Das Delir beim geriatrischen Patienten. Eine Übersicht

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Abschlussarbeit
ÖÄK Diplomlehrgang
Geriatrie
Wissenschaftliche Leitung:
Prof. Dr. Franz Böhmer
Prim. Univ. Prof . Dr. Monika Lechleitner
Rückfragen:
Österreichische Akademie der Ärzte GmbH
Weihburggasse 2/5
A-1010 Wien
Tel.: +43 1 512 63 83
ÖÄK DIPLOMLEHRGANG GERIATRIE 2.0
Das Delir beim
geriatrischen Patienten
Eine Übersicht
Dr. Christian Walcher
2012
-0-
Inhaltsverzeichnis:
Einleitung
2
Zielsetzung
3
Methodik
3
Definitionen/ Klinik
nicht durch Alkohol oder andere psychotrope Substanzen bedingtes Delir
4
Entzugssyndrom mit Delir
6
Einige Daten zu Mortalität, Prävalenz, Inzidenz und Prädiktoren des Delirs
7
Ätiologie
8
Verlaufsformen
11
Diagnostik und Differenzialdiagnostik
11
Therapie
15
Prävention
18
Ein Fallbeispiel
20
Schlussfolgerungen
21
Literaturverzeichnis
23
-1-
Zur besseren Lesbarkeit des Textes wurde im Allgemeinen nur die männliche
Wortform verwendet.
Einleitung:
Im übertragenen Sinn bedeutet Delirium „aus der Spur geraten sein“ (vom
lateinischen lira: die Furche, de lira: aus der Furche sein) und kann mit dem Begriff
der akuten Verwirrtheit gleichgesetzt werden.
Das Delir beim geriatrischen Patienten, im Besonderen die hypoaktive Form, stellt
eine weiterhin wenig bekannte und daher unterdiagnostizierte Entität dar (der
geriatrische Patient ist in der vorliegenden Arbeit als Patient nach Vollendung seines
64. Lebensjahres definiert). In der Literatur werden Erkennungsraten des Delirs von
nur 35 bis 70 % genannt. Auch in Ärztekreisen wird regelmäßig gefragt, ob der
Betroffene
denn
Alkoholiker
oder
„tablettenabhängig“
sei,
wenn
ein
Delir
diagnostiziert wird. Ein Alkoholentzugssyndrom mit Delir und ein (beispielsweise)
Benzodiazepin – Entzugsdelir sind natürlich wichtige Untergruppen, stellen aber
gerade bei Patienten im höheren und hohen Lebensalter nur einen relativ kleinen
Anteil der deliranten Zustandsbilder dar.
An den verschiedenen Abteilungen unserer Krankenhäuser, in den Alten- und
Pflegeheimen wie auch im häuslichen Umfeld treten delirante Zustandsbilder beim
alten Menschen aus den verschiedensten Ursachen auf. Diese Zustandsbilder führen
häufig
zu
Einweisungen
ins
Krankenhaus
bzw.
zu
Transferierungen
an
alterspsychiatrische Abteilungen innerhalb eines Krankenhauses und stellen
gefährliche Komplikationen, zum Beispiel im Rahmen chirurgischer Eingriffe bzw.
nach Narkosen dar. Das Delir ist für über 49 % der Hospitalisierungstage der
geriatrischen Patienten verantwortlich (1).
-2-
Zielsetzung:
Diese Arbeit versucht,
geriatrischen
Patienten
eine Übersicht über delirante Zustandsbilder beim
zu
geben.
Definitionen,
Ätiologie,
Symptomatik,
Differentialdiagnosen, Therapie- und Präventionsmöglichkeiten sollen erläutert
werden.
Methodik:
Einerseits wurde die relevante Literatur für diese Übersichtsarbeit verwendet:
Lehrbücher, Jounals, Vorträge und die internationale Klassifikation psychischer
Störungen wurden eingearbeitet, auch wurde Nachschau in Medline und im Internet
gehalten.
Meine
persönlichen
Erfahrungen
und
Eindrücke
als
Turnusarzt
bzw.
Allgemeinmediziner, als Assistenzarzt und später Facharzt für Psychiatrie und
psychotherapeutische Medizin, als Konsiliar – Psychiater und Vertreter in einer
psychiatrischen Facharztpraxis sowie nicht zuletzt mit meinem mittlerweile 93 –
jährigen, seit Jahren an Demenz erkrankten Vater, wurden andererseits von mir
herangezogen.
-3-
Definitionen/ Klinik:
In der internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD – 10) wird das nicht
durch Alkohol oder andere psychotrope Substanzen bedingte Delir (F05) wie
folgt definiert:
Es handelt sich um ein ätiologisch unspezifisches Syndrom, das charakterisiert ist
durch gleichzeitig bestehende Störungen
1. des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit
auf einem Kontinuum zwischen leichter Bewusstseinsminderung und Koma mit
reduzierter Fähigkeit, die Aufmerksamkeit zu fokussieren, aufrechtzuerhalten und
umzustellen (Test: rückwärts zählen lassen)
2. des Denkens, des Gedächtnisses, der Wahrnehmung und Orientierung:
Beeinträchtigung des abstrakten Denkens und der Auffassung, mit oder ohne
flüchtige Wahnideen, aber typischerweise mit einem gewissen Grad an Inkohärenz.
Es treten Wahrnehmungsverzerrung, Illusionen und meist optische Halluzinationen
auf.
Das
Immediat-
und
das
Kurzzeitgedächtnis
sind
beeinträchtigt,
das
Langzeitgedächtnis ist meist relativ intakt. Zeitliche Desorientiertheit liegt häufig vor,
in schweren Fällen auch Desorientiertheit zu Ort, Situation und Person.
3. der Psychomotorik bzw. des Antriebes:
Hypo- oder Hyperaktivität, wobei hier auch nicht vorhersehbare Wechsel stattfinden
können, verlängerte Reaktionszeit, vermehrter oder verminderter Redefluss,
verstärkte Schreckreaktion.
4. des Schlaf – Wach – Rhythmus:
Schlafstörungen, Schlaflosigkeit oder Tag – Nacht – Umkehr treten häufig auf,
ebenso Albträume, die nach dem Erwachen als Halluzinationen weiter bestehen
können. In den frühen Abendstunden („Sundowning – Phänomen“), nachts und in
den frühen Morgenstunden („Sunrising – Phänomen“) kommt es nicht selten zur
deliranten Dekompensation.
-4-
5. der Emotionalität bzw. des Affektes:
Hier können Depression, Apathie, Angst, Reizbarkeit, Aggressivität, Euphorie und
staunende Ratlosigkeit vorkommen und rasch ineinander übergehen. Man spricht
dann mitunter von Affektlabilität bzw. Affektinkontinenz.
Der Beginn eines Delirs ist gewöhnlich akut, es ist im Tagesverlauf wechselnd, also
fluktuierend. Ein Delir kann in jedem Alter auftreten, es häuft sich jedoch jenseits des
60. Lebensjahres. Das delirante Zustandsbild ist vorübergehend und
von
wechselnder Intensität, bildet sich meist innerhalb von 4 Wochen oder kürzerer Zeit
zurück. Delirien mit fluktuierendem Verlauf bis zu 6 Monaten sind jedoch nicht
ungewöhnlich,
besonders
im
Rahmen
chronischer
Lebererkrankungen,
von
Karzinomen oder einer subakuten bakteriellen Endokarditis.
Das Delir soll als einheitliches Syndrom mit unterschiedlicher Dauer und
unterschiedlichem Schweregrad (von leicht bis sehr schwer) betrachtet werden, die
Unterscheidung zwischen akutem und subakutem Delir ist von geringer klinischer
Relevanz.
Ein delirantes Zustandsbild kann eine Demenz überlagern (25 % der akut verwirrten
Patienten haben eine Demenz im Hintergrund) oder sich zu einer Demenz
weiterentwickeln (etwa 30 % der Patienten, welche ein Delir entwickelt hatten,
erkranken innerhalb von 3 Jahren an einer Demenz).
Die ICD – 10 unterscheidet ein Delir ohne Demenz (F05.0) von einem Delir mit
Demenz (F05.1) sowie von sonstigen Formen des Delirs (F05.8) und vom nicht näher
bezeichneten Delir (F05.9).
-5-
Nach der vierten Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders
(DSM – IV) müssen folgende, weniger detaillierte Kriterien für die Diagnose eines
Delirs vorliegen:
A. Störung des Bewusstseins
B. Störung der Kognition (zum Beispiel Gedächtnisstörung, Desorientierung,
Sprachstörung) oder Wahrnehmungsstörung, die nicht durch eine Demenz
erklärbar sind.
C. Entwicklung
der Störung
innerhalb weniger Stunden
oder Tage
sowie
tageszeitliche Schwankungen.
Das Entzugssyndrom mit Delir (F1x.4) wird in der ICD – 10 wie folgt definiert:
Typische Prodromi in der Phase des Prädelirs sind Schlaflosigkeit, feinschlägiger
Tremor, Schwitzen, Muskelbeben, Unruhe und Angst. Dem Delir können auch
Entzugskrämpfe vorausgehen. Unbehandelt mündet ein solches Prädelir häufig in
ein voll ausgeprägtes Entzugsdelir mit folgender klassischer Symptomentrias:
1. Bewusstseinstrübung und Verwirrtheit,
2.
lebhafte
Halluzinationen
oder
Illusionen
jeglicher Wahrnehmungsqualität,
besonders jedoch optischer Natur sowie
3. ausgeprägter, grobschlägiger Tremor.
Wahnvorstellungen, Orientierungsstörungen, Suggestibilität, motorische Unruhe,
Schlaflosigkeit, Umkehr des Tag – Nacht – Rhythmus, vegetative Übererregbarkeit
sowie deutliche somatisch – vegetative Störungen (unter anderem Tachykardien,
Blutdruckschwankungen, Fieber, Schwitzen) sind ebenfalls häufige Symptome,
Grand – Mal – Anfälle können auftreten.
-6-
Der klassische und typische Vertreter ist das alkoholbedingte Delirium tremens
(F10.4),
ein
kurzdauernder,
aber
gelegentlich
lebensbedrohlicher
toxischer
Verwirrtheitszustand. Dieses Delir ist meist Folge eines absoluten oder relativen
Alkoholentzuges bei schwer alkoholkranken Patienten (klassisches Entzugsdelir,
zum Beispiel bei Entzugsversuch oder durch äußere Umstände wie chirurgische
Interventionen), kann aber auch während einer exzessiven Trinkphase auftreten
(sogenanntes Kontinuitätsdelir). Bei etwa 5 % aller alkoholkranken Patienten im
Krankenhaus tritt ein Delirium tremens als schwerwiegendes Zustandsbild auf.
Einige Daten zu Mortalität, Prävalenz, Inzidenz und Prädiktoren des Delirs:
Die Mortalität des unbehandelten Delirs liegt zwischen 22 und 76 % (1)!
Seitens des National Institute for Health and Clinical Excellence wird von folgenden
Daten zur Prävalenz des Delirs ausgegangen:
Postoperativ entwickeln 30 bis 50 % aller Patienten ein Delir, an internen Abteilungen
20 bis 30 %, in Langzeiteinrichtungen bis zu 20 % der Patienten. Bezogen auf die
Gesamtbevölkerung (über alle Altersgruppen verteilt) schätzt man eine Delir – Rate
von 2 bis 4 % (2).
Gustafson (3) zeigte an 111 über 65 jährigen Patienten mit einer chirurgisch
versorgten Schenkelhalsfraktur, dass 61 % dieser Patienten ein Delir entwickelten.
Als prädisponierende Faktoren für die Entwicklung eines Delirs beschrieb er ein
hohes Lebensalter, das Vorliegen einer Demenz oder einer Depression, die
Verwendung von Medikamenten mit anticholinerger Wirkung, einen stattgehabten
Insult in der Vorgeschichte sowie starke, perioperative Blutdruckabfälle.
Aus dem Auftreten eines Delirs resultierten verlängerte Krankenhausaufenthalte, ein
erhöhter Bedarf an institutioneller Weiterversorgung sowie eine vermehrte Immobilität
der betroffenen Patienten (letzteres zum Entlassungszeitpunkt und sechs Monate
danach). Eine erhöhte Komplikationsrate wurde ebenfalls festgestellt (die Patienten,
-7-
welche
ein
Delir
entwickelt
hatten,
litten
vermehrt
an
Dekubitalulzera,
Harninkontinenz und Ernährungsproblemen).
In der Studie „The Occurence and Persistence of Symptoms Among Elderly
Hospitalized Patients“ (4) konnte an 325 über 65 jährigen Patienten, welche an
internistischen oder chirurgischen Abteilungen stationär behandelt wurden, gezeigt
werden, dass 11 % der Patienten bereits an einem präexistenten Delir gelitten
hatten, während 31 % der Patienten im Krankenhaus ein Delir entwickelten.
Francis et al. verglichen in „A Prospective Study of Delirium in Hospitalized Elderly“
(5) insgesamt 229 über 70 jährige Patienten an internistischen Abteilungen. 22 % der
Patienten hatten ein Delir, die übrigen Patienten entwickelten kein Delir und
fungierten als Kontrollgruppe. Die Autoren kamen zu folgenden Ergebnissen:
Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer unter den deliranten Patienten betrug 12,1
Tage, unter den Patienten ohne Delir 7,2 Tage. Von den deliranten Patienten
verstarben 8 %, im Vergleich dazu verstarb in der Kontrollgruppe 1 % der Patienten.
Bei 16 % der Patienten mit Delir musste eine institutionelle Weiterversorgung
erfolgen, in der Vergleichsgruppe bei 3 % der Patienten.
Ätiologie:
Als Ursache eines Delirs ist ein Defizit cholinerger Systeme und/ oder eine
Überaktivität
dopaminerger
Systeme
sowie
auch
eine
Störung
anderer
Neurotransmitter Systeme anzunehmen.
Das Schwellenkonzept beschreibt das Verhältnis der Vulnerabilität eines Menschen
zu einer Noxe als wichtigen Prädiktor für die Entstehung eines Delirs. Bei hoher
Vulnerabilität, wenn also viele Risikofaktoren vorliegen, reicht demnach eine geringe
Noxe aus, um ein Delir auszulösen.
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Risikofaktoren für die Entwicklung eines Delirs sind (1):
hohes Lebensalter, männliches Geschlecht, Vorliegen einer Demenz oder einer
Depression, Multimorbidität, Substanzmissbrauch (vor allem von Alkohol oder
Benzodiazepinen),
Herzinsuffizienz,
Störungen
reduzierter
des
Leber-
und/
Allgemeinzustand,
oder
Nierenstoffwechsels,
Mangelernährung
aber
auch
metabolisches Syndrom, Vitaminmangelsyndrome (Vitamine B12, B1, B6, Folsäure),
Beeinträchtigung des Sehens und/ oder Hörens, Immobilität und Polypharmazie
(Definition der WHO: ab 6 Medikamenten, siehe auch Liste 1).
Auslösende Faktoren (Noxen) können sein:
internistische
oder
neurologische
(Akut-)
Erkrankungen
wie
Myokardinfarkt,
Elektrolytentgleisung, Anämie, Schilddrüsenfunktionsstörung, schlecht eingestellter
Diabetes mellitus, Infekt (im höheren Lebensalter häufig Harnwegsinfekt oder
Pneumonie), Insult; weiters Exsikkose, Fieber oder Hypothermie, Hypotension,
Hypoxie, Medikamente (eventuell neue, siehe Liste 1), Schmerzen, Stürze,
ungewohnte Umgebung, Stressreaktion auf Operationen oder medizinische Eingriffe
(z.B.: Harnkatheter), physische Beschränkungen (mechanische Fixierung), Anti
Dekubitus Matratze (vermindertes Körpergefühl).
Festgehalten sei, dass Risikofaktoren zu auslösenden Faktoren werden können
(z.B.: akut eingeschränkte Nierenfunktion) und umgekehrt.
Liste 1: Medikamente mit delirogenem Potenzial (6):
Medikamente, die zentral anticholinerg wirken
Analgetika (Opioide: vor allem Oxycodon, Fentanyl)
Antihistaminika (H1- Blocker – Diphenhydramin, Hydroxyzin; H2-Blocker – Cimetidin,
Ranitidin)
Antiparkinsonmittel (Amantadin, Biperiden)
-9-
Antibiotika (vor allem Gyrasehemmer, Peneme, Cephalosporine, Penicilline,
Sulfonamide, Chinolone)
Anticholinergika (Atropin, Scopolamin, Oxybutynin, Tolterodin, Solifenacin,
Orphenadrin)
Antiarrhythmika (Herzglykoside – Digoxin, Chinidin, Lidocain, Amiodaron)
Antikonvulsiva (Carbamazepin, Phenytoin, Oxcarbazepin)
Antidepressiva (Amitriptylin, Paroxetin)
Antipsychotika, atypische (Clozapin, Olanzapin)
Antipsychotika, typische niedrigpotente (v.a. Phenothiazine wie Levomepromazin)
Andere: Theophyllin, Lithium, Benzodiazepine, Ketamin, systemische Kortikosteroide
Medikamente, die zentral Serotonin erhöhen
Antidepressiva (SSRI, SNRI, Trizyklika, MAO-Hemmer, Johanniskraut, L-Tryptophan)
Antipsychotika, atypische
Analgetika (v.a. Tramadol, Opioide)
Antikonvulsiva (Carbamzepin, Oxcarbazepin)
Andere: Antiemetika, Lithium, Triptane
Medikamente, die zentral Dopamin erhöhen
Dopaminagonisten stärker als L-Dopa
Bupropion
Medikamente, die eine Hyponatriämie verursachen können
Antidepressiva
Antipsychotika
Antikonvulsiva (Carbamazepin, Oxcarbazepin)
Antiarrhythmika
Lithium
Medikamente mit anderer Wirkungsweise
Antiphlogistika (NSAR)
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Verlaufsformen:
Nach Marksteiner sind der akute oder subakute Verwirrtheitszustand, der akute
exogene Reaktionstyp nach Bonhoeffer (1917), das akute psychoorganische
Syndrom und das Durchgangssyndrom Synonyme für das Delir.
Hyperaktives, hyperalertes Delir, ca. 15 %
Es
zeigen
sich
deutliche
psychomotorische
Unruhe,
erhöhte
Irritierbarkeit,
Halluzinationen, Angst und eine ausgeprägte, vegetative Symptomatik (z.B.: Delirium
tremens).
Hypoaktives, hypoalertes Delir, ca. 25 %
Der Patient ist in sich gekehrt und abgelenkt, träumend, schwer kontaktierbar,
bewegt sich wenig. Halluzinationen und Desorientiertheit schwerer erkennbar, kaum
vegetative Zeichen. Diese Verlaufsform wird daher häufig als Narkosefolge,
Symptom einer Grunderkrankung oder gehemmte Depression fehlinterpretiert und
weist die schlechteste Prognose auf!
Gemischtes Delir, ca. 50 %
Hyper- und hypoaktive Anteile, mitunter rasch wechselnd.
Delir ohne psychomotorische Symptome, ca. 10 %
Diagnostik und Differenzialdiagnostik:
Es handelt sich in erster Linie um eine klinische Diagnose, wobei genaue
Statuserhebung, Exploration und Beobachtung des Patienten unumgänglich sind.
Fremdanamnestische Erhebungen bei Angehörigen, Pflegepersonal, Hausarzt, etc.
sind meist sehr hilfreich, wobei die Medikamenten- und Suchtanamnese stets zu
berücksichtigen sind.
- 11 -
Typischerweise kommt es zu einem raschen Einsetzen der Symptome sowie zu
einem Abfall im Mini Mental Test (MMSE, Mini Mental State Examination) von mehr
als 2 Punkten. Letzteres kann, bei vorhandener Vortestung, diagnostisch genutzt
werden. Das Ergebnis im MMSE bessert sich nach Abklingen des Delirs
üblicherweise wieder rasch.
Für die differenzierte Beurteilung des Verlaufes und Schweregrades eines Delirs
steht die deutschsprachige Version der Delirium Rating Scale (DRS) nach
Rothenhäusler (2008) zu Verfügung (7).
Die Confusion Assessment Method CAM in Kurzversion (8) scheint für eine
rasche Delireinschätzung gut geeignet: Sie wird als Screeninginstrument für das
Pflegepersonal vorgeschlagen, wurde aber leider noch kaum als solches etabliert.
1.: Akuter Beginn und fluktuierender Verlauf
a) Fremdanamnese: gibt es Hinweise auf eine akute Veränderung des
geistigen Zustandes des Patienten gegenüber seinem Normalverhalten?
b) Gibt es Tagesschwankungen innerhalb der qualitativen oder quantitativen
Bewusstseinsstörung?
2.: Störung der Aufmerksamkeit
Hat der Patient Mühe, sich zu konzentrieren? Ist er leicht ablenkbar?
3.: Denkstörungen
Hat der Patient Denkstörungen im Sinne von inkohärentem, paralogischem,
sprunghaftem Denken?
4.: Quantitative Bewusstseinsstörung
Jeder Zustand außer „wach“ – wie hyperalert, schläfrig, stuporös, komatös.
Wenn 1a, 1b und 2 sowie zusätzlich 3 oder 4 bejaht werden, ist ein Delir zu
diagnostizieren (Sensitivität 94 – 100 %, Spezifität 90 – 95 %).
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Laborchemische und apparative Diagnostik (7):
Basisdiagnostik:
Blutbild
Laborchemische Untersuchungen: Elektrolyte, Glukose, Kreatinin, Harnstoff,
Bilirubin, Albumin, Leberenzyme, Schilddrüsenparameter, CRP
Harnuntersuchung
EKG
Erweiterte Diagnostik:
Medikamentenspiegel (nach Anamnese: Digoxin, Digitoxin, Lithium, Antikonvulsiva,
trizyklische Antidepressiva, Clozapin, Benzodiazepine, Theophyllin, etc.)
CCT (bei rascher Bewusstseinsminderung als Basisuntersuchung)
Thoraxröntgen (bei respiratorischen Problemen oder Fieber als Basisuntersuchung)
EEG
Lumbalpunktion (bei Fieber und Verdacht auf Meningismus als Basisuntersuchung)
MRT des Schädels
Toxikologische Untersuchungen: Blut und Harn auf Drogen, Alkohol, evtl. Toxine
CDT
Lues-, HIV- und Hepatitis-Serologie
Blutgasanalyse
Bestimmung von Ammoniak, Vitamin B 12-, Thiamin- und Folsäurespiegel
Blut- und Harnkulturen
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Differentialdiagnosen (7):
Wernicke Encephalopathie (Alkoholanamnese, Ataxie, Ophthalmoplegie)
Hypertensive Encephalopathie (erhöhter Blutdruck, Stauungspapille)
Hypoperfusion des ZNS (niederer Blutdruck, niederer Hämatokrit, Herzinsuffizienz)
Hypoglykämie (niederer Blutzucker, insulinpflichtiger Diabetes mellitus)
Hypoxämie (Zyanose, Blutgasanalyse!)
Intracranielle Blutung (Herdzeichen, Bewußtlosigkeit (anamnestisch), Bildgebung!)
Meningitis oder Encephalitis (Meningismus, Leukocytose, Fieber, Lumbalpunktion!)
Vergiftung (Toxizitätszeichen, z.B. Pupillenanomalien, Ataxie,
Medikamentenanamnese, Labor!)
Nonkonvulsiver Status epilepticus (Verlangsamung, Störung der Exekutivfunktionen,
EEG!)
Alkoholhalluzinose (Alkoholanamnese, Wahrnehmungsstörung, klares Bewusstsein)
Bezüglich weiterer (psychiatrischer) Differentialdiagnosen siehe bitte Tabelle 1.
Tabelle 1 (9) zu wichtigen psychiatrischen Differentialdiagnosen:
Delir
Demenz
Depression
Schizophrenie
Beginn
akut
schleichend
variabel
eher akut
Tagesverlauf
fluktuierend
stabil
schwankend
variabel
Verlauf
akut, Tage chronisch
häufig
häufig
bis Wochen
progredient
rezidivierend
exazerbierend
Bewusstsein
gestört
lange klar
klar
Klar
Desorientiertheit
früh
entsteht im Verlauf
meist fehlend
kann vorliegen
Gedächtnis
gestört
gestört
intakt
eher intakt
Halluzinationen
v.a. optisch
oft fehlend
oft fehlend
v.a. akustisch
Wahn
flüchtig
oft fixiert
synthym
komplex
vegetative
häufig
meist keine
meist keine
meist keine
Symptomatik
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chron.
Therapie (7):
Die stationäre Aufnahme und Behandlung des Betroffenen ist bei Prädelir und
manifestem Delir stets indiziert. Bei schweren Verlaufsformen ist die Behandlung
an einer geschlossenen
psychiatrischen Abteilung angezeigt, sofern keine
Intensivpflicht des Patienten besteht. Erfolgt die Behandlung an einer nicht
psychiatrischen Abteilung, ist der Konsiliar – Psychiater beizuziehen.
1.: Feststellung und Behandlung bzw. Beseitigung delirogener Ursachen:
siehe bitte Kapitel „Ätiologie“.
2.: nicht medikamentöse Therapie:
siehe bitte nächstes Kapitel „Prävention“, die nicht medikamentöse Therapie
entspricht im Wesentlichen den Präventionsmaßnahmen, natürlich angepasst an
die Schwere des vorliegenden deliranten Zustandsbildes.
3.a: medikamentöse Therapie des nicht durch Alkohol oder andere psychotrope
Substanzen bedingten Delirs :
Grazer Therapieschema nach Rothenhäusler (7):

Leichtes hyperaktives – hyperalertes Delir und hypoaktives – hypoalertes
Delir:
Initial 0,5mg Risperidon als Schmelztablette oder 5 Tropfen Haloperidol
(entsprechend 0,5 mg).
Aufdosieren nach Verträglichkeit und Wirksamkeit auf 2 mg / die Risperidon
oder Haloperidol in mehreren Einzeldosen.
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
Mittelschweres hyperaktives – hyperalertes Delir:
Initial 2,5 mg Haloperidol (eine Ampulle Haldol ® enthält 5 mg Haloperidol) als
15 minütige Kurzinfusion (kann mit 250 ml 5 % - iger Glukoseinfusionslösung
gemischt werden).
Aufdosieren nach Verträglichkeit und Wirksamkeit auf 5 mg / die in mehreren
Einzeldosen.
CAVE:
OFF – LABEL – GEBRAUCH!! Die intravenöse Gabe von Haloperidol
kann das Risiko von QTc – Verlängerungen und Torsades de pointes
erhöhen. Daher ist eine engmaschige EKG – Überwachung obligat.
Zusätzlich zur psychomotorischen Dämpfung:
Initial 40 mg Prothipendyl per os nachts (eine Filmtablette Dominal forte ®
enthält 80 mg Prothipendyl), gegebenfalls auf 4 mal 40 mg / die steigern.
CAVE: Kreislaufregulationsstörungen.

Schweres hyperaktives – hyperalertes Delir
Initial 5 mg Haloperidol (eine Ampulle Haldol ® enthält 5 mg Haloperidol) als
15 minütige Kurzinfusion (kann mit 250 ml 5 % - iger Glukoseinfusionslösung
gemischt werden).
Dosissteigerung nach Verträglichkeit und Wirksamkeit mit 5 mg Haloperidol
als intravenöse Kurzinfusion in stündlichen Abständen, bis eine ausreichende
Kontrolle der Symptomatik erreicht wird. Maximale Tagesdosis 40 mg
parenteral.
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CAVE:
OFF – LABEL – GEBRAUCH!!
Beim geriatrischen Patienten soll mit höchstens der halben Dosis begonnen
werden, auch wegen der möglichen paradoxen Wirkung beim älteren
Menschen.
Gefahr der Hyperhydratation und extrapyramidalmotorischer Symptome.
Die intravenöse Gabe von Haloperidol kann auch hier das Risiko von
QTc – Verlängerungen und Torsades de pointes erhöhen. Daher ist eine
engmaschige EKG – Überwachung obligat.
Zusätzlich zur psychomotorischen Dämpfung:
Initial 40 mg Prothipendyl als intravenöse 15 minütige Kurzinfusion nachts
(eine Ampulle Dominal forte ® enthält 40 mg Prothipendyl und ist mit
herkömmlichen Lösungsmitteln mischbar), gegebenenfalls auf 3 mal 40 mg /
die steigern.
CAVE: Kreislaufregulationsstörungen.
Bei schweren agitierten Delirien kann alternativ Lorazepam (Temesta ®) in
einer Dosierung von bis zu 4 mal 1 mg / die als intravenöse Infusion unter
Kontrolle der Vitalparameter gegeben werden (1 Ampulle Temesta ® enthält 2
mg Lorazepam und ist mit 5 % - iger Glukose oder physiologischer
Kochsalzlösung mischbar).

Delir bei Morbus Parkinson, Lewy Body Demenz und HIV induzierter Demenz:
Initial 25 mg Quetiapin per os (CAVE: orthostatische Hypotonie).
Aufdosieren nach Verträglichkeit und Wirksamkeit auf maximal 150 mg
Quetiapin / die in mehreren Einzeldosen.
- 17 -
3.b: medikamentöse Therapie des leichten bis mittelgradigen
Alkoholentzugssyndrom (schwere Formen sind intensivstationspflichtig):
Zum Beispiel Therapieschema mit Lorazepam:
Alle 6 Stunden 2 mg Lorazepam in den ersten 24 Stunden, anschließend über
mindestens 3 Tage ausschleichen; Begleitmedikation nach Bedarf.
Prävention:
Es wird angenommen, dass delirante Zustandsbilder in bis zu einem Drittel der Fälle
verhinderbar wären, wobei stets zu bedenken ist, dass demente Patienten ein etwa
fünffach erhöhtes Risiko aufweisen, ein Delir zu entwickeln.
Präventive Maßnahmen können sein (10):
 Delirogene Risikofaktoren bzw. auslösende Faktoren eines Delirs feststellen
und nach Möglichkeit behandeln.
 Vertraute Bezugsperson etablieren (Bezugspflege, validierender Umgang!)
 Ausreichende
Flüssigkeitszufuhr,
Flüssigkeitsangebot
auch
während
Therapien etc..
 Der Malnutrition entgegenwirken.
 Schlafverbesserung
(nichtmedikamentös:
Schlafhygiene,
Einreibungen,
warme Milch, etc.).
 Förderung von Bewegung und Mobilisierung, Gehhilfen beschaffen.
 Sensorische Überstimulation vermeiden – ruhige, aber helle Umgebung;
sequentielle, nicht kumulative Besuche.
 Angehörige mit einbeziehen, Berührung durch vertraute Personen somit
ermöglichen.
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 Überprüfen der Medikation bezüglich Interaktionen, Dosierungen, delirogenem
Potential und entsprechend reagieren.
 Suffiziente Schmerztherapie etablieren.
 Strenge Überwachung der perioperativen Phasen.
 Circadiane
Rhythmik
berücksichtigen,
dabei
klare
Tagesstrukturierung
vorgeben.
 Lieblingsgegenstände zu Verfügung stellen (Biographiebezug!).
 Lieblingsmusik und Aromaöle dezent einsetzen.
 Verbesserung der Sensorik: Funktionsfähigkeit und Verwendung von Brille,
Hörgerät und Zahnprothese überprüfen, gegebenenfalls anfertigen lassen.
 Orientierungshilfen geben (Uhr, Kalender, Fotos, Beschriftungen, Farben,
keine unnötigen Verlegungen des Betroffenen).
 Toilettentraining durchführen.
 Fixierung nach Möglichkeit vermeiden.
In einer Studie im Rahmen der Versorgungsforschung zur psychiatrischen Liaison –
Pflege am Evangelischen Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge, Berlin konnte
folgendes gezeigt werden:
Durch die Einführung eines „Delir – Pflegers“ und die Implementierung von
clinical
pathways
konnte
das postoperative
Delir
– Risiko an einer
chirurgischen Station von mehr als 20 % auf ca. 5 % gesenkt werden!
- 19 -
Ein Fallbeispiel:
Ich wurde im März 2012 als Konsiliar – Psychiater an die internistische Abteilung
eines Krankenhauses in Südösterreich gerufen. Zugewiesen wurde unter anderem
eine 1937 geborene Patientin mit folgenden Zuweisungsdiagnosen:
hochgradige Depressio, rezidivierendes Sturzgeschehen – therapiebedingt?
Die Dame berichtete, nicht zu wissen, wie lange und warum sie an diesem, ihr nicht
bekannten Ort sei, sie könne auch nicht genau sagen, wo sie sonst lebe. Von einem
Ortswechsel hätte sie in letzter Zeit jedenfalls nichts mitbekommen. Sie fühle sich
sehr schwach, die Haare würden ihr büschelweise ausgehen. Ansonsten ginge es ihr
nicht so schlecht, depressiv fühle sie sich im Moment nicht. Ihre Kinder seien 51 und
53 Jahre alt, sie selbst sei ebenfalls 53 Jahre alt.
Im psychopathologischen Status imponierte die Stimmungslage der Patientin
subdepressiv, ihre Befindlichkeit war eher positiv getönt. Sie war wach und
bewusstseinsklar, wenn auch sehr müde. Zur Person war die Patientin teilorientiert,
örtlich,
zeitlich
und
situativ
desorientiert.
Es
zeigten
sich
eine
deutliche
Antriebsminderung und Affektverflachung bei eingeschränkter Affizierbarkeit in
beiden Skalenbereichen. Im Ductus war die Patientin verlangsamt und teilweise
inkohärent. Es zeigten sich deutliche Defizite in Konzentration und Merkfähigkeit, das
Altgedächtnis war, soweit beurteilbar, wenig beeinträchtigt. Produktive Symptome,
Wahninhalte oder Suizidgedanken waren nicht explorierbar, Schlaf und Appetit
wurden von der Patientin als gut angegeben.
Seitens des Pflegepersonals wurde berichtet, dass die Patientin kürzlich von einer
betreuten Wohnsituation in ein Altenheim gekommen sei, sie habe die Pflegestufe
drei. Die Patientin sei auffallend inaktiv, zwischenzeitlich immer wieder geistig
abwesend und verwirrt.
Im Arztbrief einer psychiatrischen Klinik vom Mai 2011 fand sich als Haupt –
Entlassungsdiagnose
eine
schwere
depressive
Merkmale bei rezidivierender depressiver Störung.
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Episode
ohne
psychotische
Es wurde meinerseits die dringende Verdachtsdiagnose eines hypoaktiven Delirs
gestellt und um den Ausschluss bzw. die Behandlung delirogener Ursachen ersucht.
Aufgrund des delirogenen Potentials von Ciproxin, welches wegen eines chronischen
Harnwegsinfektes verabreicht wurde, empfahl ich eine Umstellung der antibiotischen
Therapie.
Zwei
Tage
später
wurde
die
Patientin
aufgrund
einer
weiteren
Zustandsverschlechterung – Inaktivität und Verwirrtheit hatten weiter zugenommen –
mit Ciproxin an die psychiatrische Abteilung eines anderen Krankenhauses
transferiert. Hier erfolgten bezugspflegerische Betreuung, Reizabschirmung und
Umstellung von Ciproxin auf Augmentin, welches noch eine Woche lang gegeben
wurde (die übrige Medikation wurde unverändert beibehalten). Die Patientin war
bereits nach wenigen Tagen voll orientiert und mobil, dies in annähernd euthymer
Stimmungslage. Besonders die Angehörigen der Dame waren von ihrer raschen
Erholung überrascht und lobten die gute medikamentöse Einstellung.
Schlussfolgerungen:
Das
Delir
beim
geriatrischen
Patienten
ist
ein
häufig
auftretendes
und
schwerwiegendes Krankheitsbild mit hoher Mortalität, erhöhter Komplikationsrate
(Stürze, Dekubitus, etc.), verlängerten Krankenhausaufenthalten, erhöhter Inzidenz
für die Entwicklung einer Demenz und vermehrter Inanspruchnahme von Langzeit –
Pflegeeinrichtungen (11).
Abgesehen vom Leid der Betroffenen und Angehörigen, ist das Delir aus
ökonomischer
diesbezügliche
Sicht
somit
Schulung
ein
des
gewaltiger
Kostenfaktor.
medizinischen
Personals
Dennoch
aller
ist
die
Berufsgruppen
suboptimal, ein Delir wird nur in 35 bis 70 % der Fälle erkannt. Dies ist besonders
unerfreulich, da ein rechtzeitig erkanntes Delir im Normalfall gut behandelbar ist.
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Für die Delir – Prävention wird in den mir bekannten Krankenhäusern recht wenig
unternommen, obgleich Studien zufolge die Delir – Rate durch präventive
Maßnahmen deutlich gesenkt werden kann bzw. könnte, was ja dann auch wieder
Kosten sparen würde.
Besonders beim geriatrischen Patienten muss nicht zuletzt die Medikation im Sinne
einer Delir – Prävention genau überdacht werden. Dies bedeutet auch, dass bei
Multimedikation alle drei bis vier Monate eine Laborkontrolle mit Bestimmung der
Nierenfunktionsparameter, Elektrolyte und des Blutbildes erfolgen sollte. Auf diese
Weise
könnte
gegebenenfalls
in
Form
einer
Dosisanpassung
oder
Medikationsumstellung reagiert werden, um der Gefahr der Entwicklung eines Delirs
entgegenzuwirken
(Informationen
dazu
im
Internet
unter:
www.priscus.net,
www.dosing.de, etc.).
Erlauben Sie mir zum Schluss ein paar persönliche Worte:
Nachdem mein bereits erwähnter 93 – jähriger Vater kürzlich aufgrund einer
medialen Schenkelhalsfraktur in einem Krankenhaus stationär aufgenommen werden
musste – er lebt normalerweise mit einer 24 Stunden Betreuung zu Hause – meinte
der zuständige anästhesiologische Oberarzt, der meinen Vater als Kollegen von
früher her kennt, nur lapidar: „der ist ja mittlerweile völlig daneben, da kann man eh
nicht mehr reden“. Zuvor war mein Vater – bereits in jenem Krankenhaus – 2 Tage
lang in einem Einzelzimmer bei ständig laufendem Radio nüchtern gelassen worden,
leider ergab sich in diesen 2 Tagen dann doch keine Operationsmöglichkeit.
Es ist natürlich richtig, dass mein Vater an einer mittelschweren Demenz leidet. Dass
ein Facharzt eines Unfallkrankenhauses trotz des gut erklärbaren, eindrucksvoll –
deliranten Zustandsbildes meines Vaters mit Verkennungen und lebhaften, optischen
Halluzinationen – die er normalerweise nicht hat – nicht einmal an die Möglichkeit
eines Delirs (bei Demenz) denkt und dass Delir – Prävention praktisch nicht
stattfindet, ist in Zusammenhang mit der oben beschriebenen Problematik
bezeichnend.
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Literaturverzeichnis:
(1) Inouye SK. N Engl J Med 2006; 354: 1157 – 65
(2) National Institute for Health and Clinical Excellence, NICE, Juli 2010:
Delirium:diagnosis, prevention and management
(3) Gustafson et al. J Am Geriatr Soc. 1988; Jun; 36 (6): 525 – 530
(4) Levkoff, Schor et al. Arch Intern Med. 1992; 152: 334 – 340
(5) Francis et al. JAMA. 1990; 263 (8): 1097 – 1101
(6) Liste zusammengestellt von M. Anditsch und C. Jagsch, Juni 2011 (aus mehreren
Publikationen zusammengefasst); modifiziert.
(7) Rothenhäusler (2012): Kompendium Praktische Psychiatrie, 2. Aufl., S. 191 –206
(8) Inouye SK. Ann Intern Med 1990; 113: 941 – 948
(9) Bayer D. (2012): Das Delir (Vortrag); modifiziert.
(10) Ohrenberger G. (2012): Delirante Syndrome in der Geriatrie aus internistischer
Sicht (Vortrag); modifiziert.
(11) Jagsch C. (2011): Der akut verwirrte Patient im Alter, in JATROS 7/ 2011, S. 16f.
Berger M. (2004): Psychische Erkrankungen, 2. Auflage, S. 366 – 377 und 397
Clinicum neuropsy: Sonderausgabe Juni 2011, Die drei D´s: Depression, Demenz,
Delir
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