Information über Behinderungsbilder

Werbung
Förderschwerpunkt
körperliche und motorische Entwicklung
Oberbayern
Koordination: Angelika Uthoff, StRin FS
Bayer. Landesschule für Körperbehinderte
Kurzstr. 2
81547 München
Tel./Fax: 089/64258 452
Mobil: 0171/1013501
E-mail: [email protected]
Informationen über Behinderungsbilder
Förderschwerpunkt körperliche und
motorische Entwicklung mit ICD-10
Wir danken Frau Dr. A. Riehmer, vormals Orthopädische Klinik
München-Harlaching für die fachliche Durchsicht dieses Artikels.
Hinweis:
Aus rechtlichen Gründen sind wir zu folgenden Hinweisen verpflichtet:
„Hiermit distanzieren wir uns ausdrücklich von allen Inhalten aller angegebenen Links.“
Haftungsausschluss:
Für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der in diesem Geheft gemachten Angaben
kann keine Garantie übernommen werden.
Über Ergänzungen bzw. Korrekturen würden wir uns sehr freuen.
Stand Sept 2011
© MSD Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Oberbayern
0. Informationen zu ICD-10
Die ICD-10-GM ist die vom Deutschen Institut für Medizinische
Dokumentation und Information (DIMDI) herausgegebene und im
Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gesetzlich vorgeschriebene
medizinische Klassifikation für Diagnosen (ICD-10-GM; ICD-10 =
10. Revision der Internationalen Klassifikation der Krankheiten und
verwandter Gesundheitsprobleme (International Classification of
Diseases and Related Health Problems); GM = German
Modification). Die Diagnose einer Körperbehinderung ist
ausschließlich die Aufgabe eines Mediziners.
ICD-10-GM Version 2009
Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter
Gesundheitsprobleme
10. Revision German Modification Version 2009
Übersicht über die Kapitel
Kapitel Gliederung Titel
I
A00-B99
Bestimmte infektiöse und parasitäre Krankheiten
II
C00-D48
Neubildungen
Krankheiten des Blutes und der blutbildenden Organe sowie bestimmte Störungen mit
III
D50-D90
Beteiligung des Immunsystems
IV
E00-E90
Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten
V
F00-F99
Psychische und Verhaltensstörungen
VI
G00-G99
Krankheiten des Nervensystems
VII
H00-H59
Krankheiten des Auges und der Augenanhangsgebilde
VIII
H60-H95
Krankheiten des Ohres und des Warzenfortsatzes
IX
I00-I99
Krankheiten des Kreislaufsystems
X
J00-J99
Krankheiten des Atmungssystems
XI
K00-K93
Krankheiten des Verdauungssystems
XII
L00-L99
Krankheiten der Haut und der Unterhaut
XIII
M00-M99
Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes
XIV
N00-N99
Krankheiten des Urogenitalsystems
XV
O00-O99
Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett
XVI
P00-P96
Bestimmte Zustände, die ihren Ursprung in der Perinatalperiode haben
XVII Q00-Q99
Angeborene Fehlbildungen, Deformitäten und Chromosomenanomalien
XVIII R00-R99
Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind
XIX
S00-T98
Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen
XX
V01-Y84
Äußere Ursachen von Morbidität und Mortalität
Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des
XXI
Z00-Z99
Gesundheitswesens führen
XXII U00-U99
Schlüsselnummern für besondere Zwecke
Quelle: www.dimdi.de
2
© MSD Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Oberbayern
1. Der Begriff der Körperbehinderung
Der Begriff der Körperbehinderung wurde bisher überwiegend auf
die beeinträchtigte Bewegungsfähigkeit bezogen. Derartige
Definitionen sind aus heutiger Sicht zu eng gefasst, weil sie alle
psychologischen und sozialpsychologischen Folgen bestimmter
Behinderungsformen außer Acht lassen, die unter Umständen für
die Entwicklung eines Kindes mit einer Behinderung von größerer
Bedeutung sein können als die körperliche Beeinträchtigung selbst.
Auf der Ebene der internationalen Begriffsverständigung hat die
Weltgesundheitsorganisation (WHO 1980) in ihrer ersten Fassung
der „International Classification of Impairments, Disabilities and
Handicaps (ICIDH) eine begriffliche Differenzierung getroffen. Sie
wurde 1999 in einer neue Version zur Erprobung vorgelegt (ICIDH2) und liegt nun seit Mai 2001 mit wenigen inhaltlichen
Veränderungen als ICF (International Classification of Functioning,
Disability and Health) vor (© WHO 2001). Ziel dieser Neufassung
ist der erweiterte Einbezug des gesamten Lebenshintergrundes von
Menschen mit Behinderung. Die grundlegende begriffliche Ebene
der Schädigung (Impairments) wurde durch neue Begriffe
gekennzeichnet:
Körperfunktionen
und
–strukturen
bzw.
Funktionsstörungen und Strukturschäden. Die Ebene der
Fähigkeitsbeeinträchtigungen wird durch Aktivitäten (Activities)
bzw. Beeinträchtigungen der Aktivitäten (Activity limitations)
gekennzeichnet. Die Ebene der sozialen Beeinträchtigungen wird
mit Participation bzw. (Participation restriction) beschrieben. Damit
kann die körperliche Behinderung in ihren grundlegenden Aspekten
bzw. Komponenten beschrieben werden als:
3
© MSD Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Oberbayern
nach ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) (© WHO 2001).
Folgende Definition wird hieraus abgeleitet:
„Als körperbehindert wird eine Person bezeichnet, die infolge einer
Schädigung des Stütz- und Bewegungssystems, einer anderen
organischen Schädigung oder einer chronischen Krankheit so in
ihrem Verhaltensmöglichkeiten beeinträchtig ist, dass die
Selbstverwirklichung in sozialer Interaktion erschwert ist.“
Lit.: LEYENDECKER 2005 S. 21
Diese Definition enthält die Bestimmungsmerkmale der Schädigung
(Impairments), der daraus folgenden Begrenzung oder
Veränderung der Verhaltensmöglichkeiten (Activitiy limitations) und
schließlich die eigentliche Behinderung bzw. das Handicap in Form
erschwerter Selbstverwirklichung und eingeschränkter sozialer
Teilhabe (Participation restriction).
Lit.: KALLENBACH 2006, S.23
2. Erscheinungsformen der körperlichen Schädigung
Bei den Formen der Körperbehinderung orientieren wir uns an der
Klassifikation, wie sie die ICF (International Classification of
Functioning, Disability and Health) im Mai 2001 festgelegt hat
(© WHO 2001):
4
© MSD Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Oberbayern
Erscheinungsformen der körperlichen Schädigungen
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
2.6
2.7
2.8
2.9
2.10
Zerebrale Bewegungsstörungen:
Spastik, Ataxie, Athetose, Dyskin esie n
Epilepsie
Spina bifida und Hydrocephalus
Muskelerk rankungen
Chronische Krankheiten:
Asthma, Neurod ermitis/Al lerg ien,
Juveni le id iop athisch e Arthritis, Dia betes, Herzkra nkhe iten,
Niere nins uffizienz, Pro gred iente Erkra nkun gen
Erkrankungen und Fehlbildungen des Skelettsyste ms:
Dysmeli e, O I, Kleinw üchsi gkeit, Wirbels äul enfeh lbi ldu nge n, AMC
Erkrankungen des Nerv ensyst em s:
Menin gitis, Poli omye litis
Traumatische Verletzungen:
Schäde l-Hir n-Trauma, Quersch nittslä hmun g
Mehrfachbehinderungen
Sonstige:
Umschrie ben e Entwick lun gsstörun gen motor ischer Funkti one n,
Beeinträc htigu ng motorisc her Fähi gke iten info lge Intel lig enzmi nder ung,
Hyperki netisch e Störung en, Diss oziativ e Störung en, Weitere
2.1 Zerebrale Bewegungsstörungen
G80-G83
Die zerebrale Bewegungsstörung ist mit ca. 60 bis 70% die
häufigste Diagnose unter den Körperbehinderungen. Zerebrale
Bewegungsstörungen sind meist Folge einer angeborenen oder
frühkindlich erworbenen Schädigung des Gehirns prae-, peri- oder
postnatal und führen zu einer mangelhaften Regulation des
Muskeltonus und zu Störungen in der Bewegungskontrolle. Die
dadurch bedingten sensomotorischen Ausfälle haben pathologische
Haltungs- und Bewegungsmuster und abnorme Muskelspannungen
in Form von Hypertonie (Erhöhung der Muskelspannung) oder
Hypotonie (erniedrigte Muskelspannung, schlaffe Muskulatur) zur
Folge. Insbesondere ist das Zusammenspiel, die Koordination von
Genauigkeit, Geschwindigkeit und Kraft der Muskelbewegungen
gestört. Je nach anatomischem Sitz der Läsion im Gehirn sind die
willkürlichen Bewegungen oder die unwillkürlich, gleichsam
automatisiert ablaufenden Bewegungen betroffen. Nach der Art der
motorischen Behinderung lassen sich verschiedene Formen der
Zerebralparese unterscheiden:
5
© MSD Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Oberbayern
Spastik: Hier ist die Muskelspannung erhöht, dadurch sind die
Bewegungen verkrampft.
Ataxie: Die Muskelspannung ist schlaff, die Bewegungen können
nicht fein abgestimmt werden, das Gangbild ist schwankend.
Athetose: Der Muskeltonus ist wechselnd; es kommt zu
unkontrollierten,
sich
windenden,
manchmal
ruckartig
ausfahrenden Bewegungen = Dyskinesien.
Nach den betroffenen Körperteilen unterscheidet man:
 Hemiparese (Halbseitenlähmung),
 Diparese (Befallsmuster mit stärkerer Beteiligung der Beine)
und
 Tetraparese (Beteiligung der Beine, der Arme, des Rumpfes
und des Kopfes)
Lit.: ORTHOPÄDIE AACHEN
2.2 Epilepsie
G40-G47
Epilepsie ist eine Anfallskrankheit als Ergebnis einer Störung
elektrisch-chemischer Vorgänge in den Nervenzellen des Gehirns.
Dabei werden viele Nervenzellen der gesamten Hirnrinde oder
eines bestimmten Areals gleichzeitig erregt und das elektrische
Ruhepotential, der Bereitschaftszustand, entlädt sich und gerät
außer Kontrolle. Ein Anfall ist mit einer unkontrollierten
elektrischen Entladung im Gehirn zu vergleichen. Dabei gibt es
verschiedene Anfalls- und Epilepsieformen. Die Anfälle werden im
Wesentlichen in zwei große Gruppen eingeteilt, in generalisierte
und in fokale Anfälle. 0,5-1% der Bevölkerung ist von Epilepsie
betroffen. Symptome des Anfalls sind je nach Epilepsieform bzw.
betroffenem Hirnareal z.B. Zuckungen, Krämpfe, ziellose
Bewegungen,
Bewusstseinsverlust,
Verwirrtheit
und/oder
unkontrollierte sprachliche Äußerungen. Der Anfall selbst wird von
den Betroffenen häufig nicht oder nur teilweise bewusst erlebt.
6
© MSD Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Oberbayern
2.3 Spina bifida und Hydrocephalus
G91, Q00 – Q07
Spina bifida ist eine der häufigsten Behinderungen bei
Neugeborenen (ca. 300 bis 400 Kinder im Jahr in Deutschland). Sie
entsteht dadurch, dass sich in den ersten sechs Wochen der
Schwangerschaft die schützende Wirbelsäule um das Rückenmark
und die Nerven unvollständig ausbildet. Eine Schädigung der
Nerven kann zu unterschiedlichen Lähmungen beim Kind führen.
Hierbei kommt es häufig zur Inkontinenz der Patienten. Durch ein
Muskelungleichgewicht kann es auch zur Entwicklung von
Klumpfüßen kommen.
Ein Hydrocephalus mit Störung des Gehirnwasserkreislaufes
entwickelt sich bei ca. 80% der Kinder mit Spina bifida zusätzlich.
In einigen Fällen treten außerdem Anfallsleiden auf. Ein
Hydrocephalus kann jedoch auch durch Fehlbildungen und Tumoren
entstehen.
2.4 Muskelerkrankungen
G70 – G73; M60 – M63
Von einer Vielzahl neuromuskulärer Erkrankungen sind die Spinale
Muskelatrophie (SMA) und die Muskeldystrophie Typ Duchenne für
unseren
Arbeitsbereich
die
bedeutsamsten.
Bei
beiden
Erkrankungen ist ein Gendefekt vorhanden und sie werden häufig
vererbt.
Unter dem Begriff „Spinale Muskelatrophie“ wird eine Gruppe von
Krankheiten zusammengefasst, denen ein
fortschreitender
Untergang von motorischen Nervenzellen im Rückenmark
gemeinsam ist.
Bei der Muskeldystrophie Typ Duchenne bewirkt der Gendefekt vor
allem ein Fehlen des Proteins Dystrophin. Es kommt zu einer
Veränderung der Zellwände und zum fortschreitenden Ersatz der
Muskelzellen durch Fett- und Bindegewebe.
2.5 Chronische Krankheiten und Funktionsstörungen von Organen
Chronische Krankheiten im Arbeitsfeld der Körperbehinderungen
sind Erkrankungen mit häufig schleichendem Beginn, verlängerter
Dauer und oft nur erleichternder Behandlung mit ungünstiger
Prognose. Von der Vielzahl chronischer Erkrankungen im
Kindesalter sind die folgenden in der Körperbehindertenpädagogik
statistisch von besonderer Relevanz:
7
© MSD Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Oberbayern
2.5.1
Asthma
J40 – J47
Asthma bezeichnet eine ständig oder anfallsweise auftretende
Einengung
der
Atemwege,
die
mit
anhaltender
oder
wiederkehrender Atemnot einhergeht. Es handelt sich um eine
Überempfindlichkeit gegen verschiedene Noxen, z.B. Tierhaare,
Pollen, Nüsse, Bienengift).
2.5.2
Neurodermitis/Allergien
L20 – L30
Verschiedene Hauterkrankungen oder traumatische Schädigungen
der
Haut
(z.B.
Verbrennungen)
können
zu
schweren
Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes führen. Zudem
können
schwere
Hautveränderungen
zu
Bewegungseinschränkungen
durch
Ausbildung
von
Narbensträngen
(Kontrakturen) führen.
2.5.3
Juvenile idiopathische Arthritis
M70 – M79
Juvenile idiopathische Arthritis ist die häufigste rheumatische
Erkrankung im Kindesalter. Es ist eine Erkrankung, die vor dem 16.
Lebensjahr beginnt und mit Gelenkentzündungen einhergeht, die
über Monate und Jahre andauern und zu Knorpelund
Gelenkzerstörung führen können.
2.5.4
Diabetes
E10 – E14; O20 – O29
Diabetes ist eine Stoffwechselerkrankung, bei der das Hormon
Insulin fehlt. Insulin ermöglicht die Aufnahme von Glukose in Fett
und Muskelzellen. Als Folge des Insulinmangels können die mit der
Nahrung aufgenommenen Nährstoffe (v. a. Kohlenhydrate) nicht
mehr richtig verwertet werden. Dies führt dazu, dass der
Blutzucker (Glukose) zu sehr ansteigt. Der Blutzuckerspiegel liegt
normalerweise zwischen 60 und 120 mg/dl. Werte darunter
bezeichnet
man
als
Hypoglykämie,
Werte
darüber
als
Hyperglykämie. Überhöhte Werte führen zu Magenschmerzen,
Erbrechen und diabetischem Koma. Sport und Stress senken den
Blutzuckerspiegel. Zu niedrige Werte führen zu Zittern,
Schweißausbrüchen, Krämpfen bis hin zur Bewusstlosigkeit.
2.5.5
Herzkrankheiten
Q20–Q28; I00–I02; I30-I52
Angeborene Herzfehler sind mit einer Inzidenz von 1:100 Geburten
die häufigste menschliche Fehlbildung. Die Ursachen können
genetisch sein, sind aber überwiegend multifaktoriell. Es gibt mehr
8
© MSD Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Oberbayern
als 40 verschiedene Formen mit entsprechend vielschichtiger
Symptomatik, Verlauf und Behandlung. Bereits beim Neugeborenen
können sich eindeutige Symptome zeigen (Zyanose, Atemnot), sie
können aber auch sehr viel später durch eingeschränkte
Leistungsfähigkeit auftreten. Fast alle angeborenen Herzfehler
können heute v.a. durch herzchirurgische Eingriffe behandelt
werden. In vielen Fällen ist aber eine Heilung nicht möglich,
sondern die Patienten müssen sich im Laufe ihres Lebens
wiederholt Operationen unterziehen.
2.5.6
Niereninsuffizienz
N17 – N19; N25 – N29
Die chronische Niereninsuffizienz im Kindesalter ist Folge einer
dauerhaften Schädigung des Nierengewebes mit Einschränkung der
Filtrationsleistung auf unter 50% und es kommt zu einem Anstieg
harnpflichtiger Substanzen im Blut. Es werden chronische Prozesse
ausgelöst, die rasch fortschreiten und eine Nierenersatztherapie
(Dialyse, Nierentransplantation) erforderlich machen.
2.5.7
Progrediente Erkrankungen
z.B. E70-E90; C00-C97; G35-G37; Z20-Z29
wie z.B. Mukoviszidose, Krebserkrankungen, HIV-Infektionen,
Multiple Sklerose.
2.6 Erkrankungen und Fehlbildungen des Skelettsystems
2.6.1
Dysmelie
Q65 – Q79
Dysmelie ist ein Begriff für Fehlbildungen an den Armen und
Beinen. Es handelt sich dabei um Fehlbildungen der Gliedmaßen,
die sich bereits während der Schwangerschaft bilden (z.B.
„Contergan“-Kinder). Außer der Dysmelie gibt es noch andere
Fehlbildungen des Skeletts wie z.B. Amelie (die entsprechende
Extremität fehlt völlig), Klumphand, Klumpfuß.
2.6.2
Osteogenesis imperfecta (OI)
Q65 – Q79
Osteogenesis imperfecta (= Glasknochenkrankheit) ist eine Form
der Skeletterkrankungen (in Deutschland ca. 2500 – 4500
Betroffene). Häufig besteht bei OI ein ausgeprägter Minderwuchs
(„Zwergengestalt“),
der
durch
eine
angeborene
Bindegewebserkrankung hervorgerufen wird. Diese hat zur Folge,
9
© MSD Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Oberbayern
dass Kinder mit OI unter sehr häufigen Knochenbrüchen und
demzufolge Skelettdeformierungen leiden.
2.6.3
Kleinwüchsigkeit (Achondroplasie)
Q65 – Q79
Kleinwuchs tritt in über 100 Erscheinungsformen auf, die häufigste
Form des Kleinwuchses ist die Achondroplasie. Im Volksmund
werden diese Menschen als „Lilliputaner“ bezeichnet. Bei einer
kleinen Körpergröße sind die kurzen Arme, kurzen Beine, kleinen
Hände und Füße, die kräftige Muskulatur und der große Kopf
auffallend. Achondroplasie entsteht durch eine Entwicklungsstörung
des Skeletts, die zu einer Fehlentwicklung des Knorpelgewebes
führt. Begleitend treten häufig Ohrenbeschwerden auf. Dadurch
können das Hören und das Erlernen der Sprache erschwert sein.
Meist herrscht normale Intelligenz vor.
2.6.4
Wirbensäulenfehlbildungen
M40 – M54
Es gibt verschiedene Fehlstellungen der Wirbelsäule: Die Skoliose
ist eine seitliche S-förmige Verbiegung der Wirbelsäule, die weder
aktiv noch passiv vollständig auszugleichen ist. Sie ist mit einer
Deformierung und gleichzeitigen Verdrehung der Wirbelkörper
verbunden. Im fortgeschrittenen Stadium kann diese Verformung
Herz und Lunge beeinträchtigen. Bei einer Kyphose ist die
Krümmung der Brustwirbelsäule nach hinten verstärkt ausgebildet.
Es entsteht ein Rundrücken, der meist krankhaft ist. Er kann durch
angeborene Formfehler oder Wirbelfehlbildungen entstehen, aber
auch Folge von Krankheiten (z.B. Scheuermann-Krankheit oder der
Bechterow-Krankheit) sein. Die Lordose, das Hohlkreuz ist meist
eine harmlose Haltungsstörung.
2.6.5
Arthrogryposis multiplex congenita (AMC)
Q80 – Q89
Bei der AMC handelt es sich um eine angeborene, weichteilbedingte
Einschränkung von Gelenken. Schon vor und auch nach der Geburt
sind die in Gelenknähe liegenden Weichteile wie Muskeln, Sehnen,
Bänder und Gelenkkapseln nicht oder nur unzureichend entwickelt
und funktionsfähig. Dies führt zu Bewegungsblockierungen in allen
Richtungen. Das Erscheinungsbild wird als „arthrogrypotische“
Starre bezeichnet.
10
© MSD Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Oberbayern
2.7 Erkrankungen des Nervensystems
G00 – G99
2.7.1
Meningitis
G00 – G09
Meningitis
heißt,
dass
die
Hirnhäute
infolge
einer
Tröpfcheninfektion entzündet sind. Bei einer Entzündung reagiert
das Gehirn mit und kann neben Symptomen wie Fieber,
allgemeinem Krankheitsgefühl, Abgeschlagenheit, etc. auch
allgemeine nervliche Symptome aufweisen: Bewusstseinstörungen,
Orientierungsstörungen,
Aufwachschwierigkeiten.
Koma
und
Krämpfe können sich entwickeln und auf diesem Wege auch zum
Ausfall zentraler notwendiger Körperfunktionen führen.
2.7.2
Poliomyelitis
A80 - A89; B91; B94.1
Die Kinderlähmung, oder Poliomyelitis, wird durch Viren
verursacht, welche vorwiegend das Zentralnervensystem (Hirn
und/oder Rückenmark) befallen und zu schlaffen Lähmungen
verschiedenen Ausmaßes führen. Spätfolgen nach Polio zeigen sich
durch neue Symptome. Sie treten nach einer Periode maximaler
Wiederherstellung bei Personen auf, deren Kondition über einen
ziemlich langen Zeitraum scheinbar stabil geblieben war. Man
nimmt an, dass sie auf eine zweite, langsam fortschreitende
Degenerationsphase zurückzuführen sind, die erst viele Jahre nach
der ursprünglichen Infektion auftritt.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die Region Europa am
21.06.2002 für poliofrei erklärt.
2.8 Traumatische Verletzungen
S02; S04; S06; S07; S08; S24
2.8.1
Schädel-Hirn-Trauma
S01.84; S02.8; S06.7
Ein Kopftrauma, das entweder nur den Schädel und dessen
Weichteile betrifft (Schädelprellung, Schädelbruch) oder aber
gleichzeitig zu einer Hirnverletzung führt (gedecktes und offenes
Schädel-Hirn-Trauma, intrakranielle Hämatome). Die Schwere der
Verletzung des knöchernen Schädels und des Gehirns entscheiden
über den weiteren Verlauf. Ein schweres Trauma mit einer
Abkoppelung des Hirnstamms vom Hirnmantel (Dezerebration) ist
das Apallische Syndrom, was zur Bewusstlosigkeit unterschiedlicher
Dauer führt.
11
© MSD Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Oberbayern
2.8.2
Querschnittslähmung
S24.11; S24.12
Unter einer Querschnittslähmung versteht man die Folgen einer
kompletten Durchtrennung oder einer inkompletten Schädigung
des Rückenmarks, also ein Lähmungsbild mit Ausfall motorischer,
sensibler und vegetativer Körperfunktionen unterhalb der
Schädigung. An den Gliedmaßen macht sich eine Querschnittsläsion
durch
Lähmungen
bemerkbar,
daher
auch
der
Begriff
Querschnittslähmung. Sind Arme und Beine betroffen, spricht man
von einer Tetraplegie. Tetraplegie bedeutet Lähmung an allen vier
Gliedmassen. Die Schädigung des Halsmarkes führt zusätzlich zu
einer Beeinträchtigung der Atmung. Bei ausschließlicher Lähmung
der Beine spricht man von einer Paraplegie. Paraplegie bedeutet,
je nach Lage der Rückenmarksverletzung, Lähmung der Rumpfund Beinmuskulatur sowie den Verlust des Empfindungsvermögens
für Berührung, Schmerz, Temperaturen und Lagesinn. Zusätzlich
können auch Darm-, Blasen- und Sexualfunktion gestört sein.
Schädel-Hirn-Trauma ist ein Kopftrauma, das entweder nur den
Schädel und dessen Weichteile betrifft (Schädelprellung,
Schädelbruch) oder aber gleichzeitig zu einer Hirnverletzung führt
(gedecktes und offenes Schädel-Hirn-Trauma, intrakranielle
Hämatome). Die Schwere der Verletzung des knöchernen Schädels
und des Gehirns entscheiden über den weiteren Verlauf. Ein
schweres Trauma mit einer Abkoppelung des Hirnstamms vom
Hirnmantel (Dezerebration) ist das Apallische Syndrom, was zur
Bewusstlosigkeit unterschiedlicher Dauer führt.
2.9 Mehrfachbehinderungen
G80-G83; F84.2; G93.5; G93.6; G93.7
Es liegt keine einheitliche Definition für diesen Begriff vor. Die
Begriffe „Schwerstbehinderte“, „schwerbehindert“, „mehrfachbehindert“, „intensivbehindert“, „schwerst mehrfachbehindert“
werden synonym verwendet. Der Personenkreis der Menschen mit
schwerster
Behinderung
ist
überaus
heterogen.
„Mehrfachbehindert“ ist immer eine komplexe Beeinträchtigung des
ganzen
Menschen
in
allen
seinen
Erlebnisund
Ausdrucksmöglichkeiten,
in
allen
seinen
Lebensvollzügen.
Emotionale, kognitive, körperliche, soziale und kommunikative
Fähigkeiten sind erheblich eingeschränkt und verändert.
Oft sind Mehrfachbehinderungen zusammentreffende Behinderungen, die zwangsläufig in einem Kausalzusammenhang
12
© MSD Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Oberbayern
zueinander
stehen:
Aus
einer
Behinderung
(der
Primärbehinderung) folgt eine zweite (die Sekundär- oder
Folgebehinderung); z.B. hat die Gehörlosigkeit immer eine
Sprachbeeinträchtigung zur Folge.
Es gibt auch Mehrfachbehinderungen, die nicht in einem
Kausalverhältnis
zueinander
stehen,
d.h.
keine
der
zusammentreffenden Behinderungen ist die Folge der anderen, z.B.
Blindheit und Gehörlosigkeit.
Beispiele für Mehrfachbehinderungen sind auch schwerste cerebrale
Bewegungsstörungen, Rett-Syndrom oder Apallisches Syndrom.
2.10 Sonstige Behinderungsbilder mit motorischer Symptomatik
F82
2.10.1
Umschriebene
Entwicklungsstörungen
motorischer
Funktionen
F82
Hierbei liegt eine deutliche Beeinträchtigung der Entwicklung der
motorischen Koordination vor, die sich signifikant auf die
Alltagsaktivitäten oder die Schulleistungen auswirkt, ohne dass
eine eindeutige neurologische oder psychiatrische Erkrankung oder
eine erhebliche Intelligenzminderung vorliegt. Weitere Symptome
sind: Ungeschicklichkeit, Entwicklungsdyspraxie (Unfähigkeit, bei
erhaltener Beweglichkeit sich zweckmäßig zu bewegen). Bei vielen
ungeschickten Kindern liegt nicht nur eine umschriebene
motorische Koordinationsstörung vor, sondern es bestehen bei
normaler Grundintelligenz zusätzliche Entwicklungsstörungen
neuropsychologischer Funktionen, wie Sprachentwicklungsstörung
oder/und Aufmerksamkeitsstörung. Bei der Umschriebenen
Entwicklungsstörung motorischer Funktionen entwickeln sich die
Kinder motorisch zu langsam und/oder sind motorisch ungeschickt
ohne eine erkennbare Läsion des ZNS oder peripheren
Nervensystems, und ohne dass spezifische neurologische Befunde
einen Hinweis auf eine Störung motorischer Systeme gäben.
2.10.2
Beeinträchtigungen motorischer Fähigkeiten infolge
Intelligenzminderung
F84.2
Hier
liegen verschieden schwere Beeinträchtigungen von
Muskeltonus und Koordination, von Grob- und Feinmotorik vor.
Unter der Annahme, dass eine Schädigung des nicht ausgereiften
Gehirns vorliegt, kommt es zu einem unvollständigen Durchlaufen
13
© MSD Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Oberbayern
der Phasen der sensorischen Integration mit folgenden
Symptomen: Störungen des Gleichgewichts (Muskeltonus, Haltung
und Bewegung, Raumvorstellung); Dyspraxie (Störung der
Bewegungsplanung und –kontrolle); Störung der taktilen Abwehr;
spezifische Störungen der visuellen Wahrnehmung, des Hörens und
der Sprache; Störungen der Lateralität.
2.10.3
Hyperkinetische Störungen
F90
Die Hyperkinetischen Störungen zeigen sich in überschießenden,
mangelhaft regulierten motorischen Aktivitäten in Verbindung mit
Unaufmerksamkeit und Impulsivität. Es wird eine genetische
Disposition für dieses Behinderungsbild angenommen und es liegt
eine neurologische Regulationsstörung vor.
2.10.4
Dissoziative Störungen
F44.4
Ein Beispiel ist die Dissoziative Bewegungsstörung, bei der ein
vollständiger oder teilweiser Verlust der Bewegungsfähigkeit eines
oder mehrer Körperglieder auftritt. Das Auftreten dieser Störung
steht in enger Verbindung zu einem traumatischen Ereignis,
unerträglichen Konflikten oder gestörten Beziehungen.
2.10.5
Weitere
F95; F98.4; F80
Nach der „International Classification of Functioning, Disability and
Health”
(© WHO
2001)
gehören
zu
den
motorischen
Beeinträchtigungen
auch
Ticstörungen,
Stereotype
Bewegungsstörungen sowie Sprech- bzw. Redeflussstörungen.
14
© MSD Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Oberbayern
Informationen zum Thema Körperbehinderung – Internetadressen
www.sonderpaed.de
Die sonderpädagogische Hörnchenseite
www.lumrix.de
Info zu Behinderungsbildern
www.orthopädie-aachen.de
Verfasser: Dr.Heiko Jens
www.behinderung.org
z.B. Der Schwerbehindertenausweis
www.rehadat.com
Hilfsmittelkatalog
www.rehacare.de
Info-Newsletter z.B. über Verhinderungspflege
www.schule-bw.de/unterricht/paedagogik/kooperation/
Die vorliegende Handreichung zur Verwaltungsvorschrift "Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und besonderem
Förderbedarf" vom 8. März 1999 soll Lehrerinnen und Lehrern in der schulpraktischen Arbeit vor Ort hilfreiche
Anregungen, Informationen und eine raschen Überblick über Möglichkeiten bei der Förderung von Kindern mit
besonderem Unterstützungsbedarf geben. Sie wurde als modulares und interaktives Werkzeug konzipiert, das
Neuerungen, Änderungen und Ergänzungen leicht aufnehmen kann und so in unserer veränderungsreichen Zeit
Bestand haben kann.
http://marvin.sn.schule.de
Handbuch zur Förderdiagnostik
http://www.henrichwark.info/pageID_4054678.html Ideensammlung mit Spielen und
Übungsstationen zur Wahrnehmungsförderung
www.sfz-e.de/tz2/seiten/download/download.html
Arbeitsmaterialien zu versch. Testverfahren
www3.who.int/icf/icftemplate.cfmICF – Internationale Klassifikation der
Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit Die englischsprachige Originalausgabe
der ICF wurde 2001 von der Weltgesundheitsorganisation veröffentlicht als "International
Classification of Functioning, Disability and Health" © WHO 2001. Weitere Informationen zur
internationalen Fassungen der ICF finden Sie auf den ICF-Seiten der WHO
www3.who.int/icf/icftemplate.cfm
Informationen zum Thema Körperbehinderung - Fachliteratur

ICD-10-GM – Internationale Klassifikation der Krankheiten und verwandter
Gesundheitsprobleme 10. Revision der International Classification of Diseases and
Related Health Problems; GM = German Modification, in jährlich revidierter Version.
Zu beziehen unter www.dimdi.de oder bei Deutscher Ärzte-Verlag, Köln

Empfehlungen zum Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung
Hrsg.: Kultusministerkonferenz der Länder in der Bundesrepublik Deutschland

Motorische Behinderungen
Hrsg.: Christoph Leyendecker

Körperbehinderungen – Schädigungsaspekte, psychosoziale Auswirkungen und
pädagogisch – rehabilitative Maßnahmen
Hrsg.: Kurt Kallenbach
Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2006

Körperbehindertenpädagogik
Hrsg.: Harry Bergeest
Verlag Kohlhammer 2005
Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2002
15
© MSD Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Oberbayern

Einführung in die Körperbehindertenpädagogik
Hrsg.: Ingeborg Hedderich
Verlag Reinhardt UTB-Taschenbuch

Körperbehinderung
Hrsg.: in Handbuch der Schulberatung
Leo M. Gerner

Entwicklungsneurologie und Neuropädiatrie
Grundlagen und diagnostische Strategien
Hrsg.: Richard Michaelis, Gerhard Niemann
Verlag Thieme

Skript: Schülerinnen und Schüler mit einer Körperbehinderung
Schulische Auswirkungen - Aufgaben des MSD
Hrsg.: MSD-Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung, Oberbayern
A. Uthoff, Koordinatorin im MSD FkmE in Oberbayern,
E-mail: [email protected]

Dokumentationen der verschiedenen Schuljahre des MSD im Förderschwerpunkt
körperliche und motorische Entwicklung
Hrsg.: A. Uthoff, Koordinatorin im MSD FkmE in Oberbayern,
E-mail: [email protected]
Informationen zum Thema Körperbehinderung – Didaktik

Die Schule für Körperbehinderte
Hrsg.: ISB Staatsinstitut für Schulpädagogik und
Bildungsforschung München
Vertrieb: Verein für Sonderpädagogik, e.V.
Günterslebener Str. 29, 97222 Rimpar, Tel.: 09365/9329

Didaktik des Unterrichts mit körperbehinderten Kindern
Hrsg.: Jens Boenisch, Volker Daut
Verlag Kohlhammer

Zur kognitiven und sozial-emotionalen Entwicklung körperbehinderter Kinder: Eine
Entwicklungsverlaufskontrolle
Hrsg.: Jörg Reichert
Verlag Kovac, J
Weitere Informationen zu den einzelnen Behinderungsbildern
stellen wir Ihnen gern zur Verfügung.
16
© MSD Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Oberbayern
Herunterladen