Vorlesung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Somatoforme und dissoziative Störungen: Krankheiten ohne Organbefund? Prof. Dr. med. Christoph Herrmann-Lingen Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Lernziele • Arten somatoformer und dissoziativer Störungen • Pathogenetische Vorstellungen • Grundzüge der Behandlung Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Lebenszeitprävalenz häufiger Symptome in der Bevölkerung (Patientenangaben; nach Kroenke und Price, 1993) Rückenschmerz Regelschmerzen Kopfschmerz Thoraxschmerz Bauchschmerz Abgeschlagenheit Benommenheit Schlaflosigkeit Herzklopfen Blähungen Verstopfung Luftnot Übelkeit Durchfall (Prä-)Kollaps Organisch 0 5 10 15 20 Nichtorganisch 25 30 35 % Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Häufigkeit und Kosten somatischer Diagnosestellung bei häufigen Symptomen (nach Kroenke, 1992) Anteil pos. somat. Diagnosen (%) Kosten / pos. Diagnose (je 100 US-$) Bauchschmerz Thoraxschmerz Taubheitsgefühl Schwindel Ödeme Kopfschmerz Dyspnoe Rückenschmerz Ermüdung 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Abgrenzung funktionelle vs. dissoziative Störungen • Funktionelle Störung, z.B. Reizdarm = somatoforme Störung (ICD-10 F45) – Subcortical verschaltet – Vegetativ vermittelt – Meist Affektkorrelat bzw. -Äquivalent • Konversionsstörung, z.B. psychogene Lähmung = dissoziative Störung (ICD-10 F44) – Corticale Repräsentanz – Vermittelt durch Willkürmotorik / Sensorium – Oft symbolischer Konfliktausdruck Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Epidemiologie somatoformer Störungen • Prävalenz somatoformer Störungen – ca. 20% hausärztlicher Patienten – 10-40% stationärer Klinikpatienten (chronische Schmerzen in 40% somatoform) – Bevölkerungsprävalenzen • Somatisierungsstörung 1% (♀:♂=10:1) • Undifferenzierte Somatisierungsstörung ca. 10% Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Epidemiologie von Schmerzsyndromen • Einjahresprävalenz Schmerz ca. 80% • Chronische Schmerzsyndrome 5-10% • Mehr als 14 Tage/Jahr Krankenstand wegen Schmerzen 10% • Rückenschmerzen (häufige Ursache vorzeitiger Berentung!) 18-20% • Volkswirtschaftliche Kosten durch Rückenschmerz-Patienten (BRD 1998) 25 Mrd. € Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Formen somatoformer Störungen I • Somatisierungsstörung (F45.0) (multiple Symptome über >= 2 Jahre) • Undifferenzierte Somatisierungsstörung • Hypochondrische Störung (F45.2) Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Somatoforme autonome Funktionsstörungen (ICD 10: F45.30-34) • Als Krankheit interpretierte, einem Organsystem zugeordnete vegetative Symptome – Palpitationen, Schweißausbrüche, Mundtrockenheit, Hitzewallungen, Erröten, Druckgefühl im Epigastrium, Kribbeln oder Unruhe im Bauch (mind. 2) – Brustschmerzen / Druckgefühl in der Herzgegend; Dyspnoe / Hyperventilation; außergewöhnliche Ermüdbarkeit bei leichter Anstrengung; Aerophagie, Singultus / Brennen im Epigastrium; Bericht über häufigen Stuhlgang, Gefühl der Überblähung / Völlegefühl; erhöhte Miktionsfrequenz / Dysurie (mind.1) • keine hinreichende somatische Erklärbarkeit Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Somatoforme autonome Funktionsstörungen: Organzuordnung • Kardiovaskuläres System („Herzneurose“; F45.30) • Oberer Gastrointestinaltrakt („Reizmagen“, Dyspepsie etc.; F45.31) • Unterer Gastrointestinaltrakt („Reizdarm“, Colon irritabile; F45.32) • Respiratorisches System (Hyperventilationssyndrom, psychog. Husten; F45.33) • Urogenitales System („Reizblase“;F45.34) Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Somatoforme Schmerzstörung F45.4 • Vorherrschende Beschwerde: andauernder, schwerer und quälender Schmerz, der durch einen physiologischen Prozeß oder eine körperliche Störung nicht vollständig erklärt werden kann. • Auftreten in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Problemen. Diese sollten schwerwiegend genug sein, um als entscheidende ursächliche Einflüsse zu gelten. • Folge: beträchtliche persönliche oder medizinische Betreuung oder Zuwendung. Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Weitere Erkrankungen mit funktioneller Körpersymptomatik • Neurasthenie (F48.0) – Chronic fatigue syndrome – Multiple Chemical Sensitivity etc. • • • • Funktionelle Sexualstörungen (F52) Agoraphobie / Panikstörung (F40) Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) Somatisierte Depression (F32/33/34.1) Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Differenzialdiagnose somatoformer Störungen • Somatische Erkrankungen (ggfs. zusätzlich somatoforme Störung möglich!) • Somatische Symptome anderer psychischer Störungen, z.B. – Angststörungen – Depressive Störungen – Konversionsstörungen Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Physiologische Aspekte funktioneller Störungen • Keine „eingebildeten“ Symptome, sondern real gestörte Funktionsabläufe • Patholog. Funktionsdiagnostik schließt funktionelle Störung nicht aus • Koexistenz und wechselseitige Verstärkung von organischer und funktioneller Störung nicht ungewöhnlich Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Physiologische Aspekte funktioneller Störungen • Je nach Störung typische Prozesse, z.B. - Sympathischer Circulus Vitiosus d. Herzangstattacke - Respiratorische Alkalose bei Hyperventilation - Gestörte Motilität bei funkt. GI-Syndromen - Störungen der Schlafarchitektur bei Fibromyalgie • Bei Chronifizierung Möglichkeit der psycho-physiologischen Entkopplung Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Prognose funktioneller Störungen • Abhängig von Chronifizierung und Komplexität • Affektkorrelate günstiger als Affektäquivalente • Bei neu aufgetretenen Symptomen ohne schwere Strukturpathologie unter adäquater Primärversorgung gut • Bei chronischem Verlauf mit massiver psychosozialer Fixierung oder primärer Persönlichkeitsstörung ungünstig. Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Prognose chronifizierter somatoformer Störungen > 50 % Beschwerdepersistenz nach z.B. 2 J. > 50 % Einnahme von somat. Medikamenten bis 100 % Behinderungen in tägl. Aktivitäten bei ca. 50 % Erwerbsunfähigkeit eher schlechtere subjektive Verläufe als bei vergleichbaren Gruppen körperlich Kranker • zahlreiche weitere Probleme einschließlich anhaltender psychischer Beeinträchtigungen • • • • • Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Hinwiese auf das Vorliegen einer funktioneller Störung • Körperbeschwerden ohne hinreichend erklärungskräftigen Organbefund • Multiple, evtl. wechselnde Symptome mit wiederholtem Abklärungs-/OP-Wunsch • Neue Pat. mit langer Vorgeschichte • Angst / Depression (evtl. Screeningbogen) • Biographische Belastungen: (Trennungs-) konflikte, Erschöpfung, Missbrauch/Misshandlung Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Umgang mit Patienten mit funktioneller Störung in der somat. Versorgung Allgemeine Maßnahmen • Ausführliche Anamneseerhebung • Ernstnehmen der Symptomatik Psychosomatische Grundversorgung • Symptomunabhängige feste Terminvergabe • Einordnung der Symptomatik in Lebenskontext, • Verwörterung zugrundeliegender Affekte • Supportive / lösungsorientierte Begleitung Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Psychotherapieverfahren mit belegter Wirkung bei funktionellen Störungen • • • • Entspannungsverfahren Hypnotherapie Kognitive (Verhaltens-) Therapie Psychodynamische Kurzzeittherapie Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg HYSTERIE – körperlicher Ausdruck intensiver Emotionen Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg HYSTERIE – körperlicher Ausdruck intensiver Emotionen Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg HYSTERIE - Historische Entwicklung ("Hystéra" = Gebärmutter) Hysterie ist kein einheitliches Krankheitsbild, eher ein Syndrom Hippokrates: Ursache der Hysterie=Erkrankung der Gebärmutter 1700 - 1850 Hysterie wird durch neurologisch bedingtes Nervenleiden erklärt, psychologische Faktoren als Auslöser 1825 - 1893 Charcot: vielfältige Symptome, nicht nur psychisch 1895 Freud und Breuer: „Studien zur Hysterie“ (Konversionshysterie); Psychische Entwicklung und psychotherapeutische Behandlung Psychoanalytisch: "Abwehrformation, bestimmte Form des Selbst, auf Belastungen in verschiedenen Entwicklungsphasen zu reagieren und wird von Frauen wie von Männern eingesetzt“ Aktuell: Begriff wird vermieden (abwertend, stigmatisierend, irreführend) ICD-10 / DSM-IV: Dissoziative Störung / Konversionsstörung Histrionische Persönlichkeitsstörung Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg HYSTERIE - Historische Entwicklung (J.-M. Charcot; 1825-93) Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg HYSTERIE - Historische Entwicklung Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Begriffsgeschichte „Konversion“ „Bei der Hysterie erfolgt die Unschädlichmachung der unverträglichen Vorstellung dadurch, dass deren Erregungssumme ins Körperliche umgesetzt wird, wofür ich den Namen der Konversion vorschlagen möchte.“ (Freud, 1952) Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg „Dissoziation“ Aufspaltung des Erlebens in scheinbar unverbundene Teile mit dem unbewussten Ziel, die psychische Integrität durch Fernhalten unerträglicher innerer Spannungen (Konflikte, heftige [z.B. traumatische] Affekte) zu bewahren Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Diagnostische Merkmale dissoziativer Störungen • Veränderung /Verlust von Bewegungsfähigkeit oder Empfindungen, • Patient wirkt und fühlt sich körperlich krank, • Oft wiederholte Arztwechsel, Diagnostik und erfolglose Behandlungsversuche • Keine körperliche Ursache der Symptome • (meist) enge Beziehung zu psychischem Stress Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Diagnostische Einordnung dissoziativer Störungen • Bewegungsstörungen: – Lähmungen, Ataxie, Astasie, Abasie, Zittern, Schütteln (F44.4) – Krampfanfälle (F44.5) • Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen: – anästhetische Hautareale, Verlust der Sehschärfe, Tunnelsehen, Taubheit, Anosmie (F44.6) • Bewusstseins- und Gedächtnisstörungen: – Amnesie (F44.0), Stupor (F44.2), Trance (F44.3), Depersonalisation • Komplexe Störungen: – Fugue (F44.1), multiple Persönlichkeitsstörung • Dissoziation im Rahmen anderer Störungen: – PTSD (F43.1), Panikstörung (F41.0), Borderline-PS (F60.31) Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Dissoziative Störungen Erklärungsmodelle - Stichworte Psychodynamisch - psychoanalytisch • Abwehrmechanismus (Konversion, Somatisierung) als frustrane Konfliktlösung (Ausdruckscharakter) Kognitiv-behavioral • früh gelernte Mechanismen (Dissoziation) werden reaktiviert, unvereinbare kognitive Schemata Neurobiologisch • • endogenes Opiatsystem (Derealisation, Dissoziation); Intrusionen von affektiven Inhalten (Amygdala, PTSD) Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Dissoziative Störungen: Epidemiologie und Verlauf • Prävalenz unklar, stark kulturabhängig – Lebenszeitprävalenz in der Allgemeinbevölkerung ca. 0.5% – 4% im Konsiliardienst Allgemeinkrankenhaus • Alle Altersgruppen betroffen, meist zwischen 20 - 40 Jahren • Bei Frauen häufiger diagnostiziert • Häufig abrupter Beginn (Belastung), spontanes Abklingen • auch chronische und rezidivierende Verläufe • Symptom- und Syndromwechsel nicht selten Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg DD Dissoziative vs. neurologische Anfälle Neurologisch Dissoziativ Erstmanifestation oft als Kind Meist 20.-40. Lj. Fam.-Anamn. z.T. pos. Fam.-Anamn. selten pos. EEG, MRT pos. Selten auch pos. Psych. Komorbidität: Psychosen, Depression Psych. Komorbidität: Neurosen, Pers.-Stör., somatoforme Stör. Antikonvulsiva helfen Antikonvulsiva helfen i.d.R. nicht Verletzungen durch Sturz Abroll- oder Auffangbewegungen Meist keine oder artifizielle Verletz., Augen offen Augen oft geschlossen, „Aufwachen“ Einseitige Kopf-/Bulbusdrehung Hin- und Herwerfen des Kopfes Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Typische Merkmale dissoziativer Lähmungen / Sensibilitätsstörungen • Keine Beziehung zur Neuroanatomie (Segmente, Dematome) • Ausbreitung folgt Laienvorstellung (z.B. strumpfförmig) • Ausmaß situationsabhängig • Oft demonstrativer / symbolischer Charakter • „Belle indifférence“ • Grobe Kraft und Reflexe erhalten, sekundär Kraftminderung / Kontrakturen mögl. Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg „Massenhysterien“ („ansteckende“ psychogene Erkrankungen) • Ausgelöst oft durch vermutete Umweltnoxe • Trotz intensiver Diagnostik keine stoffliche Ursache • Meist Frauen, Jugendliche, Kinder • Gehäuft in Schulen, Klöstern, Kasernen • Anfälligkeit durch Stress erhöht • „Übertragung“ durch Kontakt zu Betroffenen • Verschlimmerung durch Medienpräsenz • Toxische Ursache oft vehement behauptet • Anerkennung der Psychogenese schambesetzt Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Symptome bei 9 Massenhysterien (n=1571; Jones TF 2000) Symptom Vorhanden in % Kopfschmerz Schwindel, Leeregefühl im Kopf Übelkeit Bauchkrämpfe oder Schmerzen im Bauch Husten Müdigkeit, Schwäche, Halsschmerzen oder Brennen im Hals Hyperventilation oder Schwierigkeiten beim Atmen Wässrige oder entzündete Augen Druck auf der Brust oder Brustschmerzen Konzentrationsschwierigkeiten Erbrechen Kribbeln, Taubheitsgefühle oder Lähmungen Angst oder Nervosität Diarrhoe (Durchfall) Sehstörungen Hautausschlag Bewusstseinsverlust oder Ohnmacht Hautjucken 67 46 41 39 31 31 30 19 13 12 11 10 10 8 7 7 4 4 3 Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Symtomwandel psychogener Störungen • Klassische Konversionssymptome nehmen ab • Neue Modekrankheiten z.B. Chronic Fatigue, Fibromyalgie, Sick Building Syndrome, Multiple Chemical Sensitivity • „Somatoforme“ (psychovegetative) und psychosomatische Störungen nehmen zu • Mögliche Ursachen: – Veränderung der psychischen Belastungen (weniger Triebunterdrückung, mehr „Stress“) – Veränderung des (imitierten) Krankheitsspektrums – Klassifikationsunschärfen (z.B. Hyperventilation, konditionierte autonome / Immunreaktionen) Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Dissoziative Störungen: Therapie • Tragfähige Beziehung Arzt - Patient entscheidend • Ernstnehmen der Symptome, Psychogenese-Konzept langsam aufbauen • Krankheitsgewinn beachten! • Keine Symptombeseitigung ohne gleichzeitige innere und äußere Entlastung ! • Psychotherapie vorrangig, Pharmakotherapie i.d.R. nachrangig (Naltrexon) • Vermeidung von Folgeschäden: Physiotherapie, Entspannungsverfahren Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Dissoziative Störungen: Therapie • Psychodynamische Psychotherapie: – zentrale Konflikte (nicht nur kognitiv!) verstehen – unbewusste Mechanismen erkennen, ändern • Verhaltenstherapie: – kognitive Überzeugungen bzgl. der Symptome ändern – Körperwahrnehmung korrigieren • Medikamentöse Therapie: – bei Depressivität: Antidepressiva, initial ggf. Anxiolytika; – bei Dissoziation ggf. Naltrexon Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Zusammenfassung • Funktionelle Körpersymptome sind häufig und zunächst nicht spezifisch behandlungsbedürftig • Patienten, die deswegen einen Arzt aufsuchen, sind mit ihrem Anliegen ernstzunehmen • Schlüssel zur Behandlung ist die Herstellung einer tragfähigen Beziehung und die positive Diagnosestellung der somatoformen Störung Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Zusammenfassung II • Mit einer ganzheitlichen Primärversorgung haben die Patienten meist eine gute Prognose • Chronizierte funktionelle Störungen sind jedoch subjektiv außerordentlich belastend, kostenträchtig und schwer therapierbar • Diese Patienten können von Psychotherapie und z.T. von Antidepressiva profitieren Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg Zusammenfassung III • Dissoziative Störungen: „pseudo-neurologische“ Symptome ohne ausreichendes Organkorrelat (bzw. neben einer neurolog. Erkrankung) • Symbolischer Ausdruck und Neutralisierung unerträglicher innerer Spannungen • Oft medizinisch fehlbehandelt • Massenhysterien durch psychogene „Ansteckung“ • Behandlung durch Ernstnehmen, Aufklärung und Psychotherapie Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen, Psychosomatik Uni Marburg