5112 - Landtag Rheinland

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LANDTAG RHEINLAND-PFALZ
15. W a h l p e r i o d e
Drucksache 15/
5112
04. 11. 2010
Kleine Anfrage
des Abgeordneten Thomas Günther (CDU)
und
Antwort
des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur
Anerkennung des Islam als Religionsgemeinschaft
Die Kleine Anfrage 3279 vom 12. Oktober 2010 hat folgenden Wortlaut:
Sowohl der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion als auch der integrationspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Memet Kilic, haben gefordert, den Islam als „Religionsgemeinschaft staatlich anzuerkennen“.
Ich frage die Landesregierung:
1. Gab oder gibt es in Rheinland-Pfalz eine Initiative zur Anerkennung des Islam als Körperschaft des öffentlichen Rechts?
2. Sieht die Landesregierung in Rheinland-Pfalz die Voraussetzungen für die Anerkennung des Islam als Körperschaft des öffentlichen Rechts prinzipiell gegeben?
3. Schließt sich die Landesregierung der Forderung des innenpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, den Islam den
christlichen Kirchen gleichzusetzen und als Körperschaft des öffentlichen Rechts anzuerkennen, an oder nicht (bitte mit Begründung)?
Das Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben
vom 3. November 2010 wie folgt beantwortet:
Zu Frage 1:
Es gab und es gibt in Rheinland-Pfalz bislang keine der Landesregierung bekannte Initiative zur Anerkennung des Islam als Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Zu Frage 2:
Die Verfassung gewährleistet die Freiheit des Glaubens und des religiösen Bekenntnisses, die ungestörte Religionsausübung (Art. 4
Abs. 1 und 2 Grundgesetz, Art. 8 Verfassung für Rheinland-Pfalz) sowie die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften
(Art. 140 GG i. V. m. Artikel 137 Abs. 2 WRV).
Religionsgesellschaften oder -gemeinschaften sind auf ihren Antrag die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137
Abs. 5 WRV).
Der Islam als solcher ist indessen ebenso wie das Christentum eine Religion und keine organisierte Religionsgesellschaft. Deshalb
kann dem Islam der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts genauso wenig verliehen werden wie dem Christentum. Der
Islam kennt grundsätzlich keine Organisationsstrukturen, sondern nur die alle Muslime umfassende islamische Gemeinschaft, die
„Umma“. Die in Deutschland lebenden Muslime gehören nach Schätzungen nur zu ca. 15 v. H. den verschiedenen muslimischen
Dachverbandsorganisationen an, wie z. B. dem „Zentralrat der Muslime in Deutschland“, dem „Islamrat“, der staatlich türkischen
Moscheevereinigung „DITIB“, dem „Verband der Islamischen Kulturzentren“ (vgl. Bundestagsdrucksache 16/5033, Seite 4 ff.).
b. w.
Druck: Landtag Rheinland-Pfalz, 18. November 2010
5112
Drucksache 15/
Landtag Rheinland-Pfalz – 15. Wahlperiode
Die Anerkennung einer religiösen Organisation (einer Religionsgesellschaft oder -gemeinschaft) als Körperschaft des öffentlichen
Rechts setzt voraus, dass diese die Merkmale einer Religionsgemeinschaft erfüllt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 23. Februar 2005 (BVerwGE 123, 49 <54>) Folgendes festgestellt: „Unter Religionsgemeinschaft ist ein Verband
zu verstehen, der die Angehörigen ein und desselben Glaubensbekenntnisses oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse zu
allseitiger Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben zusammenfasst... Allein die Behauptung und das
Selbstverständnis, eine Gemeinschaft sei eine Religionsgemeinschaft reicht nicht aus; vielmehr muss es sich auch tatsächlich, nach
geistigem Gehalt und äußerem Erscheinungsbild, um eine Religionsgemeinschaft handeln.“
In dieser Entscheidung wird auch die Frage behandelt, unter welchen Voraussetzungen Dachverbandsorganisationen als Religionsgemeinschaften anzusehen sind. Einen Antrag auf Verleihung des Körperschaftsstatus kann nur eine Organisation stellen, die die
Merkmale einer Religionsgemeinschaft im Sinne des Artikels 140 GG i. V. m. Artikel 137 Abs. 5 Satz 2 WRV erfüllt.
Die Frage, ob muslimische Verbände als Religionsgemeinschaften anzusehen sind und ob ihnen der Status einer Körperschaft des
öffentlichen Rechts verliehen werden kann, wird im Falle der Antragstellung im Einzelfall – unter Beachtung der Entscheidungsgründe des Bundesverwaltungsgerichtes – zu prüfen sein.
Zu Frage 3:
Nach Artikel 140 GG i. V. m. Artikel 137 Abs. 2 und Abs. 7 WRV stehen alle Religionen und Weltanschauungen verfassungsrechtlich gleichberechtigt nebeneinander. Wegen der Voraussetzungen für die Anerkennung einer Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts verweise ich auf die Antwort zu Frage 2.
Doris Ahnen
Staatsministerin
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