Medizin Patienten mit Rheumatoider Arthritis sind kardiale Risikopatienten PD Dr. med. Fabian Knebel, Med. Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie und Angiologie, CCM, Charité – Universitäts­m edizin Berlin Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) haben eine höhere Prävalenz an kardialen Erkrankungen verglichen mit KontrollKohorten. Wie ist das zu erklären? Warum kommt es bei der RA zu einer Atherosklerose am Herzen? Wie diagnostiziert man die kardiale Beteiligung bei RA? Können kardiale Biomarker, wie die natriuretischen Peptide, die gängigen klinischen Verfahren ergänzen und die diagnostischen Aussagen verbessern? Die frühzeitige und gezielte Therapie der kardialen Erkrankung ist für den RA-Patienten aus symptomatischer und prognostischer Sicht wichtig. Daher sind Anstrengungen, eine akkurate und praxistaugliche (Stufen-)Diagnostik zu etablieren, von hoher medizinischer Relevanz. theliale Dysfunktion fördern das Auftreten einer KHK. Die Herzbeteiligung tritt bei RA-Patienten bereits in jüngeren Jahren auf und ist prognosebestimmend. RA-Erkrankte sind damit als kardiale Risikopatienten zu betrachten. Akzelerierte Atherogenese Um die Herzbeteiligung bei RA zu diagnostizieren, bedarf es neben einer gründlichen Anamnese und körperlichen Untersuchung auch spezifischer kardiologischer Methoden. Am Anfang steht die Aufzeichnung eines Ruhe-EKGs (Elekrokardiogramm), das jedoch eine geringe Sensitivität und Spezifität aufweist. Im Falle von Dyspnoe oder thorakalem Schmerz sollte ein Ischämietest durchgeführt werden, allerdings sind ergometrische Belastungen aufgrund der Gelenkbeschwerden oft nicht möglich. Die Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardiografie) ist der nächste wichtige Baustein in der Diagnostik. Sie kann viele Formen der kardialen Beteiligung diagnostizieren, ist jedoch nur eingeschränkt verfügbar und daher mit langen Wartezeiten verbunden. In autoptischen Studien lässt sich bei bis zu 20 % der RA-Patienten eine klinisch nicht vorbekannte KHK nachweisen. An den Herzklappen, vor allem des linken Herzens, findet man gehäuft Verdickungen und gelegentlich Insuffizienzen.3) Eine Einschränkung der Herzfunktion (systolische Dysfunktion) ist dreimal häufiger, verglichen mit gesunden Kontrollen.4) Ursache ist eine „akzelerierte Atherogenese“, d.h. chronische inflam­ matorische Prozesse und eine endo- Die kardialen Beeinträchtigungen präsentieren sich heterogen in Form verschiedener entzündlicher Entitäten, aber auch als KHK oder Herzinsuffizienz. Das erschwert die Diagnostik. Oft überlagern sich die Symptome der rheumatologischen Grunderkrankung (Schmerzen und Leistungsmangel) und der kardialen Beteiligung, was auch die rein klinische Beurteilung behindert. Teure, invasive Methoden (kardiales MRT, Links- und Rechtsherzkatheter) sind initial nicht angezeigt, sie stehen am Ende der diagnostischen Kaskade. Darüber hinaus sind die Fragestellungen an die Bild­gebung in der Rheumatologie komplex und oft nur von erfahrenen Untersuchern zu beantworten. Myokardiale Beteiligungen in Form von diastolischen Funktionsstörungen und Fibrosierung des Herzgewebes lassen Roche Bis zu ein Prozent der Bevölkerung in westlichen Nationen leidet an RA. Damit gehört die RA zu den häufigsten entzündlichen Erkrankungen. Betroffene haben darüber hinaus eine höhere Sterblichkeit, trotz aller Fortschritte in der Therapie.1) Neben der schmerzhaften Gelenkbeteiligung manifestiert sich die RA – wie andere rheumatologische Erkrankungen auch – oft am Herzen 2) als OMyokarditis (Herzmuskelentzündung) OPerikarditis (Herzbeutelentzündung) OEndokarditis (Entzündung der Herz­ innenhaut incl. Herzklappensegel) ORhythmusstörung OHerzinsuffizienz OKoronare Herzkrankheit (KHK) OHerzklappen-Dysfunktion OMyokardinfarkt Welche Diagnostik? sich mit neueren echokardiografischen Verfahren wie Gewebedoppler und 2D Speckle Tracking gut nachweisen, wobei letzteres viele Echolabors nicht anwenden. Es ist jedoch wichtig, neben der Beurteilung des Herzmuskels auch eine perikardiale oder valvuläre Beteiligung bei Rheumatoider Arthritis zu untersuchen. Könnten kardiale Biomarker die Diagnostik bei RA-Patienten ergänzen und verbessern, z.B. durch Selektion derjenigen Patienten, die zeitnah einer Echokardiografie unterzogen werden sollten? Herzmuskelzellen setzen bei erhöhter Wandspannung, bei Ischämie oder Hypertrophie vermehrt natriuretische Peptide (BNP) frei. BNP und dessen N-terminales Spaltprodukt NT-proBNP, das sich durch besondere Stabilität auszeichnet, lassen sich im Serum sicher und schnell Diagnostik im Dialog • Ausgabe 41 • 8/2013 13 corbis kardiale Diagnostik muss sensitiv und sicher, aber auch verfügbar und praxis­ tauglich im klinischen Alltag einsetzbar sein. Die Möglichkeit, einen einfachen Laborparameter als Selektionskriterium für die Notwendigkeit aufwendiger diagnostischer Verfahren zu nutzen, ist daher sowohl für Ärzte als auch für Patienten hoch attraktiv. quantifizieren. Die natriuretischen Peptide sind in den aktuellen Leitlinien der ESC (European Society of Cardiology) zur Diagnose der Herzinsuffizienz neben Klinik, EKG und Echokardiografie fest etabliert.5) Eine besondere Stärke dieser Parameter ist der hohe negativ-prädiktive Wert, d.h. ein normaler Wert schließt mit hoher Wahrscheinlichkeit das Vorliegen einer Herzinsuffizienz aus. RA-Patienten sind potenzielle Kandidaten für eine Bestimmung von BNP- oder NT-proBNP. Große Studien wiesen – unter Verwendung von BNP – bei RA signifikant höhere Werte nach, verglichen mit einem Kontrollkollektiv. 4, 6) Der Schwachpunkt im Studiendesign: Als klinischer Endpunkt war ausschließlich die systolische Dysfunktion definiert; Zeichen der Fibrosierung, Klappenveränderungen usw. wurden nicht berücksichtigt. Wie oben ausgeführt, kann die kardiale Beteiligung bei RA-Patienten aber mannigfaltig sein und auch in diesen Studien zeigten nicht alle Patienten eine systolische Funktionsstörung. Die Schlussfolgerung der Autoren, wonach natriuretische Peptide als Screeningparameter bei RA nicht besonders gut geeignet sind (weil auch die Patienten ohne systolische Dysfunktion erhöhte Konzentrationen aufwiesen), muss daher kritisch überprüft werden. tischer Peptide bei RA-Patienten grundsätzlich einer weiteren diagnostischen Abklärung unterzogen werden sollten. In einer laufenden Studie untersuchen wir kardial asymptomatische RA-Patienten im Verlauf. Es zeichnet sich ab, dass die Erhöhung von NT-proBNP (> 125 pg/ml) mit echokardiografisch nachweisbaren, kardiovaskulären Begleiterkrankungen (Fibrosierung, Hypertrophie, gefolgt von LV-Funktionsstörungen und Klappeninsuffizienzen) assoziiert ist. Entzündungsmarker (IL-6) und hoch-sensitives Troponin T waren zum Zeitpunkt der Messung weniger sensitiv für eine kardiale Beteiligung. Diese ersten Ergebnisse bedürfen weiterer Abklärung und Validierung, lassen aber bereits erkennen, dass Oerhöhtes NT-proBNP bei RA mit einer kardiovaskulären Begleiterkrankung korreliert und ONT-proBNP sich als früher, sensi­ tiver Marker auch bei den RA-Patien­ ten eignet, die kardial (noch) asymptomatisch sind. Die Ergänzung natriuretischer Peptide in der Diagnostik bei RA-Patienten scheint ein vielversprechender Ansatz, das frühzeitige Erkennen einer Herz-Beteiligung zu erleichtern. Klare Grenzwerte und Algorithmen für den speziellen Einsatz bei RA fehlen noch, werden aber in aktuellen wissenschaftlichen Studien untersucht. Eigene Erfahrungen mit NT-proBNP In unserer Einrichtung (Rheumatologie und Kardiologie, Charité Campus Mitte) gehen wir der Fragestellung nach, ob pathologische Konzentrationen natriure14 Diagnostik im Dialog • Ausgabe 41 • 8/2013 Eine frühzeitige und gezielte Therapie von Herzerkrankungen ist für RA-Patienten sowohl aus symptomatischer als auch aus prognostischer Sicht wichtig. Die Literatur: 1)Gonzalez A et al.: Arthritis and rheumatism (2007) Nov; 56 (11): 3583-3587. PubMed PMID: 17968923. 2)Fischer LM et al.: The American journal of cardiology (2004) Jan 15; 93 (2): 198-200. PubMed PMID: 14715346. 3)Roldan CA et al.: The American journal of cardiology (2007) Aug 1; 100 (3): 496-502. PubMed PMID: 17659935. 4)Bhatia GS et al.: Journal of the American College of Cardiology (2006) Mar 21; 47 (6): 1169-1174. PubMed PMID: 16545648. 5)McMurray JJ et al.: European heart journal (2012) Jul; 33 (14): 1787-1847. PubMed PMID: 22611136. 6)Crowson CS et al.: Arthritis care & research (2011) May; 63 (5): 729-734. PubMed PMID: 21225672. Pubmed Central PMCID: 3091972. Korrespondenzadresse: PD Dr. med. Fabian Knebel Oberarzt Charité – Universitätsmedizin Berlin Med. Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie und Angiologie Campus Mitte 10098 Berlin [email protected]