Statistik für Ingenieure Vorlesung 2

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Statistik für Ingenieure
Vorlesung 2
Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff
TU Bergakademie Freiberg
Institut für Stochastik
24. Oktober 2016
2.4 Bedingte Wahrscheinlichkeiten
I
I
Häufig ist es nützlich, Bedingungen zu berücksichtigen, welche die
Zufälligkeit einschränken.
Beispiel: Zufälliges Ziehen einer Kugel aus einer Urne
I
I
I
I
I
I
Insgesamt 11 weiße und 6 schwarze Kugeln;
von den 17 Kugeln sind 8 Kugeln (6 weiße und 2 schwarze) markiert;
die restlichen 9 Kugeln (5 weiße und 4 schwarze) sind unmarkiert.
Ereignis S = { gezogene Kugel ist schwarz“} ;
”
Ereignis M = { gezogene Kugel ist markiert“} ;
”
Ereignis U = { gezogene Kugel ist unmarkiert“} .
”
6
17
Ohne Bedingung: P(S) =
I
Einschränkung auf markierte Kugeln:
P(S|M) =
I
2
8
, P(M) =
8
17
2
17
, P(S ∩ M) =
I
, d.h.
P(S|M) =
, P(S ∩ U) =
P(S∩M)
P(M)
4
17
.
.
Einschränkung auf unmarkierte Kugeln:
P(S|U) =
4
9
Prof. Dr. Hans-Jörg Starkloff
, P(U) =
9
17
, d.h.
P(S|U) =
Statistik für Ingenieure Vorlesung 2
P(S∩U)
P(U)
.
Geändert: 24. Oktober 2016
2
Allgemeine Definition bedingter Wahrscheinlichkeiten
I
Bedingte Wahrscheinlichkeit von A unter der Bedingung B:
P(A|B) =
P(A ∩ B)
,
P(B)
falls P(B) 6= 0 .
I
Wichtig: Im Allgemeinen gilt P(A|B) 6= P(B|A) !
I
Bei fester Bedingung B kann man wie mit (unbedingten)
Wahrscheinlichkeiten rechnen, z.B. P(Ac |B) = 1 − P(A|B) .
I
Sind zwei zufällige Ereignisse A und B stochastisch unabhängig,
dann gelten (falls P(B) > 0 bzw. P(A) > 0)
P(A|B) = P(A)
bzw. P(B|A) = P(B) ,
d.h. die bedingten Wahrscheinlichkeiten sind gleich den unbedingten
Wahrscheinlichkeiten der beiden Ereignisse. Entsprechende Formeln
gelten auch für mehr als 2 in Gesamtheit unabhängige Ereignisse.
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3
Multiplikationsregeln
I
Multiplikationsregel: P(A ∩ B) = P(A|B) · P(B) .
I
Erweiterte Multiplikationsregel: Sind A1 , . . . , An zufällige
Ereignisse mit P(A1 ∩ . . . ∩ An−1 ) > 0 , dann gilt
P(A1 ∩ A2 ∩ . . . ∩ An ) = P(A1 ) · P(A2 |A1 ) · P(A3 |A1 ∩ A2 )·
. . . · P(An |A1 ∩ A2 ∩ . . . ∩ An−1 ) .
I
Übungsbeispiel: In einer Urne befinden sich 7 rote und 3 schwarze
Kugeln. Es werden nacheinander 4 Kugeln zufällig ohne Zurücklegen
entnommen.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis A , dass alle 4
gezogenen Kugeln rot sind?
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4
Formel der totalen Wahrscheinlichkeit
I
I
Berechnung der totalen (unbedingten) Wahrscheinlichkeit aus den
bedingten Wahrscheinlichkeiten als gewichtetes Mittel !
Sei B1 , . . . , Bn eine Zerlegung von Ω mit P(Bi ) 6= 0, i = 1, . . . , n .
Dann gilt die Formel der totalen Wahrscheinlichkeit: für ein
beliebiges zufälliges Ereignis A ⊆ Ω ist
P(A) =
n
X
P(A|Bi )P(Bi ) .
i=1
I
Bei Zerlegung Ω = B ∪ B c :
P(A) = P(A|B)P(B) + P(A|B c )P(B c ) .
I
Im Beispiel mit dem Ziehen einer Kugel :
P(S) = P(S|M) · P(M) + P(S|U) · P(U) ,
6
2 8
4 9
= ·
+ ·
.
17
8 17 9 17
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5
Übungsaufgabe
Drei Zulieferer liefern eine Komponente zur Produktion eines
Erzeugnisses im Anzahlverhältnis 5 : 3 : 2.
Die Fehlerquote betrage bei Komponenten der 1. Zulieferfirma 7%, bei
Komponenten der 2. Zulieferfirma 4% und bei Komponenten der
3. Zulieferfirma 2%.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine aus der
Gesamtliefermenge rein zufällig ausgewählte Komponente fehlerhaft ist ?
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6
Formel von Bayes
I
Unter den Bedingungen des Satzes der totalen Wahrscheinlichkeit
und unter der Voraussetzung P(A) > 0 gilt die Formel von Bayes
P(Bi |A) =
P(A|Bi )P(Bi )
P(A|Bi )P(Bi )
.
= n
P
P(A)
P(A|Bj )P(Bj )
j=1
I
P(Bi ) heißen auch a-priori-Wahrscheinlichkeiten.
I
P(Bi |A) heißen auch a-posteriori-Wahrscheinlichkeiten,
sie liefern eine Korrektur der ursprünglichen Wahrscheinlichkeiten,
wenn bekannt ist, dass das zufällige Ereignis A eingetreten ist oder
dies angenommen wird.
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7
Übungsaufgabe
Für die Situation der obigen Übungsaufgabe mit den 3 Zulieferbetrieben
wurde eine Komponente aus der Gesamtzuliefermenge rein zufällig
ausgewählt und überprüft.
Dabei wurde festgestellt, dass die Komponente defekt ist.
Mit welcher Wahrscheinlichkeit stammte diese Komponente von der 1.
Zulieferfirma ?
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8
Beispiel Diagnoseverfahren
I
Diagnoseverfahren liefern im Allg. nicht 100%ig richtige Ergebnisse:
• Ein Fehler wird nicht erkannt.
• Ein Fehler wird fälschlicherweise angezeigt.
I
Resultierende Frage:
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein zufällig ausgewählter
und als fehlerhaft angezeigter Gegenstand tatsächlich fehlerhaft ist ?
I
Beispiel:
F = { Gegenstand ist tatsächlich fehlerhaft“}, P(F ) = 0.001 .
”
A = { Gegenstand wird als fehlerhaft angezeigt“}.
”
Wahrscheinlichkeit für eine Fehlererkennung: P(A|F ) = 0.9 .
Wahrscheinlichkeit für die Identifizierung eines einwandfreien
Gegenstandes: P(Ac |F c ) = 0.99 .
Ges.: P(F |A) .
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9
3. Zufallsgrößen
3.1 Zufallsgrößen und ihre Verteilung
I
Häufig sind Zahlenwerte Ergebnisse von Zufallsversuchen.
Oft ist es auch in anderen Fällen für eine mathematische
Behandlung günstig, den Versuchsergebnissen Zahlen zuzuordnen
(etwa 1 für Erfolg“ und 0 für Misserfolg“).
”
”
⇒ Beschreibung von Ergebnissen eines Zufallsversuches durch eine
Zufallsgröße X (oder mehrere Zufallsgrößen X1 , X2 , . . . , Xn ) .
I
I
Beispiele:
I
I
I
I
Zufällige Zeit X (Lebensdauer, Ausfallzeiten,. . . )
mit möglichen Werten {x ∈ R : x ≥ 0} .
Messergebnis X (Länge, Kraft, Temperatur, . . . ) mit entsprechenden
Zahlenwerten (ohne Maßeinheit) als möglichen Werten.
Zufällige Anzahl X (von Schäden, Konkursen,. . . )
mit möglichen Werten {0, 1, 2, . . .}.
Augenzahl X beim Würfeln mit möglichen Werten {1, 2, 3, 4, 5, 6} .
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10
Mathematische Definition einer Zufallsgröße
I
Mathematische Definition einer Zufallsgröße:
Eine Abbildung (Funktion) X : Ω → R heißt Zufallsgröße (reelle
Zufallsvariable), falls für jedes Intervall (a, b) ⊂ R, a < b, die
Menge {ω ∈ Ω : a < X (ω) < b} ein zufälliges Ereignis ist
( Messbarkeitsbedingung“; dabei wird ein System von zufälligen
”
Ereignissen mit bestimmten natürlichen Eigenschaften als gegeben
vorausgesetzt).
I
Es gilt:
Sind X , Y Zufallsgrößen zu einem Zufallsversuch, dann sind auch
X + Y , X − Y , X · Y , X /Y , falls Y 6= 0, a · X mit a ∈ R und
ähnliche durch mathematische Operationen gebildete Größen
Zufallsgrößen (d.h. die Messbarkeitsbedingung bleibt erhalten).
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11
Grundtypen von Zufallsgrößen
I
Für Zufallsgrößen interessieren vor allem Wahrscheinlichkeiten der
Art P(X ≤ b), P(a < X < b), P(a ≤ X ≤ b) oder ähnliche.
I
Diese bilden die Verteilung oder Wahrscheinlichkeitsverteilung der
Zufallsgröße.
I
Abgeleitete Kenngrößen, wie zum Beispiel Erwartungswert oder
Varianz liefern ebenfalls wichtige Informationen.
I
Zwei wichtige Grundtypen von Zufallsgrößen (mit zum Teil
unterschiedlichen mathematischen Hilfsmitteln bei Berechnungen
oder Untersuchungen) sind:
I
Zufallsgrößen mit diskreter Verteilung
(diskrete Zufallsgrößen) und
I
Zufallsgrößen mit (absolut) stetiger Verteilung
(stetige Zufallsgrößen) .
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12
Zufallsgrößen mit diskreter Verteilung
I
Definition: Eine Zufallsgröße X heißt diskret, wenn sie nur
endlich viele oder abzählbar unendlich viele mögliche Werte
x1 , x2 , . . . annehmen kann.
I
Die Zuordnung pi := P(X = xi ), i = 1, 2, . . ., heißt
Wahrscheinlichkeitsfunktion der diskreten Zufallsgröße.
I
Sie wird meistens durch eine Verteilungstabelle gegeben:
Werte
xi x1 x2 x3 . . .
Wahrscheinlichkeiten pi p1 p2 p3 . . .
I
Die Bestimmung der Wahrscheinlichkeiten pi erfolgt durch
Berechnung aus Grundannahmen (typische Verteilungen) oder
experimentell mittels statistischer Methoden.
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13
Wahrscheinlichkeiten bei diskreten Verteilungen
I
Beispiel:
I
Für die Wahrscheinlichkeiten pi gelten :
I
I
Gerechtes Würfeln, Zufallsgröße X : Augenzahl.
xi 1 2 3 4 5 6
pi 16 16 16 16 16 16
0 ≤ pi ≤ 1 ;
X
pi = 1 .
i
I
Für beliebige Mengen I ⊆ R gilt
P(X ∈ I ) =
X
pi ,
xi ∈I
z.B. für reelle Zahlen a < b
P(a < X < b) =
X
pi .
a<xi <b
I
Beispiel: Zweifacher Würfelwurf, Zufallsgröße X : Augensumme,
Ges.: P(X ≤ 4) .
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14
Zufallsgrößen mit stetiger Verteilung
I
Definition: Eine Zufallsgröße X heißt stetig, wenn es eine
integrierbare reelle Funktion fX : R → R gibt, so dass
Z
P(a ≤ X ≤ b) =
b
fX (x) dx
a
I
für beliebige reelle Zahlen a ≤ b gilt.
Die Funktion fX heißt Dichtefunktion (oder Verteilungsdichte) der
Zufallsgröße X und besitzt die Eigenschaften:
1. fX (x) ≥ 0 für alle x ∈ R ;
Z ∞
2.
fX (x) dx = 1 .
−∞
I
Bemerkung: Eine Dichtefunktion muss nicht unbedingt stetig
oder beschränkt sein !
I
Eine Dichtefunktion gibt die Verteilung der
Wahrscheinlichkeitsmasse“ auf der reellen Achse an.
”
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15
Beispiel Zufallsgröße mit stetiger Verteilung
I
Beispiel: Rein zufällige Auswahl eines Punktes (Wertes) X aus
dem Intervall [0, 1] (auf dem Intervall [0, 1] gleichverteilte oder
gleichmäßig verteilte Zufallsgröße).
I
Für 0 ≤ a < b ≤ 1 gilt P(a ≤ X ≤ b) = b − a .
1, 0 ≤ x ≤ 1,
Die Dichtefunktion ist fX (x) =
0 , sonst.
I
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