Krankenbericht

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Giessen den 01.06.2006
Krankenbericht
Das Pferd „XXX“ (Kliniksnummer: xxxxxxxxxx) wurde am 21.06.2006 der Klinik für
Geburtshilfe, Gynäkologie, Andrologie für Groß- und Kleintiere der Justus-Liebig-Universität
in Giessen erstmalig vorgestellt.
Die Allgemeine klinische Untersuchung wie auch die spezielle Untersuchung finden noch am
selben Tag in der Grosstierambulanz statt.
Anamnese
Signalement:
Bei „xxxx“ handelt es sich um eine dunkelbraune bis schwarze Warmblut Stute. Sie ist im
Jahre 1988 geboren und hat ein Gewicht von ca. 600kg.
Das Pferd wird vorgestellt weil der Verdacht auf eine Zwillingsgravidität vorliegt. Die Stute
soll nun zur Geburtsüberwachung in der Klinik stationär aufgenommen werden.
Vorberichtlich hatte die Stute bereits eine Zwillingsgeburt im Jahre 2004.
Die Besamung der Stute fand am 2.08.2005 statt, der somit errechnete Geburtstermin ist der
2.06.2006
Allgemeine klinische Untersuchung:
Pflege- und Ernährungszustand sind gut. Das Haarkleid ist glänzend und liegt dem Körper
glatt an. Das Pferd belastet in Ruhe alle vier Gliedmassen gleichmässig. Im Schritt ist die
Stute lahmfrei.
Die Pulsfrequenz stimmt mit der Herzfrequenz überein und beträgt 40 Schlägen/Minute. Das
Herz schlägt kräftig und regelmäßig und es sind keine Nebengeräusche hörbar. Die V.
jugularis ist beidseitig gleichmäßig anstaubar.
Die Atemfrequenz ist regelmäßig und beträgt 16 Atemzüge/Minute, Husten ist nicht
auslösbar. Auch die Auskultation der Lunge bleibt ohne besonderem Befund. Nasenausfluss
ist nicht feststellbar.
Die Körperinnentemperatur liegt bei 37,6° C.
Die Darmperistaltik ist in allen 4 Quadranten normal stark ausgeprägt. Der Kot ist von
weicher Konsistenz.
Die Lymphonoduli mandibulares sind geringgradig vergrößert.
Die Schleimhäute sind blass rosa, feucht, glatt, glänzend und ohne Auflagerungen. Die
Kappiläre Rückfüllzeit liegt unter 2 Sekunden.
Der Hauttugor des Pferdes ist nicht Vermindert.
Harnabsatz kann während der Untersuchung nicht beobachtet werden.
Spezielle klinische Untersuchung:
Adspektion: Die Labien sind gefältelt, Rima vulvae geschlossen und das Perineum 2cm dick.
Vaginale Untersuchung: Die Vestibulum Schleimhaut und die Vaginal Schleimhaut lassen
sich ohne besonderen Befund darstellen. Der Hymenalringschluss fehlt, die Cervix ist noch
geschlossen und der Schleimpfropf intakt. Eine Tupferprobe wurde nicht gemacht.
Rektale Untersuchung: Die Cervix lässt sich ertasten und es kann kein besonderer Befund
erhoben werden. Der Uterus befindet sich anterio pelvin, ist nicht abgrenzbar und schlaff. Die
Frucht liegt weit dorsal und ist noch nicht hervor getreten. Fruchtbewegungen sind aber zu
ertasten. Bei der rektalen Untersuchung wird noch eine Sonographie des Fruchtwassers
angeschlossen, welches sich klar und ohne korpuskuläre Bestandteile darstellen lässt.
Das Euter ist bereits geringgradig angebildet.
Die Stute wird zur weiteren Geburtsüberwachung in der Klinik stationär aufgenommen
Geburtsüberwachung:
Die Stute wird nach der stationären Aufnahme alle zwei Stunden kontrolliert. Beachtung
finden hierbei mögliche Verhaltensänderungen, die eine nahende Geburt andeuten. Die Stute
zeigte sich durchweg aufmerksam und ruhig mit normaler Schweifhaltung.
Zusätzlich wird täglich mehrmals das Euter überprüft, welches sich schon am
darauffolgenden Tag mittelgradig angebildet hatte. Zwei Tage später konnten Harztropfen am
Euter gesehen werden. Die Zitzen zeigten keinen Glanz und es konnten in den
darauffolgenden Tagen auch keine Milchtropfen an den Zitzen gefunden werden, welches
Zeichen einer unmittelbar bevorstehenden Geburt wären.
Epikrise:
Vorraussetzung für eine Zwillingsgravidität sind Doppelovulationen, welche bei Grosspferden
während der ovulatorischen Saison in etwa 10-20% aller Östren auftreten. Diese münden in
den überwiegenden Fällen in einer frühen Zwillingsgravidität, welche durch eine
Ultraschalluntersuchung um den 14.-16. Tag nachgewiesen werden kann. Eine solche
Ultraschall Untersuchung, welche routinemäßig durchgeführt werden sollte, wurde bei der
Stute „Ico Sanja“ nicht durchgeführt.
Die Entstehung von Doppelovulationen wird durch den zunehmenden Einsatz von HCG zur
Ovulationsauslösung im Rahmen der Besamung von Stuten begünstigt.
Beim Pferd handelt es sich hauptsächlich um dizygote Zwillinge, wohingegen eineiige
Zwillinge extrem selten nur vorkommen.
Beim Pferd gibt es physiologischerweise einen Selbstreduktionmechanismus, der einer
Zwillingsträchtigkeit vorbeugt. Dieser Selbstreduktionsmechanismus funktioniert bei der
Mehrzahl aller vor dem 18. Tag der Gravidität vorhandenen Zwillinge, welche dadurch zum
Einling reduziert werden woran sich eine normale Trächtigkeit anschließt.
Die Effektivität des Selbstreduktionsmechanismus ist unterschiedlich ausgeprägt, abhängig
von der Lage der Zwillinge. Ungefähr ein drittel aller Zwillinge fixieren sich unilateral (ca.
ein drittel bilateral). In dieser Lage liegt die Wahrscheinlichkeit bei bis zu 85%, dass eine
Fruchtanlage resorbiert wird. Des weiteren wird die Wahrscheinlichkeit zur Reduktion zum
Einling sowohl durch eine asynchrone Ovulation als auch durch einen Kontakt mit der
Uteruswand eines Zwillings beeinflusst.
Zwillingsgraviditäten haben eine extrem schlechte Prognose. Mögliche Folgen können neben
Abort und Geburt toter oder unreifer Fohlen auch die Infertilität der Mutterstute sein. Aus
diesem Grund ist eine frühzeitige Diagnose sowie eine erfolgreiche Intervention höchst
notwendig. Eine Sonographische Untersuchung sollte aus diesem Grund routinemäßig bei
allen tragenden Stuten um den 16. Tag der Gravidität vorgenommen werden. Der 16. Tag
empfiehlt sich aber auch als geeigneter Zeitpunkt weil diese Zeit die günstigste Phase für eine
erfolgreiche Reduktion von Zwillingen durch Abdrücken von einer der beiden
Zwillingsanlagen darstellt. Hierbei ist das Abdrücken mit der Hand oder mit der
Ultraschallsonde Methode der Wahl. Abzudrücken ist entweder die kleinere der beiden
Fruchtanlagen, oder im Falle von gleich großen, die der Uterushornspitze am nähesten
gelegene Fruchtanlage. Das ganze sollte möglichst exakt und schonend für den verbleibenden
Zwilling verlaufen. Grundvoraussetzungen dafür ist nach der exakten sonographischen
Bestimmung der Position beider Fruchtanlagen, das Abdrücken einer Fruchtanlage möglicht
im Uterushorn, was ein vorschieben der einen Fruchtanlage dorthin voraussetzt. Das
Vorschieben in das Uterushorn an das sich ummittelbar das Abdrücken anschließt minimiert
die schädlichen Einflüsse von Fruchtflüssigkeit und Geweberesten des zerstörten Zwillings
auf den Verbleibenden. Dieser frühe Eingriff (in der Präfixationsphase) hat eine
Erfolgsaussicht von bis zu 90%.
Findet der Eingriff erst nach dem 20. Tag der Gravidität statt ( in der Postfixationsphase)
besteht lediglich bei bilateral gelegenen Zwillingen eine nennenswerte Chance zum
erfolgreichen Abdrücken mit Überleben des Anderen.
Sollte eine Zwillingsgravidität erst nach dem 25.- 30. Tag der Gravidität festgestellt werden
ist es ratsam ab dem 2. bis 3. Monat der Gravidität andere Verfahren der Zwillingsreduktion
anzuwenden. Hierzu gehört die transvaginale Punktion eines Zwillings unter sonographischer
Kontrolle. Wichtig hierbei ist, dass der verbleibende Zwilling nicht traumatisiert wird.
Deswegen ist es von großer Wichtigkeit, dass die Lage der Zwillinge genauestens bekannt ist
und jener Zwilling für die Punktion ausgewählt wird, welcher mit der Punktionsnadel am
besten zu erreichen ist ohne den anderen zu traumatisieren. Nach der Punktion kann man
entweder die Allantois- und Amnionflüssigkeit absaugen, toxische Substanzen injizieren oder
es auch bei der einfach Punktion belassen, welches in den meisten Fallen auch schon zum
Absterben des Zwillings führt. Allerdings führt diese Methode meist auch zum Absterben
oder zum späteren Abort des nicht punktierten Zwillings. Auch die transcutane Punktion, bei
der kranial des Gesäuges mit einer langen Punktionsnadel in das Herz des Fetus toxische
Substanzen injiziert werden, führt meist zum Absterben des Anderen.
Eine günstigere Prognose bietet hingegen die transrectale Schädigung und Ablation von
Plazenta mit Druckeinwirkung auf den Fetus unter sonographischer Kontrolle. Hierbei
empfiehlt es sich denjenigen Zwilling für die Elimination auszuwählen, der kleiner ist und
dessen Plazenta und im Vergleich weniger feto-maternale Kontaktfläche besitzt. Diese
Methode führt im Anschluss zu einem langsamen Absterben des einen Zwillings, welches
sonographisch täglich kontrolliert werden sollte und gegebenenfalls nach 10 Tagen wiederholt
werden muss, sollte er noch am leben sein.
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