DHS Tagung 2008 Medikamente ein Arbeitssicherheitsproblem Ute Pegel-Rimpl Büro für betriebliche Suchtprävention und Suchthilfe, Hannover Gewerbliche Berufsgenossenschaften BGV A1 ersetzt den alten § 38 UVV BGV A1 § 7 BGV A1 § 15 (2) Der Unternehmer darf Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich und andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen (2) Versicherte dürfen sich durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in den Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. (3) Absatz 2 gilt auch für Medikamente Rolle der Führungskraft Führungskraft ist verantwortlich: ! in der akuten Situation der Arbeitsunfähigkeit der/ des Beschäftigten für die Sicherheit der Person selber und anderer Beschäftigter zu sorgen ! für den weiteren Verlauf der Interventionen: Fürsorgegespräch, Klärungsgespräch oder erstes Stufengespräch und damit ggf. frühzeitige Hilfe möglich zu machen Arzneimittel am Arbeitsplatz • Viele Menschen sind aufgrund einer Erkrankung erst durch AM arbeitsfähig (z.B. Diabetes mellitus Typ 1, Epilepsie) • AM werden auch von Gesunden angewendet, um Konzentration und Leistungsfähigkeit zu steigern • AM werden z.T. von Kranken angewendet, die eine andere Therapie benötigen • Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit gibt es auch bei AM, die kein Suchpotential enthalten Medikamente mit sicherheitsrelevanten Nebenwirkungen • • • • • • Antiepileptika Blutdrucksenkende Mittel Antihistaminika (AM gegen Allergien) Blutzuckersenkende Mittel (Insulin) Anticholinergika (AM zur Pulsbeschleunigung) Atropinhaltige Augentropfen (Pupillen weit stellen) Dr. M. Peschke: Medikamente unter den Aspekten der Arbeitssicherheit Veröffentlichung in: „Motorwelt“ des ADAC Antidepressiva " konventionelle trizyklische Mittel gegen Depressionen " Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens auch bei sachgemäßer Anwendung möglich " Antriebssteigerung, z. B. Selbstüberschätzung " Zentralnervöse Begleiterscheinungen wie Schwindel " Krampfschwelle erniedrigt Neuroleptika " Therapeutika bei psychotischen Erkrankungen " Dämpfung, Antriebsminderung " Störungen der Psychomotorik und Koordination Tranquilizer und Hypnotika (Beruhigungs- und Schlafmittel) " Verminderte Konzentrationsfähigkeit " Beeinträchtigte Muskelfunktion möglich " Reaktions- und Leistungsvermögen kann negativ beeinflusst werden " Schwindel, Müdigkeit, Schlafstörungen, Unruhe Achtung! Einige wirken noch am nächsten Tag! Schmerzmittelverbrauch in BRD Egle, Hoffmann,Lehmann, Nix 2002: Handbuch „Chronischer Schmerz • 178 Mio. Packungen Schmerzmittel • 60 Schmerztabletten pro Kopf • 45 Tabletten pro Kopf in Selbstmedikation Arzneimittelfehlgebrauch ist ein von der Bestimmung abweichender Gebrauch, das heißt z.B. abweichende Indikation, Dosis, Einnahmedauer Risiken stecken auch in Selbstmedikation!!! 80% einfachere Schmerzmittel sind ohne Rezept erhältlich! 18% aller verkauften Einheiten sind Kombinationspräparate, die neben dem schmerzstillenden Wirkstoff wie Acetylsalicylsäure oder Paracetamol noch Kodein (dämpfend) bzw. Koffein (aufputschend) enthalten. Thomapyrin als Problem! Risiken ! Unruhe, Reizbarkeit, Blutdruckabfall evtl. Kreislaufproblem ! Je nachdem hypnotische oder euphorisierende Symptome ! Psychomotorische Leistungsfähigkeit ist beeinträchtigt Skalen zur medikamentenorientierten Einstellung Lebensbewältigung ! Ohne Medikamente wäre ich nur ein halber Mensch. ! Manchmal wüsste ich wirklich nicht, wie ich meinen (Arbeits-)Tag ohne Medikamente durchstehen könnte. ! Beruhigungs- und Schlafmittel sind in schwierigen, sorgenvollen Situationen eine Hilfe für mich, auf die ich nicht verzichten möchte. ! Ich versuche, grundsätzlich ohne Medikamente auszukommen. Instant Relief „augenblickliche Unterstützung“ ! ! ! ! ! ! Wenn ich Kopfschmerzen habe, nehme ich sofort ein Schmerzmittel dagegen. Es hat schon Tage gegeben, an denen ich wahrscheinlich eher etwas zu viel Schmerzmittel genommen habe. Da ich mich genau kenne und weiß, wann ich Schmerzen bekomme, nehme ich schon ein Medikament, bevor die Schmerzen richtig einsetzen. Es ist für mich unverständlich, dass jemand Kopfschmerzen hat und kein Medikament dagegen nimmt. Wenn ich Schmerzen habe, versuche ich möglichst lange ohne Medikamente auszukommen. Ich nehme Schmerzmittel nicht nur wegen der schmerzlindernden Wirkung, sondern weil sie mich auch anregen und leistungsfähig machen. Komplikationen bei Medikamentenkonsum • Individuelle Reaktionen • Besonders zu Beginn der Einnahme unkalkulierbare Wirkung (Blutdrucksenkende Mittel, Blutzucker senkende Mittel/Insulin) • Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder Alkohol und Schadstoffen • Medikamente mit Suchtpotential (Dosissteigerung) überproportionale Zunahme von Nebenwirkungen • Umkehrung der gewünschten Wirkung ins Gegenteil bei plötzlichem Absetzen, z.B. Entzugskopfschmerz • Langzeitwirkungen und Nebenwirkungen Nebenwirkungen von Medikamenten • • • • • • • • • Verlängerte Reaktionszeiten Gleichgewichtsstörungen Mangelndes Reaktionsvermögen Verminderte Aufmerksamkeit Schlechtere Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung Nachlassende Geschicklichkeit Erhöhte Blendempfindlichkeit Einschränkung des Sichtfeldes Psycho-vegetative Regulation: Schwindel, Übelkeit etc. Verhinderung von riskantem Medikamentenkonsum am Arbeitsplatz 1. Aufklärung der Beschäftigten über Auswirkungen von bestimmten Medikamenten auf die Arbeitssicherheit, z. B. Infoveranstaltungen, Unterweisung. Aufklärung aber auch über riskanten Konsum und Abhängigkeitsgefährdung. 2. Vorgesetzte, die vom Medikamentenkonsum des/der Beschäftigten wissen (z.B. nach Rückkehr krankheitsbedingter Abwesenheit), weisen auf die betriebsärztliche Beratung hin, um Gefährdung zu vermeiden. 3. Beschäftigte, die Medikamente nehmen müssen, achten auf die Hinweise von Einschränkungen für die Teilnahme am Straßenverkehr und das Bedienen von Maschinen. Sie beraten sich mit ihrem Arzt bezüglich ihrer Arbeitsfähigkeit. Ziele der betrieblichen Suchtprävention • Gesunderhaltung der Beschäftigten • Erfüllung der Fürsorgepflicht • Vermeidung von Störungen im Tagesablauf • Erhöhung der Arbeitssicherheit • Einsparung von Kosten • Sicherung der Qualität von Dienstleistungen Handlungsmöglichkeiten zur Prävention und Früherkennung • Gefährdungsbeurteilung aller Arbeitsplätze (§5 ArbSchutzG) • Bedarfsorientierte Analyse psychischer Belastungen • Arbeitsmedizinische Vorsorge bei Risikotätigkeiten