® Unternehmensgruppe Dr. Marx Schriften zur Rehabilitation 2 Schlaganfall vorbeugen – behandeln – rehabilitieren Harald Trettin Ein Behandlungsschwerpunkt der MEDIAN KLINIK Grünheide 2 3 Impressum Herausgeber: Unternehmensgruppe Dr. Marx Klinik-Beratungs-KG KBG-Verwaltungs-GmbH & Co. Carmerstraße 6 10623 Berlin Telefon 030/311 01-0 Redaktion: Uta Reichhold Gestaltung: weberstedt gmbh visuelle kommunikation, Berlin Typographie: druckvorlagenservice mayer, Berlin Druck: Kästner Druck, Berlin Heft 2, März 1998 1. Nachdruck Juli 1999 ISSN 1432-945X Die Vervielfältigung und Verbreitung dieser Druckschrift – auch von Teilen oder Abbildungen – bedürfen der schriftlichen Genehmigung des Herausgebers. Vorwort 5 Der Autor 7 Chefarzt Dr. Harald Trettin beantwortet aktuelle medizinische Fragen zum Thema Schlaganfall Wie häufig tritt der Schlaganfall in der Bevölkerung auf? Kann grundsätzlich jeder einen Schlaganfall erleiden? Was passiert im Gehirn bei einem Schlaganfall? Welche Vorzeichen können auf einen Schlaganfall hindeuten? Welche Behinderungen können durch den Schlaganfall auftreten? Gibt es Risikofaktoren, die einen Schlaganfall begünstigen? Häuft sich die Zahl der Schlaganfälle zum Beispiel durch Streß und Hektik im Alltag? Wie wichtig ist schnelle medizinische Hilfe beim akuten Schlaganfall? Kann man einem wiederholten Schlaganfall vorbeugen? Wie groß ist die Gefahr einer Wiederholung eines Schlaganfalls? Kann man von einem Schlaganfall vollständig geheilt werden? Welches sind die Behandlungsschwerpunkte in der medizinischen Rehabilitation bei Schlaganfall? Gibt es neue Erkenntnisse darüber, was sich im Gehirn eines Schlaganfall-Patienten bei intensivem Beüben der Sensomotorik, der Sprachproduktion oder beim Hirnleistungstraining in den „grauen Zellen“ abspielt? 9 9 9 11 14 15 17 21 21 24 25 25 26 31 Sachworterklärungen 33 Medizinische Fachliteratur für den interessierten Leser 43 Die MEDIAN Rehabilitationskliniken der Unternehmensgruppe Dr. Marx 45 4 5 Vorwort Ein Schlaganfall ist ein Blitz aus heiterem Himmel in der Normalität des täglichen Lebens – nicht voraussehbar, schicksalhaft. Ist er auch unheilbar? Nein, wenn sofort nach der Erkrankung die notwendigen, richtigen Schritte eingeleitet werden. Die moderne Rehabilitationsmedizin verfügt heute über spezielle Therapieverfahren, mit deren Hilfe Schlaganfallpatienten in ein selbständiges, lebenswertes Le­ben zurückkehren können. Wie in anderen Bereichen der Medizin sind auch auf diesem Gebiet große Fortschritte erzielt worden. Entscheidende Voraussetzung für den Heilungserfolg ist der so­fortige Beginn der Therapie nach dem Schlaganfall. Dem wiederum dienen auch die derzeitigen Be­mühungen, deutschlandweit ein Netz sogenannter „Stroke Units“ aufzubauen, die eine so­fortige Erkennung und effiziente Be­handlung des Schlaganfalls ermöglichen. Sind die lebenswichtigen Organe voll funktionsfähig, kann sofort mit der rehabilitativen Therapie begonnen werden. Dann zählt jeder Tag. Die Chance, das bestmögliche Heilungsergebnis zu erzielen, verschlechtert sich bei verzögertem Behandlungsbeginn gravierend. Deshalb sollte die Überweisung in eine quali­ fizierte neurologische Rehabilita­ tions­klinik so schnell wie möglich erfolgen. Nur durch das Anwenden rehabilitativer Verfahren, das sofortige Üben, das ständige Wiederholen bestimmter Reize und Bewegungen ist es möglich, verlorengegangene Funktionen wieder zu aktivieren. Wir haben uns schon sehr frühzeitig der neurologischen Reha­ bilitation gewidmet. An neun Stand­orten Deutschlands werden die gewonnenen Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen zum Wohle des Patienten umgesetzt. In jüngster Zeit haben wir uns in einigen Kliniken der Rehabilita­ tion schwer Hirnverletzter zugewandt. Die Behandlungsergeb­ nisse zeigen, wieviel Elend und Not verhindert werden können, wenn die richtige Therapie zur richtigen Zeit eingesetzt wird. 6 7 Unsere Ärzte und Therapeuten können keine Wunder vollbringen, und doch Wunderbares erreichen – besonders dann, wenn der Patient es selbst will. Ein 72jähriger lernt wieder gehen, eine 43jährige findet ihr Ge­dächtnis wieder und erlernt ihre Muttersprache neu. Das ist Re­habilitation nach einem Schlag­anfall. Wichtig und keinesfalls zu unterschätzen für den Heilerfolg ist die Mithilfe der Angehörigen. Ihre Liebe und Zuwendung geben dem Kranken Mut und Hoffnung. Es ist wichtig, daß auch sie über die wesentlichen medizinischen Kenntnisse rund um den Schlaganfall verfügen. Berlin im März 1998 Dr. Erich Marx Der Autor Dr. med. Harald Trettin Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Physikalische Therapie, Sportmedizin Dr. med. Trettin ist Chefarzt der MEDIAN KLINIK Grünheide bei Ber­lin. Die ­Rehabilitation nach dem Schlaganfall gehört zu den Be­handlungsschwerpunkten dieser Fachklinik. Das von Frau Dr. med. Barbara Zynda und Herrn Dr. Trettin ge­­ leitete Ärzte- und Therapeuten­ team verfügt über hohe Kompetenz, spe­zielle Behandlungsstrategien und einen großen Erfahrungsschatz auf dem Gebiet der Rehabilitation nach dem Schlaganfall. Weitere Behandlungsschwerpunkte der MEDIAN KLINIK Grünheide sind die Früh­rehabilitation von Patienten mit schweren Schädel-Hirn-Verletzungen sowie die Rehabilitation bei entzündlichen Nervenerkrankungen. MEDIAN KLINIK Grünheide Rehabilitationsklinik für Neurologie/Neurochirurgie An der REHA-Klinik 1 15537 Grünheide (Mark) Telefon 03362/739-0 Telefax 03362/739-222 Die im folgenden Text plazierten Fotos zeigen Trainingssituationen aus der MEDIAN-KLINIK Grünheide. 8 9 Chefarzt Dr. Harald Trettin beantwortet aktuelle medizinische Fragen zum Thema Schlaganfall Wie häufig tritt der Schlag­anfall in der ­Bevölkerung auf? In Deutschland rechnet man mit durchschnittlich zweihunderttau­send Neuerkrankungen an Schlaganfall pro Jahr, das sind rund 550 neue Schlaganfälle täglich, etwa vergleichbar mit der Häufigkeit des Herzinfarktes. Kann grundsätzlich jeder einen Schlaganfall erlei­ den? In welchem Alter besteht die Gefahr eines Schlag­ anfalls? Grundsätzlich können alle Alters­ klassen vom Schlaganfall betroffen sein vom Kind – bzw. Jugendlichen – bis ins hochbetagte Alter eines 90jährigen. Aber es gibt hier große Unterschiede in Bezug auf die Entstehungsursachen des Schlag­anfalls, die Wiederholungsgefahr und das statistische Schlaganfallrisiko in den verschiedenen Altersgruppen. Schlaganfall im mittleren und hö­he­ren Lebensalter Der Laie verbindet mit dem Begriff „Schlaganfall“ allgemein eine schicksalhafte Erkrankung im höheren Lebensalter, und in der Tat verdoppelt sich ab dem 45. Lebensjahr das statistische Schlag­anfallrisiko alle 10 Jahre. 80 – 90 % aller Schlaganfälle treffen Menschen, die über 65 Jahre alt sind. 20 – 40 % der Patienten versterben inner­halb eines Monats und nur 56 % der männlichen und 64 % der weiblichen Schlaganfall-Patienten überleben die folgenden 5 Jahre. Viele von Ihnen behalten mehr oder weniger schwere neurologische Aus­fälle. 25 % aller Schwerbehinderten 10 in Deutschland sind SchlaganfallPatienten. Schlaganfall bei Jugendlichen und im jüngeren Erwachsenen­ alter Viel zu wenig in der Bevölkerung bekannt ist die Tatsache, daß selbst schon Kinder und Jugendliche und jüngere Erwachsene vom Schlaganfall be­troffen sein können. Ursachen Während aber im Alter ganz überwiegend die Arteriosklerose* – also die Gefäßverkalkung – und die damit verbundene erhöhte Gefahr eines thrombotischen Gefäßverschlusses die überwiegende Ursache des Schlaganfalls darstellt, ist der Auslöser bei ­Kindern und Jugendlichen meistens ein ganz anderer: Hier stehen im Vordergrund vom Herzen ausgehende Hirnembolien, die hervorgerufen werden durch Blut­gerinnsel, die sich an der Herz­innenwand nach einer ab­­ glaufenen bakteriellen Herz* S iehe hierzu und auch zu anderen Fach­be­griffen das medizinische Sachverzeichnis im Anhang. H. Trettin innenhaut­entzündung (Endokarditis), bei angeborenen Herzfehlern, beispielsweise einem Vorhofseptumdefekt, oder rheumatischen Veränderungen an den Herzklappen ausbilden können und mit dem Blut­strom in den großen Blutkreislauf und damit über die Halsschlagadern in die hirnversorgenden Gefäße eingeschwemmt werden. Derartige kardiogene Ursachen stehen mit an erster Stelle aller juvenilen Insulte, in einer größeren veröffentlichten Statistik wa­ren es 38 %. Aber auch bei Patienten jenseits des 45. Lebensjahres muß bei einem Drittel aller Schlaganfälle eine vom Herzen ausgehende Embolie als Ursache für den Schlaganfall angesehen werden. Eine der häufigsten Herzerkrankungen, die zum Schlaganfall führen können, sind Herzrhythmusstörungen beim sogenannten Vorhofflimmern, wobei sich sehr häufig ein Blutgerinnsel, also ein Thrombus, an der Vorhofinnenwand festsetzt, von dem sich durch die arrhythmischen Herzkontraktionen – ähnlich wie bei Schlaganfall: Fragen und Antworten einem stotternden Motor – Partikelchen loslösen und über die linke Herzkammer in den großen Kreislauf und damit in die Hirnschlagadern eingeschleust werden können. Da die absolute Arrythmie bei Vorhofflimmern ganz überwiegend auf der Grundlage einer koronaren Herzkrankheit entsteht, sind dies wiederum Patienten im mittleren und höheren Lebensalter, die von der kardialen Hirnembolie betroffen sind. Ein weiterer wichtiger Risikofaktor für kardiale Embolien ist der Herzinfarkt mit und ohne Herzrhythmusstörungen, eben­ falls wegen der Gefahr der Bildung eines Blutgerinnsels an der Innenwand der Herzkammer, be­sonders wenn sich ein sogenanntes Herz­wand-Aneurysma im Infarktareal ausgebildet hat. Was passiert im Gehirn bei einem Schlaganfall? Beim Schlaganfall oder auch Hirn­insult genannt handelt es sich um eine plötzlich einsetzende kritische Durchblutungsstö­ 11 rung in einem bestimmten Hirn­­ areal, die zu einem herdförmigen Funktionsausfall führt. Kommt es dabei zum Absterben von Hirngewebe, sprechen wir von einem Hirninfarkt. In etwa 80 % der Fälle handelt es sich um einen sogenannten ischämischen Insult. Darunter verstehen wir eine plötzlich auftretende Blutleere (Ischämie) in einem umschriebenen Hirnareal durch einen Gefäßverschluß, wobei dieser Gefäßverschluß entweder durch ein über die Blutbahn eingeschleustes kleines Blutgerinnsel – also eine Hirnembolie – oder aber durch einen ortsständigen thrombotischen Gefäßverschluß innerhalb einer Hirnschlagader zu­­ stande kommt. Führt dieser Verschluß zu einer Mangelversorgung von Nervengewebe, so kommt es schon nach 5 Minuten ­Sauerstoffmangel zum Absterben von Nervenzellen, es entsteht der Hirninfarkt. Nach 10 bis 20 Minuten sind bereits schwere strukturelle Veränderungen an den Nervenzellen zu beobachten. Hier handelt es sich um den Infarkt- 12 kern. Um diesen infarzierten Kern herum findet sich eine mangelversorgte Zone von Hirngewebe, deren Zellen zwar ihre Funktion eingestellt haben, die jedoch in ihrer Struktur erhalten geblieben sind, die sogenannte Penumbra. Diese Penumbra ist meistens viel ausgedehnter als der Infarkt selbst und wird hervorgerufen durch eine ausgeprägte Ödembildung, das heißt Aufquellung von Hirngewebe durch Aufnahme von Wasser, das im Bereich der geschädigten Blutkapillaren aus der Blutbahn zusammen mit Bluteiweißen austritt und auf diese Weise zu einer umschriebenen Hirnschwellung führt. Hinsichtlich der Entstehungsbedingungen eines derartigen ischämischen Hirninfarktes un­ter scheiden wir heute 5 Infarkttypen: 1. Die ortsständige Thrombose (Ge­rinn­selbildung) unmittelbar in einer der großen hirnversorgenden Schlagadern. 2. Die sogenannte arterio-arterielle Hirnembolie. Hierunter versteht man die Loslö- H. Trettin Schlaganfall: Fragen und Antworten sung kleiner Partikel von Blutgerinnseln, die sich entweder noch außerhalb der Hirnstrombahn, am häufigsten in der Halsschlagader, seltener innerhalb der großen hirnversorgenden Schlagadern ausbilden und in die End­ aufzweigung des Gefäßbaums der Hirngefäße eingeschleust werden, wo sie bei zunehmender Einengung der Gefäßstrombahn stecken bleiben. chen, was passiert, wenn im Keller eines Wohnhauses durch ein sich schließendes Ventil der Druck in der Gasleitung heruntergefahren wird, dann werden die Be­wohner in den oberen Etagen dieses Hauses den Druckabfall in der Gasleitung am ehesten zu spüren bekommen und der Herd geht aus. 3. „Hämodynamischer“ Hirn­ infarkt Eine weitere Ursache für den Schlafanfall stellt der sogenannte hämodynamische Hirninfarkt dar, der dadurch entsteht, daß bei einer hochgradigen Ein­engung der hirnversorgenden Hals­­schlag­ader (Arteria carotis interna) oder gar einem Verschluß dieses Gefäßes fernab im Gehirn durch Abnahme des Perfusionsdruckes sozusagen im Bereich der „letzten Wiese“ die Durchströmung des Hirngewebes so gering wird, daß eine Mangelversorgung mit Sauerstoff eintritt und damit der hämodynamische Hirninfarkt. Man könnte das damit verglei- 4. Kardiale Embolie Über das Herz als Emboliequelle bei bestimmten Herzerkrankungen, hier vor allem der absoluten Arrhythmie bei Vorhofflimmern, wurde schon gesprochen. Solche Thrombenbildungen im Herzen können heute mittels der so­genannten transösophagealen Echo­kardiographie, einer speziellen Technik der Ultraschalluntersuchung des Herzens, sicher erfaßt werden. Als vorbeugende Maßnahme gegen weitere vom Herzen ausgehende Hirnembolien ist die Verordnung von Medikamenten, welche die Gerinnungsfähigkeit des Blutes herabsetzen und damit das Risiko 13 weiterer Thrombenbildungen min­­­dern, heut­­zutage Therapiestandard. 5. Lakunärer Hirninfarkt Eine weitere Form stellt der sogenannte lakunäre Hirninfarkt dar, der auf dem Boden einer Mikroangiopathie entsteht. Darunter verstehen wir arteriosklerotische Veränderungen, welche ganz überwiegend die kleinen das Hirngewebe durchdringenden sehr dünnkalibrigen Arterien betreffen, deren Durchmesser in der Regel etwa nur ein Zehntel- 14 millimeter beträgt. Durch eine sogenannte Hyalinose wird der ohnehin sehr geringe Durchmesser noch stärker eingeengt, und es kommt hier zu erheblichen Stö­rungen der Mikrozirkulation mit der Gefahr von Mikrothrombenbildungen und damit Gefäß­ verschlüssen. Das führt niemals zu einem großen ausgedehnten Hirninfakt, sondern zu sogenannten Lakunen, d.h. kleineren maximal 1,5 cm im Durchmesser messenden Infarktzonen, die sich durch bildgebende Verfahren wie die Computertomographie und die Magnetresonanztomographie des Gehirns sehr eindrucksvoll nachweisen lassen. Wichtigste Schrittmacher für eine solche Mikroangiopathie sind zum einen das Alter, zum anderen der Bluthochdruck und der Diabetes mellitus. Welche Vorzeichen können auf einen Schlaganfall hindeuten? Bedeutsam sind die sogenannten transitorischen ischämischen H. Trettin At­tacken, worunter man eine vor­ übergehende kritische Hirnmangeldurchblutung versteht, die ein neurologisches Defizit nach sich zieht, das gemäß Definition bis 24 Stunden anhalten kann und sich dann komplett zurückbildet. Eine solche transitorische ischämische Attacke (TIA) ist sehr häufig ein Frühwarnsymptom für einen drohenden Schlaganfall. Oder es handelt sich um ein sogenanntes prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit, mit der Abkürzung PRIND, wobei es sich ebenfalls um ein vorübergehendes neurologisches Defizit auf Grund einer allerdings länger anhaltenden zerebralen Ischämie handelt, das sich innerhalb einer Woche wieder vollständig zurückbildet. Solche neurologischen Defizite, die ernstzunehmende Frühwarnsymptome eines Schlag­anfalls sind, äußern sich in vor­übergehenden Sprachstörungen, Lähmungserscheinungen, Mißempfindungen oder Sehstörungen, manchmal ist es auch nur ein diffuser Druck oder Schwindelgefühl im Kopf oder eine plötzliche Gangunsi- Schlaganfall: Fragen und Antworten cherheit. Bedeutsam ist, daß viele Patienten solchen Symptomen keine größere Beachtung beimessen, zumal wenn es sich nur um transitorische ischämische At­tacken handelt, die nach kurzer Zeit wieder abgeklungen sind. Beim eigentlichen Schlaganfall, der immer einen Untergang von Nervenzellen zur Grundlage hat, unterscheiden wir zum einen den progredienten ischämischen Insult – im angloamerikanischen Schrifttum „progressiv stroke“ genannt – mit einem progredienten neurologischen Defizit ischämischer Ursache, das sich innerhalb von 6 – 48 Stunden mit zum Teil fluktuierender Symptomatik zum voll ausgebildeten Schlaganfall, dem „completed stroke“, entwickelt, zum anderen den schlagartig eintretenden „completed stroke“, welcher ein stabiles apoplektiform aufgetretenes ischämisches Defizit darstellt, welches über mehr als 3 Wochen konstant nachweisbar ist. Hinsichtlich der Schwere der neurologischen Ausfälle unterscheiden wir klinisch den sogenannten „minor stroke“, der im 15 Endeffekt die Aktivitäten des täglichen Lebens nicht entscheidend behindert, vom sogenannten „major stroke“, der mit einem erheblichen neurologischen Defizit einhergeht und damit zu deutlicher Behinderung führt. Während dem „minor stroke“ sehr häufig lakunäre Infarkte auf Grund einer Mikroangiopathie zugrunde liegen, handelt es sich beim „major stroke“ um größere Hirninfarkte, wie sie entstehen durch den kompletten Verschluß einer der großen hirnversorgenden Schlagadern durch eine Embolie, seltener in Form eines sogenannten Grenzzoneninfarktes bei Verschluß der hirnversorgenden Halsschlagader. Welche Behinderungen können durch den Schlag­ anfall auftreten? Der eigentliche Infarktbereich, der Infarktkern mit seiner Randzone, der Penumbra, führen zu einem umschriebenen herdförmigen neurologischen Ausfallsyndrom, dessen Ausprägung ganz 16 davon abhängt, in welchem Bereich des Gehirns sich der Infarkt abspielt. Die klassische Ausfallsymptomatik beim Schlaganfall ist die Halbseitenlähmung (Hemiplegie/ Hemiparese) mit Betonung des Armes und der unteren Extremitätenabschnitte, also der Hand und des Fußes mit Nachziehen und Nachschleifen des gelähmten Beines. Hat sich der Schlaganfall in der sogenannten dominanten Hemisphäre ereignet, das ist beim Rechtshänder die linke Hirnhälfte, so besteht die große Gefahr, daß auch so wichtige Zentren wie das Sprachzentrum betroffen sind mit einem kompletten Ausfall der Sprachmotorik, wir nennen das eine motorische Aphasie, oder des Sprachverständnisses (sensorische Aphasie). Bei der sensorischen Aphasie, der sogenannten Wernicke-Aphasie, imponiert ein unverständlicher Redeschwall mit scheinbar zusammenhanglosen Satzteilen, die den Eindruck vermitteln, als sei der Patient verwirrt, was aber in Wirklichkeit nicht der Fall ist. Bei ausgedehnten Infarkten in der linken Hemi- H. Trettin sphäre können beim Rechtshänder eine globale Aphasie, d. h. kompletter motorisch-sensorischer Sprachausfall, eine Alexie und Agraphie (Un­vermögen zu lesen und zu schreiben) und damit ein Ausfall praktisch aller wichtigen Funktionen auftreten, die für die Kommunikation mit der Umwelt gebraucht werden. Bedeutsam ist der häufig mit der Halbseitenlähmung einhergehender Hemineglect, d. h. „Vernachlässigung“ der gelähmten Kör­perhälfte, weil die bewußte Wahrnehmung der gelähmten Körperseite durch die Unterbrechung von Nervenleitungsbahnen im Gehirn gestört ist. Je nach Lokalisation können auch Koordinationsstörungen und Gleichgewichtsstörungen ganz im Vordergrund stehen, so zum Beispiel beim Kleinhirninfarkt. Bei Hirnstamminfarkten ist charakteristisch der Ausfall von Hirnnerven in Kombination mit Ausfallerscheinungen an den sogenannten langen Nervenbahnen, d.h. Halbseitenlähmung der Extremitäten und der Gefühlswahrnehmung. Bei einer gekreuzten Hirn- Schlaganfall: Fragen und Antworten stammsymptomatik finden sich auf der einen Körperseite Ausfälle von seiten der Hirnnerven mit der Fol­ge des Auftretens einer Ges­ ichts­lähmung, einer Augenmuskel- oder Schlucklähmung, und auf der anderen Körperseite eine mo­to­rische Lähmung von Arm und Bein. Bedeutsam ist, daß bei ausgedehnten Hirninfarkten sehr häufige kognitive Hirnleistungseinbußen vorliegen, d. h. eine Beeinträchtigung von Merkfähigkeit, Konzentrationsvermögen und Auf­­merksamkeitsleistung, oder es handelt sich um ganz umschriebene Ausfallerscheinungen wie zum Beispiel die Akalkulie (Un­vermögen zu rechnen) oder das sogenannte amnestische Syndrom. d. h. eine hochgradige Be­einträchtigung der Merkfähigkeit und damit des Kurzzeitgedächtnisses, so daß diese Patienten schon fünf Minuten später vergessen haben, was sie zuvor ge­tan haben oder mit wem sie sich unterhalten haben. Solche um­schriebenen Ausfallsyndrome ent­stehen immer nur dann, wenn ein ganz bestimmtes Hirnareal 17 betroffen ist, das für die Gedächtnisspeicherung erforderlich ist. Gibt es Risikofaktoren, die einen Schlaganfall ­ be­günstigen? Abgesehen von den kardialen Ursachen eines Schlaganfalls, von denen wir gesprochen haben, wird gerade der Schlaganfall, der ja neben dem Herzinfarkt die zweithäufigste Gefäßerkrankung und dritthäufigste Todesursache darstellt, in hohem Maße durch Risikofaktoren begünstigt bzw. letztendlich hervorgerufen. Welche Risikofaktoren sind das? Bluthochdruck Anders als beim Herzinfakt, steht bei der Entstehung des Schlaganfalls der Bluthochdruck als Risikofaktor Nr. 1 ganz im Vordergrund. Die Hypertonie führt zur Mikro- und Makroangiopathie, d. h. Gefäßeinengungen sowohl an den kleinen, als auch an den größeren Blutgefäßen mit der Gefahr der Entstehung einer Ver- 18 H. Trettin Schlaganfall: Fragen und Antworten pereigene Befähigung, kleine Blutgerinnsel wieder aufzulösen, sie sind Bestandteil der arteriosklerotischen Plaques und damit Risikofaktor für Einengungen der Herzkranzgefäße und der hirnversorgenden Gefäße. schlußkrankheit, indem sich auf den atheromatösen Plaques, dies sind Auflagerungen und Aufbrüche der Gefäßinnenhaut, Blutgerinnsel festsetzen. Ab dem 40. – 45. Lebensjahr rückt die auf diese Weise entstehende arteriosklerotische Verschlußkrankheit zunehmend in den Vordergrund. Diabetes mellitus (Zucker­ krankheit), Hyperlipoprotein­ ämie (Erhöhung der Blutfette) An 2. Stelle steht der Diabetes mellitus und die Erhöhung der Blutfette, der Lipoproteine, vor allem das erhöhte LDL-Cholesterin (bei zu niedrigem HDL-Cholesterin) sowie ein Anstieg der Triglyceride, die mit einem gesteigerten Schlaganfallrisiko um das 2- bis 3fache assoziiert sind. Patienten mit einer erblichen familiären Hypercholesterinämie mit exessiv hohen Cholesterinwerten haben sogar ein 2fach höheres Schlaganfallrisiko. Lipoproteine bremsen die fibrinolytische Aktivität, also die kör- Nikotin Nikotinabusus steigert das Insult­ risiko in Abhängigkeit von Dauer und Menge um das 2- bis 4fache bei Zigarettenrauchern. Nikotin verengt die Blutgefäße und führt zu Ablagerungen an der Gefäßinnenhaut (atheromatöse Plaques) und erhöht damit das Risiko eines Gefäßverschlusses. Alkohol Alkoholkonsum und Schlagan­fall­ ri­siko werden derzeit kontrovers erörtert. Bestimmten Weinsorten wird sogar ein gefäßschützender Effekt zugeschrieben, vorausgesetzt allerdings, es bleibt bei einem geringen Konsum von etwa 0,2 – maximal 0,4 l Wein täglich. Alkoholmengen von 20 – 25 g täg­ lich scheinen das Risiko für eine Einengung der hirnversorgenden Gefäße, hier insbesondere der 19 Halsschlagader, und damit den ischämischen Insult, sogar zu senken. Alkoholmengen von mehr als 25 g täglich er­höhen allerdings das Risiko für den Schlaganfall durch Auftreten von Hirnblutungen, die in 20 % der Fälle die Ursache eines Schlaganfalls darstellen. Starke Trinker ha­ben ein 4fach höheres Schlaganfallrisiko als Nichttrinker. Blutgerinnungsstörungen Eine krankhaft erhöhte Blutgerinnung (Hyperkoagulopathie), die zum Teil genetisch bedingt sein kann, wie zum Beispiel der sogenannte Antithrombin-3-FaktorMangel oder der genetisch be­dingte Protein-C-Mangel, ge­­ hen generell mit einem erhöhten Thromboserisiko einher. So weisen etwa 2 % der Patienten mit thromboembolischen Erkrankungen einen Antithrombin-3-Mangel auf. Protein-C ist ein VitaminK-abhängiges Plasmaeiweiß, das als natürliches Antikoagulans die Gerinnung hemmt. Der familiär bedingte Mangel geht eindeutig mit einem erhöhten Thromboserisiko von bis zu 80 % einher. 20 Vitamine Kürzlich wurde eine 20 Jahre-follow-up-Studie an 921 Patienten über 65 Jahre Lebensalter vorgestellt, die zeigt, daß niedrige Vitamin-C-Aufnahme und niedriger Vitamin-C-Spiegel im Blut das Schlaganfallrisiko auf das 2,8fache erhöhen. Auch andere Autoren weisen daraufhin, daß eine umgekehrte Relation zwischen der Aufnahme der als sogenannte Radikalfänger** fungierenden Vitamine E und C und dem Auftreten von Schlaganfall be­­ steht. Homozystein Ein neuerdings bekannt gewordener zerebro-vaskulärer Risikofaktor für den Schlaganfall ist eine Erhöhung des Homozystein im Blut. Homozystein ist eine Aminosäure, die im Organismus aus Methionin gebildet wird. Ursache erhöhter Homozystein-Konzentrationen sind Defizite von Vitaminen B6, B12 und Folsäure im Alter. Erhöhte Homozystein-Konzentrationen im Blut haben nachgewiesenermaßen eine gefäßwandschädigende und atheros­ H. Trettin kle­­rosefördernde Wirkung an den Blutgefäßen. In Untersuchungen wurden enge Beziehungen zwischen erhöhtem Homozystein im Blut und dem Schweregrad von Einengungen an der Halsschlagader gefunden. Körperliche Inaktivität Nachgewiesen ist, daß körper­ liche Inaktivität das Schlagan­ fallrisiko um das 2- bis 3fache er­höht. Bewegungsmangel ist da­­ her einer der (vermeidbaren) Risiko­faktoren für den Schlaganfall. Psychosoziale Faktoren Auch psychosoziale Faktoren, die mit häufiger innerer Anspannung und Erregung, Wut und Aggressivität einhergehen und zu aggressivem Verhalten führen, sollen nach einigen Untersuchungen das Schlaganfallrisiko erhöhen, wobei hier allerdings sehr komplexe Mechanismen, die in dieses Geschehen einwirken, genannt werden müssen, so beispielsweise Veränderungen der Blutgerinnung durch Einwirkung von Streßhormonen mit Erhöhung des Gerin- Schlaganfall: Fragen und Antworten nungsstoffes Fibrinogen im Blut und Zunahme der Aktivität von Gerinnungsaktivatoren. Häuft sich die Zahl der Schlaganfälle zum Beispiel durch Streß und Hektik im Alltag? Seit dem 2. Weltkrieg verzeichnen wir einen stetigen Anstieg der Schlaganfall-Fälle, was aber verschiedene Ursachen hat. Einerseits wird die Bevölkerung immer älter, womit sich auch das statistische Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, erhöht. Zum anderen führen allgemeine Stressoren, darunter auch Hektik im Alltag und im Beruf, zur Ausschüttung sogenannter Streßhormone, die ja nicht nur positive Effekte haben, sondern bei wiederholter oder permanenter Ausschüttung durch erhöhte Adrenalinfreisetzung und Ausschüttung sogenannter Glucocortikosteroide mit gesteigerter Freisetzung von Insulin wiederum zu einer Reihe krankhafter Veränderungen im Stoffwechsel führen, wie zum 21 Beispiel dem Hyperinsulinismus, einer gesteigerten Thrombozytenaggregation und Hyperkoagulation und damit Erhöhung des Thromboserisikos. Häufig allerdings kommt ein zusätzlicher Nikotin- und Alkoholmißbrauch ursächlich mit hinzu, wodurch sich das Thromboserisiko noch weiter erhöht. Wie wichtig ist schnelle ­medizinische Hilfe beim akuten Schlaganfall? Es ist noch gar nicht so lange her, daß selbst Ärzte den Schlaganfall, von dem ja überwiegend ältere Menschen betroffen sind, als ein unausweichliches schicksalhaftes Ereignis angesehen haben und vor allem wegen der offensichtlich geringen Therapiemöglichkeiten im Akutstadium den Schlaganfall auch nicht als Notfall behandelt haben, wie man dies vom Herzinfarkt ja schon seit langem gewohnt ist. Diese Einstellung hat sich heutzutage radikal geändert. Der Schlaganfall gehört als Notfall so rasch wie 22 möglich in eine Spezialeinrichtung, möglichst in eine sogenannte Stroke Unit, worunter wir eine Schlaganfall-Spezialabteilung verstehen, die mit allen notwendigen Geräten und vor allem geschultem Personal – dem Stroke-Team – ausgestattet ist, das in der Lage ist, alle Varianten des Schlaganfalls zu diagnostizieren und vor allem schon im Frühstadium mit der Behandlung zu beginnen. Auf eine solche Stroke Unit gehören allerdings keine tief komatösen und beatmungspflichtigen Patienten, die nachwievor umgehend auf einer Intensivstation behandelt werden müssen. Es ist sozusagen ein Wettlauf mit der Zeit: Auf Grund der enormen Sauerstoffempfindlichkeit der Nervenzellen kommt es auf jede Minute an, denn wir wissen, daß schon nach 5 Minuten Sauerstoffmangel die ersten Nervenzellen (Neuronen) absterben. Um deutlich zu machen, auf was es hier ankommt, möchte ich einmal einen Vergleich anstellen: Stellen Sie sich vor, ein Haus H. Trettin brennt. Die Frage, ob der Brand schnell gelöscht werden kann und damit ein größerer Schaden oder sogar der Totalverlust des Hauses vermieden werden kann, hängt doch ganz entscheidend davon ab, wie rasch die Feuerwehr vor Ort ist und daß sie den Brandherd und die Brandursache möglichst schnell klären kann, um dann mit gezielten Löschmaßnahmen den Brand zu bekämpfen. Je schneller die Feuerwehr vor Ort ist, je ge­zielter der Brand bekämpft werden kann, desto geringer ist der Schaden. Das tatsächliche Ausmaß des Feuerschadens wird man dann nach Beendigung der Löscharbeiten bei den Aufräumungsarbeiten feststellen. So ist es auch beim Schlag­ anfall. Die notfallmäßigen Maßnahmen haben beim akuten Schlaganfall vorrangig das Ziel, vitale Funktionen wie Herzaktion, Kreislauf und Atmung aufrecht zu erhalten, da dies ja die Grundvoraussetzung ist für den Erhalt von Nervengewebe. Durch die modernen diagnostischen Verfahren wie Computertomographie und Schlaganfall: Fragen und Antworten Dopp­lersonographie wird der Hirn­infarkt als solcher diagnostiziert und vor allem eine Hirnblutung als Ursache der Schlaganfallsymptomatik entweder festgestellt oder ausgeschlossen. Dies ist ganz entscheidend wichtig für alle weiteren Maßnahmen. Beim akuten Schlaganfall, der durch einen embolischen Verschluß einer großen Hirnschlagader zustande ge­kommen ist, besteht heute die Möglichkeit der Thrombolyse-Behandlung, das heißt der Auflösung des Thrombus mit bestimmten Medikamenten, sofern der Patient innerhalb eines sehr engen Zeitfensters von 3 Stunden in eine Klinik kommt, die für die Durchführung einer solchen Thrombolyse spezialisiert sein muß. Das große Risiko dabei ist die nach der Thrombolyse einsetzende Hirnblutung, indem das infarzierte Hirngewebe wieder stark durchblutet wird und es aus 23 undicht gewordenen Stellen in der Endstrombahn in das infarzierte Hirngewebe hineinblutet. Daher müssen sehr strenge Kriterien für die Durchführung einer solchen Thrombolyse zugrundegelegt werden. In allen anderen Fällen sind ganz entscheidend die Behandlung eines Bluthochdrucks, wobei hier entgegen einer BlutdruckLangzeitbehandlung beim akuten Schlaganfall ein erhöhter systolischer Blutdruck bis zu 200 mm Hg toleriert, ja sogar erwünscht sein kann, um einen entsprechenden Perfusionsdruck aufrecht zu er­halten, weil im Infarktareal die sogenannte zerebrale Autoregulation, d. h. die 24 vom Gehirn ausgehende, dem Bedarf angepaßte automatische Drosselung oder Weitstellung der Blutgefäße, nicht mehr funktioniert und das ischämische Hirngewebe dann nur noch druckpassiv durchströmt wird. Wichtig ist die Senkung eines erhöhten Blutzuckers bei Diabetes mellitus, wobei der Schlaganfall selbst häufig erstmalig zu einer diabetischen Stoffwechsellage führt. Wichtig ist fernerhin die Senkung einer erhöhten Körpertemperatur bei zentral ausgelöstem Fieber, da die Stoffwechselprozesse im Gehirn bei er­höhter Temperatur beschleunigt sind, auf der anderen Seite sich aber infolge von Sauerstoffmangel Milchsäure als unvollständiges Abbauprodukt des Trau­benzuckers im Hirngewebe anhäuft, was zur Übersäuerung des Gewebes mit allen schädlichen Folgen führt. Herz-Rhythmus-Störungen sind effektiv zu behandeln und die Ursache einer eventuellen kardialen Embolie mittels Echokardiographie abzuklären. H. Trettin Schlaganfall: Fragen und Antworten Kann man einem wieder­ holten Schlaganfall vor­ beugen? Wie groß ist die Gefahr einer Wiederholung eines Schlaganfalls? Nach überstandenem Schlaganfall setzt so früh wie möglich die Sekundärprävention ein, d. h. das Verhindern eines SchlaganfallRezidivs, wobei sich Aspirin als eine wirksame Substanz in Bezug auf Schlaganfall-Prophylaxe er­­ wiesen hat, allerdings auch mit dem Risiko einer erhöhten Blutungsgefahr, vor allen Dingen einer Magenblutung bei schon vor­­ bestehendem Magengeschwürleiden, aber auch generell erhöhter Blutungsneigung durch gesteigerte Durchlässigkeit der Blutgefäße bei entsprechender Disposition des Patienten. Eine Alternativsubstanz ist das Ticlopidin, das heute neben dem Aspirin als Mittel der Wahl zur Sekundärprävention bei Schlaganfall gilt. Daneben ist die Be­handlung und Eliminierung von Risikofaktoren eine ganz entscheidende Maßnahme der Schlaganfallprävention. Wer einen Schlaganfall erlitten hat, hat generell ein erhöhtes Schlaganfallrisiko gegenüber einem nicht vom Schlaganfall Betroffenen, was sich dadurch erklärt, daß die zum Schlaganfall führenden Veränderungen an den hirnversorgenden Gefäßen oder, sofern es sich um eine Hirnembolie gehandelt hat, die Emboliequelle in der Regel fortbesteht. Kardiale Erkrankungen steigern das Infarktrisiko um den Faktor 2 bis 4. Patienten mit Vorhofflimmern haben einen 5- bis 6faches Rezidivrisiko für Schlaganfall. Patienten mit Diabetes mellitus ein 1,8- bis 3faches Rezidivrisiko für ischämische Insulte. Es gibt Erkrankungen, die mit einem besonders hohen Infarktrisiko einhergehen, sofern diese Er­krankungen nicht effektiv behandelt werden können, so zum Beispiel die Gefahr einer kardialen Embolie bei Herzklappenersatz, die dann besteht, wenn der Patient nicht konsequent 25 antikoaguliert wird mit sogenannten Cuma­rinderivaten, die in das Gerinnungssystem eingreifen und die Gerinnbarkeit des Blutes herabsetzen. Kann man von einem Schlaganfall vollständig geheilt ­werden? Sofern es sich um ein prolongiertes, aber reversibles ischämisches neurologisches Defizit (PRIND) gehandelt hat, führt schon der natürliche Verlauf zu einer Spontanheilung, während bei einem kompletten Schlaganfall, dem completed stroke, in der Regel ein Defizit zurückbleibt, wobei wir ja hier den minor stroke mit nur geringer Behinderung vom major stroke mit einem gravierenden neurologischen Defizit unterscheiden. Eine vollständige Heilung nach durchgemachtem Schlaganfall im eigentlichen Sinne des Wortes ist also nicht möglich, wohl aber eine deutliche Funktionsverbesserung der verbliebenen Defizite, und dies selbst noch nach 2 bis 3 26 Jahren, wie eine ganze Anzahl neuerer Studien belegt. Daher die große Bedeutung einer möglichst früh einsetzenden medizinischen Rehabilitation bei Schlaganfall. Welches sind die Behand­ lungsschwerpunkte in der ­medizinischen Rehabilita­ tion bei Schlaganfall? Krankengymnastik Ist im Bereich der Großhirnhemisphäre die motorische Hirnrinde betroffen, so tritt bei einer Schädigung im Arm-Hand-Gesichtsfeld eine kontralaterale brachiofazial betonte Halbseitenlähmung auf. Geschädigt ist die zentralmotorische Nervenbahn (Pyramidenbahn), die im Hirnstamm auf die Gegenseite kreuzt (daher kontralaterale Halbseitenlähmung). Bei einer Mitschädigung sogenannter extrapyramidal-motorischer Bahnen entwickelt sich nach einer Latenz das charakteristische Haltungsmuster des Schlaganfallpatienten mit kontralateraler Hemispastizität, das bedeutet eine krankhaft erhöhte H. Trettin Muskelspannung (Spastik) in den gelähmten Extremitäten, die auch als "Wernicke-Mann-Haltung" bezeichnet wird. Ist der Ort der Schädigung die sogenannte innere Kapsel, dort wo absteigende pyramidale und extrapyramidale Bahnen eng gebündelt miteinander verlaufen, so entsteht schon durch eine relativ kleine Läsion eine ausgeprägte kontralaterale spastische Hemiplegie. Bei so komplexen neurologischen Ausfällen wie der spastischen Hemiplegie bedarf es spezieller Behandlungstechniken auf neurophysiologischer Grundlage, um verlorengegangene Bewegungsmuster wieder anzubahnen, die Spastik zu senken und koordinierte Bewegungsabläufe wieder anzutrainieren. Als eine der effektivsten Behandlungstechniken bei Hemiplegie hat sich die Behandlung nach Bobath gegenüber anderen Behandlungsmethoden wie zum Beispiel PNF (propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation) durchgesetzt. Mit solchen Techniken können durch InGang-Setzen von Rückkopplungsprozes­sen im zen- Schlaganfall: Fragen und Antworten tralen Nerven­system verlorengegangene mo­torische Funktionen wieder angebahnt („fazilitieren“) und pathologische Bewegungsmuster wie der typische Wernicke-Mann’sche Lähmungsgang abgebaut werden. Neue Erkenntnisse in der Hirnforschung haben gezeigt, daß bei Schlaganfallpatienten nach Hirninfarkt durch intensives motorisches Training eine Reorganisation verlorengegangener motorischer Hirnfunktionen eintritt durch eine komplexe, bilaterale Aktivierung motorischer Hirnrindenfelder in beiden Hirnhälften. Solche Vorgänge sind Teil der von Forschern entdeckten Neuroplastizität des Gehirns. Verschiedene Untersuchungen mit speziellen Techniken haben gezeigt, daß sich die Größe eines bestimmten motorischen Hirnareals durch Training, aber auch durch Inaktivität, ändern kann. So vergrößert sich zum Beispiel durch intensives Üben einer bestimmten Bewegungsabfolge der Finger einer Hand das entsprechende zugehörige Handareal in der Hirnrinde. Blinde, die mit dem Zeigefinger Blindenschrift 27 lesen, haben ein weit größeres Zeigefingerareal in der Hirnrinde der kontralateralen Hirnhälfte als gesunde Probanden, und Geigenspieler haben ein größeres Handareal in ihrer Hirnrinde als Nicht-Musiker. Inaktivität einer Extremität beispielsweise durch Eingipsen nach einer Fraktur verkleinert das motorische Hirnrindenareal. Solche neuroplastischen Vorgänge kommen dadurch zustande, daß intakte Nervenzellen (Neuronen) durch Aussprossen („Sprouting“) ihrer sehr feinen Nervenzellfortsätze („Axone“) nicht nur zu benachbarten Neuronen, sondern selbst zu korrespondierenden Neuronen der anderen Hirnhälfte Kontakte herstellen können, so daß bei Reaktivierung motorischer Nervenimpulse benachbarte Hirnrindenfelder zur „Unterstützung“ bei der Neuanbahnung verlorengegangener motorischer Funktionen herangezogen werden. Dies erfordert ein gezieltes Üben nicht nur der motorischen Abläufe, sondern auch den dosierten Einsatz sensibler Reize über die Sinnesorgane wie Augen und Ohren, vor 28 allem aber der Haut, da im Gehirn nicht nur die Ursprungszellen für die Steuerung motorischer Abläufe in bestimmten Arealen der Hirnrinde lokalisiert sind, sondern auch eine komplette sensible Repräsentation des Körperschemas be­steht. Ergotherapie In der Ergotherapie wird ein gezieltes Training der gelähmten oberen Extremität bei Hemiplegie durchgeführt, hier vor allem eine Schulung der Feinmotorik und der gestörten Gefühlswahrnehmung der gelähmten Hand. Ähnlich wie in der Krankengymnastik, werden auch hier spezielle Techniken zur Kompensation verlorengegangener Funktionen (beispielsweise bei Ausfall der Gefühlswahrnehmung an der gelähmten Extremität) durch entsprechende Reizsetzungen und Ausnutzung von Rückkopplungsprozessen zum Ge­­hirn eingesetzt. Sehr praxisnahe werden Verrichtungen des Alltags wie An- und Auskleiden, Essen und Trinken oder das Zubereiten einer Mahlzeit bei Schlaganfall geübt. (In der Fachsprache H. Trettin „ADL-Training“ genannt, dies ist die Abkürzung für „Aktivitäten des täglichen Lebens“.) Im erweiterten ADL-Training werden Funktionen des öffentlichen Lebens trainiert, wie zum Beispiel das Besorgen kleiner Einkäufe, Umgang mit Geld usw.. Auch Schreibübungen gehören zum Programm. Je nach Schwere der Ausfälle wird ein entsprechendes Hirnleistungstraining durch spezielle räumlich konstruktive oder visuo-motorische Übungen durch gezielte Ansprache der Sinnesorgane wie Augen und Ohren oder des Tastsinns der Finger durchgeführt. Logopädie In der Logopädie oder Sprachtherapie wird von Fachleuten der Verlust der Sprache (Aphasie), des Leseverständnisses (Alexie) oder die Unfähigkeit zu schreiben (Agraphie) behandelt. Auch hier gilt es, verlorengegangene, im Gehirn abgespeicherte Muster der Sprachmotorik und der Spracherkennung zu reaktivieren. Aber auch bei Formulierungsschwierigkeiten oder der Un­fä­hig­keit, Schlaganfall: Fragen und Antworten ein gedachtes Wort sprach­mo­torisch um­zusetzen (sogen. Sprechapraxie), werden gezielte Übungen durchgeführt. Mit Hilfe des Computers ist es heute möglich, dem Patienten über den Bildschirm gezielte Informationen zu liefern, zum Beispiel durch die bildliche Darstellung von Gegenständen aus dem täglichen Leben, wobei der Patient aufgefordert wird, sprachliche Begriffe den gezeigten Gegenständen zuzuordnen. Die non-verbale visuelle Kommunikation wird dadurch mit sprachlicher Funktion gekoppelt und auf diese Weise der „Suchvorgang“ im Gehirn beim Abrufen eines momentan nicht zur Verfügung stehenden Begriffes trainiert. Bei einer globalen Aphasie, bei der die Kommunikationsfähigkeit über das gesprochene Wort und das Sprachverständnis ja in hohem Maße beeinträchtigt ist, kann das Trainieren mit dem Sprachcomputer verlorengegan- 29 gene Funktionen soweit ersetzen, daß der Patient beispielsweise wieder in die Lage versetzt wird, einen Brief zu schreiben oder im täglichen Eigentraining auch verbal mit dem Computer zu kommunizieren, der so „intelligent“ ist, daß er nicht nur Eingabefehler, sondern auch beispielsweise eine falsche Begriffszuordnung über den Bildschirm oder verbalakustisch über Lautsprecher korrigiert. Neuropsychologie Schwerpunkt der klinischen Neuropsychologie beim SchlaganfallPatienten ist das Hirnleistungstraining, leiden doch viele ­Schlaganfall-Patienten unter Ge­­ 30 dächtnis-, Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen. Medikamente, wie zum Beispiel die Substanzgruppe der sogenannten Nootropika, können zwar (in Grenzen) zu einer Verbesserung des Nervenzellstoffwechsels beitragen, sind aber kein Ersatz für das „Hirnjogging“, also das intensive Training der „grauen Zellen“ des menschlichen Gehirns. Auch dabei spielt die Erkenntnis der Neuroplastizität des Gehirns eine bedeutsame Rolle. Plastizität des Gehirns wurde bei gesunden Versuchspersonen und bei Patienten mit Läsionen des zentralen Nervensystems (z. B. nach Hirninfarkt) nachgewiesen. Das Abspeichern von Gedächtnisinhalten („Behalten“) erfolgt in ganz be­stimmten Hirnarealen, wobei durch den Schlaganfall häufig nicht diese Areale selbst, sondern nur die kompliziert verschalteten Verbindungsbahnen, die den In­formationsaustausch zwischen die­sen Nervenzentren ermöglichen, un­terbrochen sind. Wir wissen aus Forschungsergebnissen, daß die Speicherkapazität der für das Gedächtnis zuständigen Ner- H. Trettin venzellen von sehr vielen Faktoren abhängt, u. a. natürlich von der Intaktheit der Zellen und einem unversehrten Nervenzellstoffwechsel. Auf der anderen Seite aber muß auch der Zugang zu den Gedächtnisspeichern eben­so wie die Abrufbarkeit von Gedächtnisinhalten möglich sein. Wir alle wissen aus der Erfahrung des Alltags, daß man sich Dinge nicht merken kann, wenn man sich nicht auf eine Sache konzentrieren kann, sondern dauernd beim Lernen „gestört“ wird. Auch wissen wir, daß die Gedächtnisspeicherung über visuelle oder akustische Kanäle individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann („visuelles“ und „verbales“ Gedächtnis). Nach einem Hirn­ infarkt sind diese Funktionen in noch stärkerem Maße gestört. Es muß erst der Zugang zu den Gedächtnisspeichern wieder ge­­ bahnt und das Abspeichern von Informationen trainiert werden. Auch hier bedient man sich heute der Computertechnik, indem dem Patienten die verschiedensten Informationen über den Bildschirm dargeboten werden, die Schlaganfall: Fragen und Antworten der Patient erkennen, differenzieren und visuell speichern muß. Es gibt sehr weitgehende Trainingsprogramme, die nicht nur das visuelle Gedächtnis, sondern auch das Reaktionsvermögen, die Geschwindigkeit von Denkprozessen bis hin zur Fähigkeit, ein komplexes Problem gedanklich zu lösen, trainieren. Hier kommt dem Eigentraining ein sehr hoher Stellenwert zu. Die Erkenntnis ist ja nicht neu, daß das Lösen von Kreuzworträtseln einen Menschen bis hin ins hohe Alter „geistig fit“ hält. Gibt es neue Erkenntnisse darüber, was sich im Gehirn eines SchlaganfallPatienten bei intensivem Beüben der Sensomotorik, der Sprachproduktion oder beim Hirnleistungstraining in den „grauen Zellen“ abspielt? In den letzten Jahren hat die Hirnforschung mit der Entdeckung der Neuroplastizität ge­­ radezu eine bahnbrechende Neu- 31 entdeckung gemacht, nämlich die Erkenntnis, daß „angeschlagene“ Nervenzellen durch entsprechende wiederholte Reizsetzungen wie­der reaktiviert werden können, indem diese wie ein Polyp ihre Zellfortsätze neu aussprossen lassen (in der Fachsprache „Sprouting“ genannt), so daß auf diese Weise an den Stellen der Signalübermittlung zwischen den Nervenzellen (sogenannte Synapsen) die Nervenimpulsleitung zu­mindest teilweise wieder „repariert“ werden kann, ähnlich wie in der Technik, wo bei Ausfall eines Computers durch Zuschaltung anderer Rechnersysteme der Informationsfluß über andere Kanäle umgeleitet wird. Derartige reparative Vorgänge kommen jedoch nicht von allein. Sie müssen durch einen gezielten „Input“ durch Reizsetzungen über verschiedene Kanäle wie Augen, Ohren oder Hautkontakt zum Anbahnen verlorengegangener Hirn­funktionen erst in Gang ge­setzt und durch häufiges Wiederholen ähnlich wie beim sportlichen Training oder beim Erlernen eines Musikinstrumentes 32 entwickelt werden. Neuroplastizität und damit Reorganisation im Ge­hirn haben nicht nur eine große Bedeutung für alle Lernprozesse beim Gesunden, sie spielen be­sonders nach einer Hirnschädigung (Hirninfarkt, Hirnverletzung) eine bedeutende Rolle. Entscheidend für solche Prozesse der Reorganisation ist jedoch, daß entsprechende gezielte Reizsetzungen und Reizwiederholungen erfolgen, damit neuroplastische Vorgänge überhaupt in Gang kommen. So wundersam derartige neuroplastische Prozesse im Gehirn auch auf den ersten Blick erscheinen mögen: je schwerwiegender der Funktionsausfall im Gehirn, desto größer ist der bleibende Defekt. Neuroplastizität des Gehirns bedeutet aber auch, daß ein ständiges Üben wiedererlangter Funktionen (Sprache, Gedächtnis, Motorik, Koordination) erforderlich ist, da sich bei Inaktivität die neu entstandenen neuronalen Verknüpfungen im Gehirn auch wieder zurückbilden. Das fordert dem Schlaganfallpatienten ein hohes Maß an Motivation und psychischer und phy- H. Trettin sischer Kraft ab. Strategien zur Krankheitsbewältigung sind da­her in der rehabilitativen Schlaganfallbehandlung genauso erforderlich wie das gezielte Training verlorengegangener Hirnfunktionen. Schlaganfall: Sachworterklärungen Sachworterklärungen Adrenalin: Hormon des Nebennierenmarks Agraphie (griech.): Verlust des Schreibvermögens Akalkulie (griech.): Unvermögen zu rechnen Alexie (griech.):Verlust des Lesevermögens (des Schriftverständnisses) amnestisches Syndrom:hochgradige Beeinträchtigung der Merkfähigkeit und damit des Kurzzeitgedächtnisses Aneurysma (griech.):Aussackung in der Wand eines Hohlorgans (z. B. Gefäßaneurysma, Herzwandaneurysma) Antikoagulans:Körpereigener Faktor im Gerinnungssystem oder zugeführter Wirkstoff (Medikament), welcher die Gerinnungsfähigkeit des Blutes herabsetzt. Aphasie (griech.):Verlust der Sprache, beruhend auf einer Schädigung des Sprachzentrums – motorische: Verlust der Sprachproduktion – sensorische: Verlust des Sprachverständnisses apoplektischer Insult: ­in Form einer Apoplexie auftretendes Ereignis 33 34 H. Trettin Apoplex(ie) (griech.): Schlaganfall im engeren Sinne Arterie: Schlagader (arterielle) Hypertonie: Bluthochdruck Arteriosklerose:„Arterienverkalkung“ als chronisch fortschreitende Degeneration der Gefäße mit Verhärtung der Gefäßwand (Atherosklerose) und Verengung der Gefäßlichtung. Atherosklerose:die der Arteriosklerose zugrundeliegenden Veränderungen in der Gefäßwand mit Verhärtungen (Sklerose) der Wandschichten und Auflagerungen (Plaques) auf der Innenschicht der Gefäße. Erhöhtes Cholesterin im Blut ist ein wesentlicher Schritt­macher der Atherosklerose. atheromatöse Plaques:Auflagerungen an der Gefäßinnenhaut, die zu Gefäß­einengungen führen Axon (griech.):Von der Nervenzelle (Neuron) entspringender Fortsatz, der mit seinen knopfförmig verdickten Endigungen (Synapsen) an anderen Nervenzellen oder Erfolgsorganen wie z. B. Muskelzellen endet und ihnen auf diese Weise Erregungen von der Nervenzelle zuleitet. Blutkapillare:Endstrecke in der Strombahn des Blutkreislaufes. Ort des Stoffaustausches zwischen Blutbahn und Organgewebe Schlaganfall: Sachworterklärungen Bobath-Methode:Benannt nach dem Neurologen Karel Bobath (1908 – 1991). Behandlungstechnik bei Hemiplegie zur Unter­­drückung pathologischer Reflex­me­cha­­nismen wie Spastik, Übungen zum Anbahnen verlorengeganener Bewegungs­ abläufe. Diabetes mellitus (lat.): Zuckerkrankheit Echokardiographie:Untersuchungstechnik des Herzens mit Ultraschallwellen Ergotherapie (griech.):fälschlicherweise früher „Beschäftigungs­ therapie“ ge­nannt. Gezieltes sensomotorisches Training der Grob und Feinmotorik und komplexer Handlungsabläufe bei Stö­rungen im zentralen und/oder peripheren Nerven­ system, z. B. nach Schlaganfall oder Extremi­ tätenverletzungen. extrapyramidale Nervenbahn:Außerhalb der Pyramidenbahn gelegene mo­torische Leitungsbahn, die mit der Pyramidenbahn jedoch funktionell eng gekoppelt ist. Dient der Modifizierung von Bewegungsmustern, steuert unwillkürliche Bewegungsabläufe. fazilitieren (lat.): anbahnen, erleichtern Fibrinolyse: Auflösung eines Blutgerinnsels 35 36 H. Trettin Fibrinogen: „Faktor I“ der Blutgerinnung. Durch Aktivierung des Gerinnungssystems entsteht aus Fibrinogen der Blutfaserstoff Fibrin. Bedeutsam für den Wundverschluß. Glucocortikosteroide:Nebennierenrückenhormone, die in verschiedene Stoffwechselprozesse eingreifen, u. a. Förderung der Bildung von Blutzucker (Glucose), als „Streßhormone“ zur Adaptation des Organismus an Reizbedingungen. HDL (engl.) = high density lipoproteins Hemineglect:„Vernachlässigung„ einer Körperhälfte. Die bewußte Wahrnehmung der gelähmten Körperseite wird durch die Unterbrechung von Nervenleitungsbahnen im Gehirn nicht wahrgenommen. Hemiparese/ Hemiplegie (griech.): Lähmung einer Körperhälfte Hemisphäre (griech.): - dominante: hier: Hirnhälfte die „beherrschende“ Hirnhäfte. Beim Rechtshänder und bei 50 % der Linkshänder die linke Hemisphäre. In der dominanten Hirnhäfte finden sich die Zentren für die Sprache, Lesen und Schreiben. Das motorische Rindenfeld für die Willkürmotorik ist in der dominanten Hemisphäre funktionell größer als in der anderen Hemisphäre. Schlaganfall: Sachworterklärungen Hirnembolie:Verschluß einer Hirnschlagader durch ein eingeschwemmtes Blutgerinnsel (Thrombus) Hirninfarkt:Umschriebener Untergang (Absterben) von Hirngewebe durch Gefäßverschluß. Hyalinose der Gefäße:Einengungen der Gefäßlichtung der kleinen Blutgefäße durch Ablagerungen von Hyalin Hypercholesterinämie: Erhöhung des Cholesteringehaltes im Blut Hyperinsulinismus:Erhöhte Insulinfreisetzung bei gleichzeitiger Insulinresistenz des Organismus Hyperkoagulopathie:durch eine Störung der Blutgerinnung hervorgerufene verstärkte Neigung zur Bildung von Blutgerinnseln Hyperlipoproteinämie:Vermehrung der Transporteiweiße für Fettstoffe im Blut. Input (engl.): Eingabe, Einspeisung Insulin:Hormon der Bauchspeicheldrüse, senkt den Blutzucker Insult (lat.): „plötzlich eintretendes Ereignis“ (hier: der Schlaganfall) Ischämie (griech.):Blutleere, Minderdurchblutung eines Organgewebes. 37 38 H. Trettin ischämisch: mit einer Ischämie einhergehend juvenil: jugendlich kardial: zum Herzen gehörig kardiogen:vom Herzen ausgehend, durch das Herz hervorgerufen kontralateral (lat.): Schlaganfall: Sachworterklärungen Makroangiopathie: Erkrankungen der mittelgroßen und großen Arterien Mikroangiopathie:krankhafte, die Gefäßlichtung einengende Veränderungen an den kleinen und kleinsten Arterien minor stroke (engl.):„kleiner“ Schlaganfall mit nur geringen neurologischen Defiziten auf der Gegenseite liegend koronare Herzkrankheit:Durchblutungsstörungen des Herzens auf Grund einer Arteriosklerose der Herzkranzgefäße Lakune:Kleiner, maximal 1,5 cm im Durchmesser messender Hirninfarkt, entsteht durch Gefäßverschluß bei Mikroangiopathie Läsion (lat.):­Schädigung von Organgewebe oder einer Organfunktion. Neuron (griech.): Nervenzelle neuronal: zur Nervenzelle gehörig Neuroplastizität des Gehirns: Plastizität = „Verformbarkeit“. Begriff aus der aktuellen Hirnforschung für die „Ausdehnung“ funktioneller Hirnareale als Anpassung der Hirnaktivität an veränderte Reize. Ödem (griech.): Gewebeschwellung LDL (engl.) = low density lipoproteins Lipoproteine (lat.):Transporteiweiße im Blut für den Transport wasserunlöslicher Fettstoffe (Lipide), vor allem für Cholesterin und Triglyceride. Logopädie (griech.): Sprachtherapie major stroke (engl.):„großer“ Schlaganfall mit schwerwiegenden neurologischen Defiziten Penumbra (lat.):­Randzone um das Kerngebiet eines Hirn­ infarktes Perfusion (lat.): Durchströmung PNF (= propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation): Krankengymnastische Behandlngsmethode, bei der durch Stimulation von Propriorezeptoren (Sinnesreizempfänger in den Gelenken, 39 40 H. Trettin in den Bändern, Sehnen und in der Muskulatur) die Leistung des neuromuskulären Systems gefördert werden soll. progredient (lat.): fortschreitend prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit (PRIND):kritische Hirnmangeldurchblutung mit verzögerter Rückbildung des neurologischen Defizites innerhalb 1 Woche Prophylaxe: Maßnahmen zur Krankheitsvorbeugung pyramidal: zur Pyramidenbahn gehörig Pyramidenbahn:zentral-motorische Nervenbahn. Wird gebildet aus den Zellfortsätzen (Neuriten) der Pyramidenzellen in der motorischen Hirnrinde. Über die Pyramidenbahn wird die Willkürmotorik gesteuert. Radikale (chem.):chemische Verbindung mit ungepaarten Elektronen. (z. B. Sauerstoffradikale), die unter krankhaften Bedingungen im Gewebestoffwechsel entstehen und zum Zell untergang beitragen. Verschiedene Vitamine wie das Vitamin E und C haben eine „Radikalfängerfuntkion“, indem sie toxische Radikale „neutralisieren“. Schlaganfall: Sachworterklärungen Sekundärprävention bei Schlaganfall: Vorbeugen eines weiteren Schlaganfalls Spastik/Spastizität:krankhaft erhöhte Muskelspannung. Tritt auf bei Schädigung der zentral-motorischen Nervenbahnen. Sprechapraxie (griech.):Unfähigkeit, ein gedachtes Wort sprachmotorisch umzusetzen. Sprouting (engl.): „Aussprossen“ von Nervenzellfortsätzen (Axone) zur Übermittlung von Nervenimpulsen an benachbarte oder weiter entfernt ge­legene Nervenzellverbände („neuronale Verknüpfungen“). Schlaganfall-Rezidiv: Wiederholung eines Schlaganfalls stroke (engl.): Schlaganfall Stroke Unit (engl.): Schlaganfall-Spezialabteilung Synapse (griech.): Kontaktstelle zwischen Nervenzellen Thrombose:Vorgang, der zur Entstehung eines Blutgerinnsels (Thrombus) in der Blutbahn oder im Herzen führt Thrombozyt:Blutplättchen, enthält u. a. Gerinnungs­ stoffe 41 42 H. Trettin Schlaganfall: Fachliteratur Thrombozyten- aggregation:„Verklumpen“ oder „Verkleben“ von Blutplättchen Medizinische Fachliteratur für den interessierten Leser Thrombus: 1) Allardt, A., Zunker, P., Deutschl, G. (1997): Primär- und Sekundärbehandlung des ischämischen zerebralen ­Insultes. Intensivmedizin und Notfallmedizin, Band 34, Heft 7, S. 675–695, Steinkopff Verlag Blutgerinnsel transitorische ischämische Attacke (TIA): vorübergehende kritische Mangeldurchblutung in einem umschriebenen Hirnareal. Vollständige Rückbildung der neurologischen Defizite innerhalb von 24 Stunden Vene: zum Herzen zurückführendes Blutgefäß verbal (lat.): mit Hilfe der Sprache visuell (lat.): mit Hilfe des Sehvermögens Zentrales Nervensystem:Gehirn und Rückenmark als Funktionseinheit im Gegensatz zum peripheren Nervensystem. zerebral: zum Gehirn (Cerebrum) gehörig zerebro-vaskulär:die Hirngefäße betreffend 2) Busse, O., Straeten, V. (1997): Konzept zur besseren Versorgung von Schlaganfallpatienten. psycho 23, 8/97, S. 488–493 3) Dettmers, Ch., Stephan, K. M., Rijntjes, M., Fink, G. R. (1996): Reorganisation des motorischen kortikalen Systems nach zentraler oder peripherer Schädigung. Neurologie und Rehabilitation, 3/96, S. 137–148 4) Diener, H. Ch. (1997): Primär- und Sekundärprävention des ischämischen Insultes. Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 34-35, S. B1785–B1791 5) Einhäupl, K. (1993): Behandlung des ischämischen Insultes. Deutsches Ärzteblatt, 90. Jahrgang, Heft 17, S. C821–C825 6) Einhäupl, K. (1997): Gezielte Sekundärprävention von TIA und Schlaganfall. Schlaganfall News, Deutsche Schlaganfall-Hilfe, 03/97 7) Kertesz, A. (1995): Die Restitution der Aphasie nach Schlaganfall. Neurologie und Rehabilitation, 2/95, S. 75-80 43 44 Rehabilitationskliniken 45 Rehabilitationskliniken der Unternehmensgruppe Dr. Marx Standort Klinik Indikationen Bad Berka MEDIAN Kliniken I und II Turmweg 2, 99438 Bad Berka Telefon 03 64 58/38-0 Herz-Kreislauf-, Gefäß-, Stoffwechselerkrankungen, Gastroenterologie, Orthopädie Bad Eilsen Brunnenklinik Bückeburger Straße1 31707 Bad Eilsen Telefon 0 57 22/880-0 Orthopädie, Rheumatologie Bad Lausick MEDIAN Klinik Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Parkstraße 4 Orthopädie 04651 Bad Lausick Telefon 03 43 45/61-0 Bad Krozingen Klinikum für Medizinische Rehabilitation Im Sinnighofen 4 79189 Bad Krozingen Telefon 0 76 33/93 51 Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Neurologie, Orthopädie, Rheumatologie, Stoffwechselerkrankungen, Gefäßerkrankungen Bad Oeynhausen Klinikum für Rehabilitation Brahmsstraße 8 32545 Bad Oeynhausen Telefon 0 57 31/865-0 Gastroenterologie, Geriatrie, Herz-Kreislauf-, Gefäßerkrankungen, Innere Medizin, Neurologie, Onkologie, Orthopädie, Rheumatologie, Sportmedizin Bad Salzuflen Klinikum für Rehabilitation Alte Vlothoer Straße 47 32105 Bad Salzuflen Telefon 0 52 22/37-0 Atemwegs-, Herz-KreislaufErkrankungen, Innere Medizin, Geriatrie, Gynäkologie, Neurologie, Orthopädie, Rheumatologie, Psychosomatik, Urologie, Onkologie, Allergologie, unfallchirurgische Rehabilitation 46 Rehabilitationskliniken Rehabilitationskliniken 47 Standort Klinik Indikationen Standort Klinik Indikationen Bad Sülze MEDIAN Klinik Kastanienallee 1 18334 Bad Sülze Telefon 03 82 29/72-0 Orthopädie, Rheumatologie, Neurologie Freiburg i. Br. MEDIAN Klinik An den Heilquellen 79111 Freiburg Telefon 07 61/47 00-0 Geriatrie Bad Tennstedt Berggießhübel Berlin MEDIAN Klinik Badeweg 2 99955 Bad Tennstedt Telefon 03 60 41/35-0 Orthopädie, Neurologie Grünheide MEDIAN Klinik An der REHA-Klinik 1 15537 Grünheide Telefon 0 33 62/739-0 Neurologie, Neurochirurgie MEDIAN Klinik Gersdorfer Straße 5 01819 Berggießhübel Telefon 03 50 23/65-0 Orthopädie, Psychosomatik Heiligendamm MEDIAN Klinik Zum Strand 1 18209 Heiligendamm Telefon 03 82 03/44-0 Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hauterkrankungen, Allergien Klinik Berlin Kladower Damm 221 14089 Berlin Telefon 0 30/36 503-0 Neurologie, Orthopädie Hoppegarten MEDIAN Klinik Rennbahnallee 107 15366 Hoppegarten Telefon 0 33 42/353-0 Orthopädie Berlin-Buch MEDIAN Klinik Zepernicker Straße 1 13125 Berlin Telefon 0 30/94 01 26 30 Geriatrie Kalbe MEDIAN Klinik Straße der Jugend 2 39624 Kalbe Telefon 03 90 80/71-0 Orthopädie, Onkologie Bernkastel-Kues Reha-Zentrum Kueser Plateau 54463 Bernkastel-Kues Telefon 0 65 31/92-0 Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Neurologie, Orthopädie, Psychosomatik Lobenstein MEDIAN Klinik Am Kießling 1 07356 Lobenstein Telefon 03 66 51/74-0 Orthopädie, Psychosomatik Flechtingen MEDIAN Kliniken I und II Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Parkstraße, 39345 Flechtingen Gefäßerkrankungen, Neurologie, Telefon 03 90 54/81-0 Psychosomatik Klinik für Tumorbiologie Breisacher Straße 117 79106 Freiburg Telefon 07 61/206-01 MEDIAN Klinik NRZ Gustav-Ricker-Straße 4 39120 Magdeburg Telefon 03 91/610-0 Neurologie Freiburg i. 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