Delir beim älteren Patienten

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Eine der häufigsten psychischen Erkrankungen
Delir beim älteren Patienten
Das Delir gehört zu den häufigsten Erkrankungen von alten
Menschen. Aufgrund der weitreichenden Auswirkungen auf
das Individuum und die Gesellschaft ist es wichtig, ein Delir
rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln.
ltere Patienten haben ein besonders hohes Risiko, während eines Spitalaufenthaltes ein Delir zu entwickeln. Manchmal ist
ein Delir das einzige Symptom einer akuten, schweren Erkrankung.
Aus diesem Grunde ist es besonders wichtig, das Krankheitsbild
Delir zu kennen, um entsprechende Untersuchungen gezielt durchzuführen und eine multimodale Therapie einzuleiten.
Ein Delir kann generell in jedem Alter auftreten, am häufigsten
aber nach dem 60. Lebensjahr. Das Syndrom ist assoziiert mit einer
p
erhöhten Mortalität und Morbidität, längerer Hospitalisationsdauhe bis zum
zu Verlust
er, sowie mit Einbussen der Funktionalität, welche
sin Inzidenz
der Selbständigkeit führen können. Wissenschaftlich sind
und Prävalenz bei akut Hospitalisierten sehr gut belegt (1, 2). Bei
egen
Bewohnern aus stationären Pflegeeinrichtungen gibt es dagegen
nur wenige epidemiologische Daten.
h das
Ein Delir belastet nicht nur den Patienten, sondern auch
Gesundheitssystem. In den Vereinigten Staaten verursacht ein wegen Delir hospitalisierter Patient etwa 2,5 Mal mehr Kosten als ein
hrausgaben von
Patient ohne Delirentwicklung. Dies entspricht Mehrausgaben
eliranten Patienten
ungefähr 60‘000 bis 65‘000 Dollar für einen deliranten
pro Jahr (3).
artina Hafner
Dr. med. Martina
B
Basel
Ä
Erscheinungsformen
Bei einem Delir werden drei Subtypen unterschieden
unterschieden: Erstens die
n Selbst- und Fr
hyperaktive Form, welche mit einer erhöhten
Fremdgerzrisiko einhergeht.
geht. Zweitens d
fährdung und einem erhöhten Sturzrisiko
das
e, das bei zuhypoaktive Delir mit reduzierterr Motorik und Apathie,
em erhöhten Dekub
ko assosätzlicher Malnutrition mit einem
Dekubitus-Risiko
chte Form mit wechselnd
ziiert ist. Drittens die gemischte
wechselndem Verlauf mit
ven Anteilen (4).
hyperaktiven und hypoaktiven
h 1. Störung des
d BewusstEin Delir ist ggekennzeichnet durch
törung der kognitiven
kogn
plöt
seins, 2. Störung
Funktionen,, 3. plötzlichen
Beginn
ktuierenden Verlauf, 44. Hinweis auf orga
und fluktuierenden
organische Ätiologie.
zip ist es reversibel (6).
Im Prinzip
Über Jahre wurden für das Symptom D
Delir in der Literatur
rschiedene Begriffe verwendet, wie „akute
„aku Verwirrtheit“, „akute
verschiedene
rganische Psychose“, „akuter exogener Reaktionstyp nach Bonorganische
hoeffer“, „Durchgangs“- oder „Übergangssyndrom“.
„Überg
Erst mit der
chung der Klassifikation
kati mittels ICD-10 und DSMVereinheitlichung
IV kam es zum heute verwendet
verwendeten Begriff. Um die Diagnose zu
ste
hl die ICD-10
ICD
stellen, können sowohl
als auch die DSM-IV Klassifikation angewendet werden.
rden Die beiden Klassifikationssysteme
unterscheide
wen
unterscheiden sich in wenigen
Aspekten. Während die ICD-10
TAB. 1
Delirauslösende
irau
Faktoren
l Akute Erkrankung:
- Infektion (Harnwegsinfekt, Pneumonie, Sepsis)
- Myokardinfarkt, kardiale Dekompensation
- Obstipation
- Anämie
- Dehydratation
l Primär neurologische Erkrankungen
- Zerebrovaskulärer Insult
- Intrakranielle Blutung
- Meningitis, Enzephalitis
- Epilepsie
l Iatrogene Komplikationen
Risikofaktoren
Die Risikofaktoren
n des Delirs können in auslösende Faktoren
Fa
disponierende Faktor
(Tab.1) und prädisponierende
Faktoren (Tab. 2) aufgeteil
aufgeteilt werden,
wisse Überschneidungen bestehen.
bes
Nur di
auch wenn gewisse
die auslösenassen sich teilweise beeinflussen.
ussen Für den Alltag beden Faktoren lassen
deutet dies, dasss ein Patient mit vielen prädisponie
prädisponierenden Faktoren
hes Risiko für die Entwicklung eines Delirs hat (5).
ein hohes
Diagnostik
gnostik
Leider
der bleibt ein Delir während d
des Spitalaufenthaltes oft unerkannt. Das kann viele Gründe haben
haben. Häufig halten die Betreuenden die Symptome für eine demen
dementielle Entwicklung oder eine
Depression. Manche sehen es nich
nicht als Krankheit oder potenziellen Notfall, sondern nehmen es als Symptom hin, das „zum Alrt“.
ter gehört“.
der informierte arzt _ 03 _ 2012
l Schmerzen
l Metabolische Entgleisung
- Elektrolytentgleisung, Hypo-/Hyperglykämie
- Säure-Base-Störungen
- Hypo-/Hyperthyreose, Hypo-/Hyperthyreoidismus, Addison-Krise
l Medikamente
- Alkohol-/Benzodiazepin-Entzug, paradoxe Wirkung von Sedativa
- anticholinerge oder dopaminerge Medikation
- Opiate
l Operationen
l Epileptisches Ereignis / nicht-konvulsiver Status
l Umgebungsfaktoren
- Blasenkatheter
- Intensivstation
- Stress, Fixierungsmassnahmen
35
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TAB. 2
Prädisponierende Faktoren für ein Delir
l Kognitiver Status:
- eingeschränkte Kognition
- Demenz
- Stattgehabtes Delir
- Depression
l Alter >65 Jahre, männliches Geschlecht
l Malnutrition/Dehydratation
erparameter, Kreatinin,
Kreati
CRP, Elektrolyte, inklusive Kalzium, Leberparameter,
azu. Die Zusatzdiagnostik
Glukose, TSH), Urinstatus und EKG dazu.
ür das Delir gezielt eingesetzt
sollte anhand der Verdachtsursache für
ldgebung des Gehirns
ns (meist Computertomograwerden. Eine Bildgebung
pielsweise iindiziert beii Nachweis von fokal-neurophie) ist beispielsweise
usfä
ch Sturz,
Stu Schädelhirntrauma
logischen Ausfällen,
Verwirrtheit nach
uckzeichen. Ein EE
ollte angeo
oder Hirndruckzeichen.
EEG sollte
angeordnet werden bei
n Status epilepticus. Eine
Verdacht auff einen nicht-konv
nicht-konvulsiven
on sollte man durchführen
n bei Verdacht auf eine
Lumbalpunktion
Meningitis oder Enzephalitis.
l Alkoholabhängigkeit
l Komorbiditäten:
- Chronische Leber- oder Niereninsuffizienz
- Stattgehabter zerebrovaskulärer Insult
- Neurologische Vorerkrankung
- Schwere Erkrankung, multiple Vorerkrankungen
- Frakturen oder Trauma
- Terminale Erkrankung
- Metabolische Störung
l Medikamente:
- Polymedikation
- Psychopharmaka
l Funktioneller Status:
- Obstipation
- Immobilität, Abhängigkeit von Hilfe im täglichen Leben
- Frailty, rezidivierende Stürze
- Schmerzen
- Seh-/Hörstörung
l Wenig soziale Kontakte
l Schlafentzug
Delirien nach ihrer Komplexität und dem Schweregrad erfasst
uf die neuropsycholound einteilt, beschränkt sich das DSM-IV auf
gischen Hauptsymptome des Delirs. Diess kann zur Folge haben,
dass mit der ICD-10 seltener ein Delir diagnostizie
diagnostiziert wird.
rund der Symptome
Symp
Hat man bei einem Patienten aufgrund
den
weit
iagnostischer Schritt
S
Verdacht auf ein Delir, sollte als weiterer
diagnostischer
od“ (CA
ewendet werden.
die „Confusion Assessment Method“
(CAM) angewendet
ensitivitä (94–95%) und
d Spezifität
Die CAM besitzt eine hohe Sensitivität
(90–95%) (Tab. 3) (7).
er
Nachfolgend kann die Diagnose dann über d
die ICD-10 oder
belegt ob
DSM-IV gesichert werden. Es ist nicht wissenschaftlich belegt,
psychometrische Tests wie der Mini-Mental-State Examinat
Examination
hrentest bei der Diagnose eines Delirs nü
(MMSE) und der Uhrentest
nützen.
n aber helfen, ko
er
Die Tests können
kognitive Störungen zu erkennen
h als Verlaufsparameter
und eignen sich
Verlaufsparameter.
gnose Delir anhand der CA
her sollte der
Ist die Diagnose
CAM gesichert,
ht werden. Neben Anamnese und klinischer UnterAuslöser gesucht
st eine Fremdanamnese unerlässlich. D
suchung ist
Der Schwerpunkt
namnese liegt bei Vorerkrankungen, vorbestehenden
vor
der Anamnese
kogen Einbussen, Medika
nitiven
Medikamenten, Alkoholkonsum, funktionellen und sensoriellen Defiziten w
wie Seh- und/oder Hörstörung. Bei
der klinischen Untersuchung muss b
besondere Beachtung auf neurologische Ausfälle, Bewusstseinsgrad,
Bewusstseinsgrad klinische Anhaltspunkte
für einen Infekt (z.B. Lungenbefund
Lungenbefund, Meningismus, Integument,
Rachen, Gelenke,
Gelenke neues Herzgeräusch) und die kardiopulmonale
pensation gelegt werden.
Kompensation
Da dass Delir häufig das einzige Symptom einer akuten Erkranrt eine erwei
kung ist, gehört
erweiterte Diagnostik mit Labor (Blutbild,
36
Multimodales Therapiekonzept d
des Delir
Bei nachweislichem Delir solltee nun das entsprechende multimorden.
dale Therapiekonzept eingeleitet werden.
be
Zunächstt sollte der delirauslösendee Faktor behandelt
werden. Das heisst zum Beisp
Beispiel Optimierung der Sc
Schmerztherapie,
Ausbau der Herzinsuffizienzthe
zienztherapie oder Anti
Antibiotika bei Harnekt.
wegsinfekt.
An zweiter Stelle steht die nichtpharm
nichtpharmakologische Therapie,
diee auch in der Prävention einen hohen Stellenwert hat (5, 8).
twa 30–40% aller Delirien können damit
da
Etwa
vermieden werden (6).
Hierbei
bei sind pflegerische Mass
Massnahmen besonders wichtig:
ungen und Anweisu
Klare Erklärungen
Anweisungen, Korrektur von Fehlsichchwäche, strukturierter
struk
tigkeit und Hörschwäche,
Tagesablauf und möglichs
Pe
lichst wenige Wechsel des Personals,
korrekte Hydratation und
Ernährun
nn Delirien
D
Ernährung. All das kann
verhindern oder zumindest
deren Verlauf mildern. SSobald als möglich sollte der Patient moiert und von Drain
bilisiert
Drainagen, Kathetern oder ähnlichem befreit
werden. Auf Zwangs
Zwangsmassnahmen wie Fixierung oder Bettgitter
möglic verzichtet werden, da dies zu Komplikatiosollte wenn möglich
n
ann Verletzungen, Stürze oder sogar Komplikationen führen kann:
nen
nen, die zum T
Tode führen können.
Pharmakologische Massnahmen
Phar
Zur p
pharmakologischen Therapie des Delirs gibt es leider wenige
Date
Daten (Tab. 4) (5, 9, 10).
Neuroleptika
N
Haloperidol ist mit seiner antidopaminergen Wirkung ein wirksames und für die Diagnose Delir zugelassenes Medikament. Die Indikation für Haloperidol vor allem bei Dosierungen über 1,5 mg/
Tag wird durch das Auftreten von extrapyramidalen Störungen
eingeschränkt. Atypische Neuroleptika wie Risperidon, Olanzapin
oder Quetiapin zeigen diese unerwünschte Wirkung weniger oder
nicht. Sie besitzen in der Schweiz offiziell keine Indikation für die
Therapie des Delirs und es handelt sich, wenn diese angewendet
werden, somit um ein off-label use. Atypische Neuroleptika und
parenterales Haloperidol führen zu einer Verlängerung der QTZeit und es besteht ein erhöhtes Risiko für einen zerebralen Insult
bei dementen Patienten (6). Aus diesem Grunde sollten Neuroleptika zeitlich begrenzt eingesetzt werden.
Benzodiazepine
Die Gabe von Benzodiazepinen wie Lorazepam, Diazepam oder
Midazolam muss kritisch abgewogen werden, da diese Substanzen selbst Delirien auslösen können. Bei Patienten mit psychiatrischer Vorgeschichte und bei Alkoholentzug sind sie jedoch zu
erwägen.
03 _ 2012 _ der informierte arzt
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Prophylaxe
Patienten über 65 Jahre sollten, falls sie elektiv oder notfallmässig
hospitalisiert werden, auf ihr Risiko für die Entwicklung eines Delirs untersucht werden. Hierfür ermittelt man, welche Risikofaktoren der Patient hat und führt MMSE und Uhrentest durch. Ist
einer der beiden Tests auffällig oder besitzt der Patient viele Risikofaktoren, sollten zunächst die nicht-pharmakologischen Massnahmen der Delirtherapie umgesetzt werden. Eine medikamentöse
Prophylaxe mit Haloperidol über 3–5 Tage kann versucht werden.
Es konnte nachgewiesen werden, dass Patienten unter medikamentöser Prophylaxe kürzere und weniger schwere Delirien hatten. Die
Inzidenz liess sich aber nicht beeinflussen (9).
Aufgrund der weitreichenden Auswirkungen der geschilderten
Delirsymptomatik auf das Individuum und die Gesellschaft ist es
wichtig, ein Delir rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln.
ABB. 1
3 CAM
TAB. 3
Medikamente
Dr. med. Martina Hafner
Akut Geriatrische Universitätsklinik/Memory Clinic
Petersgraben 4, 4031 Basel
[email protected]
Literatur:
pitaliza
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Take-Home Message
◆ Oft ist das Delir das einzige Symptom eeiner akuten,
n, schweren
Erkrankung
◆ Das Delir bei älteren
teren Patienten ist assoziiert mit ei
einer erhöhten
Mortalität und Morbid
Morbidität
Medikament
Medika
Dosierung
Akuttherapie
Akutth
Haloperidol
Hal
0,5–1 mg p.o./i.m. Max. Wirkung nach
(alle 4 h p.o. oder 4–6 h, UAW: extrapyraalle 4 h i.m.)
midale Symptome,
QT-Zeit-Verlängerung
Atypische Neuroleptika1
(off-label use in CH)
l Risperidon
l Olanzapin
l Quetiapin
0,5–1 mg/d
2,5–5 mg/d
25–50 mg/d
UAW: QT-Zeit-Verlängerung, geringe extrapyramidale Symptome
Benzodiazepine
l Lorazepam
0,5–1 mg p.o.
(alle 4 h)
Psychiatrische Patienten
und Alkoholentzugsdelir,
kann Delir auslösen
Wie in
Akuttherapie
Evtl. zur Vermeidung
von postoperativen
Delirien
◆ Bei einem
nem Delir sollte ein multimodales Therapiekonz
Therapiekonzept eingesetzt
werden
den
◆ Um
m die Inzidenz des Delir zu se
senken sollten bei älteren Patientinnen
und
d Patienten die Risikofaktoren für ein Delir erhoben werden, um
die prophylaktischen Massnahmen auszu
auszuschöpfen.
der informierte arzt _ 03 _ 2012
Kommentar
Prophylaxe
l Haloperidol
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