Vorlesung Langlatenzige VirusErkrankungen L. Deecke, Abt. Klinische Neurologie, AKH Wien C:\text\papd\LanglVirus.doc BEARBEITUNG L. Deecke (aus dem Amerikanischen) Kapitel 11 Neurologie XVII LANGLATENZIGE VIRUSERKRANKUNGEN DES ZENTRALNERVENSYSTEMS Eine Reihe von chronischen und progredienten Krankheiten kann sich im Zentralnervensystem entwickeln als Folge von Infektion durch Viren verschiedener Typen wie auch durch Erreger, die konventionelle Klassifizierung sprengen. Der Begriff ‘Langlatenzige Virus-Infektion’ (Slow Virus Infection) wird gebraucht, um diese Krankheiten zu beschreiben, die durch lange Inkubationszeiten und einen progredienten klinischen Verlauf zu schweren Neurologischen Ausfällen oder Tod führen. Über die häufigeren dieser Krankheiten ⎯ Humane Immundefizienz-Virus-Demenz (HIVD), Myelopathie durch Humanes T-Zell Lymphotropes Virus Typ I (HTLV-I), Creutzfeldt-JakobKrankheit (CJD), Progressive Multifokale Leukoenzephalopathie (PML) und die Encephalitis durch Masernvirus-Varianten ⎯ gibt dieses Kapitel einen Überblick. Humane Immundefizienz-Virus-Demenz Die primären neurologischen Syndrome, die mit der HIV-Infektion verbunden sind gehören zu den komplexeren und rätselhafteren Komplikationen dieser Krankheit. 1,2 Das HIV kann sowohl das periphere wie das zentrale Nervensystem befallen, doch wurde die ZNS-Beteiligung ausführlicher untersucht, da sie progredient ist und zu einer stark beeinträchtigenden Demenz führt. Zusätzlich zur HIV-Demenz (HIVD, auch Acquiriertes Immundefizienz-Syndrom (AIDS)-Demenz genannt oder als AIDS-Demenz-Komplex [ADC] bezeichnet) wurde das HIV mit Rückenmarks-Degeneration (Vakuoläre Myelopathie) in Verbindung gebracht, die zu der schweren motorischen und sensiblen Symptomatologie führt, wie sie für Rückenmarksbeteiligung charakteristisch ist. Die HIVD ist häufiger als die Vakuoläre Myelopathie und wird in bis zu 30 Prozent der HIVinfizierten Patienten klinisch diagnostiziert. Autopsieuntersuchungen zeigen Neuropathologische Veränderungen in einem größeren Prozentsatz von Patienten, aber Diskrepanzen zwischen dem klinischen Syndrom und den pathologischen Veränderungen sind häufig (s. u.). KLINISCHE ASPEKTE DER HIVD Eine febrile Erkrankung mit Lymphadenopathie und Hauteffloreszenz entwickelt sich in etwa 60 Prozent der HIV-infizierten Personen. Während dieser Periode ausgeprägter Virämie können manche Patienten neurologische Symptome bieten, etwa HirnnervenNeuropathien, Meningoencephalitis und gelegentlich Coma. Obwohl das primäre HIVSyndrom selbstlimitierend ist, kann die Besiedlung des ZNS bei manchen Patienten mit einer chronischen asymptomatischen mononukleären Meningitis einhergehen Die HIVD tritt in der Regel in späteren Stadien der HIV-Infektion auf, wenn niedrige Konzentrationen von CD4+-T-Zellen und ein kompromittiertes Immunsystem zu opportunistischen Infektionen in anderen Organsystemen geführt haben. Initial präsentiert sich die HIVD als leichte kognitive Störung, die nur durch eine neuropsychologische Testbatterie durch Psychologen mit besonderer Erfahrung in dieser besonderen Störung aufgedeckt werden kann.3 Derartige leichte kognitive Beeinträchtigungen interferieren meist noch nicht mit der Berufstätigkeit oder den Aktivitäten des täglichen Lebens. In der Tat ist die Frage, ob die subklinische ZNS-Beteiligung in einer signifikanten Zahl der HIVinfizierten Personen nachweisbar ist, in vielen Studien untersucht worden. Obwohl diese Frage immer wieder neu auftauchen wird, ist es doch der Konsens der größten gut kontrollierten Studien, daß die kognitive Beeinträchtigung kein besonderes Kennzeichen der relativ asymptomatischen Phase zwischen Primärinfektion und dem Abfall der CD4+-TZellzahl darstellt, 3 auch wenn aktive Virusreplikation sich im peripheren Gewebe abspielt.4,5 Die HIVD ist eine subcorticale Demenz, und psychomotorische Verlangsamung, Apathie und motorische Symptome wie Ataxie und Lähmungenn können den Gedächtnisstörungen und der Verschlechterung der Sprachfunktion vorangehen. In den Endstadien [siehe Tabelle 1] können die Patienten mit HIVD nahezu apallisch sein. Die Diagnose der HIVD hängt vom Ausschluß anderer Ursachen für Demenz in einem HIV-infizierten Patienten ab. Liquorveränderungen (z. B. Eiweißerhöhung, verminderte Zellzahl und intrathekale Synthese von HIV-Antikörpern) sind charakteristisch für HIV-Infektion aber nicht für HIVD, auch ist das Vorliegen von HIV im Liquor ist nicht charakteristisch, da sowohl zellfreies wie zell-assoziertes Virus aus dem Liquor von Personen, die keine manifesten ZNS-Symptome haben kultiviert werden kann. Obwohl Magnet-Resonanz-TomographieUntersuchungen gezeigt haben, daß die HIVD mit globaler Hirnatrophie verbunden ist, so liegt Hirnatrophie ja bei vielen Personen mit dem Acquirieren Immundefizienz-Syndrom (AIDS) vor, so daß dieser Befund wichtiger ist für Forschungen als für die Diagnostik. PATHOLOGISCHE CHARAKTERISTIKA DER HIVD Die neuropathologischen Hauptbefunde bei HIVD sind (1) vielkernige Riesenzell-Encephalitis (MGCE), (2) HIV-Leukoenzephalopathie (Myelin-Aufhellung und andere Veränderungen der weißen Substanz) und (3) Astrozytose und vielleicht Zelluntergang. Die MGCE, die der spezifischste neuropathologische Befund bei der HIVD ist, liegt in etwa 25 Prozent der klinisch diagnostizierten Fälle vor und ist charakterisiert durch mikrogliale Synzytien, die HIVspezifische Nukleinsäure und Antikörper enthalten (Fig. 1). Die MGCE ist charakteristischerweise in den Stammganglien und anderen subcorticalen Regionen prominenter ausgeprägt. Myelin-Aufhellung, die wie der Name sagt, durch verminderte Aufnahme von histochemischen Elementen durch die weiße Substanz des ZNS definiert ist, findet sich in 33 Prozent der Patienten mit HIVD, ist aber ein weniger spezifischer Befund als die MGCE, und kann durch Veränderungen der Bluthirnschranke bedingt sein. Alternativ kann Aufhellung der weißen Substanz eine geringgradige Entzündung der Oligodendrozyten repräsentieren entweder durch das HIV oder natürlich auch durch ein anderes Pathogen wie Humanes Herpesvirus Typ 6 (HHV-6). Das auffälligste Kennzeichen der Neuropathologie der HIVD ist die Diskrepanz zwischen den histologischen Befunden und der klinischen Erkrankung. So wurden z.B. in einer Studie bei 50 Prozent der Patienten weder MGCE noch diffuse Aufhellung gefunden und selbst in den Fällen mit morphologischen Befunden waren die Veränderungen häufig relativ wenig beeindruckend bei vielen Patienten.6 Das bedeutet, daß die Symptome, die mit der HIVD verbunden sind, obwohl eindeutig mit der viralen Infektion der Mikroglia und der Bildung von MikrogliaSyncytien verknüpft, letztlich die Konsequenz eines Prozesses sind, bei welchem eine milde Entzündung eines einzigen Zelltyps durch noch völlig ungeklärte Mechanismen verstärkt wird. PATHOGENESE DER HIV-INDUZIERTEN ZNS-ERKRANKUNG Die mysteriöse Pathogenese der HIVD [siehe Abbildung 1] könnte ein neues Paradigma für die Entstehung neurologischer Komplikationen durch Virusinfektion darstellen. Erstens besteht diese Diskrepanz zwischen den ausgeprägten klinischen Befunden und dem neuropathologischen Substrat. Zweitens sind die am meisten infizierten Zellen Mikrogliazellen ⎯ die residenten ZNS-Makrophagen ⎯ und nicht Neurone oder Neuroglia. Drittens gibt es sehr wenig morphologische Veränderungen in den eigentlichen Effektorzellen des Nervensystems (d.h. den Neuronen). Die meisten Untersucher glauben, daß die Anomalien bei der HIVD von einer Ausschüttung von Neurotoxinen herrühren, die von der chronisch infizierten Mikroglia stammen.7 Unter den vermuteten Neurotoxinen sind Virusproteine wie gp120 (das Anheftungs-Hüllen-Glykoprotein des Virus) und tat (der TransskriptionsTransaktivator des Virus) sowie proinflammatorische Zytokine wie Tumor-NekroseFaktor-α (TNF-α) und Plättchen-aktivierender Faktor. 8 Von all diesen Substanzen konnte gezeigt werden, daß sie zerstörerische Effekte in neuronalen Zellkulturen verschiedener Säugerspecies entfalten, aber es gibt keinen konklusiven Beweis, daß irgendeiner von diesen im HIV-infizierten ZNS in solchen Konzentrationen vorkommt, daß es zu den entsprechenden Schädigungen kommt. Abbildung 2 Die mysteriöse Pathogenese der Humanen Immundefizienz-Virus (HIV)-Demenz. Das HIV dringt bereits früh im Infektionsverlauf ins ZNS ein, transportiert in Plasma, Monozyten oder T-Zellen vom peripheren Blut. Das HIV kann dann die Mikroglia infizieren, welche den primären HIV-Rezeptor, das CD4+-Molekül exprimiert. Die infizierte Mikroglia könnte Erkrankung hervorrufen durch Freisetzung von Zytokinen (z. B. Tumornekrosefaktor-α [TNF-α], Plättchen-aktivierendem Faktor [PAF]) oder anderen EntzündungsMediatoren (z. B. Arachidonsäure [AA]) und Virusproteinen (z. B. gp120, tat, von denen einige toxisch für neurale Zellen sein dürften (Astrozyten, Oligodendrozyten, Neurone selbst). Eine Hypothese schlägt vor daß die Mikroglia Astrozyten infiziert, die wiederum die Neurone infizieren. Alternativ könnte es sein, daß niedrige Konzentrationen von Viren neurale Zellen direkt infizieren und ihre Zerstörung herbeiführen. Alternativ könnte es sein, daß eine niedriggradige Infektion von Neuroglia und Neuronen die HIVD herbeiführt. Eine solche Infektion müßte jedoch sehr restriktiv sein, da konventionelle Techniken ⎯ Immunohistochemie und in situ-Hybridisierung zum Beispiel ⎯ meist in Bezug auf Infektion der Astrozyten, Oligodendrozyten und Neurone negative Resultate geliefert haben.9 Jüngere Studien haben unter Verwendung der Polymerase-Ketten-Reaktion von Nucleinsäuren in Gewebeschnitten Hinweise ergeben, daß auch andere als die Mikrogliazellen das Provirale HIV-Genom beherbergen können.10,13 Dennoch, solange diese Befunde nicht durch viele Untersucher bestätigt worden sind, ist es vernünftig mit endgültigen Schlußfolgerungen über die Rolle von anderen als Mikrogliazellen in der Mediierung der HIVD noch zu warten. THERAPIE Einige anekdotische und vorläufige Berichte sprechen dafür, daß die HIVD auf antiretrovirale Therapie anspricht, doch sind große gut kontrollierte Studien darüber im Gang. Angesichts der Virusbelastungen des Gehirns12 würden Strategien zur Viruseliminierung aus den Mikrogliazellen kritisch sein. Sonst vereitelt die ZNSBeteiligung jüngste Erfolge bei der Reduzierung der Virusbelastung in Plasma und lymphatischem System. HTLV-1 Myelopathie Die nosologische Entität, die als HTLV-I-assoziierte Myelopathie (HAM) bekannt ist und die initial bei Japanischen Patienten beschrieben wurde, ist dieselbe Krankheit wie die Tropische Spastische Paraparese (TSP), wie sie in Populationen der Karibik beobachtet wurde. Epidemiologische Studien haben die Assoziation zwischen HTLV-I-Infektion und der Entwicklung dieses langsam progredienten neurologischen Syndrom zweifelsfrei nachgewiesen. HAM ist eine relativ seltene Komplikation des HTLV-I, hat aber eine in etwa vergleichbare Inzidenz wie die der T-Zell-Leukämie des Erwach-senen, einer ebenfalls durch HTLV-I hervorgerufenen seltenen Erkrankung. Die HAM ist gekennzeichnet durch das Auftreten von Störungen der Rückenmarksfunktion, die sich in Paraparese und Harninkontinenz zeigt. Sensible Ausfälle sind weniger häufig. Bei Patienten die seropositiv für HTLV-I sind, besteht die Diagnostik im Ausschluß von spinalen raumfordernden Prozessen durch MRT des Rückenmarks, welches sich dann vielmehr als atrophisch herausstellt. Zusätzlich können T2-gewich-tete Bilder (T2 bezieht sich auf Spin-Spin- oder transverse Relaxationszeit) Gebiete erhöhter Signalintensität innerhalb des Rückenmarks und gelegentlich auch oberhalb des Foramen magnum zeigen. Diese Befunde können denen bei Multipler Sklerose ähneln, obwohl beide neurologischen Entitäten eindeutig verschieden sind. Der Liquor von Patienten mit HAM kann Eiweißerhöhung und oligoclonale Banden aufweisen, hinweisend auf intrathekale Antikörperbildung. Zellen, die denen der Erwachsenen-T-Zell-Leukämie ähneln, können im Liquor nachweisbar sein. Patienten mit HAM haben meist einen progredienten Verlauf, der zu Paraparese der Beine führt, manchmal auch Beteiligung der Arme. Die HAM ist jedoch selten letal. Autopsieuntersuchungen haben HTLV-I im Rückenmark von HAMPatienten nur in niedriger Konzentration nachgewiesen, was darauf hinweist, daß direkte Zytolyse durch die Virusinfektion nicht die Ursache der Myelopathie ist.13 Man meint eher, daß die Pathogenese in der Infiltration des Rückenmarks durch CD8+-T-Zellen begründet ist.14,15 Diejenigen mit HTLV-I infizierten Patienten, bei denen diese Komplikation auftritt, haben eine robuste zytolytische T-Zell-Antwort auf das virale Protein tax.16 Diese zytolytischen T-Zellen dürften die neurologische Dysfunktion mediieren, indem sie minimal mit HTLV-I infizierte Neurogliazellen attackieren. Alternativ wäre denkbar, daß ein neurales Antigen, das dem viralen tax-Protein ähnelt, Auslöser für eine Autoimmunattacke wäre. Wegen des Mangels an Hinweisen, daß direkte Virusinfektion die HAM verursacht, waren die meisten therapeutischen Versuche gegen die Reduktion der Immunattacke gegen das ZNS gerichtet. Bis heute gibt es keine fest etablierte Therapie für die HAM, doch zeigten einige Patienten eine Verbesserung der neurologischen Funktion durch i.v.Steroidgaben in hohen Dosen. Übertragbare Spongiforme Enzephalopathien Die Spongiformen Enzephalopathien, eine Gruppe neurologischer Krankheiten bei Menschen und Säugern, sind gekennzeichnet durch: (1) Eine subakute progrediente Verschlechterung der neurologischen Funktion mit Befall mehrerer Abschnitte der Neuroaxis (kognitive und motorische Ausfälle sind die häufigsten, andere Systeme können jedoch ebenfalls betroffen sein); (2) die spongiformen neuropathologischen Veränderungen in den betroffenen Areae des ZNS; (3) eine experimentelle Übertragbarkeit auf dieselbe oder verwandte Arten mit langer Inkubationszeit, typischerweise viele Monate bis Jahre und (4) keine Hinweise auf konventionelle übertragbare Krankheiten z. B. Viren. Die menschlichen Spongiformen Enzephalopathien sind die sporadische und die genetische Form der CJD, Gerstmann-Sträussler-Syndrom (GSS), die Kuru-Krankheit des Fore-Stammes von Neu-Guinea und die Familiäre Fatale Insomnie (FFI). Parallele Erkrankungen in anderen Species sind die Scrapie-Krankheit der Schafe und die übertragbare Enzephalopathie der Wiesel. Spongiforme Erkrankungen wurden experimentell von Schafgewebe auf Mäuse und Hamster übertragen, von menschlichem Gewebe auf Affen und Schimpansen, sowie akzidentell auf Milchkühe (Bovine Spongiforme Enzephalopathie [BSE] oder Rinderwahnsinn) durch Fütterungszusatz von Knochenmehl und anderen Verwertungen aus infizierten Schafen. Obwohl es Species-Barrieren gibt, werden die Spongiformen Erkrankungen allgemein als durch ähnliche Prozesse verursacht betrachtet. Die CJD und Scrapie sind schon vor vielen Jahren beschrieben worden, als Übertragung der menschlichen Form der Erkrankung erstmals herbeigeführt wurde durch Inokulation von Primaten mit ZNS-Gewebe von Patienten, die an Kuru starben, einer Spongiformen Enzephalopathie verbunden mit rituellem Kannibalismus bei einem Stamm, der damals in den entfernten Hochebenen von Neu Guinea residierte.17 Kuru verschwand mit dem Aufhören kannibalistischer Praktiken, und die Mensch-zu-Mensch-Übertragung von CJD und anderen Spongiformen Enzephalopathien ist derzeit limitiert auf seltene Fälle von akzidentellen Transplatationen eines Organs von betroffenen Personen oder parenteraler Exposition gegenüber CJD-Gewebe durch kontaminierte Instrumente.18 Die Diagnose der CJD basiert auf klinischen befunden. Der wichtigste Befund ist eine progrediente Demenz (über Wochen und Monate und nicht Jahre, wie es für die AlzheimerKrankheit typisch ist). Ein solch rascher Verfall der kognitiven Funktionen sollte den Kliniker alarmieren, die Diagnose CJD zu stellen. Zusätzlich klagen die Patienten über Insomnie, Müdigkeit und Mattigkeit sowie Sehstörungen. In einigen Fällen können CJDPatienten mit corticaler Blindheit geschlagen sein. Die neurologische Untersuchung zeigt Hinweise auf Pyramidenbahnausfälle und manchmal Muskelatrophie. Myoklonus (eine Reaktion mit Muskelzuckungen vor allem nach Startle) ist ein hervorstechender Befund der körperlichen Untersuchung, doch schließt ihr Fehlen eine CJD nicht aus. Andere Befunde bestehen in cerebellärer Ataxie und Anfällen. Spezifische diagnostische Befunde können weder durch MRT noch durch Liquorunterschung gewonnen werden, doch zeigt das EEG charakteristische triphasische Formationen. Die CJD verläuft immer letal, im allgemeinen innerhalb zwei Jahren nach Krankheitsbeginn. DIE PRIONHYPOTHESE Ausführliche Untersuchungen haben das Vorliegen konventioneller Viren bei Patienten mit CJD ausgeschlossen und zu der Hypothese geführt, daß die CJD durch einen unkonventionellen Erreger verursacht wird. Die Prionenhypothese, ursprünglich durch Prusiner und Mitarbeiter inauguriert, und inzwischen breit ⎯ aber nicht universell ⎯ akzeptiert, basiert auf dem unzweifelhaften Vorliegen einer Proteaseresistenten pathogenen Form eines endogenen Proteins (Prion-Protein oder PrP) im Gehirn betroffener Species.19 Die natürliche Form des Proteins PrPC, ist ein glykolisiertes Protein unbekannetr Funktion, welches längliche Knäuel (α-Helices) enthält. Im Gehirn der betroffenen Säugerspecies scheint PrPC durch Fehlfaltung in eine Struktur zu münden mit einer hohen Konzentration an ‘β-Plissee-Laken’, einer Protein-Konfiguration, die zur Bildung von Kristallen führt [siehe Abbildung 2]. Das fehlgefaltete Protein (PrPSC oder Scrapie-PrP) wird im erkrankten Gehirn in amyloiden Fibrillen oder Plaques abgelagert. Zusammen mit dem schwammigen Aussehen des erkrankten Gehirns [siehe Abbildung 3] sind diese proteinischen Deposite charakteristisch für die Neuropathologie aller spongiformen Enzephalopathien, nur die Menge des Deposites ist bei den verschiedenen Krankheiten unterschiedlich. Abbildung 3 Die Propagation des Scrapie-PrP in Neuronen des Gehirns erfolgt offenbar im Sinne eines Domino-Effekts an einer internen Membran. Eine von vielen favorisierte Hypothese behauptet, daß der Prozess beginnt (a) wenn ein Scrapie-PrP-Molekül (rot) ein normales PrP-Molekül (braun) kontaktiert und (b) es dazu bringt, sich in Scrapie-PrPKonfiguration umzufalten. Hierauf attackieren die Scrapie-Partikel andere normale PrPMoleküle (c). Diese Moleküle attackieren wiederum andere normale Moleküle und so fort (gestrichelter Pfeil), bis die Scrapie-PrP-Akkumulation gefährliche Konzentrationen erreicht (d). Evidenz für die Beteiligung der PrP an den Spongiformen Enzephalopathien kommt von Experimenten, bei welchen Mäuse genetisch transformiert wurden, sodaß sie das PrP-Gen zerstören (knock out). Diese Mäuse wurden resistent gegen Scrapie-infiziertes Gehirn und entwickelten keinerlei spongiforme Veränderungen, selbst wenn hohe Konzentrationen von Scrapie-infiziertem Gewebe intracerebral injiziert worden waren. Im Gegensatz dazu wurden transgene Mäuse, die transformiert wurden, PrP-Gen von anderen Species, inklusive Mensch, zu exprimieren, besonders empfindlich gegen erkranktes Hirngewebe, entnommen von der Species, von der das Transgen stammte.20 Da es Species-Barrieren für die Übertragung der spongiformen Veränderung gibt, legen die letzteren Experimente nahe, daß das Transgen verantwortlich für den Krankheitsprozess ist. Wie kann ein Protein entblößt von jeder Nucleinsäurefunktion als ein infektiöser Erreger wirken und seine eigene Replikation im erkrankten Gehirn enkodieren? Ein Schema postuliert, daß eine fehlgefaltete PrPSC als eine Saat wirkt, die sich mit dem PrPC des normalen Gewebes verbindet [siehe Abbildung 3]. Diese Interaktion bringt das PrPC dazu, wenigstens einen Teil seiner α-Helix-Struktur in eine hauptsächlich aus ‘βPlissee-Laken’ zusammengesetzten Struktur umzuwandeln. Da das mit ‘β-PlisseeLaken’ angereicherte PrPSC schlechter löslich ist, läuft diese Reaktion nur in einer Richtung. Das initiale Aggregat expandiert dann durch die Rekrutierung zusätzlicher PsPC Moleküle und produziert ein unlösliches Deposit, welches vermutlich schädigend für Neurone und Neuroglia ist. Bei diesem Mechanismus ist die Quelle des Saat- PrPSC bei den spontan auftretenden Fällen von spongiformer Enzephalopathie unbekannt. In einer Bedingung wie BSE, in welcher die Krankheit offenbar durch Verfütterung erkrankter Schafgewebe auf Kühe übertragen wird, muß daß Saat-Protein oral aufgenommen worden sein und dann auf irgendeine Weise vom peripheren Gewebe in das Gehirn gebracht worden sein. Die Milz und andere lymphoide Organe sind bekannt, die Scrapie Infektivität zu beherrbergen. Aus diesem Grunde sind zirkulierende lymphoide Zellen innerhalb des ZNS die Hauptkandidaten, obwohl nicht bewiesen, für die Neuroinvasion. GENETISCHE KRANKHEITEN VERBUNDEN MIT PrP MUTATIONEN Beim Menschen gibt es spongiforme Erkrankungen zusätzlich zur spontanen oder accidentiell übertragenen CJD, genetische Formen der CJD und sogar seltenerer Erkrankungen wie Gerstmann-Sträussler-Syndrom (GSS) und Familiäre Fatale Insomnie (FFI).21,22 Beim GSS, das als autosomal dominante Erbanlage übertragen wird, entwickeln die betroffenen Personen eine Ataxie, die von einer Demenz gefolgt ist. Patienten mit der FFI sind unfähig, zu schlafen. Alle diese Erkrankungen können durch Inoculation von erkranktem Gewebe in empfängliche nichthumane Primaten übertragen werden. Bemerkenswerterweise sind alle diese Erkrankungen mit Mutationen im PrP-Gen assoziiert, und in 1 Serie von Experimenten entwickelten Mäuse die mit der GSS Mutation transformiert wurden, spongiforme Veränderungen.21 Man meint, daß die Mutationen am PrP-Gen in der Umwandlung in einen fehlgefalteten unlöslichen Status involviert sind. Das Vorliegen von Erkrankungen, die gleichzeitig genetisch und infektiös sind und die Assoziation der Mutationen im PrP-Gen mit diesen Erkrankungen liefern starke Hinweise für die Bestätigung der Prion-Hypothese, obwohl die Hypothese anfangs mit beträchtlicher Skepsis aufgenommen wurde, weil sie ein zentrales Dogma der Molekularbiologie verletzt.23 Ein Experiment, das bisher noch nicht durchgeführt wurde, ist die in vitro-Synthese eines reinen Proteins, das fähig ist, als Saat für die Entwicklung der spongiformen Erkrankung fungieren kann; viele Gruppen sind derzeit an diesem Unterfangen involviert Damit man sieht, was „spongiform“ ist 3a Progressive multifokale Leukoenzephalopathie Die PML ist eine Erkrankung der weißen Substanz des Gehirns, die durch progrediente motorische Dysfunktion, Verlust des Visus, Inkontinenz und schließlich Demenz charakterisiert ist und welche durch ein Papovavirus verwandtes DNA-Virus verursacht wird, welches als JC bezeichnet wird. Die PML wurde erst beschrieben bei Patienten mit Immundefizienz, hervorgerufen durch hämatologische Malignitäten oder durch Therapie zur Verhütung der Abstoßungsreaktion bei Transplantationen. Die PML blieb jedoch immer noch eine seltene Erkrankung bis zum Auftreten von AIDS. Epidemiologische Studien zeigen, daß zwischen 1 und 5% der HIV infizierten Personen letztendlich eine PML bekommen. In vielen dieser Fälle kündigt das Auftreten der PML den Beginn der Immunodefizienz an und stellt so die AIDS definierende Erkrankung dar; bei anderen ist sie eine Komplikation, die mit anderen opportunistischen Infektionen assoziiert ist. Die Diagnose einer PML sollte bei jedem Fall mit einer subakuten progressiven Erkrankung in Erwägung gezogen werden, die die Motorik und Kognition betrifft in einer Konstellation von bekannter oder vermuteter Immundefizienz (z.B. Malignität). Die meisten Fälle bieten die Symptome der Beteiligung der weißen Substanz einschließlich Ataxie, Visusdefekten und Lähmungen. In seltenen Fällen tritt eine PML in sonst gesunden Personen auf. Starker Verdacht auf eine PML besteht immer dann, wenn die MRTAufnahmen konfluierende Areale von erhöhter Signalintensität in den T2-gewichteten Bildern zeigt [siehe Abb. 5]. Diese Areale, die die Grenze zwischen grauer und weißer Substanz respektieren, können hypointens im T1-gewichteten Bild sein (T1 bezieht sich auf die Spin-Gitter oder longitudinale Relaxationszeit). Der Liquor ist bei der PML in der Regel normal; eine Pleozytose ist, wenn vorhanden, meist mild. Grau-weiß-Grenze wird respektiert! Die definitive Diagnose der PML hatte bisher eine Hirnbiopsie zur Voraussetzung, aber jüngere Studien haben gezeigt, daß JC-Virus-DNA durch Verstärkung mit der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) im Liquor von Patienten mit PML nachgewiesen werden kann.24,25 Die Häufigkeit falsch positiver Reaktionen ist gering und man schätzt, daß die Liquor PCR eine Sensitivität und Spezifizität von über 90% aufweist.26 Gelegentliche Fälle von spontaner Besserung einer PML wurden auf experimentelle Therapien zurückgeführt. Es ist jedoch nicht klar, ob eine partielle Umkehrung der Immundefizienz für die Besserungen verantwortlich war. PATHOLOGIE UND PATHOGENESE Die pathologische Untersuchung von PML-erkranktem Hirngewebe zeigt dramatische Veränderungen in der subcorticalen weißen Substanz. Oligodendrozyten, die Zellen die für die Produktion und die Erhaltung des Myelins verantwortlich sind, sind die prinzipiellen Zielelemente des JC-Virus. Aus diesem Grunde ist die Cytolyse der Oligodendroglia der prinzipielle pathogene Mechanismus bei der PML und sie führt zu der charakteristischen schweren Demyelinisierung. Das initiale Ereignis für das Auftreten einer PML scheint die Vergrößerung eines mikroskopischen Fokus von Oligodendroglia-Infektion zu sein, von dem sich das Virus zentrifugal ausbreitet, um große Segmente der weißen Substanz zu befallen. Astrozyten wie einige Oligodendrozyten demonstrieren bizarre morphologische Veränderungen, die denen bei ZNS Neoplasmen ähnlich sehen. Graue Substanz und Neurone sind bei der PML wenig betroffen und wenn sie auftritt, reflektiert sie Zytolyse in angrenzenden Oligodendrozyten vielleicht durch die Rekrutierung von Mikroglia und Makrophagen.27 JC-VIRUS Die Virus-Ätiologie der PML wurde zuerst vermutet als ZuRhein und Mitarbeiter elektronenmikroskopische Aufnahmen mit Polyomavirus-ähnlichen Partikeln in den kernen von Oligodendrocyten beschrieben.28 Die Isolation des Virus wurde nur erreicht durch Verwendung primärer fetaler Hirnkulturen in Explantationscocultivationsexperimenten, welche demonstrierten, daß das JC-Virus mit anderen Polyomaviren verwandt ist, aber doch klar von ihnen verschieden ist. Ein großer Prozentsatz der erwachsenen Bevölkerung in den vereinigten Staaten (70-90%) haben Antikörper gegen JC-Virus, was anzeigt, daß es sich um eine häufige Infektion handelt, doch konnte keine Erkrankung mit der primären Infektion in Zusammenhang gebracht werden. --- Das Vorliegen einer weit verbreiteten Infektion und die Isolierung von JCVirus aus dem Urin einiger immunsupprimierter Patienten sind vereinbar mit der Hypothese, daß PML die Reaktivierung eines latenten DNA-Viruses darstellt. Das Reservoir-Organ konne jedoch bisher nicht identifiziert werden. Das Fehlen von JC-Virus-DNA in den Gehirnen von Normalpersonen legt nahe, daß das JC-Virus in anderen Organgeweben latent ist. Lymphozyten, lymphoide Organe und Nieren wurden als Hauptkandidaten betrachtet, da das JC-Virus durch PCR in diesen Geweben nachgewiesen wurde oder aus diesen Geweben isoliert werden konnte.29,30 Allerdings unterscheidet sich das JC-Virus, welches von peripherem Gewebe von nicht immunsupprimierten Personen isoliert wurde (Virus Arche Typ) von dem Virus, welches von Patienten mit PML isoliert wurde, in Regionen, die für die Regulation der Virenexpression verantwortlich sind.31 Eine bestechende Hypothese, die diese Befunde erklären könnte, ist die, daß der Virus Arche Typ durch Deletion oder Duplikation modifiziert wird und so in die neurotrope Virusform umgewandelt wird, welche durch infizierte B-Zellen in das Gehirn gebracht wird. --- Es gibt keine etablierte Therapie für die PML aber experimentelle Therapieansätze bestehen in Nucleosidanaloga, Interferonen und Topoisomerase Inhibitoren. Einige von diesen Therapien werden gegenwärtig bei Patienten mit AIDS exploriert. Subakute sklerosierende Panencephalitis Die subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) ist eine seltene Nachwirkung einer Maserninfektion (1 Fall/100.000 Einwohner). Die progressive Rötelnparaenzephalitis ist eine SSPE-ähnliche Erkrankung, die durch Rötelnvirus verursacht wird. Patienten mit SSPE haben eine unkomplizierte Maserninfektion häufig in einem früheren Alter als der Durchschnitt und bekommen dann eine progressive Enzephalitis mehrere Jahre später. Die SSPE scheint das Ergebnis einer seltenen Mutation im Matrix (M)-Protein des Wildtyp Masernvirus zu sein. Diese Mutation beeinträchtigt möglicherweise die Virusverpackung, was erklären kann, warum die Untersucher Schwierigkeiten haben bei der Isolierung des zellfreien Virus. Es wurde hypothetisiert, daß das SSPE-Virus daher nur durch Fusion zwischen benachbarten infizierten und nicht-infizierten Zellen sich ausbreiten kann. Dies mag das Persistieren des Virus trotz Vorliegen einer starken humoralen reaktion erklären. Die SSPE kann ebenfalls von Impfung mit einem lebenden atenoierten Masernimpfstoff herrühren. Die Rate des Auftretens ist mindestens 10x geringer als die der Wildtypmasern-Infektion. In den USA, wo die Prävalenz von Masern-Infektionen weniger als 30.000 beträgt, sogar in Epidemiejahren sind Fälle von SSPE selten. Es gibt keine etablierte Therapie für die SSPE und der Ausgang ist fast immer letal. .