190 Kasuistik Metastasierendes malignes Melanom mit Festliegen ante partum infolge Rückenmarkskompression bei einer Stute* Ein Fallbericht L. Hildebrandt1; K. Jäger2; A. Snyder3; A. Sobiraj1 1Ambulatorische und Geburtshilfliche Tierklinik, Veterinärmedizinische Fakultät, Universität Leipzig; 2Institut für Veterinär-Pathologie, Veterinärmedizinische Fakultät, Universität Leipzig; 3Medizinische Tierklinik, Veterinärmedizinische Fakultät, Universität Leipzig Schlüsselwörter Key words Pferd, Cauda-equina-Syndrom, Tumor Brood mare, cauda equina syndrome, tumour Zusammenfassung Summary Der Fallbericht beschreibt die Einengung des Rückenmarkskanals durch ein malignes Melanom mit resultierendem akutem Festliegen bei einer hochtragenden, 17 Jahre alten Welsh-B-Ponystute. Als ursächlich für das akute Festliegen war der Einbruch von Metastasen des malignen Melanoms in den Wirbelkanal im Bereich der letzten Lendenwirbel und des Kreuzbeins anzusehen, wo der Tumor die Dura mater infiltriert und das Lenden- sowie Sakralmark auf einer Länge von 10 cm mittelgradig komprimiert hatte. Dargestellt werden neben dem klinischen Bild labordiagnostische, pathologisch-anatomische und histopathologische Befunde. The case report describes a narrowing of the spinal canal in the lumbar and sacroiliac regions with entailing acute recumbency in a nearterm 17-year-old Welsh B Pony mare. The reason for recumbency was metastases of a malignant melanoma in the spinal canal of the lumbo-sacral region, where the tumour had invaded the dura mater and applied severe pression on the spinal cord over a length of 10 cm. Clinical findings, laboratory diagnostics, pathological-anatomical and histopathological findings are presented. Korrespondenzadresse Dr. Lydia Hildebrandt Ambulatorische und Geburtshilfliche Tierklinik Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig An den Tierkliniken 29 04103 Leipzig E-Mail: [email protected] Metastatic malignant melanoma with spinal cord compression and resulting recumbency ante partum in a mare. A case report Tierärztl Prax 2013; 41 (G): 190–194 Eingegangen: 22. Januar 2013 Akzeptiert nach Revision: 8. April 2013 Einleitung Melanome sind gut- oder bösartige Pigmentgeschwulste, die durch Wucherungen von Melanozyten entstehen. Die melanozytären Tumoren bei den Haussäugetieren werden gemäß WHO-Klassifikation (4) in Naevi, Melanozytome (benigne Melanome), Melanoakanthome und maligne Melanome eingeteilt. Darüber hinaus gibt es beim Pferd die dermale Melanomatose der Schimmel sowie dermale anaplastische Melanome nichtschimmelfarbener Individuen (7, 15, 17, 21, 23). Melanozytäre Naevi zeichnen sich durch ihre Benignität und oberflächliches Wachstum aus. Sie kommen bei jüngeren Pferden aller Farbvarianten vor. Anaplastische, maligne Melanome treten * Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. mult. H. Bostedt zum 75. Geburtstag gewidmet. bei älteren, nicht schimmelfarbenen Tieren mit hoher Metastasierungsrate auf. Equine dermale Melanome stellen kleine erhabene Knötchen mit niedriger Metastasierungsneigung dar, während es sich bei der equinen dermalen Melanomatose um eine flächige Ansammlung dermaler Melanome mit hoher Metastasierungstendenz handelt. Beide Formen treten vornehmlich in der Perinealregion, an den äußeren Genitalien und unter dem Schweif bei Schimmeln über 15 Jahren auf. Mittel der Wahl zur Einschätzung der Dignität einer solchen melanozytären Neoplasie ist deren histopathologische Untersuchung, beispielsweise über Entnahme eines Bioptats (20, 21). Benigne Melanome können sich im Lauf der Zeit zu malignen entwickeln (19). Beim Pferd gibt es mehrere Berichte über metastasierende melanozytäre Tumoren als Ursache für neurologische Ausfallserscheinungen im Sinne eines Cauda-equina-Syndroms (6, 11, 12, 16, 18, 22). Die neurologischen Ausfälle beruhen in den meisten Fällen © Schattauer 2013 Tierärztliche Praxis Großtiere 3/2013 Downloaded from www.tieraerztliche-praxis.de on 2013-07-03 | ID: 1000521564 | IP: 139.18.25.12 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 191 L. Hildebrandt et al.: Metastasierendes malignes Melanom bei einer Stute auf einer Einengung des Rückenmarkskanals durch die infiltrativ wachsende Neoplasie. Aber auch Metastasen anderer nichtneuronaler Neoplasien, wie z. B. Lymphosarkome, multiple Myelome, extramedulläre Plasmozytome, Fibrosarkome und Hämangiosarkome, können zu einer extraduralen Kompression führen (11, 16, 18). Im Folgenden wird eine Einengung des Rückenmarkskanals im Bereich der letzten Lendenwirbel und des Iliosakralgelenks mit resultierendem akutem Festliegen bei einer hochtragenden Ponystute beschrieben. klar abgegrenzt. Fruchtteile mit Spontanbewegungen konnten in der nicht tonisierten Gebärmutter bereits in der Beckenhöhle ertastet werden. Die transrektale sonographische Untersuchung des Uterus ergab klar erscheinende Fruchtwässer und einen unauffälligen Plazentabefund. Bei der manuellen Untersuchung der Vagina wurden eine geringe Menge eines schleimigen, klaren, nicht geruchsabweichenden Sekrets festgestellt. Die Zervix war geschlossen, lag am Vaginalboden und trug zentral einen zähpappigen Schleimpfropf. Labordiagnostische Untersuchung Kasuistik Patient und Anamnese Die 17 Jahre alte, schimmelfarbene Welsh-B-Ponystute befand sich, gerechnet vom letzten Deckdatum, am 346. Trächtigkeitstag. Die vorhergehenden drei Trächtigkeiten und Geburten waren ohne Komplikationen verlaufen. Etwa 3 Wochen vor Einlieferung in die Klinik wies das Pferd erstmalig einen schwankenden Gang auf und setzte dunklen Urin ab. Wegen des näher rückenden Geburtstermins wurde die Stute ab ca. 14 Tagen vor ihrer Einweisung regelmäßig durch die Besitzer kontrolliert. Bis eine Woche vor der Klinikeinweisung legte sie sich hauptsächlich nachts nieder, stand dann aber spontan und ohne Probleme auf. Am Morgen der Klinikeinweisung wurde sie festliegend vorgefunden. Der zunächst konsultierte Haustierarzt stellte Lebenszeichen der Frucht bei noch geschlossener Zervix fest. Die Stute erhielt eine intravenöse Infusion von isotoner Kochsalz- und Glukoselösung sowie eine Dexamethason-Injektion (0,1 mg/kg i. v.). Da sich der Zustand des Festliegens nicht änderte, wurde das Tier am selben Tag überwiesen. Der Katheterharn war kaffeebraun, trüb und hatte einen aromatischen Geruch. pH-Wert (8,3; Referenzbereich [RB] 6,8-8,4) und Dichte (1035 kg/l; RB 1020-1060 kg/l) lagen im Referenzbereich. Die Glukosekonzentration im Urin betrug 13,81 mmol/l (RB negativ), der Gesamtproteingehalt 0,8 g/l (RB < 0,01 g/l). Mit der Quickfärbung konnten geringgradig irregulär geformte Tubulusepithelzellen mit Melaningranula im Zytoplasma dargestellt werden (▶Abb. 2). Im Nativsediment traten vereinzelt Plattenepithelzellen auf, einige Harnsäure- sowie zahlreiche Ammoniumuratkristalle. Die Blutuntersuchung ergab eine geringgradige Aktivitätssteigerung der CK (2511 U/l) und γ-GT (723 U/l) sowie eine erhöhte Glukose- (8,9 mmol/l) und Bilirubinkonzentration (80 µmol/l). Weiterer Verlauf Über einen venösen Zugang in der rechten V. jugularis externa erhielt die Stute einmalig ein nichtsteroidales Antiphlogistikum (Flunixin-Meglumin, 1,1 mg/kg i. v., Flunidol®-RP, CP-Pharma) Klinische Untersuchung Beim Eintreffen lag die Stute in Seitenlage fest und zeigte ein ungestörtes Sensorium. Die Herzfrequenz betrug 60 Schläge/min, die Atemfrequenz 16 Züge/min und die rektal gemessene Körperinnentemperatur 36,7 °C. Die Maulschleimhäute waren blassrosa, die kapilläre Rückfüllungszeit lag unter 2 Sekunden und das venöse Blutangebot war prompt. Die Labien erschienen gefältet und (noch) nicht ödematisiert. Perianal und perilabial sowie an der Schweifunterseite fielen multiple, verschieden große, derb-knotige, schwarze Zubildungen in bzw. unter der Haut auf, die im Bereich des Schweifansatzes teilweise ulzerierten (▶ Abb. 1). Das mäßig angebildete Euter wies schlaffe, nicht milchgefüllte Zitzen auf. Die Sensibilität im Bereich von Vorder- und Hintergliedmaßen, Körperstamm und Kopf war vorhanden, der Analreflex geringgradig vermindert. Bei der rektalen Untersuchung befand sich viel eingetrockneter, fester Kot in der Ampulla recti, den die Stute auch unter aktivem Pressen nicht spontan absetzen konnte. Im Bereich des Beckenrings ließ sich auf 11 bis 1 Uhr eine den Geburtsweg geringgradig einengende, etwa faustgroße, derb-knotige Umfangsvermehrung palpieren. Diese war nicht verschieblich und zur Wirbelsäule nicht Abb. 1 Multiple, verschieden große, derb-knotige, teilweise ulzerierende, schwarze Zubildungen unter der Haut in der Perianal- und Perilabialgegend sowie an der Schweifunterseite Fig. 1 Multiple, differentsized, rough-nodular, in parts ulcerating, black proliferations under the skin in the perianal and perilabial regions as well as at the tail base. Tierärztliche Praxis Großtiere 3/2013 © Schattauer 2013 Downloaded from www.tieraerztliche-praxis.de on 2013-07-03 | ID: 1000521564 | IP: 139.18.25.12 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 192 L. Hildebrandt et al.: Metastasierendes malignes Melanom bei einer Stute Abb. 2 Sediment des Katheterharns: geringgradig irregulär geformte Tubulusepithelzellen mit zytoplasmatischen Melaningranula (T), Ammoniumuratkristalle (A) Fig. 2 Sediment of the urine: mild irregularly shaped tubular epithelial cells with cytoplasmic melanin granules (T), ammonium urate crystals (A). Am Tag nach der abendlichen stationären Aufnahme hatte sich der Gesamtzustand nicht verändert. Es erfolgte erneut eine vollständige klinische Befundung. Aufgrund des Verdachts auf irreversible Rückenmarkschädigung durch Metastasen eines malignen Melanoms und der daraus resultierenden schlechten Prognose für die Stute wurde nach Rücksprache mit den Besitzern der Entschluss gefasst zu versuchen, das ungeborene Fohlen zu retten. Die auch für die Lungenentwicklung des Fohlens notwendige Dexamethasongabe durch den Haustierarzt lag ungefähr 36 Stunden zurück. Für die Geburtseinleitung wurden der Stute 40 IE Oxytocin (10 IE/100 kg i. v., Oxytocin 10 IE/ml®, CP-Pharma) in 500 ml Glukose 5% (Glucose "Braun" 5%-Injektionslösung, Albrecht) als Dauertropfinfusion über 30 Minuten verabreicht. Eine geburtsinduzierende Wirkung blieb jedoch aus. Die Stute zeigte keinerlei erkennbare Presswehen, die Zervix blieb fest verschlossen und der rektal palpierte Uterus wies nur einen mäßigen Tonusanstieg auf. Auf eine Wiederholung des Versuchs der Partusinduktion wurde verzichtet. Statt dessen wurde das Pferd in Allgemeinanästhesie verbracht (Romifidin, 0,05 mg/kg i. v., Sedivet®, Boehringer Ingelheim; Butorphanol, 25 μg/kg i. v., Alvegesic®, CP-Pharma; Ketamin, 2,5 mg/kg i. v., Ursotamin®, Serumwerk Bernburg) und nach Laparotomie in der Medianen und Hysterotomie ein geringgradig prämatures, lebendes Stutfohlen entwickelt. Unmittelbar danach wurde die Stute euthanasiert. Das Neugeborene konnte nach anfänglicher Intensivbetreuung und 3 Wochen mutterloser Aufzucht gesund und gut entwickelt an die Stutenhalter übergeben werden. Pathologisch-anatomische und histopathologische Befunde Abb. 3 Wirbelsäule im Lumbosakralbereich: Einbruch des malignen Melanoms (*) in den Wirbelkanal (Pfeile), insbesondere im Bereich des 4. und 5. Kreuzbeinwirbels (S4–5) mit Kompression des Rückenmarks und Infiltration der Dura mater (Pfeilspitzen) auf Höhe des 6. Lendenwirbels (L6) Fig. 3 Lumbosacral region: invasion of the malignant melanoma (*) into the spinal canal (arrows), particularly in the region of the 4th and 5th sacral vertebrae (S4–5) with spinal cord compression and infiltration of the dura mater (arrowheads) at the 6th lumbar vertebra (L6). sowie eine Dauertropfinfusion von isotoner Kochsalzlösung (NaCl 0,9%, 1,3 l/h, Fresenius Isotone Kochsalzlösung 0,9%®, Fresenius Kabi). Auch mit aktiver Unterstützung konnte sich das Tier nicht in Brust-Bauch-Lage halten. Die Gliedmaßen und der Kopf-HalsBereich wurden über Nacht abgepolstert und an der Stute so wenig Manipulationen wie möglich durchgeführt, da sie darauf jedes Mal mit Ruderbewegungen reagierte. Sie zeigte ein leicht gedämpftes Allgemeinbefinden, reagierte aber auf ihre Umgebung und nahm trotz Seitenlage angebotenes Raufutter auf. Die knotigen Umfangsvermehrungen im Bereich des äußeren Genitales und der Schweifunterseite zeigten im Anschnitt ein homogen schwarzes Erscheinungsbild. Im nahe gelegenen Bindegewebe und in der Kruppenmuskulatur, vor allem im Bereich des M. glutaeus medius, fiel eine hochgradige Infiltration mit einer schwarzen Masse auf. Weitere derartige Umfangsvermehrungen wurden in den Mm. psoas major und minor, in der Muskulatur der Bauchdecke, transmural in der Magenwand, in Mandibular-, Retropharyngeal- und Sternallymphknoten sowie dem Drüsengewebe der Glandula parotis, in beiden Luftsäcken und der Kaumuskulatur nachgewiesen. Nach der Präparation der Wirbelsäule wurde ersichtlich, dass die Neoplasie aus der angrenzenden Kruppenmuskulatur auf Höhe der letzten Lendenwirbel und des Kreuzbeins in den Wirbelkanal eingebrochen war. Dort hatte der Tumor auf einer Länge von 10 cm die Dura mater hochgradig infiltriert und das Lenden- sowie Sakralmark mittelgradig komprimiert (▶ Abb. 3). Mittels histopathologischer Untersuchung wurde die Neoplasie als epitheloidzelliges, melanotisches, hochgradig infiltrativ wachsendes und sehr pleomorphes malignes Melanom charakterisiert, das in den untersuchten Lokalisationen zahlreiche Blut- und Lymphgefäßeinbrüche aufwies. In den Nieren lag, neben einer multifokalen Nekrose der Tubulusepithelzellen, in zahlreichen © Schattauer 2013 Tierärztliche Praxis Großtiere 3/2013 Downloaded from www.tieraerztliche-praxis.de on 2013-07-03 | ID: 1000521564 | IP: 139.18.25.12 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 193 L. Hildebrandt et al.: Metastasierendes malignes Melanom bei einer Stute Glomerula, Tubulusepithelzellen, Tubuluslumina und in den Sammelrohren ein feingranuläres, braunschwarzes, mit Wasserstoffperoxid bleichbares und in der Masson-Fontana-Färbung tiefschwarz anfärbbares Pigment vor (▶ Abb. 4). Diskussion Bei etwa 15% der Hauttumoren des Pferdes handelt es sich um melanozytäre Tumoren und diese sind zu 90% benigne. Melanozyten können aufgrund bisher ungeklärter Ursachen maligne entarten und zeigen dann eine ausgeprägte hämatogene und lymphogene Metastasierungstendenz (7, 13, 17). Melanome kommen zwar bei allen Farbvarianten und Rassen vor, doch erkranken Schimmel am häufigsten daran (13, 15, 21). Die Tumoren treten beim Pferd ab einem Alter von 5–9 Jahren auf, wobei das Risiko an einem Melanom zu erkranken mit höherem Alter steigt. Bei Schimmeln im Alter von mehr als 15 Jahren wird von einer Inzidenz von über 80% berichtet (7, 17, 21). Ursache hierfür sind die Pigmentveränderungen in der Haut der mit dunklem Fell geborenen Schimmel. Durch Degradierung der Melanozyten ergraut das Haarkleid, und am häufigsten treten Melanome dort auf, wo dieser Prozess beginnt (19). Dies sind die Perinealregion, die äußeren Genitalien, der Schweifansatz, das Areal um die Augen und der obere Halsbereich (1, 7, 11, 13, 16–19, 21, 22). Anhand der Lokalisation der Tumoren am Tierkörper lässt sich keine Aussage über eine eventuelle maligne Entartung der Melanozyten treffen. Mittels histologischer Untersuchung ist es möglich, die Dignität einer melanozytären Neoplasie einzuschätzen, woraus die Prognose für diesen Einzeltumor resultiert (4). Diese Ergebnisse erlauben jedoch keinen Rückschluss in Bezug auf das biologische Verhalten anderer Melanome in der Haut des Tieres. Der deutlichste und sicherste klinische Hinweis auf eine maligne Entartung ist eine beschleunigte Wachstumsrate (7). Je nach Ort und Ausmaß der Metastasierung können die Pferde noch Jahre damit leben (1). Die Metastasierung erfolgt über Lymph- und Blutgefäße, wobei in der Regel, wie auch bei dem hier vorgestellten Pferd, die regionalen Lymphknoten zuerst Metastasen aufweisen (7, 16, 21, 22). Weitere Zielorgane sind, abhängig von der Lokalisation des Primärtumors, Lunge, Milz, Niere, Leber, Herz, Gehirn und Rückenmark (7, 21, 22). Die Lymphdrainage der Perinealregion des Pferdes erfolgt über die kaudalen Anorektallymphknoten mit anschließendem Abfluss über die Lnn. ischiadici, sacrales und Lnn. iliaci mediales (22). Die Lymphbahnen verlaufen ventral des Kreuzbeins, im Bereich des Iliosakralgelenks und ventral der letzten Lendenwirbel, was die beim vorliegenden Fall festgestellten Metastasen in der Glutealund Beckengürtelmuskulatur erklärt. Bei älteren Schimmeln ist eine ausgedehnte Metastasierung maligner Melanome bekannt (12), die auch hier eindrucksvoll anhand von Metastasen in Magen, Bauchdecke, Mandibular-, Retropharyngeal- und Sternallymphknoten, Glandula parotis, den Luftsäcken und der Kaumuskulatur nachgewiesen werden konnte. Der Einbruch der Neoplasie aus der Abb. 4 Niere (Hämalaun-Eosin-Färbung): Nachweis von feingranulärem Melaninpigment (Pfeile) in den Epithelien der Nierentubuli (T) mit Nekrose der Tubulusepithelzellen; G = Glomerulum Fig. 4 Kidney (haemalaun-eosin stain): detection of melanin pigment (arrows) in the epithelium of the renal tubules (T) with necrosis of tubular epithelial cells; G = glomerulus. Glutealmuskulatur in den Wirbelkanal mit konsekutiver Kompression des Rückenmarks ist als Ursache für die klinische Symptomatik eines Cauda-equina-Kompressionssyndroms im vorgestellten Fall zu sehen. Das Absetzen von kaffeebraunem Urin lässt sich am ehesten auf die Ausscheidung von Melaningranula aus den Tumorzellen zurückführen, da dieses Pigment histologisch in den Epithelien und den Lumina der Nierentubuli sowie zytologisch in Tubulusepithelien im Harnsediment nachgewiesen wurde. Darüber hinaus zeigten die Tubulusepithelzellen ausgedehnte Nekrosen, obwohl Melanin allein nicht als nephrotoxisch gilt (9). Möglicherweise bestand bei dieser Stute eine polyfaktoriell bedingte Läsion der Nieren, da durch die gleichzeitige Schädigung der Skelettmuskulatur zusätzlich Myoglobin freigesetzt wurde, das nephrotoxisch wirken kann (9). Der klinisch interessante Aspekt dieses Falls ergibt sich aus der anfänglichen Ataxie bzw. aus dem Festliegen mit Absetzen von kaffeebraunem Harn bei einer hochtragenden Stute, was zunächst den Verdacht auf eine trächtigkeitsbedingte oder von einer Schädigung der Muskulatur ausgehende Ätiologie nahelegte. Die blutchemische Untersuchung wies auch eine geringgradig erhöhte Aktivität der CK und γ-GT sowie einen erhöhten Glukose- und Bilirubinspiegel auf. Aufgrund der nur in geringem Ausmaß erhöhten Werte ist jedoch davon auszugehen, dass diese aus dem Festliegen, der vorberichtlich bereits über die letzten Wochen bestehenden schlechteren Beweglichkeit und einer vermutlich daraus folgenden reduzierten Futteraufnahme resultierten und nicht die Ursache für das Festliegen waren. Der Nachweis der pleomorphen, pigmenthaltigen Zellen im Urin und letztlich die Obduktion konnten bestätigen, dass die Hauptursache für die klinischen Symptome die Kompression des Kreuz- und Lendenmarks sowie multifokal der Tierärztliche Praxis Großtiere 3/2013 © Schattauer 2013 Downloaded from www.tieraerztliche-praxis.de on 2013-07-03 | ID: 1000521564 | IP: 139.18.25.12 For personal or educational use only. No other uses without permission. All rights reserved. 194 L. Hildebrandt et al.: Metastasierendes malignes Melanom bei einer Stute Fazit für die Praxis Melanozytäre Neoplasien in der Haut des Pferdes sind zu 10% maligne und zeigen eine hohe hämatogene und lymphogene Metastasierungstendenz. Der deutlichste und sicherste klinische Hinweis auf eine maligne Entartung ist eine beschleunigte Wachstumsrate. Am häufigsten treten Melanome bei älteren Schimmeln in der Perinealregion, an den äußeren Genitalien, dem Schweifansatz, um die Augen und im oberen Halsbereich auf. Im Perineum vorkommende maligne Melanome können in die Hintergliedmaßenmuskulatur und in den Wirbelkanal metastasieren, woraus klinisch ein Cauda-equinaKompressionssyndrom resultiert. Folglich sollte bei Pferden mit einer diesem Fall ähnlichen Symptomatik neben orthopädischen oder muskulären Ursachen auch ein metastasierendes Melanom differenzialdiagnostisch bedacht werden. Skelettmuskulatur durch eine metastasierende melanozytäre Neoplasie war. Im Fall einer nachgewiesenen Metastasierung ist die Therapie von Melanomen schwierig und hätte im vorliegenden Fall aufgrund der Schädigung mehrerer Organe nicht durchgeführt werden können. Ziel sollte somit sein, die Dignität melanozytärer Tumoren zu bestimmen und maligne Neoplasien frühzeitig chirurgisch zu entfernen (18), soweit dies Lokalisation und Größe der Tumoren gestatten. Neben einer chirurgischen Therapie besteht die Option, das Wachstum und die Streuung der Melanome durch orale Gabe von Cimetidin, einem Antihistaminikum, zu verzögern. Cimetidin wirkt immunmodulierend, indem es die Immunsuppression umkehrt, die durch die bei Tumorpatienten vermehrt vorkommenden T-Suppressor-Zellen induziert wird (2, 3, 5, 21). Die Wirkung von Cimetidin erfolgt nur träge. So tritt eine antitumoröse Wirkung meist nicht vor 3–4 Monaten nach Therapiebeginn ein. Die Dosis wird mit 2,5 mg/kg TID p. o. angegeben (2, 3, 5, 21). Interessenkonflikt Die Autoren bestätigen, dass kein Interessenkonflikt besteht. Literatur 1. Garvican ER, Elce YA, Woolard K, Blikslager AT. Preputial melanoma with systemic metastasis in a pony gelding and disseminated metastatic melanoma in a Thoroughbred gelding. Equine Vet Educ 2007; 19: 312–315. 2. Goetz TE, Ogilvie GK, Keegan KG. Cimetidine for treatment of melanomas in three horses. J Am Vet Med Assoc 1990; 196: 449–452. 3. Goetz TE, Boulton CH, Ogilvie GK. Clinical management of progressive multifocal benign and malignant melanomas of horses with oral cimeti- dine. Proceedings of the Annual Convention of the American Association of Equine Practitioners 1990; 35: 431–438. 4. Goldschmidt MH, Dunstan RW, Stannard AA, von Tscharner C, Walder EJ, Yager JA. Melanocytic tumors. In: Anon. Histological classification of epithelial and melanocytic tumors of the skin. 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