Ruhr-Universität Bochum Prof. Dr. med. U. Mittelkötter Dienstort: Katharinenhospital Unna Abt. Chirurgie Orale Applikation von Taurolidin in der chronischen DSS-Colitis der Maus: Abschwächung der Krankheitsaktivität und Mortalität Inaugural – Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin einer Hohen Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum vorgelegt von Sabrina Rottmann aus Steinhagen 2011 Dekan: Prof. Dr. med. Klaus Überla Referent: Prof. Dr. med. U. Mittelkötter Korreferent: Prof. Dr. med. L. Steinsträßer Tag der mündlichen Prüfung: 03.07.2012 Meinen Eltern und meinen Großeltern in tiefer Dankbarkeit gewidmet INHALTSVERZEICHNIS 1. EINLEITUNG........................................................................... 9 1.1 Allgemeines zu CED........................................................................ 9 1.1.1 Definition CED......................................................................... 9 1.1.2 Epidemiologie von CU und MC............................................. 11 1.1.3 Pathopyhsiologie von CED .................................................... 12 1.1.4 Heutige Therapiemöglichkeiten ............................................. 15 1.2 Taurolidin als antimikrobielle Substanz ............................................. 17 1.2.1 Struktur von Taurolidin, chemische Eigenschaften ............... 17 1.2.2 Pharmakokinetik..................................................................... 18 1.2.3 Wirkmechanismus .................................................................. 20 1.2.4 Klinischer Einsatz von TRD bisher........................................ 21 1.2.5 TRD in der CED-Therapie als neues Behandlungskonzept... 22 1.3 DSS-Colitis als Tiermodell für CED .................................................. 23 1.3.1 Beschreibung des Modells, DAI ............................................ 23 1.3.2 Pathophysologie des DSS Modells ........................................ 23 2. FRAGESTELLUNG............................................................... 25 3. MATERIAL UND METHODEN.............................................. 26 3.1 Toxizität von TRD .............................................................................. 26 3.1.1 Applikation von TRD, Dosierungen ...................................... 26 3.1.2 Klinisches Scoring, DAI......................................................... 27 3.1.3 Organentnahme....................................................................... 28 3.1.4 Histologische Auswertung, CDS............................................ 28 1 3.2 TRD in der DSS-Colitis ..................................................................... 29 3.2.1 Induktion der DSS-Colitis ...................................................... 29 3.2.2 Applikation von TRD während der DSS-Colitis ................... 29 3.2.3 Klinisches Scoring.................................................................. 30 3.2.4 Organ-Entnahme, Serum-Entnahme, Mikrobielle Proben ..... 30 3.2.5 Histologische Aufbereitung (Kryo, H&E) ............................. 31 3.2.6 Histo-Scoring.......................................................................... 32 3.3 Statistik................................................................................................ 36 4. ERGEBNISSE....................................................................... 37 4.1 Orale Langzeitapplikation von TRD................................................... 37 4.2 Toxizitätsstudie: histologische Ergebnisse ......................................... 39 4.3 Taurolidin verbessert den klinischen Verlauf der DSS Colitis........... 39 4.4 Taurolidin verbessert die histologischen Kennzeichen einer DSS ........ Colitis .................................................................................................. 40 4.5 Taurolidin verändert die bakterielle Zusammensetzung von mesenterialen Lymphknoten nicht...................................................... 42 5. DISKUSSION ........................................................................ 45 5.1 Wahl des DSS-Modells, Warum dieses Modell?................................ 45 5.2 Histoscoring nach Egger, Warum dieses Scoring-Modell?............... 48 5.3 Kurze Zusammenfassung der Ergebnisse .......................................... 49 5.4 Hat TRD eine antimikrobielle Wirkung auf die intraluminale bakterielle Flora?................................................................................ 50 5.4.1 Funktion der Darmflora in der CED und in der DSS-Colitis. 50 5.4.2 Einordnung der eigenen Ergebnisse....................................... 52 5.5 Hemmung der Zytokinfreisetzung durch TRD................................... 54 2 5.5.1 Systemische Wirkung während der SIRS-/Sepsis-Phase der DSS-Colitis....................................................................... 54 5.6 Induktion der Apoptose in Immunzellen/Epithelzellen durch TRD... 57 6. ZUSAMMENFASSUNG ........................................................ 59 7. LITERATURVERZEICHNIS .................................................. 61 3 VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN a Anno Abb. Abbildung AK Antikörper al. alii ANOVA analysis of variance BHI brain heart infusion medium bzw. beziehungsweise °C Grad Celsius ca. circa CD cluster of differentation CDS Crypt Damage Score CED chronisch entzündliche Darmerkrankungen CH2 Mehthylengruppe cm Zentimeter CO2 Kohlendioxid CU Colitis ulcerosa DAI Desease Activity Index DNA Desoxyribonukleinsäure DSS Dextran-Sulfat-Sodium E.coli Escherichia coli EMEA European Medicines Agency H2O Wasser HE Hämatoxylin-Eosin IgG1 Immunglobulin G1 IL Interleukin kDa Kilodalton 4 kg Kilogramm LD50 mittlere letale Dosis LPS Lipopolysaccharid MC Morbus Crohn MDP Muramyl-Dipeptid mg Milligramm mm Millimeter n Anzahl neg. negativ NIH National Institutes of Health NOD2/CARD 15 nucleotide-binding oligomerization domain containing 2 / caspase recruitment domain family, member 15 NW Nebenwirkungen pos. positiv PRR pattern recognition receptors SCID Schwerer komibinierter Immundefekt SEM Standard Error of the Mean SIRS systemical inflammatory response syndrom Staph. Staphylococcus SPP. species pluralis Th1 T-Helfer-Zelle Typ 1 Th2 T-Helfer-Zelle Typ 2 TLRs toll-like receptors TNBS Trinitrobenzolsulfonsäure TNF-α Tumornekrosefaktor Alpha TRD Taurolidin z.B. zum Beispiel 5 VERZEICHNIS DER TABELLEN SEITE Tabelle 1: Applikation und Dosierung von Taurolidin 26 Tabelle 2: Bestimmung des Desease Activity Index 27 Tabelle 3: Inzidenz von bakteriellen Translokationen in mesenterialen Lymphknoten 42 Tabelle 4: Zusammensetzung bakterieller Translokationen in mesenterialen Lymphknoten 43 Tabelle 5: Übersicht über experimentelle Tiermodelle 46 Tabelle 6: Fachinformation des Arzneimittels Taurolin. Arzneimittel-Kompendium der Schweiz, 2003 6 52 VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN Abb. 1: SEITE Lokalisation der Entzündung bei M. Crohn und Colitis ulcerosa Abb. 2: 10 Mukosale Entzündung bei Colitis ulcerosa und transmurale Entzündung bei Morbus Crohn 10 Abb. 3: Struktur von Taurolidin und seinen Metaboliten 18 Abb. 4: Zyklische Applikation von DSS und H2O bzw. DSS und Taurolidin Abb. 5: 30 Schemazeichnung der verschiedenen Entzündungsgrade im Querschnitt des Colon Abb. 6: 34 Mikroskopischer Querschnittes des distalen Colon mit entzündlichen Infiltraten in der Mucosa und Submucosa bei erhaltener Kryptenarchitektur Abb. 7: 35 Mikroskopischer Querschnitt des distalen Colon mit Entzündungsinfiltraten sowie Verformung bzw. Verkürzung der Krypten bei vorhandenem Epithelbesatz Abb. 8: 35 Toxizität von Taurolidin – Änderung des Körpergewichtes Abb. 9: Der Disease Activity Index der Taurolidin-Gruppen im Vergleich mit der Kontrollgruppe Abb. 10: 38 Das Überleben in der mit Taurolidin behandelten Colitis-Gruppe im Vergleich mit der Kontrollgruppe Abb. 11: 37 39 Der Disease Activity Index in der mit Taurolidin behandelten Gruppe im Vergleich mit der Kontrollgruppe 40 7 Abb. 12: Der Crypt Damage Score der Taurolidin-Gruppe im Vergleich mit der Kontrollgruppe im Coecum und im distalen Colon 41 8 1 Einleitung 1.1 Allgemeines zu CED 1.1.1 Definition CED Colitis ulcerosa (CU) und Morbus Crohn (MC) stellen die Hauptvertreter der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) dar. Sie sind gekennzeichnet durch eine chronische Entzündungsreaktion der Darmwand, die den gesamten Gastrointestinaltrakt betreffen kann. Klinische Symptome sind je nach Erkrankung abdominelle Schmerzen, teils blutige Diarrhoen und Gewichtsverlust. Bei MC können Darmstenosen und Fisteln auftreten, bei CU besteht ein erhöhtes Carcinomrisiko. Der MC ist durch eine diskontinuierlich segmental auftretende transmurale Entzündung auch der tieferen Wandschichten des gesamten Gastrointestinaltraktes mit häufigster Lokalisation im terminalen Ileum und proximalen Colon gekennzeichnet. Die CU hingegen ist eine Dickdarmerkrankung mit kontinuierlicher Ausbreitung und mit Ausbildung von Ulzerationen der oberflächlichen Schleimhautschichten [59]. 9 Abbildung 1: Lokalisation der Entzündung bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa Das Krankheitsbild der Colitis ulcerosa unterscheidet sich von dem des Morbus Crohn maßgeblich dadurch, dass die Entzündung in über 95 % der Fälle auf den Bereich des Colons begrenzt ist. Dieser ist kontinuierlich entzündet. Beim Morbus Crohn kann der gesamte Gastrointestinaltrakt betroffen sein [59]. Abbildung 2: Mukosale Entzündung bei Colitis ulcerosa und transmurale Entzündung bei Morbus Crohn 10 1.1.2 Epidemiologie von CU und MC In Deutschland leiden ca. 320.000 Menschen an chronischen entzündlichen Darmerkrankungen. Die Inzidenz für MC liegt in Deutschland bei ca. 3/100.000/a, für CU bei 4/100.000/a [135]. In einer europaweiten Studie wurde für MC eine Indzidenz von 5,6/100.000/a und für CU eine Inzidenz von 10,4/100.000/a angegeben. Hier zeigte sich weiterhin ein ausgeprägtes Nord-Süd-Gefälle. In Nordeuropa lag die Inzidenz für CU 40% über der Rate in Südeuropa, wobei sich maximale Inzidenzraten in Island ergaben. Für MC betrug dieses Nord-Süd-Gefälle sogar 80% [120]. Weltweit konnte außerdem ein West-Ost-Gefälle beschrieben werden [70]. In Regionen mit einer hohen Prävalenz von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie beispielsweise Nordamerika und Europa konnte zwischen den 60iger und 80iger Jahren ein deutlicher Anstieg dieser Erkrankungen verzeichnet werden. In den meisten Industriestaaten steigt die Inzidenz entweder weiterhin an oder aber sie stabilisiert sich, wohingegen die Inzidenz für CED in den Gebieten, in denen sie weniger verbreitet ist, ansteigt [79]. CU und MC können in jedem Lebensalter auftreten, wobei sich eine Häufung in der Altersgruppe von 15 bis 40 Jahren ergibt. Ungefähr 10% der Fälle sind im Alter von unter 18 Jahren zu verzeichen [3]. Die höchste altersspezifische Inzidenzrate für MC liegt zwischen 20 und 29 Jahren, für CU zwischen dem 20. und 39. Lebensjahr [53]. Beide Erkrankungen weisen eine bimodale Altersverteilung mit einem zweiten, etwas geringeren Gipfel zwischen 50 und 70 Jahren, auf [3]. CU tritt gehäufter bei männlichen, MC bei weiblichen Geschlecht auf. Beide Krankheiten tendieren dazu, in höheren sozioökonomischen Gruppen und in Industriestaaten aufzutreten [42]. 11 1.1.3 Pathopyhsiologie von CED Die Ätiologie von CU und MC ist bisher noch nicht vollständig aufgeklärt, jedoch scheint für ihre Entstehung die komplexe Interaktion verschiedener genetischer, mikrobieller, umweltbedingter und immunregulatorischer Faktoren verantwortlich zu sein. Dabei kommt es durch das komplexe Zuammenspiel dieser Faktoren zu einer anhaltenden Aktivierung des mukosalen Immunsystems mit einer überschießenden inflammatorischen luminale Reaktion Antigene. gekennzeichnet durch gegen normalerweise Die Entzündungsreaktion ein ausgeprägtes ungefährliche im Darm entzündliches ist Infiltrat (Makrophagen, Leukozyten), eine verstärkte Sekretion von proinflammatorischen Zytokinen (IL-1, TNFalpha, IL-6 und IL-12) und eine intestinale Barriere-Störung [2, 4, 6, 25, 33, 43, 106, 118]. - Genetische FaktorenEs existieren zahlreiche Hinweise darauf, dass MC und CU aus einer genetischen Prädisposition heraus entstehen. In diesem Zusammenhang konnten mehrere Suszeptibilitäts-Gene identifiziert werden. Zunächst konnte gezeigt werden, dass Mutationen im NOD2/CARD15 Gen (Chromosom 16) mit der Entstehung des MC verbunden sind. Die NODProteine gehören zur Familie der sog. PRR (pattern recognition receptors), die intrazellulär bakterielle Zellwandbestandteile, wie das Lipopolysaccharid (LPS) grampositiven und oder Muramyl-Dipeptid (MDP) aus -negativen Bakterien detektieren [49, 50, 61]. Sie sind Bestandteil der angeborenen Immunität des Darmtraktes, die es ermöglicht, zwischen physiologischer 12 Flora und pathogenen Mikroorganismen zu unterscheiden. Bei MC scheint dieser Mechanismus gestört zu sein. Im Falle einer Mutation findet so eine fehlerhafte Erkennung der Muramyl-Dipeptide statt [95]. Zusätzlich existieren weitere Signalwege der angeborenen Immunität, über die Bakterien direkt mit Zellen der intestinalen Mukosa interagieren können wie beispielsweise die toll-like Rezeptoren (TLRs). TLRs schützen als transmembranäre PRRs die intestinale Epithelbarriere, indem sie extrazellulär luminale Antigene erkennen, die Sekretion von inflammatorischen Cytokinen induzieren und als Aktivator antimikrobieller Signalwege fungieren [24]. -mikrobielle FaktorenEin weiterer wichtiger Aspekt, der die Pathophysiologie der CED zu erklären versucht, stellt die Beteiligung der Darmflora dar. Man geht davon aus, dass CED durch eine überschiessende Immunantwort auf nicht-pathogene Bakterien der normalen Darmflora – besonders bei genetisch prädisponierten Menschen – verursacht werden [34, 41, 114, 115]. Der Entzündungsprozess führt zu Störungen der Integrität der intestinalen Mukosa und somit zu einer Beeinträchtigung der epithelialen Barrierefunktion. Dieser Bakterienbesiedelung der Vorgang begünstigt Darmwand, was die vermehrte wiederum den Entzündungsprozess beschleunigt. In diesem Zusammenhang spielen Probiotika eine wichtige Rolle, da sie die intestinale Mikroflora modulieren und die mikrobielle intestinale Ballance verbessern können [31, 114, 117]. In der CED-Behandlung konnten beispielsweise einige Erfolge mit einem genetisch modifizierten Bakterienstamm, dem E.coli NissleStamm (Mutaflor) erzielt werden. Er wirkt protektiv auf die CU. Ein Vorteil der Probiotika-Behandlung besteht darin, dass sie keine 13 bedeutenden Nebenwirkungen aufweist [44, 45, 60, 129, 131]. -umweltbedingte FaktorenDie höheren Inzidenzraten von CED in Industriestaaten unterstützen die These, dass umweltbedingte Faktoren zu der Entwicklung der Erkrankung beitragen könnten. Dieses könnte das Ergebnis des westlichen Lebensstandards bzw. Lebensstils darstellen, der Faktoren wie die Ernährung (z.B. fast food), den Tabakkonsum, die Luftverschmutzung und Industriechemikalien beinhaltet [58]. Von diesen exogenen Faktoren kommt dem Tabakkonsum eine besondere Bedeutung zu. Es wird ein negativer Einfluss des Tabakkonsums auf den Krankheitsverlauf des MC und eine protektive Wirkung auf den Verlauf der CU diskutiert [109]. -immunregulatorische FaktorenEs gibt sichere Hinweise darauf, dass der zellvermittelte Arm der adaptiven Immunantwort, der im Falle der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen in einer Dysbalance abläuft, einem von zwei möglichen Wegen folgt: einer exzessiven T-Helfer-1-Antwort (Th1Antwort), die mit dem MC in Zusammenhang steht oder einer überschiessenden Th2-Antwort, die mit der Entwicklung der CU in Verbindung steht. Die Th1-Antwort ist durch ansteigende Produktion von Interferon-γ, TNF-α, IL-1, IL-2 und IL-6 gekennzeichnet. Die Th2Antwort steht mit zunehmender Sekretion von IL-4, IL-5, IL-10 und IL13 in Verbindung. Diese proinflammatorischen Zytokine kommen so bei CED vermehrt vor und tragen zur verstärkten Ausbreitung dieser Erkrankung bei. TNF führt zu einer Zerstörung der mukosalen Epithelbarriere, induziert die Apoptose der Darmzottenepithelien, bewirkt die Sekretion von Chemokinen aus den intestinalen Zellen und aktiviert zusätzlich neutrophile Granulozyten, Makrophagen und B14 Zellen [2, 4, 111, 128]. TNF löst auf diese Weise zusammen mit IL-1 und IL-6 die charakteristischen Symptome der CED aus. Diese Feststellung führte zur Entwicklung und Einführung der anti-TNFTherapie. 1.1.4 Heutige Therapiemöglichkeiten Die Arzneimitteltherapie stellt die Basisbehandlung der CED dar. Eine chirurgische Intervention im Rahmen der CED ist bei speziellen Komplikationen (Ileus, toxisches Megacolon, komplizierte Fisteln) oder therapierefraktärem konventionellen Sulfasalazin, Krankheitsverlauf Therapie Mesalazin der CED indiziert In der Substanzen wie Corticosteroide und kommen (5-Aminosalicylat), [57]. Immunsuppressiva wie Azathioprin, Mercaptopurin, Methotrexat oder Ciclosporin zum Einatz [4, 54, 55, 98]. Sulfasalazine und 5-Aminosalicylate wie Mesalazin werden als Therapie der ersten Wahl bei mild bis moderat verlaufender CU und MC, also bei geringer bis mittlerer Krankheitsaktivität beschrieben [122]. Bei moderater bis schwerer Krankheitsausprägung ist die Applikation von Corticosteroiden indiziert. Sie werden bei akuten Schüben der Erkrankung eingesetzt, als Langzeitmedikation sind sie unwirksam und aufgrund der schwerwiegenden Nebenwirkungen nicht anzuwenden [57]. Dieses führte zum vermehrten Einsatz von Immunmodulatoren als Behandlungsstrategie von steroid-abhängigen und steroid-resistenten Krankheitsverläufen [122]. Eine weitere Substanzklasse repräsentieren die Cytokin-Inhibitoren, wie 15 beispielsweise Infliximab. Dabei handelt es sich um einen chimären monoklonalen IgG1-Antikörper, der TNF-α mit hoher Spezifität bindet und neutralisiert [110]. TNF-α kann als zentrales Cytokin in der Entzündungskaskade bezeichnet werden [113]. Infliximab wird zur Behandlung von moderaten bis schweren Schüben des MC bei Patienten, die inadäquat auf die konventionelle Therapie mit Corticosteroiden und Immunsuppressiva reagieren oder die Kontraindikationen für diese Therapien aufzeigen eingesetzt [4, 112]. Für den fistulierenden MC ist der Einsatz von Infliximab ebenfalls zugelassen [112]. Weitere TNF-α-Antikörper neben Infliximab sind beispielsweise Adalimumab und Certolizumab. Bei CED und vor allem beim MC findet man im entzündlich veränderten Gewebe aktivierte Makrophagen, die den Tumor-Nekrose-Faktor-α (TNF-α) freisetzen. TNF-α ist an inflammatorischen Reaktionen beteiligt und spielt bei der zellulären Immunantwort eine Rolle. Als wichtige Nebenwirkungen der anti-TNF-α Therapie sind schwere, opportunistische Infektionen, wie auch die Möglichkeit der Reaktivierung einer Tuberkulose zu nennen. Weiterhin sind Sepsis, Bronchitis, Pneumonie, Dyspnoe, Sinusitis, Kopfschmerz, Schwindel, Übelkeit, Diarrhoe, Abdominalschmerzen, Leberfunktionsstörungen, Urtikaria und Pruritis beschrieben. Seit Juni 2007 ist Adalimumab europaweit für die Therapie des schwergradigen, aktiven MC zugelassen. Adalimumab ist der erste rein humane rekombinante monoklonale anti-TNF-α-Antikörper. Er hemmt die sowohl von löslichem als auch membrangebundenem TNF- α abhängigen Entzündungsprozesse und induziert die Apoptose von Monozyten. Da er die oben erwähnten NW eines chimären AK nicht aufweist, kann er bei Patienten mit MC und Unwirksamkeit bzw. Unverträglichkeit von Infliximab eingesezt werden. Die laufenden 16 klinischen Studien zeigen ein klinisches Ansprechen in 80% der Fälle bei guter klinischer Verträglichkeit [29, 133]. Für Certolizumab pegol wurde von der Europäischen Zulassungsbehörde EMEA (European Medicines Agency) im März 2008 ein negatives Votum zum Antrag zur Zulassung für die Therapie des aktiven MC abgegeben [134]. In der Schweiz wurde Certolizumab im September 2007 zur Therapie des MC zugelassen. Certolizumab kann, wie auch Adalimumab, subcutan appliziert werden. 1.2 Taurolidin als antimikrobielle Substanz 1.2.1 Struktur von Taurolidin, chemische Eigenschaften Taurolidin ist ein Derivat der Aminosulfonsäure Taurin, welche als ubiquitäre Substanz im menschlichen Organismus verbreitet ist. Die chemische Bezeichnung dieser Substanz lautet Bis-(1,1-dioxoperhydro1,2,4-thiadiazynol-4)methan, die Summenformel C7H16N4O4S2. Mit einem Molekulargewicht von 284,37 besteht Taurolidin aus zwei aromatischen Ringen, die über eine CH2(Methylen)-Gruppe miteinander in Verbindung stehen [23, 64-67, 130]. 17 Abbildung 3: Struktur von Taurolidin und seinen Metaboliten 1.2.2 Pharmakokinetik In wässriger Lösung wird die Doppelringstruktur des Taurolidins durch den Vorgang der Hydrolyse aufgehoben. Taurolidin liegt dann im Gleichgewicht mit Taurultam und Methyloltaurultam vor, welches wiederum zu Taurultam hydrolysiert wird [96]. Diese Metaboliten wirken als Überträger von Methylol-Gruppen [67, 130]. Taurultam hat eine biologische Halbwertszeit von ca. 7 Stunden, Taurolidin hingegen besitzt im Organismus eine kürzere Halbwertszeit von nur einer Stunde. Taurultam wird durch den Vorgang der Hydrolyse über Methyloltaurinamid zu Taurin und letzten Endes zu CO2 abgebaut. Während dieser Hydrolyseschritte wird wiederum eine reaktive Methylol-Gruppe freigesetzt. Aus einem Molekül Taurolidin können also zwei Moleküle Taurultam und insgesamt drei Methylolgruppen freigesetzt werden. Diese reaktiven Gruppen stellen durch CH2 bzw. Methylol-Übertragung auf andere Reaktionspartner vermutlich das 18 molekulare Wirkprinzip von Taurolidin dar. TRD erreicht unabhängig von der Applikationsform nach geringer zeitlicher Verzögerung ungefähr identische Blutspiegel. Ca. 3,5 Stunden nach oraler Applikation erlangt die Konzentration im Blut einen Maximalwert [67, 130]. Da TRD und seine Metaboliten polare Substanzen darstellen, sind sie nicht oder nur kaum dazu in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überschreiten, was das vollständige Fehlen zentralnervöser Wirkungen von TRD erklärt [123]. Die LD50 liegt bei peroraler Applikation bei der Maus bei ca. 4300 mg/kg, bei intravenöser Gabe bei über 4000 mg/kg, so dass TRD als sehr geringe toxische Substanz einzustufen ist. Dieses konnte in zahlreichen Studien bestätigt werden [16, 35, 67, 130]. Es konnte gezeigt werden, dass, bezogen auf die Toxizität, kein Unterschied zwischen einer intravenösen Langzeitbehandlung und einer Bolusgabe bei Ratten besteht [14,15]. Weiterhin konnte keine Schädigung von Leber und Niere und auch keine Blutbildveränderungen in der Ratte nach intraperitonealer und intravenöser Applikation vermerkt werden [16, 6466]. Im klinischen Gebrauch beim Menschen als intraperitoneal instilliertes Antiinfektivum, wurde beobachtet, dass TRD in niedrigen Dosen eine effektive Wirkung zeigt, in denen keine Toxizität nachweisbar ist [8, 48, 74, 78, 80, 87, 101, 102, 121]. Zusätzlich wurden durch eine direkte intravenöse Injektion von TRD keine systemischen Nebenwirkungen beobachtet [72, 73]. Somit gilt Taurolidin als ein gut verträgliches Pharmakon, wie zahlreiche pharmakokinetische Studien belegen [50, 124]. 19 1.2.3 Wirkmechanismus Eine bemerkenswerte Eigenschaft des TRD liegt darin, dass es über chemische Reaktionen seine Wirkungen erzielt. Die reaktiven MethylolGruppen des TRD und seiner Metabolite, die während der Hydrolyseschritte entstehen, sind vermutlich das aktive Wirkprinzip. Sie binden an Bestandteile der bakteriellen Zellwand so z.B. an Lipopolysaccharide (LPS) von Endotoxinen und Polypeptide von Exotoxinen und führen auf diese Weise zu deren Inaktivierung [46, 47, 67]. Es handelt sich dabei um eine irreversible inter- und intramolekulare Vernetzung der primären Aminogruppen, was sich in Versuchen mit 14C-radiomarkiertem TRD zeigen ließ. Weiterhin reagieren die Methylol enthaltenden Moleküle mit bakteriellen Wandbestandteilen wie beispielsweise Fimbrien oder Flagellen, um die Adhärenz von Mikroorganismen auf biologischen Oberflächen zu verhindern [51, 52]. So besitzt TRD die Eigenschaft, die Oberflächenstruktur und die Funktion von Zellen zu beeinflussen. Auf diese Weise lässt sich die antimikrobielle Wirkung von TRD erklären. Zusätzlich zu diesem Effekt hemmt TRD die Synthese und Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen aus Immunzellen. So konnte gezeigt werden, dass TRD die LPS-induzierte Synthese von TNF-α und IL-1 in peripheren Blutzellen inhibiert [7, 77]. Hierbei ist hervorzuheben, dass diese Zytokine – wie bereits erwähnt – eine entscheidende Rolle in der CED-Pathophysiologie spielen. Weiterhin konnte für Taurolidin ein antiproliferativer und antineoplastischer Effekt gezeigt werden. In unterschiedlichen humanen 20 und murinen Tumor-Zelllinien konnte in vitro gezeigt werden, dass TRD eine Tumorzellapoptose bewirkt. Diese konnte auch in Tierversuchen bestätigt werden. Es ist noch nicht klar, ob es sich bei der Apoptose um den intrinsischen Weg – über die Cytochrom C-Freisetzung – oder den extrinsischen Weg – über Death-Rezeptoren und Caspase-Aktivierung – handelt [21, 22, 28, 32, 56, 63, 84, 93, 103, 104]. 1.2.4 Klinischer Einsatz von TRD bisher Taurolidin, in den 70er Jahren von Geistlich-Pharma synthetisiert, wird seit 1975 in der septischen Abdominalchirurgie als intraperitoneale Spüllösung zur Behandlung der Peritonitis eingesetzt [8, 64-66]. Dabei zeigt TRD eine bakterizide Wirkung gegen ein breites Spektrum von aeroben und anaeroben Bakterien wie auch gegen klinisch relevante Pilzarten [9, 10, 17, 18, 20, 51, 52, 83, 100]. Taurolidin vermindert das Ausmass und die Schwere von postoperativen peritonealen Adhäsionen und verbessert den klinischen Verlauf der Peritonitis [19, 64-66, 98]. Eine weitere Indikation liegt in der Behandlung von Infektionen zentraler Venenkatheter. Es konnte gezeigt werden, dass die Applikation von TRD gegen katheter-assoziierte Infektionen wirksam ist [76]. Weiterhin wird Taurolidin bereits im Rahmen von Studien in der Onkologie eingesetzt. Bei Patienten mit einem malignem Glioblastom als auch bei Patienten mit Magencarcinom, die intravenös mit TRD behandelt wurden, konnte eine partielle Tumorremission beobachtet werden [14, 15, 124]. 21 1.2.5 TRD in der CED-Therapie als neues Behandlungskonzept Taurolidin stellt eine Substanz mit einer Vielzahl verschiedenster Eigenschaften dar, die auch in der Therapie der CED nützlich sein könnten. Die pharmakokinetischen Eigenschaften von TRD erlauben neben der intravenösen oder intraperitonealen Applikation auch eine orale Verabreichung [123]. Oral appliziertes TRD könnte die bakterielle Mikroflora des Darmes verändern und durch diesen Prozess den Krankheitsverlauf beeinflussen. Dieses therapeutische Prinzip wird weitgehend in der Behandlung der CED durch Probiotika angewendet [44, 60 ,114]. Hervorgehoben sei an dieser Stelle die Fähigkeit dieser Substanz, die systemische Zytokinfreisetzung zu verändern und dadurch die systemische Endotoxämie und den Entzündungsprozess zu verringern, zusätzlich zu einer Veränderung der Mikroflora des Darms. Vorarbeiten zu diesem neuen Behandlungskonzept in der Therapie der CED lieferten Gardiner et al. im Jahre 1994 [46]. Sie zeigten, dass eine intravenöse Injektion von TRD bei Ratten eine signifikante Verringerung der Endotoxin-Konzentration in einem Colitis-Modell erzielt. In diesem Colitis-Modell wurde gezeigt, dass TRD die Endotoxine dosisabhängig inaktiviert und dass es über neutralisierende endotoxische Eigenschaften verfügt [47]. TRD könnte eine neue Möglichkeit darstellen, chronisch entzündliche Darmerkrankungen zu behandeln. Jedoch liegen bisher noch keine oralen Therapieversuche mit Taurolidin vor. 22 1.3 DSS-Colitis als Tiermodell für CED 1.3.1 Beschreibung des Modells, DAI Bei der DSS-Colitis handelt es sich um ein experimentelles Tiermodell für chronisch entzündliche Darmerkrankungen in der Maus. Durch die zyklische Applikation von DSS (Dextran-Sulfat-Sodium) über das Trinkwasser ad libitum für einen definierten Zeitraum gefolgt von einem DSS freien Intervall mit Wasser, wird eine chronische Colitis bei den Versuchstieren induziert. Die Erstbeschreibung dieses Modells erfolgte im Jahre 1990 durch Okayasu [96]. Durch die zyklische Applikation von DSS wird ein Krankheitsverlauf hervorgerufen, der den klinischen beobachteten Rekurrenz-Remissions-Phasen der CU ähnlich ist [97]. Für die Dokumentation der Krankheitsaktivität wird der Disease Activity Index (DAI) nach Cooper et al. herangezogen. Die Beurteilung des Schweregrades der Colitis erfolgt im DAI durch Erfassung des Körpergewichts, des Vorhandenseins von occultem oder makroskopisch sichtbarem Blut im Stuhl und der Stuhlkonsistenz [30, 91]. Für die histologische Auswertung existieren unterschiedliche Scoring-Systeme, anhand derer der Grad der mukosalen Beschädigung durch die induzierte Colitis eingestuft und ausgewertet werden kann [37, 38, 41]. 1.3.2 Pathophysologie des DSS- Modells In mehreren Studien wurden die klinischen und histopathologischen Veränderungen, die während des DSS-Modells durch die Colitis entstehen, charakterisiert. Zu den frühen histologischen Veränderungen 23 zählt der Verlust des basalen Drittels der Krypten, welche bis zum vollständigen Verlust der Kryptenarchitektur fortschreitet. Diese Veränderungen stellen ein fokales Geschehen dar und sind nicht direkt mit Entzündungszeichen assoziiert. Die inflammatorischen Prozesse scheinen ein sekundäres Phänomen zu sein, das sich erst nach dem Verlust der Kryptenarchitektur entwickelt [30, 36, 40]. Die initiale Schädigung scheint auf der Ebene der Epithelzellen stattzufinden, wobei die Entzündung nur als sekundärer Prozess angesehen werden könnte. Neben der direkten Toxizität von DSS auf die Epithelzellen wurden auch Effekte auf intestinale Lymphozyten bzw. deren Interaktion mit Epithelzellen diskutiert [92]. In jedem Fall spielt die vermehrte Exposition der intestinalen Zellen gegenüber luminaler Antigene – wie z.B. der Mikroflora – eine entscheidende Rolle. So zeigt z.B. die DSS Colitis unter Probiotika-Gabe eine Besserung [39, 114]. 24 2 Fragestellung / Zielsetzung Die vorliegende Arbeit untersucht qualitativ die orale Applikation von Taurolidin im Tiermodell der chronischen DSS-Colitis als möglichen neuen Therapieansatz in der Behandlung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Nach der Auswertung der Toxizität von oral applizierten TRD in verschiedenen Konzentrationen über einen Zeitraum von 60 Tagen wurde der Einfluss von 0,2% TRD in der chronischen DSS Colitis untersucht. Zu Beginn der Versuchsreihe stellten sich folgende Fragen: 1. Ist Taurolidin in oraler Applikation toxisch? 2. Schützt Taurolidin in dieser Applikationsform vor der Entwicklung einer DSS-Colits? 25 3 Material und Methoden 3.1 Toxizität von TRD 3.1.1 Applikation von TRD, Dosierungen Der Einfluss einer oralen Langzeittherapie mit TRD wurde in weiblichen C57/BL6 Mäusen (Charles River, Sulzfeld, Deutschland) untersucht. Alle Experimente wurden gemäss der deutschen Tierschutzbestimmungen und der NIH-Richtlinien für die Haltung und Pflege von Labortieren durchgeführt und sind vom Ministerium für Landwirtschaft und Naturschutz, Kiel (V742-72241.121-22(10-2(05)) genehmigt worden. Die insgesamt 20 Tiere dieser Versuchsreihe wurden im Tierstall des pharmakologischen Institutes der Universität Kiel in Polycarbonkäfigen (Fläche: 825 cm2, Käfighöhe: 15 cm) gehalten. In diesem Tierstall herrschte ein 12-Stunden hell-dunkel Rhythmus bei 22°C und 46% Luftfeuchtigkeit. Die Tiere erhielten ein Standard-Futter (ssniff M-Z, 10 mm, ssniff Spezialdiäten, Soest) ad libitum über einen Zeitraum von 60 Tagen hinweg (n = 5 Tiere pro Gruppe). Die unbehandelte Kontrollgruppe (n = 5) erhielt demineralisiertes Wasser für weitere histologische und mikrobiologische Untersuchungen, die Behandlungsgruppen erhielten Taurolidin in wässriger Lösung in unterschiedlichen Konzentrationen. Tabelle 1: Applikation und Dosierung von Taurolidin Gruppe Behandlung Anzahl Kontrolle H 2O 5 TRD 0,1 Taurolidin 0,1% 5 TRD 0,2 Taurolidin 0,2% 5 TRD 0,4 Taurolidin 0,4% 5 26 3.1.2 Klinisches Scoring, DAI Während der oralen Verabreichung von TRD wurden die Tiere täglich zur selben Tageszeit klinisch untersucht. An den Tagen 2-15, 24, 25, 35, 36 und 60 wurde das Körpergewicht der Tiere dokumentiert und mit ihrem initialen Gewicht am Tag 1 in Korrelation gesetzt. Die Daten wurden als prozentualer Anteil des Ausgangsgewicht ausgedrückt (+/SEM). Zusätzlich wurde eine Stuhluntersuchung der Tiere in Bezug auf die Konsistenz und occultes Blut (Hemoccult, Sprothen, Stolberg) oder makroskopisch sichtbares Blut durchgeführt. Dieses geschah an den Tagen 2, 3, 13, 14, 24, 25, 35, 36 und 60. Aus der Gesamtheit der erhobenen Daten wurde der Disease Activity Index (DAI) bestimmt, der die entstandene Toxizität im Gastrointestinaltrakt quantifizierte. Der DAI setzt sich in Anlehnung an die von Cooper et al. im Jahre 1993 [30] formulierte Publikation wie folgt zusammen: Tabelle 2: Bestimmung des Desease Activity Index Stuhlkonsistenz hart (0 Punkte) weich (2 Punkte) Diarrhoe (4 Punkte) Blut im Stuhl okkult negativ (0 Punkte) okkult positiv (2 Punkte) makroskopisch positiv (4 Punkte) Gewichtsverlust (%) < 1% (0 Punkte) 27 1% – 5% (1 Punkt) 5% - 10% (2 Punkte) 10% - 15% (3 Punkte) > 15% (4 Punkte) Summe = DAI 0 – 12 Punkte 3.1.3 Organentnahme Nach einer Zeitspanne von 60 Tagen wurden alle Tiere unter tiefer Aethernarkose getötet. Nach der Eröffnung von Thorax und Abdomen wurden die Organe herauspräpariert und für weitere histologische Untersuchungen in Formalin fixiert. 3.1.4 Histologische Auswertung Die systemische Toxizität durch oral verabreichtes TRD in ansteigenden Dosen über einen Zeitraum von 60 Tagen wurde anhand der parenchymatösen Organe (Leber, Niere, Milz, Herz, Lunge) einschließlich des Intestinums ermittelt. Von diesen Organen wurden nach Paraffineinbettung histologische Schnitte angefertigt, die dann mittels HE-Färbung eingefärbt wurden. Alle Schnitte wurden von zwei Untersuchern (S.R. und A.M., letztere eine Pathologin) „in Verblindung“ beurteilt. 28 3.2 TRD in der DSS-Colitis 3.2.1 Induktion der DSS-Colitis Die Induktion der Colitis erfolgte ebenfalls in weiblichen C57/BL6 Mäusen (Charles River, Sulzfeld). Von diesem Stamm ist bekannt, dass er auf die orale Verabreichung des DSS mit der Entwicklung einer Colitis reagiert [85]. Es erfolgte eine zyklische Verabreichung von DSS (Molekulargewicht 36 – 44 kDa, MP Biomedicals, Aurora, OH, USA). Die Mäuse erhielten über drei Zyklen DSS in demineralisiertem Trinkwasser gelöst ad libitum über einen Zeitraum von jeweils 5 Tagen in absteigenden Konzentrationen. Diesen 5 Tagen schlossen sich 5 DSSfreie Tage an, was einem Zyklus von 10 Tagen entsprach. Der erste Zyklus bestand aus der Applikation von 1,5%igen DSS, der zweite Zyklus aus 1,0%igen DSS und der dritte Zyklus aus 0,5%igen DSS. 3.2.2 Applikation von TRD während der DSS-Colitis In den DSS-freien Intervallen wurde einer Gruppe (n = 10) eine 0,2%ige Taurolidin-lösung (Taurolin, Boehringer Ingelheim Pharma, Ingelheim am Rhein) ad libitum verabreicht (Taurolidin-Gruppe). Eine zweite Gruppe (unbehandelte Colitis, n = 9) erhielt nur demineralisiertes Trinkwasser während der DSS-freien Tage. 29 DSS 1,5% 25 H2O/ TRD 0 30 Tage Abbildung 4: DSS 1,0% 5 H2O/ TRD 10 DSS 0,5% H2O/ TRD 15 20 Zyklische Applikation von DSS und H2O bzw. DSS und Taurolidin 3.2.3 Klinisches Scoring An jedem der insgesamt 30 Versuchstage wurde zum gleichen Zeitpunkt das oben beschriebene klinische Scoring durchgeführt und der DAI ermittelt. Zusätzlich erfolgte täglich die Erhebung von Mortalitätsdaten und eine Beurteilung des Verhaltens der Versuchstiere. 3.2.4 Organ-Entnahme, Serum-Entnahme, Mikrobielle Proben Nach 30 Tagen erfolgte analog zur ersten Versuchsreihe die Eröffnung von Thorax und Abdomen und das Freiprärarieren des Intestinums unter Narkose. Das entnommene Colon wurde mit normaler Kochsalzlösung gereinigt und in vier anatomische Bereiche, das proximale, mittlere, distale Colon sowie in das Coecum unterteilt. Alle Präparationsschritte wurden auf Eis durchgeführt und die einzelnen Proben direkt in flüssigen Stickstoff tiefgefroren. 30 Zusätzlich wurden die mesenterialen Lymphknoten aus dem Bereich des Coecum unter sterilen Bedingungen mikrobiologische Beurteilung Mikroorganismen auf wurden Kulturmedien entfernt. zur Proben für Identifikation gegeben. Als die von flüssiges Kulturmedium wurde eine Gehirn-Herz-Infusionsbouillon (BHI: brain heart infusion medium) benutzt, die sich dadurch auszeichnet, dass sie ein effektives Medium zur Anzucht von aeroben Bakterien und klinisch relevanten Pilzen bietet. Diese Proben wurden über mehr als zehn Tage hinweg kultiviert. Die Bouillon wurde anschließend auf Blut- und Schokolodenagar-Platten für die Identifizierung der Mikroorganismen subkultiviert. Die Bakterien wurden durch übliche manuelle oder mechanisierte biochemische Methoden identifiziert. Gramnegative Bakterienstämme wurden mit der GNS-Karte über das Vitek 2 Identifikations- und Suszeptibilitätssystem identifiziert (bioMerieux, St. Louis, MO). Die mikroskopische Beurteilung der bakteriellen Gramfärbungen war Teil der mikrobiellen Untersuchungen, um die Bakterienpopulation zu bestimmen. 3.2.5 Histologische Aufbereitung (Kryostat, HE) Die histologische Aufbereitung der gefrorenen Proben bestand zunächst in der Herstellung von 5µm dicken Transversalschnitten durch das distale Colon und das Coecum aller Versuchstiere. Dieses erfolgte in einem Kryostat-Mikrotom (Leica CM 1900, Leica Microsystems, Nussloch) bei -21°C. Jeweils drei Schnitte einer anatomischen Region wurden auf einen Objektträger aufgebracht und über Nacht bei Raumtemperatur getrocknet. Alle Gewebeschnitte wurden anschließend 31 mit Hämatoxylin/Eosin eingefärbt. 3.2.6 Histo-Scoring Die gefärbten Präparate wurden unter einem Leica DM 4000 B Mikroskop betrachtet. Die histologische Auswertung der Schnitte erfolgte durch den Crypt Damage Score (CDS) nach Egger [40]. Der Grad der Zerstörung wurde von Egger et al. als ein prozentualer Anteil jedes einzelnen Abschnittes am gesamten Colon ausgedrückt. Der Schweregrad der mukosalen Zerstörung wurde anhand einer Skala zwischen Grad 0 und Grad III eingestuft. Grad 0 stellte die normale Architektur des Darmes dar. In Grad I waren die Krypten soweit verkürzt, dass sie maximal zwei Drittel der ursprünglichen Kryptenlänge ausmachten. In Grad II waren die Krypten derart verkürzt, dass sie lediglich in den oberen zwei Dritteln der Mukosa gelegen waren. Ein Epithelbesatz war noch vorhanden. Grad III kennzeichnete sich durch den Verlust der Kryptenarchitektur, oberflächlich war nur ein regeneratepithelartiger Epithelbesatz vorhanden [40]. Da in diesem Score jedoch ausschließlich die Länge der Krypten als Maß für die Ausprägung der Krankheit eingesetzt wurde, wurde dieser Score in der vorliegenden Studie dadurch modifiziert, dass ein zusätzliches Kriterium mit einbezogen wurde, nämlich das Auftreten von Entzündungszeichen in Form von Entzündungszellen und entzündlichen Infiltraten in dem zu bewertenden histologischen Abschnitt. Die Bewertung der Kryptenlänge plus der Entzündungszeichen in einem definierten Präparatabschnitt erlaubte die Einteilung in verschiedene Gradabstufungen, die in Anlehnung an den Egger-Score wie folgt definiert wurden: 32 Grad 0: Physiologische Verhältnisse Grad 0,5: Die Krypten reichen bis zur Tunica muscularis mucosae. In der Mucosa sowie Submucosa sind jedoch Entzündungsinfiltrate nachweisbar. Grad 1: Verformung und/oder Zerstörung des unteren Drittels der Krypte. Grad 1,5: Die Krypten sind soweit verkürzt, dass sie maximal zwei Drittel der ursprünglichen Krytenlänge ausmachen. Zusätzlich sind reichlich Entzündungszellen in der Mucosa nachweisbar. Grad 2: Zerstörung der unteren zwei Drittel oder Verlust der Kryptenarchitektur, Epithelbesatz ist vorhanden. Grad 2,5: Die Krypten sind derart verkürzt, dass sie lediglich im oberen Drittel der Mucosa gelegen sind. Zusätzlich sind dichte Entzüngsinfiltrate nachweisbar. Grad 3: Verlust der Kryptenarchitektur, oberflächlich ist ein regeneratepithelartiger Epithelbesatz vorhanden. Grad 3,5: Die Mucosa oberflächlich besitzt keine findet sich Kryptenarchitektur ein mehr, regeneratepithelartiger Epithelbesatzt. Im Interstitium sind dichte Entzündungsinfiltrate nachweisbar. Pro Präparat wurde jeweils ein gesamter Darmquerschnitt untersucht. Dabei wurden Abschnitte mit wechselnden pathomorphologischen Befunden jeweils den entsprechenden, oben aufgeführten Scorekriterien zugeordnet. Die Auswertung erfolgte unabhängig voneinander durch zwei verblindete Untersucher. Mittels des Statistikprogrammes SPSS 33 Version 12.0 wurde dann für jedes Präparat ein Mittelwert pro Querschnitt errechnet. Darmlumen Krypte Tunica muscularis mucosae Submucosa Grad 0 Abbildung 5: Grad 1 Grad 2 Schemazeichnung der verschiedenen Entzündungsgrade im Querschnitt des Colon 34 Grad 3 Abbildung 6: Mikroskopischer Querschnittes des distalen Colon mit entzündlichen Infiltraten in der Mucosa und Submucosa bei erhaltener Krypten-architektur (Grad 0,5). Abbildung 7: Mikroskopischer Querschnitt des distalen Colon mit Entzündungs-infiltraten sowie Verformung bzw. Verkürzung der Krypten bei vorhandenem Epithelbesatz (Grad 1,5). 35 3.3 Statistik Die Ergebnisse des Disease Activity Index (DAI) und des Crypt Damage Score (CDS) wurden als Mittelwerte +/- SEM (Standardfehler) angegeben. Die DAI-Werte wurden unter dem Gebrauch von wiederholten Analyseeinheiten der Varianz über alle Zeitpunkte hinweg ausgewertet (ANOVA mit Meßwiederholung). Der Vergleich der CDSWerte zwischen den Gruppen erfolgte ebenfalls über ANOVA. Mögliche Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen wurden mit einer statistischen Varianzanalyse und anschließenden multiplen Paarvergleichen nach Tukey ermittelt. Ein p-Wert ≤ 0.05 wurde als statistisch signifikant bewertet. Überlebensraten und hazard ratio wurden durch den Log Rank Test analysiert. P-Werte ≤ 0.05 wurden als statistisch signifikant eingestuft. Das Statistikprogramm SPSS Version 12.0 wurde für die Berechnungen verwendet. 36 4 Ergebnisse 4.1 Orale Langzeitapplikation von TRD Während der oralen Langzeittoxizitätsstudie mit Taurolidin in unterschiedlichen Dosierungen (0,1%; 0,2%; 0,4%) über 60 Tage starb keines der Tiere. Die prozentuale Gewichtszunahme der Tiere betrug in allen Gruppen über die 60 Versuchstage hinweg ca. 13% - 20% des Ausgangsgewichtes (Abbildung 8). Abbildung 8: Toxizität von Taurolidin – Änderung des Körpergewichtes Die Gewichtszunahme war in den Gruppen, die 0,1% und 0,4% TRD erhielten signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe, die Wasser 37 erhielt (p ≤ 0.05 TRD 0,4% vs. H2O und TRD 0,1% vs. H2O, ANOVA mit Meßwiederholung über alle Zeitpunkte). Die Applikation von 0,2% TRD verglichen mit der Kontrollgruppe (H2O) bewirkte keine signifikante Änderung des Gewichtes. Weiterhin zeigte die orale Applikation von TRD keine Zeichen der Toxizität im Gastrointestinaltrakt, wie an den DAI-Werten zu ersehen ist. Die DAI-Werte unterschieden sich nicht signifikant zwischen den Gruppen (0.1%, 0.2%, 0.4%) und der Kontrollgruppe, wie mittels ANOVA gezeigt werden konnte (Abbildung 9). Abbildung 9: Der Disease Activity Index der Taurolidin-Gruppen im Vergleich mit der Kontrollgruppe Es tauchten weiterhin auch keine eindeutigen Nebenwirkungen von TRD wie z.B. verändertes Sozialverhalten, Ess- oder Trinkverhalten über den Versuchszeitraum auf. 38 4.2 Toxizitätsstudie: histologische Ergebnisse Sämtliche Organe aus den parenchymatösen Organen (Leber, Niere, Pankreas, Herz, Lunge, Milz, Darm) zeigten keine histologische Unterschiede zwischen den TRD-behandelten und unbehandelten Tieren. 4.3 Taurolidin verbessert den klinischen Verlauf der DSSColitis Das Überleben der mit 0.2% Taurolidin behandelten Colitis-Gruppe betrug 100%. Im Vergleich dazu überlebten in der unbehandelten Colitis-Gruppe nur 33% (p ≤ 0.005, Log Rank Test, Abbildung 10). Abbildung 10: Das Überleben in der mit Taurolidin behandelten Colitis-Gruppe im Vergleich mit der Kontrollgruppe Die Abbildung 11 zeigt den typischen triphasischen Verlauf einer DAIKurve einer chronischen DSS Colitis mit einem Maximum der DAI39 Werte am Ende eines DSS-Zyklus. Es zeigt sich jedoch ein deutlicher Unterschied im Kurvenverlauf zwischen der mit 0,2% Taurolidin behandelten Colitis-Gruppe und der unbehandelten Gruppe. Für die Taurolidin-Gruppe lagen die mittleren DAI-Werte mit 3.50 (+/- 0.96) signifikant niedriger als die der unbehandelten Colitis-Gruppe mit 7.06 (+/- 0.26) (p ≤ 0.005, t-Test). Abbildung 11: Der Disease Activity Index der Taurolidin-Gruppe (0,2%) im Vergleich mit der Kontrollgruppe 4.4 Taurolidin verbessert die histologischen Kennzeichen einer DSS- Colitis Die histologische Auswertung erfolgte anhand des Crypt Damage Score (CDS) nach Egger [40]. Hier zeigte sich in der unbehandelten ColitisGruppe, dass die zyklische Verabreichung von DSS zu einer schweren Colitis im Bereich des Coecums und des distalen Colons führt. Die CDS40 Werte im Coecum lagen mit 4.96 (+/- 1.95) und im distalen Colon mit 7.03 (+/- 2.53) signifikant höher als die der gesunden unbehandelten Kontrolltiere (p ≤ 0.001 distaler Colon; p ≤ 0.05 Coecum ANOVA). Die orale Applikation von Taurolidin (0,2%) führte mit 0.18 (+/- 0.17) zu einem signifikant erniedrigten CDS im Coecum verglichen mit der Gruppe der unbehandelten DSS-Colitis Tiere (p ≤ 0.001 ANOVA). Im distalen Colon erreichten die Unterschiede zwischen Taurolidinbehandelter und unbehandelter Colitis keine statistische Signifikanz (Abbildung 12). Abbildung 12: Der Crypt Damage Score der Taurolidin-Gruppe (0,2%) im Vergleich mit der Kontrollgruppe im Coecum und im distalen Colon 41 4.5 Taurolidin verändert die bakterielle Zusammensetzung von mesenterialen Lymphknoten nicht Die folgende Tabelle zeigt, dass Taurolidin keinen Einfluss auf die bakterielle Zusammensetzung mesenterialer Lymphknoten hat, was im Vergleich mit der unbehandelten Gruppe deutlich wird. Die Inzidenz bakterieller Translokationen in der Kontrollgruppe wich nur um wenige Prozentpunkte von der in der Taurolidingruppe ab, wobei die geringe Fallzahl in der unbehandelten Kontrollgruppe zu berücksichtigen ist. Tabelle 3: Inzidenz von bakteriellen Translokationen in mesenteriale Lymphknoten Steril # Gram neg. Stäbchen ‡ 1/3 (33%) 1/3 (33%) DSS colitis unbehandelt (n = 3) 3/10 (30%) 3/10 (30%) DSS colitis + TRD (n = 10) 6/6 (100%) 0 (0%) Gesunde Kontrollgruppe (n = 6) # Gram pos. Kokken ° 1/3 (33%) 4/10 (40%) 0 (0%) : Wachstum von typischen Bakterien der Hautflora z.B. Staph. epidermidis, Staph. warneri, welches als Kontamination durch die Biopsieentnahme einzustufen ist. ‡ : Gramnegative Stäbchen einschliesslich Proteus mirabilis und E. coli ° : Grampositive Kokken wie Leuconostoc spp. 42 Tabelle 4: Zusammensetzung bakterieller Translokationen in mesenterialen Lymphknoten Nr. Gruppe 1 DSS Colitis E. coli Gram-neg. Stäbchen Colitis Leuconostoc spp. Gram-pos. Kokken, unbehandelt 2 DSS unbehandelt 3 DSS anaerob Colitis Steril unbehandelt 4 DSS Colitis + TRD Prot. mirabilis Gram-neg. Stäbchen, fakultativ anaerob 5 DSS Colitis + TRD Prot. mirabilis Gram-neg. Stäbchen, fakultativ anaerob 6 DSS Colitis + TRD Leuconostoc spp. Gram-pos. Kokken, fakultativ anaerob 7 DSS Colitis + TRD Steril 8 DSS Colitis + TRD Prot. mirabilis Gram-neg. Stäbchen, fakultativ anaerob 9 DSS Colitis + TRD Steril 10 DSS Colitis + TRD Staph. epidermidis Gram-pos. Kokken, aerob, Koagulase neg. 11 DSS Colitis + TRD Leuconostoc spp. Gram-pos. Kokken, anaerob 12 DSS Colitis + TRD Leuconostoc spp. Gram-pos. Kokken, anaerob 13 DSS Colitis + TRD Leuconostoc spp. Gram-pos. Kokken, anaerob 14 Gesunde Steril Kontrollgruppe 43 15 16 Gesunde Gemella Gram-pos. Kokken Kontrollgruppe haemolysans Gesunde Steril Kontrollgruppe 17 Gesunde Staph. warneri Kontrollgruppe 18 Gesunde Gram-pos. Kokken, aerob, Koagulase neg. Steril Kontrollgruppe 19 Gesunde Pasteurella Kontrollgruppe haemolytica Gram-neg. Stäbchen, aerob E. coli: gramnegatives begeißeltes Stäbchenbakterium Leuconostoc spp.: Gruppe der Milchsäure-Bakterien; grampositive, katalasenegative Kokken mit positiver Äsculin-Reaktion, Vorkommen: Pflanzenmaterial, Nahrung Proteus mirabilis: Gattung gramnegativer, begeißelter, pleomorpher Stäbchenbakterien der Familie Enterobacteriaceae; Vorkommen: Gastrointestinaltrakt von Mensch und Tier Staph. epidermidis: Plasmakoagulase-negativer Saprophyt; Vorkommen: Haut und Schleimhaut Gemella haemolysans: Gruppe der nicht-β-hämolysierenden Bakterien; Vorkommen: Normalflora der Mundhöhle und oberen Atmwege Staph. warneri: Aerobe, grampositive, koagulase-negative Kokken; 44 Vorkommen: Hautflora von Mensch und Tier Pasteurella haemolytica: Gattung gramnegativer, unbeweglicher, fakultativ anaerobe Stäbchenbakterien der Familie Pasteurellaceae; Vorkommen: normale oropharyngeale Flora von Tieren 5 Diskussion 5.1 Wahl des DSS-Modells, Warum dieses Modell? Die beschriebenen experimentellen Tiermodelle in der CED-Forschung zur Induktion einer gastrointestinalen mukosalen Inflammation werden in chemisch induzierte, genetisch manipulierte, Zelltransfer- und spontan auftretende Modelle eingeteilt. Die folgende Tabelle gibt eine kleine Übersicht über derzeit gängige Tiermodelle. 45 Tabelle 5: Übersicht über experimentelle Tiermodelle 1.) Chemische Induktion: - Entwicklung vergleichbarer Symptome wie bei der CU des Menschen - gute Reproduzierbarkeit - einfache Verfügbarkeit - kostenoptimiert z.B. DSS (Dextran-SulfatSodium) und TNBS (Trinitrobenzolsulfonsäure) induzierte Colitis [96, 126] 2.) Genetische Manipulation: - Modelle mit Manipulationen des Zytokingleichgewichtes z.B. IL2-, IL-10 knock out Mausmodell [5, 11, 90] 3.) Tansfercolitis: - T-Zellen werden in SCID-Mäuse transferriert - Spender und Empfänger werden benötigt z.B. CD4-T-Zell-Subpopulation in eine SCID-Maus [37, 125] Unsere Arbeitsgruppe hat sich für das Tiermodell der DSS-Colitis zur Durchführung der Versuche entschieden. Primär sollte ein ideales 46 Tiermodell für Voraussetzung chronisch erfüllen, entzündliche den Darmerkrankungen pathophysiologischen Zustand die der menschlichen Darmentzündung so exakt wie möglich nachzuarmen. So ergibt sich die Möglichkeit, dass Schlussfolgerungen auf inflammatorische Mediatoren sowie genetische und immunologische Prozesse vom Tiermodell auf den Menschen übertragen werden können. Dieses ist beim Modell der DSS-Colitis gegeben. Als weiterer Punkt sei erwähnt, dass dieses Modell nicht zuletzt auch durch seine unkomplizierte Durchführbarkeit und finanzielle Überschaubarkeit überzeugte. Für die Zukunft wurde in unserer Arbeitsgruppe bereits angedacht, Taurolidin auch in anderen Modellen wie beispielsweise in der Transfer Colitis zu untersuchen. Das Dextransulfat -Modell der Maus lässt sich mit den morphologischen Veränderungen, welche im Menschen bei der Colitis Ulcerosa auftreten, schon sehr gut in Korrelation setzen. Als histologischer Modus operandi der DSS-Colitis könnte die epitheliale Schädigung angeführt werden, also die leukozytäre Infiltration von Entzündungszellen wie Monozyten bzw. Makrophagen in die Lamina propria mit fokaler Kryptenzerstörung, lymphoider Hyperplasie und epithelialen Ulzerationen, sowie Erosionen, Dysplasien, der Verlust von Becherzellen und die Ausbildung von Lymphfollikeln. Diese Schäden sind vermutlich auf einen toxischen Effekt von DSS zurückzuführen, der einen Epithelschaden verursacht, verstärkt durch die Phagozytose von DSS durch Zellen der Lamina propria und die Ausschüttung von IFN-γ und TNF-α [30, 38, 96, 126]. Nur sekundär ist die Beteiligung von T-Zellen zu nennen, da die DSS-Colitis auch T-Zellunabhängig ausgelöst werden kann und zwar in schwer immundefizienten SCID-Mäusen, die über keine funktionalen T- und B47 Zellen verfügen [38, 125]. Neben der akuten DSS-Colitis gibt es auch Modelle zur Induktion einer chronischen DSS-Colitis, besonders etabliert bei dem von uns eingesetzten Stamm C57/BL6 [85]. Die primären Vorteile der DSS-Colitis bestehen in der guten Reproduzierbarkeit, dem geringen Kostenaufwand und der Entwicklung vergleichbarer klinischer Symptome wie bei der CU des Menschen. 5.2 Histoscoring nach Egger, Warum dieses Scoring-Modell? Das Tiermodell der DSS – Colitis ist durch die beschriebenen histomorphologischen Veränderungen wie leukozytäre Infiltrationen, besonders Makrophagen / Monozyten, Erosionen, Dysplasien, Verluste von Becherzellen und Krypten, Schädigung von Epithelzellen, Ulzerationen und die Ausbildung von Lymphfollikeln charakterisiert. Wir entschieden uns im Rahmen der histologischen Auswertung für den histopathologischen Score nach Egger [40], da zum einen bereits Erfahrungen in unserer Arbeitsgruppe mit diesem Score vorlagen [28], zum anderen die beschriebenen morphologischen Verändeungen teilweise berücksichtigt werden. Dieser Score legt sein Hauptaugenmerk auf die Veränderung der Kryptenarchitektur [40]. Der Schweregrad der mukosalen Zerstörung wurde anhand einer Skala zwischen Grad 0 und Grad III eingestuft. Da dieser Score nur die Veränderungen der Krypten berücksichtigt, modifizierten wir diesen, indem wir das Auftreten entzündlicher Infiltate zusätzlich mitberücksichtigten und in den Score integrierten. Das Auftreten entzündlicher Infiltrate spielt auch in weiteren histologischen Scores eine entscheidende Rolle: das von Dielemann 48 beschriebene Schema berücksichtigt die entzündliche Infiltration der Darmwand sowie das Ausmaß der Gewebezerstörung [37]. In diesem Zusammenhang werden für jeden der beiden Parameter Punkte von 0 bis 3 (0 keine Zellinfiltration bzw. kein Gewebeschaden bis 3 starke Entzündungsreaktion bzw. starker Gewebeschaden) vergeben. Die Scorepunkte werden addiert und der histologische Score von 0 bis 6 gebildet. In jedem Fall ist festzuhalten, dass sämtliche Untersuchungen in der vorliegenden Arbeit durch zwei unabhängige Untersucher erfolgten, die verblindet waren. 5.3 Kurze Zusammenfassung der Ergebnisse Unsere Arbeit zeigt zum ersten mal den signifikant protektiven Effekt von oral applizierten Taurolidin (TRD) im Krankheitsverlauf des experimentellen Modells der DSS induzierten Colitis auf. TRD steigert signifikant die Überlebensrate in der DSS-Colitis von 33% auf 100% und verbessert den klinischen Verlauf der Erkrankung im Vergleich zur unbehandelten DSS-Colitis. Die abnehmende Krankheitsaktivität nach der oralen Behandlung mit TRD spiegelt sich in der nahezu fehlenden Beeinträchtigung der Kryptenarchitektur auf der einen Seite und fehlenden inflammatorischen Veränderungen auf der anderen Seite, bezogen auf die Histologie im Bereich des Coecum, wieder. Interessanterweise konnten histomorphologischen diese verbesserten Verhältnisse nicht im inflammatorischen distalen Colon nachgewiesen werden. Dieser von oral nach aboral hin abnehmende 49 Verlauf der anti-inflammatorischen Wirkung unterstützt die Annahme, dass TRD seine Aktivität – wenigstens in einem gewissen Ausmass vom intraluminalen Raum her entfaltet. Folglich könnte die fehlende Besserung der histologischen Veränderungen im Bereich des distalen Colon auf zunehmende Abschwächung und Resorption des TRD beruhen. Die orale Gabe von TRD über 60 Tage hinweg zeigte, bezogen auf den DAI und die histomorphologischen Veränderungen, keine toxischen Effekte. Wir konnten somit erstmals zeigen, dass die orale Applikation von TRD zu einer Besserung des experimentellen CED-Modells führt. Wir gehen davon aus, dass TRD direkte intraluminale Effekte besitzt und seine antiinflammatorische Wirkung während der Akut-Phase der DSS-Colitis erzielt. 5.4 Hat TRD eine antimikrobielle Wirkung auf die intraluminale bakterielle Flora? 5.4.1 Funktion der Darmflora in der CED und in der DSSColitis In der Darmflora des Menschen finden sich Bakteriengattungen mit einigen hundert mindestens 50 Arten, wobei die Bakteriendichte von oral nach aboral konstant zunimmt. Die Bakterienkonzentration im Colon beträgt etwa 1010 – 1012 Bakterien pro Gramm Darminhalt, wobei 90% der bakteriellen Besiedlung der Darmflora obligate Anaerobier ausmachen. Die Bakterien der physiologischen Darmflora, die durch Rezeptoren des angeborenen 50 Immunsystems erkannt werden, sind an der Auslösung und Ausprägung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen beim Menschen und im Tiermodell ursächlich beteiligt [62, 114-116]. Die besonderen Charakteristika hinsichtlich der Zusammensetzung der intestinalen Mikroflora bei CED haben deren Modifikation mit Hilfe von Probiotika ins therapeutische Blickfeld gerückt. Die Erhaltungstherapie der Colitis ulcerosa mit E. coli Nissle 1917 ist mit einem Evidenzgrad Ib wissenschaftlich anerkannt [82, 132 ]. Der wichtige Beitrag der Colonflora konnte weiterhin durch die Ansprechbarkeit von CED auf antibiotische Behandlung im akuten Schub unterstrichen werden [62, 99, 132]. Ein möglicher Weg der direkten bakterienvermittelten Entzündungsreaktion in der DSS-Colitis könnte die Überwindung der mukosalen Barriere durch Translokation von Bakterien in die Lamina Propria sein, wodurch es zur ungehinderten Aufnahme von Antigenen und proinflammatorischen Molekülen wie luminalen Bakterien und ihren Produkten kommt. Die wichtige Funktion der Darmflora in der DSSColitis wird weiterhin durch die Beobachtung gestützt, dass eine Behandlung mit E. coli Nissle 1917 eine DSS-Colitis abschwächen kann [62, 114, 115]. Weiterhin konnte bei einem DSS-Colitis-Mausmodell gezeigt werden, dass die DNA kommensaler Bakterien eine chronische Dickdarmentzündung verstärkt [94]. Auch die experimentelle Colitis in IL-10 defizienten Mäusen tritt unter keimfreien Bedingungen nicht auf und ist auf die vorherige Etablierung einer intestinalen Mikroflora angewiesen. 51 5.4.2 Einordnung der eigenen Ergebnisse Wir können nur Vermutungen darüber aufstellen, auf welche Weise TRD seine protektive Wirkung auf die DSS-Colitis ausübt, aber wir nehmen an, dass diese Wirkung, wie weiter oben erstmals erwähnt, auf immunmodulatorische Fähigkeiten von TRD gegen intraluminale Bakterien zurückzuführen ist. Ein möglicher Erklärungsansatz bieten die speziellen Eigenschaften der aktiven Metabolite Taurultam und Methyl-Taurultam, welche in Lage dazu sind, Hydroxymethyl-Gruppen auf verschiedene bakterielle Makromoleküle oder Pathogenitätsfaktoren wie Lipopolysaccharide oder Exotoxine zu übertragen. Dieser chemische Vorgang bewirkt die irreversible Deaktivierung von LPS und Exotoxinen. TRD wird seit 1975 in der septischen Abdominalchirurgie als intraperitoneale Spüllösung zur Behandlung der Peritonitis eingesetzt [64-67, 98, 121]. Dabei zeigt TRD eine bakterizide Wirkung gegen ein breites Spektrum von aeroben und anaeroben Bakterien wie auch gegen klinisch relevante Pilzarten [9, 10, 17, 18, 51, 52]. Ein Überblick über das Wirkspektrum von TRD ist in Tabelle 6 dargestellt: Tabelle 6: Fachinformation des Arzneimittels Taurolin. ArzneimittelKompendium der Schweiz, 2003 Anaerobe Bakterien: Bacteroides fragilis Aerobe Bakterien: Streptokokken (Gr. A – D) Bacteroides vulgatus Staph. aureus Bacteroides distarsonis koagulase-negative Staphylokokken 52 Pilze: Candida albicans Aspergillus fumigatus Aspergillus niger Peptostreptococcus anaerobicus Clostridien-Arten Pneumokokken Trichophyton Enterobakterien einschl. E.coli, Klebs. aerogenes, SerratiaArten, Proteus-Arten Pseudomonas aeuruginosa Salmonella tyhi/enteritidis Bukholderi cepacia Cryptococcus neoformans Epidermophyton Eine weitere Indikation liegt in der Behandlung von Infektionen zentraler Venenkatheter. Es konnte gezeigt werden, dass die Applikation von TRD gegen Katheter-assoziierte Infektionen wirksam ist [76]. Daraus resultierend könnte diese intraluminale Wirkung des TRD eine Veränderung der intestinalen Mikroflora bewirken, welche wiederum die Immunantwort direkt beeinflussen könnte. Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass die ansässige Darmflora eine ausschlaggebende Rolle in der Initiation und Aufrechterhaltung der chronischen Inflammation spielt, was, wie bereits angeführt, in zahlreichen genetischen und chemisch induzierten Mausmodellen der DSS-Colitis gezeigt werden konnte, wohingegen eine Krankheitsentwicklung unter keimfreien Bedingungen nicht gegeben war [114, 115]. Somit könnte der therapeutische Effekt des TRD und die damit verbundene Veränderungen der Darmflora die Wirkweise des TRD der Wirkungsweise eines Probiotikums nahe kommen. Die Applikation von Probiotika, wie beispielsweise E. coli Nissle 1917 oder andere Stämme des Bifidobacteriums erzielte positive Effekte in einigen experimentellen CED-Modellen und resultierte in einer verminderten Translokation pathogener Bakterien in mesenteriale Lymphknoten. 53 Damit wäre ein geringerer inflammatorischer Stimulus die konsekutive Folge. Die Versuchsreihen dieser Arbeit lieferten jedoch keinen Hinweis auf signifikante Veränderungen der bakteriellen Translokation in die mesenteriale Lymphknoten. Dieses ist am ehesten auf die geringe Gruppengröße zurückzuführen, die sich aus der erhöhten Mortalität in der unbehandelten Colitis-Gruppe (n=3) ergab, welche eine zuverlässige Auswertung nicht zulässt. Als Ausblick wären an dieser Stelle sicherlich weitere Untersuchungen in Bezug auf Stuhlkulturen und die Analyse der mesenterialen Lymphknoten bei einer milderen Colitis sinnvoll. 5.5 Hemmung der Zytokinfreisetzung durch TRD 5.5.1 Systemische Wirkung während der SIRS-/Sepsis-Phase der DSS-Colitis Ein anderer mögliche Erklärungsansatz für das anti-inflammatorische Wirkpotenzial von TRD könnte aus den modulierenden Fähigkeiten dieser Substanz bereits bekannten in Bezug auf die Zytokinproduktion inflammatorischer Zellen während des Auftretens eines SIRS (systemical inflammatory response syndrom) bzw. einer Sepsis, also eines SIRS mit nachgewiesener Infektion, resultieren [81]. Die Entwicklung der Sepsis wird im zeitlichen Verlauf zum einen von einer überschiessenden Immunantwort und zum anderen von der Anergie des Immunsystems Hyperinflammation, charakteriesiert. in der Anfänglich aktivierte 54 CD4 dominiert eine Th1-Lymphozyten proinflammatorische Zytokine, wie TNF-α, Interferon-γ und Interleukin2, sezernieren. Zusätzlich schütten Th2-Lymphozyten antinflammatorische Zytokine, wie Interleukin-1 und Interleukin-10 aus. Im Verlauf der Sepsis kommt es konsekutiv zu einer Abnahme der Lymphozytenzellzahlen und der Zytokinsekretion, welches zu einer zunehmenden Anergie des Immunsystems führt. Weitere Studien bezüglich der Bedeutung der T-Zellen folgten in einem DSS-Colitis-assoziierten Coloncarcinom-Modell aus dem Jahre 2011 [136]. Einige Mitglieder der TNF-Familie, darunter auch vor allem TNFα, vermitteln also pathophysiologische Prozesse wie septischer Schock, Kachexie, Kanzerogenese und Autoimmunität [1]. Die detektierbaren TNF-Mengen sind also häufig mit pathologischen Zuständen verbunden [1]. So führt eine Stimulation mit Lipopolysaccharid (LPS) oder anderen bakteriellen Produkten, sowie gram-positiven und gram-negativen Bakterien zu einer dramatischen Erhöhung der TNF-Konzentration im Serum. Im Zusammenspiel mit anderen Zytokinen gilt TNF als zentrales Molekül bei der Entstehung des septischen Schocks [13, 80]. Bei der Sepsis wirkt TNF im Sinne einer Multiplikation des Endotoxineffektes und ist als essentieller Mediator für die klinischen Symptome der Sepsis verantwortlich [12, 43, 86, 132]. Die relativ hohe DSS-Dosierung von 1,5% bzw. 1,0%, die in dieser Studie genutzt wurde, führte zu einer schweren Colitis mit hohen DAI-Werten und einer hohen Mortalität in der unbehandelten Colitis-Gruppe, während die Behandlung mit TRD zu einer erheblichen Verbesserung führte. Wir können annehmen, dass die Mehrheit der Tiere in dieser unbehandelten Colitis-Gruppe an den Folgen eines SIRS/einer Sepsis verstarben – wie es bei fulminanten Exazerbationen im Verlauf einer 55 CED beim Menschen bekannt ist. Möglicherweise spielt auch hier das proinflammatorische „Schlüssel-Zytokin“ TNF- α eine entscheidende Rolle. Die Funktion von TNF- α in der DSS – Colitis wurde bereits 1997 nachgewiesen . So konnte Kojouharoff et al. zeigen, dass in der chronischen Phase einer DSS-induzierten Colitis die Neutralisierung von TNF zu einer Verminderung der Darmentzündung führt [75]. Wie könnte TRD nun in die TNF- α Effekte bei der DSS – Colitis eingreifen? In einer experimentellen Untersuchung mit menschlichen Makrophagen konnte TRD nach LPS-Stimulation die Synthese von TNF-α und IL-1b in vitro [7, 38, 119] und in vivo in Tiermodellen der Sepsis und Peritonitis reduzieren [108]. Unsere Hypothese geht davon aus, dass TRD in der Lage ist, die DSS-Colitis getriggerte Sepsis/SIRS einzudämmen oder sogar zu hemmen. Wir konnten diese Hypothese nicht untermauern, da unserer Studie der Beweis für eine Reduktion der Zytokinexpression von TNF-α im Vergleich zwischen TRD-behandelter und unbehandelter DSS-Colitis fehlt. Andere proinflammatorische Zytokine wie IL-1b, IL-6 und CCL- 2 wurden in der Colitis-Gruppe nicht erhoben. Auch wurde keine Analyse der Zytokinspiegel im Serum durchgeführt, wo wir die Anti-ZytokinEffekte von TRD vermuten. Weitere Studien, die sich mit akuten Modellen der DSS-Colitis beschäftigen ( z.B. DSS-Colitis über 5 Tage anstatt über 30 Tage) und begleitende Serum-ELISA-Analysen zur Bestimmung der TNFKonzentration und Bestimmungen von Zytokin-Konzentrationen im Colon sind notwendig, um diese Hypothese zu bestätigen. 56 Aktuelle Studien aus dem Jahre 2011 untersuchten bereits die intravenöse Applikation von anderen endogenen mikrobiellen Komponenten und zeigten u.a. eine Reduktion der intestinalen und systemischen proinflammatorischen Zytokine [127]. 5.6 Induktion der Apoptose in Immunzellen/Epithelzellen durch TRD Über eine anti-neoplastische Eigenschaft von TRD wurde unlängst in diversen experimentellen und präklinischen Studien berichtet. TRD ist ein starker Induktor der Apoptose, wie in einigen humanen Tumor-ZellLinien gezeigt wurde [26]. Obwohl TRD seine pro-apoptotischen Eigenschaften vorzugsweise auf Tumorzellen ausübt, ist es zusätzlich denkbar, dass auch Immunzellen ein Target für die Induktion der Apoptose darstellen. Die Relevanz der Apoptose von aktivierten T-Zellen im intestinalen Epithel für die Beendigung der inflammatorischen Kaskade wurde bereits in einigen experimentellen CED-Modellen und auch in der CED beim Menschen veranschaulicht [5, 88-90]. Chronisch entzündliche Darmerkrankungen sind durch eine Störung der intestinalen Barriere charakterisiert. Diese Barrierestörung führt zu einer permanenten Aktivierung des mukosalen Immunsystems, woraus die persistierende chronische Entzündung resultiert. Die Lamina propria ist der bedeutendesde Ort der intestinalen Immunantwort. Hier wandern gereifte B- und T-Zellen nach Induktion durch ein Antigen in den Peyer’schen Plaques ein [35]. Die sich hier anschliessende TZellaktivierung durch dendritische Zellen ist ein physiologischer 57 Prozess, der kontinuierlich stattfindet. Durch die Antigenpräsentation wird in der gesunden Mukosa eine Toleranz induziert, vermittelt durch die Polarisation von naiven T-Zellen zu regulatorischen, Th1- und Th2Zellen. Eine Entzündungsreaktion wird durch ein Gleichgewicht dieser T-Zellpopulationen verhindert. Kommt es unter bestimmten prädisponierenden Faktoren zur Dominanz einer polarisierten TZellsubpopulation, resultiert eine Entzündung. Diese polarisierten TZellen vermitteln wiederum die Freisetzung verschiedenster Mediatoren aus den benachbarten Zellen, aber auch die Rekrutierung weiterer Entzündungszellen in dieses Areal [68, 71]. Patienten mit Colitis ulcerosa weisen beispielsweise erhöhte Konzentrationen von Th2Zytokinen auf. Das Schlüsselzytokin für die Th2-Polarisation ist das IL4 [11, 107]. Die TRD getriggerte verstärkte Apoptose könnte möglicherweise eine Unterbrechung der T-Zell-getriggerten pro-inflammatorischen Prozesse während der DSS-Colitis bewirken und somit zu einer Verringerung des inflammatorischen Stimulus führen. Wie sich in späteren Untersuchungen der Arbeitsgruppe zeigte, hat oral appliziertes Taurolidin jedoch keinen signifikanten Einfluss auf die Carcinogenese in Mäusen mit DSS-induzierter Colitis [27]. 58 6 Zusammenfassung Die Zielsetzung dieser Studie bestand darin, die Toxizität von oral appliziertem Taurolidin darzustellen und die Auswirkungen dieser Applikationsform auf den Krankheitsprozess anhand des DSS Modells der experimentellen Colits in C57/BL6 Mäusen, einem Stamm, von dem bekannt ist, dass er empfänglich für oral appliziertes DSS ist, zu untersuchen. Wir konnten erstmalig zeigen, dass die orale Applikation von Taurolidin gut toleriert wird und zu einer signifikanten klinischen und histologischen Besserung des experimentellen CED-Modells führt. Die orale Gabe von Taurolidin über 60 Tage hinweg zeigte keine toxischen Effekte bezüglich der histomorphologischen Veränderungen und des DAI. Desweiteren zeigt unsere Arbeit erstmals den signifikant protektiven Effekt von oral appliziertem Taurolidin im Krankheitsverlauf des experimentellen Modells der DSS induzierten Colitis auf. TRD steigert signifikant die Überlebensrate in der DSS-Colitis von 33% auf 100% und verbessert den klinischen Verlauf der Erkrankung im Vergleich zur unbehandelten DSS-Colitis. Die abnehmende Krankheitsaktivität nach der oralen Behandlung mit TRD spiegelt sich in der nahezu fehlenden Beeinträchtigung der Kryptenarchitektur auf der einen Seite und fehlenden inflammatorischen Veränderungen auf der anderen Seite hinsichtlich der Histologie im Bereich des Coecum wieder. Interessanterweise konnten histomorphologischen diese verbesserten Verhältnisse nicht im inflammatorischen distalen Colon nachgewiesen werden. Dieser von oral nach aboral hin abnehmende Verlauf der anti-inflammatorischen Wirkung unterstützt die Annahme, 59 dass TRD seine Aktivität – wenigstens in einem gewissen Ausmass vom intraluminalen Raum her entfaltet. Folglich könnte die fehlende Besserung der histologischen Veränderungen im Bereich des distalen Colon auf die enterale Resorptionskinetik des TRD beruhen. Der Mechanismus, über den TRD seine Wirkung in der DSS-Colitis erzielt, bleibt letzen Endes weiterhin aufzuklären. Inhibitorische Wirkungen auf die Zytokinsekretion oder auf die Apoptoseinduktion von Immunzellen wären ebenfalls denkbar. Wir vermuten direkte intraluminale antimikrobielle Wirkungen des TRD, sowie anti-inflammatorische Wirkungsweisen während der akuten Phase der DSS-Colitis. 60 7 Literaturverzeichnis [1] Aggarwal, B. B., Shishodia, S., Ashikawa, K., Bharti, A. C. (2002). The role of TNF and its family members in inflammation and cancer: lessons from gene deletion. Curr. 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Zu allererst gilt mein Dank meinem Doktorvater, Prof. Dr. Mittelkötter, ohne den das alles nicht möglich gewesen wäre. Des Weitern möchte ich mich bei seiner Arbeitsgruppe für die Unterstützung und Begleitung bedanken. Ein grosser Dank geht auch an Prof. Dr. Herdegen und seine Arbeitsgruppe in Kiel für den erfolgreichen Ablauf des praktischen Teils und die herzliche Aufnahme in das Team und in diese schöne Stadt. Weiterhin möchte ich mich bei Dr. Ansgar Chromik bedanken für die stetige Betreuung und Unterstützung während der ganzen Zeit der Dissertation, trotz genügend eigener Verpflichtungen und zeitlicher Einschränkungen. Mein besonderer Dank richtet sich an meine Eltern und meine Freunde, die die ganze Zeit über an mich geglaubt haben und letztendlich die Fertigstellung dieser Arbeit und auch des Studiums erst ermöglicht haben. Und zuletzt möchte ich mich bei all denen bedanken, die ich bisher vergessen habe zu erwähnen. Lebenslauf Name Rottmann, Sabrina Religion evangelisch Familienstand ledig Geburtstag 28.03.1980 Geburtsort Bielefeld, Nordrhein-Westfalen Schulausbildung 1986 – 1990 Grundschule Steinhagen 1990 – 1999 Ratsgymnasium Bielefeld 1999 Abschluss Abitur Berufsausbildung 2001 Immatrikulation an der Ruhr Universität Bochum 2005 Ärztliche Vorprüfung 2008 - 2009 Praktisches Jahr im Spital Riggisberg, Schweiz sowie im Marien-Hospital, Witten 2009 Zweiter Abschnitt der Ärztlichen Prüfung 2010 Assistenzärztin am EVK Herne in der Abteilung für Innere Medizin