Beweis. Sei p/q ∈ Q ein gekürzter Bruch (d.h. p ∈ Z, q ∈ N sind teilerfremd) mit p 2 /q 2 = 2. Dann ist p2 = 2q 2 . Dann ist p2 gerade, also p gerade, denn Quadrate ungerader Zahlen sind ungerade. Es folgt: p2 ist durch 4 teilbar ⇒ q 2 = p2 /2 ist durch 2 teilbar ⇒ q gerade – im Widerspruch zur Annahme, dass p, q teilerfremd sind. C 1.26 Lemma. Seien a, b ∈ R. Gilt für jedes ε > 0, dass a < b + ε ist, so ist a ≤ b. Beweis. Wäre a > b, so ergibt sich für ε = a − b ein Widerspruch: a < b + ε = b + (a − b) = a. C 1.27 Satz. Existenz der Quadratwurzel. Es sei a ∈ R + = ]0, ∞[. Dann existiert ein x ∈ R+ √ mit x2 = a. Schreibe x = a oder x = a1/2 . Beweis. Die Menge M = {r ∈ ]0, ∞[ : r 2 ≤ a} ist nichtleer: Ist a < 1, so ist a2 ≤ a, also a ∈ M ; ist a ≥ 1, so ist 12 = 1 ≤ a, also 1 ∈ M . Sie ist ferner beschränkt, denn für C > 1 + a ist C 2 > (1 + a)2 = 1 + 2a + a2 > a. Sie hat also ein Supremum, x. Wir zeigen, dass x 2 = a ist. 1. Schritt: Wir zeigen, dass x2 < a+ε für jedes ε > 0. Sei ε > 0 vorgelegt. Zu jedem 0 < δ ≤ 1 existiert nach der Definition des Supremums ein r ∈ M mit r > x − δ. Also ist x2 < (r + δ)2 = r 2 + 2δr + δ 2 = r 2 + δ(2r + δ). (1) Wir schätzen diesen Ausdruck nach oben ab. Zunächst ist δ ≤ 1. Wir unterscheiden nun zwei Fälle: Ist r ≤ 1, so ist δ(2r + δ) ≤ δ(1 + 2) = 3δ. Ist r > 1, so ist r ≤ r 2 = a, also δ(2r + δ) ≤ δ(2a + 1). In jedem Fall ist x2 < a + Cδ mit C = max{3, 2a + 1}. n εo , so ist Wählen wir also δ < min 1, C x2 < a + Cδ < a + ε. 2. Schritt: Zeige, dass x2 ≥ a. Angenommen: x2 < a. Setze ε = a − x2 . Wie in Schritt 1 (Gleichung (1) jetzt mit x in der Rolle von r) sieht man, dass (x + δ)2 < x2 + ε = a, falls δ hinreichend klein ist. Also ist x + δ ∈ M , und x ist nicht das Supremum. Widerspruch. C 1.28 Bemerkung. Mit etwas mehr Arbeit kann man genauso die Existenz der n-ten Wurzel √ a1/n bzw. n a aus jeder positiven reellen Zahl a zeigen. 1.29 Folgerungen. (a) R ist (bedeutend) größer als Q. In Q gilt das Supremumsaxiom nicht (sonst könnten wir schließen wie oben). 8 (b) p Für rationales r = q mit p ∈ Z, q ∈ N und a ∈ R+ können wir ar = (ap )1/q definieren. Es gilt ar = (a1/q )p und ar as = ar+s mit r, s ∈ Q. Beweis. (b) Durch vollständige Induktion. 9 2 Komplexe Zahlen 2.1 Definition. Die Menge R×R bildet einen Körper, sofern man Addition und Multiplikation wie folgt definiert: Addition (x1 , y1 ) + (x2 , y2 ) = (x1 + x2 , y1 + y2 ); Multiplikation (x, y1 ) · (x2 , y2 ) = (x1 x2 − y1 y2 , x1 y2 + x2 y1 ) Das Nullelement ist (0, 0), das Einselement ist (1, 0) (nachrechnen!). Additives Inverses: − (x, y) = (−x, −y), multiplikatives: (x, y) −1 = −y x , 2 2 2 x + y x + y2 . Dieser Körper heißt der Körper der komplexen Zahlen und wird mit C bezeichnet. Aus den obigen Regeln ergibt sich, dass (x1 , 0) + (x2 , 0) = (x1 + x2 , 0) (x1 , 0) · (x2 , 0) = (x1 x2 , 0) Wir können also R als Teilmenge von C auffassen, indem wir x ∈ R mit (x, 0) ∈ C identifizieren. Die Schreibweise mit zwei Komponenten ist unpraktisch und wird nicht benutzt. Man schreibt x + iy statt (x, y), x, y ∈ R. Mit dieser Identifikation entspricht also i dem Tupel (0, 1). Unter Berücksichtigung der Regel i2 = −1 kann man mit komplexen Zahlen dann wie mit reellen rechnen (2 + 3i)(4 − 2i) = 8 + 12i − 4i − 6i2 = (8 − 6) + (12 − 6)i = 2 + 6i. Achtung: C ist kein angeordneter Körper (i2 = −1 im Gegensatz zu 1.10(a))! 2.2 Definition. Sei z = x + iy ∈ C. Dann heißt x Realteil von z und y Imaginärteil von z. Schreibe x = Re z, y = Im z. Die Zahl z = xp − iy nennt man das Konjugiert-Komplexe von z. Die Zahl |z| = x2 + y 2 ∈ [0, ∞[ heißt Betrag von z. 2.3 Satz. Für z, z1 , z2 ∈ C gilt: (a) (b) (c) (d) (e) z 1 + z 2 = z1 + z2 . z 1 · z 2 = z1 · z2 . (z)−1 = z −1 . z = z. Re z = 12 (z + z), Im z = 1 2i (z − z). Beweis. (a) Sei z1 = x1 + iy1 , z2 = x2 + iy2 . Dann ist z 1 + z 2 = x1 − iy1 + x2 − iy2 = (x1 + x2 ) − i(y1 + y2 ) = z1 + z2 . 11 (b) analog zu (a). (c) (d) (e) z · z −1 = z · z −1 = 1 = 1. Die Multiplikation mit (z)−1 liefert die Behauptung. Schreibe z = x + iy. Dann ist z = x − iy und z = x + iy = z. 1 Schreibe z = x + iy. Dann ist 21 (z + z) = 12 (x + iy + x − iy) = x und 2i (z − z) = 1 1 2i (x + iy − x + iy) = 2i (2iy) = y. (b) C 2.4 Satz. Seien z, z1 , z2 ∈ C. Dann gilt (a) (b) (c) (d) (e) (f) |z| ≥ 0. |z| = 0 ⇔ z = 0. |z| = |z|, |z|2 = zz. |z1 z2 | = |z1 ||z2 |. |z1 + z2 | ≤ |z1 | + |z2 |. |z1 + z2 | ≥ ||z1 | − |z2 ||. Beweis. (a) und (b) sind klar. p (c) Schreibe z = x + iy. Dann ist z = x − iy ⇒ zz = x 2 + y 2 = |z|2 ⇒ |z| = x2 + y 2 = |z|. (d) Schreibe z1 = x1 + iy1 , z2 = x2 + iy2 ⇒ |z1 z2 |2 = (x1 x2 − y1 y2 )2 + (x1 y2 + x2 y1 )2 = x21 x22 − 2x1 x2 y1 y2 + y12 y22 + x21 y22 + 2x1 x2 y1 y2 + x22 y12 = (x21 + y12 )(x22 + y22 ) = |z1 |2 |z2 |2 = (|z1 ||z2 |)2 . Aus 1.10(g) folgt, dass |z1 z2 | = |z1 ||z2 |. (e) Übung. (f) Setze w1 = z1 + z2 , w2 = −z2 . Dann liefert (e) |w1 + w2 | ≤ |w1 | + |w2 |, also |z1 | ≤ |z1 + z2 | + |z2 |, bzw. |z1 | − |z2 | ≤ |z1 + z2 |. Mit w2 = −z1 hätten wir stattdessen |z2 | − |z1 | ≤ |z1 + z2 | erhalten. Da für eine reelle Zahl a gilt: |a| = a oder |a| = −a, folgt die Behauptung. 12 C