Umfrage Nervosität bei Kühen Wege zur charakterstarken Kuh – ein Anfang l Thomas Pfaller In Gesprächen mit Landwirten über ihre Anforderungen an die optimale Kuh bekommt man als Antwort neben Milchleistung, Nutzungsdauer oder Fruchtbarkeit sehr oft auch die Aussage „und brav sollte sie sein“ zu hören. Wohl jeder, der schon ein­ mal Kühe gemolken hat, erinnert sich daran, dass nichts nerviger ist, als wenn gleichzeitig mehrere Kühe im Melkstand sind und dabei das Melkzeug abschlagen bzw. die Milch gar nicht, verzögert oder auch unvoll­ ständig abgegeben wird. Die Frage nach dem Warum und wie dies letztlich zu vermei­ den ist kommt auf, wenn die Stallgefährtin nebenan ruhig und wiederkauend ihre Milch laufen lässt. Auch beim Stallrundgang kann man die unterschiedlichsten Charaktere im Herdenver­ band erkennen. Während die einen extrem zutraulich sind und einem teilweise pene­ trant auf Schritt und Tritt folgen, reagieren andere wiederum fast panisch und ergreifen die Flucht, wenn man nur in die Nähe kommt. l Die BAYERN-GENETIK GmbH achtet bei der Bullenauswahl für den Zweiteinsatz auch auf die Charaktereigenschaften der Töchter. 4 Es ist uns bewusst, dass jede Kuh ihre Persönlichkeit, sprich ihren eigenen Kopf hat, und dass man eben mit manchen Individuen in unse­ ren modernen Stallsystemen nur schwer arbeiten kann. Um die optimale Kuh zu finden, haben wir eine Um­ frage unter unseren Besa­ mungstechnikern und Tier­ ärzten gestartet, mit dem Ziel, ihre Erfahrungen zu dem Thema einzuholen. Die Ergebnisse sollen nachfol­ gend aufgezeigt werden und als Anhaltspunkte für den nächsten Schritt dienen, einer möglichen routinemä­ ßigen Bewertung von Cha­ rakter und Melkverhalten. Insgesamt nahmen 76 Per­ sonen an der anonymen Befragung teil, von denen knapp 50 % auf eine über 20-jährige Erfahrung in der Tierzucht zurückblicken kön­ nen. Ein Viertel der Befrag­ ten rekrutierte sich aus akti­ ven Milcherzeugern. Status Quo Einleitend wurde nach der Zu- oder Abnahme der Ner­ vosität im Kuhstall gefragt. Knapp 62 % sind der Mei­ nung, dass die Probleme dieselben sind wie früher oder sogar etwas weniger wurden. 38 % der Befragten sind davon überzeugt, dass der Anteil nervöser Tiere leicht bzw. stark zunimmt. FLECKVIEHWELT 3/2013 Umfrage Nervosität bei Kühen l Abbildung 1: l Abbildung 2: Nimmt die Problematik mit nervösen Einfluss des Verhaltens von Personen Tieren im Lauf der Zeit zu? Ursachenforschung Bei der Frage nach den Ursachen für nervöse Tiere waren Mehrfachnennungen möglich. Hier gaben von den 76 Befragten 54 an, dass das Verhalten vom Stallpersonal („Betriebsleitereinfluss“) die höchste Bedeutung ein­ nimmt, 46 waren der An­ sicht, dass das Betriebs­ wachstum großen Einfluss auf dieses Merkmal nimmt, 36 kreuzten an, dass das Wissen um den Umgang mit Tieren sukzessive verloren geht und weitere 28 gaben der Genetik eine Mitschuld an nervösen Tieren. Weitere Nennungen waren Wetter­ einfluss, überbelegte Stallun­ gen oder der fehlende Kon­ takt zu den Tieren. Betriebseinfluss Auf die Frage nach dem Einfluss des Betriebs bzw. der Betriebsgröße gaben 62 % an, dass ein großer oder sehr großer Unter­ schied besteht, 20 % sehen einen kleinen Unterschied und 18 % können keinen Unterschied feststellen. FLECKVIEHWELT 3/2013 Jedoch sind sich 82 % der Befragten sicher, dass nervö­ se Tiere häufiger in größeren Betrieben auftreten. Uneinigkeit herrschte bei der Frage nach dem Einfluss der Aufstallung. 49 % geben der Aufstallung keine Schuld am Auftreten von nervösen Tie­ ren, 51 % jedoch sehr wohl. Diese 51 % gaben bei der Rangierung dem Anbin­ destall mit dem Durchschnitt von 1,47 die beste Note, gefolgt vom Laufstall mit 2,24 und der Weide mit 2,38. Vollspaltenbodenboxen für die Jungviehaufzucht scheiden einhellig mit 3,52 am schlechtesten ab. Bei der Frage nach dem Einfluss des Verhaltens von Personen ergab sich ein deutliches Stimmungsbild. Ausnahmslos alle Befragten gaben an, dass sich das Verhalten der Personen di­ rekt auf die Tiere auswirkt. Fast 96 % stimmten mit großem oder sehr großem Einfluss ab. Bei der Frage des Einflusses einzelner Bullen (genetische Komponente) auf das Verhal­ ten der Tiere meinten 44 % einen großen bzw. sehr großen Einfluss erkennen zu l Abbildung 3: Einfluss einzelner Bullen auf das Verhalten der Töchter l Tabelle 1: Mögliche Ursachen für nervöse Tiere Ursachen für nervöses Verhalten Verhalten Stallpersonal Betriebswachstum Wissen um Umgang geht verloren Genetik 54 % 46 % 36 % 28 % l Tabelle 2: Aktuell verfügbare Bullen mit positiv oder negativ auffälligen Töchtern Positiv Waldbrand Ettal Ilion Round Up Holzmichl Resolut Narr Mangope Nennungen 15 9 8 8 6 5 4 4 Negativ Rurex Narr Round Up Ilion Holzmichl Hupsol Nennungen 11 9 5 5 4 4 5 Umfrage Nervosität bei Kühen können. 49 % gaben den Einfluss als klein bzw. sehr klein an. Nur 7 % meinten, keinen Einfluss der Genetik auf das Verhalten zu erken­ nen. Sicherlich sehr schwer zu beurteilen war die konkrete Frage nach Bullen, die „bra­ ve“ oder „böse“ Töchter machen. Die Auflistung ist sehr subjektiv, da es noch keine detaillierte Beschrei­ bung zu einer solchen Frage­ stellung gibt. Aktuelle Bullen sind in Tabelle 2 dargestellt. Augenscheinlich wird der subjektive Eindruck mit dem Auftauchen der Bullen Round Up oder Narr sowohl auf der Positiv- als auch der Negativ-Liste. Das gleiche Ranking wurde schließlich für alle Bullen erstellt, die bis vor Kurzem im Einsatz waren bzw. von sogenannten „Oldies“. (Tabelle 3). Fazit Die Umfrage unter Besa­ mungstechnikern und Tier­ ärzten bezüglich Nervosität beim Fleckvieh hat uns viele Anhaltspunkte gegeben, wie mit der Problematik zu ver­ fahren ist. Es gibt sicherlich mehrere Stellschrauben an denen gedreht werden muss, um ein befriedigen­ des Ergebnis für alle zu er­ reichen. Uns muss jedoch klar sein, dass es hier nicht nur eine Ursache gibt. Es sind sowohl die Haltungsbe­ dingungen (Überbelegung, Platzangebot..), der Umgang mit den Tieren, als auch die Genetik zu prüfen. Aus Ame­ rika kommt der Begriff „stockmanship“, was über­ setzt ungefähr so viel wie „Herdenführungskenntnis“ bedeutet. Seminare werden seit einiger Zeit vermehrt mit großem Zuspruch auch l Tabelle 3: Positiv oder negativ auffällige Bullen – „Oldies“ Positiv Manitoba Mandela Winnipeg Gebalot Bosbo Hippo Samurai Enrico Nennungen Negativ 24 11 9 8 5 4 4 4 Nennungen Rexon Randy Haxon Romen El Pais Engadin RH + HF - Bullen in Bayern angeboten. Nervö­ se Tiere können für den Landwirt zur Gefahr werden. Außerdem werden nervöse Tiere gefühlsmäßig schneller gemerzt als andere, da der Landwirt sich nicht mit ihnen belasten will. Die Etablierung eines zuver­ lässigen Erfassungssystems für den Charakter eines Tie­ res und dadurch die Möglich­ keit, dieses Merkmal züchte­ 21 6 5 5 5 4 4 risch zu bearbeiten, ist auf alle Fälle erstrebenswert. Großer Dank geht an unsere Besamungstechniker und Tierärzte, die mit ihrer Moti­ vation täglich für die Verbes­ serung der Rasse eintreten. Fleckvieh-Kalender 2014 2014 Foto: Rainer Schuhmann, Dresden. KALENDER Die BAYERN-GENETIK GmbH legt heuer erstmalig einen Fleckvieh-Kalender für das Jahr 2014 auf! Sie fin­ den ihn als Beilage in dieser Fleckvieh Welt. Bestückt haben wir ihn aus den Einsendungen zum Fotowettbewerb, den wir Anfang des Jahres ausge­ schrieben hatten. So kön­ nen wir zumindest einige der vielen schönen Fotos, die unsere Leser gemacht haben, allen Fleckviehfreun­ den zugänglich machen! Für das Jahr 2014 wün­ schen wir Ihnen viel Glück in Haus, Hof und Stall! www.bayern-genetik.de 6 FLECKVIEHWELT 3/2013