Einführung in die Algebra und Zahlentheorie

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Einführung
in die
Algebra und Zahlentheorie
Martin Henk
(basierend auf einem Skript von Prof. Dr. Wolfgang Willems)
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Gruppen
1
Gruppen
1.1 Definition [Gruppen]. Eine nichtleere Menge G mit einer inneren Verknüpfung ◦ : G × G → G, (x, y) → x · y(=: xy), heißt Gruppe, falls
i) x(yz) = (xy)z (Assoziativgesetz),
ii) Es gibt ein neutrales Element e ∈ G mit xe = ex = x für alle x ∈ G.
iii) Zu jedem x ∈ G gibt es ein inverses Element x−1 ∈ G, so dass xx−1 =
e = x−1 x.
Gilt zusätzlich xy = yx für alle x, y ∈ G, dann heißt G abelsch, bzw. kommutativ.
1.2 Definition [Untergruppe]. Sei (G, ·) Gruppe. Eine Teilmenge U ⊂ G
heißt Untergruppe von G, falls U mit der Verknüpfung · die Gruppeneigenschaften erfüllt. (U, ·) ist also selbst wieder eine Gruppe. In diesem Falle schreibt man
U ≤ G.
1.3 Lemma. Sei (G, ·) Gruppe und U ⊂ G. Dann gilt: U ≤ G genau dann,
wenn U 6= ∅ und x y −1 ∈ U für alle x, y ∈ U .
1.4 Definition [Zyklische Gruppe]. Eine Gruppe G heißt zyklisch, falls es ein
x ∈ G gibt mit G =< x >= {xk : k ∈ Z}.
1.5 Definition [(Gruppen)-Homomorphismus]. Seien (G, ·), (H, ) Gruppen.
Eine Abbildung ϕ : G → H mit
ϕ(x · y) = ϕ(x) ϕ(y) für alle x, y ∈ G
heißt Gruppenhomomorphismus ((kurz: Homomorphismus)). Ist ϕ bijektiv, dann
heißt ϕ (Gruppen)-Isomorphismus. In diesem Falle heißen G und H isomorph
(zueinander) und man schreibt G ∼
= H.
1.6 Proposition. Sei ϕ : G → H ein Gruppenhomomorphismus. Dann gilt:
i) φ(e) = e,
ii) ϕ(x−1 ) = ϕ(x)−1 für alle x ∈ G,
iii) Ist U ≤ G, dann ist ϕ(U ) ≤ ϕ(G) ≤ H,
iv) Ist V ≤ H, dann ist ϕ−1 (V ) ≤ G,
v) ker ϕ := ϕ−1 (e) heißt Kern von ϕ und ist Untergruppe von G,
vi) ϕ ist injektiv, genau dann wenn ker ϕ = {e}.
vii) Ist ϕ : G → H injektiv, dann ist G ∼
= ϕ(G).
viii) Ist ϕ : G → H bijektiv, dann ist ist auch die Umkehrabbildung ϕ−1 :
H → G eine Gruppenisomorphismus.
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Gruppen
1.7 Definition [Ordnung]. Sei G Gruppe. Dann bezeichnet |G| die Anzahl der
Elemente von G und heißt die Ordnung von G. Für x ∈ G heißt | < x > | die
Ordnung von x. (Andere verwendete Schreibweisen: ord (G), bzw. ord (x).)
1.8 Bemerkung. Ist | < x > | < ∞, so ist | < x > | = min{n ∈ N≥1 : xn = e}.
1.9 Satz. Jede endliche Gruppe der Ordnung n ist isomorph zu einer Untergruppe von Sn .
1.10 Satz. Sei G eine zyklische Gruppe. Ist |G| = m, dann ist G ∼
= (Z/mZ, +);
ist G nicht endlich, dann gilt G ∼
= (Z, +).
1.11 Definition [Nebenklassen]. Sei U ≤ G. Die durch die Äquivalenzrelation
x ∼ y :⇔ x−1 y ∈ U ⇔ y ∈ x U
definierten Äquivalenzklassen heißen Linksnebenklassen. Analog heißen die durch
die Äquivalenzrelation
x ∼ y :⇔ y x−1 ∈ U ⇔ y ∈ U x
definierten Äquivalenzklassen Rechtsnebenklassen.
1.12 Bemerkung. Die Abbildung f : {x U : x ∈ G} → {U x : x ∈ G} mit
f (x U ) = U x−1 ist eine Bijektion zwischen den Links- und Rechtsnebenklassen.
Insbesondere ist die Anzahl der Linksnebenklassen gleich der Anzahl der Rechtsnebenklassen.
1.13 Definition [Index]. Sei U ≤ G. Die Anzahl der Linksnebenklassen (und
somit auch die Anzahl der Rechtsnebenklassen) heißt der Index von U in G und
wird mit |G : U | bezeichnet.
1.14 Satz [Lagrange]. Sei U ≤ G. Dann gilt |G| = |G : U | · |U |.
1.15 Satz [Euler]. Sei x ∈ G. Dann ist | < x > | ein Teiler von |G|.
1.16 Korollar. Sei G endlich und x ∈ G. Dann gilt x|G| = e.
1.17 Satz. Sei p Primzahl und |G| = p. Dann ist G ∼
= Z/p Z und für jedes
x ∈ G \ {e} gilt G =< x >.
1.18 Satz [Fermat 1640]. Sei p Primzahl und sei p kein Teiler von a ∈ Z.
Dann gilt
ap−1 ≡ 1 mod p.
Operationen von Gruppen auf Mengen
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Operationen von Gruppen auf Mengen
2.1 Definition [Operationen auf Mengen]. Sei G Gruppe und M eine Menge. Die Gruppe G operiert auf der Menge M , falls es eine Abbildung G×M → M
((x, s) → xs) gibt, die folgende Eigenschaften hat:
i) (xy)s = x(ys) für alle x, y ∈ G und für alle s ∈ M .
ii) es = s für alle s ∈ M .
2.2 Bemerkung.
i) G operiert auf sich selbst mittels Konjugation:
G × G → G mit (x, y) → y x := x y x−1 .
ii) Sei U = {U : U ≤ G}. G operiert auf U vermöge Konjugation.
G × U → U mit (x, U ) → U x := x U x−1 .
Für jedes x ∈ G heißt U x die zu U konjugierte Untergruppe.
2.3 Definition [Stabilisator, Bahnen]. G operiere auf M .
i) Für s ∈ M heißt Gs = {x ∈ G : xs = s} der Stabilisator (Isotropiegruppe,
Fixgruppe) von s.
ii) Für s ∈ M heißt Gs = {xs : x ∈ G} die Bahn von s (der Orbit von s)
unter G.
iii) G operiert transitiv auf M , wenn es ein s ∈ M gibt mit Gs = M . (In
diesem Fall gilt Gs = M für alle s ∈ M .)
2.4 Bemerkung.
i) Die Bahnen entsprechen den Äquivalenzklassen der Relation: s ∼ t ⇔
∃ x ∈ G mit t = xs.
ii) Es ist Gs ≤ G.
2.5 Definition [Zentralisator, Zentrum, Normalisator]. Sei G Gruppe.
i) Betrachte G × G → G mit (x, y) → y x = x y x−1 . Die Bahn von y ist
gegeben durch
Gy = {xyx−1 : x ∈ G},
die Konjugationsklasse von y. Der Stabilisator von y besteht aus
Gy = {x ∈ G : x y x−1 = y}
und wird auch Zentralisator von y genannt. Die Menge
CG = {x ∈ G : x y = y x für alle y ∈ G}
heißt Zentrum von G. Insbesondere ist CG ≤ G abelsch.
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Operationen von Gruppen auf Mengen
ii) Betrachte G × U → U mit (x, U ) → U x . Für U ∈ U wird der Stabilisator
GU = {x ∈ G : x U x−1 = U }
auch Normalisator von U genannt.
2.6 Satz. G operiere auf M .
i) Sei g ∈ G und s ∈ M . Dann gilt Ggs = (Gs )g .
ii) Sei U ≤ G, U operiere transitiv auf M und sei s ∈ M . Dann gilt G =
U Gs = {u x : u ∈ U, x ∈ Gs }.
iii) Sei |M | < ∞ und s ∈ M . Dann gilt |Gs| = |G : Gs |. Insbesondere ist |Gs|
ein Teiler von |G|.
2.7 Lemma. G operiere auf M , |M | < ∞, und seien s1 , . . . , sr Vertreter der
Bahnen. Dann gilt
r
X
|M | =
|G : Gsi |.
i=1
2.8 Satz [Klassengleichung]. Sei |G| < ∞ und seien g1 , . . . , gr ∈ G Vertreter
der Konjugationsklassen von G. Dann gilt:
|G| =
r
X
|G : Ggi |.
i=1
2.9 Korollar. Ist G eine endliche p-Gruppe, d.h. |G| = pm mit p Primzahl, so
gilt CG 6= {e}.
2.10 Definition [Normalteiler, einfache Gruppe]. Sei G Gruppe.
i) U ≤ G heißt Normalteiler von G, falls U g = U , d.h. gU g −1 = U , für alle
g ∈ G. In diesem Falle schreibt man U E G.
ii) G heißt einfach, falls {e} und G die einzigen Normalteiler von G sind.
2.11 Bemerkung.
i) Ist G abelsch, so sind alle Untergruppen Normalteiler.
ii) Ist 1 < |G| < ∞, G abelsch und einfach, dann ist G =< g > für jedes
g ∈ G \ {e} und |G| = p mit p Primzahl.
iii) Sei ϕ : G → H Gruppenhomomorphismus und U E G. Dann ist ϕ(U ) E
ϕ(G). Ist V E H dann ist auch ϕ−1 (V ) E G. Insbesondere ist ker ϕ E G.
iv) Der Normalisator einer Untergruppe U ≤ G ist die maximale Untergruppe
von G, die U als Normalteiler hat.
2.12 Bemerkung. Sei U ≤ G mit |G : U | = 2. Dann ist U E G.
Operationen von Gruppen auf Mengen
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2.13 Definition [Von Teilmengen erzeugte Untergruppen]. Sei G Gruppe und
X ⊂ G.
< X >:= {x11 x22 · · · xnn : i ∈ {−1, 1}, xi ∈ X, n ∈ N} .
heißt die von X erzeugte Untergruppe.
2.14 Lemma.
i) < {σ(1, 2, 3)σ −1 : σ ∈ Sn } >= An , n ≥ 3.
ii) < {σ(1, 2, 3)σ −1 : σ ∈ Sn } >=< {σ(1, 2, 3)σ −1 : σ ∈ An } >= An , n ≥ 5.
2.15 Satz. Für n ≥ 5 ist An = {σ ∈ Sn : sign (σ) = 1} einfach.
2.16 Satz [Klassifikationssätze endlicher einfacher Gruppen ∼ 1980]. Jede endliche einfache Gruppe ist zu einer der folgenden Gruppen isomorph:
i) zyklische Gruppen von Primzahlordnung (Z/pZ, +),
ii) einer alternierenden Gruppe An , n ≥ 5,
iii) einer klassischen Gruppe ....
iv) einer nicht-klassischen Gruppe vom Lie-Typ.....
v) einer sporadischen Gruppe ....
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Faktorgruppen
Faktorgruppen
3.1 Lemma [Faktorgruppe]. Sei N E G. Die Menge
G/N := {gN : g ∈ G} (Menge der Linksnebenklassen)
wird mittels der Verknüpfung
(g N )(h N ) := gh N
eine Gruppe, die sogenannte Faktorgruppe, mit neutralem Element N und inversem Element (gN )−1 = g −1 N .
3.2 Bemerkung. Für N E G ist ϕ : G → G/N mit ϕ(g) = gN ein surjektiver
Gruppenhomomorphismus mit ker ϕ = N . Insbesondere sind also alle Normalteiler von G Kerne von Gruppenhomomorphismus.
3.3 Satz [Isomorphiesätze].
i) Ist ϕ : G → H Gruppenhomomorphismus, dann ist G/ker ϕ ∼
= ϕ(G).
ii) Sei U ≤ G und N E G, dann ist U N := {ug : u ∈ U, g ∈ N } eine Gruppe,
U ∩ N E U und es gilt
(U N )/N ∼
= U/(U ∩ N ).
Der Satz von Sylow
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7
Der Satz von Sylow
In diesem Abschnitt ist G stets endlich und p eine Primzahl.
4.1 Lemma. Ist G abelsch und p Teiler von |G|, dann existiert ein g ∈ G mit
| < g > | = p.
4.2 Satz [Cauchy]. Sei n ∈ N≥0 mit pn Teiler von |G|. Dann existiert U ≤ G
mit |U | = pn .
4.3 Definition [p-Sylowgruppe]. Sei p Primzahl und pn die größte Potenz, die
|G| teilt. Eine Unterguppe U ≤ G mit |U | = pn heißt p-Sylow(unter-)gruppe.
Die Menge aller p-Sylow(unter-)gruppen von G wird mit Syl p (G) bezeichnet.
4.4 Bemerkung.
i) Ist P ∈ Syl p (G), dann auch P g ∈ Syl p (G) für alle g ∈ G.
ii) Ist P ∈ Syl p (G), dann ist {P } = Syl p (GP ).
iii) < (1, 2, 3, 4, 5) >, < (1, 3, 2, 4, 5) >∈ Syl 5 (A5 ).
Insbesondere ist < (1, 2, 3, 4, 5) > kein Normalteiler von A5 .
4.5 Satz [Sylow].
i) Alle p-Sylowgruppen von G sind zueinander konjugiert.
ii) |Syl p (G)| = |G : GP | für alle P ∈ Syl p (G).
iii) |Syl p (G)| ≡ 1 (mod p).
4.6 Bemerkung.
i) Es gilt |Syl p (G)| = 1 genau dann, wenn die p-Sylowgruppe P Normalteiler
von G ist.
ii) Es gibt keine einfache Gruppe der Ordnung 700.
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5
Endliche abelsche Gruppen
Endliche abelsche Gruppen
5.1 Lemma. Sei G =< g > zyklische Gruppe mit |G| = n.
i) Für k ∈ Z gilt
| < gk > | =
n
.
ggT (n, k)
ii) Für jeden Teiler d von n existiert genau eine Untergruppe U von G mit
n
|U | = d; diese wird von g d erzeugt.
5.2 Bemerkung. Für nicht zyklische Gruppen ist die Aussage ii) im Allgemeinen falsch, so hat zum Beispiel die A5 keine Untergruppe der Ordnung 30.
5.3 Lemma. Sei p Primzahl und G endliche abelsche p-Gruppe (also |G| =
pm ). G ist genau dann zyklisch, wenn G nur eine Untergruppe der Ordnung p
hat.
5.4 Definition [Direktes Produkt von Gruppen].
i) Seien G1 , . . . , Gn Gruppen. Dann ist
G = G1 × G2 × · · · × Gn = {(g1 , . . . , gn ) : gi ∈ Gi }
eine Gruppe vermöge der komponentenweise Verknüpfung. G heißt direktes Produkt der Gruppen G1 , . . . , Gn .
ii) Sei G Gruppe und Ui ≤ G, 1 ≤ i ≤ n. G heißt direktes Produkt der
Untergruppen Ui falls ϕ : U1 × · · · × Un → G mit ϕ((u1 , . . . , un )) =
u1 u2 · · · un ein Gruppenisomorphismus ist.
5.5 Bemerkung. ϕ : U1 × · · · × Un → G mit ϕ((u1 , . . . , un )) = u1 u2 · · · un ist
ein Gruppenisomorphismus genau dann, wenn
i) Ui E G, 1 ≤ i ≤ n,
Q
ii) Ui ∩ nj6=i Uj = {e}, 1 ≤ i ≤ n,
Q
iii) nj=1 Uj = G.
5.6 Satz [Charakterisierung endlicher abelscher Gruppen]. Sei G eine endliche abelsche Gruppe. Dann gilt:
i) G = G1 × · · · × Gn , wobei Gi zyklische Untergruppen von der Ordnung
i
pm
i mit nicht notwendig verschiedenen Primzahlen pi sind.
mn
1
ii) Das Tupel (pm
1 , . . . , pn ) in i) (der Typ von G) ist bis auf die Anordnung
eindeutig durch G bestimmt.
Endliche abelsche Gruppen
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5.7 Bemerkung.
m2
ms mit paarweise verschiedenen Primzahlen p .
1
i) Sei n = pm
i
1 · p2 · · · · ps
Dann ist
ms
1
Z/nZ ∼
= Z/(pm
1 Z) × · · · × Z/(ps Z).
ms
1
Das Tupel (pm
1 , . . . , ps ) ist der Typ von Z/nZ.
ii) Sei n = n1 · n2 · · · · nt mit ggT (ni , nj ) = 1, i 6= j. Dann gilt
Z/nZ ∼
= Z/n1 Z × · · · × Z/nt Z.
5.8 Korollar [Chinesischer Restsatz]. Seien a1 , . . . , am ∈ Z und seien ni ∈ N,
1 ≤ i ≤ m, mit ggT (ni , nj ) = 1, i 6= j. Dann gibt es ein x ∈ Z mit x ≡ ai
mod ni , 1 ≤ i ≤ m.
5.9 Bemerkung. Die Lösung x der Kongruenzen ist modulo n eindeutig bestimmt.
5.10 Satz. Sei U endliche Untergruppe der multiplikativen Gruppe eines Körpers
K. Dann ist U zyklisch. Insbesondere ist (K \ {0}, ·) zyklisch, falls |K| < ∞.
10
6
Primzahlen
Primzahlen
6.1 Notation. Sei P die Menge der Primzahlen.
6.2 Satz [Euklid]. Es gibt unendlich viele Primzahlen.
6.3 Bemerkung.
i) Es gibt beliebig große Lücken zwischen Primzahlen. Denn für n ∈ N ist
keine der folgenden Zahlen ein Primzahl:
(n + 1)! + 2, (n + 1)! + 3, . . . , (n + 1)! + n + 1.
ii) Sind p, p+2 zwei Primzahlen, so heißt das Paar (p, p+2) Primzahlzwilling.
Es wird vermutet, dass es unendlich viele Primzahlzwillinge gibt.
1919 zeigte V. Brun, dass
X
(p,p+2)∈P×P
1
1
+
p p+2
konvergiert.
iii) Für n ∈ N, n ≥ 3, enthält {n, n + 1, . . . , n! − 1} mindestens eine Primzahl.
6.4 Satz [Bertrandsches Postulat]. Sei n ∈ N. Dann enthält {n + 1, . . . , 2 n}
mindestens eine Primzahl.
6.5 Bemerkung. H. L. Montgomery (1969) zeigte: Für jedes > 0 gibt es ein
3
n0 ∈ N, sodass für alle n ≥ n0 eine Primzahl p existiert mit n < p < n + n 5 + .
6.6 Notation [Fermatsche (Prim–)Zahlen]. (Prim–)Zahlen der Form 2n + 1
heißen Fermatsche (Prim–)Zahlen.
6.7 Bemerkung.
k
i) Fermatsche Primzahlen haben die Form p = 22 + 1, das heißt, der Exponent n muss eine Zweierpotenz sein.
k
ii) Die einzigen bekannten Fermatschen Primzahlen sind 22 + 1 für k =
5
0, 1, 2, 3, 4, also p = 3, 5, 17, 257, 65537. Es ist 22 + 1 = 4294967297 =
641 · 6700417.
iii) Ein regelmäßiges n-Eck ist genau dann mit Zirkel und Lineal konstruierbar, wenn
n = 2k · p1 · . . . · ps
wobei k ∈ N0 und pi paarweise verschiedene Fermatsche Primzahlen sind.
6.8 Notation [Mersennesche (Prim–)Zahlen]. (Prim–)Zahlen der Form 2n −
1 heißen Mersennesche (Prim–)Zahlen.
11
Primzahlen
6.9 Bemerkung.
i) Ist 2n − 1 eine Primzahl, dann ist auch n eine Primzahl.
ii) Für p = 2, 3, 5, 7 erhält man 2p − 1 = 3, 7, 31, 127. Jedoch ist 211 − 1 =
2047 = 23 · 89. Größte bekannte Mersennsche Primzahl ist 224.036.583 − 1
(hat 7.235.733 Stellen). Siehe www. utm. edu/ research/ primes . Es ist
offen, ob es unendlich viele Mersennsche Primzahlen gibt.
iii) Ein effizientes Testverfahren für Mersennesche Zahlen ist der Lucas–Lehmer–
Test: Sei n1 := 4 und nj+1 := n2j − 2 für j ≥ 1. Es ist 2p − 1 eine Primzahl
genau dann, wenn 2p − 1 Teiler von np−1 ist.
6.10 Satz [Euler].
P
i) Die Summe p∈P
1
p
über alle Primzahlen p divergiert. Genauer gilt
X
p∈P, p≤x
1
> ln(ln x) − 1.
p
ii) |{p ∈ P : p ≤ x}| ≥ ln(x) − 1.
6.11 Bemerkung [Primzahlen in arithmetischen Progressionen].
i) Die Folge (2n + 1)n∈N enthält unendlich viele Primzahlen.
ii) Die Folge (3n + 2)n∈N enthält unendlich viele Primzahlen.
iii) Dirichlet bewies 1837: Seien m, r ∈ N teilerfremd. Dann enthält die Folge
(m n + r)n∈N unendlich viele Primzahlen.
6.12 Definition [Primzahlfunktion]. Für x ∈ R sei
Π(x) := {p ∈ P : p ≤ x}
6.13 Satz [Primzahlsatz].
lim
x→∞
Π(x)
x
ln(x)
=1
6.14 Bemerkung. Der Primzahlsatz wurde bereits 1792 von Gauß vermutet,
das heißt, er war 15 zu dieser Zeit. Bewiesen wurde der Satz von Hadamard und
de la Vallée–Poussin 1896 unter Verwendung der Riemannschen Zetafunktion.
Den ersten wichtigen Beitrag zum Beweis des Primzahlsatzes lieferte Tschebychef 1852.
6.15 Satz [Tschebychef ]. Für alle n ∈ N, n ≥ 4 gilt
n
1 n
≤ Π(n) ≤ 6
.
4 ln n
ln n
12
Primzahlen
6.16 Bemerkung. Sorgfältigere Abschätzungen im Beweis liefern bessere Konstanten als 14 und 6. Tschebychef bewies
0, 89
für x hinreichend groß“.
”
x
x
≤ Π(x) ≤ 1, 11
ln x
ln x
13
Kreisteilungpolynome
7
Kreisteilungpolynome
7.1 Definition [Einheitswurzel]. Sei ∈ C. Dann heißt n-te (komplexe)
Einheitswurzel falls n = 1 und primitive n-te Einheitswurzel falls ord = n
gilt.
7.2 Bemerkung. Die Menge aller n-ten Einheitswurzeln in C ist
E = {e
2πi
·k
n
| k = 0, 1, . . . , n − 1}.
Diese Menge ist eine zyklische Gruppe der Ordnung n, wobei E =< e
2πi
n
> gilt.
7.3 Definition [Kreisteilungspolynom]. Sei n ∈ N und E die Menge aller
primitiven n-ten Einheitswurzeln. Dann heißt
Y
Φn = Φn (x) :=
(x − ) ∈ C[x]
∈E
n-tes Kreisteilungspolynom.
7.4 Lemma.
i) xn − 1 =
Q
d|n Φd (x).
ii) Φn (x) ∈ Z[x].
7.5 Bemerkung. Das n-te Kreisteilungspolynom Φn (x) ist irreduzibel in Z[x]
und in Q[x].
7.6 Satz [Dirichlet]. Sei n ∈ N. Es gibt unendlich viele Primzahlen der Form
p ≡ 1 (mod n).
Die Einheitengruppe (Z/nZ)∗
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8
Die Einheitengruppe (Z/nZ)∗
8.1 Definition [Ring, Einheiten].
i) Eine nichtleere Menge R mit den beiden Verknüpfungen
+:R×R→R
·:R×R→R
und
heißt Ring, falls R die folgenden Eigenschaften erfüllt
1) (R, +) ist eine abelsche Gruppe,
2) a · (b · c) = (a · b) · c,
∀a, b, c ∈ R,
3) a · (b + c) = a · b + a · c und (a + b) · c = a · c + b · c,
∀a, b, c ∈ R.
ii) Der Ring (R, +, ·) heißt Ring mit Einselement (1) falls es ein Neutralelement 1 bezüglich der Multiplikation · gibt, d.h., es gilt a · 1 = a = 1 · a
für alle a ∈ R. Der Ring R heißt kommutativ falls
a · b = b · a,
∀a, b ∈ R
gilt.
iii) Sei R Ring mit 1. Dann heißen die Elemente in
R∗ := { x ∈ R : ∃ y ∈ R : x · y = 1 = y · x}
die Einheiten von R.
8.2 Bemerkung. Die Menge R∗ ist eine (multiplikative) Gruppe.
8.3 Satz. Sei n ∈ N≥2 . Dann ist
(Z/nZ)∗ = { [a] : a ∈ Z, ggT (a, n) = 1 }.
8.4 Korollar. Der Ring (Z/nZ) ist genau dann ein Körper, wenn n eine Primzahl ist.
8.5 Satz. Seien n1 , . . . , ns ∈ Z paarweise teilerfremd. Dann gilt
(Z/(n1 · . . . · ns Z))∗ ∼
= (Z/n1 Z)∗ × . . . × (Z/ns Z)∗ .
8.6 Definition [Eulersche ϕ–Funktion]. ϕ : N → N mit
ϕ(1) := 1 und ϕ(n) := |(Z/nZ)∗ | für n > 1.
heißt Eulersche ϕ–Funktion.
8.7 Satz.
i) Ist ggT (n, m) = 1, dann gilt ϕ(nm) = ϕ(n)ϕ(m).
Die Einheitengruppe (Z/nZ)∗
15
ii) Sei p eine Primzahl und a ∈ N. Daraus folgt ϕ(pa ) = pa−1 (p − 1). Insbesondere gilt für n = pa11 · . . . · pas s die Gleichung
ϕ(n) =
s
Y
pai i −1 (pi − 1)
i=1
8.8 Bemerkung. Ein reguläres n–Eck ist genau dann mit Zirkel und Lineal
konstruierbar, wenn ϕ(n) eine Zweierpotenz ist (Beweis später ...).
8.9 Satz. Seien a ∈ Z, n ∈ N≥2 und ggT (a, n) = 1. Dann gilt
aϕ(n) ≡ 1 mod n.
8.10 Satz.
i) (Z/2Z)∗ =< [1] > ist zyklisch,
(Z/4Z)∗ =< [3] > ist zyklisch,
(Z/8Z)∗ = {[1], [3], [5], [7]} ist nicht zyklisch.
ii) Für a > 2 ist (Z/2a Z)∗ ∼
=< [−1] > × < [5] >. Insbesondere ist (Z/2a Z)∗
nicht zyklisch für a > 2.
8.11 Satz. Sei p ∈ P\{2} und a ∈ N≥1 . Dann ist (Z/pa Z)∗ zyklisch.
Ist [g] ein erzeugendes Element von (Z/pZ)∗ mit g p−1 6≡ 1 mod p2 , so ist [g]
auch ein erzeugendes Element von (Z/pa Z)∗ .
8.12 Satz.
(Z/nZ)∗ zyklisch ⇔ n ∈ {2, 4, pa , 2pa : p ∈ P\{2}, a ∈ N}.
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Das RSA–Verfahren
Das RSA–Verfahren
9.1 Definition [Kryptosystem]. Ein Kryptosystem besteht aus
i) P einer endlichen Menge von Klartexten,
ii) C einer endlichen Menge von Chiffretexten,
iii) K einer endlichen Menge von Schlüsseln,
iv) für jedes k ∈ K existiert eine Verschlüsselungsfunktion ek : P → C und
eine Entschlüsselungsfunktion dk : C → P so dass dk ◦ ek = idP gilt.
9.2 Bemerkung [Public–Key Kryptographie, Diffie&Hellman 1976]. Jeder
Teilnehmer gibt seinen Schlüssel k und die Verschlüsselungsfunktion ek bekannt.
Geheim bleibt nur die Entschlüsselungsfunktion dk . Es wird gefordert, dass sich
dk nicht mit realisierbaren Rechenaufwand aus ek und k berechnen lässt. Ein
solches ek heißt Einwegfunktion.
9.3 Bemerkung. Beispiele für Einwegfunktionen:
i) Diskreter Logarithmus:
Sei G =< g > eine zyklische Gruppe von großer“ Ordnung n. Wir defi”
nieren die folgende Funktion
f : Z/nZ −→ G
a −→ g a
Aus der Kenntnis von g a = h lässt sich a = logg h nicht mit realisierbaren
Aufwand berechnen. Beispiele für die zyklische Gruppe sind G = (Z/pZ)∗
oder Punkte auf elliptischen Kurven.
ii) Faktorisierung großer Zahlen.
9.4 Lemma. Sei n = p · q mit ungeraden Primzahlen p und q. Die Faktorisierung von n ist genau dann bekannt, wenn ϕ(n) bekannt ist.
9.5 Bemerkung [RSA–Verfahren, R. Rivest, A. Shamir, L. Adleman 1978].
Teilnehmer A wählt zwei große Primzahlen p 6= q und setzt n := p · q. Danach berechnet er ϕ(n) = (p − 1)(q − 1) und ein e mit 1 < e < ϕ(n) und
ggT (e, ϕ(n)) = 1. Das e wird dabei zufällig gewählt und mit dem Euklidischen
Algorithmus überprüft. Weiter berechnet A mit dem “erweiterten” Euklidischen
Algorithmus ein d zwischen 1 und ϕ(n) mit de ≡ 1 (mod ϕ(n)).
Es gelte P = C = Z/nZ,
Verschlüsselung: x 7→ xe (mod n),
Entschlüsselung: y 7→ y d (mod n),
öffentlicher Schlüssel von A: (n, e),
privater Schlüssel von A: d.
Der private Schlüssel d ist von einem Angreifer nicht berechenbar. Denn d = e−1
in (Z/ϕ(n)Z)∗ , aber ϕ(n) ist dem Angreifer unbekannt, außer er kennt p und
q. Also beruht die Sicherheit des RSA–Verfahrens auf der Schwierigkeit der
Faktorisierung großer Zahlen.
17
Quadratische Reste
10
Quadratische Reste
10.1 Definition [Quadratischer (Nicht-)Rest]. Sei m ∈ N, m > 1, a ∈ Z mit
ggT (a, m) = 1. Wenn die Kongruenz x2 ≡ a (mod m) eine Lösung hat, dann
heißt a quadratischer Rest modulo m sonst heißt a quadratischer Nichtrest.
10.2 Lemma. Sei p ∈ P \ {2}. In {1, . . . , p − 1} gibt es
und p−1
2 quadratische Nichtreste modulo p.
p−1
2
quadratische Reste
10.3 Definition [Legendre–Symbol]. Sei p ∈ P\{2} eine Primzahl und a ∈ Z.
Dann nennen wir

 1, falls a quadratischer Rest modulo p,
a
−1, falls a quadratischer Nichtrest modulo p,
:=

p
0, falls p|a
das Legendre–Symbol.
10.4 Lemma. Sei p ∈ P \ {2} und seien a, b ∈ Z.
p−1
i) ap ≡ a 2 (mod p) (Eulersches Kriterium),
b
a
ii) ab
p = p
p .
10.5 Satz [Erster Ergänzungssatz]. Sei p ∈ P \ {2}. Dann gilt
p−1
−1
= (−1) 2 ,
p
das heißt, −1 ist quadratischer Rest modulo p genau dann, wenn p ≡ 1 (mod 4).
10.6 Satz [Kriterium von Gauß]. Sei p ∈ P\{2} und sei a ∈ Z mit ggT (a, p) =
p−1
1. Sei S := {−1, −2, . . . , − p−1
2 } und sei µ die Anzahl der Vielfachen a, 2a, 3a, . . . , 2 a,
die zu einem Repräsentanten aus S kongruent modulo p sind. Dann ist
a
= (−1)µ .
p
10.7 Satz [Zweiter Ergänzungssatz]. Sei p ∈ P \ {2}. Dann ist
(p+1)(p−1)
p2 −1
2
+1 falls p ≡ ±1 (mod 8)
8
= (−1) 8 = (−1)
=
.
−1 falls p ≡ ±3 (mod 8)
p
10.8 Satz [Quadratisches Reziprozitätsgesetz, Legendre 1785, Gauß 1796].
Seien p 6= q ∈ P \ {2}. Dann gilt
p−1 q−1
p
q
= (−1) 2 2
,
q
p
das heißt, pq = pq außer für p ≡ q ≡ 3 (mod 4).
18
Integritätsring
11
Integritätsring
11.1 Definition [Integritätsring].
i) Sei R ein kommutativer Ring mit 1. Der Ring R heißt nullteilerfrei, falls
aus ab = 0 stets folgt a = 0 oder b = 0 mit a, b ∈ R.
ii) Ein (kommutativer) nullteilerfreier Ring mit 1 heißt Integritätsring.
11.2 Satz. Jeder endliche Integritätsring R ist ein Körper.
11.3 Definition [Ringhomomorphismus]. Seien R und S Ringe. Die Abbildung φ : R → S heißt Ringhomomorphismus falls
i) φ(a + b) = φ(a) + φ(b),
ii) φ(a · b) = φ(a) · φ(b).
11.4 Satz [Quotientenkörper]. Sei R ein Integritätsring. Dann existiert ein
Körper K = Quot(R), der sogenannte Quotientenkörper von R, mit folgender
Eigenschaft: es gibt einen injektiven Ringhomomorphismus φ : R ,→ K und K
ist der kleinste Körper, der φ(R) ∼
= R enthält.
11.5 Bemerkung. Der Quotientenkörper ist bis auf Isomorphie eindeutig durch
R bestimmt.
19
Ideale
12
Ideale
Es sei R im Folgenden stets ein kommutativer Ring mit 1.
12.1 Definition [Ideal]. Eine Untergruppe I von (R, +) heißt Ideal von R
wenn für alle r ∈ R gilt: rI ⊂ I. Schreibweise I E R.
12.2 Bemerkung.
i) Jeder Ring R hat die trivialen Ideale {0} und R.
ii) Enthält I E R eine Einheit b ∈ R∗ , dann gilt I = (R, +).
iii) Sei a ∈ R. Dann ist < a >:= Ra = {r a : r ∈ R} ein Ideal von R. Dieses
Ideal wird das von a erzeugte Hauptideal genannt.
12.3 Satz [Faktorring]. Sei I E R. Dann wird
R/I = {r + I : r ∈ R}
zu einem Ring durch die Verknüpfungen (a + I) + (b + I) := (a + b) + I und
(a + I) · (b + I) := (a · b) + I für a, b ∈ R. R/I heißt Faktorring von R nach I.
12.4 Satz.
i) Sei φ : R → S ein Ringhomomorphismus. Dann ist ker φ := {r ∈ R :
φ(r) = 0} ein Ideal in R.
ii) Sei I E R. Dann ist φ : R → R/I, r 7→ r + I ein Ringhomomorphismus
mit ker φ = I.
12.5 Bemerkung. Also sind Ideale Kerne von Ringhomomorphismen.
12.6 Satz [Isomorphiesatz]. Sei φ : R → S ein Ringhomomorphismus. Dann
gilt
R/ker φ ∼
= φ(R).
12.7 Definition [Maximale-, Primideale].
i) Ein Ideal I E R heißt maximal falls I eine echte Untergruppe von (R, +)
ist und aus I ≤ J ≤ R entweder J = I oder J = R folgt.
ii) Ein Ideal P ER heißt Primideal falls P eine echte Untergruppe von (R, +)
ist und aus a · b ∈ P stets folgt a ∈ P oder b ∈ P .
12.8 Bemerkung. Das Ideal {0} ist ein Primideal genau dann, wenn R ein
Integritätsring ist.
12.9 Satz. Sei R ein kommutativer Ring mit 1.
i) P ist genau dann ein Primideal von R, wenn R/P ein Integritätsring ist.
20
Ideale
ii) M ist genau dann ein maximales Ideal von R, wenn R/M ein Körper ist.
iii) Jedes maximale Ideal ist ein Primideal.
12.10 Satz. Sei I E R ein Ideal mit I =
6 (R, +). Dann gibt es ein maximales
Ideal M in R mit I ⊂ M . Insbesondere hat jeder Ring maximale Ideale.
Spezielle Ringe
13
21
Spezielle Ringe
13.1 Definition [Hauptidealring, Euklidischer Ring].
i) Ein Integritätsring R heißt Hauptidealring, wenn jedes Ideal von R die
Form aR für ein a ∈ R hat.
ii) Sei R ein Integritätsring. R heißt euklidischer Ring falls es eine Funktion
α : R \ {0} → N0 mit der folgenden Eigenschaft gibt:
für a, b ∈ R \ {0} existieren Elemente q, r ∈ R mit a = q b + r, wobei r = 0
oder α(r) < α(b) gilt.
13.2 Satz. Euklidische Ringe sind stets Hauptidealringe.
13.3 Definition [Größter gemeinsamer Teiler]. Sei R ein Integritätsring und
a, b ∈ R. Dann heißt c = ggT (a, b) größter gemeinsamer Teiler von a und b wenn
i) c | a und c | b, das heißt es existieren x, y ∈ R mit a = cx und b = cy,
ii) falls d | a und d | b für ein d ∈ R, dann folgt d | c.
13.4 Definition [Faktorieller Ring (ZPE-Ring)]. Sei R ein Integritätsring.
i) Ein Element a ∈ R \ {0} heißt irreduzibel (in R) falls a ∈
/ R∗ und es gilt,
∗
∗
wenn a = a1 a2 , dann ist a1 ∈ R oder a2 ∈ R .
ii) Ein Integritätsring heißt faktoriell (oder ZPE-Ring), falls jedes a ∈ R\{0}
bis auf Einheiten eine eindeutige Zerlegung als Produkt von irreduziblen
Elementen hat.
13.5 Bemerkung. Sei R ein faktorieller Ring und a ∈ R. Faktoriell bedeutet,
dass aus
a = p1 · . . . · pr = 0 q1 · . . . · qs
mit , 0 ∈ R∗ und pi , qj ∈ R irreduzibel folgt: r = s und nach geeigneter
Umnummerierung ist pi = i qi mit i ∈ R∗ .
13.6 Satz [Emmy Noether]. Sei R ein kommutativer Ring mit 1. Dann sind
folgende Aussagen äquivalent.
i) Jedes Ideal in R ist endlich erzeugt, das heißt I = a1 R + . . . + at R.
ii) Jede aufsteigende Kette von Idealen I1 ≤ I2 ≤ I3 . . . wird stationär, das
heißt, es gibt ein m ∈ N so dass Im+k = Im für alle k ∈ N.
iii) Jede nichtleere Menge M von Idealen besitzt ein maximales Element, das
heißt, es gibt ein Ideal M ∈ M das in keinem Ideal I ∈ M echt enthalten
ist.
Ein Ring der eine (und damit alle) dieser Bedingungen erfüllt, heißt noetherscher Ring.
22
Spezielle Ringe
13.7 Satz. Jeder Hauptidealring ist faktoriell.
13.8 Definition [Primelemente]. Ein Element 0 6= p ∈ R \ R∗ heißt prim,
wenn aus p | ab folgt: p | a oder p | b.
13.9 Bemerkung. Ist p prim, dann ist p auch irreduzibel in R. Ist R Hauptidealring, dann ist p genau dann prim, wenn p irreduzibel ist.
13.10 Definition. Sei d ∈ Z \ {0, 1} quadratfrei.
√
√
Q[ d] := {a + b d : a, b ∈ Q} ⊆ C,
√
√
Z[ d] := {a + b d : a, b ∈ Z} ⊆ C .
13.11 Bemerkung. Die obigen Mengen sind Ringe, denn
√
√
√
(a + b d)(c + e d) = ac + dbe + (ae + bc) d.
√
Der Ring Q[ d] ist sogar ein Körper, denn
√
√ −1
√
a−b d
(a + b d) = 2
∈
Q[
d].
a − b2 d
23
Der Polynomring Z[x]
14
Der Polynomring Z[x]
14.1 Definition [Primitive Polynome].
P
i) Ein Polynom f = ni=0 ai xi ∈ Z[x] heißt primitiv, falls ggT (a0 , a1 , . . . , an ) =
1.
ii) Sei p eine Primzahl. Die Abbildung b: Z[x] → (Z/pZ)[x] mit
fb =
n
X
b
ai xi ,
i=0
wobei b
ai = [ai ] = ai + pZ, ist ein Ringhomomorphismus.
14.2 Lemma. Sind die Polynome f, g ∈ Z[x] primitiv, dann ist auch das Produkt f · g primitiv.
14.3 Lemma [Gauß]. Ist f ∈ Z[x] irreduzibel und primitiv, dann ist auch
f ∈ Q[x] irreduzibel.
14.4 Bemerkung. Die Umkehrung gilt nicht. Denn zum Beispiel ist das Polynom 2x irreduzibel in Q[x], aber nicht irreduzibel in Z[x], da 2 keine Einheit
in Z[x] ist.
14.5 Satz. Der Polynomring Z[x] ist faktoriell.
P
14.6 Satz [Eisenstein–Kriterium]. Sei f = ni=0 ai xi ∈ Z[x] primitiv, und sei
p Primzahl mit p/| an , p | ai für i = n − 1, . . . , 0, und p2 /| a0 . Dann ist f in Z[x],
und damit auch in Q[x] irreduzibel.
24
Körpererweiterungen
15
Körpererweiterungen
15.1 Notation. Seien K, L Körper mit K ⊂ L. Dann heißt L Körpererweiterung von K (Schreibweise: L/K).
15.2 Bemerkung. Sei L/K Körpererweiterung und sei A ⊂ L.
i) Sei R die Menge aller Unterringe R ⊂ L mit K ∪ A ⊂ R. Dann ist
\
K[A] :=
R = { f (a1 , . . . , an ) : f ∈ K[x1 , . . . , xn ], n ≥ 1, ai ∈ A }
R∈R
der kleinste Unterring von L, der K und A enthält.
ii) Sei M die Menge aller Teilkörper M ⊂ L mit K ∪ A ⊂ M . Dann ist
\
K(A) :=
M
M ∈M
=
f (a1 , . . . , an ) f ∈ K[x1 , . . . , xn ], g ∈ K[x1 , . . . , xm ],
g(b1 , . . . , bm ) n, m ≥ 1, ai , bj ∈ A, g(b1 , . . . , bm ) 6= 0
der kleinste Teilkörper von L, der K und A enthält.
15.3 Definition [Grad einer Körpererweiterung]. Sei L/K Körpererweiterung. Dann ist L ein Vektorraum über K. Der Grad der Körpererweiterung
wird bezeichnet mit |L : K| := dimK L.
15.4 Definition [Algebraische, endlich erzeugte, einfache Köpererweiter.].
Sei L/K eine Körpererweiterung.
i) Ein Element a ∈ L heißt algebraisch über K, falls ein von Null verschiedenes Polynom f ∈ K[x] mit f (a) = 0 existiert. Ist a ∈ L nicht algebraisch
über K, so heißt a transzendent.
ii) Eine Körpererweiterung L/K heißt algebraisch, wenn jedes a ∈ L algebraisch über K ist.
iii) L/K heißt endlich, wenn |L : K| < ∞.
iv) L/K heißt endlich erzeugt, falls L = K(a1 , . . . , an ) mit geeigneten ai ∈ L.
v) L/K heißt einfach, falls L = K(a) mit a ∈ L. Das Element a heißt dann
primitives Element der Körpererweiterung L/K.
15.5 Satz. Sei L/K eine Körpererweiterung, a ∈ L transzendent über K und
x eine Unbestimmte. Dann ist K[a] ∼
= K[x] und K(a) ∼
= K(x).
15.6 Bemerkung. Der Nachweis von Transzendenz für spezielle Zahlen ist im
allgemeinen sehr schwierig. Zum Beispiel sind e und π transzendent über Q
(Hermite 1873 bzw. Lindemann 1882). Offenes Problem: Ist e + π transzendent
über Q?
Körpererweiterungen
25
15.7 Definition [Minimalpolynom]. Sei L/K eine Körpererweiterung und a ∈
L algebraisch über K. Dann ist
Ia := {f ∈ K[x] : f (a) = 0}
ein Ideal in dem Hauptidealring K[x]. Sei ma ∈ K[x] mit Ia = ma K[x] und sei
ma normiert (führender Koeffizient gleich 1). Dann heißt ma Minimalpolynom
von a.
15.8 Bemerkung. Das Minimalpolynom ist eindeutig bestimmt.
15.9 Satz. Sei L/K eine Körpererweiterung, a ∈ L algebraisch über K mit
Minimalpolynom ma . Dann gelten die folgenden Aussagen
i) ma ist irreduzibel in K[x],
ii) K(a) = K[a] ∼
= K[x]/(ma K[x]),
iii) |K(a) : K| = gradma .
15.10 Satz [Schachtelungssatz /Gradsatz]. Seien K ⊂ L ⊂ M Körpererweiterungen. Dann ist
|M : K| = |M : L| · |L : K|.
Genauer gilt, wenn {mi : i ∈ I ⊂ N} Basis von M/L und {lj : j ∈ J ⊂ N} Basis
von L/K ist, dann ist {mi lj : i ∈ I, j ∈ J} Basis von M/K.
15.11 Lemma. Sei L/K eine endliche Körpererweiterung. Dann ist L/K algebraisch und endlich erzeugt.
15.12 Satz. Sei L/K eine Körpererweiterung und a ∈ L. Dann sind folgende
Aussagen äquivalent.
i) a ∈ L ist algebraisch über K,
ii) |K(a) : K| < ∞,
iii) K(a)/K ist algebraisch,
iv) K(a) = K[a].
15.13 Satz.
i) Seien K ⊆ L ⊆ M . Es ist M/K genau dann algebraisch, wenn L/K
algebraisch und M/L algebraisch sind.
ii) Sei L/K eine Körpererweiterung. Dann ist
A := {l ∈ L : l algebraisch über K}
ein Körper.
iii) Ist l ∈ L algebraisch über A, dann ist l ∈ A.
26
Körpererweiterungen
15.14 Satz. Alle Kreisteilungspolynome Φn sind irreduzibel in Q[x].
15.15 Satz. Sei ∈ C eine primitive n-te Einheitswurzel. Dann gilt
|Q() : Q| = ϕ(n).
15.1 Konstruktion mit Zirkel und Lineal
• Sei M eine Menge von Punkten im R2 = C, G(M) die Menge der Geraden
durch zwei Punkte aus M , und K(M ) die Menge der Kreise mit Mittelpunkt in M und einem Radius gleich dem Abstand zweier Punkte aus M .
Wir erlauben die folgenden Operationen zur Konstruktion neuer Punkte.
i) Schnitt zweier Geraden aus G(M ),
ii) Schnitt einer Geraden aus G(M ) mit einem Kreise aus K(M ),
iii) Schnitt zweier Kreise aus K(M ).
• Sei weiter M 0 die Menge aller Punkte, die aus M mit i)-iii) in einem
Schritt konstruiert werden können. Wir beginnen mit der Menge M0 =
{(0, 0), (1, 0), (0, 1)} und setzen Mn+1 = Mn0 .
15.16 Definition. Die Menge der mit Zirkel und Lineal konstruierbaren Punkte ist gegeben durch
c := ∪∞
M
n=0 Mn .
15.17 Lemma.
i) Ein Punkt (a, b) ∈ R2 = C ist genau dann konstruierbar, wenn (a, 0) und
(0, b) konstruierbar sind.
√
ii) Sind a, b ∈ R konstruierbar, dann sind auch a±b, a·b, ab , a konstruierbar.
15.18 Satz. Der Punkt (a, b) ∈ R2 ist aus M = {(0, 0), (1, 0), (0, 1)} genau
dann konstruierbar, wenn ein Körper L ⊃ Q mit a, b ∈ L existiert, so dass es
eine Kette von Zwischenkörpern
Q ⊂ Q(u1 ) ⊂ Q(u1 , u2 ) ⊂ . . . ⊂ Q(u1 , . . . , um ) = L ⊂ R
mit u2i ∈ Q(u1 , . . . , ui−1 ) gibt.
15.19 Lemma.
i) Sei (a, b) ∈ R2 konstruierbar. Daraus folgt
|Q(a, b) : Q | = 2l
mit geeignetem l ∈ N.
ii) Ist das reguläre n–Eck mit Zirkel und Lineal konstruierbar, so gilt
n = 2l p1 · · · ps
mit paarweise verschiedenen Fermatschen Primzahlen pi .
Körpererweiterungen
27
15.20 Bemerkung [Quadratur des Kreises].
Problem: Kann man aus M = {(0, 0), (1, 0), (0, 1)} ein Quadrat mit Flächeninhalt π mit Zirkel und Lineal konstruieren? Das heißt, gibt es ein l ∈ N mit
√
√
der Eigenschaft |Q( π) : Q| = 2l ? Da π transzendent ist, ist auch π transzendent, denn die algebraischen Elemente bilden einen Körper. Folglich ist
√
√
|Q( π) : Q| = ∞ und insbesondere ist π nicht konstruierbar!
15.21 Bemerkung [Delisches Problem der Würfelverdopplung].
Problem: Kann man aus dem Einheitswürfel einen Würfel mit doppeltem Vo√
3
2
lumen konstruieren, d.h., kann man mit Zirkel und Lineal die Kantenlänge
√
konstruieren? Falls ja, dann muss es ein l ∈ N geben mit |Q( 3 2)√: Q| = 2l .
Nach dem
Eisensteinkriterium ist x3 − 2 das Minimalpolynom von 3 2. Folglich
√
3
ist |Q( 2) : Q| = 3 und damit ist das Delische Problem unlösbar!
28
Zerfällungskörper und algebraischer Abschluss
16
Zerfällungskörper und algebraischer Abschluss
16.1 Lemma [Zerfällungskörper]. Sei K ein Körper und f ∈ K[x] mit gradf >
1. Dann existiert ein Erweiterungskörper E ⊃ K, so dass f in E[x] in Linearfaktoren zerfällt, das heißt, alle Nullstellen a1 , . . . , an von f liegen in E.
K(a1 , . . . , an ) heißt Zerfällungskörper von f .
16.2 Satz [Fortsetzung von Isomorphismen]. Seien K ⊂ K 0 , L ⊂ L0 Körper,
a ∈ K 0 , b ∈ L0 und sei ρ : K → L ein Isomorphismus.
i) Dann existiert ein Isomorphismus der Polynomringe
σ : K[x] −→ L[y]
x
7−→
y
mit σ|K = ρ
und ein Isomorphismus der rationalen Funktionenkörper
σ : K(x) −→ L(y)
ii) Dann existiert ein Isomorphismus
τ : K(a) −→ L(b)
a
7−→
b
mit τ|K = ρ
falls
1) a, b transzendent
2) a, b algebraisch und für die Minimalpolynome ma (bzgl. K) und mb
(bzgl. L) gilt σ(ma ) = mb .
16.3 Korollar. Sei f ∈ K[x], gradf ≥ 2. Sind E, L Zerfällungskörper von f ,
so gilt E ∼
= L.
16.4 Satz. Seien n ∈ N und p eine Primzahl. Dann gibt es bis auf Isomorphie
genau einen endlichen Körper mit pn Elementen. Bezeichnung: Fpn = GF(pn )
16.5 Bemerkung [Konstruktion für endliche Körper]. Seien m, n ∈ N, p eine Primzahl und K ein Körper mit |K| = pm . Sei f ∈ K[x] irreduzibel vom
Grad n. Dann ist
K[x]/(f K[x]) ∼
= GF(pm n )
ein Körper mit der Basis 1, x, x2 , . . . , xn−1 als Vektorraum über K.
16.6 Definition [Algebraisch abgeschlossen, algebraischer Abschluss].
i) Ein Körper K heißt algebraisch abgeschlossen, wenn jedes Polynom
f ∈
Q
K[x] mit gradf ≥ 1 in Linearfaktoren zerfällt, das heißt, f = a (x − ai )
mit a, ai ∈ K.
ii) Eine Körpererweiterung L ⊇ L heißt algebraischer Abschluss von L, falls
L algebraisch abgeschlossen und L/L algebraisch ist.
Zerfällungskörper und algebraischer Abschluss
29
16.7 Bemerkung.
i) Sei K algebraisch abgeschlossen und L/K algebraisch. Dann folgt L = K.
ii) Der Körper der komplexen Zahlen C ist algebraisch abgeschlossen. Es gilt
C = R(i) und somit ist C der algebraische Abschluss von R.
16.8 Satz [Steinitz 1910]. Jeder Körper K besitzt einen algebraischen Abschluss.
16.9 Lemma. Sei E/K algebraisch. Sei E1 algebraisch abgeschlossen und sei
ρ : K → ρ(K) ⊂ E1 ein Isomorphismus. Dann existiert ein injektiver Homomorphismus Ψ : E → E1 mit Ψ|K = ρ.
16.10 Satz. Sei K ein Körper und seien K1 , K2 algebraische Abschlüsse von
K. Dann ist K1 ∼
= K2 .
30
Normale und separable Körpererweiterungen
17
Normale und separable Körpererweiterungen
17.1 Definition [Einbettung]. Seien Ei /Ki , i = 1, 2 Körpererweiterungen,
und sei φ : K1 → K2 ein Isomorphismus.
i) Ein injektiver Homomorphismus ψ : E1 → E2 heißt (injektiver) Homomorphismus über φ, falls ψ|K1 = φ.
ii) Ist K1 = K2 und φ = id, so heißt ein injektiver Homomorphismus ψ :
E1 → E2 über φ auch Einbettung von E1 in E2 über K1 .
17.2 Lemma. Sei E/K algebraisch. Jede Einbettung ψ von E in sich selbst
über K ist bijektiv, das heißt ein Automorphismus.
17.3 Definition [Normale Erweiterungen]. Eine Körpererweiterung E/K heißt
normal, falls gilt:
i) E/K ist algebraisch,
ii) Ist f ∈ K[x] irreduzibel und hat f eine Nullstelle in E, so liegen alle
Nullstellen von f in E.
17.4 Satz. Sei E/K algebraisch. Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent.
i) E/K ist normal,
ii) Jede Einbettung von E über K in den algebraischen Abschluss K von K
ist ein Automorphismus von E,
iii) Es gibt eine Menge M ⊂ K[x] von Polynomen, so dass E der Zerfällungskörper von M über K ist, das heißt,
E = K(a : a ∈ K, ∃f ∈ M, f (a) = 0).
17.5 Bemerkung. Jede Körpererweiterung vom Grad 2 ist normal.
17.6 Definition [Separable Erweiterungen, vollkommene Körper]. Sei E/K
algebraisch und a ∈ E.
i) Das Element a heißt separabel über K, falls sein Minimalpolynom ma ∈
K[x] nur einfache Nullstellen (über dem algebraischen Abschluss K) hat.
ii) Die Körpererweiterung E/K heißt separabel, falls alle a ∈ E separabel
über K sind.
iii) Ein Körper K heißt vollkommen, falls alle algebraischen Erweiterungen
von K separabel sind, das heißt, jedes irreduzible Polynom in K[x] hat
nur einfache Nullstellen in K.
17.7 Satz.
i) Alle Körper der Charakteristik 0 sind vollkommen.
Normale und separable Körpererweiterungen
31
ii) Alle endlichen Körper sind vollkommen.
17.8 Satz. Sei E/K algebraisch und |E : K| = n < ∞. Dann sind folgende
Aussagen äquivalent:
i) E/K ist separabel,
ii) es gibt genau n Einbettungen von E in K über K.
17.9 Satz [Satz vom primitiven Element]. Jede endliche separable Körpererweiterung E/K besitzt ein primitives Element a, das heißt E = K(a).
32
Galoistheorie
18
Galoistheorie
18.1 Definition [Fixkörper]. Sei E/K eine Körpererweiterung.
i) Die Menge
Aut(E/K) := {α Automorphismus von E → E mit α|K = id}
ist eine Gruppe durch Komposition von Abbildungen.
ii) Für eine Untergruppe H ≤ Aut(E/K) heißt
Fix(H) := {x ∈ E : σ(x) = x ∀σ ∈ H}
Fixkörper von H. Es ist K ⊂ Fix(H) ⊂ E.
iii) Sei K ⊂ L ⊂ E ein Zwischenkörper.
Fix(L) := {σ ∈ Aut(E/K) : σ(l) = l ∀ l ∈ L}.
Dies ist eine Untergruppe von Aut(E/K).
18.2 Bemerkung. Sei E = K(a) eine einfache algebraische Körpererweiterung und ma = xn + . . . = (x − a)(x − a2 ) . . . (x − an ) ∈ K[x], ai ∈ K, das
Minimalpolynom von a. Sei σ : E → K eine Einbettung über K. Dann ist σ
festgelegt durch σ(a) ∈ {a, a2 , . . . , an }, also eine Permutation der Nullstellen“.
”
Folglich ist die Anzahl der Einbettungen gleich der Anzahl der verschiedenen
Nullstellen ai ≤ gradma = |E : K|. Es gelten die folgenden Aussagen
i) E/K ist genau dann separabel, wenn #{Einbettungen} = |E : K|.
ii) E/K ist genau dann normal, wenn #{Einbettungen} = |Aut(E/K)|.
iii) E/K ist separabel und normal genau dann, wenn |Aut(E/K)| = |E : K|.
iv) Ist E/K separabel und E ⊃ L ⊃ K, dann ist auch E/L separabel (denn
ma,L ist Teiler von ma,K ).
18.3 Definition [Galoiserweiterung, Galoisgruppe]. Ist E/K endlich, normal und separabel, so heißt E/K Galoiserweiterung, und Aut(E/K) heißt Galoisgruppe. Bezeichnung Gal(E/K).
18.4 Bemerkung. Insbesondere gilt |Gal(E/K)| = |E : K|.
18.5 Satz. Sei E/K separabel mit |E : K| = n < ∞. Dann sind folgende
Aussagen äquivalent.
i) |Aut(E/K)| = n,
ii) E/K ist normal,
iii) Fix(Aut(E/K)) = K.
33
Galoistheorie
18.6 Lemma. Sei E/K endlich, separabel, H ≤ Aut(E/K) eine Untergruppe,
und L = Fix(H). Daraus folgt, dass E/L galoissch ist mit der Galoisgruppe
Gal(E/L) = H.
18.7 Satz [Hauptsatz der Galoistheorie]. Sei E/K eine Galoiserweiterung mit
Galoisgruppe G = Gal(E/K). Dann gelten die folgenden zwei Aussagen:
i) Es gibt eine inklusionsumkehrende Bijektion zwischen der Menge aller
Untergruppen H ≤ Gal(E/K) und der Menge der Zwischenkörper M
von E/K:
h
H 7−→ Fix(H) = {a ∈ E | σ(a) = a ∀σ ∈ H}
M
g
7−→ Fix(M ) = Aut(E/M ) = {σ ∈ G : σ|M = id}.
ii) Für alle Zwischenkörper M ist E/M galoissch mit der Galoisgruppe g(M ) =
Fix(M ). Die Erweiterung M/K ist genau dann galoissch, wenn g(M ) E G
Normalteiler ist. In diesem Fall gilt
Gal(M/K) = G/g(M ).
18.8 Satz. Das reguläre n-Eck ist mit Zirkel und Lineal genau dann konstruierbar, wenn n = 2l p1 · · · pr , l ∈ N0 und pi paarweise verschiedene Fermatsche
Primzahlen sind.
18.9 Lemma. Ist f (x) ∈ R[x] ein Polynom mit ungeradem Grad, dann hat f
eine Nullstelle in R.
18.10 Satz [Fundamentalsatz der Algebra]. Der Körper der komplexen Zahlen C ist algebraisch abgeschlossen.
18.11 Bemerkung. Der endliche Körper Fpn = GF(pn ) ist der Zerfällungsn
körper von xp − x ∈ Fp [x]. Die Körpererweiterung Fpn /Fp hat die folgenden
Eigenschaften,
i) endlich, genauer |Fpn /Fp | = n,
ii) separabel (Fp vollkommen),
iii) normal.
Folglich ist Fpn /Fp eine Galoiserweiterung und Gal(Fpn /Fp ) die zugehörige Galoisgruppe.
18.12 Definition [Frobenius–Automorphismus]. Die Abbildung
σ : Fpn → Fpn , σ(a) = ap .
heißt Frobenius–Automorphismus.
34
Galoistheorie
18.13 Bemerkung.
i) Die Abbildung ist sicherlich injektiv und, da |Fpn | endlich ist, auch surjektiv.
ii) Für b ∈ Fp ⊂ Fpn gilt bp = b, und somit, σ ∈ Gal(Fpn /Fp ).
18.14 Satz.
i) Die Galoisgruppe Gal(Fpn /Fp ) ist eine zyklische Gruppe der Ordnung n
und wird erzeugt vom Frobenius–Automorphismus σ, das heißt, es gilt
Gal(Fpn /Fp ) =< σ > .
ii) Alle Zwischenkörper von Fpn /Fp sind von der Form Fpm mit m | n. Die
n
Galoisgruppe Gal(Fpn /Fpm ) =< σ m > ist zyklisch von der Ordnung m
.
18.15 Bemerkung. Sei G eine endliche Gruppe. Man kann zeigen, dass eine
Galoiserweiterung L/K mit Gal(L/K) = G existiert. Das Problem Gibt es
”
eine Galoiserweiterung E/Q mit Gal(E/Q) = G? “ ist offen!
18.16 Satz. Sei H eine
Qr endliche abelsche Gruppe. Dann gibt es Primzahlen
p1 , . . . , pr mit n =
i=1 pi und primitive n-te Einheitswurzel, sodass ein
Körper E ⊂ Q() existiert mit E/Q galoissch und Gal(E/Q) ∼
= H.
Auflösung algebraischer Gleichungen
19
35
Auflösung algebraischer Gleichungen
19.1 Definition. Sei K ein Körper, K der algebraische Abschluss und a =
6 0
ein Element aus K.
√
i) Eine Nullstelle von xn − a in K heißt ein Radikal. Bezeichnung n a. Der
√
Körper K( n a)/K heißt Radikalerweiterung.
ii) Sei f (x) ∈ K[x]. Die Gleichung f (x) = 0 heißt durch Radikale auflösbar,
falls der Zerfällungskörper L von f über K durch schrittweise Adjunktion
von Radikalen entsteht.
19.2 Definition. Eine endliche Gruppe G heißt auflösbar, wenn eine Kette
{e} = G0 E G1 E G2 E . . . E Gn−1 E Gn = G
existiert, so dass Gi+1 /Gi für alle i zyklisch ist. Diese Kette heißt Normalreihe.
19.3 Lemma [von Artin]. Seien L, M Körper σ1 , . . . , σn : L → M paarweise
verschiedene injektive Homomorphismen.
P Dann sind die σi linear unabhängig
über M , das heißt, sind ai ∈ M mit ni=1 ai σi (l) = 0 für alle l ∈ L, dann ist
ai = 0, 1 ≤ i ≤ n.
19.4 Bemerkung. Seien L, M Körper. Ein Homomorphismus σ : L → M ist
genau dann injektiv, wenn σ 6≡ 0.
19.5 Satz. Sei char(K) = 0 und K enthalte eine (und damit alle) primitive
n-te Einheitswurzel ζ.
i) Sei L/K eine Galoiserweiterung mit zyklischer Galoisgruppe der Ordnung
√
n. Dann existiert ein a ∈ K sodass L = K( n a).
√
ii) Sei L = K( n a) für ein a ∈ K. Dann ist L/K galoissch mit zyklischer
√
Galoisgruppe < σ >, wobei m := |K( n a) : K| = | < σ > | die kleinste
√
√
n √
natürliche Zahl ist mit ( n a)m ∈ K und σ( n a) = ζ m n a.
19.6 Lemma. Sei G eine Gruppe und N E G Normalteiler. Dann ist G genau
dann auflösbar, wenn N und G/N auflösbar sind.
19.7 Satz. Sei K ein Körper mit char(K) = 0, f (x) = an xn + . . . + a0 ∈ K[x]
und L der Zerfällungskörper von f . Es ist f (x) = 0 genau dann durch Radikale
auflösbar, wenn die Galoisgruppe Gal(L/K) auflösbar ist.
19.8 Bemerkung [Allgemeines Polynom n-ten Grades]. Seien x1 , . . . , xn Unbestimmte über dem Körper K, char(K) = 0 und
f (X) :=
n
Y
(X − xi ) = X n − (x1 + . . . + xn )X n−1 ± . . . + (−1)n x1 · . . . · xn .
i=1
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Auflösung algebraischer Gleichungen
Die elementarsymmetrische Funktionen sind wie folgt definiert
s0 := 1
n
X
s1 :=
xi
i=1
s2 :=
X
xi xj
i<j
..
.
sn := x1 · . . . · xn .
Also ist
f (X) = s0 X n − s1 X n−1 + s2 X n−2 ∓ . . . + (−1)n sn
und f heißt allgmeine Gleichung n-ten Grades. Es gilt f (X) ∈ K(s1 , . . . , sn )[X].
Der Zerfällungskörper von f ist der rationale Funktionenkörper L = K(x1 , . . . , xn )
über K. Sei E := K(s1 , . . . , sn ). Dann ist L/E eine Galoiserweiterung. Jede
Permutation π ∈ Sn der xi lässt die elementarsymmetrischen Funktionen fest.
Folglich ist π ∈ Gal(L/E) für alle π ∈ Sn . Also gilt Gal(L/E) ∼
= Sn . Für n ≥ 5
ist Sn nicht auflösbar. Daraus folgt, dass es keine allgemeine Lösungsformel für
die Nullstellen von Polynomen vom Grad ≥ 5 geben kann.
19.9 Satz [Abel]. Die allgemeine Gleichung n-ten Grades ist für n ≥ 5 nicht
auflösbar.
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