Schlaganfall - MEDIAN Kliniken

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Unternehmensgruppe Dr. Marx
Schriften zur Rehabilitation
2 Schlaganfall
vorbeugen – behandeln –
rehabilitieren
Harald Trettin
Ein Behandlungsschwerpunkt der MEDIAN KLINIK Grünheide
2
3
Impressum
Herausgeber:
Unternehmensgruppe Dr. Marx
Klinik-Beratungs-KG
KBG-Verwaltungs-GmbH & Co.
Carmerstraße 6
10623 Berlin
Telefon 030/311 01-0
Redaktion:
Uta Reichhold
Gestaltung:
weberstedt gmbh
visuelle kommunikation, Berlin
Typographie:
druckvorlagenservice mayer, Berlin
Druck:
Kästner Druck, Berlin
Heft 2, März 1998
1. Nachdruck Juli 1999
ISSN 1432-945X
Die Vervielfältigung und Verbreitung dieser Druckschrift – auch von Teilen oder Abbildungen –
bedürfen der schriftlichen Genehmigung des Herausgebers.
Vorwort
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Der Autor
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Chefarzt Dr. Harald Trettin beantwortet
aktuelle medizinische Fragen zum Thema Schlaganfall
Wie häufig tritt der Schlaganfall in der Bevölkerung auf?
Kann grundsätzlich jeder einen Schlaganfall erleiden? Was passiert im Gehirn bei einem Schlaganfall? Welche Vorzeichen können auf einen Schlaganfall hindeuten? Welche Behinderungen können durch den Schlaganfall auftreten? Gibt es Risikofaktoren, die einen Schlaganfall begünstigen? Häuft sich die Zahl der Schlaganfälle zum Beispiel durch Streß
und Hektik im Alltag? Wie wichtig ist schnelle medizinische Hilfe beim akuten
Schlaganfall? Kann man einem wiederholten Schlaganfall vorbeugen? Wie groß ist die Gefahr einer Wiederholung eines Schlaganfalls? Kann man von einem Schlaganfall vollständig geheilt werden? Welches sind die Behandlungsschwerpunkte in der medizinischen
Rehabilitation bei Schlaganfall? Gibt es neue Erkenntnisse darüber, was sich im Gehirn eines
Schlaganfall-Patienten bei intensivem Beüben der Sensomotorik,
der Sprachproduktion oder beim Hirnleistungstraining in den
„grauen Zellen“ abspielt? 9
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Sachworterklärungen
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Medizinische Fachliteratur für den interessierten Leser
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Die MEDIAN Rehabilitationskliniken der
Unternehmensgruppe Dr. Marx
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Vorwort
Ein Schlaganfall ist ein Blitz
aus heiterem Himmel in der Normalität des täglichen Lebens –
nicht voraussehbar, schicksalhaft.
Ist er auch unheilbar? Nein, wenn
sofort nach der Erkrankung die
notwendigen, richtigen Schritte
eingeleitet werden.
Die moderne Rehabilitationsmedizin verfügt heute über spezielle Therapieverfahren, mit
deren Hilfe Schlaganfallpatienten
in ein selbständiges, lebenswertes
Le­ben zurückkehren können. Wie
in anderen Bereichen der Medizin
sind auch auf diesem Gebiet
große Fortschritte erzielt worden.
Entscheidende Voraussetzung
für den Heilungserfolg ist der
so­fortige Beginn der Therapie
nach dem Schlaganfall. Dem wiederum dienen auch die derzeitigen Be­mühungen, deutschlandweit ein Netz sogenannter „Stroke Units“ aufzubauen, die eine
so­fortige Erkennung und effiziente Be­handlung des Schlaganfalls
ermöglichen.
Sind die lebenswichtigen Organe voll funktionsfähig, kann
sofort mit der rehabilitativen
Therapie begonnen werden. Dann
zählt jeder Tag. Die Chance, das
bestmögliche Heilungsergebnis
zu erzielen, verschlechtert sich
bei verzögertem Behandlungsbeginn gravierend. Deshalb sollte
die Überweisung in eine quali­
fizierte neurologische Rehabilita­
tions­klinik so schnell wie möglich
erfolgen. Nur durch das Anwenden rehabilitativer Verfahren, das
sofortige Üben, das ständige Wiederholen bestimmter Reize und
Bewegungen ist es möglich, verlorengegangene Funktionen wieder zu aktivieren.
Wir haben uns schon sehr frühzeitig der neurologischen Reha­
bilitation gewidmet. An neun
Stand­orten Deutschlands werden
die gewonnenen Erkenntnisse
und praktischen Erfahrungen zum
Wohle des Patienten umgesetzt.
In jüngster Zeit haben wir uns in
einigen Kliniken der Rehabilita­
tion schwer Hirnverletzter zugewandt. Die Behandlungsergeb­
nisse zeigen, wieviel Elend und
Not verhindert werden können,
wenn die richtige Therapie zur
richtigen Zeit eingesetzt wird.
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7
Unsere Ärzte und Therapeuten
können keine Wunder vollbringen, und doch Wunderbares
erreichen – besonders dann, wenn
der Patient es selbst will. Ein
72jähriger lernt wieder gehen,
eine 43jährige findet ihr
Ge­dächtnis wieder und erlernt
ihre Muttersprache neu. Das ist
Re­habilitation
nach
einem
Schlag­anfall.
Wichtig und keinesfalls zu
unterschätzen für den Heilerfolg
ist die Mithilfe der Angehörigen.
Ihre Liebe und Zuwendung geben
dem Kranken Mut und Hoffnung.
Es ist wichtig, daß auch sie über
die wesentlichen medizinischen
Kenntnisse rund um den Schlaganfall verfügen.
Berlin im März 1998
Dr. Erich Marx
Der Autor
Dr. med. Harald Trettin
Facharzt für Neurologie und Psychiatrie
Physikalische Therapie, Sportmedizin
Dr. med. Trettin ist Chefarzt der
MEDIAN KLINIK Grünheide bei
Ber­lin. Die ­Rehabilitation nach
dem Schlaganfall gehört zu den
Be­handlungsschwerpunkten dieser Fachklinik.
Das von Frau Dr. med. Barbara
Zynda und Herrn Dr. Trettin ge­­
leitete Ärzte- und Therapeuten­
team verfügt über hohe Kompetenz, spe­zielle Behandlungsstrategien
und einen großen Erfahrungsschatz auf dem Gebiet der Rehabilitation
nach dem Schlaganfall.
Weitere Behandlungsschwerpunkte der MEDIAN KLINIK Grünheide sind
die Früh­rehabilitation von Patienten mit schweren Schädel-Hirn-Verletzungen sowie die Rehabilitation bei entzündlichen Nervenerkrankungen.
MEDIAN KLINIK Grünheide
Rehabilitationsklinik für Neurologie/Neurochirurgie
An der REHA-Klinik 1
15537 Grünheide (Mark)
Telefon 03362/739-0
Telefax 03362/739-222
Die im folgenden Text plazierten Fotos zeigen Trainingssituationen aus der MEDIAN-KLINIK Grünheide.
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Chefarzt Dr. Harald Trettin beantwortet
aktuelle medizinische Fragen zum Thema
Schlaganfall
Wie häufig tritt der
Schlag­anfall in der
­Bevölkerung auf?
In Deutschland rechnet man mit
durchschnittlich zweihunderttau­send Neuerkrankungen an
Schlaganfall pro Jahr, das sind
rund 550 neue Schlaganfälle täglich, etwa vergleichbar mit der
Häufigkeit des Herzinfarktes.
Kann grundsätzlich jeder
einen Schlaganfall erlei­
den?
In welchem Alter besteht
die Gefahr eines Schlag­
anfalls?
Grundsätzlich können alle Alters­
klassen vom Schlaganfall betroffen sein vom Kind – bzw. Jugendlichen – bis ins hochbetagte Alter
eines 90jährigen. Aber es gibt hier
große Unterschiede in Bezug auf
die Entstehungsursachen des
Schlag­anfalls, die Wiederholungsgefahr und das statistische
Schlaganfallrisiko in den verschiedenen Altersgruppen.
Schlaganfall im mittleren und
hö­he­ren Lebensalter
Der Laie verbindet mit dem Begriff
„Schlaganfall“ allgemein eine
schicksalhafte Erkrankung im
höheren Lebensalter, und in der
Tat verdoppelt sich ab dem
45. Lebensjahr das statistische
Schlag­anfallrisiko alle 10 Jahre.
80 – 90 % aller Schlaganfälle
treffen Menschen, die über 65
Jahre alt sind.
20 – 40 % der Patienten versterben inner­halb eines Monats
und nur 56 % der männlichen
und 64 % der weiblichen Schlaganfall-Patienten überleben die
folgenden 5 Jahre.
Viele von Ihnen behalten mehr
oder weniger schwere neurologische Aus­fälle.
25 % aller Schwerbehinderten
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in Deutschland sind SchlaganfallPatienten.
Schlaganfall bei Jugendlichen
und im jüngeren Erwachsenen­
alter
Viel zu wenig in der Bevölkerung
bekannt ist die Tatsache, daß
selbst schon Kinder und Jugendliche und jüngere Erwachsene vom
Schlaganfall be­troffen sein können.
Ursachen
Während aber im Alter ganz überwiegend die Arteriosklerose* –
also die Gefäßverkalkung – und
die damit verbundene erhöhte
Gefahr eines thrombotischen
Gefäßverschlusses die überwiegende Ursache des Schlaganfalls
darstellt, ist der Auslöser bei
­Kindern und Jugendlichen meistens ein ganz anderer: Hier stehen im Vordergrund vom Herzen
ausgehende Hirnembolien, die
hervorgerufen werden durch
Blut­gerinnsel, die sich an der
Herz­innenwand nach einer ab­­
glaufenen bakteriellen Herz* S iehe hierzu und auch zu anderen Fach­be­griffen
das medizinische Sachverzeichnis im Anhang.
H. Trettin
innenhaut­entzündung (Endokarditis), bei angeborenen Herzfehlern,
beispielsweise
einem
Vorhofseptumdefekt, oder rheumatischen Veränderungen an den
Herzklappen ausbilden können
und mit dem Blut­strom in den
großen Blutkreislauf und damit
über die Halsschlagadern in die
hirnversorgenden Gefäße eingeschwemmt werden.
Derartige kardiogene Ursachen
stehen mit an erster Stelle aller
juvenilen Insulte, in einer größeren veröffentlichten Statistik
wa­ren es 38 %.
Aber auch bei Patienten jenseits des 45. Lebensjahres muß
bei einem Drittel aller Schlaganfälle eine vom Herzen ausgehende Embolie als Ursache für den
Schlaganfall angesehen werden.
Eine der häufigsten Herzerkrankungen, die zum Schlaganfall
führen können, sind Herzrhythmusstörungen beim sogenannten
Vorhofflimmern, wobei sich sehr
häufig ein Blutgerinnsel, also ein
Thrombus, an der Vorhofinnenwand festsetzt, von dem sich
durch die arrhythmischen Herzkontraktionen – ähnlich wie bei
Schlaganfall: Fragen und Antworten
einem stotternden Motor – Partikelchen loslösen und über die
linke Herzkammer in den großen
Kreislauf und damit in die Hirnschlagadern eingeschleust werden können. Da die absolute
Arrythmie bei Vorhofflimmern
ganz überwiegend auf der Grundlage einer koronaren Herzkrankheit entsteht, sind dies wiederum
Patienten im mittleren und höheren Lebensalter, die von der kardialen Hirnembolie betroffen
sind. Ein weiterer wichtiger Risikofaktor für kardiale Embolien ist
der Herzinfarkt mit und ohne
Herzrhythmusstörungen, eben­
falls wegen der Gefahr der Bildung eines Blutgerinnsels an der
Innenwand der Herzkammer,
be­sonders wenn sich ein sogenanntes Herz­wand-Aneurysma
im Infarktareal ausgebildet hat.
Was passiert im Gehirn bei
einem Schlaganfall?
Beim Schlaganfall oder auch
Hirn­insult genannt handelt es
sich um eine plötzlich einsetzende kritische Durchblutungsstö­
11
rung in einem bestimmten Hirn­­
areal, die zu einem herdförmigen
Funktionsausfall führt. Kommt es
dabei zum Absterben von Hirngewebe, sprechen wir von einem
Hirninfarkt.
In etwa 80 % der Fälle handelt
es sich um einen sogenannten
ischämischen Insult.
Darunter verstehen wir eine
plötzlich auftretende Blutleere
(Ischämie) in einem umschriebenen Hirnareal durch einen Gefäßverschluß, wobei dieser Gefäßverschluß entweder durch ein
über die Blutbahn eingeschleustes kleines Blutgerinnsel – also
eine Hirnembolie – oder aber
durch einen ortsständigen thrombotischen Gefäßverschluß innerhalb einer Hirnschlagader zu­­
stande kommt. Führt dieser Verschluß zu einer Mangelversorgung von Nervengewebe, so
kommt es schon nach 5 Minuten
­Sauerstoffmangel zum Absterben
von Nervenzellen, es entsteht der
Hirninfarkt. Nach 10 bis 20 Minuten sind bereits schwere strukturelle Veränderungen an den Nervenzellen zu beobachten. Hier
handelt es sich um den Infarkt-
12
kern. Um diesen infarzierten Kern
herum findet sich eine mangelversorgte Zone von Hirngewebe,
deren Zellen zwar ihre Funktion
eingestellt haben, die jedoch in
ihrer Struktur erhalten geblieben
sind, die sogenannte Penumbra.
Diese Penumbra ist meistens viel
ausgedehnter als der Infarkt
selbst und wird hervorgerufen
durch eine ausgeprägte Ödembildung, das heißt Aufquellung von
Hirngewebe durch Aufnahme von
Wasser, das im Bereich der
geschädigten Blutkapillaren aus
der Blutbahn zusammen mit
Bluteiweißen austritt und auf
diese Weise zu einer umschriebenen Hirnschwellung führt.
Hinsichtlich der Entstehungsbedingungen eines derartigen
ischämischen Hirninfarktes un­ter
scheiden wir heute 5 Infarkttypen:
1. Die ortsständige Thrombose
(Ge­rinn­selbildung) unmittelbar in
einer der großen hirnversorgenden Schlagadern.
2. Die sogenannte arterio-arterielle Hirnembolie.
Hierunter versteht man die Loslö-
H. Trettin
Schlaganfall: Fragen und Antworten
sung kleiner Partikel von Blutgerinnseln, die sich entweder noch
außerhalb der Hirnstrombahn, am
häufigsten in der Halsschlagader,
seltener innerhalb der großen
hirnversorgenden Schlagadern
ausbilden und in die End­
aufzweigung des Gefäßbaums der
Hirngefäße eingeschleust werden, wo sie bei zunehmender Einengung der Gefäßstrombahn stecken bleiben.
chen, was passiert, wenn im
Keller eines Wohnhauses
durch ein sich schließendes
Ventil der Druck in der Gasleitung heruntergefahren
wird, dann werden die
Be­wohner in den oberen
Etagen dieses Hauses den
Druckabfall in der Gasleitung am ehesten zu spüren
bekommen und der Herd
geht aus.
3. „Hämodynamischer“ Hirn­
infarkt
Eine weitere Ursache für den
Schlafanfall stellt der sogenannte
hämodynamische Hirninfarkt dar,
der dadurch entsteht, daß bei
einer hochgradigen Ein­engung
der hirnversorgenden Hals­­schlag­ader (Arteria carotis interna) oder gar einem Verschluß dieses Gefäßes fernab im Gehirn
durch Abnahme des Perfusionsdruckes sozusagen im Bereich der
„letzten Wiese“ die Durchströmung des Hirngewebes so gering
wird, daß eine Mangelversorgung
mit Sauerstoff eintritt und damit
der hämodynamische Hirninfarkt.
Man könnte das damit verglei-
4. Kardiale Embolie
Über das Herz als Emboliequelle bei bestimmten Herzerkrankungen, hier vor allem
der absoluten Arrhythmie bei Vorhofflimmern,
wurde
schon
gesprochen. Solche Thrombenbildungen im Herzen können heute
mittels der so­genannten transösophagealen Echo­kardiographie,
einer speziellen Technik der Ultraschalluntersuchung des Herzens, sicher erfaßt werden. Als
vorbeugende Maßnahme gegen
weitere vom Herzen ausgehende
Hirnembolien ist die Verordnung
von Medikamenten, welche die
Gerinnungsfähigkeit des Blutes
herabsetzen und damit das Risiko
13
weiterer
Thrombenbildungen
min­­­dern, heut­­zutage Therapiestandard.
5. Lakunärer Hirninfarkt
Eine weitere Form stellt der sogenannte lakunäre Hirninfarkt dar,
der auf dem Boden einer Mikroangiopathie entsteht. Darunter
verstehen wir arteriosklerotische
Veränderungen, welche ganz
überwiegend die kleinen das
Hirngewebe
durchdringenden
sehr dünnkalibrigen Arterien
betreffen, deren Durchmesser in
der Regel etwa nur ein Zehntel-
14
millimeter beträgt. Durch eine
sogenannte Hyalinose wird der
ohnehin sehr geringe Durchmesser noch stärker eingeengt, und
es kommt hier zu erheblichen
Stö­rungen der Mikrozirkulation
mit der Gefahr von Mikrothrombenbildungen und damit Gefäß­
verschlüssen. Das führt niemals
zu einem großen ausgedehnten
Hirninfakt, sondern zu sogenannten Lakunen, d.h. kleineren maximal 1,5 cm im Durchmesser messenden Infarktzonen, die sich
durch bildgebende Verfahren wie
die Computertomographie und
die Magnetresonanztomographie
des Gehirns sehr eindrucksvoll
nachweisen lassen. Wichtigste
Schrittmacher für eine solche
Mikroangiopathie sind zum einen
das Alter, zum anderen der Bluthochdruck und der Diabetes mellitus.
Welche Vorzeichen können
auf einen Schlaganfall
hindeuten?
Bedeutsam sind die sogenannten
transitorischen
ischämischen
H. Trettin
At­tacken, worunter man eine vor­
übergehende kritische Hirnmangeldurchblutung versteht, die ein
neurologisches Defizit nach sich
zieht, das gemäß Definition bis
24 Stunden anhalten kann und
sich dann komplett zurückbildet.
Eine solche transitorische ischämische Attacke (TIA) ist sehr häufig ein Frühwarnsymptom für
einen drohenden Schlaganfall.
Oder es handelt sich um ein
sogenanntes prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit, mit der Abkürzung
PRIND, wobei es sich ebenfalls
um ein vorübergehendes neurologisches Defizit auf Grund einer
allerdings länger anhaltenden
zerebralen Ischämie handelt, das
sich innerhalb einer Woche wieder vollständig zurückbildet. Solche neurologischen Defizite, die
ernstzunehmende Frühwarnsymptome eines Schlag­anfalls sind,
äußern sich in vor­übergehenden
Sprachstörungen, Lähmungserscheinungen, Mißempfindungen
oder Sehstörungen, manchmal ist
es auch nur ein diffuser Druck
oder Schwindelgefühl im Kopf
oder eine plötzliche Gangunsi-
Schlaganfall: Fragen und Antworten
cherheit. Bedeutsam ist, daß viele
Patienten solchen Symptomen
keine größere Beachtung beimessen, zumal wenn es sich nur
um transitorische ischämische
At­tacken handelt, die nach kurzer
Zeit wieder abgeklungen sind.
Beim eigentlichen Schlaganfall, der immer einen Untergang
von Nervenzellen zur Grundlage
hat, unterscheiden wir zum einen
den progredienten ischämischen
Insult – im angloamerikanischen
Schrifttum „progressiv stroke“
genannt – mit einem progredienten neurologischen Defizit ischämischer Ursache, das sich innerhalb von 6 – 48 Stunden mit zum
Teil fluktuierender Symptomatik
zum voll ausgebildeten Schlaganfall, dem „completed stroke“,
entwickelt, zum anderen den
schlagartig eintretenden „completed stroke“, welcher ein stabiles apoplektiform aufgetretenes
ischämisches Defizit darstellt,
welches über mehr als 3 Wochen
konstant nachweisbar ist.
Hinsichtlich der Schwere der
neurologischen Ausfälle unterscheiden wir klinisch den sogenannten „minor stroke“, der im
15
Endeffekt die Aktivitäten des täglichen Lebens nicht entscheidend
behindert, vom sogenannten
„major stroke“, der mit einem
erheblichen neurologischen Defizit einhergeht und damit zu deutlicher Behinderung führt.
Während dem „minor stroke“
sehr häufig lakunäre Infarkte auf
Grund einer Mikroangiopathie
zugrunde liegen, handelt es sich
beim „major stroke“ um größere
Hirninfarkte, wie sie entstehen
durch den kompletten Verschluß
einer der großen hirnversorgenden Schlagadern durch eine
Embolie, seltener in Form eines
sogenannten Grenzzoneninfarktes bei Verschluß der hirnversorgenden Halsschlagader.
Welche Behinderungen
können durch den Schlag­
anfall auftreten?
Der eigentliche Infarktbereich,
der Infarktkern mit seiner Randzone, der Penumbra, führen zu
einem umschriebenen herdförmigen neurologischen Ausfallsyndrom, dessen Ausprägung ganz
16
davon abhängt, in welchem
Bereich des Gehirns sich der
Infarkt abspielt.
Die klassische Ausfallsymptomatik beim Schlaganfall ist die
Halbseitenlähmung (Hemiplegie/
Hemiparese) mit Betonung des
Armes und der unteren Extremitätenabschnitte, also der Hand
und des Fußes mit Nachziehen
und Nachschleifen des gelähmten
Beines. Hat sich der Schlaganfall
in der sogenannten dominanten
Hemisphäre ereignet, das ist beim
Rechtshänder die linke Hirnhälfte, so besteht die große Gefahr,
daß auch so wichtige Zentren wie
das Sprachzentrum betroffen sind
mit einem kompletten Ausfall der
Sprachmotorik, wir nennen das
eine motorische Aphasie, oder
des Sprachverständnisses (sensorische Aphasie). Bei der sensorischen Aphasie, der sogenannten
Wernicke-Aphasie, imponiert ein
unverständlicher Redeschwall mit
scheinbar zusammenhanglosen
Satzteilen, die den Eindruck vermitteln, als sei der Patient verwirrt, was aber in Wirklichkeit
nicht der Fall ist. Bei ausgedehnten Infarkten in der linken Hemi-
H. Trettin
sphäre können beim Rechtshänder eine globale Aphasie, d. h.
kompletter motorisch-sensorischer Sprachausfall, eine Alexie
und Agraphie (Un­vermögen zu
lesen und zu schreiben) und damit
ein Ausfall praktisch aller wichtigen Funktionen auftreten, die für
die Kommunikation mit der
Umwelt gebraucht werden.
Bedeutsam ist der häufig mit
der Halbseitenlähmung einhergehender Hemineglect, d. h. „Vernachlässigung“ der gelähmten
Kör­perhälfte, weil die bewußte
Wahrnehmung der gelähmten
Körperseite durch die Unterbrechung von Nervenleitungsbahnen
im Gehirn gestört ist.
Je nach Lokalisation können
auch Koordinationsstörungen und
Gleichgewichtsstörungen ganz im
Vordergrund stehen, so zum Beispiel beim Kleinhirninfarkt. Bei
Hirnstamminfarkten ist charakteristisch der Ausfall von Hirnnerven in Kombination mit Ausfallerscheinungen an den sogenannten langen Nervenbahnen, d.h.
Halbseitenlähmung der Extremitäten und der Gefühlswahrnehmung. Bei einer gekreuzten Hirn-
Schlaganfall: Fragen und Antworten
stammsymptomatik finden sich
auf der einen Körperseite Ausfälle
von seiten der Hirnnerven mit der
Fol­ge des Auftretens einer Ges­
ichts­lähmung, einer Augenmuskel- oder Schlucklähmung, und
auf der anderen Körperseite eine
mo­to­rische Lähmung von Arm
und Bein.
Bedeutsam ist, daß bei ausgedehnten Hirninfarkten sehr häufige kognitive Hirnleistungseinbußen vorliegen, d. h. eine Beeinträchtigung von Merkfähigkeit,
Konzentrationsvermögen
und
Auf­­merksamkeitsleistung, oder es
handelt sich um ganz umschriebene Ausfallerscheinungen wie
zum Beispiel die Akalkulie
(Un­vermögen zu rechnen) oder
das sogenannte amnestische
Syndrom. d. h. eine hochgradige
Be­einträchtigung der Merkfähigkeit und damit des Kurzzeitgedächtnisses, so daß diese Patienten schon fünf Minuten später
vergessen haben, was sie zuvor
ge­tan haben oder mit wem sie
sich unterhalten haben. Solche
um­schriebenen Ausfallsyndrome
ent­stehen immer nur dann, wenn
ein ganz bestimmtes Hirnareal
17
betroffen ist, das für die Gedächtnisspeicherung erforderlich ist.
Gibt es Risikofaktoren,
die einen Schlaganfall ­
be­günstigen?
Abgesehen von den kardialen
Ursachen eines Schlaganfalls, von
denen wir gesprochen haben,
wird gerade der Schlaganfall, der
ja neben dem Herzinfarkt die
zweithäufigste Gefäßerkrankung
und dritthäufigste Todesursache
darstellt, in hohem Maße durch
Risikofaktoren begünstigt bzw.
letztendlich hervorgerufen.
Welche Risikofaktoren sind
das?
Bluthochdruck
Anders als beim Herzinfakt, steht
bei der Entstehung des Schlaganfalls der Bluthochdruck als Risikofaktor Nr. 1 ganz im Vordergrund. Die Hypertonie führt zur
Mikro- und Makroangiopathie,
d. h. Gefäßeinengungen sowohl
an den kleinen, als auch an den
größeren Blutgefäßen mit der
Gefahr der Entstehung einer Ver-
18
H. Trettin
Schlaganfall: Fragen und Antworten
pereigene Befähigung, kleine
Blutgerinnsel wieder aufzulösen,
sie sind Bestandteil der arteriosklerotischen Plaques und damit
Risikofaktor für Einengungen der
Herzkranzgefäße und der hirnversorgenden Gefäße.
schlußkrankheit, indem sich auf
den atheromatösen Plaques, dies
sind Auflagerungen und Aufbrüche der Gefäßinnenhaut, Blutgerinnsel festsetzen.
Ab dem 40. – 45. Lebensjahr
rückt die auf diese Weise entstehende arteriosklerotische Verschlußkrankheit zunehmend in
den Vordergrund.
Diabetes mellitus (Zucker­
krankheit), Hyperlipoprotein­
ämie (Erhöhung der Blutfette)
An 2. Stelle steht der Diabetes
mellitus und die Erhöhung der
Blutfette, der Lipoproteine, vor
allem das erhöhte LDL-Cholesterin (bei zu niedrigem HDL-Cholesterin) sowie ein Anstieg der
Triglyceride, die mit einem gesteigerten Schlaganfallrisiko um das
2- bis 3fache assoziiert sind. Patienten mit einer erblichen familiären Hypercholesterinämie mit
exessiv hohen Cholesterinwerten
haben sogar ein 2fach höheres
Schlaganfallrisiko.
Lipoproteine bremsen die fibrinolytische Aktivität, also die kör-
Nikotin
Nikotinabusus steigert das Insult­
risiko in Abhängigkeit von Dauer
und Menge um das 2- bis 4fache
bei Zigarettenrauchern. Nikotin
verengt die Blutgefäße und führt
zu Ablagerungen an der Gefäßinnenhaut (atheromatöse Plaques)
und erhöht damit das Risiko eines
Gefäßverschlusses.
Alkohol
Alkoholkonsum und Schlagan­fall­
ri­siko werden derzeit kontrovers
erörtert. Bestimmten Weinsorten
wird sogar ein gefäßschützender
Effekt zugeschrieben, vorausgesetzt allerdings, es bleibt bei
einem geringen Konsum von etwa
0,2 – maximal 0,4 l Wein täglich.
Alkoholmengen von 20 – 25 g täg­
lich scheinen das Risiko für eine
Einengung der hirnversorgenden
Gefäße, hier insbesondere der
19
Halsschlagader, und damit den
ischämischen Insult, sogar zu
senken. Alkoholmengen von mehr
als 25 g täglich er­höhen allerdings
das Risiko für den Schlaganfall
durch Auftreten von Hirnblutungen, die in 20 % der Fälle die
Ursache eines Schlaganfalls darstellen. Starke Trinker ha­ben ein
4fach höheres Schlaganfallrisiko
als Nichttrinker.
Blutgerinnungsstörungen
Eine krankhaft erhöhte Blutgerinnung (Hyperkoagulopathie), die
zum Teil genetisch bedingt sein
kann, wie zum Beispiel der sogenannte Antithrombin-3-FaktorMangel oder der genetisch
be­dingte Protein-C-Mangel, ge­­
hen generell mit einem erhöhten
Thromboserisiko einher. So weisen etwa 2 % der Patienten mit
thromboembolischen Erkrankungen einen Antithrombin-3-Mangel auf. Protein-C ist ein VitaminK-abhängiges Plasmaeiweiß, das
als natürliches Antikoagulans die
Gerinnung hemmt. Der familiär
bedingte Mangel geht eindeutig
mit einem erhöhten Thromboserisiko von bis zu 80 % einher.
20
Vitamine
Kürzlich wurde eine 20 Jahre-follow-up-Studie an 921 Patienten
über 65 Jahre Lebensalter vorgestellt, die zeigt, daß niedrige Vitamin-C-Aufnahme und niedriger
Vitamin-C-Spiegel im Blut das
Schlaganfallrisiko auf das 2,8fache erhöhen. Auch andere
Autoren weisen daraufhin, daß
eine umgekehrte Relation zwischen der Aufnahme der als sogenannte Radikalfänger** fungierenden Vitamine E und C und dem
Auftreten von Schlaganfall be­­
steht.
Homozystein
Ein neuerdings bekannt gewordener zerebro-vaskulärer Risikofaktor für den Schlaganfall ist eine
Erhöhung des Homozystein im
Blut. Homozystein ist eine Aminosäure, die im Organismus aus
Methionin gebildet wird. Ursache
erhöhter Homozystein-Konzentrationen sind Defizite von Vitaminen B6, B12 und Folsäure im
Alter. Erhöhte Homozystein-Konzentrationen im Blut haben nachgewiesenermaßen eine gefäßwandschädigende und atheros­
H. Trettin
kle­­rosefördernde Wirkung an den
Blutgefäßen. In Untersuchungen
wurden enge Beziehungen zwischen erhöhtem Homozystein im
Blut und dem Schweregrad von
Einengungen an der Halsschlagader gefunden.
Körperliche Inaktivität
Nachgewiesen ist, daß körper­
liche Inaktivität das Schlagan­
fallrisiko um das 2- bis 3fache
er­höht. Bewegungsmangel ist da­­
her einer der (vermeidbaren)
Risiko­faktoren für den Schlaganfall.
Psychosoziale Faktoren
Auch psychosoziale Faktoren, die
mit häufiger innerer Anspannung
und Erregung, Wut und Aggressivität einhergehen und zu aggressivem Verhalten führen, sollen
nach einigen Untersuchungen das
Schlaganfallrisiko erhöhen, wobei
hier allerdings sehr komplexe
Mechanismen, die in dieses
Geschehen einwirken, genannt
werden müssen, so beispielsweise
Veränderungen der Blutgerinnung
durch Einwirkung von Streßhormonen mit Erhöhung des Gerin-
Schlaganfall: Fragen und Antworten
nungsstoffes Fibrinogen im Blut
und Zunahme der Aktivität von
Gerinnungsaktivatoren.
Häuft sich die Zahl der
Schlaganfälle zum Beispiel
durch Streß und Hektik im
Alltag?
Seit dem 2. Weltkrieg verzeichnen
wir einen stetigen Anstieg der
Schlaganfall-Fälle, was aber verschiedene Ursachen hat. Einerseits wird die Bevölkerung immer
älter, womit sich auch das statistische Risiko, einen Schlaganfall
zu erleiden, erhöht. Zum anderen
führen allgemeine Stressoren,
darunter auch Hektik im Alltag
und im Beruf, zur Ausschüttung
sogenannter Streßhormone, die
ja nicht nur positive Effekte
haben, sondern bei wiederholter
oder permanenter Ausschüttung
durch erhöhte Adrenalinfreisetzung und Ausschüttung sogenannter Glucocortikosteroide mit
gesteigerter Freisetzung von
Insulin wiederum zu einer Reihe
krankhafter Veränderungen im
Stoffwechsel führen, wie zum
21
Beispiel dem Hyperinsulinismus,
einer gesteigerten Thrombozytenaggregation und Hyperkoagulation und damit Erhöhung des
Thromboserisikos. Häufig allerdings kommt ein zusätzlicher
Nikotin- und Alkoholmißbrauch
ursächlich mit hinzu, wodurch
sich das Thromboserisiko noch
weiter erhöht.
Wie wichtig ist schnelle
­medizinische Hilfe beim
akuten Schlaganfall?
Es ist noch gar nicht so lange her,
daß selbst Ärzte den Schlaganfall,
von dem ja überwiegend ältere
Menschen betroffen sind, als ein
unausweichliches schicksalhaftes
Ereignis angesehen haben und
vor allem wegen der offensichtlich geringen Therapiemöglichkeiten im Akutstadium den
Schlaganfall auch nicht als Notfall behandelt haben, wie man
dies vom Herzinfarkt ja schon seit
langem gewohnt ist. Diese Einstellung hat sich heutzutage radikal geändert. Der Schlaganfall
gehört als Notfall so rasch wie
22
möglich in eine Spezialeinrichtung, möglichst in eine sogenannte Stroke Unit, worunter
wir eine Schlaganfall-Spezialabteilung verstehen, die mit allen
notwendigen Geräten und vor
allem geschultem Personal – dem
Stroke-Team – ausgestattet ist,
das in der Lage ist, alle Varianten
des Schlaganfalls zu diagnostizieren und vor allem schon im
Frühstadium mit der Behandlung
zu beginnen.
Auf eine solche Stroke Unit
gehören allerdings keine tief
komatösen und beatmungspflichtigen Patienten, die nachwievor
umgehend auf einer Intensivstation behandelt werden müssen.
Es ist sozusagen ein Wettlauf mit
der Zeit:
Auf Grund der enormen Sauerstoffempfindlichkeit der Nervenzellen kommt es auf jede Minute
an, denn wir wissen, daß schon
nach 5 Minuten Sauerstoffmangel die ersten Nervenzellen (Neuronen) absterben.
Um deutlich zu machen, auf
was es hier ankommt, möchte ich
einmal einen Vergleich anstellen:
Stellen Sie sich vor, ein Haus
H. Trettin
brennt. Die Frage, ob der Brand
schnell gelöscht werden kann und
damit ein größerer Schaden oder
sogar der Totalverlust des Hauses
vermieden werden kann, hängt
doch ganz entscheidend davon
ab, wie rasch die Feuerwehr vor
Ort ist und daß sie den Brandherd
und die Brandursache möglichst
schnell klären kann, um dann mit
gezielten Löschmaßnahmen den
Brand zu bekämpfen. Je schneller
die Feuerwehr vor Ort ist, je
ge­zielter der Brand bekämpft
werden kann, desto geringer ist
der Schaden. Das tatsächliche
Ausmaß des Feuerschadens wird
man dann nach Beendigung der
Löscharbeiten bei den Aufräumungsarbeiten feststellen.
So ist es auch beim Schlag­
anfall.
Die notfallmäßigen Maßnahmen haben beim akuten Schlaganfall vorrangig das Ziel, vitale
Funktionen wie Herzaktion, Kreislauf und Atmung aufrecht zu
erhalten, da dies ja die Grundvoraussetzung ist für den Erhalt von
Nervengewebe. Durch die modernen diagnostischen Verfahren
wie Computertomographie und
Schlaganfall: Fragen und Antworten
Dopp­lersonographie
wird der Hirn­infarkt
als solcher diagnostiziert und vor allem
eine Hirnblutung als
Ursache der Schlaganfallsymptomatik
entweder festgestellt
oder ausgeschlossen.
Dies ist ganz entscheidend wichtig
für alle weiteren
Maßnahmen.
Beim akuten Schlaganfall, der
durch einen embolischen Verschluß einer großen Hirnschlagader zustande ge­kommen ist,
besteht heute die Möglichkeit der
Thrombolyse-Behandlung,
das
heißt der Auflösung des Thrombus mit bestimmten Medikamenten, sofern der Patient innerhalb
eines sehr engen Zeitfensters von
3 Stunden in eine Klinik kommt,
die für die Durchführung einer
solchen Thrombolyse spezialisiert
sein muß.
Das große Risiko dabei ist die
nach der Thrombolyse einsetzende Hirnblutung, indem das infarzierte Hirngewebe wieder stark
durchblutet wird und es aus
23
undicht gewordenen Stellen in
der Endstrombahn in das infarzierte Hirngewebe hineinblutet.
Daher müssen sehr strenge Kriterien für die Durchführung einer
solchen Thrombolyse zugrundegelegt werden.
In allen anderen Fällen sind
ganz entscheidend die Behandlung eines Bluthochdrucks, wobei
hier entgegen einer BlutdruckLangzeitbehandlung beim akuten
Schlaganfall ein erhöhter systolischer Blutdruck bis zu 200 mm
Hg toleriert, ja sogar erwünscht
sein kann, um einen entsprechenden Perfusionsdruck aufrecht zu
er­halten, weil im
Infarktareal die sogenannte
zerebrale Autoregulation, d. h. die
24
vom Gehirn ausgehende, dem
Bedarf angepaßte automatische
Drosselung oder Weitstellung der
Blutgefäße, nicht mehr funktioniert und das ischämische Hirngewebe dann nur noch druckpassiv durchströmt wird.
Wichtig ist die Senkung eines
erhöhten Blutzuckers bei Diabetes mellitus, wobei der Schlaganfall selbst häufig erstmalig zu
einer diabetischen Stoffwechsellage führt. Wichtig ist fernerhin
die Senkung einer erhöhten Körpertemperatur bei zentral ausgelöstem Fieber, da die Stoffwechselprozesse im Gehirn bei er­höhter
Temperatur beschleunigt sind,
auf der anderen Seite sich aber
infolge von Sauerstoffmangel
Milchsäure als unvollständiges
Abbauprodukt des Trau­benzuckers
im Hirngewebe anhäuft, was zur
Übersäuerung des Gewebes mit
allen schädlichen Folgen führt.
Herz-Rhythmus-Störungen sind
effektiv zu behandeln und die
Ursache einer eventuellen kardialen Embolie mittels Echokardiographie abzuklären.
H. Trettin
Schlaganfall: Fragen und Antworten
Kann man einem wieder­
holten Schlaganfall vor­
beugen?
Wie groß ist die Gefahr
einer Wiederholung eines
Schlaganfalls?
Nach überstandenem Schlaganfall setzt so früh wie möglich die
Sekundärprävention ein, d. h. das
Verhindern eines SchlaganfallRezidivs, wobei sich Aspirin als
eine wirksame Substanz in Bezug
auf Schlaganfall-Prophylaxe er­­
wiesen hat, allerdings auch mit
dem Risiko einer erhöhten Blutungsgefahr, vor allen Dingen einer
Magenblutung bei schon vor­­
bestehendem Magengeschwürleiden, aber auch generell erhöhter
Blutungsneigung durch gesteigerte Durchlässigkeit der Blutgefäße
bei entsprechender Disposition des
Patienten.
Eine Alternativsubstanz ist das
Ticlopidin, das heute neben dem
Aspirin als Mittel der Wahl zur
Sekundärprävention bei Schlaganfall gilt. Daneben ist die
Be­handlung und Eliminierung von
Risikofaktoren eine ganz entscheidende Maßnahme der
Schlaganfallprävention.
Wer einen Schlaganfall erlitten
hat, hat generell ein erhöhtes
Schlaganfallrisiko
gegenüber
einem nicht vom Schlaganfall
Betroffenen, was sich dadurch
erklärt, daß die zum Schlaganfall
führenden Veränderungen an den
hirnversorgenden Gefäßen oder,
sofern es sich um eine Hirnembolie gehandelt hat, die Emboliequelle in der Regel fortbesteht.
Kardiale Erkrankungen steigern
das Infarktrisiko um den Faktor 2
bis 4. Patienten mit Vorhofflimmern haben einen 5- bis 6faches
Rezidivrisiko für Schlaganfall.
Patienten mit Diabetes mellitus
ein 1,8- bis 3faches Rezidivrisiko
für ischämische Insulte.
Es gibt Erkrankungen, die mit
einem besonders hohen Infarktrisiko einhergehen, sofern diese
Er­krankungen nicht effektiv
behandelt werden können, so
zum Beispiel die Gefahr einer kardialen Embolie bei Herzklappenersatz, die dann besteht, wenn
der Patient nicht konsequent
25
antikoaguliert wird mit sogenannten Cuma­rinderivaten, die in
das Gerinnungssystem eingreifen
und die Gerinnbarkeit des Blutes
herabsetzen.
Kann man von einem
Schlaganfall vollständig
geheilt ­werden?
Sofern es sich um ein prolongiertes, aber reversibles ischämisches
neurologisches Defizit (PRIND)
gehandelt hat, führt schon der
natürliche Verlauf zu einer Spontanheilung, während bei einem
kompletten Schlaganfall, dem
completed stroke, in der Regel ein
Defizit zurückbleibt, wobei wir ja
hier den minor stroke mit nur
geringer Behinderung vom major
stroke mit einem gravierenden
neurologischen Defizit unterscheiden.
Eine vollständige Heilung nach
durchgemachtem Schlaganfall im
eigentlichen Sinne des Wortes ist
also nicht möglich, wohl aber
eine deutliche Funktionsverbesserung der verbliebenen Defizite,
und dies selbst noch nach 2 bis 3
26
Jahren, wie eine ganze Anzahl
neuerer Studien belegt. Daher die
große Bedeutung einer möglichst
früh einsetzenden medizinischen
Rehabilitation bei Schlaganfall.
Welches sind die Behand­
lungsschwerpunkte in der
­medizinischen Rehabilita­
tion bei Schlaganfall?
Krankengymnastik
Ist im Bereich der Großhirnhemisphäre die motorische Hirnrinde
betroffen, so tritt bei einer Schädigung im Arm-Hand-Gesichtsfeld eine kontralaterale brachiofazial betonte Halbseitenlähmung
auf. Geschädigt ist die zentralmotorische Nervenbahn (Pyramidenbahn), die im Hirnstamm auf
die Gegenseite kreuzt (daher kontralaterale Halbseitenlähmung).
Bei einer Mitschädigung sogenannter extrapyramidal-motorischer Bahnen entwickelt sich
nach einer Latenz das charakteristische Haltungsmuster des
Schlaganfallpatienten mit kontralateraler Hemispastizität, das
bedeutet eine krankhaft erhöhte
H. Trettin
Muskelspannung (Spastik) in den
gelähmten Extremitäten, die auch
als "Wernicke-Mann-Haltung"
bezeichnet wird. Ist der Ort der
Schädigung die sogenannte innere Kapsel, dort wo absteigende
pyramidale und extrapyramidale
Bahnen eng gebündelt miteinander verlaufen, so entsteht schon
durch eine relativ kleine Läsion
eine ausgeprägte kontralaterale
spastische Hemiplegie.
Bei so komplexen neurologischen Ausfällen wie der spastischen Hemiplegie bedarf es spezieller Behandlungstechniken auf
neurophysiologischer Grundlage,
um verlorengegangene Bewegungsmuster wieder anzubahnen,
die Spastik zu senken und koordinierte Bewegungsabläufe wieder
anzutrainieren. Als eine der effektivsten Behandlungstechniken bei
Hemiplegie hat sich die Behandlung nach Bobath gegenüber
anderen Behandlungsmethoden
wie zum Beispiel PNF (propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation) durchgesetzt. Mit solchen
Techniken können durch InGang-Setzen
von
Rückkopplungsprozes­sen im zen-
Schlaganfall: Fragen und Antworten
tralen Nerven­system verlorengegangene mo­torische Funktionen
wieder angebahnt („fazilitieren“)
und pathologische Bewegungsmuster wie der typische Wernicke-Mann’sche Lähmungsgang
abgebaut werden. Neue Erkenntnisse in der Hirnforschung haben
gezeigt, daß bei Schlaganfallpatienten nach Hirninfarkt durch
intensives motorisches Training
eine Reorganisation verlorengegangener motorischer Hirnfunktionen eintritt durch eine komplexe, bilaterale Aktivierung
motorischer Hirnrindenfelder in
beiden Hirnhälften. Solche Vorgänge sind Teil der von Forschern
entdeckten Neuroplastizität des
Gehirns. Verschiedene Untersuchungen mit speziellen Techniken
haben gezeigt, daß sich die Größe
eines bestimmten motorischen
Hirnareals durch Training, aber
auch durch Inaktivität, ändern
kann. So vergrößert sich zum Beispiel durch intensives Üben einer
bestimmten Bewegungsabfolge
der Finger einer Hand das entsprechende zugehörige Handareal in der Hirnrinde. Blinde, die mit
dem Zeigefinger Blindenschrift
27
lesen, haben ein weit größeres
Zeigefingerareal in der Hirnrinde
der kontralateralen Hirnhälfte als
gesunde Probanden, und Geigenspieler haben ein größeres Handareal in ihrer Hirnrinde als
Nicht-Musiker. Inaktivität einer
Extremität beispielsweise durch
Eingipsen nach einer Fraktur verkleinert das motorische Hirnrindenareal. Solche neuroplastischen Vorgänge kommen dadurch
zustande, daß intakte Nervenzellen (Neuronen) durch Aussprossen („Sprouting“) ihrer sehr feinen Nervenzellfortsätze („Axone“)
nicht nur zu benachbarten Neuronen, sondern selbst zu korrespondierenden Neuronen der
anderen Hirnhälfte Kontakte herstellen können, so daß bei Reaktivierung motorischer Nervenimpulse benachbarte Hirnrindenfelder zur „Unterstützung“ bei der
Neuanbahnung verlorengegangener motorischer Funktionen
herangezogen werden. Dies erfordert ein gezieltes Üben nicht nur
der motorischen Abläufe, sondern
auch den dosierten Einsatz sensibler Reize über die Sinnesorgane wie Augen und Ohren, vor
28
allem aber der Haut, da im Gehirn
nicht nur die Ursprungszellen für
die Steuerung motorischer Abläufe in bestimmten Arealen der
Hirnrinde lokalisiert sind, sondern
auch eine komplette sensible
Repräsentation des Körperschemas be­steht.
Ergotherapie
In der Ergotherapie wird ein
gezieltes Training der gelähmten
oberen Extremität bei Hemiplegie
durchgeführt, hier vor allem eine
Schulung der Feinmotorik und der
gestörten Gefühlswahrnehmung
der gelähmten Hand. Ähnlich wie
in der Krankengymnastik, werden
auch hier spezielle Techniken zur
Kompensation verlorengegangener Funktionen (beispielsweise
bei Ausfall der Gefühlswahrnehmung an der gelähmten Extremität) durch entsprechende Reizsetzungen und Ausnutzung von
Rückkopplungsprozessen
zum
Ge­­hirn eingesetzt. Sehr praxisnahe werden Verrichtungen des Alltags wie An- und Auskleiden,
Essen und Trinken oder das Zubereiten einer Mahlzeit bei Schlaganfall geübt. (In der Fachsprache
H. Trettin
„ADL-Training“ genannt, dies ist
die Abkürzung für „Aktivitäten
des täglichen Lebens“.) Im erweiterten ADL-Training werden
Funktionen des öffentlichen
Lebens trainiert, wie zum Beispiel
das Besorgen kleiner Einkäufe,
Umgang mit Geld usw.. Auch
Schreibübungen gehören zum
Programm. Je nach Schwere der
Ausfälle wird ein entsprechendes
Hirnleistungstraining durch spezielle räumlich konstruktive oder
visuo-motorische Übungen durch
gezielte Ansprache der Sinnesorgane wie Augen und Ohren oder
des Tastsinns der Finger durchgeführt.
Logopädie
In der Logopädie oder Sprachtherapie wird von Fachleuten der
Verlust der Sprache (Aphasie), des
Leseverständnisses (Alexie) oder
die Unfähigkeit zu schreiben
(Agraphie) behandelt. Auch hier
gilt es, verlorengegangene, im
Gehirn abgespeicherte Muster der
Sprachmotorik und der Spracherkennung zu reaktivieren. Aber
auch bei Formulierungsschwierigkeiten oder der Un­fä­hig­keit,
Schlaganfall: Fragen und Antworten
ein gedachtes Wort
sprach­mo­torisch um­zusetzen
(sogen.
Sprechapraxie), werden gezielte Übungen
durchgeführt.
Mit
Hilfe des Computers
ist es heute möglich,
dem Patienten über
den
Bildschirm
gezielte Informationen zu liefern, zum
Beispiel durch die bildliche Darstellung von Gegenständen aus
dem täglichen Leben, wobei der
Patient aufgefordert wird, sprachliche Begriffe den gezeigten
Gegenständen zuzuordnen. Die
non-verbale visuelle Kommunikation wird dadurch mit sprachlicher Funktion gekoppelt und auf
diese Weise der „Suchvorgang“
im Gehirn beim Abrufen eines
momentan nicht zur Verfügung
stehenden Begriffes trainiert. Bei
einer globalen Aphasie, bei der
die
Kommunikationsfähigkeit
über das gesprochene Wort und
das Sprachverständnis ja in
hohem Maße beeinträchtigt ist,
kann das Trainieren mit dem
Sprachcomputer verlorengegan-
29
gene Funktionen soweit ersetzen,
daß der Patient beispielsweise
wieder in die Lage versetzt wird,
einen Brief zu schreiben oder im
täglichen Eigentraining auch verbal mit dem Computer zu kommunizieren, der so „intelligent“
ist, daß er nicht nur Eingabefehler, sondern auch beispielsweise
eine falsche Begriffszuordnung
über den Bildschirm oder verbalakustisch über Lautsprecher korrigiert.
Neuropsychologie
Schwerpunkt der klinischen Neuropsychologie beim SchlaganfallPatienten ist das Hirnleistungstraining, leiden doch viele
­Schlaganfall-Patienten unter Ge­­
30
dächtnis-, Merkfähigkeits- und
Konzentrationsstörungen. Medikamente, wie zum Beispiel die
Substanzgruppe der sogenannten
Nootropika, können zwar (in
Grenzen) zu einer Verbesserung
des Nervenzellstoffwechsels beitragen, sind aber kein Ersatz für
das „Hirnjogging“, also das intensive Training der „grauen Zellen“
des menschlichen Gehirns. Auch
dabei spielt die Erkenntnis der
Neuroplastizität des Gehirns eine
bedeutsame Rolle. Plastizität des
Gehirns wurde bei gesunden Versuchspersonen und bei Patienten
mit Läsionen des zentralen Nervensystems (z. B. nach Hirninfarkt) nachgewiesen. Das Abspeichern von Gedächtnisinhalten
(„Behalten“) erfolgt in ganz
be­stimmten Hirnarealen, wobei
durch den Schlaganfall häufig
nicht diese Areale selbst, sondern
nur die kompliziert verschalteten
Verbindungsbahnen, die den
In­formationsaustausch zwischen
die­sen Nervenzentren ermöglichen, un­terbrochen sind. Wir wissen aus Forschungsergebnissen,
daß die Speicherkapazität der für
das Gedächtnis zuständigen Ner-
H. Trettin
venzellen von sehr vielen Faktoren abhängt, u. a. natürlich von
der Intaktheit der Zellen und
einem unversehrten Nervenzellstoffwechsel. Auf der anderen
Seite aber muß auch der Zugang
zu den Gedächtnisspeichern
eben­so wie die Abrufbarkeit von
Gedächtnisinhalten möglich sein.
Wir alle wissen aus der Erfahrung
des Alltags, daß man sich Dinge
nicht merken kann, wenn man
sich nicht auf eine Sache konzentrieren kann, sondern dauernd
beim Lernen „gestört“ wird. Auch
wissen wir, daß die Gedächtnisspeicherung über visuelle oder
akustische Kanäle individuell sehr
unterschiedlich ausgeprägt sein
kann („visuelles“ und „verbales“
Gedächtnis). Nach einem Hirn­
infarkt sind diese Funktionen in
noch stärkerem Maße gestört. Es
muß erst der Zugang zu den
Gedächtnisspeichern wieder ge­­
bahnt und das Abspeichern von
Informationen trainiert werden.
Auch hier bedient man sich heute
der Computertechnik, indem dem
Patienten die verschiedensten
Informationen über den Bildschirm dargeboten werden, die
Schlaganfall: Fragen und Antworten
der Patient erkennen, differenzieren und visuell speichern muß. Es
gibt sehr weitgehende Trainingsprogramme, die nicht nur das
visuelle Gedächtnis, sondern auch
das Reaktionsvermögen, die
Geschwindigkeit von Denkprozessen bis hin zur Fähigkeit, ein
komplexes Problem gedanklich zu
lösen, trainieren. Hier kommt dem
Eigentraining ein sehr hoher Stellenwert zu. Die Erkenntnis ist ja
nicht neu, daß das Lösen von
Kreuzworträtseln einen Menschen bis hin ins hohe Alter „geistig fit“ hält.
Gibt es neue Erkenntnisse
darüber, was sich im
Gehirn eines SchlaganfallPatienten bei intensivem
Beüben der Sensomotorik,
der Sprachproduktion oder
beim Hirnleistungstraining
in den „grauen Zellen“
abspielt?
In den letzten Jahren hat die
Hirnforschung mit der Entdeckung der Neuroplastizität ge­­
radezu eine bahnbrechende Neu-
31
entdeckung gemacht, nämlich die
Erkenntnis, daß „angeschlagene“
Nervenzellen durch entsprechende wiederholte Reizsetzungen
wie­der reaktiviert werden können, indem diese wie ein Polyp
ihre Zellfortsätze neu aussprossen lassen (in der Fachsprache
„Sprouting“ genannt), so daß auf
diese Weise an den Stellen der
Signalübermittlung zwischen den
Nervenzellen (sogenannte Synapsen) die Nervenimpulsleitung
zu­mindest teilweise wieder „repariert“ werden kann, ähnlich wie in
der Technik, wo bei Ausfall eines
Computers durch Zuschaltung
anderer Rechnersysteme der
Informationsfluß über andere
Kanäle umgeleitet wird. Derartige
reparative Vorgänge kommen
jedoch nicht von allein. Sie müssen durch einen gezielten „Input“
durch Reizsetzungen über verschiedene Kanäle wie Augen,
Ohren oder Hautkontakt zum
Anbahnen verlorengegangener
Hirn­funktionen erst in Gang
ge­setzt und durch häufiges Wiederholen ähnlich wie beim sportlichen Training oder beim Erlernen eines Musikinstrumentes
32
entwickelt werden. Neuroplastizität und damit Reorganisation
im Ge­hirn haben nicht nur eine
große Bedeutung für alle Lernprozesse beim Gesunden, sie spielen be­sonders nach einer Hirnschädigung (Hirninfarkt, Hirnverletzung) eine bedeutende Rolle.
Entscheidend für solche Prozesse
der Reorganisation ist jedoch, daß
entsprechende gezielte Reizsetzungen und Reizwiederholungen
erfolgen, damit neuroplastische
Vorgänge überhaupt in Gang
kommen. So wundersam derartige neuroplastische Prozesse im
Gehirn auch auf den ersten Blick
erscheinen mögen: je schwerwiegender der Funktionsausfall im
Gehirn, desto größer ist der bleibende Defekt. Neuroplastizität
des Gehirns bedeutet aber auch,
daß ein ständiges Üben wiedererlangter Funktionen (Sprache,
Gedächtnis, Motorik, Koordination) erforderlich ist, da sich bei
Inaktivität die neu entstandenen
neuronalen Verknüpfungen im
Gehirn auch wieder zurückbilden.
Das fordert dem Schlaganfallpatienten ein hohes Maß an Motivation und psychischer und phy-
H. Trettin
sischer Kraft ab. Strategien zur
Krankheitsbewältigung sind da­her
in der rehabilitativen Schlaganfallbehandlung genauso erforderlich wie das gezielte Training verlorengegangener Hirnfunktionen.
Schlaganfall: Sachworterklärungen
Sachworterklärungen
Adrenalin:
Hormon des Nebennierenmarks
Agraphie (griech.):
Verlust des Schreibvermögens
Akalkulie (griech.):
Unvermögen zu rechnen
Alexie (griech.):Verlust des Lesevermögens (des Schriftverständnisses)
amnestisches Syndrom:hochgradige Beeinträchtigung der Merkfähigkeit und damit des Kurzzeitgedächtnisses
Aneurysma (griech.):Aussackung in der Wand eines Hohlorgans
(z. B. Gefäßaneurysma, Herzwandaneurysma)
Antikoagulans:Körpereigener Faktor im Gerinnungssystem
oder zugeführter Wirkstoff (Medikament),
welcher die Gerinnungsfähigkeit des Blutes
herabsetzt.
Aphasie (griech.):Verlust der Sprache, beruhend auf einer
Schädigung des Sprachzentrums
– motorische: Verlust der Sprachproduktion
– sensorische: Verlust des Sprachverständnisses
apoplektischer Insult: ­in Form einer Apoplexie auftretendes Ereignis
33
34
H. Trettin
Apoplex(ie) (griech.): Schlaganfall im engeren Sinne
Arterie:
Schlagader
(arterielle) Hypertonie: Bluthochdruck
Arteriosklerose:„Arterienverkalkung“ als chronisch fortschreitende Degeneration der Gefäße mit
Verhärtung der Gefäßwand (Atherosklerose)
und Verengung der Gefäßlichtung.
Atherosklerose:die der Arteriosklerose zugrundeliegenden
Veränderungen in der Gefäßwand mit Verhärtungen (Sklerose) der Wandschichten und
Auflagerungen (Plaques) auf der Innenschicht der Gefäße.
Erhöhtes Cholesterin im Blut ist ein wesentlicher Schritt­macher der Atherosklerose.
atheromatöse Plaques:Auflagerungen an der Gefäßinnenhaut, die
zu Gefäß­einengungen führen
Axon (griech.):Von der Nervenzelle (Neuron) entspringender
Fortsatz, der mit seinen knopfförmig verdickten Endigungen (Synapsen) an anderen Nervenzellen oder Erfolgsorganen wie z. B. Muskelzellen endet und ihnen auf diese Weise
Erregungen von der Nervenzelle zuleitet.
Blutkapillare:Endstrecke in der Strombahn des Blutkreislaufes. Ort des Stoffaustausches zwischen
Blutbahn und Organgewebe
Schlaganfall: Sachworterklärungen
Bobath-Methode:Benannt nach dem Neurologen Karel Bobath
(1908 – 1991).
Behandlungstechnik bei Hemiplegie zur
Unter­­drückung pathologischer Reflex­me­cha­­nismen wie Spastik, Übungen zum
Anbahnen verlorengeganener Bewegungs­
abläufe.
Diabetes mellitus (lat.): Zuckerkrankheit
Echokardiographie:Untersuchungstechnik des Herzens mit
Ultraschallwellen
Ergotherapie (griech.):fälschlicherweise früher „Beschäftigungs­
therapie“ ge­nannt. Gezieltes sensomotorisches Training der Grob und Feinmotorik und
komplexer Handlungsabläufe bei Stö­rungen
im zentralen und/oder peripheren Nerven­
system, z. B. nach Schlaganfall oder Extremi­
tätenverletzungen.
extrapyramidale
Nervenbahn:Außerhalb der Pyramidenbahn gelegene
mo­torische Leitungsbahn, die mit der Pyramidenbahn jedoch funktionell eng gekoppelt
ist. Dient der Modifizierung von Bewegungsmustern, steuert unwillkürliche Bewegungsabläufe.
fazilitieren (lat.):
anbahnen, erleichtern
Fibrinolyse:
Auflösung eines Blutgerinnsels
35
36
H. Trettin
Fibrinogen:
„Faktor I“ der Blutgerinnung.
Durch Aktivierung des Gerinnungssystems
entsteht aus Fibrinogen der Blutfaserstoff
Fibrin. Bedeutsam für den Wundverschluß.
Glucocortikosteroide:Nebennierenrückenhormone, die in verschiedene Stoffwechselprozesse eingreifen, u. a.
Förderung der Bildung von Blutzucker (Glucose), als „Streßhormone“ zur Adaptation
des Organismus an Reizbedingungen.
HDL (engl.) = high density lipoproteins
Hemineglect:„Vernachlässigung„ einer Körperhälfte.
Die bewußte Wahrnehmung der gelähmten
Körperseite wird durch die Unterbrechung
von Nervenleitungsbahnen im Gehirn nicht
wahrgenommen.
Hemiparese/
Hemiplegie (griech.):
Lähmung einer Körperhälfte
Hemisphäre (griech.):
- dominante:
hier: Hirnhälfte
die „beherrschende“ Hirnhäfte. Beim Rechtshänder und bei 50 % der Linkshänder die
linke Hemisphäre. In der dominanten Hirnhäfte finden sich die Zentren für die Sprache,
Lesen und Schreiben. Das motorische Rindenfeld für die Willkürmotorik ist in der
dominanten Hemisphäre funktionell größer
als in der anderen Hemisphäre.
Schlaganfall: Sachworterklärungen
Hirnembolie:Verschluß einer Hirnschlagader durch ein
eingeschwemmtes Blutgerinnsel (Thrombus)
Hirninfarkt:Umschriebener Untergang (Absterben) von
Hirngewebe durch Gefäßverschluß.
Hyalinose der Gefäße:Einengungen der Gefäßlichtung der kleinen
Blutgefäße durch Ablagerungen von Hyalin
Hypercholesterinämie: Erhöhung des Cholesteringehaltes im Blut
Hyperinsulinismus:Erhöhte Insulinfreisetzung bei gleichzeitiger
Insulinresistenz des Organismus
Hyperkoagulopathie:durch eine Störung der Blutgerinnung hervorgerufene verstärkte Neigung zur Bildung
von Blutgerinnseln
Hyperlipoproteinämie:Vermehrung der Transporteiweiße für Fettstoffe im Blut.
Input (engl.):
Eingabe, Einspeisung
Insulin:Hormon der Bauchspeicheldrüse, senkt den
Blutzucker
Insult (lat.): „plötzlich eintretendes Ereignis“ (hier: der
Schlaganfall)
Ischämie (griech.):Blutleere, Minderdurchblutung eines Organgewebes.
37
38
H. Trettin
ischämisch:
mit einer Ischämie einhergehend
juvenil:
jugendlich
kardial:
zum Herzen gehörig
kardiogen:vom Herzen ausgehend, durch das Herz hervorgerufen
kontralateral (lat.):
Schlaganfall: Sachworterklärungen
Makroangiopathie: Erkrankungen der mittelgroßen und großen
Arterien
Mikroangiopathie:krankhafte, die Gefäßlichtung einengende
Veränderungen an den kleinen und kleinsten
Arterien
minor stroke (engl.):„kleiner“ Schlaganfall mit nur geringen neurologischen Defiziten
auf der Gegenseite liegend
koronare Herzkrankheit:Durchblutungsstörungen des Herzens auf
Grund einer Arteriosklerose der Herzkranzgefäße
Lakune:Kleiner, maximal 1,5 cm im Durchmesser
messender Hirninfarkt, entsteht durch
Gefäßverschluß bei Mikroangiopathie
Läsion (lat.):­Schädigung von Organgewebe oder einer
Organfunktion.
Neuron (griech.):
Nervenzelle
neuronal: zur Nervenzelle gehörig
Neuroplastizität
des Gehirns: Plastizität = „Verformbarkeit“.
Begriff aus der aktuellen Hirnforschung für
die „Ausdehnung“ funktioneller Hirnareale
als Anpassung der Hirnaktivität an veränderte Reize.
Ödem (griech.):
Gewebeschwellung
LDL (engl.) = low density lipoproteins
Lipoproteine (lat.):Transporteiweiße im Blut für den Transport
wasserunlöslicher Fettstoffe (Lipide), vor
allem für Cholesterin und Triglyceride.
Logopädie (griech.):
Sprachtherapie
major stroke (engl.):„großer“ Schlaganfall mit schwerwiegenden
neurologischen Defiziten
Penumbra (lat.):­Randzone um das Kerngebiet eines Hirn­
infarktes
Perfusion (lat.):
Durchströmung
PNF (= propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation):
Krankengymnastische Behandlngsmethode,
bei der durch Stimulation von Propriorezeptoren (Sinnesreizempfänger in den Gelenken,
39
40
H. Trettin
in den Bändern, Sehnen und in der Muskulatur) die Leistung des neuromuskulären Systems gefördert werden soll.
progredient (lat.):
fortschreitend
prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit
(PRIND):kritische Hirnmangeldurchblutung mit verzögerter Rückbildung des neurologischen
Defizites innerhalb 1 Woche
Prophylaxe:
Maßnahmen zur Krankheitsvorbeugung
pyramidal:
zur Pyramidenbahn gehörig
Pyramidenbahn:zentral-motorische Nervenbahn. Wird gebildet aus den Zellfortsätzen (Neuriten) der
Pyramidenzellen in der motorischen Hirnrinde. Über die Pyramidenbahn wird die Willkürmotorik gesteuert.
Radikale (chem.):chemische Verbindung mit ungepaarten
Elektronen. (z. B. Sauerstoffradikale), die
unter krankhaften Bedingungen im Gewebestoffwechsel entstehen und zum Zell untergang beitragen. Verschiedene Vitamine wie
das Vitamin E und C haben eine „Radikalfängerfuntkion“, indem sie toxische Radikale
„neutralisieren“.
Schlaganfall: Sachworterklärungen
Sekundärprävention bei Schlaganfall:
Vorbeugen eines weiteren Schlaganfalls
Spastik/Spastizität:krankhaft erhöhte Muskelspannung. Tritt auf
bei Schädigung der zentral-motorischen
Nervenbahnen.
Sprechapraxie (griech.):Unfähigkeit, ein gedachtes Wort sprachmotorisch umzusetzen.
Sprouting (engl.): „Aussprossen“ von Nervenzellfortsätzen
(Axone) zur Übermittlung von Nervenimpulsen an benachbarte oder weiter entfernt
ge­legene Nervenzellverbände („neuronale
Verknüpfungen“).
Schlaganfall-Rezidiv:
Wiederholung eines Schlaganfalls
stroke (engl.):
Schlaganfall
Stroke Unit (engl.):
Schlaganfall-Spezialabteilung
Synapse (griech.):
Kontaktstelle zwischen Nervenzellen
Thrombose:Vorgang, der zur Entstehung eines Blutgerinnsels (Thrombus) in der Blutbahn oder im
Herzen führt
Thrombozyt:Blutplättchen, enthält u. a. Gerinnungs­
stoffe
41
42
H. Trettin
Schlaganfall: Fachliteratur
Thrombozyten-
aggregation:„Verklumpen“ oder „Verkleben“ von Blutplättchen
Medizinische Fachliteratur
für den interessierten Leser
Thrombus:
1) Allardt, A., Zunker, P., Deutschl, G. (1997):
Primär- und Sekundärbehandlung des ischämischen zerebralen ­Insultes.
Intensivmedizin und Notfallmedizin, Band 34,
Heft 7, S. 675–695, Steinkopff Verlag
Blutgerinnsel
transitorische ischämische Attacke (TIA):
vorübergehende kritische Mangeldurchblutung in einem umschriebenen Hirnareal.
Vollständige Rückbildung der neurologischen
Defizite innerhalb von 24 Stunden
Vene:
zum Herzen zurückführendes Blutgefäß
verbal (lat.):
mit Hilfe der Sprache
visuell (lat.):
mit Hilfe des Sehvermögens
Zentrales Nervensystem:Gehirn und Rückenmark als Funktionseinheit
im Gegensatz zum peripheren Nervensystem.
zerebral:
zum Gehirn (Cerebrum) gehörig
zerebro-vaskulär:die Hirngefäße betreffend
2) Busse, O., Straeten, V. (1997):
Konzept zur besseren Versorgung von Schlaganfallpatienten.
psycho 23, 8/97, S. 488–493
3) Dettmers, Ch., Stephan, K. M., Rijntjes, M., Fink, G. R. (1996):
Reorganisation des motorischen kortikalen Systems nach zentraler
oder peripherer Schädigung.
Neurologie und Rehabilitation, 3/96, S. 137–148
4) Diener, H. Ch. (1997):
Primär- und Sekundärprävention des ischämischen Insultes.
Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 34-35, S. B1785–B1791
5) Einhäupl, K. (1993):
Behandlung des ischämischen Insultes.
Deutsches Ärzteblatt, 90. Jahrgang, Heft 17, S. C821–C825
6) Einhäupl, K. (1997):
Gezielte Sekundärprävention von TIA und Schlaganfall.
Schlaganfall News, Deutsche Schlaganfall-Hilfe, 03/97
7) Kertesz, A. (1995):
Die Restitution der Aphasie nach Schlaganfall.
Neurologie und Rehabilitation, 2/95, S. 75-80
43
44
Rehabilitationskliniken 45
Rehabilitationskliniken
der Unternehmensgruppe Dr. Marx
Standort
Klinik
Indikationen
Bad Berka
MEDIAN Kliniken I und II
Turmweg 2, 99438 Bad Berka
Telefon 03 64 58/38-0
Herz-Kreislauf-, Gefäß-, Stoffwechselerkrankungen,
Gastroenterologie, Orthopädie
Bad Eilsen
Brunnenklinik
Bückeburger Straße1 31707 Bad Eilsen
Telefon 0 57 22/880-0
Orthopädie, Rheumatologie
Bad Lausick
MEDIAN Klinik
Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Parkstraße 4
Orthopädie
04651 Bad Lausick
Telefon 03 43 45/61-0
Bad Krozingen
Klinikum für Medizinische Rehabilitation
Im Sinnighofen 4 79189 Bad Krozingen
Telefon 0 76 33/93 51
Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Neurologie, Orthopädie,
Rheumatologie,
Stoffwechselerkrankungen,
Gefäßerkrankungen
Bad Oeynhausen Klinikum für Rehabilitation
Brahmsstraße 8
32545 Bad Oeynhausen
Telefon 0 57 31/865-0
Gastroenterologie, Geriatrie, Herz-Kreislauf-, Gefäßerkrankungen, Innere Medizin, Neurologie, Onkologie, Orthopädie, Rheumatologie, Sportmedizin
Bad Salzuflen Klinikum für Rehabilitation
Alte Vlothoer Straße 47
32105 Bad Salzuflen
Telefon 0 52 22/37-0
Atemwegs-, Herz-KreislaufErkrankungen, Innere Medizin,
Geriatrie, Gynäkologie, Neurologie, Orthopädie, Rheumatologie, Psychosomatik, Urologie, Onkologie, Allergologie,
unfallchirurgische Rehabilitation
46
Rehabilitationskliniken
Rehabilitationskliniken 47
Standort
Klinik
Indikationen
Standort
Klinik
Indikationen
Bad Sülze
MEDIAN Klinik
Kastanienallee 1
18334 Bad Sülze
Telefon 03 82 29/72-0
Orthopädie, Rheumatologie,
Neurologie
Freiburg i. Br.
MEDIAN Klinik
An den Heilquellen
79111 Freiburg
Telefon 07 61/47 00-0
Geriatrie
Bad Tennstedt
Berggießhübel
Berlin
MEDIAN Klinik
Badeweg 2
99955 Bad Tennstedt
Telefon 03 60 41/35-0
Orthopädie, Neurologie
Grünheide
MEDIAN Klinik
An der REHA-Klinik 1
15537 Grünheide
Telefon 0 33 62/739-0
Neurologie, Neurochirurgie
MEDIAN Klinik
Gersdorfer Straße 5
01819 Berggießhübel
Telefon 03 50 23/65-0
Orthopädie, Psychosomatik
Heiligendamm
MEDIAN Klinik
Zum Strand 1
18209 Heiligendamm
Telefon 03 82 03/44-0
Atemwegserkrankungen,
Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Hauterkrankungen, Allergien
Klinik Berlin
Kladower Damm 221
14089 Berlin
Telefon 0 30/36 503-0
Neurologie, Orthopädie
Hoppegarten
MEDIAN Klinik
Rennbahnallee 107
15366 Hoppegarten
Telefon 0 33 42/353-0
Orthopädie
Berlin-Buch
MEDIAN Klinik
Zepernicker Straße 1
13125 Berlin
Telefon 0 30/94 01 26 30
Geriatrie
Kalbe
MEDIAN Klinik
Straße der Jugend 2
39624 Kalbe
Telefon 03 90 80/71-0
Orthopädie, Onkologie
Bernkastel-Kues
Reha-Zentrum
Kueser Plateau
54463 Bernkastel-Kues
Telefon 0 65 31/92-0
Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Neurologie, Orthopädie,
Psychosomatik
Lobenstein
MEDIAN Klinik
Am Kießling 1
07356 Lobenstein
Telefon 03 66 51/74-0
Orthopädie, Psychosomatik
Flechtingen
MEDIAN Kliniken I und II
Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Parkstraße, 39345 Flechtingen Gefäßerkrankungen, Neurologie,
Telefon 03 90 54/81-0
Psychosomatik
Klinik für Tumorbiologie
Breisacher Straße 117
79106 Freiburg
Telefon 07 61/206-01
MEDIAN Klinik NRZ
Gustav-Ricker-Straße 4
39120 Magdeburg
Telefon 03 91/610-0
Neurologie
Freiburg i. Br.
Magdeburg
Wismar
MEDIAN Klinik
Ernst-Scheel-Straße 28
23968 Wismar
Telefon 0 38 41/646-0
Orthopädie, Onkologie
Onkologie
48
Rehabilitationskliniken
Chemnitz
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