Mathematik für Informatiker II (Analysis) J. Schicho et alias Id: skriptum.tex,v 1.2 2002/04/26 04:35:52 xbx Exp 1 Symmetrien 1.1 In der Ebene 1.2 Im Raum 1.2.1 Symmetrien 1. Art 1.2.2 Symmetrien 2. Art 1.3 Symmetrien von Graphen Id: symmetry.tex,v 1.1 2002/04/10 09:18:10 xbx Exp 1 1 Symmetrien 2 Id: real.tex,v 1.3 2002/04/26 04:35:52 xbx Exp 2 Reelle Zahlen Das Kontinuum, oder der Raum der reellen Zahlen, ist von fundamentaler Bedeutung für die Analysis. Die Vorstellung, die mit einer reellen Zahl verbunden ist, ist die einer meÿbaren Gröÿe, z. B. die Länge. Eine reelle Zahl kann vorgestellt worden als das Verhältnis zweier Gröÿen, nämlich der zu messenden Gröÿe und der Maÿeinheit (z.B. Meter). Zur mathematischen Erfaÿung des Begries der reellen Zahlen ist es notwendig, Axiome anzugeben, die von den reellen Zahlen erfüllt werden. Jede weitere mathematische Aussage über das Kontinuum von diesen Axiomen herzuleiten. Axiomensysteme für die reellen Zahlen waren bereits in der Antike bekannt. Die am schwierigsten zu erfassende Eigenschaft, nämlich die Vollständigkeit des Kontinuums, wurde im 19. Jahrhundert von Dedekind in bisher nicht dagewesener Klarheit begrien. 2.1 Axiome von R In der ersten Gruppe von Axiomen werden die Eigenschaften festgehalten, die zum Rechnen mit reellen Zahlen benötigt werden. 2.1.1 Axiom (Körperaxiome) a + (b + c) = (a + b) + c, a + b = b + a, a + 0 = a, a + (−a) = 0; a · (b · c) = (a · b) · c, a · b = b · a, a · 1 = a, a 6= 0 =⇒ a · a−1 = 1; a · (b + c) = a · b + a · c. In der zweiten Gruppe von Axiomen werden die Eigenschaften festgehalten, die Vergleiche von reellen Zahlen betreen. 2.1.2 Axiom (Ordnungsaxiome) a ≤ a, a ≤ b ∧ b ≤ a =⇒ a = b, a ≤ b ∧ b ≤ c =⇒ a ≤ c; a ≤ b ∨ b ≤ a; a ≤ b =⇒ a + c ≤ b + c, 0 ≤ a ∧ 0 ≤ b =⇒ 0 ≤ a · b. 2.1.3 Denition Ein geordneter Körper ist eine Struktur, in der sowohl die Körper- axiome als auch die Ordnungsaxiome gelten. 2.1.4 Beispiel Die Menge Q der rationalen Zahlen ist ein geordneter Körper. Id: real.tex,v 1.3 2002/04/26 04:35:52 xbx Exp 3 2 Reelle Zahlen 4 2.1.5 Bemerkung Die Menge D der Dezimalzahlen bildet nur einen geordneten Ring: Es gelten alle Regeln für Addition, Subtraktion, und Multiplikation, aber nicht jedes 0 Element, das von Die Menge verschieden ist, hat ein Inverses bezüglich der Multiplikation. der rationalen Zahlen ist unvollständig: es benden sich zwischen Q √ den rationalen Zahlen Löcher, entsprechend den nichtrationalen Zahlen (z.B. 2). Diesen nichtrationalen Zahlen kann man sich beliebig knapp nähern, sie aber nicht erreichen ohne den Bereich Q zu verlassen. Um solche Löcher aufzunden bzw. mathematisch dingfest zu machen, wird ein Grenzprozeÿ benötigt. Man kann entweder Cauchy-Folgen oder Intervallschachtelungen verwenden. 2.1.6 Denition Sei (an )n eine Folge von reellen Zahlen. Dann sagt man, daÿ diese a ∈ R konvergiert , und schreibt limn→∞ an = a, falls es |aN +m − a| < , für alle m. Die Folge heiÿt eine Cauchy-Folge falls es für alle > 0 ein N gibt, sodaÿ |aN +m − aN +n | < , für alle m und n. Folge gegen einen für alle >0 ein 2.1.7 Beispiel Grenzwert N gibt, sodaÿ Die ersten Glieder der durch a0 := 1 und an+1 := an + a2 n rekursiv de2 nierten Folge sind: a0 = 1.00000000000000000000 . . . a1 = 1.50000000000000000000 . . . a2 = 1.46666666666666666666 . . . a3 = 1.41421568627450980392 . . . a4 = 1.41421356237468991062 . . . a5 = 1.41421356237309504880 . . . a6 = 1.41421356237309504880 . . . a7 = 1.41421356237309504880 . . . ... Oensichtlich ändern sich vom 5-ten Glied an die ersten 20 Stellen hinter dem Komma nicht mehr. Daher gilt für alle = 10−20 und N =5 die Ungleichung für m, n. Eine ähnliche Beobachtung läÿt sich nicht nur für für |aN +m − aN +n | ≤ = 10−50 , = = 10−20 machen, sondern auch 10−100 , überhaupt für jedes noch so kleine positive . Die vorliegende Folge ist daher eine Cauchy-Folge. Jede konvergente Folge ist automatisch eine Cauchy-Folge. Umgekehrt ist es aber vorstellbar, daÿ der Grenzwert einer Cauchy-Folge fehlt, bzw. sich auÿerhalb der betrachteten Struktur bendet, diese also Löcher hat. Die reellen Zahlen sollten keine Löcher haber, also vollständig sein. 2.1.8 Axiom (Vollständigkeit) Jede Cauchy-Folge von reellen Zahlen hat einen Grenzwert in R. Id: real.tex,v 1.3 2002/04/26 04:35:52 xbx Exp 2.1 Axiome von R 2.1.9 Beispiel 5 Die durch a0 := 1 und an+1 := an + a2 n 2 √ rekursiv denierte Folge ist eine 2 bendet sich aber auÿerhalb der Cauchy-Folge von rationalen Zahlen. Der Grenzwert rationalen Zahlen. Daher ist 2.1.10 Denition Eine Q nicht vollständig. Intervallschachtelung ist eine Folge von Intervallen In = [an , bn ] = { x | an ≤ x ≤ bn }, sodaÿ gilt In 6= ∅; In+1 ⊆ In ; lim n→∞ länge(In ) = lim bn − an = 0. n→∞ 2.1.11 Axiom (Intervallschachtelung) Jede Invervallschachtelung hat einen innersten Punkt. 2.1.12 Theorem Das Axiom für Intervallschachtelungen ist eine äquivalente Formulierung des Vollständigkeitsaxioms. Beweis Es sind zwei Implikationen zu zeigen: Cauchy-Vollständigkeit (nämlich daÿ je- de Cauchy-Folge einen Grenzwert hat) impliziert Intervallschachtelungs-Vollständigkeit (nämlich daÿ jede Intervallschachtelung einen innersten Punkt hat); und umgekehrt, Intervallschachtelungs-Vollständigkeit impliziert Cauchy-Vollständigkeit. Die Idee für die erste Implikation ist die folgende. Ausgehend von einer beliebigen Intervallschachtelung (In )n konstruieren wir die Folge der Intervall-Mittelpunkte. Wir zeigen, daÿ diese Folge eine Cauchy-Folge ist. Mit der Annahme der Cauchy-Vollständigkeit können wir sagen, daÿ ein Grenzwert existiert. Wir zeigen daÿ dieser Grenzwert innerster Punkt von (In )n ist. Damit ist die IS-Vollständigkeit gezeigt. Die Idee für die zweite Implikation ist die folgende. Ausgehend von einer beliebigen Cauchy-Folge (an )n konstruieren wir eine Folge von Intervallen, die die Cauchy-Folge ein- fangen (d.h. ab einem gewissen Index liegen alle Folgenglieder im Intervall). Wir zeigen, daÿ diese Folge eine Intervallschachtelung ist. Mit der Annahme der IS-Vollständigkeit können wir sagen, daÿ ein innerster Punkt existiert. Wir zeigen, daÿ dieser innerste Punkt Grenzwert von (an )n 2.1.13 Bemerkung ist. Damit ist die Cauchy-Vollständigkeit gezeigt. Typische Beweise in der Mathematik haben kreative Elemente (die Beweisidee) und technische Elemente. Die technischen Aspekte stellen manchmal groÿe Hürden für das Verstehen oder Darstellen eines Beweises dar, auch dann wenn die Beweisidee im Grunde klar ist. Sie gehorchen aber einfachen Beweisprinzipien und können durch Übung wie eine formale Sprache erlernt werden. Der sich obige sehr Beweis gut als ist technisch Beispiel für auÿerordentlich die erwähnten anspruchsvoll. Beweisprinzipien. Daher Eine eignet er detaillier- te Ausarbeitung des Beweises ist auf der Vorlesungs-Webseite ttp://www.risc.unilinz.ac.at/courses/ss2002/math1/ zu nden. Id: real.tex,v 1.3 2002/04/26 04:35:52 xbx Exp 2 Reelle Zahlen 6 Das letzte Axiom besagt, daÿ jede reelle Zahl beliebig genau durch rationale Zahlen approximiert werden kann. 2.1.14 Axiom (Archimedes) Für jede reelle Zahl α und jede positive reelle Zahl gibt es eine rationale -Approximation a, d.h. |a − α| ≤ . Auch zu diesem Axiom erwähnen wir zwei äquivalente Formulierungen: 2.1.15 Axiom (Archimedes0 ) Für jede reelle Zahl α und jede positive reelle Zahl gibt es eine Dezimalzahl a mit |a − α| ≤ . 2.1.16 Axiom (Archimedes00 ) Für jede reelle Zahl mit α ≤ n. α gibt es eine natürliche Zahl n 2.2 Approximation mit rationalen Zahlen Die folgende gute dezimale Approximation approx(α, n) := round(10n · α) 10n erfüllt |α − approx(α, n)| ≤ 2.2.1 Denition heiÿt 1 . 2 · 10n Eine Dezimal-Approximation mit Nenner korrekte Approximation der Ordnung 10n und Fehler ≤ 1 2·10n n, Durch Wahl eines geeigneten Nenners kann man oft wesentlich besser approximieren: π − 3141593 ≈ 0.35 · 10−6 , 1000000 π − 355 ≈ 0.27 · 10−6 . 113 Wie gut kann man approximieren? 2.2.2 Satz Zu jeder reellen Zahl α und natürlichen Zahl n gibt es eine rationale Approximation mit Nenner q ≤ n und Fehler ≤ q1n . Wie kann man eine gute Approximation ezient berechnen? p−1 := 1; q−1 := 0; α0 := α; a0 := bα0 c; p0 := a0 ; q0 := 1; i := 1; repeat αi := 1 αi−1 −ai−1 ; Id: real.tex,v 1.3 2002/04/26 04:35:52 xbx Exp 2.2 Approximation mit rationalen Zahlen 7 ai := bαi c; pi := pi−1 ai + pi−2 ; qi := qi−1 ai + qi−2 ; i := i + 1; until Abbruchbedingung 2.2.3 Beispiel Führt man den Algorithmus mit der Eingabe α = π = 3.1415926535 durch, ergeben sich in den ersten vier Schritten die folgenden Werte: i αi ai pi qi -1 - - 1 0 pi /qi - 0 3.1415926535 3 3 1 3.0000000000 1 7.0625133059 7 22 7 3.1428571428 2 15.9965944066 15 333 106 3.1415094339 3 1.0034172310 1 355 113 3.1415929203 4 292.6345910143 292 103993 33102 3.1415926530 2.2.4 Satz Beweis pi qi−1 α − pi < 1 < 1 . qi qi qi+1 qi2 i ≥ 1 gilt αi ≥ 1, ai ≥ 1, qi > qi−1 , qi > 0. Der Wert des Ausdrucks − pi−1 qi ändert bei jeder Erhöhung von i um eins sein Vorzeichen, sein Betrag Für bleibt aber konstant; denn es gilt pi+1 qi − pi qi+1 = (pi ai+1 + pi−1 )qi − pi (qi ai+1 + qi−1 ) = −(pi qi−1 − pi−1 qi ). Für i=0 ist der Wert gleich −1, daher ist der Wert stets gleich (−1)i+1 . Daher ändert der Wert des Ausdrucks pi pi−1 pi qi−1 − pi−1 qi (−1)i+1 − = = qi qi−1 pi q i pi q i bei jeder Erhöhung das Vorzeichen, der Betrag wird jedoch bei jedem Schritt kleiner und konvergiert gegen Null. Es folgt, daÿ die Folge von Intervallen p2 p 1 p2 p 3 p4 p3 p 0 p1 , , , , , , , ,... q0 q1 q2 q1 q2 q3 q4 q3 eine Intervallschachtelung ist. Wenn β der innerste Punkt ist, dann gilt für alle i, daÿ i pi+1 pi zwischen qi und qi+1 liegt, daher gilt β − pi ≤ pi − pi+1 = 1 < 1 . qi qi qi+1 qi qi+1 qi2 Wir behaupten, daÿ jedes i ≥ 1, daÿ α α=β gilt, daÿ also α der innerste Punkt ist. Dazu zeigen wir für pi−1 pi zwischen qi und qi−1 liegt. Id: real.tex,v 1.3 2002/04/26 04:35:52 xbx Exp 2 Reelle Zahlen 8 Der Wert des Ausdrucks pi−1 αi +pi−2 qi−1 αi +qi−2 ändert sich nicht, wenn i um eins erhöht wird, denn es gilt 1 (pi−1 ai + pi−2 ) αi −a + pi−1 pi αi+1 + pi−1 pi−1 αi + pi−2 i = = . 1 qi αi+1 + qi−1 qi−1 αi + qi−2 (qi−1 ai + qi−2 ) αi −ai + qi−1 Für i=0 ist dieser Wert gleich α, also ist der für jedes Allgemein kann gezeigt werden (Übung), daÿ α zwischen pi αi+1 qi αi+1 i gleich α. a+b a b c+d zwischen c und d liegt. Daher liegt pi−1 pi qi und qi−1 . Damit ist alles gezeigt. = Diese Art der Approximation heiÿt pi = ao + qi Kettenbruch , weil gilt 1 . 1 a1 + 1 a2 + 1 a3 + .. . ai−1 + 1 ai 2.3 Darstellung reeller Zahlen im Computer 2.3.1 Variante 1: Unendliche Liste von Dezimalziern 2.3.1 Bemerkung Unendliche Listen lassen sich mit Hilfe von funktionalen Program- miersprachen, denieren und manipulieren. Die elementaren Operationen der funktionalen Programmiersprachen erfüllen die folgenden Gleichungen: head[n : L] = n, tail[n : L] = L. Die unten denierte Funktion from liefert dann die Liste aller natürlichen Zahlen ≥ n. Sie ist durch eine unendliche Rekursion deniert. from n := [n : from(n + 1)] Selbstverständlich ist es unmöglich, alle Elemente einer unendlich langen Liste anzuzeigen. Daher denieren wir eine Funktion langen Liste L take , welche die ersten n Elemente einer unendlich extrahiert. take n L := if n = 0 then else [] [head L : take(n − 1)(tail L)] Beispiel: take 3 f rom 4 [4, 5, 6]. Id: real.tex,v 1.3 2002/04/26 04:35:52 xbx Exp 2.3 Darstellung reeller Zahlen im Computer 9 Damit kann man zwar die Dezimalzahlen, auch unendlich lange, im Computer darstellen, es gibt aber ein kleines technisches Problem: Die Arithmetik stürzt manchmal ab. α := [3 : α], also die Dezimalentwicklung von 13 . Dann ist 3·α nicht berechenbar, etwa zur Bestimmung von (3 · α) die Kenntnis aller Dezimalen notwendig wäre, was Sei etwa weil aber unendlich viel Zeit benötigt. Man kann versuchen, das Problem zu ignorieren; das Problem tritt aber doch häuger auf als man meinen könnte, zum Beispiel jedesmal wenn wir eine Zahl von sich selber abziehen. Oder man kann, wie folgt, eine kleine Modiktion vornehmen. 2.3.2 Variante 2: Statt der Ziern 0, . . . , 9, verwende −5, . . . , 5 Es gilt dann beispielsweise 0.2222 = 2 · 10−1 + (−2) · 10−2 + 2 · 10−3 + (−2) · 10−4 . (Das Minuszeichen wird aus Gründen des Schriftbilds über der Zier geschrieben.) Da wir eine Zier mehr verwenden (nämlich 11 statt 10), kommt es dabei zu Mehrdeutigkeiten, etwa 0.35 = 0.45 oder 0.444444 . . . = 1.555555 . . .. (Wir hatten 0.999999 . . . = 1.000000 . . . . ) jedoch auch schon bei Variante 1 Mehrdeutigkeiten, etwa Dafür sind jetzt alle Grundrechnungsarten eektiv ausführbar. Addition Deniere zuerst die Ziernoperationen falls −5 ≤ a + b ≤ 4, 0 falls a + b ≥ 5, c1 (a, b) := 1 −1 falls a + b ≤ −6; s1 (a, b) := a + b − 10 · c1 (a, b), Sei α∈R gegeben durch a−n . . . a−1 a0 .a1 a2 a3 . . . , β∈R gegeben durch b−n . . . b−1 b0 .b1 b2 b3 . . . , α+β gegeben durch c−n−1 c−n . . . c−1 co .c1 c2 c3 . . . , ci := s1 s2 (ai , bi ), c2 (ai+1 , bi+1 ) + c1 s2 (ai+1 , bi+1 ), c2 (ai+2 , bi+2 ) . dann ist wobei 0 falls −4 ≤ a + b ≤ 5, 1 falls a + b ≥ 6, c2 (a, b) := −1 falls a + b ≤ −5; s2 (a, b) := a + b − 10 · c2 (a, b). Übertrag panzt sich maximal bis zur zweiten Stelle fort. Subtraktion Wie in Addition (Multiplikation mit −1 ist trivial). Multiplikation, Division Gehen auch ähnlich, aber komplizierter. Arithmetik mit unendlichen Listen solcher Ziern stürzt nicht ab! Id: real.tex,v 1.3 2002/04/26 04:35:52 xbx Exp 2 Reelle Zahlen 10 Was kann man mit solchen Zahlen machen? Eine reelle Zahl α kann genau dann als unendliche Liste wie in Variante 2 dargestellt werden, wenn es ein Programm gibt, daÿ für jede Eingabe mation a mit Fehler |α − a| ≤ 1/n n∈N eine rationale Approxi- berechnen kann. In der Tat bestimmen die ersten −m Ziern die Zahl bis auf eine Genauigkeit von 0.5555 . . . · 10 m 5 9·10m . Um eine rationale = 1/n zu bestimmen, reicht es, ein m zu bestim5 1 men sodaÿ 9·10m ≤ n gilt, und die ersten m Ziern auszurechnen. Umgekehrt können aus 1 der Kenntnis von α bis auf eine Genauigkeit von 2·9·10m mindestens m Ziern berechnet werden, die zu einer unendlichen Darstellung von α gemäÿ Variante 2 vervollständigt werden können. Dann läÿt sich aber auch ein Programm digit schreiben, daÿ bei Eingabe n die n-te Zier einer solchen Darstellung berechnet. Die Zahl α läÿt sich dann darstellen durch die unendliche Liste alpha, deniert durch Approximation mit Fehler kleiner gleich digits_from(n) = [ digit(n) : digits_from(n+1) ] alpha = digits_from(0) Wir nennen eine reelle Zahl berechenbar , wenn sie eine Darstellung wie oben besitzt, oder anders ausgedrückt wenn sie bis auf eine beliebige Genauigkeit berechnet werden kann. Die arithmetischen Operationen laÿen sich für Variante 2 implementieren, das heiÿt die Summe bzw. Dierenz usw. von zwei berechenbaren Zahlen ist wieder berechenbar und läÿt sich durch ein Programm automatisch berechnen. Andererseits kann nicht automatisch entschieden werden, ob eine berechenbare Zahl gleich Null ist oder nicht: Dazu müÿten alle Ziern der unendlichen Liste bekannt sein, und ein Programm, das bei gegebener unendlichen Liste entscheidet, ob alle Elemente gleich Null sind, kann nicht terminieren. Die folgende Zusammenstellung gibt eine Übersicht, welche Operationen mit berechenbaren Zahlen automatisch durchgeführt werden können und welche nicht. ja: Arithmetic: +, −, ·, / (falls Nenner nein: Test auf Null. Die reelle Zahl müssen 0 6= 0). 0 besitzt zwar eine eindeutige Darstellung, alle Ziern sein, aber der Vergleich unendlicher Listen terminiert nicht, wenn die Listen gleich sind. nein: Test auf Gleichheit zweier Zahlen. ja: Maximum/Minimum. max(α, β) und min(α, β) sind berechenbar. Zur Berechnung max(α, β) bis auf eine Genauigkeit von reicht es, die auf eine Genauigkeit von zu kennen. einer Approximation von Zahlen α und β bis Man beachte, daÿ man zwar das Maximum in obigem Sinn berechnet werden kann, daÿ sich aber im allgemeinen nicht entscheiden läÿt, welche von den beiden Zahlen nun die gröÿere ist oder ob nicht doch die beiden gleich sind! ja: Sortieren. Die Sortierung von (α, β) ist (min(α, β), max(α, β)). Also läÿt sich das Sortier-Problem auf die Berechnung von Maximum und Minimum zurückführen. Id: real.tex,v 1.3 2002/04/26 04:35:52 xbx Exp 2.3 Darstellung reeller Zahlen im Computer 11 ja: Konvertierung von Variante 1 nach Variante 2. nein: Konvertierung von Variante 2 nach Variante 1. nein: Berechnung einer korrekten Dezimalapproximation der Ordnung ja: Berechnung einer korrekten Dezimalapproximation der Ordnung ja: exp, log (falls Argument >0 n n. oder n + 1. ). ja: Innerster Punkt einer Intervallschachtelung (gegeben als unendliche Liste von Paaren reeller Zahlen). Grenzwerte von Cauchy-Folgen laÿen sich im Allgemeinen nicht bestimmen. Solange nur endlich viele Folgenglieder bekannt sind, läÿt sich nämlich über die Lage des Grenzwerts keine Aussage machen. Daher kann nicht einmal die erste Zier des Grenzwerts bestimmt werden, bevor nicht unendlich viele Folgenglieder bekannt sind, und das ist nie. Wenn jedoch ein Cauchy-Modulus für die Folge gegeben ist, das heiÿt eine Funktion N : R+ → N mit |aN ()+m − aN ()+n | ≤ für alle ∈ R+ , m, n ∈ N, dann läÿt sich der Grenzwert berechnen. Id: real.tex,v 1.3 2002/04/26 04:35:52 xbx Exp 2 Reelle Zahlen 12 Id: x.tex,v 1.1 2002/04/26 04:33:01 xbx Exp 3 Lösen von Gleichungen mittels Grenzwerten 3.0.2 Beispiel Wir betrachten die Gleichung x − cos x = 0. Um sie zu lösen, brauchen wir nur den Cosinus zu iterieren: a0 := 0, an+1 := cos an . Wir erhalten dann die Lösung 3.0.3 Satz Wenn die Folge Grenzwert ein Fixpunkt. x = 0.73908513321516 . . .. an+1 := f (an ) konvergiert und f stetig ist, dann ist der Dieser Satz liefert keine Aussage über die Kovergenzrate (Cauchy-Modulus). Die Konvergenz muÿ vorausgesetzt werden! 3.0.4 Denition α < 1, Eine Funktion heiÿt wenn für alle x, y kontrahierend mit Kontraktionszahl α, 0 < gilt |f (x) − f (y)| ≤ α |x − y| . 3.0.5 Theorem (Banach) Es sei f : [a, b] → [a, b] kontrahierend mit Kontraktionszahl α. Dann besitzt f genau einen Fixpunkt x. Sei (xn )n die Folge mit x0 ∈ [a, b] beliebig und xn+1 = f (xn ). Dann konvergiert (xn )n gegen x. Die Kontraktionsrate ist gegeben durch |xn − x| ≤ αn (b − a). 3.0.6 Bemerkung Wenn f dierenzierbar ist und |f 0 (x)| ≤ α, dann gilt |f (x) − f (y)| ≤ α |x − y|. 3.0.7 Beispiel 0.85; Sei f : [0, 1] → [0, 1], x 7→ cos x. Dann gilt |f 0 (x)| = |sin x| ≤ sin(1) ≤ daher konvergiert die obige Folge. Nachteil der gegebenen Version: nur 1 Variable. Die passende Verallgemeinerung führt zum Konzept der metrischen Räume. Id: x.tex,v 1.1 2002/04/26 04:33:01 xbx Exp 13 3 Lösen von Gleichungen mittels Grenzwerten 14 3.0.8 Denition X → R, Es sei X eine Menge. Eine Metrik auf X ist eine Funktion d: X × sodaÿ gilt: d(x, y) ≥ 0 und d(x, y) = 0 ⇐⇒ x = y; d(x, y) = d(y, x); d(x, y) ≤ d(x, z) + d(z, y). (X, d) heiÿt dann ein metrischer Raum . 3.0.9 Beispiel p (x1 − x2 )2 + (y1 − y2 )2 . 1. R2 mit d(x, y) = 2. R2 mit d(x, y) = max(|x1 − x2 | , |y1 − y2 |). 3. R2 mit d(x, y) = |x1 − x2 | + |y1 − y2 |. 3.0.10 Denition 1. Eine Folge (xn )n heiÿt Cauchy-Folge , wenn es für jedes >0 ein N = N () ein N gibt mit d(xN +m , xN +n ) ≤ , 2. Eine Folge (xn )n konvergiert gegen x, für alle n, m ∈ N. wenn es für jedes d(xN +m , x) ≤ , für alle >0 gibt mit n ∈ N. 3.0.11 Satz Jede konvergente Folge ist Cauchy-Folge. Beweis (xn )n eine Folge mit limn→∞ xn = x, und mit Kontraktionsrate M : R+ → N, 7→ M () (d.h. d(xM ()+n , x) ≤ , für alle > 0, n ∈ N. Dann ist N : R+ → N, 7→ N () := M ( 2 ein passender Cauchy-Modulus: Es sei d(xN ()+m , xN ()+n ) = d(xM ( 2 )+m , xM ( 2 )+n ) ≤ d(xM ( 2 )+m , x) + d(xM ( 2 )+n x) ≤ 3.0.12 Denition Metrik Wenn jede Cauchy-Folge konvergiert, dann heiÿt d vollständig . 3.0.13 Beispiel 1. R ist vollständig bezüglich 2. Q, 3. [a, b] ⊆ R d(x, y) = |x − y|. mit der selben Metrik, ist nicht vollständig. ist vollständig. 4. Alle Beispiele in 3.0.9 sind vollständig. Id: x.tex,v 1.1 2002/04/26 04:33:01 xbx Exp X + = . 2 2 bezüglich der 15 3.0.14 Denition Sei (X, d) ein metrischer Raum und geschlossen , wenn für alle konvergenten Folgen x = limn→∞ xn in 3.0.15 Beispiel A (xn )n , A ⊆ X . Dann heiÿt A abxn ∈ A, auch der Grenzwert liegt. [a, b] ⊆ R ist abgeschlossen. 3.0.16 Satz Wenn (X, d) vollständig und A ⊆ X abgeschlossen ist, dann ist auch (A, d) vollständig. Frage: Ist der Grenzwert überhaupt eindeutig bestimmt? 3.0.17 Denition f : X1 → X2 heiÿt Es seien (X1 , d1 ) und (X2 , d2 ) Lipschitz-stetig mit Konstante metrische Räume. Eine Funktion K, wenn für alle x, y ∈ X1 gilt d2 (f (x1 ), f (x2 )) ≤ Kd(x1 , x2 ). 3.0.18 Theorem (Banach'scher Fixpunktsatz) Es sei (X, d) ein vollständiger metrischer Raum und f : (X, d) → (X, d) Lipschitz-stetig mit Konstante α < 1. Dann hat f genau einen Fixpunkt x. Die Folge xn+1 := f (xn ), mit x0 ∈ X beliebig, konvergiert gegen x und die Konvergenzrate ist gegeben durch d(x, xn ) ≤ Beweis αn d(x0 , x1 ). 1−α Aus der Voraussetzung erhalten wir mit Induktion d(xn , xn+1 ) ≤ αn d(x0 , x1 ). Die Dreiecksungleichung liefert dann, zusammen mit der Formel für die geometrische Reihe, d(xn , xn+m ) ≤ αn d(x0 , x1 ). 1−α Damit ergibt sich der Cauchy-Modulus N () := d (1−α) log d(x 0 ,x1 ) log α e. Ganz allgemein, ist die Cauchy-Modulus auch ein Konvergenzrate. 3.0.19 Anwendung Groÿe lineare Gleichungssystem lassen sich folgendermaÿen itera- tiv lösen. Gegeben sei dazu eine n × n-Matrix A = tor b= b1 .. . Gesucht ist dann ein Vektor . bn x ∈ Rn , a1 1 ... a1 n ! .. .. und ein Spaltenvek. . an 1 ... an n sodaÿ Ax = b, linearen Gleichungssystems a1,1 x1 + · · · + a1 n xn = b1 , .......................... an 1 x1 + · · · + an n xn = bn . Id: x.tex,v 1.1 2002/04/26 04:33:01 xbx Exp d.h. eine Lösung des 3 Lösen von Gleichungen mittels Grenzwerten 16 A nicht-singulär (sodaÿ eine eindeutige Lösung existiert). Nun wählen wir eine B, sodaÿ die Abbildung R → R, Dabei sei Matrix x 7→ x − B(Ax) Lipschitz-stetig mit Konstante B = β · AT , mit β > 0, α<1 ist. Solche Matrizen B sind leicht zu nden (z.B. aber "`klein genug"'). Wir betrachten dann die Folge xn+1 = xn + B(b − Axn ). x0 = b, Diese konvergiert dann gegen die Lösung, durch Anwendung des Banach'schen Fixpunktsatzes auf f : Rn → Rn , x 7→ x + B(b − Ax). Bei der Umformulierung eines Problems f (x) = 0 in ein Fixpunktproblem für eine kontrahierende Funktion ergeben sich die folgenden Probleme: • dies ist nicht immer möglich; • zusätzlich soll α möglichst klein sein. 3.0.3 Newton-Verfahren f Jede Nullstelle einer Funktion ist Fixpunkt von g(x) := x + a(x)f (x). Wir wollen die Funktion a so wählen, daÿ |g 0 (x)| möglichst klein ist (|g 0 (x)| ist Lipschitz- Konstante!): 0 g (x) = 1 + a(x)f 0 (x) + a0 (x)f (x) . Wenn wir jetzt den ersten Teil =0 setzen, also a(x) := − 1 + a(x)f 0 (x) = 0, 1 f 0 (x) , und somit 0 00 a (x)f (x) = f (x)f (x) . f 0 (x)2 Daraus ergibt sich das Newton-Verfahren : xn+1 = xn − f (xn ) . f 0 (xn ) Id: x.tex,v 1.1 2002/04/26 04:33:01 xbx Exp dann ergibt sich 3.1 Stetige Funktionen 17 3.0.20 Satz Wenn f zweimal dierenzierbar ist, f 0 keine Nullstelle hat und 00 f (x)f (x) f 0 (x)2 ≤ α < 1 für alle x gilt, dann konvergiert das Newton-Verfahren gegen die Lösung. Rn Das Newton-Verfahren läÿt sich auf (und sogar unendlich-dimensionale Räume) verallgemeinern. Dazu braucht man aber höher-dimensionale Ableitungen und lineare Algebra. 3.1 Stetige Funktionen Es sei f: R → R eine Funktion. Wir wollen für gegebenes unendliche Dezimalapproximation mit −5, . . . , 5) den Wert x ∈ R (gegeben durch eine f (x) berechnen. Wie macht man das? 1. "`f (x) zu berechnen"' ist äquivalent dazu, für gegebenes nden, das Länge 2. Wir können 3. Wenn f x hat und f (x) > 0, eine Intervall zu enthält. beliebig genau approximieren. K , dann reicht es, |x − xδ | ≤ K folgt dann z.B. Lipschitz-stetig wäre, mit Lipschitz-Konstante x bis auf Genauigkeit δ = |f (x) − f (xδ )| ≤ . K zu kennen, denn aus 4. Allgemein: wenn es eine Funktion R+ → R+ , 7→ δ() gibt mit |x − xδ | ≤ δ() =⇒ |f (x) − f (xδ )| ≤ , dann reicht es, 3.1.1 Denition es eine Funktion x bis auf Genauigkeit Eine Funktion heiÿt 7→ δ() δ() zu kennen. gleichmäÿig stetig auf einem Intervall I, wenn gibt, sodaÿ |x − xδ | ≤ δ() =⇒ |f (x) − f (xδ )| ≤ , für alle > 0, x, y ∈ I gilt. δ heiÿt dann Stetigkeitsmodul . Die Funktion 3.1.2 Bemerkung Wenn f in einem Intervall I, und er der Stetigkeitsmodul bekannt ist, und wenn wir beliebig genau berechnen können, dann läÿt sich x das f (x) f enthält, gleichmäÿig stetig ist, für die approximierenden Stellen berechnen. Gibt es Funktionen, die stetig, aber nicht Lipschitz-stetig sind? 2 √ f : [0, 1] → R die Wurzelfunktion x 7→ x. Es folgt: f (x) − f (y) = (sqrtx − sqrty)2 ≤ |sqrtx − sqrty| |sqrtx + sqrty| ≤ |x − y|, also Sei |x − y| ≤ 2 =⇒ |f (x) − f (y)| ≤ . Id: x.tex,v 1.1 2002/04/26 04:33:01 xbx Exp 3 Lösen von Gleichungen mittels Grenzwerten 18 2 ist also Stetigkeitsmodul. Wäre f √ √ K , dann würde x − y ≤ K |x − y| gelten, 1 1 − 0 ≤ K 1 2 − 0, d.h. 4 ≤ 2, Wider2) Lipschitz-stetig mit Konstante x := 0, y = also insbesondere (mit 2K 2K C · r heiÿen 4K spruch! Funktionen mit Stetigkeitsmodul Hölder-stetig . 3.1.3 Satz Jede Polynomfunktion ist Hölder-stetig (in Intervallen). Es gibt auch Funktionen, die gleichmäÿig stetig, aber nicht Hölder-stetig sind, etwa f (x) = e−1/x 2 . 3.1.4 Denition Eine Funktion f heiÿt seitigen"' Stetigkeitsmodul gibt, d.h. ein stetig an der Stelle δ() > 0, x, wenn es einen "`ein- sodaÿ |x − y| ≤ δ() =⇒ |f (x) − f (y)| ≤ , für alle >0 und 3.1.5 Denition y. Eine Funktion f heit stetig , wenn eine der folgenden äquivalenten Bedingungen erfüllt ist: 1. f ist gleichmäÿig stetig in jedem endlichen Intervall im Denitionsbereich. 2. f ist stetig an jeder Stelle. 3. der Graph von 4. Falls f läÿt sich zeichnen, "`ohne mit dem Bleistift abzusetzen"'. limx→∞ xn = x dann ist auch limx→∞ f (xn ) = f (x). Die zweite und vierte Variante sind in oensichtlicher Weise auf beliebige metrische Räume erweiterbar. Id: x.tex,v 1.1 2002/04/26 04:33:01 xbx Exp