Schmerzbegutachtung nach Arbeitsunfällen

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Begutachtungs-Spezialseminar
für Chefärzte/innen an VAV-Kliniken
„Schmerzbegutachtung nach Arbeitsunfällen“
am 12. November 2008 in Balingen und am 20. Mai 2009 in Kirkel
Heft 27 der Schriftenreihe ÄRZTE
© Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest
Titel:
Begutachtungs-Spezialseminar für Chefärzte/innen an VAV-Kliniken
„Schmerzbegutachtung bei Arbeitsunfällen“
Heft 27 der Schriftenreihe ÄRZTE
Herausgeber:
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV)
Landesverband Südwest
Anschrift:
Kurfürsten-Anlage 62, 69115 Heidelberg
Postfach 10 14 80, 69004 Heidelberg
Telefon (0 62 21) 5 23-0, Telefax (0 62 21) 5 23-3 99
© Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest
BEGUTACHTUNGS-SPEZIALSEMINAR
für Chefärzte/innen an VAV-Kliniken
„Schmerzbegutachtung nach Arbeitsunfällen“
am
12. November 2008
Stadthalle Balingen, Hirschbergstraße 38, 72336 Balingen
und
20. Mai 2009
Bildungszentrum Kirkel, Am Tannenwald 1, 66459 Kirkel
Leitung / Moderation
Claudia Drechsel-Schlund
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Inhaltsverzeichnis:
1.
Einleitung
2.
Programm
3.
Referate
 Impulsreferat Leitlinien zur Begutachtung von Schmerzen – Zusammenfassung und Präsentation
Prof. Dr. Kleinschmidt
 Impulsreferat Unfallversicherungsrechtliche Aspekte des Schmerzes – Zusammenfassung und Präsentation
Feddern
 Impulsreferat Rechtlich-methodische Kriterien zur Begutachtung von Schmerzen – Zusammenfassung und Präsentation
Drechsel-Schlund
 Impulsreferat Schmerzbegutachtung durch den Unfallchirurgen bzw. Orthopäden mit
Fallbeispielen – Zusammenfassung und Präsentation
Prof. Dr. Schiltenwolf
 Impulsreferat Neurologische Schmerzbegutachtung nach Traumen mit Fallbeispielen–
Zusammenfassung und Präsentation
Dr. Benz
 Impulsreferat Psychiatrische Schmerzbegutachtung nach Traumen mit Fallbeispielen –
Zusammenfassung und Präsentation
Dr. Schwarz
4.
Rechtsprechung
 BSG-Urteil vom 09.04.2003 – B 5 RJ 36/02 R (Diagnosestellung bei Schmerzsyndrom)
 BSG-Urteil vom 09.04.2003 - B 5 RJ 80/02 B (Gutachterliche Fachkompetenz bei Schmerzen)
 BSG-Urteil vom 22.06.2004 – B 2 U 14/03 R (Besondere Aspekte der MdE-Einschätzung bei Schmerzen)
 Urteil LSG Bayern vom 05.12.2007 - L 2 U 214/07 –
(Diagnosestellung beim Chronischen Regionalen Schmerz-Syndrom)
 Urteil LSG Berlin-Brandenburg vom 17.04.2008 – L 4 R 419/07 (Beweiswert eines „Schmerztherapeutischen“ Gutachtens)
 Urteil LSG Berlin-Brandenburg vom 24.09.2008 – L 31 U 477/08 (Keine Anerkennung einer Angst- und Schmerzstörung nach Bagatellvorgang)
5.
Leitlinie für die Begutachtung von Schmerzen
6.
Literaturhinweise
7.
Referenten
2
1.
Einleitung
Im Rahmen der langjährigen Begutachtungs-Veranstaltungsreihe des Landesverbandes
Südwest der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) stand dieses Mal mit
dem Thema Schmerzen eine sehr komplexe und aktuelle Problematik im Mittelpunkt.
Anknüpfungspunkt war die jüngst überarbeitete Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlich-medizinischer Fachgesellschaften zur Begutachtung von Schmerzen
(Stand 03/2007). An der Erstellung waren u. a. die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (DGOOC), die Deutsche Gesellschaft für Neurologie
(DGN) und die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) beteiligt. Als Referenten des Begutachtungs-Spezialseminars konnten
mit Prof. Dr. Schiltenwolf (für die DGOOC) und Dr. Benz (für die DGN) zwei Mitautoren
der Leitlinie und namhafte ärztliche Sachverständige gewonnen werden.
Die Begutachtungsseminare bilden ein Forum für den interdisziplinären Dialog zwischen
Unfallchirurgen/Orthopäden und Unfallversicherungsträgern. Gemeinsames Ziel ist die
Qualitätssicherung in der sozialmedizinischen Begutachtung unter Berücksichtigung des
wissenschaftlichen Erkenntnisstandes und der aktuellen sozialgerichtlichen Rechtssprechung. Der hohe Stellenwert des durchgeführten Begutachtungs-Spezialseminars wurde sowohl durch die rege Teilnahme von ärztlichen Direktoren, Chefärzten von VAVKliniken und deren Vertretern (insgesamt 50 Teilnehmer in Balingen und Kirkel) als
auch durch die von der Ärztekammer ausgewiesenen zehn Fortbildungspunkte anerkannt.
Ziele des Begutachtungs-Spezialseminars
 Vermittlung der aktuellen
medizinischen, rechtlichen und
begutachtungsmethodischen
Anforderungen für Schmerzgutachten
 Sicherung der Qualitätsstandards für
die Schmerzbegutachtung für
belastbare Entscheidungen über
sozialrechtliche Leistungsansprüche
 Gedanken- und Erfahrungsaustausch
zwischen den in unterschiedlichen
„Betriebssystemen“ arbeitenden
Sachverständigen und Rechtsanwendern
Seite 1
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Die Dokumentation erhält die Zusammenfassungen der Referate und die PowerPointPräsentationen. Hinzu kommen ausgewählte Entscheidungen der Sozialgerichte zu Begutachtungsfragen des Schmerzes. Dem ärztlichen Moderator, PD Dr. Grützner, und
den Referenten sind für ihre Beiträge und die intensive und gut strukturierte Besprechung der Begutachtungsfälle zu danken.
Die gemeinsame Diskussion und Lösung praktischer Beispielsfälle zur Begutachtung
von Schmerzen mit den Problemfeldern






geeignetes Ereignis
Befunderhebung und Diagnosestellung
fachgebietliche Begutachtungskompetenz
Einteilung von Schmerzen als
(1.) Begleitsyndrom einer Gewebeschädigung oder –erkrankung
(2.) bei Gewebeschädigung/-erkrankung mit psychischer Comorbilität und
(3.) als Leitsyndrom einer psychischen Erkrankung
Nebenwirkung von Schmerzmedikamenten als mittelbare Unfallfolge und
MdE-Einschätzung bei Schmerzen
sind wie immer von besonderem Erkenntniswert für die Teilnehmer gewesen.
Trauma und Schmerzen
„ …jetzt lebe ich in einem
schmerzvollen Planeten“
Seite 2
Abb. Frida Kahlo, mexikanische Malerin (*06.07.1907 - 13.07.1954)
Die Malerin erlitt am 17.09.1925 einen Busunfall, der schwere
Becken-/Wirbelsäulenverletzungen zur Folge hatte. In ihren Selbstbildnissen
werden wiederholt Schmerzen dargestellt.
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2.
Programm
Begrüßung/Einführung
Leitlinien zur Begutachtung von Schmerzen
Unfallversicherungsrechtliche Aspekte
des Schmerzes
Diskussion
Rechtlich-methodische Kriterien zur
Begutachtung von Schmerzen
Schmerzbegutachtung durch den Unfallchirurgen
bzw. Orthopäden mit Fallbeispielen
Diskussion
Neurologische Schmerzbegutachtung nach
Traumen mit Fallbeispielen
Psychiatrische Schmerzbegutachtung nach
Traumen mit Fallbeispielen
Diskussion
Darstellung und Diskussion praktischer
Begutachtungsfälle, insbesondere der
Seminarteilnehmer
Zusammenfassung des Seminars
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3.
Referate
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Impulsreferat
Leitlinien zur Begutachtung von Schmerzen - Zusammenfassung und
Präsentation
Professor Dr. med. Stefan Kleinschmidt
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Leitlinien zur Begutachtung von Schmerzen
Im Jahre 2003 wurden erstmals von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe (bestehend
aus Vertretern der Fachgebiete Neurologie, Orthopädie, Psychiatrie, Psychotherapie)
mit Unterstützung von Seiten der Rechtsprechung Leitlinien zur Begutachtung von
Schmerzen erarbeitet. Diese Leitlinien sollen den Ablauf und den Inhalt der Begutachtung von Patienten mit dem Leitsymptom „chronischer Schmerz“ vereinheitlichen und
damit für alle Beteiligten transparenter gestalten. Diese Leitlinie wurde inzwischen unter
Mitwirkung weiterer Fachgesellschaften (u. a. Deutsche Gesellschaft zum Studium des
Schmerzes) aktualisiert und im AWMF Leitlinienregister in der Entwicklungsstufe S2
publiziert.
Obwohl Leitlinien für den Anwender weder eine haftungsbegründende noch haftungsbefreiende Wirkung haben, ist jedoch mit der vorliegenden Leitlinie ein äußerst wertvolles
Instrument entstanden, welches dem „Anwender“ (dem Begutachter gleich welchen
Fachgebietes) und auch dem Auftraggeber gerade in der manchmal sehr komplexen interdisziplinären Beurteilung von Schmerzen als „Steuerungsinstrument“ dienen kann.
Auch sind hierdurch qualitätssichernde Maßnahmen möglich geworden.
Die Leitlinie ist folgendermaßen gegliedert:

Präambel und Inhalt

Spezielle Aspekte der Begutachtung von Schmerzen, u. a. die adäquate Kenntnis
der Krankheitsbilder oder die Wahrung der Unparteilichkeit des Gutachters

Einteilung von Schmerzen aus gutachterlicher Sicht

Ablauf und Inhalt der Begutachtung, u. a. Anamnese, klinische Befunde und Zusammenführung der Befunde und Beobachtungen zu einer Beurteilung im sinne
des „Vollbeweises“

Beurteilung von Kausalitätsfragen

Bewertung der Funktionsstörungen in den verschiedenen Rechtsbereichen
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Auf der Basis dieser Leitlinien werden im Workshop exemplarische Begutachtungsfälle
durch einige Referenten moderiert und im Forum diskutiert. Diese Diskussion dient auch
zur besseren Verständigung zwischen der (juristischen) Verwaltungsebene und den
Gutachtern.
Literatur:
Widder B (2008) Überarbeitete Leitlinie der AWMF zur Begutachtung von Schmerzen. Z
Orthop Unfall 146: 151 - 161
Autor:
Prof. Dr. Stefan Kleinschmidt
Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Ludwig- Guttmann- Straße 13
67071 Ludwigshafen
Tel. (06 21) 68 10 23 22
Fax. (06 21) 68 10 26 11
E-Mail: [email protected]
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Leitlinien zur Begutachtung
von Schmerzen
Stefan Kleinschmidt
Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und
Schmerztherapie
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik
Ludwigshafen
Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Gliederung der S2k- Leitlinie
 Präambel:




Urheberschaft
Ziele, Inhalte
Implementierung, Entwicklungsstufe
Überprüfung und Aktualisierung
 Einteilung von Schmerzen
 Spezielle Begutachtungsaspekte
 Begutachtung: Ablauf und Inhalt
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Leitlinie: Beteiligte Fachgesellschaften
 Deutsche Gesellschaft
 Für Neurologie (DGN)
 für Orthopädie und orthopädische Chirurgie
(DGOOC)
 für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
(DGPM)
 für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde
(DGPPN)
 zum Studium des Schmerzes (DGSS)
 Deutsches Kollegium für psychosomatische
Medizin (DKPM)
Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Leitlinie zur Begutachtung von Schmerzen
 AWMF Leitlinienregister Nr. 030/102
 Entwicklungsstufe 2k:
 In Konsensuskonferenz verabschiedet
 Neben den Fachgesellschaften
sozialrechtliche Unterstützung
 Letzte Überarbeitung 03/2007
 Nächste Überarbeitung geplant 12/2010
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Inhalt der Leitlinie
 Grundlagenwissen
 Schmerzentstehung
 Schmerzverarbeitung
 Schmerzchronifizierung
 „Formales Wissen“
 Kenntnisse der Begutachtungsgrundlagen
 Kenntnisse der Rechtsbereiche
 Interdisziplinarität der Leitlinie
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Was wird begutachtet?
 Es gilt NICHT „Schmerzen hat wer Schmerzen klagt“
 Die objektivierbaren Konsequenzen der Schmerzen sind
zu eruieren im Sinne einer Indizienbeweisführung
 Chronifizierte Schmerzen
 Nicht monokausal erklärbar
 Dadurch Funktionsbeeinträchtigungen
 Prognostische Bewertung:
 z.B. durch Therapien (teilweise) verbesserbar
 Nicht mehr verbesserbar
 Differenzialdiagnostische Bewertungen
Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Inhalte der Begutachtung Teil I
 Exploration der Beeinträchtigungen:
 Berufsleben
 Alltagsleben
 Erfassung aller Schmerzlokalisationen:
 Körperlich
 Psychopathologisch (bei > 3 Schmerzloci)
 Einsatz von Fragebögen und Skalen
 Von Sozialgerichten teilweise gefordert
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Inhalte der Begutachtung Teil II
 Differenzialdiagnostische Bewertung:
 Somatischer Kontext
 Psychosozialer Kontext
 Prüfung der Beschwerden und Beeinträchtigungen auf
Konsistenz:
 „im Beruf“ und „in der Freizeit/Sozialstruktur“
 Sehr hoher zeitlicher Aufwand (mehrere Stunden)!




Aktenstudium
Patientenvorstellung/Untersuchung
Diktat/Korrektur
[Es sollten durchaus stationäre Aufenthalte erwogen werden, um
die geklagten Funktionseinschränkungen sinnvoll prüfen zu
können]
Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Quantifizierung von Schmerzen
 Numerische oder visuelle Analogskala
 Schmerzen bei vorliegender Gewebeschädigung
 „Übliche Schmerzen“ in der GdB/MdE-Bewertung
bereits enthalten
 Über das übliche Maß hinaus, eine spezielle
Behandlung erfordernde Beschwerden
 Schmerzen bei primär psychischen
Erkrankungen
 Schmerzen, die nicht oder nur in untergeordnetem
Umfang durch Gewebschäden erklärbar sind
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Problem der Selbsteinschätzungsskalen
„Pro Skala“
 Dienen mit der
Standardisierung von
Befunden
 Ergänzen die
Eigenschilderung der
Beschwerden
 Forderung der
Anwendung von
Sozialgerichten
„Con Skala“
 Keine Bedeutung als
objektivierbares
Kriterium
 Unkritische
Übernahme in die
Befundung
Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Pharmakologie: Pharmaka- Konzentrationen
 Pharmakogenetische Unterschiede (CYP 450)!!
 Lässt nur eingeschränkt einen Rückschluss auf die
Dosierung („Compliance“) zu
 Beispiele (Auswahl):
 Nicht-Opioide: ASS, Metamizol, Diclofenac
 Opioide: Tilidin, Tramadol, Morphin, Methadon
 Antidepressiva: Amitryptilin, Mirtazapin
 Sonstige: Carbamazepin, Gabapentin
 Bestimmung mittels HPLC
 Kooperation mit rechtsmedizinischen Instituten
manchmal notwendig
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Probleme bei der Begutachtung
V
Ve
erdeutlichung
Aggravation
Simulation
mehr oder weniger bebewusste verschlimbewusstes und ausmernde bzw. überwusster Versuch, den
schließliches VorGutachter vom Vorhan- höhende Darstellung ei- täuschen einer krankdensein der Schmerzen ner krankhaften Störung haften Störung zu bezu überzeugen
zu erkennbaren Zwek- stimmten, klar erkennbaken
ren Zwecken
„normal“
häufig
selten
Zusammenhang mit einem desinteressierten,
oberflächlichen Untersucher
gutachterlich relevant
gutachterlich relevant
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Einteilung von Schmerzen „im Gutachten“
Schmerz
Begleitsymptom einer
Schä
Schädigung des
(Nerven)Gewebes *
Gewebeschä
Gewebeschädigung
mit psychischer
Komorbiditä
Komorbidität
Leitsymptom einer
psychischen
Erkrankung
 „Übliche“ Schmerzen
Begleitsymptom einer
Gewebeschädigung (z.B.
Nervenläsion)
z.B. Lumboischialgie mit
Nervenwurzelläsion,
verschlimmert durch
Komorbidität
mit z.B. inadäquater
Krankheitsbewältigung,
Angststörung,
depressiver Störung
oder Suchterkrankung
Schmerz bei primär
psychischen
Erkrankungen
(z.B. depressive Störungen, Angststörungen,
Anpassungsstörungen,
posttraumatische Belastungsstörungen)
 Außergewöhnliche
Schmerzen
z.B. CRPS, Thalamusschmerz, Stumpfund Phantomschmerz,
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(Abb. B. Widder, Günzburg)
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Spezielle Aspekte des Begutachters
 Kenntnis der Krankheitsbilder:
 Aktueller Wissensstand
 Leitsymptom „Chronischer Schmerz“
 Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“
nach der WBO erforderlich
 80 h Kurs psychosomatische Grundversorgung
erwünscht
 Kenntnis der juristischen Grundlagen:
 Fragestellung = Grenzen des Auftrags
 Unterschiedliche Rechtsgebiete
Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Terminologie der Begutachtung
Korrekt:
 „Begutachtung von
Schmerzen“
 Fachgebiet, z.B.
 Neurologie
 Orthopädie
 Psychiatrie/Psychotherapie
 Anästhesie...
Bitte vermeiden:
 „Schmerztherapeutisches Gutachten“
 „Schmerztherapeutische Aspekte“
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
„Therapeuten“- und „Gutachter“- Perspektive
„Gutachter“
„Therapeut“
Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Ablauf der Begutachtung: Vorbereitung
 Eingang Gutachtenauftrag
 Klärung
 Ob fachliche Kompetenz für Fragestellung
gegeben ist
 Ob eine Erstellung in adäquater Zeit möglich
 Ob Zusatzinformationen notwendig sind
 Ggf. Hinzuziehung von Zusatzgutachtern
 Eingehende Prüfung der Aktenlage vor
dem Untersuchungstermin
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Ablauf der Begutachtung: Anamnese
Allgemeine Anamnese
Arbeits- und Sozialanamnese
Spezielle Schmerzanamnese
Behandlungsanamnese
Einschränkungen in den
täglichen Aktivitäten und
Lebensbereichen
 Selbsteinschätzung
 Fremdanamnese
(mit Zustimmung)





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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Ablauf der Begutachtung: Körperliche Untersuchung
 Komplette körperliche Untersuchung
 Besondere Aufmerksamkeit auf den/die
Schmerzloci
 Sekundäre Merkmale wie
 Beschwielung
 Muskelrelief/ Muskelumfang (Seitendifferenz!)
 Hautpigmentveränderungen (z.B. durch das Tragen
einer Manschette)
 Fingernagellänge
 Schmutz in Beschwielungen
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Ablauf der Begutachtung: Beobachtungen/Befunde
 Beobachtungen während der Begutachtung
 Klinisches Bild beim An- und Auskleiden
 Längeres ruhiges Sitzen möglich?
 Körperlicher Untersuchungsbefund
 Apparative Befunde
 z.B. QST beim CRPS
 EMG......
 Fachgebietsbezogener Befund
 Überprüfung der Selbsteinschätzungsskalen
 Laborchemische Befunde, sofern vorhanden
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Schmerzbegutachtung: Prognosefaktoren I
 Chronifizierungsfaktoren:
 Arbeitsplatzfaktoren (z.B. monotone
Schwerarbeit, niedriges Einkommen)
 Soziodemografische Faktoren:
 Alter, Geschlecht, Sozialstatus, Bildung
 Somatische Faktoren:
 Degenerative Veränderungen
 Genetische Disposition
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Schmerzbegutachtung: Prognosefaktoren II
 Psychosoziale Faktoren:
 Depressionen
 Kognitiv-affektive Störungen (Vermeidung)
 Iatrogene Faktoren:




Förderung passiver Therapiekonzepte
Lange Arbeitsunfähigkeit
Übertriebene Diagnostik
Inadäquate Therapie (z.B. nur monomodal)
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Zusammenfassende Beurteilung
 Welche Störungen sind ohne vernünftigen
Zweifel nachweisbar?
 Auf welche Ursachen sind die chronischen
Schmerzen „mit Wahrscheinlichkeit“
zurückzuführen?
 Welche Auswirkungen haben diese
Gesundheitsstörungen?
 Welche Prognose haben diese?
Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Beobachtungen und Befunde
Befunde
Beobachtungen
Funktions
einschränkungen
Anamnese
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Diagnosestellung des Gutachters
 Diagnosen nach ICD-10 Kriterien angeben
 Bitte vermeiden:
 „Lumbalsyndrom“
 „Z.n.Hüftgelenksersatz“
 „Verdacht auf vegetative Dysfunktion“
 Funktionsbeeinträchtigungen durch
Schmerz sind explizit zu nennen
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
ICD-10: Beispiele: Schmerzsyndrome
 Extremitätenschmerzen
 M79.x
 Kopfschmerzen
 G43.x, G44.x, G50.x
 Rückenschmerzen
 M43.x, M47.x,M48.x, M50.x, M51.x, M53.x, M54.x
 Neuralgien
 G54.x, T87.x, M89.0x, G56.x-G59.x, G62.x, G63.x
 Häufig mit sonstiger chronischer Schmerz
 R52.2
 Beispiel
 CRPS Obere Extremität re
 Chronische Lumbago
 Kopfschmerz, medikamenteninduziert
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M89.04
M54.5
G44.4
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Bewertung der Funktionsstörungen
 Überzeugung des Gutachters, dass die
Funktionsstörungen bestehen?
 Keine Diskrepanz zwischen subjektiven und
objektiven Befunden
 Bewertung u.a.:
 Berufliche vs. Freizeitaktivitäten
 Eigenaktivitäten zur Verbesserung des bestehenden
Zustandes
 Fremdanamnese
 Der Untersuchungssituation
Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Ausschluss „sekundärer Krankheitsgewinn“
 Ist die „Schmerzkrankheit“ dominant?
 Kann man die Schmerzen lindern?
 Wird Linderung nicht „gewünscht“ oder eine
vernünftige Therapie nicht oder nur halbherzig
durchgeführt?
 „Compliance“ des Patienten („zumutbare
Willensanstrengung“)
 Werden nur unangenehme Tätigkeiten eingeschränkt ?
 Übt der zu Begutachtende „Leitungsfunktionen“ aus?
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Der „Vollbeweis“
 Grundlage ist § 286 ZPO
 Definitionsmöglichkeit:
„Für das praktische Leben brauchbarer
Grad von Gewissheit, der Zweifeln
Schweigen gebietet, ohne sie völlig
auszuschließen“ (BGH NJW 89, 2948)
Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
„Kausalitäten“ im Gutachten
 Haftungsbegründende Kausalität:
 Verknüpfung zwischen Handlung und „Erfolg“
 „Ein fallender Hammer führt zu einer
Handverletzung“
 Haftungsausfüllende Kausalität:
 Verknüpfung zwischen „Erfolg“ und Schaden
 Die Handverletzung führt zu medizinischen
Aufwendungen
 „Die Handverletzung führt zum CRPS“
Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Begutachtung: Kernaussagen
Der Gutachter ist.....
... davon überzeugt, dass die geklagten Funktionsstörungen bestehen und willentlich oder
durch Therapie nicht (m ehr) überwunden werden können
i.d.R. Anerkennung durch
den Auftraggeber
... zwar davon überzeugt, dass die geklagten
Funktionsstörungen bestehen, diese aber willentlich und/oder durch Therapie (zum Teil)
überwunden werden könnten
i.d.R. keine Anerkennung
durch den Auftraggeber
(keine dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung)
... nicht davon überzeugt, dass die Funktionsstörungen in der geklagten Form bestehen
i.d.R. keine Anerkennung
durch den Auftraggeber
(Beweislast des Antragstellers)
Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
(www.AWMF-online.de)
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Bewertung schmerzbedingter Funktionsstörungen
 Gesetzliche Unfallversicherung:
 MdE
 Umfang der verminderten Arbeits- Möglichkeiten des
gesamten Erwerbslebens
 Bewertungstabellen:
 „Übliche Schmerzen“ = keine höhere MdB
 „Außergewöhnliche Schmerzen“ = höhere MdB
möglich (ca. 10 – 20%)
 Kann aber im sehr seltenen Extremfall bis MdE 100
% gehen
Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Eingeschränktes Leistungsvermögen ?! :
Nicht nützliche Argumente





Fehlende Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt
Alter („die Rente am Horizont“)
Private Belastungen (z.B. Trennung)
Arbeitslosigkeit
Hohe Fehlzeiten wegen Erkrankungen
Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Schmerzbegutachtung ist......
 Sehr zeitintensiv
 Eine verantwortungsvolle Aufgabe
 Anspruchsvoll auch
 durch erforderliche Kenntnisse auf dem somatischen
und psychischen Sektor der Schmerzentstehung
 Schwierig durch den Versuch der
 Objektivierung
 Subjektiver Beeinträchtigungen („Indizien“)
Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
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Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Vielen Dank!
„Wer
nicht genau
weiß, wo er hin
will, der darf
sich nicht
wundern, wenn er
ganz woanders
ankommt“
Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
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Impulsreferat
Unfallversicherungsrechtliche Aspekte von Schmerzen
- Zusammenfassung und Präsentation
Klaus Feddern
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Unfallversicherungsrechtliche Aspekte des Schmerzes
Schmerz und Recht
Schmerz ist ein rechtlicher Topos. Bereits Rechtsquellen der Antike kodifizieren Schadensersatzansprüche wegen zugefügter Schmerzen. Auch das geltende Zivilrecht kennt
einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Nach § 253 Abs. 2 BGB kann "auch wegen des
Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden". Die Frage, wie ein Schmerzensgeld zu bemessen ist, hat eine rechtliche,
aber auch eine ethische Komponente.
Schmerz in der gesetzlichen Unfallversicherung
 Allgemeines
Der Leistungskatalog der gesetzlichen Unfallversicherung (SGB VII) sieht keinen Anspruch auf Schmerzensgeld vor. Weil insofern auch keine Haftungsablösung nach dem
SGB VII erfolgt, kann dem Verletzen ein Schmerzengeldanspruch gegen einen betriebsfremden Schädiger zustehen.
Nach geltendem Recht (§ 56 GB VII) gleicht die Verletztenrente der Gesetzlichen Unfallversicherung GUV eine abstrakte Einbuße - orientiert am allgemeinen Arbeitsmarkt aus. Die Verletztenrente kompensiert (je nach Höhe der MdE) abstrakt/pauschal eine
Einkommenseinbuße und enthält auch einen "Schmerzensgeldanteil". In der GUV ist
Schmerz bei der Kausalitätsbewertung sowie bei der MdE-Bemessung zu berücksichtigen. Dabei gelten die allgemeinen Bewertungskriterien nach der Rechtsprechung des
BSG.
 Kausalität
Während für den Schmerztherapeuten (zunächst) gilt „Schmerzen hat, wer Schmerzen
klagt“, sind für die Feststellung von Schmerzen objektive Befunde, insbesondere ein
Korrelat zwischen geklagten Beschwerden und Aktenlage zu berücksichtigen. Besondere Problem bei der Schmerzbegutachtung sind Aggravation oder Simulation. Auch die
Möglichkeit eines sekundären Krankheitsgewinns sowie ethnische Besonderheiten sind
zu beachten.
Die Hinweise zur Einteilung von Schmerzen nach Ziffer 3. der AWMF-Leitlinie "Begutachtung von Schmerzen" (Stand 3/07; www.leitlinien.net) geben eine systematische
Orientierung.
 MdE
Der bei einem Unfall erlittene Schmerz ist nicht relevant für eine unfallbedingte MdE.
Schmerz als Unfallfolge kann zu beurteilen sein als Schmerz bei vorliegender Gewebeschädigung oder als Schmerz im Zusammenhang mit primär psychischen Erkrankungen.
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30
In der ersten Fallgruppe sind "Begleitschmerzen" regelmäßig von der MdE für den organischen Schaden umfasst, es sei denn, eine außergewöhnliche Schmerzsymptomatik
rechtfertigt einen MdE-Zuschlag. Hinweise hierzu (jeweils bei den betroffenen Organen)
in: Schönberger/Mehrtens/Valentin Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003.
In der zweiten Fallgruppe ist die MdE für den Schmerz gesondert zu beurteilen. Insofern
sind die Vorschläge bei Schönberger et al, aaO, kritisch zu beurteilen. Ausdrücklich hinzuweisen ist dagegen auf die Vorschläge bei Kaiser in: Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Aufl. 2005, S. 251 ff., bei Foerster et al, MedSach 2007, S. 52 ff. oder in
der AWMF-Leitlinie aaO.
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31
Balingen, 12.11.2008 / Kirkel, 20. Mai 2009
Unfallversicherungsrechtliche
Aspekte des Schmerzes
[email protected]
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BG für Fahrzeughaltungen
Klaus Feddern
Geschäftsführer
Bezirksverwaltung
Wiesbaden
[email protected]
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32
Überblick
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
 Schmerz und Recht
 Allgemeines Recht
 Gesetzliche Unfallversicherung
- Kausalität
- MdE
 Zusammenfassung/Thesen
[email protected]
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Schmerz und Recht
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
Haben Schmerzen rechtliche
Bedeutung ?
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
[email protected]
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33
Schmerz und Recht
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
Haben Schmerzen rechtliche
Bedeutung ?
Ja !
juris-Datenbank: 13.647 Fundstellen
(nur Rechtsprechung) für „Schmerz“
[email protected]
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Rechtsgeschichte
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
Talmud
Wer seinen Nächsten verletzt, kann ihm
gegenüber wegen fünferlei verpflichtet
werden:
für Wertminderung,
für Schmerz,
für Kur,
für Zeitverlust,
für Beschämung
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34
Rechtsgeschichte
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
Allgemeines Landrecht für die
Preußischen Staaten (ALR 1794)
§ 112
Wegen erlittener Schmerzen können
Personen vom Bauer- oder allgemeinen
Bürgerstande, denen dergleichen
Verletzung aus Vorsatz oder grobem (!)
Versehen zugefügt worden, ein billiges
Schmerzensgeld fordern.
[email protected]
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Rechtsgeschichte
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
Allgemeines Landrecht für die
Preußischen Staaten (ALR 1794)
§ 113
Der Betrag dieses Schmerzensgeldes ist
nach dem Grade der ausgestandenen
Schmerzen, jedoch nicht unter der Hälfte,
und nicht über den doppelten Betrag der
erforderlichen Kurkosten, richterlich zu
bestimmen.
[email protected]
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Geltendes Recht
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 253 Immaterieller Schaden
(1) Wegen eines Schadens, der nicht
Vermögensschaden ist, kann
Entschädigung in Geld nur in den
durch das Gesetz bestimmten Fällen
gefordert werden.
[email protected]
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Geltendes Recht
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 253 Immaterieller Schaden
(2) Ist wegen einer Verletzung des
Körpers, der Gesundheit …
Schadensersatz zu leisten, kann auch
wegen eines Schadens, der nicht
Vermögensschaden ist, eine billige
Entschädigung in Geld gefordert werden.
[email protected]
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36
Schmerz und Schaden
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
Schmerz = Nichtvermögensschaden
 Ist Schmerz messbar ?
 Wie ist Schmerz zu bewerten ?
 Rechtsfrage oder ethisches
Problem ?
[email protected]
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Höhe des Schmerzensgelde
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Aktuelles
 Zusammenfassung
Schmerz = Nichtvermögensschaden




Ermessen des Gerichtes
Keine Gliedertaxe
Deutschland: Bis 500.000,-- €
USA: 3.000.000,-- $ (?)
(„McDonald´s Kaffeebecher“)
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37
Haftungsablösung und Schmerzensgeld
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
Arbeitnehmer
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
Schmerzensgeld
 Zusammenfassung
Arbeitgeber
BG
Regress
Schädiger
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„Objektivierung“ des Schmerzes
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
Schmerztherapie
 „Schmerzen hat, wer Schmerzen klagt“
Kausalitätsbewertung im Gutachten
 objektive Befunde
 Korrelat zwischen geklagten Beschwerden und
Aktenlage
- „subjektiver Längsschnitt“ aus Anamnese
und Biografie
- „objektiver Längsschnitt“ aus den
medizinischen Vorbefunden
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„Objektivierung“ des Schmerzes
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
Besondere Probleme bei der
Schmerzbegutachtung
 Aggravation
 Simulation
 Sekundärer Krankheitsgewinn /
Rentenbegehren
 Ethnische Besonderheiten
[email protected]
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Systematische Einteilung von Schmerzen
 Einführung
Schmerz
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
Schmerz als
Begleitsymptom
einer Gewebeschädigung oder
-erkrankung
Schmerz bei
Gewebeschädigung/ -erkrankung
mit psychischer
Komorbidität
 Zusammenfassung
[email protected]
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Einteilung nach: Widder et al MedSach 2007, 132 ff.
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Schmerz als
Leitsymptom
einer
psychischen
Erkrankung
39
Systematische Einteilung von Schmerzen
Schmerz
Schmerz als
Begleitsymptom
einer Gewebeschädigung oder
-erkrankung
Schmerz bei
Gewebeschädigung/ -erkrankung
mit psychischer
Komorbidität
Schmerz als
Leitsymptom
einer
psychischen
Erkrankung
Übliche Schmerzen (z.B. Nervenläsion)
Außergewöhnliche Schmerzen (z.B. CPRS)
Einteilung nach: Widder et al MedSach 2007, 132 ff.
Systematische Einteilung von Schmerzen
 Einführung
Schmerz
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
Schmerz als
Begleitsymptom
einer Gewebeschädigung oder
-erkrankung
Schmerz bei
Gewebeschädigung/ -erkrankung
mit psychischer
Komorbidität
Schmerz als
Leitsymptom
einer
psychischen
Erkrankung
 Zusammenfassung
z.B. Lumboischialgie wird durch Komorbidität
verschlimmert (inadäquate Krankheitsbewältigung,
depressive Störung)
[email protected]
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Einteilung nach: Widder et al MedSach 2007, 132 ff.
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40
Systematische Einteilung von Schmerzen
 Einführung
Schmerz
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
Schmerz als
Begleitsymptom
einer Gewebeschädigung oder
-erkrankung
Schmerz bei
Gewebeschädigung/ -erkrankung
mit psychischer
Komorbidität
Schmerz als
Leitsymptom
einer
psychischen
Erkrankung
 Zusammenfassung
Schmerz bei primär psychischen Erkrankungen (z.B.
depressive oder somatoforme Störungen, PTBS)
[email protected]
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Einteilung nach: Widder et al MedSach 2007, 132 ff.
Algorithmus der Kausalität
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
Gesundheitsschaden
haftungsausfüllende
Kausalität
(länger andauernde)
Unfallfolge
 rechtlich wesentliche Ursache
 Abgrenzung endogener Gesundheitsstörungen
 sekundärer Krankheitsgewinn/Rentenbegehren
[email protected]
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Algorithmus der Kausalität
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
Gesundheitsschaden
haftungsausfüllende
Kausalität
(spätere)
mittelbare Unfallfolge
 rechtlich wesentliche Ursache
 Abgrenzung endogener Gesundheitsstörungen
 sekundärer Krankheitsgewinn/Rentenbegehren
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Voraussetzungen der Verletztenrente
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
§ 56 SGB VII – Rentenanspruch
(1) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet
sich nach dem Umfang der sich aus der
Beeinträchtigung des körperlichen und
geistigen Leistungsvermögens ergebenden
verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem
gesamten Gebiet des Erwerbslebens.
[email protected]
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Voraussetzungen der Verletztenrente
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
§ 56 SGB VII – Rentenanspruch
 Kein Schmerzensgeld nach dem SGB VII
(1) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet
sich nach dem Umfang der sich aus der
Beeinträchtigung des körperlichen und
geistigen Leistungsvermögens ergebenden
verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem
gesamten Gebiet des Erwerbslebens.
[email protected]
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MdE-Maßstab
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
Abstrakte MdE-Einschätzung gilt auch
für unfallbedingte Schmerzen
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Beeinträchtigung der verminderten
 Zusammenfassung


Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten
Gebiet des Erwerbslebens
Keine „Gliedertaxe“
Keine Anwendung der „Anhaltspunkte“
[email protected]
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MdE-Maßstab
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
MdE-Einschätzung ist stets
Funktionsbeurteilung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
 Verletzungsschmerz ist nicht maßgeblich 

entschädigt werden nur Unfallfolgen
Kein Schmerzensgeld nach dem SGB VII
Gesamtvergütung / zeitlich begrenzte MdE
berücksichtigen
[email protected]
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MdE-Maßstab
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
MdE-Einschätzung ist stets
Funktionsbeurteilung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
 Funktionsausfälle, die sich auf das Gesamtgebiet


des allgemeinen Erwerbslebens beziehen
kein MdE-Zuschlag für „übliche Begleitschmerzen“
Erhöhung des MdE-Wertes aus den
Erfahrungssätzen bei besonderem
Energieaufwand und Hinnahme
außergewöhnlicher Schmerzen
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MdE-Bemessung
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
Fallgruppen
 Schmerzen bei vorliegender
Gewebeschädigung
 Schmerzen bei primär
psychischen Erkrankungen
[email protected]
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MdE-Bemessung
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
Standards
 Schönberger/Mehrtens/Valentin
Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
 AWMF-Leitlinie Schmerz
Stand 3/07 www.leitlinien.net
 Mehrhoff/Meindl/Muhr
Unfallbegutachtung, 11. Aufl., 2005
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45
Zusammenfassung
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
Können wir Schmerzen messen ?
Können wir Schmerzen bewerten ?
Für die Antwort auf diese Fragen
sind rechtliche und ethische
Aspekte zu beachten.
[email protected]
www.bgf.de
Zusammenfassung
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
Zwischen Therapie und Begutachtung ist
zu unterscheiden.
Deshalb ist der Begriff
„schmerztherapeutisches Gutachten“ zu
vermeiden.
Wer ist Schmerzgutachter ?
(Unfallchirurg/Orthopäde - Neurologe –
Psychiater - Anästhesist - … ?)
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Zusammenfassung
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
Schmerzen haben in verschiedenen
Rechtsgebieten unterschiedliche
Bedeutung und verschiedene rechtliche
Auswirkungen.
In der gesetzlichen Unfallversicherung
sind die hier maßgeblichen Aspekte zu
beachten.
[email protected]
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Zusammenfassung
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
Nur Schmerz als Unfallfolge kann
MdE-relevant sein.
Schmerz als Unfallschaden hat keinen
Einfluss auf die MdE.
[email protected]
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47
Zusammenfassung
 Einführung
 Gesetzliche
Unfallversicherung
Bei der Kausalitätsbeurteilung gelten die
allgemeinen Grundsätze.
 Aspekt:
Kausalität
 Aspekt:
MdE
 Zusammenfassung
Besonders zu beachten sind:
 Korrelat Befund/Beschwerden
 Schmerz und sekundärer
Krankheitsgewinn
 Abstrakte MdE-Bemessung
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Danke für Ihre Aufmerksamkeit !
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Impulsreferat
Rechtlich-methodische Kriterien zur Begutachtung von Schmerzen
- Zusammenfassung und Präsentation
Claudia Drechsel-Schlund
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49
Rechtlich-methodische Kriterien zur Begutachtung von Schmerzen
Die Schmerzbegutachtung wirft besondere rechtlich-methodischen Probleme auf. Die
Komplexität des Themas zeigt sich bereits bei den verschiedenen Begutachtungskonstellationen, die gutachterlich zu beurteilen sind. Vom Unfallversicherungsträger
bzw. vom Auftraggeber ist nach der Art des Schmerzes entsprechend der Einteilung der
Leitlinie Schmerzbegutachtung zu unterscheiden, ob es sich um (1) einen organischen
Schmerz als Begleitsyndrom einer Gewebeschädigung oder um (2) eine Gewebeschädigung mit psychischer Komorbidität oder um (3) Schmerzen als eine psychische
Erkrankung handelt. Bei unklarer Fallkonstellation ist die Einordnung des Schmerzes
ggf. durch mehrere Gutachten bzw. Sachverständige zu klären. Regelmäßig ist auch die
Kausalität eine typische Fragestellung der Schmerzbegutachtung und im Falle eines
Unfallzusammenhangs auch das Ausmaß der schmerzbedingten Funktionseinschränkungen und die daraus resultierende MdE-Einschätzung.
Zur notwendigen Fachkompetenz des Sachverständigen für die Schmerzbegutachtung
werden von der Rechtssprechung und von der medizinischen Literatur unterschiedliche
Auffassungen vertreten. Das Bundessozialgericht verlangt fachübergreifende Erfahrungen hinsichtlich Diagnostik und Beurteilung von Schmerzstörungen. In der medizinischen Literatur wird zum Teil von einer fachgebietlichen Zuständigkeit ausgegangen,
wobei zwischen Befunden mit morphologischem Substrat und strukturell nicht erklärbarem Schmerz zu differenzieren sein soll. Nach der AWMF-Leitlinie zur Schmerzbegutachtung handelt es sich um eine interdisziplinäre Aufgabe, wobei die Kompetenz zur
Beurteilung körperlicher als auch psychischer Störungen an erster Stelle beim Neurologen und darüber hinaus bei dem psychiatrisch geschulten Facharzt mit Kenntnissen
über chronische Schmerzen gesehen wird.
Im Hinblick auf die häufig schwierige Beurteilung von Art und Genese des Schmerzes
ist eine umfassende Recherche des Unfallversicherungsträgers zu den Begutachtungsgrundlagen (Anknüpfungstatsachen) geboten, insbesondere zur Krankheitsanamnese
vor und nach dem Unfallereignis, zu den maßgeblichen Begleitumständen des Unfallereignisses, zur beruflichen Situation und ggf. zu den psychosozialen Verhältnissen.
Vom Sachverständigen verlangt das Schmerzgutachten bereits eine umfassende Vorbereitung - in Bezug auf den Einsatz von Hilfspersonen bei der Befunderhebung und der
Abfassung des Gutachtens, bei der Planung des Untersuchungszeitraums (ggf. initiierte
mehrtägige Untersuchung?) und bei der Organisation von Fremdbefundungen, ggf.
auch wegen einer (in Abstimmung mit dem Unfallversicherungsträger!) zu veranlassenden Zusatzbegutachtung.
Als Qualitätskriterien für ein Schmerzgutachten gelten aus rechtlich-methodischer Sicht:



die Trennung von subjektiven Beschwerden und objektiven Befunden
eine nachvollziehbare Begründung der Diagnose (Verdachtsdiagnosen sind nicht
statthaft!)
die nachvollziehbare Darlegung der Konsistenz, Kontinuität und Plausibilität der
Schmerzangaben
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50
Speziell in Bezug auf die Zusammenhangsfrage sind Qualitätskriterien

die zutreffende Einordnung der rechtlichen Begriffe Vorschaden, Schadensanlage
und Verschlimmerung,

die getrennte Betrachtung einzelner Schmerzstörungen bei der Unfallkausalität,

die richtige Einordnung von mittelbaren Unfallfolgen, beispielsweise bei Schmerzmittelmissbrauch,

die begründete Diskussion der Kausalitätswürdigung, insbesondere bei Vorschaden,
Schadensanlage und Verschlimmerung.
Die Rechtssprechung prüft zunehmend die o. g. Qualitätskriterien bei der Beweiswürdigung eines Gutachtens. Gutachten von Sachverständigen werden dabei an den Anforderungen der Leitlinie der AWF-Leitlinie für die Begutachtung von Schmerzen gemessen. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Zusammenhangsfrage, sondern auch in Bezug
auf die Plausibilität der Diagnosestellung.
Claudia Drechsel-Schlund
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege,
Würzburg
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51
Begutachtungs-Spezialseminar für VAV-Chefärzte
- Schmerzbegutachtung nach Arbeitsunfällen Balingen, 12.11.2008; Kirkel, 20. Mai 2009
Claudia Drechsel-Schlund
Geschäftsführerin der
Bezirksverwaltung Würzburg
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst
und Wohlfahrtspflege
Drechsel-Schlund\16_AK Ärztl.Begut/Beg.-Spez.Schmerzen/Wiederh.-Veran.Saarland/Begut.-methodik – Seite 1
Rechtlich-methodische Kriterien zur
Begutachtung von Schmerzen
BEGUTACHTUNGS-SPEZIALSEMINAR FÜR VAV-CHEFÄRZTE – Begutachtungsmethodik
Fallbeispiel
Sieglinde G. * 07.09.1952
 PD Dr. N. beobachtet Sieglind G. als diese in der Klinik ankommt und
bezieht diese Beobachtungen in seine gutachterliche Beurteilung ein.
 In den dem Gutachtenauftrag beigefügten Aktenauszügen fehlen
Behandlungs- und Befundberichte zu offenbar bereits vor dem
Arbeitsunfall vorliegenden Schmerzkomplexen. PD Dr. N. befragt
Sieglinde G. hierzu ausführlich und stellt persönlich Erkundigungen bei
den vorbehandelnden Ärzten an.
© Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest
Drechsel-Schlund\16_AK Ärztl.Begut/Beg.-Spez.Schmerzen/Wiederh.-Veran.Saarland/Begut.-methodik – Seite 2
 Die Berufsgenossenschaft beauftragt Prof. Dr. R (Universitätsklinik W.,
Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie) am 13.09.2006 mit der
Erstattung eines „schmerztherapeutischen“ Gutachtens wegen
verbliebener Folgen eines Arbeitsunfalles vom 24.10.2002.
 Der Oberarzt von Prof. Dr. G, PD Dr. N, führt die Untersuchungen durch
und schreibt das Gutachten, sowohl Prof. Dr. G als auch PD Dr. N
unterzeichnen das Gutachten.
 PD Dr. N. holt ein „psychologisches Zusatzgutachten“ ein.
52
BEGUTACHTUNGS-SPEZIALSEMINAR FÜR VAV-CHEFÄRZTE – Begutachtungsmethodik
Agenda
 Sachkunde für die
Schmerzbegutachtung
 Beurteilungsgrundlagen
 Gutachtensauftrag
 Begutachtungsmanagement
 Qualitätskriterien der
Gutachtenserstattung
 Typische Problemfälle
Drechsel-Schlund\16_AK Ärztl.Begut/Beg.-Spez.Schmerzen/Wiederh.-Veran.Saarland/Begut.-methodik – Seite 3
 Typische Fragestellungen
der Schmerzbegutachtung
BEGUTACHTUNGS-SPEZIALSEMINAR FÜR VAV-CHEFÄRZTE – Begutachtungsmethodik
Typische Fragestellungen der Schmerzbegutachtung
- organisch als Begleitsymptom einer Gewebeschädigung?
- Gewebeschädigung mit psychischer Komordibität?
- als psychische Erkrankung?
 Regelmäßig: Kausalität des Schmerzes,
ggf. Verschlimmerung eines „vorbestehenden Leidens“
(Vorschaden, Schadensanlage)
 Umfang und Intensität des Schmerzes,
Ausmaß der schmerzbedingte Funktionseinschränkungen,
auch in der zeitlichen Dimension
© Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest
Drechsel-Schlund\16_AK Ärztl.Begut/Beg.-Spez.Schmerzen/Wiederh.-Veran.Saarland/Begut.-methodik – Seite 4
 Art des Schmerzes:
53
BEGUTACHTUNGS-SPEZIALSEMINAR FÜR VAV-CHEFÄRZTE – Begutachtungsmethodik
Sachkunde für die Schmerzbegutachtung
- Allgemeines
Fachübergreifende Erfahrungen hinsichtlich Diagnostik und Beurteilung
von Schmerzstörungen
(BSG 12.12.2003, Az. B 13 RJ 179/03 B)
 Leitlinie Schmerzbegutachtung:
Interdisziplinäre Aufgabe, Kompetenz zur Beurteilung körperlicher als
auch psychischer Störungen, an erster Stelle Anteil der Schädigungen
durch das Nervensystem (= Neurologe), darüber hinaus psychiatrisch
geschulter Facharzt mit Kenntnissen über chronische Schmerzen
 Ludolph (Akt. Traumatologie 2005, 293ff.):
Für morphologisches Substrat zuständiges Fachgebiet
(Chirurgie, …Neurologie…), für strukturell nicht erklärbaren Schmerz
Fachgebiet Psychiatrie, ggf. Einbeziehung Anästhesiologie
zum krankheitskonformen Verlauf der Schmerzkrankheit
Drechsel-Schlund\16_AK Ärztl.Begut/Beg.-Spez.Schmerzen/Wiederh.-Veran.Saarland/Begut.-methodik – Seite 5
 Rechtsprechung:
BEGUTACHTUNGS-SPEZIALSEMINAR FÜR VAV-CHEFÄRZTE – Begutachtungsmethodik
Sachkunde für die Schmerzbegutachtung
- Nicht überzeugendes Gutachten auf neurolog./psychiatr. Fachgebiet
„Nicht überzeugen konnte das Gutachten des Dr. D. (Neurologe und
Psychiater), soweit er ein CRPS als Unfallfolge angenommen hat. Die von
Dr. D. zur Begründung angeführten Symptome wie vermehrte Schmerzempfindlichkeit, leicht verminderte Kraft beim Faustschluss, veränderte
Hautfarbe und -temperatur sowie leichte Osteopenie reichen für die
Diagnose eines CRPS nicht aus.
Diese Befunde sind, wie Dr. K. (Neurologe und Psychiater) und Dr. L.
(Unfallchirurg) erläutert haben, nicht beweisend für ein CRPS. Zwar kann ein
CRPS auch Zittern zeigen, es ist aber, wie Dr. K. betont, sehr ungewöhnlich,
wenn mit deutlicher Latenz zum Unfall ein solches Symptom festgestellt wird,
ohne dass sich wesentliche Gewebeveränderungen feststellen ließen.
Plausibel wäre ein zeitnah zum Unfall aufgetretenes Zittern, das sich im
Laufe der Zeit eher bessern sollte. Auffällig ist auch, dass der Kläger nicht
regelmäßig Medikamente zur Behandlung der Beschwerden einnimmt. Dies
spricht gegen einen wesentlichen Leidensdruck“
© Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest
Drechsel-Schlund\16_AK Ärztl.Begut/Beg.-Spez.Schmerzen/Wiederh.-Veran.Saarland/Begut.-methodik – Seite 6
Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 05.12.2007 - L
4 U 214/07 - (Auszüge):
54
BEGUTACHTUNGS-SPEZIALSEMINAR FÜR VAV-CHEFÄRZTE – Begutachtungsmethodik
Beurteilungsgrundlagen Schmerzgutachten
Verwaltungsakten des UV-Trägers
(wegen Kausalbeurteilung weiter Maßstab!)
 Insbesondere:
- Unterlagen der behandelnden Ärzte und anderer Rehabilitationsträger
zu dem konkreten Begutachtungsgegenstand, Unterlagen zu
früheren und aktuellen (sonstigen) Erkrankungen u. Behandlungen
- Unmittelbarer Ausgangssachverhalt
(sog. Anknüpfungstatsachen), d.h. „angeschuldigtes“ Ereignis und
maßgebliche Begleitumstände
 Einzelne Unterlagen:
Vorerkrankungsverzeichnisse der Krankenkassen, spezielle Arzt- und
Behandlungsberichte („therapeutische Biographie“), Heilverfahren (z.B.
der Rentenversicherung), Berichte der Berufshelfer, sonstige Angaben
zu psychosozialen Verhältnissen und der beruflichen Situation
Drechsel-Schlund\16_AK Ärztl.Begut/Beg.-Spez.Schmerzen/Wiederh.-Veran.Saarland/Begut.-methodik – Seite 7
 Generell:
BEGUTACHTUNGS-SPEZIALSEMINAR FÜR VAV-CHEFÄRZTE – Begutachtungsmethodik
Gutachtenauftrag des UV-Trägers
Besonderheiten Schmerzgutachten
 Abstufung der Kausalitätsfrage, zu prüfen sind:
(1) naturwissenschaftliche Kausalität, (2) konkurrierende Ursachen bzw.
Gelegenheitsursache“ und (3) wesentliche Ursache,
insbesondere bei objektivierten Vorerkrankungen und psychischen Störungen
 Anknüpfungstatsachen sind:
bestimmtes Unfall- und Verletzungsgeschehen, konkrete medizinischgesundheitlich-funktionelle Verlaufsentwicklung
- z.B. Zunahme von Schmerzen im Bereich der Verletzung
 Anknüpfungstatsachen sind auch Vorschäden bzw. eine Schadensanlage
 Anforderungen bzgl. bestimmter Untersuchungsmethoden möglich?
- z.B. Selbstbeurteilungsverfahren, Schmerzskalen
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Drechsel-Schlund\16_AK Ärztl.Begut/Beg.-Spez.Schmerzen/Wiederh.-Veran.Saarland/Begut.-methodik – Seite 8
 Differenzierung und Ausformulierung der individuellen Beweisfragen
entsprechend der Relevanz für die konkrete Begutachtungssache,
z.B. Unterscheidung bzgl. einzelner Schmerz-Störungen
55
BEGUTACHTUNGS-SPEZIALSEMINAR FÜR VAV-CHEFÄRZTE – Begutachtungsmethodik
Begutachtungsmanagement des Gutachters
- Besonderheiten Schmerzgutachten
Prüfung der Unterlagen und Feststellungen auf Vollständigkeit bzw.
Schlüssigkeit für den Begutachtungsgegenstand, keine eigene
Ermittlungen des Gutachters (direkt bei anderen Ärzten usw.)
Einsatz von ausreichend erfahrenen Mitarbeitern bei der Erstellung des
(Zusammenhangs-)Gutachtens (Achtung: Besonderheiten f. Psychiater)
ggf. indizierte mehrtägige Untersuchung mit Auftraggeber abklären
Organisation von Fremdbefundungen (z.B. neuroradiologische Zusatzdiagnostik) und Notwendigkeit bzw. zeitliche Taktung von Zusatzbegutachtungen mit Auftraggeber abklären
 Durchführung:
- Beobachtungen außerhalb der Begutachtungssitution zulässig, ggf. für die
Beurteilung notwendig (Konsistenzprüfung)
- „Informatorische“ Befragung des Versicherten (in der Untersuchung)
z.B. zum Unfallgeschehen und zum Krankheitsverlauf zulässig und ggf.
notwendig
Drechsel-Schlund\16_AK Ärztl.Begut/Beg.-Spez.Schmerzen/Wiederh.-Veran.Saarland/Begut.-methodik – Seite 9
 Vorbereitung:
BEGUTACHTUNGS-SPEZIALSEMINAR FÜR VAV-CHEFÄRZTE – Begutachtungsmethodik
Qualitätskriterien der Gutachtenserstattung (1)
Begriffliche Anforderungen
 Für den Gutachter wichtige Begriffe z.B. Entstehung oder
Verschlimmerung eines Gesundheitsschadens, Vorschaden oder
Schadensanlage
 Nur rechtlich relevante Begriffe sind unmittelbare oder mittelbare
Unfallfolge (Fragestellung u.a. bei Schmerzmittelmissbrauch)
 Trennung von Beschwerden (Schmerzangaben) und objektiven
Befunden
 Differenzierung eigener Untersuchungsergebnisse und solchen
anderer Gutachter und Therapeuten
 Bewertung von Schmerzen als „glaubhaft“ ist nicht angebracht
Beweiswürdigung ist Aufgabe des Rechtsanwenders
(richtiger Weise Darlegungen zur Konsistenz, Kontinuität
und Plausibilität der Schmerzangaben)
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Drechsel-Schlund\16_AK Ärztl.Begut/Beg.-Spez.Schmerzen/Wiederh.-Veran.Saarland/Begut.-methodik – Seite 10
 Generell: Richtige Verwendung rechtlich oder begutachtungsmethodisch definierter Begriffe, z.B. kein Vollbeweis eines bestimmten
Erstschadens („Verdacht auf Hirnschädigung“) bei unklarer Aktenlage
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BEGUTACHTUNGS-SPEZIALSEMINAR FÜR VAV-CHEFÄRZTE – Begutachtungsmethodik
Qualitätskriterien der Gutachtenserstattung (2)
Diagnosestellung in Schmerzgutachten
Nach den im November 2004 erstellten Leitlinien zur Begutachtung von
Schmerzen ist als Grundlage für die Diagnostik eine klinische Untersuchung,
ein ausführlicher psychopathologischer Befund, eine ausführliche Beobachtung des Probanden und eine ausführliche Anamnese zur Quantifizierung der
Symptomatik erforderlich. Diesen Anforderungen wird Dr. H. (Facharzt für
Anästhesiologie / Spezielle Schmerztherapie) nicht gerecht. Seine Angaben
zur körperlichen Untersuchung bestehen im Wesentlichen in der Wiedergabe
der subjektiven Angaben des Klägers, während sich der klinische Untersuchungsbefund als äußerst rudimentär erweist. Es fehlt in der Tat z. B. an
der Angabe passiver Bewegungsausmaße, an Umfangsmessungen oder
Angaben zu Muskelatrophien.
Drechsel-Schlund\16_AK Ärztl.Begut/Beg.-Spez.Schmerzen/Wiederh.-Veran.Saarland/Begut.-methodik – Seite 12
Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg
vom 17.04.2008 - L 4 R 419/07 - (Auszüge):
BEGUTACHTUNGS-SPEZIALSEMINAR FÜR VAV-CHEFÄRZTE – Begutachtungsmethodik
Qualitätskriterien der Gutachtenserstattung (3)
Zusammenhangsfrage
Schmerzstörung (ICD 10 Klassifizierung!) zu prüfen, ggf. unterschiedlich zu beurteilen für
- Kopfschmerzen
- Dissoziative Störung
 Unfallkausalität ggf. auch bzgl. weiterer Folgestörungen zu klären, z.B.
- Somatoforme Schmerzstörung
- Schmerzmittelabhängigkeit
 Bedeutung eines objektivierten Vorschadens (z.B. Migräne) im
Verhältnis zu Schmerzstörungen nach dem Unfallereignis
(z.B. zervikaler Kopfschmerz), Ursachengewichtung mit Diskussion zu
führen
 Kriterien für Ursachenabwägung mit einzelfallbezogener Begründung
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Drechsel-Schlund\16_AK Ärztl.Begut/Beg.-Spez.Schmerzen/Wiederh.-Veran.Saarland/Begut.-methodik – Seite 13
 Ereignis bzw. Unfall als „wesentliche Ursache“ für jede einzelne
57
Impulsreferat
Schmerzbegutachtung durch den Unfallchirurgen bzw. Orthopäden
mit Fallbeispielen - Zusammenfassung und Präsentation
Professor Dr. med. Marcus Schiltenwolf
© Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest
58
Schmerzbegutachtung durch den Unfallchirurgen bzw. Orthopäden
Muskuloskelettale Schmerzen sind die häufigste Beschwerde in Rentenantragsbegehren der gesetzlichen Rentenversicherung. Auch wenn weitere Rechtsgebiete (z. B.
Haftpflichtrecht, private oder gesetzliche Unfallversicherung) mit berücksichtigt werden,
so bleiben Schmerzen die dominierende Klage.
Im Begutachtungsfall geht es i. A. um die Einschätzung chronischer Schmerzen. Chronische Schmerzen werden heute nach dem biopsychosozialen Krankheitsmodell beurteilt,
das die Verschränkung biologischer Störungen der körperlichen Strukturen und Funktionen mit den Störungen der psychischen Gesundheit unter Berücksichtigung der für den
Betroffenen geltenden Umweltfaktoren vorsieht. Nicht jeder chronische Schmerz erfordert jedoch in der Begutachtungssituation eine eingehende biopsychosoziale Abklärung:
Solange der beklagte Schmerz lokal begrenzt ist (z. B. Leistenschmerz bei Koxarthrose),
keine Tendenz zur Generalisierung aufweist und nicht von weiteren Körperbeschwerden
und/oder Hinweisen auf affektive Störungen begleitet wird, genügt dem Gutachtenauftrag
eine organmedizinische Abklärung.
Häufig beklagen jedoch Probanden, deren Hauptklage muskuloskelettale Schmerzen
sind, vielfältige bis weit verbreitete Schmerzen und zudem weitere Körperbeschwerden,
wenn sie nur danach gefragt werden; die Generalisierung der Schmerzen und weitere
Funktionsstörungen sind Ausdruck der Chronifizierung des Schmerzleidens und deuten
auf komplexe körperliche und psychische Störungen. Generalisierung und weitere Beschwerden legen nahe, dass Schmerz dann auch Ausdruck einer psychosozialen Störung ist. Schmerz als Hauptklage ist dann nach seinen biologischen (körperlichen) und
psychosozialen Ursachen zu untersuchen, diagnostisch zu fassen und nach seinen
Auswirkungen auf alle Lebensbereiche abzuklären. Dies gilt für Probanden mit chronischen Rückenschmerzen ebenso wie für Probanden mit weit verbreiteten Schmerzen
bei Fibromyalgiesyndrom wie auch für sonstige muskuloskelettale Schmerzen, soweit
die genannten Chronifizierungszeichen festzustellen sind. Leider erfüllen somatische
Sachverständige häufig die Erfordernisse eines biopsychosozialen Schmerzverständnisses in der Begutachtung nicht, obwohl zu fordern ist, dass sie Chronfizierungsmechanismen von Schmerzen und psychosoziale Komorbiditäten entsprechend der relevanten Diagnosen nach DSM-IV bzw. ICD-10 kennen.
Gerade weil Berentung bei möglicher psychosomatischer (Mit-)Verursachung der Beschwerden keinen wesentlichen positiven Einfluss auf die weitere Krankheitsentwicklung nimmt, kommt dem Gutachter auch die Aufgabe zu, die unangemessene Ursachenüberzeugung des Untersuchten zu erkennen, um z.B. durch psychosomatische
Begutachtung neue therapeutische Aspekte zu möglichen.
Probanden mit der Hauptklage chronischer muskuloskelettaler Schmerzen sollen nach
dem biopsychosozialen Krankheitskonzept begutachtet werden. Eine interdisziplinär erstellte Leitlinie gibt Hinweise auf das Vorgehen. Sachverständige somatischer Fachgebiete sollen Probanden erkennen, deren Schmerzklagen durch den körperlichen Schadensbefund nicht ausreichend erklärt sind, typische Chronifizierungszeichen (Schmerzgeneralisierung, weitere Körperbeschwerden, depressive Störungssymptome) aufweisen, um dem Auftraggeber eine psychiatrische oder psychosomatische Zweitbegutachtung zu empfehlen. Keinesfalls sollen apparative Befunde überbewertet werden oder die
Klagen des Probanden ohne weitere sachverständige Klärung als Täuschungsversuch
abgetan werden. Das Ausmaß der Schmerzen und der zugrunde liegenden (körperlichen und psychosozialen) Störungen ist in der gesetzlichen Unfallversicherung für die
MdE-Einschätzung anhand der Auswirkungen auf das Arbeitsleben zu bemessen.
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59
„Begutachtung von Schmerzen“
AWMF-Leitlinie
Bedeutungen
für den orthopä
orthopädischen/unfallchirurgischen
Sachverstä
Sachverständigen
M. Schiltenwolf
Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg
Begutachtung von Schmerzen
Orthopädie Heidelberg
Begutachtung von Schmerzen
• Schmerzen der WS bis 2002 führend als
Erstdiagnose
• Seither: Depression führend (DRV Bund)
• 38.8 % der Frauen
• 29.9 % der Männer
• Ev. handelt es sich (teilweise) um dieselben
Probanden
Begutachtung von Schmerzen
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Orthopädie Heidelberg
60
Begutachtung von Schmerzen
• 75% chronischer Schmerzpatienten sind innerhalb von 5
Jahren (ab Begehrensbeginn) berentet
• Nach dem Erwerbsminderungsgesetz nur noch
Zeitrenten (§43 SGB VI)
• 97% aller Zeitrenten gehen in unbegrenzte Renten über
• Nach der Rente ist vor der Rente
• Patienten mit laufendem Begehren sind nahezu
unbehandelbar
Becker et al. Pain 1998
• Reha vor Rente ist nicht zu realisieren
• Operante Konditionierung
• Beziehungsstörung im Gesundheitswesen
Begutachtung von Schmerzen
Orthopädie Heidelberg
Prädiktoren zum Zeitpunkt T0 für Berentung zum
Zeitpunkt T1 (n=100 Schmerzpatienten)
•
•
•
•
•
•
•
•
Verstärkung von Krankheits- / Vermeidungsverhalten durch den
Arbeitgeber**
Berufliche Motivation**
Ausmaß der subjektiven Leistungsbeeinträchtigung**
Einschätzung der eigenen Gesundheit und Leistungsfähigkeit**
Rentenwunsch des Probanden**
Dauer der Leistungsbeeinträchtigung*
Alter bei der Untersuchung*
Genauigkeit der Beschwerdeschilderung durch den Probanden*
* p < .05 ** p < .01 *** p < .001
Begutachtung von Schmerzen
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Orthopädie Heidelberg
61
Begutachtung von Schmerzen
•
Schmerz-Probanden vor und nach Rentenbescheid zeigen
deutlich niedrigere Lebenszufriedenheit (als andere chronisch
kranke)
70
60
50
Mit Rente
Ohne Rente
Parkinson
Chron. Schmerz
Gesunde
40
30
20
10
0
FLZ-A
Begutachtung von Schmerzen
Orthopädie Heidelberg
Traditionell in Orthopädie/Unfallchirurgie
•
•
Auftrag im Fachgebiet ?
Fachtypische Befragung
• Häufigste Klage: Schmerzen
• Beschreibungen von Beruf, Freizeit etc.
•
Messen, Zählen, Wiegen…
• Winkelmaße, Umfangsmaße
•
Befunde
• Bilder (Röntgen, Schnittbilder)
• Vorbefunde
•
Erklärung der Klage durch Messergebnisse und
Befunde („im naturwissenschaftlichen Sinn“)
Begutachtung von Schmerzen
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Orthopädie Heidelberg
62
Traditionell in Orthopädie/Unfallchirurgie
Konsequenzen
•
•
Beschränkung auf einen Schadensbefund
Gefahr der Fehl- und Überbewertung
•
•
Ausblendung weiterer Krankheitsursachen
•
•
•
•
Unspezifität apparativer Befunde bei chronischen Schmerzen
„hat nichts“
Sachlich unangemessene Begutachtung
Unangemessene Leistungs-/MdE-Beurteilung
Keine Zweitgutachten
Begutachtung von Schmerzen
Orthopädie Heidelberg
Leitlinien für die
Begutachtung
chronischer
Schmerzen
DGN, DGPPN, DGPM/DKPM, DGOOC,
DGSS
Begutachtung von Schmerzen
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Orthopädie Heidelberg
63
Leitlinien für die Begutachtung von Schmerzen
Einteilung von Schmerzen
1. Präambel
2. Einteilung von Schmerzen
3. Spezielle Aspekte der Begutachtung von
Schmerzen
4. Ablauf und Inhalt der Begutachtung
Begutachtung von Schmerzen
Orthopädie Heidelberg
Einteilung von Schmerzen
aus gutachtlicher Sicht
Schmerz
Begleitsymptom
einer Schä
Schädigung
des Gewebes
Gewebeschä
Gewebeschädigung
mit psychischer
Komorbiditä
Komorbidität
Leitsymptom einer
psychischen
Erkrankung
 Übliche Schmerzen
Begleitsymptom einer
Gewebeschädigung
(z.B. Nervenläsion)
z.B. Lumboischialgie mit
Nervenwurzelläsion,
verschlimmert durch
Komorbidität
mit z.B. inadäquater
Krankheitsbewältigung,
Angststörung,
depressiver Störung
oder Suchterkrankung
Schmerz bei primär
psychischen
Erkrankungen
(z.B. depressive Störungen, Angststörungen,
Anpassungsstörungen,
posttraumatische Belastungsstörungen)
 Außergewöhnliche
Schmerzen
z.B. CRPS, Thalamusschmerz, Stumpfund Phantomschmerz,
Begutachtung von Schmerzen
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Orthopädie Heidelberg
64
Einteilung von Schmerzen
aus gutachtlicher Sicht des Orthopä
Orthopäden/Unfallchirurgen
Schmerz
Hüftarthrose
Chronischer
Rückenschmerz
•
Schmerz
lokalisierbar
• Schmerz wandert,
weitere Schmerzloki
•
Schmerz
modulierbar
• Weitere
Körperbeschwerden
Klage, klinische
Untersuchung,
Bildbefund
konsistent
• Wenig Modulation
•
Anhaltend
somatoforme
Schmerzstö
Schmerzstörung
•
Schmerz ist die
primäre Klage,
aber...
•
die Einschränkungen ergeben
sich mehr aus den
psychosozialen
Störungen
•
Depression/Angst?
• Dysfunktionales
Verhalten
Begutachtung von Schmerzen
Orthopädie Heidelberg
Einteilung von Schmerzen
aus gutachtlicher Sicht
Schadensbedingter Schmerz
• Chronisch ohne Modulation: nein
• Chronisch rezidivierend: eventuell
Begutachtung von Schmerzen
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Orthopädie Heidelberg
65
Einteilung von Schmerzen
aus gutachtlicher Sicht
Wenn dagegen
• Schmerzen durch Körperschaden nicht ausreichend
erklärbar
• Viele Schmerzlokalisationen
• Weitere Körperbeschwerden
• Chronifizierung dysfunktional
• Beziehungsstörung
• Krankheitsgewinn
• eher psychische Gesundheitsstörungen
Begutachtung von Schmerzen
Orthopädie Heidelberg
Leitlinien für die Begutachtung von Schmerzen
Aufbau
1. Präambel
Urheberschaft, Ziel und Inhalt der Leitlinie, Zielgruppe,
Evidenzgrad, Implementierung, Überprüfung und
Aktualisierung der Leitlinie
2. Einteilung von Schmerzen
3. Spezielle Aspekte der Begutachtung von
Schmerzen
4. Ablauf und Inhalt der Begutachtung
Begutachtung von Schmerzen
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Orthopädie Heidelberg
66
Spezielle Aspekte der
Begutachtung von Schmerzen (1)
Grundvoraussetzungen
• Kenntnis der rechtlichen Grundlagen
... dass der Sachverständige die Grundzüge der unterschiedlichen
Rechtsgebiete und deren spezifische Fragestellungen kennt.
• Kenntnis der Krankheitsbilder
... über den aktuellen evidenzbasierten Wissensstand der
Krankheitsbilder mit Leitsymptom “chronischer Schmerz” verfügt
• z.B. im Rahmen der Weiterbildung „Spezielle Schmerztherapie“
Begutachtung von Schmerzen
Orthopädie Heidelberg
Spezielle Aspekte der
Begutachtung von Schmerzen (2)
Terminologie
Arzt als Therapeut
falsch
 „Schmerztherapeutisches Gutachten“
 „Gutachten unter Berücksichtigung
schmerztherapeutischer Aspekte“
 “Schmerzgutachten”
richtig
Arzt als Gutachter
 Fachgebietsbezeichnung des
Sachverständigen
 “Begutachtung von Schmerzen”
M. Fabra, Versicherungsmedizin 56:115-122 (2004)
Begutachtung von Schmerzen
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67
Spezielle Aspekte der
Begutachtung von Schmerzen (3)
= ärztliche Aufgabe
•
Die Begutachtung von Schmerzen ist eine ärztliche Aufgabe
• Psychologen und psychologische Psychotherapeuten
können ggf. im Rahmen der psychiatrischen oder
psychosomatischen Begutachtung ... aufgrund ihrer speziellen
Kompetenz mit der Erstellung einer Zusatzuntersuchung
(„Zusatzgutachten“) beauftragt werden
Begutachtung von Schmerzen
Orthopädie Heidelberg
Spezielle Aspekte der
Begutachtung von Schmerzen (4)
= interdisziplinäre Aufgabe
•
Die Begutachtung chronischer Schmerzen ... erfordert Kompetenz
sowohl zur Beurteilung körperlicher als auch psychischer
Störungen.
• Beurteilung des Anteils durch Schä
Schädigungen des Nervensystems und
anderer Gewebearten erklä
erklärbarer Schmerzen
Voraussetzung: Grundkenntnisse psychisch verursachter Schmerzen
• Bei nicht oder nicht ausreichend durch Gewebeschä
Gewebeschäden erklä
erklärbaren
Schmerzen ggf. Vorschlag (!) zur Heranziehung eines psychiatrisch
psychiatrisch
bzw. psychosomatisch geschulten Facharztes
Voraussetzung: Eingehende Kenntnisse zu chronischen Schmerzen
Begutachtung von Schmerzen
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68
Spezielle Aspekte der
Begutachtung von Schmerzen (5)
Einsatz von Fragebogen und Skalen
... ergänzen die Eigenschilderung der Beschwerden
... dienen der Standardisierung von Befunden
BSG vom 9.4.2003 - B 5 RJ 80/02 B
...können Selbstauskünfte
...“Selbstverständlich
dürfen die überprüfbar
Eigenangabenmachen
des Probanden nicht überbewertet
zum alleinigen
Kriterium der in
Beurteilung
gemacht
werden. Andererseits
...und
werden
von Sozialgerichten
Gutachten
ausdrücklich
gefordert
müssen stets Schmerzerlebnis, Schmerzverhalten und Schmerzverarbeitung des
Probanden erfasst werden, wozu wissenschaftlich erarbeitete Fragebögen dienen (z.B. SF-36, von Zerssen-Skala, ADS, PDI, DSF). Diese Angaben sind dann
die Grundlage für die Beurteilung ... durch den Sachverständigen, wozu es veröffentlichte „Indizienlisten“ und „Prüfkriterien“ ... gibt, die aber letztlich nicht die eigenständig zu verantwortende Leistungsbeurteilung durch einen mit der Problematik der Schmerzbegutachtung erfahrenen Sachverständigen ersetzen.“
Begutachtung von Schmerzen
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Spezielle Aspekte der
Begutachtung von Schmerzen (6)
Quantifizierung der Funktionseinschränkungen
... subjektive Selbsteinschätzung allein nur von geringer Bedeutung
... klinische und apparative Befunde allein nur von geringer Bedeutung
... Diagnosen erklären nicht den Schweregrad einer
Schmerzsymptomatik
... geringer oder ausbleibender Behandlungserfolg begründet nicht
zwangsläufig
hohen Leidensdruck mit schweren Funktionsbeeinträchtigungen
Begutachtung von Schmerzen
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69
Spezielle Aspekte der
Begutachtung von Schmerzen (7)
Quantifizierung der Funktionseinschränkungen
•
Überragende Bedeutung bei der Begutachtung von Schmerzen
haben ...
• Beurteilung der objektivierbaren (!) Funktionsbeeinträchtigungen
anhand der Beobachtung während der Exploration und Untersuchung
• Nachweis (!) der Auswirkungen körperlicher und/oder psychischer
Beeinträchtigungen im privaten und/oder beruflichen Alltagsleben sowie
in der sozialen Partizipation
Begutachtung von Schmerzen
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Spezielle Aspekte der
Begutachtung von Schmerzen (8)
Quantifizierung der Funktionseinschränkungen
Diese Fragen sind dagegen wenig hilfreich im Begutachtungskontext
Begutachtung von Schmerzen
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70
Spezielle Aspekte der
Begutachtung von Schmerzen (9)
• Serumspiegelbestimmung von Pharmaka
•
Konsistenzprüfung von Probandenangaben
•
•
nur mit Einverständnis der/des Probanden möglich
im Serum mit Hochdruck-Flüssigkeitschromatographie (HPLC)
•
Substanzgruppe
Blutspiegel von Medikamenten (Drug Monitoring*)
•
•
•
•
•
Schmerzmittel
Antirheumatika
Opioide
Opiate
Antidepressiva
•
Antiepileptika
Acetylsalicylsäure, Paracetamol, Metamizol
Diclofenac, Ibuprofen
Tramadol, Tilidin
Morphin, Buprenorphin, Oxycodon, Methadon
Amitripyilin, Trimipramin, Doxepin, Mirtazapin, Venlafaxin,
Citalopram
Carbamazepin, Oxcarbazepin, Gabapentin, Duloxetin,
Pregabalin,Diazepam und Derivate
*Das Labor benötigt Eichstandards und bei der Quantifizierung und Bewertung ist die individuelle Verstoffwechselung
zu berücksichtigen !
Begutachtung von Schmerzen
Orthopädie Heidelberg
Spezielle Aspekte der
Begutachtung von Schmerzen (10)
Quantifizierung der Funktionseinschränkungen
•
Spezielle Schmerzanamnese
•
Behandlungsanamnese
•
Eigene Einschätzung des Leistungsbildes
•
Fremdanamnese
•Quantifizierung
Aktivitäten des
täglichen
Lebens
subjektiv
empfundener
Schmerzen
•= Zusammentragen
Soziale Partizipation
mö
glichst vieler „Indizien“
möglichst
Indizien“ zu einem
•
Indizienbeweis“
währen“ d der Begutachtung
Beob„achtung
Indizienbeweis
• Schonungsund bei
Belastungszeichen
= Motto:
Wer Schmerzen
der Arbeit hat, hat diese auch in der
Freizeit
• Muskelmantel
• Beweglichkeit
Begutachtung von Schmerzen
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71
Spezielle Aspekte der
Begutachtung von Schmerzen (11)
Simulation und Aggravation
V
Verdeutlichung
Aggravation
Siimulatio
on
mehr oder weniger bebewusste verschlimbewusstes und auswusster Versuch, den
mernde bzw. berschlie§liches VorGutachter vom Vorhan- h hende Darstellung ei- t uschen einer krankdensein der Schmerzen ner krankhaften Str ung haften Stru ng zu bezu berzeugen
zu erkennbaren Zwe- stimmten, klar erkennbacken
ren Zwecken
ćnormalŅ
h ufig
selten
Zusammenhang mit einem desinteressierten,
oberfl chlichen Untersucher
gutachtlich relevant
gutachtlich relevant
cave
Somatoform ist scheinbare Simulation
cave
Begutachtung von Schmerzen
Orthopädie Heidelberg
Leitlinien für die Begutachtung von Schmerzen
Aufbau
1. Präambel
Urheberschaft, Ziel und Inhalt der Leitlinie, Zielgruppe, Evidenzgrad,
Implementierung, Überprüfung und Aktualisierung der Leitlinie
2. Einteilung von Schmerzen
3. Spezielle Aspekte der Begutachtung von Schmerzen
4. Ablauf und Inhalt der Begutachtung
Begutachtung von Schmerzen
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72
Auflauf und Inhalt der Begutachtung
1. Detaillierte (!) Anamnese
•
Arbeits- und Sozialanamnese
•
Allgemeine Anamnese körperlicher und
psychischer Erkrankungen
•
Spezielle Schmerzanamnese
• Behandlungsanamnese
(Dauer, Intensitä
Intensität, Ergebnis)
• Einschrä
Einschränkungen in den Aktivitä
Aktivitäten des
täglichen Lebens
• Einschrä
Einschränkungen der Partizipation im
familiä
familiären und sozialen Leben
• Selbsteinschä
Selbsteinschätzung des positiven und
negativen Leistungsbildes
• Fremdanamnese
Begutachtung von Schmerzen
Orthopädie Heidelberg
Auflauf und Inhalt der Begutachtung
2. Spezielle klinische Befunde und Beobachtung
• Beobachtung wä
während der Begutachtung
•
Allgemeine Befunde einschl. Erscheinungsbild
•
Fachgebietsbezogener Untersuchungsbefund
•
Apparative Zusatzbefunde
• Kritische Wü
Würdigung der Selbsteinschä
Selbsteinschätzungsskalen
Zu klä
klärende Frage:
Sind die Angaben zu den Auswirkungen der Schmerzen konsistent ?
Begutachtung von Schmerzen
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Orthopädie Heidelberg
73
Auflauf und Inhalt der Begutachtung
3. Diagnosestellung
•
Diagnosen orientieren sich an den ICD 10-Kriterien
•
Diagnosen müssen ohne vernünftigen Zweifel („Vollbeweis“)
klassifizierbar sei
•
•
keine Verdachtsdiagnosen
•
keine „Zustände nach ...“
•
Keine topisch orientierten Syndrome (z.B. Lumbalsyndrom)
für gutachtliche Belange sind Funktionsbeeinträchtigungen
(„Funktionsstö
Funktionsstörungen“
rungen“) an entscheidender Stelle zu nennen
Begutachtung von Schmerzen
Orthopädie Heidelberg
Auflauf und Inhalt der Begutachtung
Gutachtliche Bewertung der Funktionsstö
Funktionsstörungen bei chronischen
Schmerzen (1): Aktivitä
Aktivitäten und Partizipationen
Inwieweit ist der Gutachter bei kritischer W ürdigung aller Befunde davon
überzeugt, dass die geklagten Funktionsstö
Funktionsstörungen sich auf
Aktivitä
Aktivitäten und Partizipationen auswirken ?
Zweifel bei Diskrepanzen zwischen subjektiver
Beschwerdeschilderung und ...
• der Beeinträchtigung in der Untersuchungssituation
• zu eruierenden Aktivitäten im familiären und öffentlichen Leben
• dem Fehlen angemessener Therapiemaßnahmen und/oder
Eigenaktivitäten zur Schmerzlinderung trotz ausgeprägt
beschriebener Beschwerden
• fremdanamnestischen Informationen (einschl. Aktenlage)
Begutachtung von Schmerzen
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74
Auflauf und Inhalt der Begutachtung
Gutachtliche Bewertung der Funktionsstö
Funktionsstörungen bei chronischen
Schmerzen (2): Aktivitä
Aktivitäten und Partizipationen
• Hat die “Schmerzkrankheit”
Schmerzkrankheit” den Lebensablauf übernommen ?
Oder werden die geklagten Beschwerden und Beeinträchtigungen
zur Durchsetzung eigener Wünsche eingesetzt (“sekundärer
Krankheitsgewinn”) ?
• Rückzug lediglich von unangenehmen Tätigkeiten
• Beibehaltung von Führungs- und Kontrollfunktionen in der Familie
Begutachtung von Schmerzen
Orthopädie Heidelberg
Auflauf und Inhalt der Begutachtung
Gutachtliche Bewertung der Funktionsstö
Funktionsstörungen bei chronischen
Schmerzen (3): Aktivitä
Aktivitäten und Partizipationen
mittels
Aktenlage
Anamnese
Befunde
prüft
SV
Übereinstimmung
(Konsistenz)
Diskrepanz
(Inkonsistenz)
Plausibilitä
Plausibilität, wenn Klage und Auswirkungen konsistent sind
Vorsicht mit Aussagen zur Glaubhaftigkeit und Glaubwü
Glaubwürdigkeit
Begutachtung von Schmerzen
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75
Auflauf und Inhalt der Begutachtung
Gutachtliche Bewertung der Funktionsstö
Funktionsstörungen bei chronischen Schmerzen
(4): Aktivitä
Aktivitäten und Partizipationen
• 3 mö
mögliche Antworten...
• Der Gutachter ist nach kritischer Wü
Würdigung der Befunde ...
... davon überzeugt, dass die geklagten Funktionsstörungen bestehen und willentlich oder
durch Therapie nicht (mehr) überwunden werden können
i.d.R. Anerkennung durch
den Auftraggeber
... zwar davon überzeugt, dass die geklagten
Funktionsstörungen bestehen, diese aber willentlich und/oder durch Therapie (zum Teil)
überwunden werden könnten
i.d.R. keine Anerkennung
durch den Auftraggeber
(keine dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung)
... nicht davon überzeugt, dass die Funktionsstörungen in der geklagten Form bestehen
i.d.R. keine Anerkennung
durch den Auftraggeber
(Beweislast des Antragstellers)
Begutachtung von Schmerzen
Orthopädie Heidelberg
Auflauf und Inhalt der Begutachtung
Gutachtliche Bewertung der Funktionsstö
Funktionsstörungen bei chronischen Schmerzen
(5): Aktivitä
Aktivitäten und Partizipationen
Hinweise zur Leistungseinschätzung
Funktions- und
Vers.Leistung
Leistungseinschränkung Entschädigung
Klinische Kriterien
Tendenz zur materieller
Entschädigung vordergründig,
fehlende Behandlungskonsequenz
Längerer Verlauf mit Übergang
in chronische
Schmerzkrankheit
Schwere, nicht therapierbare
somatoforme Schmerzstörung
unwesentlich
nein
gering
nein
deutlich
ja
deutlich
ja
Begutachtung von Schmerzen
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Orthopädie Heidelberg
76
Begutachtung chronischer Schmerzzustände
Gemeinsame Leitlinien
„Schmerzbegutachtung“
Schmerzbegutachtung“ ...
• erfordert eingehende Kenntnisse sowohl somatischer als auch
psychischer Ursachen fü
für die Entwicklung chronischer Schmerzen
• versucht subjektiv empfundene Beinträ
Beinträchtigungen durch Sammeln
und kritische Wü
ü
rdigung
mö
ö
glichst
vieler „Indizien“
W
m
Indizien“ zu objektivieren
• erfordert eine zeitaufwä
zeitaufwändige Exploration unter Einschluss von
Fragebogen
• erinnert nicht selten an bayerisches Fingerhakeln
Begutachtung von Schmerzen
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Begutachtung chronischer Schmerzzustände
Gemeinsame Leitlinien
„Schmerzbegutachtung“
Schmerzbegutachtung“ ...Zusammenhang
• Physische und psychische Gesundheitsstö
Gesundheitsstörungen mü
müssen im
zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall aufgetreten sein
• Dokumentierter Erstschaden
• Erstauftreten psychischer Stö
Störungen zumindest innerhalb von 12, besser
von 6 Monaten
• Innerer Zusammenhang mit der Unfall
Begutachtung von Schmerzen
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77
Beispiel 1
Proband männlich, 55 Jahre
•
55-jähriger Proband: vorgestellt durch BG
Klagen: Rückenschmerzen nach Wegeunfall
•
•
•
•
•
•
Hausarzt
Auf Weg zu Patient verunfallt
LWK-1-Deckplattimpression (A-Fraktur)
Nach Jahren noch immer Rückenschmerzen
Nervt BG wegen Bescheid
Begutachtung von Schmerzen
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Beispiel 1
Proband männlich, 55 Jahre
•
•
Klage: Rückenschmerzen
Befund
• Rückenstrecker angespannt
• Kaum Rumpfbeuge bei Anspannung
• Bewegungsangst?
• Rö: Deckplatteneinbruch ausgeheilt mit
minimaler Impression
Begutachtung von Schmerzen
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Beispiel 1
Proband männlich, 55 Jahre
•
Auf Nachfragen:
Für psychische Störungen habe ich keine Zeit.
Begutachtung von Schmerzen
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Beispiel 1
Proband männlich, 55 Jahre
•
Im Laufe der weiteren Befragung
Intrusionen seit Unfall
SKID-I:•Posttraumatische
Belastungsstörung, chronisch
•
Alpträume seit Unfall
•
Über zwei
Jahre nicht mehr Pkw geführt
Zusammenhang
zu bejahen
•
Kann auch
heute
nicht
überholen Störungssymptome
• Vor
dem
Unfall
ohne
psychische
•
Benötigt unmittelbar
einen Beifahrer
• Symptome
nach dem Unfall
•
Wehrt psychische
Traumatisierung durch Schmerz ab?
• Symptome
auch dokumentiert
•
aber ohne weitere Behandlung (Abwehr)
Begutachtung von Schmerzen
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Beispiel 2
Proband männlich, 56 Jahre
• 56jähriger selbständiger Fliesenleger um BUZ
• Klagen
• Beklagt Rückenschmerzen
• Seit 6 Monaten arbeitsunfähig
„ Starke Wirbelsäulenschmerzen
teilweise stechend,
ziehend von• der
oberen
HWS
über
den gesamten Rücken
Kann nicht mehr…
bis untere LWS.
Ziehende
Schmerzen von der LWS bis in
• heben
und tragen
den Knie rechts mehr als links. Ziehende Schmerzen von der
Ferse bis in die Zehen mit Taubheit der Zehen. Ziehender
dumpfer Schmerz in der rechten Schulter/Schultergürtel,
ausstrahlend in den Oberarm bis zu den Ellenbogen,
ausstrahlend in den Nacken/Hinterkopf. Einschlafen der
Hände mit starken Schmerzen in den Handgelenken.“
Begutachtung von Schmerzen
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Beispiel 2
Fliesenleger, 56
• Weitere Schmerzen
• Eigentlich überall
• Weitere Körperbeschwerden
• Hitzewallungen
• Herzrhythmusstörungen
• Ohrensausen
• Durchfall
treten auf unter Stress, oft gemeinsam mit den Schmerzen
Begutachtung von Schmerzen
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Beispiel 2
Fliesenleger, 56
• Körperbeschwerden
• Schon seit dem 12.Lebensjahr
• Flucht aus der DDR
• Schmerzanamnese
• Schon seit dem 32.Lebensjahr
• Beginn einer Tätigkeit im Ausland
Begutachtung von Schmerzen
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Beispiel 2
Fliesenleger, 56
• Biografische Anamnese
•
•
•
•
•
Vater unbekannt
In der DDR aufgewachsen
Flucht, Stiefvater blieb zurück
Man hat nie darüber gesprochen, das war nicht erlaubt
Mit Eheschließung kein Kontakt mehr zur Mutter und zu den
Halbgeschwistern
Begutachtung von Schmerzen
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Beispiel 2
Fliesenleger, 56
• Befund
•
•
• Adipositas magna (BMI 38)
• Rechtshinken
• Schwielen der Fußsohlen seitengleich
• Rechte Hüfte nicht untersuchbar
Multisomatoforme
Störung
• Kokontraktionen
Majordepressive
Episode
• Lasegue positiv
• Primär
(ohne
Therapie) chronifiziert
• aber Langsitz
möglich
• Keine Entfaltung der LWS
• aber vollständiger Fersen-Hock-Sitz
• Röntgen: Spondylose BWS, Osteochondrose L5/S1,
Beckenskelett unauffällig
Begutachtung von Schmerzen
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Beispiel 3
Lagerist, 40
• Lagerist, 40 Jahre gegen DRV Land
• Klagen
• Seit 3 Jahren ohne Arbeit
• nach diversen Knieoperationen
• Panalgie
•
•
•
•
•
Rollator
Fritzstock
Lenden-Kreuz-Mieder
Karbon-Knieorthosen re und li
Durogesic-Pflaster 100 µg
• Sitze den ganzen Tag nur herum
• Leide unter Nebenwirkungen des Morphins
Begutachtung von Schmerzen
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Beispiel 3
Lagerist, 40
• Aktivitäten und Partizipationen
• Wird zum Kartenspielen abgeholt
• Versorgt sich selbst
• Untersuchungsbefunde
• Schwielen an den Fingerbeeren, Fußsohlen
• Orthesen ungebraucht
• „ziehe ich ja nicht immer an“
• Stand, Gang auch ohne möglich
• Entkleiden stehend
• Kein Fentanylspiegel nachweisbar
Begutachtung von Schmerzen
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Beispiel 3
Beispiel 3
Lagerist, 40
Lagerist, 40
• • Aktivitäten
Diagnosenund Partizipationen
• • Wird
zum
Kartenspielen
abgeholt
Keine
somatische
Diagnose
• • Versorgt
sich
selbst
Anhaltend
somatoforme
Schmerzstörung
• Auswirkung auf alle Lebensbereiche fraglich
• Untersuchungsbefunde
• leicht an den Fingerbeeren, Fußsohlen
• Schwielen
Abgrenzung
zur Simulation schwer
• • Orthesen
ungebraucht
Nichtgebrauch
derimmer
Hilfsmittel,
• • „ziehe
ich ja nicht
an“ der Medikamente
• Stand, Gang auch ohne möglich
• Entkleiden stehend
• Kein Fentanylspiegel nachweisbar
Begutachtung von Schmerzen
Begutachtung von Schmerzen
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Beispiel 3 : Lagerist, 40
Begutachtung von Schmerzen
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Beispiel 3 : Lagerist, 40
Begutachtung von Schmerzen
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Beispiel 3 : Lagerist, 40
Begutachtung von Schmerzen
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Beispiel 3 : Lagerist, 40
Begutachtung von Schmerzen
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Beispiel 3 : Lagerist, 40
Begutachtung von Schmerzen
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Begutachtung von Schmerzen
Schweregrad von Erkrankungen (1)
Gewebeschäden (der orthopädische Part)
1.
2.
Welche Erkrankungen
1. Koxarthrose oder Rhizarthrose
Welcher Schweregrad
1. Einschränkungen von Funktionen
1.
2.
3.
4.
1.
2.
5.
Beine: z.B. Gangstabilität, Belastbarkeit
Arme: z.B. Überkopftätigkeiten, Fein- und Grobmotorik
Störungen der Partizipation
1.
3.
Beweglichkeit, Stabilität, Kraft
Ausmaß des Schadens z.B. im Röntgenbild
Welche Therapie? Versucht und erfolgreich?
Störungen der Aktivitäten
Mögliche Gehstrecke, Erreichbarkeit von Zielen
Welche Zumutbarkeit („was ist noch möglich?“)
1. Prävention von Lockerung von Endoprothesen
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Begutachtung von Schmerzen
Schweregrad von Erkrankungen (2)
Psychische Störungen (neue Leitlinie)
1. Art der gesicherten Diagnosen
1. Somatisierung oder somatoforme Schmerzstörung
2. Konversionsstörung des kleinen Fingers oder psychogene
Querschnittlähmung
2. Komorbidität
1. Wie viele psychische Störungen
1. Somatoforme Störung plus Depression plus Angst…
2. Welche weiteren körperlichen Erkrankungen
1. Z.B. Angststörung plus KHK
Begutachtung von Schmerzen
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Begutachtung von Schmerzen
Schweregrad von Erkrankungen (2)
Psychische Störungen
1.
2.
3.
Primäre Chronifizierung mit/ohne Remissionen
Vorbehandlungen
1. Ausmaß der Inanspruchnahme welcher Fachgebiete über wie
viele Jahre
2. Späte Diagnosestellung einer psychischen Störung
3. Angemessenheit der (psycho-) therapeutischen Behandlung
Psychosoziale Auswirkungen in allen Lebensbereichen
1. Veränderung der Familienstruktur
1.
2.
2.
Verlust der Familie
Stabilisierung nur durch Schmerzen
Teilnahme am öffentlichen Leben
1.
2.
Mobilität, Urlaub
Verein, Singkreis, Freundeskreis
Begutachtung von Schmerzen
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Zusammenfassung
Erwartung an den orthopädischen Sachverständigen:
• Zumindest...
•
Abklärung des Schadensbefundes der Stütz- und Bewegungsorgane
•
Bewertung nach Validität
•
•
•
•
Welche Schmerzen sind durch den Schaden zu erklären?
Unter Berücksichtigung von Reliabilität und Spezifität der Befunde
Erfassung aller Schmerzen, Körperbeschwerden, der Kranken- und
Behandlungsgeschichte
Einschätzung der Stimmung
•
Zur Veranlassung von Zweitbegutachtungen
Begutachtung von Schmerzen
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Vielen Dank
Begutachtung von Schmerzen
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Impulsreferat
Neurologische Schmerzbegutachtung nach Traumen mit
Fallbeispielen - Zusammenfassung und Präsentation
Dr. med. Christoph Benz
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Neurologische Schmerz-Begutachtung nach Traumen
Neurologie ist die Lehre von Krankheiten des (zentralen und peripheren) Nervensystems. Krankheiten des Nervensystems haben ein organisches Korrelat. Organmedizinisch begründete Schädigungen des Nervensystems können Schmerzen verursachen.
Schmerzen können neurologisch und nicht neurologisch begründet sein. Neurologisch
begründete Schmerzen haben ein organmedizinisches Korrelat.
Gutachtlich ist zu prüfen:
 Ist eine Schädigung des Nervensystems nachweisbar?
 Ist diese Schädigung grundsätzlich geeignet, Schmerzen zu verursachen?
 Sind im konkreten Fall entsprechende Schmerzen nachweisbar?
Beim Nachweis von Schmerzen sind Beschwerden beziehungsweise Klagen „nachzuweisen“ beziehungsweise zu „messen“. Dabei ist der Gutachter das entscheidende
„Messinstrument“. Differenzialdiagnostisch ist zu unterscheiden zwischen Krankheit,
Aggravation und Simulation.
Nach einem Trauma beinhaltet die Möglichkeit wegen des Traumas. Im Einzelfall ist der
Kausalzusammenhang entsprechend den zur Diskussion stehenden rechtlichen Rahmenbedingungen zu prüfen. Eine unfallbedingte Schädigung des zentralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark) kann unmittelbar Schmerzen verursachen, falls entsprechende neuronale Strukturen geschädigt wurden. Relativ bekannt ist der so genannte Thalamus-Schmerz. Derartige unmittelbare unfallbedingte Schmerz-Störungen
sind selten. Eine unfallbedingte Schädigung des zentralen Nervensystems kann auch
mittelbar Schmerzen verursachen, zum Beispiel: Eine unfallbedingte intracranielle Blutung begründet eine Liquor-Zirkulationsstörung mit der Folge einer schmerzhaften Hirndruck-Symptomatik.
Eine unfallbedingte Schädigung des peripheren Nervensystems kann ebenfalls
Schmerzen verursachen, zum Beispiel in der Gestalt eines Neuroms oder Pseudoneuroms. Nach heutigem Kenntnisstand ist mit Wahrscheinlichkeit auch der so genannte
Phantom-Schmerz in diese Kategorie einzuordnen.
Auch unfallbedingte Schädigungen außerhalb des neurologischen Fachgebiets können
Schmerzen verursachen, zum Beispiel eine Knochen- oder Weichteil-Narbe, die auf einen Nerven drückt beziehungsweise den Nerven chronisch reizt.
Der Begriff komplexes regionales Schmerz-Syndrom wird leider auch verwendet, wenn
keine organmedizinischen Veränderungen nachweisbar sind. Falls bei einem komplexen regionalen Schmerz-Syndrom organmedizinische Veränderungen (Dystrophie etc.)
nachweisbar sind, können diese Veränderungen Schmerzen verursachen. Bezüglich
der Frage nach dem Kausalzusammenhang ist zu bedenken, dass die Entstehungsbedingungen (Ätiopathogenese) eines komplexen regionalen Schmerz-Syndroms im Wesentlichen nicht bekannt sind. Dennoch wird im Allgemeinen der Kausalzusammenhang
anerkannt, falls das komplexe regionale Schmerz-Syndrom in einem „akzeptablen“ zeitlichen Zusammenhang aufgetreten ist mit einer unfallbedingten Schädigung, bei der
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90
nach allgemeiner ärztlicher Erfahrung nicht selten im Verlauf ein komplexes regionales
Schmerz-Syndrom beobachtet wird; das heißt: Post hoc ergo propter hoc, weil man keine plausible alternative Erklärung hat.
Eine Commotio cerebri (Gehirnerschütterung) ist per definitionem eine nicht-strukturelle
Schädigung des Gehirns und insofern grundsätzlich nicht geeignet, länger anhaltende
und neurologisch (plausibel) begründbare Schmerzen zu verursachen.
Dr. med. Christoph Benz
Arzt für Neurologie und Psychiatrie
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91
Neurologische
Schmerz-Begutachtung
nach Traumen
Dr. Christoph Benz, Heidelberg
Arzt für Neurologie und Psychiatrie
1
Die gutachtliche Beurteilung
von Schmerzen
(nach einem Trauma)
aus neurologischer Sicht.
2
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92
Neurologie
ist die Lehre von Krankheiten des
(zentralen und peripheren)
Nervensystems.
3
Krankheiten des
Nervensystems
sind organmedizinisch begründet.
4
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93
Organmedizinisch begründete
Krankheiten sind
morphologisch nachweisbar.
5
Schädigungen des
Nervensystems können
Schmerzen verursachen.
6
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Schädigungen des
Nervensystems,
die Schmerzen verursachen,
sind morphologisch nachweisbar.
7
Das wissen wir alles schon!
8
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95
Schmerzen können
neurologisch und nicht neurologisch
begründet sein.
9
Neurologisch begründete
Schmerzen
haben ein morphologisches Korrelat.
10
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96
Ist doch klar!
11
Schmerzen
ohne
morphologisches Korrelat
sind nicht neurologisch begründet.
12
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Stimmt das?
13
Das weiß ich nicht, aber …
14
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98
… es geht hier
um Gutachten
und nicht
um Glaubensbekenntnisse.
15
sachverständig sind 4 Fragen zu beantworten:
1. Welche Gesundheitsstörung ist
nachzuweisen?
2. Was sind die Ursachen?
3. Was sind die Auswirkungen?
4. Wie ist die Prognose?
16
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99
4 Fragen
1. Welche Gesundheitsstörung ist
nachzuweisen?
2. Was sind die Ursachen?
3. Was sind die Auswirkungen?
4. Wie ist die Prognose?
17
Die Gesundheitsstörung ist
(im Allgemeinen)
mit Sicherheit
(ohne vernünftigen Zweifel)
nachzuweisen.
18
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100
Was bedeutet das?
19
kein morphologischer Nachweis
eines Nerven-Schadens
bedeutet:
kein Nachweis einer Unfallfolge
auf neurologischem Fachgebiet
20
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101
ganz einfach!
21
wirklich ganz einfach?
22
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102
Wie ist es mit
Kopfschmerzen
nach Schädel-Hirn-Trauma?
komplexem regionalem Schmerz-Syndrom
nach Unterarm-Fraktur?
Phantom-Schmerzen
nach Oberschenkel-Amputation?
23
Kopfschmerzen
nach
Schädel-Hirn-Trauma
24
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103
„echte“ Kopfschmerzen nach S-H-T
Kopfprellung: bis 1 Tag
Wunden und Hämatome der Kopfschwarte:
bis mehrere Tage
Schädelbrüche: bis wenige Wochen
Contusio cerebri und Subarachnoidalblutung:
bis wenige Monate
25
Ausnahmen sind Komplikationen, z. B.
eine Infektion
eine Liquor-Zirkulationsstörung
eine ungünstig verheilte Fraktur
26
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104
Eine Commotio cerebri
ist eine
nicht-strukturelle
Gehirn-Schädigung.
27
Was bedeutet das?
Die Anerkennung von
unfallbedingten Kopfschmerzen
nach einer Commotio cerebri
über einen Zeitraum von
mehr als wenigen Wochen
ist neurologisch nicht zu begründen.
28
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105
ganz einfach!
29
oder doch nicht ganz einfach?
30
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106
Haben Sie Fragen dazu?
31
Schädigungen peripherer
Nerven können Schmerzen
verursachen.
32
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107
Neurom
(Der Neurom-Schmerz ist
Messerstich-artig und sehr intensiv.)
33
Pseudoneurom
(Eine Nerven-Narbe drückt auf
Nerven-Fasern.)
34
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108
Kompression eines Nerven
(Eine Weichteil-Narbe drückt auf den
Nerven.)
35
Kein Problem oder haben Sie
Fragen dazu?
36
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109
komplexes
regionales
Schmerz-Syndrom
37
Es ist möglich, dass sich
nach Weichteil-Schädigungen
(und auch unabhängig davon)
ein Schmerz-Syndrom
entwickelt, das
mit dystrophischen Gewebe-Veränderungen
einhergeht.
38
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110
Morbus Sudeck
Kausalgie
Algoneurodystrophie
Reflexdystrophie
komplexes regionales Schmerz-Syndrom
39
mehr oder weniger typische
Angaben von Schmerzen,
Dystrophie-Zeichen und
Angaben zum Verlauf.
40
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111
Der Nachweis der Gesundheitsstörung
gelingt im Allgemeinen, wenn die
Angaben von Schmerzen,
Dystrophie-Zeichen und
Angaben zum Verlauf
typisch sind.
41
Der Nachweis der Gesundheitsstörung
gelingt im Allgemeinen nicht, wenn die
Angaben von Schmerzen,
Dystrophie-Zeichen und
Angaben zum Verlauf
nicht typisch sind.
42
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112
zum Beispiel:
Dystrophie-Zeichen sind nicht (mehr)
nachweisbar.
43
Was bedeutet das?
44
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113
Bei fehlenden
Dystrophie-Symptomen
ergibt sich
die beschreibende Diagnose eines
Schmerz-Syndroms ohne
organmedizinisch fassbares
Korrelat.
45
kein morphologischer Nachweis
eines Nerven-Schadens
bedeutet:
kein Nachweis einer Unfallfolge
auf neurologischem Fachgebiet
46
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114
ganz einfach!
oder doch nicht ganz einfach?
Haben Sie Fragen dazu?
47
PhantomSchmerzen
48
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115
Nach einer Gliedmaßen-Amputation
können auftreten:
Phantom-Gefühle
Phantom-Beschwerden/Schmerzen
Stumpf-Beschwerden/Schmerzen
Stumpf-Zuckungen
49
Der Nachweis der Gesundheitsstörung
gelingt im Allgemeinen, wenn die
Angaben der Beschwerden/Schmerzen
typisch sind.
50
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116
4 Fragen
1. Welche Gesundheitsstörung ist
nachzuweisen?
2. Was sind die Ursachen?
3. Was sind die Auswirkungen?
4. Wie ist die Prognose?
51
Wie ist es bei
Kopfschmerzen
nach Schädel-Hirn-Trauma?
komplexem regionalem Schmerz-Syndrom
nach Unterarm-Fraktur?
Phantom-Schmerzen
nach Oberschenkel-Amputation?
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52
117
4 Fragen
1. Welche Gesundheitsstörung ist
nachzuweisen?
2. Was sind die Ursachen?
3. Was sind die Auswirkungen?
4. Wie ist die Prognose?
53
zur Quantifizierung:
„Die prozentuale Einschätzung der MdE durch
Schmerz-Zustände aller Art ist naturgemäß
außerordentlich schwierig. Grundsätzlich ist
davon auszugehen, dass in den Richtwerten
(zum Beispiel beim Bewerten von
Amputationen …) die üblicherweise
vorhandenen Schmerzen mit eingeschlossen
sind.
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54
118
Nur dort, wo nach Sitz und Ausmaß
pathologischer Veränderungen eine
über das übliche Maß hinaus gehende
Schmerzhaftigkeit – mit Auswirkungen auf die
Erwerbsfähigkeit – wahrscheinlich ist, muss
von diesen Sätzen abgewichen werden.“
MEHRTENS
55
und das ist
56
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119
zur Quantifizierung:
„Die prozentuale Einschätzung der MdE durch
Schmerz-Zustände aller Art ist naturgemäß
außerordentlich schwierig. Grundsätzlich ist
davon auszugehen, dass in den Richtwerten
(zum Beispiel beim Bewerten von Amputationen
…) die üblicherweise vorhandenen Schmerzen
mit eingeschlossen sind.
57
Zusammenfassung
58
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120
Die Gesundheitsstörung ist
mit Sicherheit
nachzuweisen.
Dies gilt auch für den
Schweregrad der Störung.
59
Beim Nachweis von Schmerzen
sind Beschwerden bzw. Klagen
„nachzuweisen“ bzw. zu „messen“.
Dabei ist der Gutachter das
entscheidende „Messinstrument“.
60
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121
Differentialdiagnostisch ist zu
unterscheiden zwischen
• Krankheit
• Aggravation
• Simulation61
62
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122
63
64
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123
Impulsreferat
Psychiatrische Schmerzbegutachtung nach Traumen mit
Fallbeispielen - Zusammenfassung und Präsentation
Dr. med. Markus Schwarz
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124
Psychiatrische Begutachtung von Schmerzpatienten nach Traumen
Die (subjektive) Schmerzwahrnehmung wird nur teilweise durch den peripheren
Schmerzreiz bestimmt und unterliegt dem modulierenden Einfluss vielfältiger weiterer
somatischer und psychischer Prozesse. Experimentelle Befunde weisen die hohe Bedeutung der Aufmerksamkeitsfokussierung auf Art und Ausmaß der Schmerzwahrnehmung.
Quälendes Schmerzerleben ohne bzw. ohne ausreichende organische Erklärung ist das
zentrale Merkmal der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD-10:F45.4), die
mit erheblicher Häufigkeit auch nach Unfalltraumen festgestellt wird. Die Ätiopathogenese dieser Störung ist multifaktoriell und umfasst Risikofaktoren (genetische Belastung; frühe emotionale Deprivation, Persönlichkeitsfaktoren) und psychosoziale Auslösefaktoren. Typischerweise resultieren somatoforme Schmerzstörungen aus einer
intrapsychischen Fehlverarbeitung von Versagens- oder Misserfolgserlebnissen mit dysfunktionaler Aufmerksamkeitsausrichtung auf und Fehlinterpretation von eigentlich unbedeutenden Körperwahrnehmungen. Ein Unfalltrauma im Zusammenhang mit dem
Auftreten einer somatoformen Schmerzstörung kann, muss aber nicht ursächlich von
wesentlicher Bedeutung sein. Entscheidend sind in einem komplexen Abwägungsprozess die Umstande des Einzelfalls.
Chronischer Schmerz führt zu physiologisch nachweisbaren Veränderungen der Hirnfunktion und ist eng assoziiert mit dem Auftreten von depressiven Störungen.
Psychiatrisch-psychosomatische Schmerzbegutachtungen zeigen nicht selten typische
Fehlerkonstellationen. Manchmal schwierig ist die Differenzierung unterschiedlicher
symtomverstärkender Darstelllungsformen: Simulation, Aggravation und Verdeutlichungstendenzen. Für die Beuteilung der MdE
In einem neuen und Ansatz zur Beurteilung der MdE psychoreaktiver Störungen
(Foerster et al. 2007) werden funktionale Beeinträchtigungen zunächst dimensional getrennt in den Bereichen psychisch-emotionaler, sozial-kommunikativer und körperlich
funktioneller Auswirkungen analysiert und erst dann eine strukturierte Einschätzung der
MdE vorgenommen.
In einem Beispielsfall wird das regelmäßig komplexe Ineinandergreifen körperlicher,
psychischer und sozialer Faktoren für die Entstehung und Aufrechterhaltung posttraumatischer psychischer Störungen aufgezeigt.
Dr. M. Schwarz
Zitierte Literatur:
AWMF online (2007): Leitlinie für die Begutachtung von Schmerzen, AWMF-Leitlinien-Register 030/102, Stand: 03/2007.
Foerster, K., Bork, S., Grobe, Th., Tegenthoff, M., Weise, H., Badke, A., Schreinicke,
G., Lübcke, J. (2007): Vorschläge zur MdE-Einschätzung bei psychoreaktiven Störungen in der gesetzlichen Unfallversicherung, in: Med Sach 103(2007), 52-56.
© Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest
125
Psychiatrische Schmerzbegutachtung
nach Traumen (mit Fallbeispiel)
Dr. Markus Schwarz
Chefarzt
Klinik für Allgemeinpsychiatrie,
Psychotherapie und Psychosomatik I
Psychiatrisches Zentrum Nordbaden / Wiesloch
1
Psychiatrische Schmerzbegutachtung
nach Traumen (mit Fallbeispiel)
1. Konzept: Somatoforme Schmerzstörungen
2. Ätiopathogenese somatoformer Schmerzstörungen
3. Fallstricke psychiatrische Schmerzgutachten
4. Symptomverstärkende Darstellungsformen
5. MdE-Beurteilung
6. Kausalitätsbeziehung Unfall – psychische Störungen
7. Beispiel
2
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126
Schmerzwahrnehmung und psychische Aktivität
Gerard de Harderwyck:
De Sensu (1496)
Schmerzwahrnehmung im fMRI:
aus: Bantick et al 2002
aus: Clarke et al 1973
Ablenkungsaufgabe zusätzlich
zu Schmerzreiz:
a)Areale vermehrter Aktivität
b)Areale verminderter Aktivität
3
Untergruppen somatoformer Störungen nach ICD-10
**
nach: Rief u. Hiller 1999
4
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127
Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F45.4)
Definition nach ICD-10:
Mindestens 6 Monate anhaltender, schwerer und belastender
Schmerz
Schmerz kann durch einen physiologischen Prozess oder eine
körperliche Erkrankung nicht oder nicht vollständig erklärt werden
Schmerz bildet anhaltend den Hauptfokus für die Aufmerksamkeit des
Patienten
(Schmerz tritt in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder
psychosozialen Problemen auf)
Epidemiologie:
•Lebenszeitprävalenz 12,3% (Meyer et al. 2000)
•Punktprävalenz in Allgemeinpraxis 5-10%, in interdisziplinärer
Universitätsambulanz 25-30% (Egle et al. 1991)
5
Ätiopathogenese somatoformer Schmerzsyndrome(1)
Multifaktorielle Ätiopathogenese:
Risikofaktoren
•genetisch
•frühe emotionale Mangelerfahrungen
•frühe Gewalterfahrungen
Persönlichkeitsdisposition
• leistungsorientiert
• aggressionsgehemmt u.a.
als Auslöser:
• körperliche Erkrankung
• Unfalltrauma
• äußere psychosoziale Belastungen
• innere Konfiktsituationen
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Ätiopathogenese somatoformer Schmerzsyndrome (2)
Narzisstischer Mechanismus der
Schmerzentstehung:
1. primär leistungsorientiert, erfolgreich
2. Konfrontation mit Versagungs- und
Misserfolgserlebnis
3. heftige Gefühle der Hilflosigkeit,
Minderwertigkeit und Kränkung
4. (unbewusste) Funktion des
Schmerzerlebens: Wiederherstellung
des bedrohten existenziellen
Selbsterlebens
5. Ärzte werden zunächst als idealisierte
Helfer erlebt, die dann rasch
enttäuschen
6. Bei Chronifizierung möglich:
Ersatzidentität als „leidendes Opfer“8
Neuropsychologischer Aufschaukelungsprozess:
somato-sensorische Verstärkung
Nach: Rief u. Hiller 1998
Allgemeine Körperbeschwerden lösen Krankheitsängste aus
oder werden katastrophisierend bewertet
↓
Aufmerksamkeitsfokussierung auf Körpermissempfindungen
↓
Verstärkte Wahrnehmung des sensorischen Signals
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Leitlinie für die Begutachtung von Schmerzen
Arbeitsgemeinschaft der
Wissenschaftlichen
Medizinischen
Fachgesellschaften
AWMF online
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN),
der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC),
der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (DGPM),
des Deutschen Kollegium für Psychosomatische Medizin (DKPM),
der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) und
der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS)
AWMF-Leitlinien-Register
Nr. 030/102
Entwicklungsstufe:
2k
Stand der letzten Aktualisierung: 03/2007
© Deutsche Gesellschaft für Neurologie u.a. (siehe oben)
Autorisiert für elektronische Publikation: AWMF online
HTML-Code optimiert: 12.09.2007; 14:31:29
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Ablauf und Struktur einer psychiatrisch-psychosomatischen
Schmerzbegutachtung
1. Aktenlage
2. Exploration
3. Untersuchungsbefunde
• körperlich-neurologisch
• psychopathologisch
• testpsychologisch
4. Verhaltensbeobachtung
5. Fremdanamnese
6. Beurteilung:
• diagnostisch
• der Kausalität
•
der Auswirkungen
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(persönliche) Hitliste der Mängel und Verbesserungsmöglichkeiten
psychiatrisch-psychosomatischer Schmerzgubegutachtungen
1. Aktenlage
2. Exploration……………………Beachtung schädigungsunabhängiger
Belastungsmomente vor und nach Unfall
3. Untersuchungsbefunde
• körperlich-neurologisch
• psychopathologisch…….vollständig, begrifflich normiert (AMDP)
• testpsychologisch……… Abgleich Selbst-/Fremdbeurteilung
4. Verhaltensbeobachtung……..symptomverstärkende Darstellungsformen
5. Fremdanamnese……………..(praktisch) obligat, unter vier Augen
6. Beurteilung:
• diagnostisch……………..präziser Bezug auf Klassifikationssysteme
• der Kausalität……………Rekonstruktion des klinischen Verlaufs
nach Anamnese und Aktenlage; Bezug auf
aktuellen Wissensstand; Beachtung
konkurrierender Kausalfaktoren; mögl.
Änderung der Wesensgrundlage
• der Auswirkungen……….strukturierte Analyse, Indizienlisten, mehr12
dimensionale Analyse (Foerster u.a. 2007)
Symptomverstärkende Darstellungsformen (n. AWMF 2007)
Simulation
ist das bewusste und ausschließliche Vortäuschen einer krankhaften Störung zu
bestimmten, klar erkennbaren Zwecken. Simulation gilt als selten.
Aggravation
ist die bewusste verschlimmernde bzw. überhöhende Darstellung einer krankhaften
Störung zu erkennbaren Zwecken. Sie ist in der Begutachtungssituation relativ
häufig zu beobachten. Simulation und Aggravation sollten in Gutachten klar
beschrieben werden.
Verdeutlichungstendenzen
sind demgegenüber der Begutachtungssituation durchaus angemessen und sollten
nicht mit Simulation oder Aggravation gleichgesetzt werden. Es handelt sich hierbei
um den mehr oder weniger bewussten Versuch, den Gutachter vom Vorhandensein
der Schmerzen zu überzeugen. Zunehmende Verdeutlichung kann auch mit einem
desinteressierten, oberflächlichen Untersucher zusammenhängen.
13
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Hinweise für Simulation oder Aggravation (lt. AWMF 2007)
Auffallende Diskrepanz zwischen intensiver Beschwerdedarstellung …
… und dem beobachtbaren Verhalten in der Untersuchungssituation.
… und der unpräzise-ausweichende Schilderung der Beschwerden
… und der Fremdanamnese (einschließlich Aktenlage)
… und den zu eruierenden Aktivitäten des alltäglichen Lebens
Fehlen angemessener Therapiemaßnahmen und/oder eigenen Aktivitäten
zur Schmerzlinderung trotz ausgeprägt beschriebener Beschwerden
Fehlende Modulierbarkeit der beklagten Schmerzen
14
Vorschläge zur MdE-Beurteilung
(Foerster et al. 2007)
•Psychoreaktive Störung sind ätiologisch nicht spezifisch,
daher selten als Alleinerfolge eines äußeren Ereignisses zu
sehen.
•Der Beurteilung möglicher konkurrierender Bedingungen
kommt besonderes Gewicht zu.
•MdE: definiert durch das Ausmaß der Arbeitsmöglichkeiten
(auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt), die dem Versicherten
trotz zumutbarem Kraftaufwand verschlossen sind.
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Vorschläge zur MdE-Beurteilung
(Foerster et al. 2007)
Beurteilung der Beeinträchtigung in drei Dimensionen:
•psychisch-emotionale Beeinträchtigungen
•sozial-kommunikative Beeinträchtigungen
•körperlich-funktionelle Beeinträchtigungen
Schmerzen ohne erkennbare organische Grundlage wirken
sich dann auf die MdE aus, wenn daraus körperlichfunktionelle Beeinträchtigungen resultieren.
Hinweise lassen sich zum Beispiel aus der
Verhaltensbeobachtung während der Untersuchung und
durch Schilderung des Tagesablaufs gewinnen.
16
Vorschläge zur MdE-Beurteilung
(Foerster et al. 2007)
MdEGUV
Schmerzzustand mit
leicht- bis mäßiggradiger körperlichfunktioneller Einschränkung
bis 10 v.H.
Chronifizierter Schmerzzustand mit
stärkergradiger körperlich-funktioneller
Einschränkung
und psychisch-emotionaler
Beeinträchtigung
bis 30 v.H.
Chronifizierter Schmerzzustand mit
schwerwiegender körperlich-funktioneller
Einschränkung
und erheblicher psychisch- emotionaler
Beeinträchtigung
bis 40 v.H.
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133
Kausalbeziehung: Unfall – psychische Störung
Kernfrage: Ist der Unfall rechtlich wesentliche (Mit-)Ursache für eine
nach dem Unfall manifeste psychische Strörung?
Konstellationen:
1. Psychische Störung resultiert aus Unfall als wesentlicher (Mit-)Ursache.
 Posttraumatische Belastungsstörung
2. Psychische Störung resultiert aus unfallfremder Ursache.
 Bereits vorbestehende Panikstörung
3. Psychische Störung resultiert aus rechtlich nicht relevanter
Unfallfolgen.
 Depression nach kränkendem (unfallbedingtem) Arbeitsplatzwechsel
4. Psychische Störung ist anfangs unfallbedingt, besteht dann aber auf
anderer Grundlage fort (Verschiebung der Wesensgrundlage).
 anfangs Depression wegen unfallbedingter Verletzungen, später
Depressivität wegen wirtschaftlichem Desaster
18
Herr A., 39 J., Verkehrsunfall 02/1998
LSG-Verfahren 2008 (2)
02/98
unverschuldeter Verkehrsunfall auf dem Weg zur Fortbildung vor
Arbeitsplatzwechsel; Folgen: multiple Frakturen, Hirnkontusion rechts
temporo-okzipital mit geringer Subarachnoidalkomponente; 3 Wochen
stationär Unfallchirurgie, 2 Wochen Anschluss-Reha
10/98
Beginn der stufenweisen beruflichen Wiedereingliederung
05/99
nervenärztliches Gutachten für die BG: kontusionelle
Hirnschädigung ist Ursache der seit dem Unfall bestehenden
Kopfschmerzen (leicht, drückend, Stirn-Schlafenbereich) mit
Verstärkung bei Belastung sowie Ursache der hirnorganischen
Leistungsdefizite( pathologischer d2-Test); MdE 30 v.H.
08/99
Beginn der dauerhaften Krankschreibung
10/99
BG-Bescheid: Unfallfolgen anerkannt u.a. „leichte Merk-,
Gedächtnis- und Wortfindungsstörungen, leichte Kopfschmerzen
mit Verstärkung bei Belastung“; Von 12/1998 bis 03/1999:MdE 50 19
v.H., seit 04/1999 MdE 40 v.H.
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Herr A., 39 J., Verkehrsunfall 02/1998
LSG-Verfahren 2008 (2)
03/02
Nervenärztliche Begutachtung für SG: hirnorganische
Beeinträchtigung leichtgradigen Ausmaßes“, MdE 30%
11/03
Nervenärztliche Begutachtung für SG nach §109: chronifizierter
posttraumat. Kopfschmerz vom Spannungstyp (Einzel-MdE 20);
neurasthenes Syndrom einschließlich kognitiver
Leistungseinbußen (Einzel-MdE 40); posttraumatische
Belastungsstörung (Einzel-MdE 20); Gesamt-MdE 60v.H.
05/04
SG weist Klage gegen Widerspruchsbescheid ab
es folgt Klageerhebung vor LSG
06/07
Nervenärztliches Gutachten für AG: ausgeprägtes chronischprogredientes hirnorganisches Psychosyndrom,
postraumatisches Belastungssyndrom; Einrichtung einer
umfassenden Betreuung erforderlich
20
Herr A., 39 J., Verkehrsunfall 02/1998
LSG-Verfahren 2008 (2)
Begutachtung im Auftrag des LSG (2 Tage stationär)
01/99
erstmals Leistungsdefizite bei alleinverantwortlicher Arbeit in neuem
komplexem Tätigkeitsbereich
03/99
anamnestisch erstmals massiver Kopfschmerz (VAS 10/10) im
Zusammenhang mit gescheiterter Klage gegen Unfallverursacherin
05/99
erstmals dokumentierte Kopfschmerz-Angabe
08/99
Arbeitgeber droht mit Änderungskündigung
08/99
AU wg. NPP L4/5,
09/99
Beginn ehelicher Konfliktkonstellation, Trennung 4/2000, Kampf um
Sorgerecht
Beginn der Kopfschmerz-Behandlung mit Opioid-Analgetikum, 21
erster
Entzug in Reha 2001
11/99
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Herr A., 39 J., Verkehrsunfall 02/1998
LSG-Verfahren 2008 (2)
Diagnostisch auszuschließen:

Keine posttraumatische Belastungsstörung

Kein posttraumatischer Kopfschmerz

Kein progredientes hirnorganisches Psychosyndrom
Diagnosen:

Organisches Psychosyndrom n. Schädelhirntrauma (F07.2) seit 2/98

Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (F45.4) seit 03/99

Opioid-Abhängigkeitssyndrom (F13.2) seit 2000

Nicht-krankheitswerte Persönlichkeitsakzentuierung mit narzisstischen
Zügen
Kausalität:
Schädigungsbedingt ist das organische Psychosyndrom (MdE: 30v.H.)
Die somatoforme Schmerzstörung resultiert aus der intrapsychischen
Fehlverarbeitung mehrerer (unfallunabhängiger) psychosozialer Belastungen
22
Psychiatrische Schmerzbegutachtung
nach Traumen (mit Fallbeispiel)
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Dr. Markus Schwarz
Psychiatrisches Zentrum Nordbaden / Wiesloch
[email protected]
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136
Schmerzgedächtnis
Wiederholte Schmerzerfahrungen führen

zu Sensibilisierung für den nozizeptiven Input

zu einer vermehrten Aufmerksamkeit und vermehrten
kognitiven Einengung auf schmerzbezogene Informationen

zu Einschränkung und Vermeidung körperlicher Aktivitäten
Auswirkungen des Schmerzgedächtnisses

in der Erinnerung wird die Intensität des
Schmerzes zu einem bestimmten
Zeitpunkt wird überschätzt

zerebrale Veränderungen infolge von
Lernprozessen
Bei Patienten mit chronischen
Rückenschmerzen weitet sich die
Repräsentation des Rückens in Richtung
Beinareal aus (Tölle/Flor 2006)
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4.
Rechtsprechungen
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5.
Leitlinie für die Begutachtung von Schmerzen
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6.
Literaturhinweise
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Forum Medizinische Begutachtung (2006), 37-41
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Med Sach 105 (2009) 96-99
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Begutachtung, SGb 5 (2007) 271-275
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Med Sach 105 (2009) 100-106
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 in: Widder W, Gaidzik P W: Begutachtung in der Neurologie,
Georg Thieme Verlag (2007)
© Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest
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7.
Referenten
Leitung und Moderation
Claudia Drechsel-Schlund
Geschäftsführerin der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst
und Wohlfahrtspflege, Bezirksverwaltung Würzburg
Röntgenring 2, 97070 Würzburg
Priv.Doz. Dr. med. Paul A. Grützner
Ärztlicher Direktor der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
Katharinenhospital
Kriegsbergstraße 60, 70174 Stuttgart
Vortragende
Dr. med. Christoph Benz
Arzt für Neurologie und Psychiatrie
Heidelberger Arbeitsgemeinschaft medizinischer Sachverständiger
Gustaf-Kirchhoff-Straße 6, 69120 Heidelberg
Klaus Feddern
Geschäftsführer der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen
Bezirksverwaltung Wiesbaden
Wiesbadener Straße 70, 65197 Wiesbaden
Professor Dr. med. Stefan Kleinschmidt
Chefarzt der Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Ludwig-Guttmann-Straße 13, 67071 Ludwigshafen
Professor Dr. med. Marcus Schiltenwolf
Sektion Schmerztherapie, Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 672, 69120 Heidelberg
Dr. med. Markus Schwarz
Ärztlicher Direktor, Chefarzt der Klinik Allgemeinpsychiatrie,
Psychotherapie und Psychosomatik I
Heidelberger Straße 1 a, 69168 Wiesloch
© Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) – Landesverband Südwest
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