegen die
meisten gramnegativen Bakterien wurden verbessert.
Penicilline sollten bei Infektionen durch Penicillin- sensible Keime Mittel der ersten Wahl
sein. Vor allem aufgrund ihrer bakteriziden Wirkung und wegen der geringen Toxizität soll
die Wahl auf dieses Antibiotikum fallen (5).
11
Heute unterscheidet man vier Gruppen von Penicillinen, die im Einsatz sind. Penicillin G
und seine direkten Derivate (Oralpenicilline, Depotpenicilline), Penicillinase- stabile
Penicilline (Isoxazolylpenicilline), Aminopenicilline und Acylaminopenicilline mit
erweitertem Wirkungsspektrum (4).
Nebenwirkung:
Hier ist als wichtigste Nebenwirkung der Penicilline die allergische Reaktion zu erwähnen.
Die Symptomatik reicht von harmlosen Hauterscheinungen bis zur Anaphylaxie. Daher
muss vor Applikation eine genaue Anamnese erhoben werden (6).
Pharmakokinetik:
Penicilline sind auf intrazelluläre Bakterien wie Legionellen, Chlamydien, Rickettsien und
Brucellen unwirksam. Da sie Zellmembranen eigentlich nicht überwinden können, ist auch
die Blut-Hirn-Schranke nicht passierbar außer bei Meningitis, da hier die Barrierefunktion
der Blut-Hirn-Schranke gestört ist (6). Nun werden die einzelnen Penicillinpräparate kurz
vorgestellt.
4.1.1.1 Penicillin G (Benzylpenicillin) und Oralpenicilline
Wegen der geringen Toxizität und der eher geringen Resistenzentwicklung gilt Penicillin
G noch als Mittel der Wahl bei Infektionen durch empfindliche Keime. Hier zählen
Meningokokken, Pneumokokken, Streptokokken und Gonokokken dazu (15). Bei
gramnegativen Stäbchen, Turberkelbakterien, Rickettsien und Pilzen zeigt Penicillin G
keine Wirkung. Auch bei Staphylokokken wirken sie schlecht, da sie bis zu 80%
Penicillinasen aufweisen. Resistenzen zeichnen sich derzeit bei Pneumokokken ab (5).
Oralpenicilline weisen das gleiche Wirkspektrum wie Penicillin G auf (4).
Pharmakokinetik
Oralpenicilline (Penicillin V und Propicillin) haben den Vorteil gegenüber Penicillin G,
dass sie oral appliziert werden können. Benzylpenicillin hingegen wird bei oraler
Applikation wegen seiner Säureinstabilität weitgehend zerstört und muss daher parenteral
verabreicht werden. Aufgrund der kurzen Halbwertszeit von 30 - 60 min, müssen zur
Aufrechterhaltung der Plasmaspiegel im 3 - 4 h Takt Infusionen/Injektionen verabreicht
werden. Die Elimination erfolgt zu 80 % tubulär und der Rest glomerulär. Penicillin G
wird rasch in Knochen und Gelenken verteilt und hat eine geringe Liquorgängigkeit (5).
Bei den säurestabilen Oralpenicillinen werden 60 % resorbiert, wobei eine gleichzeitige
Nahrungsaufnahme die Resorptionsrate verringert (4).
12
4.1.1.2 Penicillinasefeste Isoxazolylpenicilline
Die besondere Eigenschaft dieser Gruppe ist eine gute Penicillinasefestigkeit. Die übrigen
Penicilline werden von den meisten Staphylokokken inaktiviert. Aufgrund deren
Penicillinasefestigkeit ist es möglich, diese Gruppe auch bei empfindlichen Penicillaseproduzierenden Staphylokokken einzusetzen. Jedoch ist die Wirkung von Oxacillin,
Dicloxacillin sowie Flucloxacillin deutlich schwächer bei Staphylokokken als Penicillin G
und gegen gramnegative Keime sind sie völlig wirkungslos. Leider ist ein Großteil der
Koagulase-negativen Staphylokokken und ca. 10 % der Staphylococcus- Aureus Stämme
bereits unempfindlich auf die sogenannten Staphylokokken Antibiotika. Daher werden
diese Stämme international als MRSA (Methicillin- resistente Staphylococcus aureus
Stämme) gehandhabt. Das penicillinase-stabile Methicillin dient nur als Testsubstanz um
MRSA Stämme zu detektieren und hat keine therapeutische Bedeutung. Die Bezeichnung
multiresistente Staphylococcus- aureus Stämme deshalb, da diese Stämme weiter gegen
viele andere Antibiotika resistent sind (4).
MRSA sind die häufigsten resistenten Erreger, die nosokomiale Infektionen in Europa
verursachen. Neben Krankenhäusern und Altenheimen sind mittlerweile auch andere
MRSA Reservoire von großer Bedeutung (Punkt 10.1.1).
Pharmakokinetik
Allgemein gesagt, werden Isoxazolylpenicilline aus dem Magen bzw. enteral gut
resorbiert. Die Plasmahalbwertszeit beträgt 30- 60 Minuten und diese werden renal
ausgeschieden. Oxacillin wird parenteral verabreicht und Flucloxacillin kann sowohl oral
als auch parenteral gegeben werden (4).
4.1.1.3 Aminopenicilline
Die wichtigsten Wirkstoffe dieser Gruppe der sogenannten Penicilline mit erweitertem
Wirkspektrum (Breitspektrumantibiotika), sind Ampicillin und Amoxicillin. Vor allem
wegen ihrer Wirksamkeit gegen gramnegative Erreger wie Enterokokken, Haemophilus
influenzae, und Campylobakter-Arten werden diese gern und breit angewendet. Daher
werden die Breitbandantibiotika vor allem bei Infektionen im Urogenitaltrakt und der
Atemwege sowie bei Otitis media eingesetzt (5).
Die Gabe von Ampicillin ist bei Patienten mit Mononukleose oder Infektionen durch das
Epstein-Barr Virus kontraindiziert, da es zu Hauterscheinungen kommt. Resistenzen
werden bei Pseudomonas aeruginosa, Klebsiellen, Enterobacter, Citerobacter, Serratien
und Proteus beobachtet (5).
13
Pharmakokinetik
Ampicillin kann aufgrund der Säurestabilität oral appliziert werden, jedoch wird die
Darmflora angegriffen und wird daher eher parenteral gegeben. Amoxicillin wird wegen
der hohen Resorptionsrate von 80 % oral verabreicht. Daher führt Amoxicillin weniger
häufig zu gastrointestinalen Nebenwirkungen und sollte bei peroraler Applikation
Ampicillin
vorgereiht
werden.
Beide
werden
unverändert
renal
mit
einer
Plasmahalbwertszeit von einer Stunde ausgeschieden (4).
Nebenwirkungen
Es können wie bei allen Penicillinen allergische Reaktionen auftreten und die weiteren
Nebenwirkungen wurden in Punkt 4.1 aufgelistet. Wird jedoch Ampicillin bei einer
Infektion bedingt durch Ebstein-Barr-Virus gegeben, kommt es zum Auftreten eines
makulopapulösen Exanthems (5).
4.1.1.4 Acylaminopenicilline
Wirkstoffe wie Mezlocillin und Piperacillin gehören zu dieser Gruppe, die strukturell einen
Acylsubstituenten an der Aminogruppe haben, was sie von den Aminopenicillinen
unterscheidet. Das Wirkspektrum ist breiter als bei den Aminopenicillinen, vor allem die
gramnegativen Keime betreffend. Häufig werden sie bei Pseudomonas und Proteus- Arten
sowie gegen Enterokkoken eingesetzt. Acylaminopenicilline dringen rasch in die
Bakterienzellwand ein, sind aber nicht säurestabil und daher auf die parenterale Gabe
angewiesen. Weiters sind sie nicht penicillinasestabil und daher oft in Präparaten mit ßLactamase Hemmstoffen kombiniert (10).
4.1.1.5 Betalactamasehemmstoffe (Oxalcatame)
Clavulansäure, Sulbactam und Tazobactam werden als sogenannte Inhibitoren der ßLactamasen bezeichnet. Diese Wirkstoffe selbst wirken nicht antibakteriell sondern werden
in Kombination mit Betalactam- Antibiotika angewendet und erweitern durch Hemmung
der ß-Lactamasen deren Wirkspektrum (10). Besonders wirkungsvoll zeigen sich die
Kombinationspräparate in der Therapie bei Infektionen durch gramnegative Stäbchen und
Staphylokokken. Hier beispielsweise die Kombination aus Penicillinen und ß-Lactamasen
wie Amoxicillin mit Clavulansäure oder Piperacillin und Tazobactam (7). So macht
Piperacillin mit Tazobactam viele ß-Lactamasen und auch Cephalosporinasen unwirksam.
Die Kombination aus Amoxicillin mit Clavulansäure lässt an sich Amoxicillin-resistente
Stämme wie Staphylokokkus und Haemophilus influenzae wieder empfindlich auf das
Antibiotikum reagieren (4).
14
4.1.2 Cephalosporine und die wichtigsten Vertreter
Diese Gruppe hat ihren Ursprung aus dem Pilz Cephalosporium acremonium. Merkmal
dieser Gruppe ist der schwefelhaltige 6- gliedrige Ring, der dem ß-Lactamring angehängt
ist. Genauso wie die Penicilline haben Cephalosporine als Angriffspunkt die
Bakterienwand. Die Einteilung erfolgt in orale und parenteral verabreichbare
Cephalosporine. Weiters unterteilt man sie je nach Wirkspektrum in drei Gruppen und bei
den oralen wird die dritte Gruppe noch in die Untergruppen 3a und 3b untergliedert (6).
Pharmakodynamik und Wirkspektrum
Das Wirkspektrum bei grampositiven Keimen, ist dem der penicillinase- stabilen
Penicillinen sehr ähnlich, nur benötigt man höhere Dosen. Im Bereich der gramnegativen
Bakterien kann man die Wirkung mit Ampicillin vergleichen (10). Gegen Enterokokken,
Listerien, multiresistente Staphylokokken (MRSA), intrazellulär wachsende Bakterien wie
Legionellen und Chlamydien sowie Mykoplasmen (keine Zellwand) und Clostridium
difficile zeigen Cephalosporine keine Wirkung. Die Tatsache, dass sie gegen intrazellulär
wachsende Keime unwirksam sind, hat große therapeutische Bedeutung (6).
 Gruppe 1:
Parenteraler Vertreter ist Cefazolin und zu den oralen gehören Cefaclor, Cefadroxil
und Cefalexin. Die zeigen gute Wirkungen auf Streptokkoken, Staphylokokken
aber der parenterale Vertreter zeigt eine schlechte Wirkung auf ß-Lactamase
bildende Stämme (7).
 Gruppe 2:
Parenteral umfasst die Gruppe Cefuroxim und Cefotiam als Vertreter. Cefuroxim
ist auch oral verfügber (7). Dieser Gruppe ist die zusätzliche Wirkung auf
gramnegative Keime wie Escherichia coli, Klebsiellen, Proteus und Haemophilus
influenzae gemeinsam und eine erhöhte ß-Lactamase Stabilität (6).
 Gruppe 3a und Gruppe 3 der Oralcephalosporine:
Die Breitspektrumantibiotika zeigen eine weitere Erhöhung der Wirksamkeit bei
gramnegativen Bakterien als Gruppe 2 inklusive Enterobakterien. Borrelien sowie
gramnegative Kokken wie beispielsweise Meningokokken und Gonokokken sind
auch inkludiert. Cefotaxim und Ceftriaxon gehören der 3a Gruppe an. Cefixim,
Cefpodoxim und Ceftibuten sind die Oralcephalosporine (6).
 Gruppe 3b: Mit den Wirkstoffen Ceftazidim und Cefepim kennzeichnet diese
Gruppe im Vergleich zu Gruppe 3a eine zusätzliche Wirkung auf Pseudomonas
aeruginosa (5)(6).
15
Pharmakokinetik
Außer der Oralcephalosporinen haben Cephalosporine eine eher schlechte Resorbtionsrate
im Gastrointestinaltrakt. Die meisten haben eine kurze Halbwertszeit mit etwa 1-2
Stunden. Ausnahme ist hier Ceftriaxon mit einer Plasmahalbwertszeit von 8 Stunden.
Ceftriaxon wird effektiv über die Galle ausgeschieden. Vorteil ist deshalb die einmalige
Dosisanpassung pro Tag und bei Niereninsuffizienz muss wegen der billiären
Ausscheidung keine Dosisanpassung stattfinden. Nachteil bei der billiären Ausscheidung
ist das Risiko des Ausfalls der Ceftriaxon- Kalziumsalze und eine dadurch bedingte
Pseudocholelithiasis. Kennzeichnend für fast alle Cephalosporine ist auch eine geringe
Plasmaeiweißbindung
Eine
Ausnahme
bildet
hier
nur
Ceftazidim
mit
einer
Plasmaeiweißbindung von 95 %. In der Regel werden Cephalosporine renal eliminiert,
außer Cefotaxim und Cefixim die auch extrarenal ausgeschieden werden (6)(4).
Nebenwirkungen und Interaktionen
Es kann zu allergischen Reaktionen kommen, hier kommt es vorrangig zu
Hauterscheinungen. Mit Penicillinen treten in 5-10% der Fälle Kreuzreaktionen mit
Cephalosporinen auf. Heute sind Cephalosporine nur mehr selten toxisch für die Nieren,
jedoch muss bei Patienten mit Niereninsuffizien und bei hohen Dosen eine Kontrolle der
Nierenparameter erfolgen (5). Lokal verursachen Cephalosporine toxische Reaktionen.
Daher kommt es bei oraler Applikation zu gastrointestinalen Störungen und bei
intramuskulärer Injektion können Schmerzen sowie lokale Reizungen auftreten (4).
Cefazolin darf bei Frühgeborenen und Säuglingen im ersten Lebensmonat sowie in der
Stillzeit nicht gegeben werden. Eine Kontraindikation für die Anwendung von Ceftriaxon
ist eine Hyperbillirubinämie bei Neugeborenen und Frühgeborenen.
Aufgrund der Nephrotoxizität sollen Aminoglykoside und Schleifendiuretika nicht
gleichzeitig mit Cephalosporinen eingenommen werden (6). Wechselwirkungen können
durch Konkurrenz um die tubuläre Sekretion auch in Kombination mit Probenecid
auftreten, dabei kommt es zu erhöhten Plasmaspiegeln (5).
4.1.3 Carbapeneme
Die chemische Struktur betreffend ist den Carbapenemen ein Kohlenstoff statt des
Schwefels im Bicyclus gemeinsam (5). Diese Gruppe der ß-Lactamantibiotika zeichnet
sich durch eine hohe Stabilität gegenüber ß-Lactamasen aus. Carbapeneme greifen an der
Zellwandsynthese ein und zeigen eine bakterizide Wirkung. Die Gruppe umfasst die
Wirkstoffe Imipenem, Ertapenem und Meropenem. Doripenem ist ein neueres Carbapenem
(6).
16
Pharmakodynamik und Wirkungsspektrum
Das Wirkspektrum der Carbapeneme ist sehr breit, daher soll man sich diese Antibiotika
als Reserve sichern und nur bei schweren Infektionen oder Sepis im hospitalen Bereich
einsetzen. Das Spektrum reicht von den meisten relevanten grampositiven Keimen (auch
penicillinase- bildende Staphylokokken) bis gramnegative Bakterien mit Pseudomonas
aeruginosa und auch einigen Anaerobiern. Meropenem wird aufgrund der höheren
Wirksamkeit oft bei gramnegativen Keimen eingesetzt. Imipenem hingegen wirkt im
grampositiven Bereich besser. Bei Pseudomonas aeruginosa liegt eine Resistenz gegen
Ertepenem vor (4)(5). Doripenem, als neueres Carbapenem wird bei komplizierten
intrabdominellen Infektionen, komplizierten Harnwegsinfekten, bei nosokomialen
Pneumonien und als Therapie bei Beatmungs- assoziierten Pneumonien eingesetzt. Bei
diesem Carbapenem ist die Wirksamkeit auf Problemkeime wie Pseudomonas aeruginosa
besser und die Resistenzentwicklung ist geringer (16).
Pharmakokinetik
Carbapeneme stehen nur zur parenteralen Applikation zur Verfügung. Oral verabreicht
würden sie nicht ausreichend resorbiert werden. Imipenem muss im 1:1 Verhältnis mit
Cilastatin, einem Dipeptidase Hemmstoff gegeben werden, da Imipenem sonst sofort in
den Tubuluszellen durch jenes Enzym inaktiviert werden würde. Cilastatin verhindert auch
die bei höheren Dosierungen auftretende Nephrotoxiztät. Ertapenem und Meropenem
müssen
nicht
mit
dem
Dipeptidase
Hemmstoff
kombiniert
werden.
Die
Plasmahalbwertszeit beträgt bei Meropenem eine Stunde und wird dann renal eleminiert.
Meropenem und Doripenem wirken besonders gut bei Infektionen der ableitenden
Harnwege, da die Substanz unverändert in den Harn gelangt und daher dort Keime
erreicht. Die Plasmahalbwertszeit ist bei Ertepenem mit vier Stunden deutlich länger, wird
aber auch rasch durch die Dipeptase abgebaut und daher nicht für Harnwegsinfekte
eingesetzt (4)(5)(17).
Nebenwirkungen und Interaktionen
Nebenwirkungen sind gastrointestinale Störungen über Nephrotoxizität bis hin zu erhöhter
Neurotoxizität. Bei Patienten mit erhöhter Krampfneigung soll am ehesten Doripenem
eingesetzt werden. Da man zum Ergebnis kam, dass Doripenem keine Krampfaktivität hat
und die neurotoxische Nebenwirkung zu vernachlässigen ist (18).
Hohe Dosen von Ertapenem können zum akuten Nierenversagen führen (6). Im klinischen
Alltag soll man bei Applikation von Carbapenemen die erhöhte Krampfanfälligkeit
berücksichtigen. Daher soll man in Verbindung mit Valproinsäure von der Verabreichung
17
dieser Antibiotika absehen, da es in Kombination zur Reduktion des Plasmaspiegels von
Valproinsäure kommen kann (19).
4.1.4 Monobactame
Diese Gruppe beinhaltet einen Wirkstoff namens Aztreonam, ein ß-Laktam mit cyclischer
Ringstruktur (4). Diese Substanz gilt als Reserveantibiotikum und wirkt hauptsächlich
gegen gramnegative Keime und Aerobier, einschließlich gegen Pseudomonas aeruginosa
und Serratien. Gegen grampositive Kokken und Anaerobier wirkt es nicht. Aztreonam ist
gegenüber Betalactamasen von gramnegativen Keimen resistent (5).
Pharmakodynamik
Das Monobactam kann nur parenteral appliziert werden und dient in erster Linie zur
Therapie hartnäckiger Infektionen im Hospitalbereich. Die Plasmahalbwertszeit beträgt
circa 1,7 Stunden und die Elimination erfolgt unverändert renal (4). Eine Dosisreduktion
ist notwendig, wenn eine eingeschränkte Nierenfunktion besteht (6).
Nebenwirkungen
Die unerwünschten Wirkungen entsprechen denen der Betalactam- Antibiotika.
Hauptsächlich treten diese im Gastrointestinaltrakt auf. Hier besteht das Risiko einer
pseudomembranösen Colitis durch Selektion von Clostridium difficile. Während der
Schwangerschaft und Stillzeit darf Aztreonam nicht angewendet werden (6).
4.2 Glykopeptidantibiotika
Vancomycin und Teicoplanin sind die Wirkstoffe dieser Gruppe. Als Angriffspunkt dieser
dient die Zellwandsynthese, wie es auch bei den ß-Lactamen der Fall ist. Hier wird durch
ihren Wirkmechanismus der Aufbau des bakteriellen Mureingerüsts gestört. Sie wirken
hauptsächlich im grampositiven Keimspektrum bakterizid. Bei gramnegativen Erregern
zeigen sie keine Wirkung (5).
Pharmakodynamik und Wirkungsspektrum
Glykopeptide sind wie erwähnt vor allem im grampositiven Bereich wirksam, sowohl bei
aeroben als auch anaeroben Keimen. Wichtig ist hier ihre Wirkung gegen Staphylokokken,
Enterokokken, Pneumokokken und Clostridium difficile. Auch bei den Glykopeptiden gibt
es zunehmend mehr Resistenzen. MRSA-Stämme werden häufiger resistent und auch
Enterokokken werden widerstandsfähiger. Beispiele dafür sind der Glycopeptid resistente
E. Faecium (GREF) und der Vancomycin intermediate sensitive S. aureus (VISA) (5).
Glykopeptide werden als Reserveantibiotika als i. v Therapie bei schweren Infektionen
18
durch die oben genannten Keime verabreicht. So wie Meningitis, Osteomyelitis,
Endokarditis und Pneumonie (6).
Pharmakokinetik
Glykopeptide werden nicht enteral resorbiert und müssen daher zur systemischen Therapie
parenteral appliziert werden. Die Therapie mit Vancomycin sollte für Notfälle bei
schweren Infektionen durch Methicillin und Cephalosporin-resistente Staphylokokken und
Ampicillin- resistente Enterokkoken aufbewahrt werden (4). Vancomycin hat eine
Halbwertszeit von sieben Stunden und Teicoplanin von 70 Stunden. Beide Substanzen
werden zum Großteil renal eliminert (5).
Nebenwirkungen und Interaktionen
Die wichtigsten Nebenwirkungen von Vancomycin sind die Ototoxizität und die
nephrotoxischen Eigenschaften. Teicoplastin ist etwas weniger nephrotoxisch, wegen der
etwas langsameren Clearance. Vor allem bei vorgeschädigten Nieren ist Vorsicht in der
Anwendung geboten. Die konzentrationsabhängige ototoxische Potenz von Vancomycin
ist vor allem bei eingeschränkter Nierenfunktion, gleichzeitiger Vorschädigung des
Hörnervs und Gabe in Kombination mit anderen ototoxischen Substanzen wie
Aminoglykosiden besonders gefährlich und kann irreversibel ausgeprägt sein. Daher sollen
diese Patienten otologisch kontrolliert werden. Weiter können Hauterscheinungen wie
Erythem sowie ein Blutdruckabfall bei zu schneller Infusion auftreten, man spricht hier
vom red man´s syndrome (4)(10).
4.3 Fosfomycin
Dieses Antibiotikum gehört auch zu den in die Zellwandsynthese eingreifenden
Antiinfektiva. Ursprünglich von Streptomyces Arten produziert, wird es heute synthetisch
hergestellt. Es findet Anwendung als Reserveantibiotikum bei Staphylococcus-aureusInfektionen, aber auch hier nur in speziellen Fällen wie z.B. bei einer StaphylokokkenOsteomyelitis. Bei pharmakokinetisch schwer erreichbaren Infektionsherden sowie bei
Infektionen durch MRSA wird es häufig angewendet (4)(20).
Pharmakodynamik
Das Wirkungsspektrum umfasst Staphylokokken, Streptokokken und einige gramnegative
Keime wie Haemophilus influenzae, Proteus mirabilis oder Escherichia coli (15).
Fosfomycin wird durch einen aktiven Prozess ins Bakterium aufgenommen und wirkt
daher nur in einem Glucose-6-phosphat- haltigen Milieu, welches am Entzündungsherd
19
herrscht. Diese Eigenschaft birgt eine gewisse therapeutische Unsicherheit, daher wird es
nur als Reserveantibiotikum gegeben. Es ist bakterizid wirksam (4)(5).
Pharmakokinetik
Fosfomycin verfügt über eine gute Gewebepenetration, es verteilt sich auch über die BlutHirn Schranke hinweg und penetriert darüber hinaus die Knochen. Fosfomycin hat eine
Plasmahalbwertszeit von zwei Stunden und wird überwiegend unverändert über den Urin
ausgeschieden (4)(5).
Nebenwirkungen
Neben gastrointestinalen
Störungen
kann
es
zur
deutlichen
Erhöhung
der
Natriumkonzentration kommen, da mit Fosfomycin Natrium infundiert wird. Daher ist
Fosfomycin bei niereninsuffizienten Patienten kontraindiziert (6). Erhöhung von
Leberenzymen, Kopfschmerzen
und allergische Reaktionen können auch als
unerwünschte Wirkungen auftreten (5).
5 Hemmung der ribosomalen Proteinsynthese
5.1 Aminoglykosidantibiotika
Zu dieser Antibiotikumgruppe gehören vor allem Wirkstoffe, die von Streptomyces- und
Micromonospora-Arten gebildet werden. Der erste Vertreter Streptomycin wird heute nur
noch als Tuberkulostatikum verwendet. Neben diesem sind Gentamycin, Tobramycin,
Neomycin und Amikacin die bedeutendsten Wirkstoffe dieser Substanzgruppe im
klinischen Alltag. Aminoglykoside wirken vor allem im gramnegativen Bereich und
werden hauptsächlich in Kombination mit ß-Lactam Antibiotika verabreicht. Anwendung
finden sie daher bei schweren systemischen Infektionen durch gramnegative Bakterien wie
Enterobakterien, Listerien, Klebsiellen, Pseudomonas aeruginosa, Proteus, Serratia und
Enterokokken. Durch diese Kombination ergeben sich viele positive Effekte, indem sie
sich in ihrer Wirkung ergänzen und verstärken und so auch im grampositiven Bereich
wirken können (6). Aminoglykoside werden aufgrund ihres Nebenwirkungsprofils nicht als
Arzneimittel erster Wahl gehandhabt und kommen daher vor allem bei Infektionen durch
multiresistente Keime zur Anwendung (4).
Pharmakodynamik
Aminoglykoside wirken als Translationshemmer, in dem sie zuerst mittels Carrier in die
Bakterienzelle gebracht werden und dort lagern sie sich an die Ribosomen an. So
verhindern sie die Proteinsynthese durch Ablesefehler in der Translation. Dadurch kommt
20
es zur Bildung falscher Proteine und so ergibt sich die bakterizide Wirkung, welche
konzentrationsabhängig steigt (6). Vor allem gegen Staphylokokken besteht eine gute
Wirksamkeit im Gegensatz zu Streptokokken. In der Wirksamkeit ist der hohe
postantibiotische Effekt sehr vorteilhaft, ähnlich wie bei Makroliden, Tetracyclinen, und
Gyrasehemmern. Dieser bewirkt, dass nach Absinken der Konzentration des Antibiotikums
weiter eine bakterizide Wirkung zu verzeichnen ist (8).
Pharmakokinetik
Aminoglykoside werden aufgrund der hydrophilen Eigenschaft intravenös appliziert, oder
lokal an der Haut angewendet. Sie werden meist als Kurzinfusion über 60 min verabreicht.
Vorwiegend reichern sie sich extrazellulär an und intrazellulär werden keine
nennenswerten Konzentrationen erreicht (4). Aminoglykoside akkumulieren vor allem in
den Tubuluszellen der Niere und in Peri- und Endolymphe des Innenohrs, was durch
spezielle Transportmechanismen zu erklären ist. Hier erreichen sie Halbwertszeiten von bis
zu 100 Stunden. Daher können sie von dort nur schwer eliminert werden und führen so zu
den
typischen
Nebenwirkungen
dieser
Antibiotikum-Gruppe,
der
Oto-
und
Nephrotoxizität. Die Akkumulation in den Tubuluszellen ist ein Grund für die Anwendung
bei Harnwegsinfekten (6). Generell werden Aminoglykoside zum Großteil renal eliminiert.
Aminoglykoside können als Einmaldosis am Tag verabreicht werden um sofort eine hohe
Dosis zu erreichen. Danach nützt man den postantibiotischen Effekt dieser Substanzgruppe
(4).
Nebenwirkungen und Besonderheiten
Durch die bereits oben erwähnte verlangsamte Eliminierung aus den Tubuluszellen und
Peri- und Endolymphe des Innenohrs, akkumulieren dort Aminoglykoside, was zur
Zellschädung des Gewebes führt (4).
Die Nephrotoxizität zeigt sich durch Proteinurie, Hämaturie, Zylindrurie und Oligurie. Die
Nierenschädigung ist reversibel und hohe Plasmaspiegel sowie lange Behandlungsphasen
sind
ausschlaggebend
(6).
Es
soll
vor
allem
die
Kombination
mit
ebenso
nierenschädigenden Substanzen wie Vancomycin und Amphotericin B vermieden werden.
Dies zeigte sich beispielsweise in einer Studie bei Beobachtung der Entwicklung eines
akuten Nierenversagens während eines Krankenhausaufenthalts. Hier war hauptsächlich
die Gabe der Antibiotika die Ursache für das Nierenversagen. Während des Aufenthalts
entwickelten 17,9 % der beobachteten Patientengruppe ein akutes Nierenversagen.
Komorbitäten wie Diabetes mellitus und andere Nierenerkrankungen sind auch wesentlich
an der Entstehung eines akuten Nierenversagens beteiligt (21).
21
Im
Gegensatz
zur
Nephrotoxizität
ist
die
Ototoxizität
irreversibel.
Gleichgewichtsstörungen sowie Minderung des Hörvermögens und Tinnitus können
mögliche Erscheinungen sein (7). Um diese Ohrschädigung gering zu halten gibt man eine
einmalige Dosis pro Tag und es wird nach weiteren Protektoren während der Einnahme
geforscht. Im Tierversuch zeigte sich der Granatapfelextrakt gemeinsam verabreicht mit
Gentamicin als ohrprotektiv. Im Vergleich zur Gruppe der Ratten, welche nur Gentamicin
verabreicht bekamen, hatten diese weniger ototoxische Nebenwirkungen (22).
Weiter kann es zu neurotoxischen Effekten kommen, wenn hohe Dosen i.v. verabreicht
werden, da diese Substanzgruppe die Acetylcholin Freisetzung an der motorischen
Endplatte hemmt (8). Allergische Reaktionen so wie Exantheme, Thrombozytopenie und
Leukozytopenie können auch auftreten (6).
Wechselwirkungen
Die Wirkstoffe der Aminoglykoside sollen nicht mit anderen ototoxischen oder
nephrotoxischen Stoffen kombiniert werden wie mit Cephalosporinen, Amphotericin B,
Ciclosporin, Schleifendiuretika und Vancomycin. Diese würden sich in der schädigenden
Wirkung
verstärken.
Curareartige
Muskelrelaxanzien
werden
auch
nicht
mit
Aminoglykosiden kombiniert, da die neuromuskuläre Reizübertragung zusätzlich gehemmt
wird (6).
5.1.1 Resistenzlage in Österreich
Um ein Beispiel zu nennen, liegt die Resistenzrate bei E.coli gegen Aminoglykoside im
Jahr 2012 bei 6,4 % der isolierten Präparate. Trotz der schlechten Verträglichkeit, muss
man dieses als Reserveantibiotikum bewahren. Obwohl eine sehr hohe Rate an E.coliBakteriämien im höheren Lebensalter verzeichnet wird, ist mit steigendem Lebensalter ein
Rückgang der Resistenzen zu beobachten. Die höchsten E.coli Resistenzraten werden auf
urologischen Abteilungen gefunden und im europäischen Ländervergleich liegt Österreich
mit 6,4 % im unteren Drittel. Bulgarien liegt mit 26,5% auf Platz eins im europäischen
Ranking (23).
22
Abbildung 3 Escherichia coli – Aminoglykoside resistent im Ländervergleich 2012 entnommen aus
TESSy- The European Surveillance System
5.2 Makrolide, Lincosamide und Ketolide
Der Hauptvertreter aus der Gruppe der Makrolide ist Erythromycin, was ein
Stoffwechselprodukt des Streptomyces erythreus ist. Davon leiten sich auch die anderen
Vertreter dieser Antibiotikum- Gruppe ab, welche als halbsynthetische Makrolide über
eine höhere Säurestabilität verfügen als ihr natürliches Gruppenmitglied Erythromycin.
Dabei handelt es sich um Clarithromycin, Roxithromycin und Azithromycin. Chemisch
betrachtet ist ihnen ein 12- 14 gliedriger Lactonring mit ein oder zwei Aminozucker
gemeinsam (4). Aufgrund der höheren Säurestabilität der synthetisch hergestellten
Makrolide eignen sich diese besser für die orale Therapie als Erythromycin (8).
Der einzige Vertreter der Ketolide ist Telithromycin, ein halbsynthetisches ErythromycinDerivat mit einer Ketogruppe am Laktonring (6). Die Substanz verfügt dadurch über hohe
Säurestabilität und wirkt durch ihre Struktur besser bei Penicillin- und Makrolidresistenten
Keimen.
Therapeutisch
gut
einsetzbar
ist
das
Arzneimittel
bei
23
Atemwegsinfektionen wie Bronchitis, Sinusitis und Pneumonien durch typische oder
atypische Erreger (8).
Ein neues Ketolid ist Cethromycin, als Orphan Arzneimittel eingesetzt bei Talurämie
sowie Pest, könnte es sich in naher Zukunft zu einem vielversprechenden Medikament im
Einsatz gegen ambulant erworbene Pneumonien erweisen (24).
Der ursprüngliche Vertreter der Lincosamide ist Lincomycin, es handelt sich dabei
genauso um einen Abkömmling von Streptomyces-Arten. Heute wird nur mehr das
synthetisch hergestellte Clindamycin im therapeutischen Bereich eingesetzt. Clindamycin
hat eine sehr gute antibiotische Wirkung auf anaerobe gramnegative Stäbchen und auf
Staphylokokken
und
Streptokokken
(4).
Clindamycin
wird
beispielsweise
bei
Erkrankungen wie Peritonitis, Leber-, Lungenabszessen, intraabdominellen Abszessen
oder bei Osteomyelitis angewendet (6).
Pharmakodynamik und Wirkspektrum
Sowohl Makrolide als auch Lincosamide haben ihren antibiotischen Angriffspunkt in der
bakteriellen Proteinsynthese. Dabei binden sie an die 50S Einheit des bakteriellen
Ribosoms und verhindern so die Möglichkeit des Ablesens der mRNA, daraus ergibt sich
die bakteriostatische Wirkweise. In höheren Dosen wirken sie auch teilweise bakterizid
(6).
Makrolide sind im grampositiven Bereich bei Streptokokken, Staphylokokken und
Pneumokokken wirksam (7). Im gramnegativen Spektrum sind sie bei Legionellen,
Haemophilus, Bordetella und Brucella im therapeutischen Einsatz (8). Wichtige
Anwendungen haben sie gegen intrazelluläre Bakterien wie Listerien, Mykoplasmen und
Chlamydien. Aufgrund des Keimspektrums ist die Gruppe gut geeignet zur Therapie von
Streptokokkeninfektionen
Helicopacter-
pylori
bei
Infekten
Penicillinallergie,
der
bronchopulmonalen
Magenschleimhaut
sowie
Infekten,
urogenitalen
Chlamydieninfektionen wie Urethritis, Zervizitis und Salpingitis (6).
Telithromycin hat ein ähnliches Einsatzgebiet, vor allem bei Infekten der Atemwege wenn
Betalactam- Antibiotika oder Makrolide nicht anwendbar sind (8).
Clindamycin ist ein sehr potentes Antibiotikum gegen Pneumo-, Strepto- sowie
Pneumokokken (15).
Pharmakokinetik
Erythromycin wird als säurestabile Kapsel gegeben, so dass die Resorption erst im Darm
erfolgt (8). Die Halbwertszeit liegt bei Erythromycin bei 1- 2 Stunden. Im Vergleich dazu
weisen die anderen Vertreter der Makrolide wie Clarithromycin, Roxithromycin und
24
Azithromycin eine höhere Säurestabilität und deutlich höhere Halbwertszeiten auf (5). Bei
Azithromycin liegt diese bei etwa 40 h, wodurch man durch kurze Behandlungsphasen
lange höhere Wirkstoffkonzentrationen erreichen kann (4). Daher genügt eine einmalige 1g
Einzeldosis von Azithromycin zur Therapie einer urogenitalen Chlamydien und
Gonokkokeninfektion (15). Diese drei Vertreter sind durch die höhere Säurestabilität auch
besser oral resorbierbar und eigenen sich daher zur oralen Applikation. Gemeinsam ist
Makroliden und Ketoliden, dass sie eine gute Gewebepenetration aufweisen und sich daher
auch intrazellulär, wie beispielsweise in Makrophagen anreichern. Im Liquor kommt es nur
zu geringen Konzentrationen von Ketoliden und Makroliden. Clindamycin zeichnet sich
dagegen durch gute Knochengängigkeit aus.
Durch Metabolisierung der Makrolide in der Leber entstehen aktive Metaboliten, die
hauptsächlich über die Galle und teilweise über die Niere ausgeschieden werden.
Lincomycine hingegen werden zu 50% unverändert über die Niere ausgeschieden, der Rest
über die Leber metabolisiert und dann über die Galle ausgeschieden (4)(5).
Nebenwirkungen und Besonderheiten:
Diese Wirkstoffgruppe gehört zu den gut verträglichen Antibiotika. Gastrointestinale
Symptomatik wie Übelkeit und Diarrhoe werden durch agonistische Wirkung des
Erythromycin
am
Motilin-Rezeptor
vermittelt.
Allergische
Reaktionen
wie
Hauterscheinungen kommen nicht oft vor. Selten treten unter langer Therapie
Erkrankungen wie eine cholestatische Hepatose oder Leberschädigung sowie Hörstörungen
wie Tinnitus und reversible Hörverluste auf (10).
Zu beachten ist bei Verschreibung von Makroliden die unerwünschte Nebenwirkung der
QT-Zeit-Verlängerung.
Hier
kann
es
zu
Verzögerung der
Repolarisation
des
Aktionspotenzials am Herzen kommen und dadurch Torsades-de-pointes-Tachykardien
verursachen (5)(10). Ein Hauptrisikofaktor für das Auftreten eines solchen Ereignisses ist
vor allem die Kombination mit Klasse 3 Antiarryhthmika, ansonsten ist die Inzidenz eher
gering (25).
Thelithromycin verstärkt die Symptomatik bei Myasthenia gravis und führt zur
Sehverschlechterung. Außerdem darf dieser Wirkstoff nicht während Schwangerschaft und
Stillzeit verabreicht werden (8)(6).
Wechselwirkungen
Makrolide und Lincosamide hemmen die Cytochrom P 450 Enzyme in der Leber und
beeinflussen somit die Metabolisierung anderer Medikamente in der Leber, eben solche,
die durch jene Enzyme abgebaut werden. Somit verstärkt sich die Wirkung von
25
Antikoagolanzien
vom
Cumarintyp,
Carbamazepin,
Valproinsäure,
Theophyllin,
Methylprednisolon und Statinen. Daraus ergibt sich ein Anstieg des Plasmaspiegels dieser
Wirkstoffe durch fehlende Elimination (6).
Ebenso kann es zur Beeinflussung der empfängnisverhütenden Wirkung von hormonellen
Kontrazeptiva bei gleichzeitiger Einnahme mit Makroliden und Ketoliden kommen (6).
5.2.1 Resistenzlage in Österreich
Wie oben bereits erwähnt werden Makrolide hauptsächlich in der Therapie der
Pneumokokken-Infektionen im Falle einer Penicillin Unverträglichkeit oder Allergie
verwendet. Dazu kann man dem AURES Bericht 2012 entnehmen, dass die Resistenzrate
des Streptoccocus pneumoniae, der nicht empfindlich auf Makrolide reagiert, deutlich
gestiegen ist im Vergleich zum Jahr 2011. Die Resistenzrate stieg im Vergleich zu 2011
von 11,1% auf 17,8% im Jahr 2012. Im internationalen Vergleich schwankt die
Resistenzrate stark von etwa 3,6 % in Lettland bis zu 50 % in Malta. Österreich darf sich
glücklich schätzen und liegt mit der Resistenzlage bei Makroliden mit 17,8% im günstigen
Mittelfeld (23).
Abbildung 4 Streptococcus- pneumoniae- Makrolide resistent im Ländervergleich 2012 entnommen
aus TESSY- The European Surveillance System
26
5.3 Tetracycline
Tetracycline leiten sich auch von Streptomyces-Arten ab und werden dann halbsynthetisch
modifiziert. Es ist eine Antibiotikum- Klasse, die seit etwa 60 Jahren therapeutisch
eingesetzt wird. Die wichtigsten Vertreter sind Doxycyclin und Minocyclin sowie das
etwas neuere Derivat Tigecyclin, welches seit 2006 in Anwendung ist. Tigecyclin zählt zu
den Glycylcyclinen, die Derivate der Tetracycline sind. Tigecyclin weist weiters eine sehr
ähnliche Struktur wie Minocyclin auf (4)(10).
Pharmakodynamik
Die Vertreter der Tetracycline greifen in die Proteinsynthese hemmend ein, indem sie an
die 30S Einheit des bakteriellen Ribosoms anbinden und so die Translation bei der
Synthese der Proteine behindern. Durch diesen Vorgang können die Peptidketten nicht
verlängert werden, da sich die bakteriellen tRNA Moleküle nicht an die Andockstelle
heften können. Tetracycline verhindern durch bakteriostatische Wirkweise das bakterielle
Wachstum (6)(7).
Glycylcycline haben im Vergleich zu Tetracyclinen den Vorteil, dass sie stärker am
Ribosom anheften und so auch gegen tetracyclinresistente Keime eine Chance haben. Dazu
zählen Methicillin-resistente Staphyloccocus aureus Stämme (MRSA) und Vancomycinresistente E. faecalis- Stämme sowie auch E. coli und gramnegative Erreger (4).
Der Resistenzmechanismus gegen Tetracycline ist erworben sowie plasmidvermittelt und
funktioniert entweder durch Schutz der ribosomalen Bindungsstelle oder ist durch ein
spezielles Effluxsystem
Auswärtstransport
aus
begründet.
dem
Dieses
Prokaryont.
Effluxsystem
bewirkt
einen
Tigecyclin
strotzt
diesen
aktiven
zwei
tetracyclinspezifischen Resistenzmechanismen und dadurch ist das breite Wirkspektrum
des Wirkstoffs zu begründen (4)(8).
Wirkspektrum:
Tetracycline umfassen ein breites Wirkspektrum von grampostiven als auch gramnegativen
Bakterien. Daher werden sie bei vielen bakteriellen Infektionserkrankungen eingesetzt.
Im Bronchialsystem werden sie als Antibiotikum erster Wahl bei atypischen Pneumonien
durch Mykoplasma pneumoniae bzw Chlamydia-Stämme verwendet.
Im Urogenitaltrakt werden Tetracycline bei Erkrankungen wie nichtgonorrhoischer
Urethritis durch Chlamydia trachomatis und durch Mykoplasmen eingesetzt. Auch bei
Chlamydien bedingter Salpingitis, Urethritis, Cervicitis und Adnexitis kommen die
Arzneimittel zur Anwendung.
27
Bei Hautinfektionen wie Acne vulgaris, Rosazea sowie Borreliose in allen Stadien sowie
im Darm bei Yersiniose und Cholera, werden Tetracycline eingesetzt.
Weitere Indikationen sind Brucellose, Tularämie, Rickettsiosen (Q-Fieber, Fleckfieber,
Zeckenbissfieber), Leptospirose, Pest und Malaria durch Chloroquin-resistente Plasmodien
(4)(6).
Pharmakokinetik:
Tetracycline weisen eine gute Gewebegängigkeit auf und werden bis auf Tigecyclin oral
appliziert und enteral fast vollständig resorbiert. Tigecyclin hingegen wird intravenös
verabreicht. Durch Komplexbildung mit Ca2+ aus Milch oder Ferrum in Eisenpräparaten
kann sich die Bioverfügbarkeit verändern und die Resorption ist verzögert. Eingeschränkte
Nierenfunktion sowie Lebererkrankungen führen dagegen zu verlängerten Halbwertszeiten
(5). Tetracyclin wird vorwiegend renal ausgeschieden, daher kommt es bei diesem
Wirkstoff zu Halbwertszeit- Verlängerungen bei Nierenerkrankungen. Tigecyclin wird
überwiegend unverändert über die Fäzes ausgeschieden (4).
Nebenwirkungen, Besonderheiten
Tetracycline können wie alle anderen antibiotisch wirkenden Substanzklassen auch zu
gastrointestinalen Nebenwirkungen führen, die sich bei dieser Wirkstoffgruppe relativ
häufig zeigen. Es kann zu Reizungen der Darmschleimhaut, Übelkeit, Erbrechen und
Diarrhoe kommen. Oft treten Candida Infektionen in Mund und Vagina auf, da die
autochthonen Bakterien gehemmt werden. Weiters kann es unter Tetracyclin- Therapie zu
einer phototoxischen Reaktion der Haut kommen mit Erythem und Ödembildung. Auf die
Meidung von Sonnenexpositon ist daher dringend hinzuweisen. Tetracycline sind während
Schwangerschaft und Stillperiode und bei Kindern bis zum 8. Lebensjahr kontraindiziert,
da sich irreversible Zahnverfärbungen sowie Zahnschmelzhypoplasien entwickeln können
(5). Es stellte sich im Vergleich von normalen Zähnen zu Zähnen nach Tetracyclintherapie
heraus, dass es zu massiven Zahnverfärbungen von gelblicher bis braun-rötlicher Natur
kommen kann (26).
Wechselwirkungen
Da es mit Calcium, Ferrum sowie Magnesium und Aluminium zu Komplexbildung
kommen kann, soll man Tetracycline erst zwei bis drei Stunden nach Nahrungs- oder
Arzneimittelaufnahme einnehmen. Bei gleichzeitiger Aufnahme von Tetracyclinen mit
Milch oder Antazida, welche diese Salze enthalten, kann es daher zu Interaktionen
kommen. Antikoagulanzien vom Cumarintyp sowie Sulfonylharnstoffe werden in ihrer
28
Wirkung bei
gleichzeitiger Einnahme mit
Tetracyclinen verstärkt.
Hormonelle
Kontrazeptiva können in ihrer Wirksamkeit infolge der gestörten Darmflora ebenfalls
eingeschränkt sein. Ciclosporin sowie Methotrexat sind bei Kombination mit Tetracyclinen
in ihrer toxischen Wirkung verstärkt.
Kontraindiziert ist die Einnahme von Tetracyclinen bei Kindern unter acht Jahren sowie
bei stillenden und schwangeren Frauen und bei Patienten mit schweren Nieren oder
Leberfunktionsstörungen (5)(6).
5.4 Andere auf die Proteinsynthese wirkende Antibiotika
Gemeinsam ist diesen Wirkstoffen, dass sie alle die ribosomale Proteinsynthese hemmen.
Sie greifen jeweils an unterschiedlichen Stellen ein.
5.4.1 Chloramphenicol
Der Wirkstoff wird derzeit nur in der Augenheilkunde verwendet und es gilt als
Reserveantibiotikum
bei
Thypus,
Parathypus
sowie
bei
Meningitiden
durch
Chloramphenicol empfindliche Bakterien hervorgerufen, falls kein anderes Antibiotikum
greift. Systemisch wird es kaum noch eingesetzt. Wirksam ist Chloramphenicol gegen
Salmonella thypi, Salmonella parathypi sowie bei Meningitiden durch Haemophilus
influenzae, Neisseria meningitidis und Typ B Streptokokken (5).
Pharmakodynamik und Pharmakokinetik
Die Substanz heftet sich an die 50 S Einheit des bakteriellen Ribosoms an und hemmt die
Peptidyltransferase und damit die Herstellung von Peptidbindungen. Dadurch wirkt es
bakteriostatisch. Durch rasche enterale Resorption und guter Liquorgängigkeit erreicht der
Wirkstoff schnell seinen Bestimmungsort. Chloramphenicol wird nach Metabolisierung in
der Leber vorwiegend renal ausgeschieden (4)(5).
Nebenwirkungen
Obwohl Nebenwirkungen selten auftreten, kann es zu schwerwiegenden unerwünschten
Folgen
dosisunabhängig
kommen.
Dabei
kann
es
zu
irreversiblen
Knochenmarksschädigungen wie beispielsweise zur aplastische Anämie kommen. Diese
Reaktion wurde bereits bei topischer Anwendung beobachtet (5). Aufgrund der schwer
einschätzbaren Nebenwirkung, welche auch Dosis unabhängig auftreten kann, wird
Chloramphenicol
nur
mehr
als
Reserveantibiotikum
gehandhabt
und
in
der
Augenheilkunde zugelassen (4).
29
5.4.2 Linezolid
Linezolid zählt zur Gruppe der Oxazolidinone, ein eher neueres Antibiotikum, welches vor
allem gegen grampositive Keime wirksam ist. Hier wirkt es bei Streptokokken und auch
Pneumokokken bakterizid und gegen Enterokokken sowie Staphylokokken entfaltet es
bakteriostatische Wirkung. Als wichtigstes Einsatzgebiet gilt allerdings die Bekämpfung
der Problemkeime wie Methicillin- resistenter Staphylococcus aureus und Glykopeptidresistente Stämme wie Vancomycin resistente Enterokokken, wo ihre Anwendung noch
Wirkung zeigt (5). Linezolid wird daher bei nosokomialen Pneumonien sowie
komplizierten Haut- und Gewebeinfektionen durch Staphylokokken eingesetzt (6).
Pharmakodynamik und Pharmakokinetik
Wie oben erwähnt greift auch dieses Antibiotikum hemmend in die Proteinsynthese ein.
Hier verhindert es das Aneinanderlagern von ribosomaler 50S und 30S Einheit, ein
Vorgang, der zur Translation wichtig ist. Die Substanz wirkt bakteriostatisch und ebenso
wie bei Betalactam-Antibiotika ist ihre Wirkung zeitabhängig (6). Zu Resistenzen kommt
es hauptsächlich nach langen Therapiezyklen in der 50S Einheit des bakteriellen
Ribosoms. Natürlich resistent sind dagegen Enterobactericae sowie Pseudomonaden (4).
Das Oxazolidinon wird nach oraler Applikation rasch und gut resorbiert und hat eine
Plasmahalbwertszeit zwischen 5 und 7 Stunden. Die gute Gewebegängigkeit lässt es zu,
dass auch in der Lunge hohe Konzentrationen erreicht werden können, was vor allem in
der Behandlung der Pneumonien eine große Rolle spielt (4)(5).
Nebenwirkungen
Es treten die typischen antibiotischen Nebenwirkungen wie gastrointestinale Störungen,
Kopfschmerzen sowie Candida-Infektionen von Mund- und Vaginalschleimhaut auf.
Blutbildkontrollen sind jedoch aufgrund der sehr selten vorkommenden Myelosuppression
indiziert (6). Es hat ähnlich toxische Eigenschaften wie Chloramphenicol, nämlich die
mitochondriale
Translationshemmung,
die
bei
Erythrozythen
zur
reversiblen
Sideroblasten- Anämie führen kann (27).
5.4.3 Proteinsynthesehemmer für die lokale Anwendung
Da man bei lokal verwendeten antibiotischen Wirkstoffen zunehmend eine erhöhte
Resistenzentwicklung feststellt, soll man bei topischer Anwendung sofort auf Wirkstoffe
zurückgreifen, die hauptsächlich lokal angewendet werden und in der parenteralen
Therapie eine untergeordnete Rolle spielen (15).
30
5.4.3.1 Fusidinsäure
Derzeit wird Fusidinsäure hauptsächlich zur topischen Anwendung genutzt. Hier
verwendet man sie zur Therapie von Hautinfektionen, die durch Staphylokokken und
andere grampositive Keime hervorgerufen werden. Die Wirkung entfaltet das
Steroidantibiotikum in der Elongationsphase der Proteinbiosynthese. Es wirkt dabei
bakteriostatisch nachdem es wie ein Glucocorticoid die Haut durchdrungen hat und
dadurch auch in tieferen Hautschichten den Keim erreichen kann (5).
5.4.3.2 Mupirocin
Mupirocin wird der lokalen Therapie von Staphylokokken in der Nasenschleimhaut
vorbehalten. Hier angewendet zur Eradikation der Keime in der Nase mit einer
Anwendung von fünf bis sieben Tagen, kann es nach Operationen das Risiko für
Wundinfektionen stark verringern Es wirkt bakterizid bei Staphylokokken, Streptokokken
und auch bei MRSA. Das Lokalantibiotikum greift ebenso in die Proteinsynthese
hemmend durch Blockierung der Verbindung von Aminosäure und tRNA ein. Die
systemische Anwendung ist nicht möglich, da die Substanz rasch hydrolysiert wird und
deren Spaltprodukte unwirksam sind (5).
5.4.3.3 Retapamulin
Retapamulin wird lokal als 1%- ige Salbe zur Therapie von Impetigo sowie infizierten
Haut- und Schürfwunden verwendet. Bakteriostatisch wirksam gegen Staphylococcus
aureus und Streptococcus pyogenes hat es ähnliche Anwendungsgebiete wie Mupirocin.
Als Nebenwirkungen können Hautrötungen, Irritationen sowie Schmerzen und Juckreiz
auftreten (28). Es treten aber wenig unerwünschte Nebenwirkungen auf, wegen der
geringen Wirkdauer. Die weniger häufigere Dosierung führt zu mehr Compliance und
verringert das Risiko der Resistenzentwicklung des lokalen Antibiotikums (29).
6 Störung der bakteriellen Zellmembran
Die Zellmembran als pharmakotherapeutischer Ansgriffspunkt stellt sich eher schwierig
dar, da auch die Zellmembranen der Wirtszellen angegriffen werden können. Daptomycin
ist die einzige Substanz, die systemisch eingesetzt werden kann. Daneben gibt es noch
lokal angewendete Wirkstoffe in dieser Gruppe wie Polymyxin B, Colistin und
Thyrothricin. (10).
31
6.1 Daptomycin
Daptomycin ist der erste Vertreter einer neuen Antibiotikaklasse namens Lipopeptide. Die
neuartige Wirkung liegt in der Bildung von falschen Poren der Zellmembran begründet,
wodurch es zur Störung des Ionengradienten in der bakteriellen Zelle kommt und dadurch
zerstört wird. Daptomycin wirkt daher bakterizid bei grampositiven Keimen und hat keine
Wirkung auf gramnegative Bakterien, da es deren Membran nicht überwinden kann. Der
Wirkstoff wird als Reserveantibiotikum gehandhabt für schwere StaphylokokkenInfektionen wie beispielsweise Haut- Weichteilinfektionen, Bakteriämie sowie infektiöse
Endokarditis.
Als
unerwünschte
Nebenwirkung
kann
es
zur
Schädigung
der
Skelettmuskulatur kommen, die sich als Muskelschmerzen oder Rhabdomyolyse äußern
kann (6). Deshalb sollte unter Daptomycin-Therpie, welche ausschließlich intravenös
erfolgt, die Creatinphosphokinase beobachtet werden. Es bestehen keine Kreuzresistenzen
zu anderen Antibiotika (15).
6.2 Polymyxin B, Colistin und Thyrothricin
Die drei lokalen Porenbildner würden bei oraler Applikation nicht resorbiert werden und
sind nephrotoxisch.
Polymyxin B wird als Aerosol bei Tracheobronchitis bedingt durch Pseudomonas
aeruginosa bei künstlich beatmeten Patienten angewendet (8).
Colistin kommt zur Darmdekontamination und bei Harnblasenspülungen zum Einsatz bei
immungeschwächten Patienten zur Vermeidung von Infektionen (8)(10).
Thyrothricin ist ein lokal angewendetes Antibiotikum, welches ein Gemisch aus
Polypeptiden wie Gramicidin und Tyrocidin ist. Es wirkt als Porenbildner gegen
grampositive Keime. Hier wird es vor allem bei Rachen- und Mundinfektionen in
Kombination mit Lokalanästhetika verwendet (10).
7 Hemmung
der
TetrafolatFolsäuremetabolismus
Bereitstellung
im
7.1 Sulfonamide, Diaminopyrimidine und Kombinationen
Sulfonamide werden heutzutage in der antibiotischen Therapie aufgrund der erhöhten
Resistenzentwicklung und Nebenwirkungen weniger häufig eingesetzt (7). Hauptsächlich
wird die Kombination von Sulfonamiden und Diaminopyrimidinen wie Thrimethoprim
und Pyrimethamin eingesetzt. Solche Kombinationspartner aus einem Sulfonamid und
einem Diaminopyrimidin sind Sulfamethoxazol und Trimethroprim, bekannt als
Cotrimoxazol. Bei der 5:1 Kombination handelt es sich um die therapeutisch bedeutendste
32
Verbindung der beiden Substanzklassen (4)(10). In den folgenden Punkten wird daher vor
allem auf dieses Kombinationspräparat eingegangen.
Pharmakodynamik
Sulfonamide hemmen die Synthese der Dihydrofolsäure, dass es dann folglich zum Fehlen
der Tetrahydrolfolsäure kommt, welche in der bakteriellen Zelle für die Bildung der DNA
und RNA Bausteine (Purinnukleotide) eine Rolle spielt. Dadurch erklärt sich die
bakteriostatische Wirkung. Da der menschliche Organismus nicht über den Mechanismus
der Folsäuresynthese verfügt, sondern diese über die Nahrung aufnehmen muss, besteht in
der menschlichen Zelle kein Angriffsort für diese Wirkstoffe (10)(6). Thrimethoprim als
Einzelsubstanz wirkt hemmend auf Dihydrofolatreduktase und stoppt dadurch die Wirkung
bakterieller Reduktasen mit hoher Affinität. Als Monopräparat wird es bei unkomplizierten
Harnwegsinfekten angewendet. Die Kombination der beiden Substanzklassen hat einen
hohen antibakteriellen synergistischen Effekt zur Folge, der sich durch die Reduktion der
gemeinsamen MHK und die teilweise bakterizide Wirkung bei hochempfindlichen
Erregerstämmen erklärt (4). Das Wirkungsspektrum wird hier nur von Cotrimoxazol
dargestellt. Das Keimspektrum reicht von Pneumokokken, Staphylokokken, Gonokokken,
E.coli, Shigellen, Klebsiellen, Proteus bis zu Pneumocystis carinii (15). Also ist der
Wirkstoff vor allem bei Harnwegsinfekten, Shigellose, Thypus abdominalis, Parathypus A
+ B sowie bei Pneumocystis-carinii-Infektionen wie Pneumonien bei immunsuppremierten
Patienten wie HIV Infizierten Mittel der ersten Wahl (15).
Eine weitere Kombination aus Sulfonamid und Diaminopyrimidin ist Sulfadoxin mit
Pyrimethamin, was in der Malariabehandlung zum Einsatz kommt (4).
Pharmakokinetik
Sulfonamide wie Sulfamethoxazol werden rasch gastrointestinal aufgenommen und nur
renal ausgeschieden, daher ist bei Niereninsuffizienz die Anwendbarkeit aufgrund der
Kumulationsgefahr stark eingeschränkt (4). Trimethroprim wird genauso gut resorbiert,
verfügt über eine gute Gewebeverteilung und erreicht nach zwei Stunden bereits ihr
Plasmakonzentrationsmaximum (10). Das Kombinationspräparat wird im optimalen
Konzentrationsverhältnis von 20:1 in Blut und Gewebe freigesetzt (6). Unterschiedliche
gewebespezifische Verteilungsmuster können das Konzentrationsverhältnis verändern und
den Synergismus beeinflussen (4)
33
Nebenwirkungen
Neben typischen Antibiotika-assoziierten
Störungen
kann
es
zu
Nebenwirkungen
Überempfindlichkeitsreaktionen
wie
gastrointestinalen
kommen.
Hier
können
Blutbildveränderungen wie beispielsweise Leukopenie, Thrombozytopenie oder Anämie
sowie Hautreaktionen von Arzneimittelexanthemen bis hin zu Steven-Johnson-Syndrom
und Lyell-Syndrom auftreten. Aufgrund der Teratogenität in der Schwangerschaft, welche
bis
jetzt
nur
im
Tierversuch
beobachtet
wurde,
wendet
man
hier
die
Kombinationspräparate nicht an. Beim Neugeborenen kann es zum Kernikterus kommen,
da Billirubin durch den Wirkstoff aus der Plasmaproteinverbindung gedrängt wird und
daher wird auch in der Stillzeit vom Einsatz der Sulfonamide sowie
der
Kombinationspräparate abgeraten (4). Im Falle eines Harnwegsinfekts in der Stillzeit kann
es durchaus therapeutisch eingesetzt werden (7).
Wechselwirkungen
Aufgrund der Interaktion von Cotrimoxazol mit dem Cytochrom P450 System kommt es
zur Veränderung des Metabolismus anderer gleichzeitig verabreichten Arzneimittel.
Antikoagulanzien vom Cumarin- Typ, Phenytoin sowie Sulfonylharnstoffe werden in ihrer
Wirkung verstärkt (6). So können Blutungen sowie Hypoglykämien auftreten (7).
Trimethoprim
kann
durch
die
Verstärkung
Kalium-
sparender
Diuretika
zu
Hyperkaliämien führen, hier ist vor allem bei niereninsuffizienten Patienten Vorsicht
geboten. Methothrexat wird bei gleichzeitiger Einnahme in seiner Wirkung verstärkt und
es kann zur Verschlimmerung der Leukopenie unter Zytostatikatherapie kommen (6).
8 Interferenz mit der bakteriellen DNA
8.1 Fluorchinolone
Die wichtigsten Vertreter der Fluorchinolone, auch Gyrasehemmer genannt, sind
Ofloxacin, Ciprofloxacin, Moxifloxacin sowie Norfloxacin, Enoxacin und Levofloxacin. Je
nach Anwendung und Wirkspektrum lassen sich die Substanzen in vier Gruppen einteilen
(10). Die Substanzklasse war mit Nalidixinsäure das erste Mal im therapeutischen Bereich
vertreten und es folgten viele weitere synthetisch hergestellte Wirkstoffe, welche teilweise
aufgrund des hohen Nebenwirkungsprofil schon wieder vom Markt genommen wurden
(4)(10).
34
Pharmakodynamik und Wirkspektrum
Fluorchinolone wirken hemmend auf die bakteriellen Enzyme Topoisomerase 2 und 4,
welche die korrekte Verknüpfung und Verdrillung der bakteriellen DNA im Chromosom
zur Aufgabe haben. Durch Hemmung dieses Vorgangs kommt es zur fehlerhaften
Replikation und Transkription der DNA in der bakteriellen Zelle (6). Durch die
Weiterentwicklung der Wirkstoffe ergaben sich im Laufe der Zeit weitere unterschiedliche
Wirkspektren der einzelnen Substanzen. Unter diesem Gesichtspunkt hat man die
Einteilung in diese Gruppen vorgenommen.
 Gruppe 1:
Der Gruppenvertreter heißt Norfloxacin. Ein Wirkstoff, der nahezu gegen alle
Erreger der Harnwegsinfekte
und Gastroenteritiden durch grampositive und
gramnegative Keime wirksam ist (15)(6).
 Gruppe 2:
Die drei Wirkstoffe Ofloxacin, Ciprofloxacin und Enoxacin zeichnen sich durch ein
sehr breites Wirkspektrum bei grampositiven und gramnegativen Bakterien aus (6).
Eingesetzt wird Ciprofloxacin bei Harnwegsinfektionen, Prostatitis, Gonorrhoe,
Milzbrand, Atemwegsinfektionen beispielsweise durch Haemophilus influenzae,
Moraxella catarrhalis sowie bei Reisediarrhoe und Salmonellose (7).
 Gruppe 3:
Der einzige Vertreter dieser Gruppe ist Levofloxacin, welches eine verbesserte
Wirkung
gegen
grampositive
Keime
wie
beispielsweise
Streptokokken,
Staphylokokken, Pneumokokken und atypische Keime aufweist (4). Daher wird der
Wirkstoff bei chronischer Bronchitis, Infektionen im Urogenitalbereich durch
Gonokokken und Chlamydien sowie Haut- und Weichteilinfektionen angewendet
(7). Aufgrund einer hohen Halbwertszeit reicht die einmalige tägliche Applikation
(5).
 Gruppe 4:
Moxifloxacin gehört in diese Gruppe. Dieses Antibiotikum hat ein noch breiteres
Spektrum im Bereich der gramnegativen Anaerobier. Hoch empfindlich reagieren
vor allem Atemwegserreger wie Pneumokokken, Haemophilus influenzae,
Moraxellen, Chlamydien, Mykoplasmen sowie Legionellen (15). Weiter wird es
angewendet bei Gallenwegsinfektionen sowie Infektionen des weiblichen
Genitaltrakts (6).
35
Gemeinsam ist der Gruppe der Fluorchinolone, dass sie fast keine Wirkung bei
Pseudomonaden, multiresistenten Staphylokokken sowie bei Vancomycin resistenten
Enterokokken zeigen (6).
Pharmakokinetik
Fluorchinolone werden nach oraler Applikation bis zu 90 % resorbiert (5). Bei den
Wirkstoffen Ciprofloxacin, Levofloxacin sowie Moxifloxacin ist auch eine Gabe über eine
Infusionstherapie möglich. Die Gruppe weist eine besonders gute Gewebegängigkeit auf
und reichert sich daher auch in schwer erreichbaren Räumen wie Prostata oder Knochen
an. Die Verteilung erfolgt sowohl intra- als auch extrazellulär, was die Wirkung bei
atypischen Erregern erklärt. Die Liquorgängigkeit ist nicht sehr hoch und daher im
therapeutischen Bereich nicht ausreichend (5). Fluorchinolone werden vorwiegend renal
ausgeschieden und teilweise auch biliär und hepatisch (6).
Nebenwirkungen
Vorrangig sind gastrointestinale Störungen wie Diarrhoe, Übelkeit und Erbrechen als
unerwünschte Wirkungen. Weiters treten auch im zentralnervösen Nervensystem
Nebenwirkungen auf. Hier steht die Herabsetzung der Krampfschwelle im Vordergrund
sodass es zu Krampanfällen kommen kann. Daher ist die Gabe von Fluorchinolonen bei
Epilepsie kontraindiziert (6). Außerdem kann es zu Kopfschmerzen, Schlafstörungen
sowie Verwirrtheitszuständen kommen (4).
Während
einer
antibiotischen
Therapie
mit
Fluorchinolonen
ist
vermehrte
Sonnenexposition zu vermeiden, da phototoxische Reaktionen der Haut auftreten können.
Genauso kann es zu immunallergischen Reaktionen wie Ödembildungen kommen (4).
Kardiotoxische Eigenschaften wurden in Tierversuchen beobachtet, in welchen QT-Zeit
Verlängerungen mit Risiko einer schweren Arrhythmie nachgewiesen wurden. Daher
sollten sie nicht in Kombination mit QT-verlängernden Pharmaka, bei Hypokaliämie sowie
Bradykardie verabreicht werden (6).
Eine wichtige Nebenwirkung ist das Auftreten von Achillessehnenrupturen bei
gleichzeitiger Gabe von Fluorchinolonen und Glucocorticoiden sowie Patientenalter über
65 Jahre und das Vorliegen einer eingeschränkten Nierenfunktion. Weist ein Patient dieses
Risikoprofil auf, kann es vermehrt zur Tendopathie kommen. Die Tendopathie kann oft
auch erst nach mehreren Wochen auftreten (4)(30).
36
Wechselwirkungen
Arzneimittel wie Eisenpräparate, Antazida und andere mehrwertige Kationen können die
Resorption von Fluorchinolonen hemmen, da es zur Bildung von Komplexen kommt (5).
Aufgrund der QT- Zeit Verlängerung ist die gleichzeitige Einnahme von Antiarrhythmika
oder H1- Antihistaminika und Fluorchinolonen kontraindiziert, da es zu Torsades de
Pointes kommen kann (5). Plasmakonzentrationsspiegel von Theophyllin, Ciclosporin,
Cumarinen, Benzodiazepinen und Methotrexat werden verstärkt und dadurch kommt es zu
entsprechenden Nebenwirkungen (7).
8.1.1 Resistenzlage Österreich
Um unempfindlich gegenüber Fluorchinolonen zu werden, mutieren Erreger und verfügen
so über weniger empfindliche Topoisomerasen. Außerdem werden als weitere
Resistenzmechanismen weniger Porine und mehr Effluxpumpen von der bakteriellen Zelle
produziert. Dadurch nehmen die Erreger weniger Antibiotikum auf und können sich so
schützen (5). Bei Escherichia coli, ein Erreger der zu schweren Infektionserkrankungen
führen kann, stellen Fluorchinolone eine wichtige Therapieform dar. Auch hier ist in den
letzten Jahren eine zunehmende Resistenzentwicklung zu verzeichnen. Im Jahr 2012 lag
diese bei 20,9 %, wobei die höchste Rate in den urologischen und Hämato-onkologischen
Abteilungen anzutreffen ist. Österreich liegt mit dieser Resistenzrate im europäischen
Mittelfeld. Genauso ist es auch bei Klebsiella pneumoniae, ein gramnegativer Erreger der
vor allem bei immungeschwächten Patienten sehr häufig zu nosokomialen Infekten sowie
Bakteriämien führen kann. Hier liegt die Resistenzrate derzeit bei 15,1 %, was einen
leichten Rückgang seit 2010 von ursprünglichen 18,4 % bedeutet. Auch in den
verschiedenen Bundesländern zeigen sich große Unterschiede, wobei diese über die Jahre
stark variieren. Im europäischen Vergleich reicht die Resistenzrate von Griechenland mit
69,7 % bis zu Finnland mit 2,1 % (23).
37
Abbildung 5 Escherichia coli- Fluorchinolone resistent im Ländervergleich 2012 entnommen aus
TESSy- The European Surveillance System
8.2 Nitroimidazole
Metronidazol und Nitrofurantoin gehören in diese Gruppe. Hier wird nur auf Metronidazol
eingegangen, da Nitrofurantoin aufgrund schwerer Nebenwirkungen wie zentralnervösen
Störungen und Blutbildveränderungen bei längerer Einnahme nur in seltenen Fällen für die
Therapie von akuten und immer wiederkehrenden Cystitiden zu erwägen ist (7).
Pharmakodynamik
Die Pharmakonvorstufe Metronidazol wird von Anaerobiern aufgenommen und dort
kommt es durch die Aktivierung von mikrobiellen Enzymen zur Bildung von NitrosoRadikalen. Die Radikale indizieren schließlich DNA Strangbrüche, die die bakterizide
Wirkung ausmachen. Die keimtötende Wirkung entfaltet sich teilweise auch bei Protozoen
(6). Metronidazol wirkt bei Helicobacter-pylori Infektionen, Anaerobierinfektionen wie
Clostridien und anaeroben Kokken (15). Vulvovaginitiden durch Gardnerella vaginalis
sowie durch Trichomonas vaginalis ausgelöst, werden mit dem Antibiotikum behandelt.
38
Bei Infektionen durch Protozoen wie Amöbenruhr durch Entamoeba histolytica sowie
durch Lamblien verursachte Enteritis, ist Metronidazol Mittel der Wahl (6).
Pharmakokinetik
Je nach Anwendungsgebiet erfolgt die Applikation intravaginal, oral, intravenös oder
topisch (6). Metronidazol verfügt über eine gute Gewebegängigkeit und wird über die
Niere in metabolisiertem Zustand ausgeschieden (9)(10).
Nebenwirkungen
Neben metallischem Geschmack im Mund, Kopfschmerz und gastrointestinalen Störungen
kann es zu Juckreiz und Gefühlsstörungen kommen (15). Bei Einnahme von Metronidazol
kommt es zu Alkoholunverträglichkeiten, da Acetaldehyd akkumuliert. Außerdem können
Blutbildveränderungen und Leberfunktionsstörungen auftreten (6).
9 Antimykobakterielle Wirkstoffe
Der Vollständigkeit halber wird diese Gruppe von Wirkstoffen kurz behandelt.
Mykobakterien sind Auslöser für Tuberkulose durch Mykobacterium tuberculosis,
untypische Tuberkulose durch Mykobacterium avium sowie Lepra durch Mykobacterium
leprae (8). Tuberkulose ist eine weltweit zunehmend auftretende Erkrankung. In der
Therapie wird zunächst über zwei Monate Isoniazid, Rifampicin und Pyrazinamid
verordnet. Dann kann eine Periode von vier Monaten folgen mit Isoniazid und Rifampicin,
wenn die Symptomatik noch besteht (7). Bei Resistenzen wird Ethambutol zusätzlich
gegeben.
Die
Wirkstoffe
müssen
ein
hohes
Permeationsvermögen
haben,
da
Mykobakterien einen hohen Lipidanteil in der Zellwand aufweisen und zusätzlich eine sehr
langsame Vermehrungsgeschwindigkeit haben. Deshalb reagieren sie nur wenig auf
wachstumshemmende Wirkstoffe und daher ist eine langwierige Therapie sowie hohe
Compliance vom Patienten gefordert (6). Es besteht weiter die Gefahr, dass Keime nach
Ende der Therapie persistieren weil die Wirkstoffe nur in der Proliferationsphase angreifen
(5). Die einzelnen Wirkstoffe werden kurz vorgestellt.
9.1 Isoniazid
Isoniazid ist ein Pharmakon, welches gegen M. tuberculosis sowie M. kansii wirksam ist
(15). Der Wirkstoff ist bei wachsenden Bakterien bakterizid wirksam, indem es sich in der
Zelle anreichert und oxidiert wird (10). Es wird die Biosynthese von einem wichtigen
Bestandteil der mykobakteriellen Zellwand nämlich Mykolsäure gehemmt. Es sollte nicht
als Monotherapie verwendet werden, da sich rasch Resistenzen bilden (6). Isonazid wird
39
oral verabreicht und wird gut aufgenommen. In der Leber wird der Wirkstoff zu 70 %
acetyliert und die Metaboliten über die Niere ausgeschieden. Die Plasmahalbwertszeit liegt
zwischen ein und drei Stunden (5). Neben Blutbildveränderungen, gastrointestinalen
Störungen, Hautreaktionen und hepatotoxischen Nebenwirkungen, werden der Substanz
neurotoxische Wirkungen wie Schwindel, Parästhesien und Krampfanfälle zugeschrieben.
Daher stellen Epilepsie sowie akute Lebererkrankungen wie Hepatitis und periphere
Neuropathien Kontraindikationen dar (15).
9.2 Rifampicin und Rifabutin
Rifampicin ist neben Isoniazid das potenteste Antituberkulotikum, daher Mittel der ersten
Wahl. Die Substanzen wirken auf die bakterielle RNA Synthese hemmend durch Blockade
der DNA- abhängigen RNA Polymerase. Dadurch erklärt sich die bakterizide Wirkung bei
proliferierenden Tuberkelbakterien (8). Neben Tuberkulose wird noch MenigokokkenMeningitis therapiert und es wirkt gegen M. leprae und andere gramnegative Bakterien (5).
Rifampicin wird nach oraler Gabe besser resorbiert als Rifabutin. Die Wirkstoffe verfügen
über eine sehr gute Gewebeverteilung und erreichen ihre höchsten Konzentrationen in
Lunge und Makrophagen (5). Aufgrund der Enzyminduktion in der Leber kommt es bei
Rifampicin zu Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln, die hepatisch metabolisiert
werden und daher zur Beschleunigung der eigenen Elimination führen (5). Daher tritt
während der Behandlungsphase eine Verkürzung der Plasmahalbwertszeit auf sowie eine
Abnahme
der
Bioverfügbarkeit
gastrointestinale
Störungen,
Blutbildveränderungen
sowie
(6).
Als
Pruritus
unerwünschte
mit
oder
Nebenwirkungen
ohne
Leberfunktionseinschränkungen
treten
Hautveränderungen,
und
zentralnervöse
Symptome auf (15).
9.3 Ethambutol
Ethambutol wird ausschließlich in der Kombinationstherapie bei Tuberkulose angewendet,
vor allem auch wegen der langsameren Resistenzentwicklung. Es wirkt bakteriostatisch in
der Proliferationsphase von M. tuberculosis, M. kansii und M. avium intracellulare (15). Es
greift indirekt in den Einbau eines Bausteins (Arabinogalacton) der mykobakteriellen
Zellwand ein. Die Bioverfügbarkeit ist nach oraler Einnahme hoch und der Wirkstoff wird
vorwiegend
renal
ausgeschieden
(6).
Neben
immunallergischen
Reaktionen,
unerklärlichem Harnsäureanstieg, Kopfschmerzen und peripheren Neuropathien, können
Sehstörungen auftreten. Hier handelt es sich um eine Schwäche in der Rot- Grün
Unterscheidung und Gesichtsfeldeinschränkungen. Daher soll während der Therapie
40
monatlich eine augenärztliche Kontrolle durchgeführt werden und bei Kleinkindern unter
10 Jahren soll das Arzneimittel nicht eingesetzt werden (15).
9.4 Pyrazinamid
Dieses Antituberkulotikum wirkt nur gegen Mykobacterium tuberculosis und entfaltet vor
allem im sauren Milieu beispielsweise der Makrophagen seine bakterizide Wirkung (15)
(6). Als Angriffspunkt dient die Fettsäure- Synthase, die an der Mykolsäure Biosynthese
beteiligt ist und dadurch den mykobakteriellen Zellwandaufbau stört (6). Wegen des sauren
Milieus wirkt Pyrazinamid auch auf die Tuberkelbakterien in den verkäsenden Nekrosen.
Nach oraler Applikation verteilt sich Pyrazinamid in allen Körperflüssigkeiten inklusive
Liquor und verfügt über eine Plasmahalbwertszeit von vier bis zehn Stunden (8). Da das
Antituberkulotikum nach hepatischer Metabolisierung teilweise über die Niere
ausgeschieden wird, kann es dort zur Hemmung der Harnsäureelimination und dadurch zu
Hyperurikämie kommen (6). Weitere unerwünschte Nebenwirkungen sind hepatotoxische
Eigenschaften bei höheren Dosierungen, daher soll während der Behandlung regelmäßig
eine Kontrolle der Leberwerte durchgeführt werden. Ebenso kann es zu phototoxischen
Reaktionen kommen (15).
9.5 Streptomycin
Streptomycin zählt zur Gruppe der Aminoglykoside und wirkt daher auf die
Proteinsynthese hemmend. Hier bindet es an die 30S Einheit des mykobakteriellen
Ribosoms und führt so zur Bildung falscher Proteine (6). Dieses Antituberkulotikum wirkt
gegen M. tuberculosis, Brucellen, Yersinia pestis, Staphylokokken sowie Streptokokken
aber nicht auf atypische Mykobakterien (15). Die schwerste Nebenwirkung dieses
Arzneimittels ist die Schädigung des 8. Hirnnervs. Zuerst kann es zu Vestibularstörungen
kommen und später zu Hörstörungen von Seiten des Nervus accusticus (10). Wobei die
Hörstörungen irreversibel sind und daher während einer Streptomycin Therapie regelmäßig
ein Audiogramm durchgeführt werden muss (15).
10 Endet die Ära Antibiotika?
Als Revolution der medizinischen Versorgung würde man nun das damalige Aufkommen
der verschiedenen oben vorgestellten antibiotischen Therapien betiteln. Der Einsatz der
antibakteriellen Pharmaka brachte enorme Vorteile in allen medizinischen Bereichen.
Beispielsweise im chirurgischen Sektor im Umgang mit postoperativen Infektionen, im
Kontext mit Transplantationen von Organen genauso wie von hämatopoetischen
Stammzellen. Im intensivmedizinischen Bereich war die Entwicklung der Antibiotika
41
bahnbrechend. Besonders auf Intensivstationen ist der Einsatz von antimikrobiell
wirksamen Substanzen in Umgang mit Kathetern, künstlicher Beatmung sowie künstlicher
Ernährung nicht mehr wegzudenken. Da diese Gerätschaften idealen Nährboden für Keime
bieten, ist hier der Einsatz von Antibiotika besonders wichtig. Hier kommt es zu den
gefürchteten nosokomialen Infekten, die sehr schwer behandelbar sind (31). Noch 1942
berichtete man über eine medizinische Sensationsheilung als eine 33- jährige Patientin von
einer Streptokokken Sepsis geheilt wurde, da die Ärzte in New Haven im Bundesstaat
Conneticut die neue Substanz Penicillin ausprobiert haben. Doch ganz anders war es 2008
als es nicht möglich war, einem 70- jährigen Patienten in San Francisco zu helfen, der an
einer Endokarditis erkrankte. Es handelte sich dabei um eine Endokarditis, bei deren
Erreger es sich um einen Vancomycin-resistenten Enterococcus faecium handelte. Die
Humanmedizin ist daher heutzutage mit anderen Problemen konfrontiert, die aber der
damaligen Zeit teilweise ähneln. Sterben Patienten nicht mehr an banalen Infekten wie vor
der antibiotischen Ära, sind es nun die rapide Resistenzentwicklung der Bakterien und die
Entwicklung der sogenannten multiresistenten Keime, die zu nicht behandelbaren
Infektionen führen (2).
Bakterien bedienen sich seit Urzeiten des Mechanismus der Resistenzentwicklung. So
wurde eine bis dato von der Außenwelt abgeschottete Höhle inspiziert. Dort fand man
Bakterien, die sogar gegen synthetisch erzeugte Antibiotika Resistenzen aufwiesen. Solche
Antibiotika, welche man erst im 20 Jahrhundert entwickelt hat. Antibiotika üben einen
Selektionsdruck aus und nur die Bakterien, welche dem Stand halten und resistent sind
überleben und vermehren sich. Diese Prokaryonten weisen meist in ihrer DNA mehrere
„nützliche“ Resistenzgene auf, die sie untereinander weitergeben. So genügt es wenn die
bakterielle Zelle einem Antibiotikum ausgesetzt ist, dass es zur Weitergabe verschiedener
Resistenzen kommt, was die Entstehung der multiresistenten Erreger erklärt. Daher war es
in der Entwicklung neuer potenter antibiotischer Wirkstoffe immer Ziel, neue
Angriffspunkte zu finden, Bakterien erneut zu überlisten. Natürlich führte dies wiederum
zur Entwicklung neuer Resistenzmechanismen, da sich auch hier Prokaryonten Wege
„überlegten“ um widerstandsfähig zu werden und auch dem neuem Antibiotikum zu
trotzen und zu überleben. Es ist also immer eine Frage der Zeit, wann ein Antibiotikum
wieder ausgedient hat und sich das Bakterium auch hier wieder resistent gemacht hat.
Schlussendlich nach Jahrtausenden von bakteriellem Selektionsdruck, wird es immer enger
und schwieriger potente Angriffspunkte für Antibiotika zu finden. Resistenzmechanismen
42
werden so vorherrschend sein, dass es der Forschung unmöglich sein wird, neue
Antibiotika zu entwickeln (11).
Der oft unüberlegte Einsatz von Antibiotika sowohl in Ordinationen, Krankenhäusern als
auch in der Tiermast bzw. Lebensmittelindustrie ist ein weiterer Grund für diesen Trend in
eine bestimmte Richtung. Resistenzen nehmen zu und vor allem die multiresistenten
Keime lassen Mediziner in Therapienotstand geraten (32). Bei Betrachtung dieser
kritischen Lage, müssen sich Ärzte und Forscher mit der Frage beschäftigen wie es
weitergehen soll im Kampf gegen die Resistenzen. Eventuell ist die einzige Möglichkeit
die bleibt, die Uhr um Jahrzehnte zurückzudrehen und bereits vergessene bzw. aufgrund
ihrer Toxizität verbotene Wirkstoffe wieder zu verwenden, da sie die einzigen sind, die
noch Wirkung zeigen. Oder eine ganz neue Methode zu entwickeln, die sich als wirksam
gegen Bakterien erweist. Doch derzeit ist auch keinerlei Besserung der Lage in Sicht, da
die Entwicklung neuer Antibiotika stagniert und vor allem der Kampf gegen gramnegative
Bakterien und Enterokokken kaum zu gewinnen ist (2).
10.1 Bedrohliche Problemkeime der heutigen Medizin
Es ist schwer vorzustellen, wie es möglich sein soll, den Stand der Technik im
chirurgischen Betrieb aufrecht zu halten, sowie Chemotherapie jeglicher Art,
Transplantationen und immunsuppremierte Menschen zu versorgen, wenn keine adäquat
antibakteriell wirksamen Substanzen zur Verfügung stehen. Bakterien waren und sind die
Gewinner der Evolution und passen sich immer den Gegebenheiten an, um zu überleben.
Nun stehen Kliniker an einem Punkt, an dem sie mit der Herausforderung der
multiresistenten Keime zu kämpfen haben und keine chemische Wunderwaffe mehr zur
Verfügung steht, um Menschenleben vor einer solchen bakteriellen Infektion zu retten
(26). Solange der Patient nur Träger der multiresistenten Erreger ist, stellt dies kein
Problem dar, aber sobald es zu Infektionen kommt, sind die behandelnden Ärzte mit dem
Resistenzproblem konfrontiert (33). Eine ausgewählte Reihe an multiresistenten Keimen
spielt im klinischen Alltag der Resistenzproblematik eine besondere Rolle. Diese werden
hier kurz vorgestellt.
10.1.1
MRSA
Das Bakterium Staphylococcus aureus zählt eigentlich zu den Keimen der natürlichen
Flora der Haut und Schleimhaut des Menschen. Vor allem in Nasenvorhöfen und Rachen
ist der Keim vorzufinden (12). Nun stellt das Bakterium als MRSA unter den
grampositiven Erregern eine der größten Hürden in der antibiotischen Therapie dar. Das
43
Bakterium ist ein gutes Beispiel für einen Organismus, der es im Laufe der antibiotischen
Ära immer wieder schaffte, sich rasch genetisch zu adaptieren um gegen die einzelnen
Antibiotika widerstandsfähig zu sein. Dadurch avancierte der Staphylococcus aureus zum
multiresistenten Problemkeim. Nach Einführung von Penicillin und später Methicillin, war
der Keim rasch gegen diese Betalactam- Antibiotika resistent und bereits 2003 waren 50%
der isolierten S. aureus aus Krankenhäusern der Vereinigten Staaten MRSA Keime. Dann
zeigten sich auch Resistenzen gegen Glykopeptide, vor allem gegen Vancomycin. Tauchte
zuerst nur eine leichte Form der Resistenz auf, wurde bereits kurz später vom VRSA
(Vancomycin resistent- Staphylococcus aureus) berichtet. Ein Erreger der nicht nur auf die
Therapie mit Vancomycin nicht anspricht, sondern auch gegen andere Antibiotika wie
Clindamycin, Aminoglykoside sowie Fluorchinolone resistent ist. Nicht nur im
Krankenhaus bereitet der MRSA Probleme, sondern auch ohne Krankenhauskontakt
kommt es zu Infektionen durch den Erreger (2). Der so bezeichnete CA- MRSA- Stamm
(community-
aquired
MRSA)
führt
vor
allem
bei
jungen
Patienten
ohne
Krankenhauskontakt zu den gefürchteten Infektionen, die in Deutschland und Österreich
bis jetzt noch nicht so häufig aufgetreten sind (5). In den Vereinigten Staaten ist hingegen
MRSA einer der Hauptverursacher für Haut- und Weichteilinfektionen, die in den
Notaufnahmen gesehen werden (2). Als Auslöser von Wundinfektionen, Septikämien,
Pneumonien sowie nekrotisierender Faszitis und damit assoziierter Antibiotikatherapie
kommt es immer wieder zur Weiterentwicklung des Genoms des MRSA und damit zu
vermehrten Resistenzproblemen. Obwohl Resistenzen gegen Vancomycin bestehen, gilt es
noch als erste Wahl in der Therapie von Infektionen durch MRSA. Linezolid, Tigecyclin,
oder Daptomycin können auch eingesetzt werden (5).
44
Abbildung 6 MRSA- Raten im Ländervergleich 2012 entnommen aus TESSy- The European
Surveillance System
10.1.2
Vancomycin- resistente Enterokokken
Enterokokken wie E. faecium und E. faecalis sind normale Bestandteile der menschlichen
Darmflora. Falls die Beziehung zwischen Wirt und Erreger aber gestört ist, kann es zu
schweren
Infektionen
kommen.
Sie
sind
daher
eine
sehr
widerstandsfähige
Bakterienpopulation und weisen in ihrem Genom einige primäre Resistenzen gegenüber
gewissen Antibiotika auf, wie beispielsweise gegen Cephalosporine. Durch den breiten
Einsatz von Vancomycin bei MRSA und Clostridium difficile entwickelte sich aber auch
eine zunehmende Toleranz gegenüber diesem Wirkstoff (5). Als Verursacher für die
bakterielle Endokarditis sind Enterokokken gefürchtet und die Resistenz gegen
Vancomycin erschwert die Auswahl einer passenden Therapie. Die Penicillintoleranz
nahm ihren Ursprung, als man begann Penicillin und Aminoglykoside als Therapie von
Endokarditis zu kombinieren. Dadurch etablierte sich auch zunehmend eine hohe
Resistenzrate gegenüber Aminoglykosiden (2). VRE sind zunehmend verantwortlich für
zahlreiche Krankenhausinfektionen wie Sepsis, Endokarditis, Wundinfektionen sowie
45
Katheter- assoziierte Infektionen. Den größten Anteil der klinisch relevanten Vancomycin
-resistenten Enterokokken stellt hier der Erreger E. Faecium dar. So sind 30 % der
Enterokokken, welche man von hospitalisierten Patienten in den USA isoliert hat, resistent
gegen Vancomycin. Risikofaktoren für die Akquirierung solcher VRE sind eine zuvor
durchgemachte
antibiotische
Therapie,
lange
Hospitalisierung
vor
allem
auf
Intensivstationen, Katheter oder andere medizinische Geräte, Immunsuppression und
Kontakt mit anderen Patienten mit VRE. Die natürliche Resistenz gegenüber einigen
Antibiotika sowie die leichte Übertragbarkeit von Mensch zu Mensch im Krankenhaus
lässt den Keim zur potenziellen Gefahr im Krankenhaus werden. Derzeit werden
Linezolid, Daptomycin sowie Tigecyclin bei VRE Infektionen therapeutisch eingesetzt.
Um neue Resistenzentwicklungen zu vermeiden, müssen VRE Patienten von MRSA
Patienten räumlich getrennt werden, da es sonst unter diesen grampositiven Kokken zur
Übertragung der Glykopeptid-Resistenz kommen kann (5).
Abbildung 7 Enterococcus faecium - Vancomycin resistent Ländervergleich 2012 entnommen aus
TESSy- The European Surveillance System
46
10.1.3
ESBL- bildende gramnegative Bakterien
Hier handelt es sich um gramnegative Bakterien wie Enterobacteriacae, Pseudomonas
aeruginosa sowie beispielweise Acinetobacter baumannii. Diese Erreger verbindet die
gemeinsame Eigenschaft, dass sie in der Lage sind, sogenannte Betalactamasen zu bilden.
Betalactamasen sind Enzyme, die sie gegen nahezu alle Betalactam- Antibiotika
widerstandsfähig machen (5).
Zuerst war es den Keimen nur möglich, Penicilline und Schmalspektrum- Cephalosporine
zu inaktivieren, doch im Laufe der Resistenzentwicklung kam es zur Entstehung der
ESBL, der sogenannten extended spectrum betalactamases, die auch gegen Cephalosporine
der Gruppe 3 und Gruppe 4 resistent sind (7).
Diese Entwicklung führt dazu, dass es zu einer steigenden Zahl an nosokomialen Infekten
durch gramnegative Bakterien kommt, bei deren Therapie man mit plötzlich wirkungslosen
Antibiotika konfrontiert ist. Die Situation wird sich auch in Zukunft schwierig gestalten, da
sich noch keine brauchbaren neuen Antibiotika gegen diese multiresistenten Organismen
im fortgeschrittenen Stadium der klinischen Entwicklung befinden. Wie bereits erwähnt
stellen sich hier beispielsweise Keime wie Pseudomonas aeruginosa oder Acinetobacter
baumannii als besondere klinische Herausforderung dar. So war man beispielsweise bei
Soldaten, die aus dem Irak und Afghanistan zurückkehren, mit den multiresistenten
Acinetobacter Arten konfrontiert. Aber nicht nur diese gramnegativen Bakterien sind von
Multiresistenzen betroffen, sondern auch Krankenhaus- assoziierte Stämme von
Klebsiellen, Escherichia coli und Enterobacter haben sich zu den multiresistenten Keimen
mit ESBL gesellt. Weiter bereiten diese Erreger auch außerhalb des Spitals Probleme und
so wurden auch bei durch E. coli verursachten Harnwegsinfekten ESBL Bildner gefunden
(2). In der Behandlung dieser Infektionen zeigen sich Carbapeneme, Aminoglykoside,
Fluorchinolone, Fosfomycin sowie Tigecyclin noch wirksam.
Ein weiteres Problem stellen die sogenannten Carbapenemasen dar. Dabei handelt es sich
um Carbapenem- hydrolysierende Betalactamasen, die fähig sind auch Carbapeneme zu
inaktivieren, welche als Reserveantibiotika auf Intensivstationen gehandhabt werden (5).
Mechanismen wie Effluxpumpen und Membranveränderungen führten bei gramnegativen
Erregern
zu
dieser
Resistenzentwicklung
gegen
Carbapeneme.
Diese
Resistenzmechanismen betreffen aber auch andere Antibiotika Gruppen wie beispielsweise
Fluorquinolone und Aminoglykoside. Da diese Betalactamase- Gene auch über Plasmide
weitergegeben werden können, könnten plötzlich alle gramnegativen Bakterien diese Gene
47
besitzen. Und durch die angeeigneten Antibiotikaresistenzen könnten sie zur potenziellen
Gefahr in Zukunft werden (2).
Abbildung 8: Klebsiella pneumoniae- 3.Generations-Cephalosporine resistent Ländervergleich 2012
entnommen aus TESSy- The European Surveillance System
10.2 Ursachen der Resistenzen
Die weltweite Verbreitung der Antibiotikaresistenzen ist einer der Hauptgründe, warum
Infektionserkrankungen noch immer Menschenleben fordern. Die Ursachen für diese
Entwicklung sind vielfältig. So ist es neben dem unüberlegten und hohen
Antibiotikaeinsatz durch Menschenhand auch die enorme Anpassungsfähigkeit der
Erreger.
Diese
zeichnet
sich
durch
ihre
genetische
Variabilität,
schnelle
Replikationsfähigkeit sowie durch die große Vielfalt und hohe Zahl, mit der sie am
Planeten vertreten sind, aus. Erreger schaffen es daher schon seit Ewigkeiten auf
natürlichem Weg mit antibiotisch wirksamen Substanzen umzugehen. Dies gelingt durch
genetische Mutation im Sinne der Resistenzentwicklung. Aber einer der Hauptgründe für
die Ausbreitung der Resistenzentwicklung ist trotzdem der unkritische Einsatz von
48
Antibiotika in der Humanmedizin sowie in der Landwirtschaft wie beispielsweise zur
Wachstumsförderung in der Viehzucht. So werden Antibiotika in der Praxis bei banalen
viralen Atemwegsinfektionen verschrieben, nur weil Patienten danach verlangen oder der
Arzt zur Sicherheit antibiotisch abdecken will. Dadurch wird der Selektionsdruck gefördert
und die Ausbreitung von Resistenzen vorangetrieben (31). Die passende Auswahl des
Antibiotikums ist auch entscheidend, obwohl die Therapie mit einem SchmalspektrumAntibiotikum begonnen werden sollte, wird zu oft sofort mit einem Breitbandantibiotikum
therapiert. Dadurch sind im Notfall die vorhandenen Breitbandantibiotika gegen die
resistenten Erreger unwirksam und es fehlt die Möglichkeit adäquat zu therapieren. Ebenso
führt der Informationsrückstand unter ärztlichem Personal zu falschem oder nutzlosem
Verbrauch
antibiotischer
Ressourcen.
Die
Aufklärung
über
die
aktuelle
Antibiotikaresistenzlage, Hygienemaßnahmen zur Infektionsprävention kommen teilweise
in Fort- und Weiterbildung zu kurz. Dies trägt dazu bei, dass sich resistente Organismen
rasch in medizinischen Einrichtungen ausbreiten (34). Wichtige Einflussfaktoren sind auch
die Arzt- Patientenbeziehung. Hier vor allem der Druck vom Patienten ein Antibiotikum zu
wollen, der Zeitfaktor in der Praxis schnell eine passende Therapie zu finden sowie die
Angst des Arztes vor rechtlichen Konsequenzen bei Unterlassung einer antibiotischen
Therapie (35). Weiter ist oft die fehlende Compliance von Patienten problematisch, so wird
die Resistenzentstehung durch nicht zu Ende nehmen des Antibiotikums enorm verstärkt.
Außerdem gelangen Antibiotika- Metaboliten über Abwasser und Ausscheidungen in
Kläranlagen
und
sind
dort
dem
Selektionsdruck
ausgesetzt,
was
weiter
zur
Resistenzentstehung bei Bakterien führt (34). Genauso wenig sind neue viel versprechende
Antibiotika in Entwicklung oder bereits am Markt (36).
Allgemein
kann
die
Ressourcenverschwendung
versiegende
angesehen
Effektivität
werden
von
und
Antibiotika
deshalb
genauso
müssen
als
unbedingt
Gegenstrategien postuliert und verwirklicht werden (31).
10.3 Maßnahmen gegen die zunehmende Resistenzentwicklung
Eine Lösung im Fall der steigenden Resistenzentwicklung muss gefunden werden um
weiter medizinische Therapie auf höchstem Niveau garantieren zu können und
Infektionserkrankungen nicht zum Problem werden zu lassen. Man wird zwar nie den
Kampf gegen die schnelle Resistenzentwicklung der Bakterien gewinnen können, aber
durch Einhaltung einiger Regeln und die Entwicklung neuer Antibiotika, soll dem
gefährlichen Trend entgegen gewirkt werden (35). Betrachtet man die wirtschaftlichen
Aspekte, ist die Entwicklung neuer antibiotisch wirksamer Substanzen für Pharmafirmen
49
wenig Gewinnbringend und daher stagniert dieser Forschungszweig zunehmend (37).
Daher muss ein ordentlicher Umgang mit Antibiotika gepflegt werden durch folgende
Maßnahmen.
 Strenge Indikationsstellung und Auswahl: Zuerst soll sich der Arzt sicher sein,
ob es sich um einen bakteriellen Infekt handelt und Antibiotika nicht als
Antipyretikum missbrauchen. Dann ist eine adäquate Auswahl des Antibiotikums
in der Initialtherapie nach dem zu erwartendem Erreger maßgeblich. Um nicht
unnötig überzutherapieren kann eine Keimanalyse durchgeführt werden. Es sollte
versucht
werden
mit
einem
Schmalspektrumantibiotikum
zu
beginnen.
Ausschlaggebend ist ein frühzeitig korrekt angefertigtes Antibiogramm, welches
die Therapie dann weiter optimieren lässt (5).
 Gezielte Therapie: Falls das gewählte Antibiotikum nach einigen Tagen nicht
anspricht, sollte nicht unnötig weitertherapiert werden, sondern man soll sich
überlegen ob es die richtige Wahl war. Ob das Antibiotikum bis zum Infektionsort
vordringen kann oder ob es sich eventuell um Viren oder Pilze handeln könnte.
Weiter
müssen Venenkatheter oder Blasenkatheter als Ursache für das
Nichtansprechen des Antibiotikums in Erwägung gezogen werden. Dann sollte ein
Wirkstoffwechsel passieren um die Selektion resistenter Keime nicht weiter zu
fördern (15).
 Therapiedauer und Dosierung: Nach richtiger Auswahl des Wirkstoffs soll eine
adäquate Dosierung und Dauer der Therapie zur vollständigen Eradikation der
Erreger überlegt werden. Meistens sind drei bis fünf Tage nach Abfiebern
ausreichend und das Antibiotikum soll nicht zu lange verabreicht werden. Bei
Nierenfunktionseinschränkungen muss eine Dosisanpassung erfolgen und das
Nebenwirkunsprofil sowie Allergien müssen beachtet werden (15).
 Kombinationstherapie und Lokalantibiotika: Die Antibiotika- Diversität soll
durch Verwendung verschiedener Wirkstoffe für die gleiche Indikationsstellung im
Krankenhaus
gepflegt werden. Bei Kombinationstherapie im Falle einer
empirischen Initialtherapie beispielsweise bei einer Sepsis oder bei einer
Monotherapie bei resistenten Keimen sollen die gleichen Dosierungen wie bei den
Einzelsubstanzen verwendet werden (5). Lokalantibiotika kann man durch
Antiseptika ersetzten, da auch hier eine zunehmende Resistenzentwicklung
beobachtet wird. Daher soll man sich auf Substanzen beschränken die in der
systemischen Therapie keine tragende Rolle haben (15).
50
 Hygienische Maßnahmen: Hohe hygienische Standards sind entscheidend im
Kampf
gegen
resistente
Keime
und
die
Verbreitung
dieser.
Neben
Händedesinfektion, sterilen Bedingungen im Operationsbereich müssen auch die
Räumlichkeiten inklusive Raumluft regelmäßig entkeimt werden (5).
Die wachsende Krise der Resistenzen und der Stillstand in der Entwicklung neuer
wirksamer Antibiotika geben Anstoß, nach neuen Lösungen für dieses Problem zu suchen.
Es wird zunehmend schwieriger werden bakterielle Infektionen durch multiresistente
Keime zu therapieren und Patienten zu kurieren. Daher müssen neue Wege gefunden
werden um Bakterien unschädlich zu machen, andere Angriffspunkte sowie Strategien
ohne Gefahr der Resistenzentwicklung (11). Eine mögliche Alternative könnte die
Bakteriophagentherapie darstellen, die sich in den nächsten Jahren in Angesicht dieser
prekären Resistenzlage, etablieren könnte.
11 Vorstellung einer möglichen Alternative
Die Entwicklung von Antibiotika zählt zu den größten Erfolgen der Wissenschaft im 20.
Jahrhundert. So gehören die Wirkstoffe in der westlichen Medizin seit über 60 Jahren zu
den „bedeutendsten Werkzeugen“ in der Therapie von Infektionserkrankungen. Aber
obwohl die Substanzen Millionen von Menschenleben gerettet haben, gerät die Zukunft der
Antibiotika ins Wanken (3). Anstatt sich nur auf chemische Lösungsmöglichkeiten zu
konzentrieren, was immer ein dynamisches Auf und Ab zwischen Entwicklung neuer
Antibiotika und Ineffektivität durch Resistenzen kurz nach Einführung bedeutet, sollen
andere Möglichkeiten ins Auge gefasst werden. Hier kommt beispielsweise die
Bakteriophagentherapie in Frage, eine alte Methode, die sich im Kampf gegen bakterielle
Infektionserkrankungen bewähren könnte (36).
11.1 Bakteriophagentherapie
11.1.1
Geschichte der Phagen
Aus dem lateinischem übersetzt bedeutet Bakteriophagen „Bakterien-Esser“. Die
Geschichte der Bakteriophagen reicht weit zurück. Bereits im Prophetenbuch der Bibel
wird geschrieben, dass der Prophet Elias Naaman bat, sich im Jordan Fluss zu baden um
seine Krankheit zu heilen. Und seitdem wurden viele Fälle dokumentiert, dass Flusswasser
die Fähigkeit haben soll, infektiöse Krankheiten wie Lepra zu kurieren, was bereits ein
Hinweis auf Phagen war (38). 1886 beobachtete ein britischer Forscher namens Ernest
Hankin, dass es im Fluss Ganges eine antibakterielle Aktivität durch irgendeine Substanz
gegen Vibrio cholerae geben muss und damit die Ausbreitung der Cholera Epidemie
51
eindämmt (39). Um 1910 entdeckten schließlich der britische Bakteriologe Frederick
Twort und der kanadisch- französische Mikrobiologe Felix d´Herelle unabhängig
voneinander, dass es sich bei diesem Phänomen um Bakteriophagen handelt. Die von
d´Herelle als Bakterien-Esser bezeichneten Bakteriophagen entdeckte er im Labor, als sich
auf einer bakteriell besiedelten Agarplatte plötzlich freie Plaques konfigurierten. Er
bestätigte, dass es sich um virale Parasiten handelte, die die Platte von den Bakterien
befreiten (40). D´Herelle verstand also sofort, dass es sich bei dem natürlichen
Antagonisten der Bakterien um eine potente Therapie bei Infektionserkrankungen handeln
könnte. Der Durchbruch gelang dem Mikrobiologen 1919 als er vier Patienten mittels
Phagentherapie in kürzester Zeit von einer bakteriellen Diarrhoe kurierte. Er entwickelte
schließlich fünf Phagenpräparate die von seinem Labor in Paris vertrieben wurden. Ab
diesem Zeitpunkt gelang Bakteriophagentherapie in wissenschaftliche Hand und begann
sich weiterzuentwickeln (41).
Als es aber zur Entdeckung der Antibiotika kam, gerieten Phagen dann wieder schnell in
Vergessenheit. Anfangs waren Antibiotika sehr preisgünstig, überall verfügbar und nahezu
gegen jede bakterielle Infektion wirksam. So erschienen Antibiotika als die neuen
Wunderwaffen der Humanmedizin und die Phagentherapie wurde somit komplett vom
Westen ausrangiert (36). Seitdem wurde Phagentherapie nur mehr randständig im
Kleinformat betrieben. So wurden bis 1979 in Frankreich noch Phagen gegen Erreger wie
Pseudomonas, Escherichia Coli, Staphylococcus aureus und Serratia eingesetzt.
Beispielsweise
bei
Haut-
und
Weichteilinfektionen,
Sepsis,
Osteomyelitis,
Wundinfektionen, Otitis media und Sinusitiden (42). Das Interesse an der Phagentherapie
war aber trotzdem immer gegeben, nur zentrierte sich die Forschung und Durchführung
klinischer Studien sowie der therapeutische Einsatz eher in die frühere Sowjetunion sowie
nach Osteuropa. Die Ergebnisse wurden nicht ins Englische übersetzt und waren daher
auch sehr schwer zugänglich für den Westen (43).
Heute blicken Wissenschaftler erneut zurück auf die Phagentherapie, als Weg zur
Behandlung bakterieller Infektionen mit vielen Vorteilen im Gegensatz zur herkömmlichen
antibiotischen Therapie. Vor allem in Anbetracht dessen, dass in Zukunft nicht mehr
alleine Antibiotika die Lösung für bakterielle Infektionen sein werden, aufgrund der
steigenden Resistenzentwicklung. Jedoch besteht in puncto klinischer Forschung noch
großer Aufholbedarf um eine breite Anwendung zu gerecht fertigen (36).
52
11.1.2
Was sind Bakteriophagen
Bakteriophagen oder Phagen, besser bekannt als virale Parasiten von Bakterien, wurden
vor fast über 100 Jahren entdeckt. Ihre Potenz als antibiotisches Agens wurde sofort
erkannt. Bakteriophagen sind Viren, die über die Fähigkeit verfügen Bakterien zu
infizieren und in den meisten Fällen abzutöten. Wie bei den meisten Viren beginnt die
Infizierung der bakteriellen Zelle mittels Anheftung an spezielle Oberflächenrezeptoren.
Nach Eindringen in die Zelle beginnt die Replikation indem sie den bakteriellen
Metabolismus stoppen und Phagenpartikel produzieren. Dann nach Einbringung ihrer
Nukleinsäuren in das Bakterium endet der Prozess, indem sich die bakterielle Zelle
aufzulösen beginnt. Die Zelllyse kann je nach Lebenszyklus der Phagen entweder sofort
nach Eindringen in die bakterielle Zelle beginnen, hier spricht man vom lytischen
Zellzyklus oder erst mit Verspätung auftreten, was einem lysogenen Zellzyklus entspricht
(44).
Abbildung 9: Lysogener und lytischer Zellzyklus bei Bakteriophagen entnommen aus (45)
Da Phagen eine der größten Populationen von Mikroorganismen auf Erden sind und eine
große Rolle spielen in Recycling-Prozessen von organischem Material, ist es relativ
einfach Phagen gegen bedeutende pathogene Bakterien zu isolieren. Beispielsweise von
Erregern wie Escherichia Coli, Salmonellen, Campylobacter, Pseudomonas aeruginosa und
Staphylococcus aureus. Dabei kann die Auswahl der Wirtszelle von Phagen von einem
Bakterienstamm bis zu mehreren verschiedenen Bakterienspezien reichen, dies hängt von
dem jeweiligen Phagentypus ab (46). Trotzdem sind die Mechanismen, mit welchen
53
Phagen in Bakterienzellen eindringen und den bakteriellen Stoffwechsel manipulieren,
sehr individuell. Phagen haben im Laufe der Evolution hochspezialisierte verschiedenste
bakterizide Substanzen gegen ihre bakteriellen Zielzellen entwickelt (42). Die größte
Herausforderung der Phagentherapie ist genauso wie bei anderen antimikrobiellen
Wirkstoffen das Angriffsziel zu erreichen und dort in ausreichender Konzentration zu
verweilen. Nur so ist am Infektionsort eine effektive Phagentherapie zu garantieren und
dadurch können alle Bakterien abgetötet werden. Weiter werden auch Phagencocktails aus
mehreren Phagenarten bestehend verwendet, um den Therapieerfolg weiter zu steigern. Je
mehr Phagenarten eine Mixtur enthält, desto größer ist das Spektrum an abgedeckten
Bakterienarten und desto breiter kann die Formel eingesetzt werden (40).
Vorteile der Bakteriophagentherapie
Die Bakteriophagentherapie zeichnet sich besonders durch ihre Spezifität zu der
bakteriellen Wirtszelle aus. So ist es aus therapeutischer Sicht eine smarte Variante genau
die zu beseitigende Bakterienpopulation zu eliminieren und den Rest der menschlichen
Bakterienflora nicht zu beeinflussen. Somit treten weniger unerwünschte Nebenwirkungen
auf und Superinfektionen bzw. Sekundärinfektionen lassen sich verhindern (42).
Die wichtigsten Vorteile werden nun aufgelistet:
 Bakterizide Eigenschaften: So bald ein Phage ein Bakterium infiziert hat, ist
dieses nicht mehr lebensfähig. Im Gegensatz dazu erlauben bakteriostatische
Antibiotika wie beispielsweise Tetracycline schnellere Resistenzentwicklung durch
Selektion (47).
 „Auto“ Dosierung:
Da sich Phagen nur in Gegenwart ihrer bakteriellen
Wirtszellen replizieren, spricht man von selbstregulierenden Werkzeugen. Im
Gegensatz dazu reduziert sich die Dosis eines zugeführten Antibiotikums
natürlicherweise im Laufe der Zeit von selbst, während sich die Phagenanzahl erst
reduziert, wenn alle Bakterien eliminiert sind (48).
 Geringe Toxizität: Da Phagen natürlicherweise aus Nukleinsäuren und Proteinen
bestehen, sind sie ungiftig und es gibt wenige Nebenwirkungen. Es kann nur zu
Interaktionen mit dem menschlichen Immunsystem kommen. Um allergische
Reaktionen auf frei gewordene Bakerientoxine zu vermeiden sollen daher höchst
reine Phagenaufbereitungen verwendet werden (43).
 Minimale
Zerstörung
der
menschlichen
Bakterienflora:
Wegen
der
Wirtsspezialisierung von Bakteriophagen, also der Fähigkeit nur ganz bestimmte
Bakterienstämme zu infizieren, haben sie nur wenig Effekt auf die gesunde
54
Bakterienflora
des
Breitsprektumantibiotika
Menschens
auf
viele
(49).
Im
Bakterien
Gegensatz
und
es
kann
dazu
wirken
dadurch
zu
Superinfektionen wie Antibiotika-assoziierte Clostridium difficile Colistis oder
Candida albicans Infektionen kommen. Gastrointestinalen Nebenwirkungen treten
viel seltener auf (50).
 Geringere
Resistenzentwicklung:
Die
spezielle
Wirtsauswahl
von
Bakteriophagen limitiert die Anzahl an Bakterien, durch deren Selektion spezielle
Phagen- Resistenzmechanismen entstehen. Dies steht im Kontrast zu der
umfangreichen Anzahl an Bakterien, die durch die meisten Antibiotika erfasst
werden (50).
 Keine Kreuzresistenzen mit Antibiotika: Da sich Phagen anderer Mechanismen
bedienen als Antibiotika um Bakterien abzutöten, können antibiotikaresistente
Bakterien mittels Phagentherapie behandelt werden (50).
 Schneller Entdeckungsprozess: Viele Phagen gegen pathogene Bakterien werden
schnell entdeckt, da hohe Konzentrationen davon in Abwässern vorkommen.
Besonders Phagen mit einem großem therapeutischen Fenster werden leicht isoliert,
wobei die Isolierung technisch anspruchsvoll ist (49).
 Vielseitigkeit in ihrer Anwendung: Bakteriophagen können in Kombination mit
anderen Antibiotika verwendet werden oder in Phagencocktails um ihr
Wirkspektrum zu erweitern. Genauso vielseitig präsentieren sie sich auch in
Hinsicht auf Applikation (49).
 Biofilm: Antibiotika sind wenig wirksam, wenn sich bereits ein Biofilm gebildet
hat. Bakteriophagen sind hingegen fähig eine solche Bakterienschicht zu
penetrieren (49).
 In situ Therapie: Bakteriophagen vermehren sich am Ort der Infektion ohne den
ganzen Körper zu durchwandern wie es Antibiotika zu tun pflegen (42).
 Einzeldosis- Potenzial: Da sich Bakteriophagen am Infektionsort vermehren und je
nach Bakterienanzahl in ihrer Dosis selbst regulieren, genügt eine Einzeldosis um
einen therapeutischen Erfolg zu erzielen (49).
 Möglichkeit der geringen Dosierung: Da Bakteriophagen sich nur dort
anreichern, wo ihre bakterielle Wirtszelle angesiedelt ist und sich dort je nach
Bakteriendichte entsprechend replizieren, reicht bereits eine geringe Dosis zur
Behandlung aus (51).
55
 Geringer Umwelteinfluss:
Da Phagen hauptsächlich aus Nukleinsäuren und
Proteinen bestehen haben sie im Vergleich zu chemisch synthetisierten
Breitspektrumantibiotika nur wenig Auswirkung auf Bakterien in der Umwelt.
Außerdem adaptieren sie sich schwer an Umwelteinflüsse und sind wenig toxisch
(49).
 Phagen sind keine Antibiotika: Ein Hauptteil des Antibiotikaverbrauchs gilt als
nicht gerechtfertigt und fördert die Zunahme an bakteriellen Resistenzen.
Beispielsweise der Einsatz in der Landwirtschaft genauso wie die oft unnötige
missbräuchliche Therapie in der Humanmedizin. So kommt es zur Verunreinigung
von Nahrungsmitteln und unserer Umwelt. Da Phagen nicht zur Verschlechterung
der Antibiotika Resistenzlage beitragen, könnte der Einsatz dieser dazu beitragen
den Nutzen von Antibiotika im klinischen Alltag wieder zu verbessern (49).
 Geringe Kosten: Die Herstellung von Phagen besteht aus einer Kombination von
wirtsspezifischen Wachstum und spezieller Aufbereitung. Der Kostenaufwand ist
viel geringer als die Kosten die bei der Entwicklung neuer Antibiotika im Laufe
vieler Jahre in klinischen Studien entstehen würden (49).
Nachteile der Bakteriophagentherapie
 Auswahl der richtigen Bakteriophagen: Die richtige Charakterisierung der
Bakteriophagen, die zur Therapie verwendet werden, spielt eine bedeutende Rolle
und gestaltet sich eher schwierig. Dabei ist zu beachten, die Phagen auszuschließen,
welche Toxine tragen, sowie Probleme mit Adsorption und Replikation haben. Es
gilt jene auszuwählen, die unter den lokalen Bedingungen überleben und ihre
Funktion adäquat ausführen können. Diejenigen zu identifizieren, die über die
Fähigkeiten verfügen pharmakokinetisch (d. h. die bakterielle Zielzelle gut zu
erreichen) sowie wenig Potenzial haben zu schädigen. Bakteriophagen, die nicht
diesen Kriterien entsprechen, sollen nicht therapeutisch angewendet werden (51).
 Problem mit der eingeschränkten Anwendung: Die hohe Wirtsspezialisierung
der meisten Bakteriophagen wirft neben positiven Effekten auch Probleme auf. Da
immer nur wenige Bakterienstämme von den einzelnen Phagen angegriffen werden,
ist man in einer breiten therapeutischen Anwendung stark eingeschränkt. Diese
Therapie verlangt auch nach einer vorangehenden Isolierung des Pathogens um die
richtigen
Phagen
aufzubereiten.
Die
Kombination
von
Antibiotika
und
Phagentherapie oder Phagencocktails würden das therapeutische Fenster erweitern
(48).
56
 Biologisches Agens: Phagen bestehen aus Proteinen und Nukleinsäuren und gelten
daher als biologische Präparate. Nachteiliger Effekt ist daher die Instabilität dieser
Produkte bereits während ihrer Erzeugung und während ihres Gebrauchs. Die auf
Protein basierenden Pharmazeutika führen zur Immunstimulierung und werden sehr
schnell vom retikuloendothelialen System erfasst (48).
 Fehlende Studien und Leitlinien: Skeptiker der Phagentherapie argumentieren
damit,
dass
die
klinische
Unbedenklichkeit
und
der
Nutzen
der
Bakteriophagentherapie noch nicht in großen Studien genügend dargestellt wurde.
Das
Fehlen
etablierter
Leitlinien
für
in-vitro
Erprobungen
zur
Empfindlichkeitsprüfung der Bakterien gegenüber Phagen erschwert den Einzug in
westliche Forschungslabore (48).
11.1.3
Humanmedizinische Anwendungen
Seit ihrer Entdeckung werden Phagen in der Humanmedizin erfolgreich angewendet und
erforscht, nur beschränkten sich diese Tätigkeiten auf den Osten und das westliche Europa
sowie die Vereinigten Staaten blieben lange unbeeindruckt. Ein Phagen-Spot in Europa
war beispielsweise das Pasteur Institut in Frankreich, wo Phagenpräparate hergestellt
wurden. Man benutzte sie für den Einsatz bei Wund-, Hautinfektionen, Sepsis,
Osteomyelitis, sowie Infektionen im Urogenitaltrakt. In den Vereinigten Staaten waren
hauptsächlich humanmedizinische und veterinärmedizinische Impfstoffe in Verwendung.
Die
sogenannten
staphylococcal
phage
lysate
(SPL)
waren
kurzzeitig
als
humanmedizinische Therapeutika zugelassen, wurden aber später aufgrund von
behördlichen Leitlinien wieder abgeschafft. Nun werden sie im veterinärmedizinischen
Bereich erfolgreich weiter angewendet (52).
Im Gegensatz dazu wurde in der früheren Sowjetunion Phagentherapie intensiv erforscht
und große klinische Studien wurden durchgeführt. Eines der bedeutendsten Institute für
Forschung der Bakteriophagentherapie sowie Herstellung von Phagenpräparaten war das
Tbilisi Institut für Bakteriophagen, Mikrobiologie und Virologie in Georgien. Ab 1990,
nach Zusammenbruch der Sowjetunion, lief das Institut unter dem Namen des
georgianischen Begründers George Eliava. Das Eliava Institut produzierte Phagen für den
therapeutischen
Einsatz
sowie
als
Prophylaxe
bei
purulenter
Sepsis
sowie
gastrointestinalen Infektionen. Diese wurden breit eingesetzt und waren in vielen
verschiedenen Applikationsformen erhältlich. Außerdem führten sie eine große Anzahl an
präklinischen und klinischen Studien durch (48). An einer sehr bedeutenden Studie dieses
Instituts nahmen beispielsweise 30769 Kinder unter sieben Jahren teil, die 16 Wochen
57
begleitet wurden. Hier wurde die Effizienz einer Anti-Shigellen Phagen Tablette
untersucht. Eine Hälfte der Kinder erhielt diese Tablette und der anderen Hälfte wurde
Placebo verabreicht, dies passierte über 109 Tage. In der Phagengruppe war die klinisch
nachweisbare Shigellose um 2,6 fach reduziert worden (53). Leider entsprechen viele
Sowjetische Standards in klinischen Studien nicht international anerkannten Standards.
Außerdem war sowjetische wissenschaftliche Literatur aufgrund von sprachlichen
Barrieren dem Rest der Welt bis vor kurzem wenig zugänglich. Auch das sind
Beweggründe für internationales Misstrauen und Besorgnis in Hinsicht auf den breiten
therapeutischen Einsatz der Bakteriophagentherapie (48).
Die am genauesten dokumentierten klinischen Studien über den Gebrauch von Phagen in
klinischen Settings, die in englischer Sprache publiziert wurden, wurden vom Institut für
Immunologie und experimenteller Therapie Wroclaw in Polen durchgeführt. Ihre Erfolge
mit Bakteriophagentherapie wurden in vielen Publikationen veröffentlicht. In den meisten
wurden Patienten mit den unterschiedlichsten, lebensbedrohlichen Infektionen durch
multiresistente Erreger mittels Phagen behandelt. Dabei kam es bei einer Patientenzahl von
1307 bei 85,9 % zu einer völligen Genesung der Infektion. Bei 10,9% kam es zu einer
leichten Verbesserung und nur bei 3,9 % war die Bakteriophagentherapie ineffektiv. In den
Studien verzeichnete man die größten Therapieerfolge bei Furunkulose mit einer
Heilungsrate von 100 % und bei Osteomyelitis erzielte man eine Heilungsrate von 90%
(54).
Kürzlich wurden auch Daten vom Eliava Institut in englischer Sprache erneut publiziert.
Es handelt sich dabei vor allem um viele Fallstudien, in welchen Phagentherapie bzw.
Phagentherapie in Kombination mit Antibiotika angewendet wurden. Anwendungen bei
Osteomyelitis, Peritonitis, Sepsis, Mastitis, chronischen Pneumonien und Lungenabszessen
sowie bei Bronchitis wurden klinisch untersucht. Im Falle der Sepsis kam es bei 41 % der
Patienten zur vollständigen Genesung. Bei jener Gruppe die mittels Phagentherapie in
Kombination mit Antibiotika behandelt wurden, kam es bei 78% zur vollständigen
Heilung. Im Gegensatz dazu war bei der Kontrollgruppe, die nur mit Antibiotika behandelt
wurde eine Heilungsrate von 23%. Diese Ergebnisse zeigen, dass vor allem die
Kombination von Antibiotika und Phagen großen Erfolg verspricht (48) (54).
In den letzten Jahren führte das Institut für Cystische Fibrose in Tbilisi ein Projekt mit
Phagentherapie gegen Sekundärinfektionen bei acht Patienten mit Cystischer Fibrose
durch. Dabei wurde den Kindern und Erwachsenen mittels Nebulisator ein Phagenpräparat
zugeführt. Dies erfolgte 6-10-mal täglich. Gleichzeitig wurden andere Patienten
58
konventionell mit Antibiotika, Mukolytika und Vitaminpräparaten therapiert. Die Phagen
Applikation führte zum signifikanten Rückgang der Bakterienkonzentrationen in den
Sputumproben der Patieten. Außerdem verzeichnete man lange Infekt- freie Intervalle und
eine deutliche gesundheitliche Besserung. Diese Ergebnisse wurden auf zahlreichen
wissenschaftlichen Kongressen in Europa sowie auch in den USA präsentiert (48).
Kleinangelegte Forschungsprojekte mit Phagen fanden auch im Westen Einzug. So wurde
am Verbrennungszentrum vom Queen Astrid Military Hospital in Brüssel mit den vom
Eliava
Institut
präparierten
Phagenmixturen
experimentiert.
Diese
wurden
auf
Zytotoxizität, Sterilität und Stabilität getestet. Alle klinischen Versuche an den
Brandwunden wurden gemäß den notwendigen Sicherheitsvorschriften durchgeführt und
dabei waren keine Nebenwirkungen zu beobachten. Dies war einer der ersten bedeutenden
Schritte um den Einsatz der Phagentherapie in der westlichen Medizin voranzutreiben (55).
Ein weiteres Beispiel für das Interesse des Westens an Phagen ist, dass 2012 ein
Forschungsteam in Los Angeles auf Phagen gegen Propionibacterium acenesis
aufmerksam wurde. Die Wissenschaftler sind zuversichtlich, dass sich daraus eine
vielversprechende Phagentherapie gegen Akne entwickeln könnte (42). Das Interesse am
therapeutischen Einsatz der Bakteriophagen steigt auch im Westen zunehmend, vor allem
unter Berücksichtigung der Antibiotikaresistenzen. Die größte Herausforderung besteht
daher in der Durchführung groß angelegter Studien, die den europäischen und
amerikanischen Guidelines entsprechen. Dies würde einen hohen Kostenaufwand bedeuten
und das fehlende Interesse der Pharmakonzerne lässt nicht darauf schließen, dass sich die
Bakteriophagentherapie in naher Zukunft im Westen etabliert.
12 Diskussion
Die Entdeckung der Antibiotika brachte eine Revolutionierung der Humanmedizin und
plötzlich bedeutete eine bakterielle Infektion keineswegs mehr das Todesurteil. Die
modernen Standards der westlichen Medizin verdanken vieles den antibiotischen
Wirkstoffen. Doch die Kehrseite des Erfolgs ist, dass niemand daran dachte, dass wir die
nützlichen Waffen gegen Bakterien im Laufe der Jahre aufs Spiel gesetzt haben. Der
enorm hohe Verbrauch der Arzneimittel hat mit zu der heutigen dramatischen Lage der
Resistenzen geführt. Zur Gesundheitsvorbeugung verfütterte Antibiotika in der
Masttierhaltung und der breite Einsatz in der Landwirtschaft trug noch weiter zur
Evolution der Resistenzen bei.
Doch auch in der Humanmedizin wurde genug dazu beigetragen, dass die wertvollen
Arzneimittel teilweise unwirksam werden. Beispielsweise die unkritische Verschreibung
59
eines Antibiotikums bei jedem banalen viralen Infekt. Klar ist in dieser Hinsicht die
ärztliche Sicht zu verstehen, da sich Ärzte absichern wollen und Superinfektionen
verhindern wollen. Außerdem hat es ein Arzt heutzutage mit sehr mündigen Patienten zu
tun, die teilweise die Verschreibung eines Antibiotikums fordern, weil sie das so im
Internet gelesen haben wollen. „Watchful waiting“ wie es so schön heißt und wie man es in
der ärztlichen Ausbildung gelehrt bekommt, dass man sich auf die eigene klinische
Erfahrung verlassen soll und unter Beobachtung des Patienten zunächst keine
Medikamente verschreibt. Doch ein „guter Arzt“ zeichnet sich in den Augen vieler
Patienten nicht durch solches Vorgehen aus. Der Zeitdruck, dem der Arzt ausgesetzt ist
aber auch der Druck des Patienten „schnell gesund zu werden“ aufgrund von Jobsituation
und gesellschaftlichem Druck führen dazu, dass Antibiotika unkritisch verschrieben
werden. Keimanalysen sowie Schmalbandantibiotika sind zu zeitaufwändig, denn man
wiegt sich lieber sofort in Sicherheit und beginnt breit zu therapieren um auch wirklich
jeden Keim abzutöten.
Nun ist es nicht verwunderlich, dass die Humanmedizin mit den Folgen des unüberlegten
Antibiotikum-
Verbrauchs
konfrontiert
ist.
Multiresistente
Erreger
sogenannte
„Superbugs“ haben leichtes Spiel, da es mittlerweile schwierig ist noch wirkungsvolle
Antibiotika zu finden. Postoperative Wundinfektionen, Harnkatheter- Infektionen sowie
Hautinfektionen
wurden
durch
diese
prekäre
Resistenzlage
zur
absoluten
Therapieherausforderung. Lange dachte man, dass die Entwicklung neuer antibiotisch
wirksamen Substanzen die Lösung des Resistenzproblems ist. Doch bald musste man
erkennen, dass die Entwicklung ganz neuer Wirkmechanismen bei Antibiotika unter
Berücksichtigung
von
Kreuzresistenzen
sehr
lange
Zeit
beansprucht
und
die
Mikroorganismen schneller sind als die Forschung. Daher ist auch dies der falsche
Lösungsansatz. Außerdem lohnt es sich nicht mehr für Pharmakonzerne Investitionen in
die Antbiotikum- Forschung zu tätigen, wenn diese nach Markteinführung sofort wieder
nutzlos sind.
„Befinden wir uns also bereits in der postantibiotischen Ära?“, diese Frage stellen sich
immer mehr Kliniker und Wissenschaftler die mit den steigenden Resistenzraten der
einzelnen Keime vertraut sind. Wohl oder übel verlangen diese Erkenntnisse nach
Handlungsbedarf.
Denn
zu
lange
wurde
der
sich
abzeichnenden
Krise
der
Antibiotikaresistenzen zu wenig Beachtung geschenkt. Es scheint unrealistisch, dass die
Entwicklung neuer Antibiotika, bzw. die Verbesserung ihrer Wirkmechanismen die
Lösung des Problems sein wird.
60
Führt man sich nun die jährlich erscheinenden erschreckenden Resistenzberichte der
jeweiligen Länder zu Gemüte wird deutlich, dass man sich nach Alternativen zu
Antibiotika umschauen sollte. Mögliche Lösungen gegen die Verbreitung multiresistener
Keime wären die Schulung des medizinischen Personals, das Verbot der freiverkäuflichen
Antibiotika, sowie der rationale Umgang mit Antibiotikaverschreibungen.
Hätte man den Ernst der Lage bereits früher erkannt, wäre es nicht zu dieser Situation
gekommen und auch die Forschung wäre schon früher in eine andere Richtung gelenkt
worden.
In
dieser
Challenge
blicken
nun
Wissenschaftler
erneut
auf
die
Bakteriophagentherapie zurück, die eine Lösung darstellen könnte. Während in der
früheren Sowjetunion und Georgien weiter an Bakteriophagen geforscht wurde, kümmerte
man sich im Westen nicht mehr um diese Therapieform. Zu sicher waren sie sich mit den
Wunderwaffen Antibiotika und keiner dachte daran, dass es mal zu Ende gehen könnte mit
ihrer Wirksamkeit.
Studiendesigns, die nicht den europäischen bzw. amerikanischen Guidelines entsprechen,
ließen den Phagen aber keine Chance sich im Westen zu etablieren. Doch die Erfolge
dieser Therapieform lassen nun westliche, verzweifelte Mediziner aufhorchen. Hohe
Heilungsraten bei komplizierten Wund- und Hautinfektionen sowie gute aktuelle
Studienergebnisse vom Ludwig Hirtzfeld Institut könnten der Bakteriophagentherapie die
Wege ebnen. Doch ob es diese Art der Therapie jemals als anerkannte, breit einsetzbare
Behandlungsform in die westlichen Kliniken schaffen wird, wird sich in Zukunft zeigen.
Das Hauptproblem im Verbreiten der Anwendung der Phagen liegt darin, dass groß
angelegte Studien den amerikanischen und europäischen Guidelines entsprechend
durchgeführt werden müssten. Doch dies würde Jahre und viele Investitionen kosten. Ohne
Interesse der großen Pharmakonzerne, das bis Dato noch nicht bekundet wurde, scheint es
schwierig, dass die Bakteriophagentherapie in Zukunft etabliert wird.
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Berlin.
DART
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