Lernhilfen zur Hauptvorlesung „Kardiologie“ WS 2015/2016 Schmidt/Baars Endokarditis – Was muss ich wissen? Definition: „Infektiöse Endokarditis“ • • • • Entzündung endovaskulärer Strukturen, bevorzugt der Herzklappen, zunehmend aber auch intrakardialer Fremdkörper In der Regel infektiöser, bakterieller Genese Aber auch nicht-infektiöse Formen bekannt, z.B. Autoimmunerkrankungen Komplikationen: Embolische Ereignisse Ursachen: => Erregerspektrum: 1. häufige Erreger: - Streptokokken - Staphylokokken - Enterokokken 2. seltene Erreger: - Brucella spp. - Coxiella burnetii - Bartonella spp. - Tropheryma whipplei - Mycoplasma spp. - Legionella spp. - Fungi Symptome: => Vielzahl von Symptomen, u.a.: • Infektionszeichen: unklares Fieber (bis > 40°C), Schüttelfrost, erhöhte BSG und CRP, Inappetenz, Nachtschweiß • Kardiale Symptome: Neuauftreten eines Herzgeräusches bei Klappeninsuffizienz, Perikarditis • Embolische Komplikationen: Koronarembolie, Schlaganfall, Embolie peripherer Organe, Extremitäten, Niereninfarkte • Fakultative Haut- und Schleimhautveränderungen: - Splinter-Hämorrhagien: rot-braune streifige Einblutungen im Nagelbett - Janeway-Läsionen: makulöse, schmerzlose, rötliche Knötchen an Hand- und Fußflächen - Osler-Knötchen: schmerzhafte, linsengroße, rötliche Knötchen an Fingern und Zehen durch Immunkomplexablagerungen - Petechien: feine Einblutungen in Haut und Schleimhaut, v.a. konjunktival Klinischer Fall: Ein 40-jähriger Patient klagt über seit 2-3x Wochen bestehende Fieberschübe, gelegentlich verbunden mit Schüttelfrost. Bei der körperlichen Untersuchung finden Sie ein neu aufgetretenes 2/6-Systolikum, der übrige körperliche Untersuchungsbefund ist unauffällig. Diagnostik: -> 3 Säulen der Endokarditis-Diagnostik 1. Klinik: (vgl. oben) 1 Lernhilfen zur Hauptvorlesung „Kardiologie“ WS 2015/2016 Schmidt/Baars 2. Echokardiographie: 3x charakteristische Befunde: - Vegetationen: Konglomerate aus Bakterien, Biofilm, Thrombozyten, plasmatische Bestandteile, Erythrozyten - Abszesse: umkapselte Eiteransammlung in einer nicht präformierten Körperhöhle; entsteht durch entzündliche Gewebeeinschmelzung - Neue Dehiszenzen: pathologisches Auseinanderweichen zweier benachbarter Gewebestrukturen 3. Mikrobiologie: -> Abnahme von Blutkulturen Blutkulturen sind bei etwa 85% aller Endokarditis-Patienten positiv - Staphylococcus aureus - Coagulase-negative Staphlokokken - S. bovis - Streptokokkus viridans - Enterococcus spp. Ursachen für einen kultur-negativen Befund: - Antibiotika-Vorbehandlung - Nicht-infektiöse Genese - Seltene Erreger Seltene kultur-negative Erreger (vgl. oben) 2 Lernhilfen zur Hauptvorlesung „Kardiologie“ WS 2015/2016 Schmidt/Baars Therapie: Antibiotische Therapie: - Streptokokken-Endokaritis: o Penicillin G oder Amoxicillin oder Ceftriaxon o Bei ß-Laktam-Allergie Vancomycin mit Gentamicin o Herzklappenprothesen < 12 Monaten: Vancomycin mit Gentamicin mit Rifampicin - Staphylokokken-Endokarditis: o Methicillin-empfindlich: Flucloxacillin oder Oxacillin mit Gentamicin o Methicillin-resistent: Vancomycin mit Gentamicin - Enterokokken-Endokarditis: o Ampicillin oder Amoxicillin oder Vancomycin mit Gentamicin Keine Antikoagulation! -> Begründung: - höhere Rate embolischer Ereignisse - höhere Blutungsinzidenz - höhere Letalität (Schlaganfälle!) - kein Effekt auf die Vegetationsgröße Chirurgische Therapie: - Indikationen: o Herzinsuffizienz o unkontrollierte Infektion o durch infektiöse Endokarditis bedingte embolische Ereignisse (-> Prävention) Kriterien/Zeichen für einen Behandlungserfolg: - Entfieberung - Normalisierung von BSG u. CRP - negativer Ausfall von Blutkulturen - Verschwinden klinischer Symptome Prophylaxe: Wer? -> Nur bei Patienten mit der höchsten Wahrscheinlichkeit eines schweren oder letalen Verlaufs einer infektiösen Endokarditis! Wann? -> Zahneingriffe mit Manipulation der Gingiva oder der periapikalen Zahnregion oder mit Perforation der oralen Mukosa Nicht empfohlen bei urogenitalen, respiratorischen oder gastrointestinalen Eingriffen! Wie? 3