Statement Siemens (Hintergrundinformationen Partikeltherapie)

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Hintergrundinformation Partikeltherapie / Ionenstrahltherapie
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO wird die Zahl der
Krebsneuerkrankungen von heute 10 Millionen weltweit bis zum Jahr 2020 um die
Hälfte steigen. Krebs könnte dann die häufigste krankheitsbedingte Todesursache
sein. Trotz aller Fortschritte kann heute nur etwa jeder zweite Patient geheilt werden.
Etwa 60 % aller Patienten werden mit der Strahlentherapie behandelt. Von diesen
Patienten würde etwa jeder Zehnte von der Partikeltherapie profitieren. Diese
Therapie eignet sich besonders für bestimmte strahlenresistente Tumore und solche,
die nah an Risikorganen oder um solche Organe herum liegen.
Experten schätzen, dass in den Industrienationen in absehbarer Zeit pro 8 bis 10
Millionen Einwohner ein Partikeltherapiezentrum wirtschaftlich betrieben werden
kann.
Was ist Partikeltherapie / Ionenstrahltherapie?
Bei der Partikeltherapie werden über ein Beschleunigersystem Protonen oder
Kohlenstoffionen auf eine sehr hohe Geschwindigkeit gebracht und dann punktgenau
im Zielgewebe appliziert. Dort fügen die Partikel den Zellen irreparable Schäden zu.
Durch die millimetergenaue Berechnung und Steuerung lässt sich der Tumor
genauer bestrahlen als mit bisherigen Verfahren, das umliegende gesunde Gewebe
wird geschont. Aufgrund seiner Genauigkeit eignet sich das Verfahren insbesondere
für schwer zugängliche Krebsarten oder solche, die dicht an Risikoorganen liegen –
zum Beispiel Schädelbasis- oder Hirntumore. Ein anderes Anwendungsgebiet sind
Weichteilsarkome und Prostatakarzinome, die von empfindlichem Gewebe umgeben
sind.
Anders als bei reinen Protonenanlagen ist HIT neben den Kohlenstoffionen auch für
den Einsatz weiterer Partikelarten vorbereitet. Mit dieser Flexibilität ist HIT bestens
für zukünftige Anwendungen und weitergehende wissenschaftliche Forschungen
gerüstet.
Tumore präzise zerstören
Das Ziel einer jeden Krebsbehandlung ist es, die Tumorzellen zu zerstören und das
umliegende gesunde Gewebe so weit wie möglich zu schonen. Vorteil der
Partikeltherapie ist die große Zielgenauigkeit, mit der eine genau vorberechnete
Dosis zum Ziel gebracht werden kann. Das davor liegende Gewebe wird wesentlich
geringer belastet und das dahinterliegende Gewebe bleibt weitgehend strahlungsfrei.
Für Patienten mit bestimmten Tumoren in der Nähe von empfindlichen Gewebe
(Gehirn, Wirbelsäule, Nervenbahnen) und für die Behandlung von Kindern eröffnen
sich dadurch ganz neue Behandlungschancen.
Die Partikeltherapie nutzt das inverse Tiefendosisprofil von Protonen oder
Kohlenstoffionen für die präzise Tumorbehandlung. Im Gegensatz zu
(herkömmlichen) Photonenstrahlen, deren Dosis kurz nach Eindringen in das
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Gewebe am höchsten ist, um dann wieder abzufallen, geben die Partikelstrahlen ihre
Hauptdosis erst gegen Ende ihrer Bahn im so genannten „Bragg Peak“ ab.
Relative Dosis
Tumor-Region
250 MeV /n
Kohlenstoffionen
135 MeV
Protonen
18 MV
Photonen
Eindringtiefe in cm
Bild 1: Bragg-Peak
Photonen geben die höchste Dosis bereits kurz nach Eindringen ins Gewebe ab, Protonen und
Kohlenstoffionen erst am Ende ihrer Bahn.
Die Lage des „Bragg Peak“ lässt sich über die Energie, mit der die Partikel
beschleunigt werden, präzise einstellen. Dies geschieht über einen energievariablen
Beschleuniger, ein Synchrotron.
Zweifach beschleunigt
Protonen und Kohlenstoffionen werden zunächst durch eine Gasentladung
freigesetzt (Ionenquelle) und dann in einzweistufiges System injiziert. Der
Linearbeschleuniger bringt die Partikel auf eine Energie von etwa 7 MeV (MegaElektronenvolt) und leitet sie an ein Synchrotron weiter. Das Synchrotron
beschleunigt sie genau auf die für das Ziel gewünschte Energie. Bis zu 60 Prozent
der Lichtgeschwindigkeit (Kohlenstoffionen auf 430 MeV, Protonen auf 250 MeV)
können erreicht werden. Über eine spezielle Strahlführung (beam line) gelangt der
Partikelstrahl in die Behandlungsräume.
Reichweite, Fokussierung und Intensität des Partikelstrahls sind präzise einstellbar,
um das Tumorgewebe millimetergenau zu behandeln.
Grundlage für die Behandlungsplanung bildet eine dreidimensionale Rekonstruktion
des Tumors, die in einzelne Schichten verschiedener Tiefe aufgeteilt wird. Die
Behandlung erfolgt Schicht für Schicht, wobei die Eindringtiefe des Partikelstrahls
durch die im Synchrotron erzeugte Energie gesteuert wird.
Tumor vollständig abgetastet
Zwei schnelle Scannermagnete lenken den Partikelstrahl horizontal und vertikal
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ab, um die jeweilige Form der Tumorschicht vollständig abzutasten. Das RasterscanKontrollsystem überprüft für jeden Zielpunkt, ob die gewünschte Dosis erreicht
wurde, indem mit Ionisationskammern die Anzahl der Partikel gemessen wird und mit
Hilfe von Vieldraht-Proportionalkammern (MWPC) der Durchmesser und die Position
des Partikelstrahls bestimmt und damit die Abtastgeschwindigkeit gesteuert wird. Alle
Strahlparameter können innerhalb von Sekunden- Bruchteilen umgeschaltet werden.
Die Scanning-Methode macht passive Komponenten wie etwa Kompensatoren oder
Kollimatoren überflüssig.
Bild 2: 3D Scanning des Ionenstrahls (Quelle Siemens)
Beim Rasterscanverfahren wird der Ionenstrahl mit Hilfe von Magnetfeldern seitlich abgelenkt und die
Eindringtiefe über die Energie der Ionen von Puls zu Puls eingestellt.
Der Strahl verweilt so lange auf jedem Punkt, bis die berechnete Soll- Dosis erreicht ist
Zell-DNA effektiv zerstören
Tumorzellen sterben ab, wenn ihre Zell-DNA irreparabel zerstört und keine
Zellteilung mehr möglich ist. Zellen verfügen über leistungsfähige Mechanismen, um
Strahlenschäden zu reparieren, die Reparaturwahrscheinlichkeit hängt von der so
genannten Schadensdichte ab.
Protonen und Kohlenstoffionen schlagen entlang ihres Weges durchs Gewebe
Elektronen aus den Atomen, auf die sie treffen (Ionisation). Je langsamer sie werden,
desto häufiger ist die Interaktion mit dem umliegenden Gewebe. In jeder einzelnen
Teilchenspur nimmt die Energieabgabe am Ende zu, das heißt, es werden mehr
Delta-Elektronen produziert, die Schäden in der Zell-DNA verursachen.
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Am Ende der Teilchenspur werden vor allem bei Kohlenstoffionen so viele DeltaElektronen erzeugt, dass es zu Anhäufungen von Schäden an der DNA kommt, die
nicht mehr von der Zelle repariert werden können.
Diese relative biologische Wirksamkeit (RBW), abhängig von Ionisationsdichte und
Gewebeart, ist für Protonen um den Faktor 1,1 und für Kohlenstoffionen um den
Faktor 2-4 höher als bei Photonen. Die günstigen RBW-Werte von Kohlenstoffionen
waren ausschlaggebend, für die Partikeltherapie eine Kombi-Anlage zu entwickeln,
mit der die Behandlung mit verschiedenen Partikelarten möglich ist.
Lebensqualität deutlich erhöhen
Die Behandlung ist meist nicht mit einem stationären Aufenthalt verbunden.
Untersuchungen in Japan und Deutschland konnten zudem für bestimmte
Krebserkrankungen zeigen, dass sich die Zahl der Behandlungen (Fraktionen) im
Vergleich zur konventionellen Strahlentherapie reduzieren lässt. Für den Patienten
bedeutet diese verkürzte Behandlungszeit ein Plus an Lebensqualität.
Bild 3: Beispiele für Behandlungsräume
Links: Quelle Rhön-Klinikum AG./ Universitätsklinikum Marburg
Rechts: Quelle HIT / Universitätsklinikum Heidelberg
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