Der Hahnentritt

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Der Hahnentritt
2011 erschien in der Veterinaria Didáctica (Hippica Balear/Catalana) ein sehr gut
recherchierter Beitrag namens „Arpeo Bilateral“ (beidseitiger Hahnentritt), der zum
Anlaß genommen wird, um im Folgenden die sehr häufige Diagnose Hahnentritt zu
besprechen. Beschrieben wird der Hahnentritt in der Literatur als „klassisch“ nur im
Schritt existent, wurde aber in der Praxis von mehreren Pferden meiner RehaKundschaft in allen Gangarten und mit verschiedenen Krankheitsverläufen gezeigt.
Zusammenfassung der Veterinaria Didáctica: Meistens tritt die beidseitige Variante
durch eine Nahrungsvergiftung mit „falschem Löwenzahn“ (hypochoeris radiculata –
siehe Foto 2) auf. Diese Fälle treten Ende Sommer oder Anfang Herbst bei Pferden auf,
die sich auf Wiesen aufhalten, auf denen diese Pflanze wächst. Die Symptome sind
unterschiedlich (es kommt auf die Menge an, die aufgenommen wurde) und reichen von
einer leichten Mehr-Beugung (wenn das Pferd sich plötzlich dreht, Schritte nach hinten
geht, oder in den ersten Schritten) bis zu starkem Anziehen des Hinterbeines bei jedem
Schritt/Tritt, bei dem sich das Pferd erst gegen den Bauch tritt und dann hart auf den
Boden aufstampft. Normalerweise verschwinden die Symptone spontan spätestens 6 –
12 Monaten nach der Erscheinung, wenn die Ursache eine Vergiftung war.
im Stand
im Trab
Ätiologie
Der beidseitige Hahnentritt zeigt sich also hauptsächlich auf Grund einer FutterVergiftung. Wenn man in der Literatur forscht, werden verschiedene Pflanzen als
Verursacher beschrieben – je nach Land: süße Erbsen und Malve in der USA, falscher
und echter Löwenzahn in Australien, in Spanien falscher Löwenzahn (hypochoeris
radiculata). In der Tat weiss man nicht, ob die Vergiftung durch die Pflanze entsteht
oder durch einen Pilz, der sich in der Pflanze entwickelt hat, denn in Australien treten
die Fälle in sehr feuchten und warmen Zeiten, nach dem Regen zum Ende des Sommers
und Anfang Herbst auf. Die Pferde müssen die Pflanzen zwischen 7-21 Tage lang
fressen, bevor die Symptome erscheinen.
Der falsche Löwenzahn ist eine mehrjährige Pflanze aus Europa, und hat eine
Bodenrosette mit länglichen, lanzettförmigen und gezackten Blättern. Der Stengel ist
20-60 cm lang (wie eine gelbe Margerite mit langem Stengel). Der falsche Löwenzahn
(hypochoeris radicata) hat viel Ähnlickeit mit dem Löwenzahn (taraxaum officinale
Foto 4) aber er unterscheidet sich durch seine haarigen Blätter und kleineren gelben
Körbchen mit längeren, behaarten Stielen (siehe Foto 3). Normalerweise befindet er
sich auf der gleichen Weide wie der echte Löwenzahn.
Foto 3: Falscher Löwenzahn (hypochoeris radicata)
Foto 4: Echter Löwenzahn (taraxaum officinale)
Der beidseitige Hahnentritt kann auch durch verschiedene Erkrankungen verursacht
werden: entweder durch eine Osteophytosis des Oberschenkelknochens, die den nervus
obturatoris einengt (siehe unten) oder durch eine Pressung und Infiltration des Nervs
(durch ein Melanom) - meist bei älteren Pferden beobachtet. Mithilfe der Szintigraphie
konnten ursächlich Knorpelschäden im Rollkamm des Kniegelenkes diagnostiziert
werden, die den Hahnentritt hervorgerufen haben.
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Der Nervus obturatorius ist ein Nerv des Lendengeflechts (Plexus lumbalis). Er hat seinen Ursprung im
hinteren Lendenbereich (L4-S1). Er zieht innen am knöchernen Becken und dann mit der Vena und
Arteria obturatoria durch den Canalis obturatorius zur Innenseite des Oberschenkels. Er innerviert
motorisch die Adduktoren der Hinterbeine und das Hüftgelenk.
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Man vermutet weiterhin, dass der Nervus tibialis, Veränderungen im Rückenmark der
Tiere oder die Sehnenrezeptoren Auslöser dieser Krankheit sind. In den Golgiorganen
kommt es häufig zu akuten Störungen, die zu akuten Schädigungen führen können.
Diese Schädigungen werden wiederum von Druse-Bakterien, Pilzvergiftungen und
Phlegmonen verursacht. Ebenso können sich degenerative Veränderungen am Nervus
peroneus und am Ischiasnerv eingestellt haben.
Die Ursache für Hahnentrittigeit kann also vielfältig sein, Dieckerhoff hat aber gezeigt,
dass der Fehler lediglich auf einer Reizung und Verkürzung der Fascien (Aponeurosen)
beruht. Nach dem Sitz des abnormen Zustandes in den Schenkelfascien gestaltet sich
die zuckende Bewegung etwas verschieden. Siehe folgende Pferde auch im Trab und im
Galopp (alle mittlerweile wieder geheilt/Dauer der Reha zwischen 6 Monaten und 2
Jahren).
9- jährige Warmblut-Stute
8- jähriger frisch kastrierter Lipizzaner-Wallach
ähriger Wallach
Die beiden obigen Pferde sind seit 3 Monaten Wallache. Unten links ein 6-jähriger Lipizzaner-Hengst
nach einem Sturz vom Phantom zum Absamen und unten rechts eine 18-jährige Lipizzaner-Stute nach
einer schweren Geburt.
Symptome
Was man beobachtet, ist eine Degeneration der langen Nerven sowohl am Hals wie an
den hinteren Extremitäten. Wenn die langen Nerven am Hals beschädigt sind und eine
einseitige Kehlkopflähmung entsteht, wird das Pferd bei der Arbeit Schnaufen/ Pfeifen/
Schnarchen. Wenn die Axone der Nerven des Schienbeines betroffen sind, wird sich
der Schritt des Pferdes verändern, indem eine Hyperbeugung der hinteren Extremitäten
auftritt. Je nach Schweregrad sind die Symptome verschieden stark ausgeprägt: manche
Pferde schlagen im Krampf mit dem Hinterbein gegen den Bauch, manche Pferde
zeigen es nur im Rückwärtsgehen oder einer plötzlichen Wendung. Andere betroffene
Pferde zeigen nur die ersten Tritte lang den Hahnentritt, manche immer und es gibt
Pferde, die ihn nur in der Aufregung oder nach einem Schreck kurz gehen. In so einem
Schreckmoment ist die Koordination des Pferdes gestört und es schlägt nach dem
Krampf hart mit dem Huf auf dem Boden auf.
Bei diesem 6- jährigen Hengst fällt der insgesamt hohe Muskeltonus und die ISG-Problematik auf
Behandlung
Die spanischen Kollegen empfehlen in ihrem Beitrag, die Pferde von der Weide zu
holen und sodann findet eine spontane Besserung statt, wenn sie nicht viel Giftstoffe
eingenommen haben. Je mehr Gift aufgenommen wurde, umso länger dauert die
Regeneration. In Frankreich wurde eine retrospektive Untersuchung erstellt, in der sich
50% der Pferde nach 8 Monaten vollständig erholt hatten. Die schweren Fälle
benötigten 18 Monate - der Durchschnitt der benötigten Zeit zur Rekonvaleszenz betrug
6-12 Monate.
Neben den im Folgenden aufgeführten Behandlungsempfehlungen der Veterinaria
Didáctica liegt die größte Heilungschance eines hahnentrittigen Pferdes (egal ob
Vergiftung oder Unfall) meiner Erfahrung nach in der Osteopathie sowie der
Bewegungs- und Physiotherapie. Selbst stark lahmende Pferde, die man am liebsten
warm in die Box stellen würde, müssen bewegt werden. Lockeres aerobes Training,
Koordinations-Übungen (Seitengänge, Trail, Spazieren in unwegsamem Gelände)
senken den hohen Muskeltonus und bahnen neue Nervenwege. Triggerpunkt-Massage,
Faszientechnik, Spindeln und Quaddeln sowie weitere individuell zusammengestellte
manuelle Techniken begegnen den Folgen der starken Spasmen – immer noch egal ob
der Hahnentritt durch Vergiftung oder Verletzung entstand.
Besonders, wenn der Hahnentritt einem Trauma zugeordnet werden kann (Kastration,
Fohlengeburt, Sturz u.ä.) muß regelmäßig osteopathisch – am Besten in Kombination
mit Akkupunktur und Homöopathie der Teufelskreis durchbrochen werden.
Ohne die, zwischen den Osteopathie-Sitzungen (beispielsweise alle 2 Monate)
stattfindende Physio- und Bewegungstherapie, hätte der Pferdekörper keine Chance, aus
dem Bewegungsmuster herauszukommen. Da wie beschrieben, auch die Psyche des
Pferdes eine große Rolle spielt, muß man sich ebenfalls über die Tagesplanung eines so
betroffenen Pferdes Gedanken machen: wie viel Auslauf, welche Bodenverhältnisse,
welche Zaun-Nachbarn, wie hoch ist der eigene Bewegungs-Drang des Pferdes (muß
man ihn fördern oder bremsen)?
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Hier aber nun – ohne Wertung – die Empfehlungen der spanischen Tierärzte aus dem
genannten Zeitungsartikel, die Hahnentrittigkeit mit einer Vergiftung in Zusammenhang
bringen:
1) Fenitoina (gemeint ist Phenytoin): manchmal hift es, manchmal nicht. Wenn man
bedenkt es zu verwenden, sollte man sofort anfangen. Wenn Besserung in den ersten 710 Tage erscheint, weiter verwenden, wenn nicht aufhören.
2) Man empfelt die Verwendung von Vitamin B complex, hauptsächlich Tiamina. Diese
Vitamine fördern die Regeneration der Nerven. Am Anfang kann man es spritzen und
nachher oral eingeben.
3) Vitamin E und Selen, Magnesium oder andere Produkte für Muskelförderung geben,
um den Aufbau des Muskelschwundes zu fördern .
4) Alternative Behandlungsmethoden bieten sich mit der Ozontherapie, auch mit
Akupunktur, der Magnetfeldtherapie und mit der Homöopathie. Hier werden sehr gute
Behandlungserfolge erzielt. Weitere Erfolge versprechende Mittel zur Behandlung vom
Hahnentritt sind ganz sicher Xanthoxylum fraxineum, Gelsemium, Gnaphalium und
Heloderma horridum. Aus der Sicht der Phytotherapeuten empfiehlt sich aber immer
noch am besten eine hoch dosierte Gabe von Ginkgo biloba.
Am besten ist es vorzubeugen und das Pferd von der Weide zu nehmen, wenn man
falschen Löwenzahn findet, insb. Ende Sommer/ Anfang Herbst.
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Resümee
Hat man ein Hahnentrittiges Pferd, sollte man viele Faktoren als Ursache in Betracht
ziehen. Die neurogenen Veränderungen, die letztlich als Gipfel eines Eisberges dem
Pferdebesitzer ein gestörtes Gangbild präsentieren, bedürfen eines individuellen, gut
durchdachten Therapie-Planes.
Bis sich das Gewebe regeneriert hat/ggfls. das Pferd entgiftet wurde/das Pferd ein neues
Bewegungsmuster gelernt und verinnerlicht hat, kann es auch zu Rückschlägen in der
Therapie kommen, die den Pferdebesitzer keinesfalls entmutigen dürfen. Und damit
sind wir beim wichtigsten Faktor in der Heilung: der Zeit…
Warmblutstute: ISG-/Knie-Problematik durch Überforderung - zwischen beiden Fotos liegen 6 Monate
Beginn
nach 1 Jahr
nach 2 Jahren
ISG-/Ischialgie-/Genital-Problematik eines 6-jährigen Lipizzaner-Hengstes nach einem Sturz
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