Die Forschungsförderung der Schweizerischen Herzstiftung

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Aktiv gegen Herzkrankheiten und Hirnschlag
Die Forschungsförderung
der Schweizerischen Herzstiftung
Ein Einblick in die Herz-Kreislauf-Forschung in der Schweiz
Inhalt
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Vorwort
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Warum Forschung?
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Aktuelle Themen der Herz-Kreislauf-Forschung
Forschungsthema Herzmuskel: Hoffnungsträger Stammzelltherapie
Forschungsthema Arteriosklerose: Gesunde Gefässe für ein gesundes Herz
Forschungsthema Hirnschlag: Weniger Behinderungen dank besserer Therapie
Forschungsthema Gefässkrankheiten: Von den Beinen zu Herz und Hirn
Forschungsthema Herzchirurgie: Medizin und Technologie gehen Hand in Hand
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Meilensteine der Herz-Kreislauf-Forschung
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Förderung der Herzforschung in der Schweiz: Wo stehen wir heute?
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Die Forschungsförderung der Schweizerischen Herzstiftung
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Die unterstützten Forschungsprojekte 2006
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Die bewilligten Forschungsprojekte 2007
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Der Forschungspreis der Schweizerischen Herzstiftung
30
Die Schweizerische Herzstiftung: Aktiv gegen Herzkrankheiten und Hirnschlag
Impressum
Herausgeberin und Bezugsquelle:
Schweizerische Herzstiftung
Schwarztorstrasse 18, Postfach 368
CH-3000 Bern 14
Telefon 031 388 80 80
Telefax 031 388 80 88
[email protected]
www.swissheart.ch
Diese Publikation ist auch in französischer Sprache erhältlich
© Schweizerische Herzstiftung
Erscheinungsdatum: Januar 2008
Hinweis in redaktioneller Sache: Um den Text nicht schwerfällig zu machen,
verwenden wir vorwiegend die männliche Form. Sie steht somit stellvertretend
für die weibliche. Wir danken für Ihr Verständnis.
Produktionsverantwortung:
Therese Junker, Geschäftsführerin Schweizerische Herzstiftung
Rahel Bracher, Wissenschaftliches Sekretariat Schweizerische Herzstiftung
Konzeptionelle und redaktionelle Mitarbeit:
Dr. med. Eva Ebnöther, Basel
Übersetzung französisch: Claude Hugonnaud, Ferreyres
Grafische Gestaltung: Jenny Leibundgut, Bern
Bilder, Grafiken: Archiv Schweizerische Herzstiftung und Autoren
Druck: Gassmann AG, Biel
Liebe Gönnerinnen und Gönner der
Schweizerischen Herzstiftung
Seit die Schweizerische Herzstiftung gegründet wurde, ist die
Förderung der Herz-Kreislauf-Forschung eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Obwohl Erkrankungen von Herz und Gefässen heute besser behandelt werden können als noch vor 20
oder 50 Jahren, erkranken und sterben nach wie vor viel zu
viele Menschen daran. Es gilt also, vertiefte Erkenntnisse
über die Funktionen von Zellen und Stoffwechselmechanismen zu gewinnen, bessere Diagnose- und Therapiemöglichkeiten zu entwickeln und die Möglichkeiten der Vorbeugung
zu erkennen und zielgerichtet einzusetzen. Dazu braucht es
engagierte Forscherinnen und Forscher, die in Labors, an Kongressen, in Untersuchungszimmern und Operationssälen
nach Antworten auf momentan noch offene Fragen suchen.
Doch Forschung ist nicht gratis. Wer forschen will, braucht
eine langjährige Ausbildung, motivierte und mitdenkende
Mitarbeitende, gut eingerichtete Arbeitsplätze mit den entsprechenden, oft sehr teuren Geräten und Materialien sowie
ein Umfeld, das den Austausch fördert. Das alles ist aufwändig, und die Kosten können nicht allein von der öffentlichen
Hand aufgebracht werden. Deshalb unterstützt die Schweizerische Herzstiftung mit Hilfe von Spenden und Legaten von
Gönnerinnen und Gönnern viel versprechende Forschungsprojekte finanziell.
In dieser Broschüre möchten wir Ihnen aufzeigen, wie Ihre
Spenden zur Forschungsförderung verwendet werden. Namhafte Herz-Kreislauf-Forscher der Schweiz aus den Forschungsgebieten Gefässerkrankungen, Herzmuskulatur, Atherosklerose, Hirnschlag und Herzchirurgie erklären die Projekte,
an denen sie arbeiten, und mit welchen Fragen sie sich
beschäftigen. Damit können wir Ihnen natürlich nur kleine
Einblicke in die Vielfalt der Herz-Kreislauf-Forschung geben;
neben den erwähnten Gebieten gibt es noch eine ganze
Reihe anderer, ebenso wichtiger Forschungsthemen wie angeborene Herzfehler, Aneurysmen, Stoffwechselstörungen etc.
Auch die Forschungsförderung der Schweizerischen Herzstiftung stellen wir Ihnen in dieser Broschüre vor: Wie werden
die Forschungsprojekte ausgewählt? In welche Forschungsgebiete wird wie viel investiert? Und warum ist die unabhängige Forschungsförderung so wichtig?
oder moderne Medikamente, die vor zwanzig oder dreissig
Jahren mit Hilfe von Forschungsförderung entwickelt wurden,
gehören heute zum Standard und retten jährlich Tausenden
von Menschen das Leben. Das Wissen, das momentan in der
Forschung gewonnen wird, wird dazu beitragen, die Situation
von Patienten mit Herz-Kreislauf-Krankheiten zukünftig weiter zu verbessern.
Der Physiker Sir Isaac Newton (1643–1727), der mit seinen
Erkenntnissen die damalige Wissenschaft revolutionierte, antwortete auf die Frage, wie es möglich sei, dass er als einzelner Mensch so viele bahnbrechende Entdeckungen machen
konnte, sehr bescheiden: «Wenn ich weiter gesehen habe
als andere, dann nur deshalb, weil ich auf den Schultern von
Riesen stehe.» Mit diesem Satz setzte er allen Forschenden
ein Denkmal, die vor ihm Erkenntnisse gewonnen hatten,
auf denen er und andere Wissenschaftler aufbauen konnten.
Newtons Satz gilt heute mehr denn je! Diejenigen, die heute
am Forschen sind, bauen auf dem Wissen auf, das andere vor
ihnen zusammengetragen haben. Nur dadurch können Fortschritte erzielt werden und in Zukunft zur Weiterentwicklung
von neuen Diagnose- und Behandlungsmethoden beitragen.
In diesem Sinne möchten wird Ihnen, unseren Gönnerinnen
und Gönnern, auch im Namen von zukünftigen Generationen
von Forschenden und Herz-Kreislauf-Patienten heute ganz
herzlich dafür danken, dass Sie die Forschungsförderung der
Schweizerischen Herzstiftung unterstützen.
Prof. Ludwig K. von Segesser
Präsident der Schweizerischen Herzstiftung
Prof. Ludwig K. von Segesser ist Präsident der Schweizerischen Herzstiftung,
Mitglied des Wissenschaftlichen Ausschusses der Schweizerischen Herzstiftung und Chefarzt des Departements
Kardiovaskuläre Chirurgie am Universitätsspital Lausanne.
Wer die Forschung fördert, kann in der Regel keinen unmittelbaren «Gewinn» erwarten. Denn neue Erkenntnisse lassen
sich meistens nicht von heute auf morgen erlangen. Gute Forschung braucht Zeit, was im heutigen, schnelllebigen Zeitalter
oft auf wenig Verständnis stösst. Doch Forschungsförderung
ist eine Investition in die Zukunft. Manche Therapiemethoden,
wie beispielsweise die Einlage von Stents, Herzschrittmacher
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Warum Forschung?
Ein 62-jähriger Weinbauer aus dem Unterwallis spürt frühmorgens ein Unwohlsein,
dann hat er Schmerzen in der Brust. Seine
Tochter, die als Gemeindekrankenschwester
arbeitet und den Eltern bei der Weinlese
geholfen hat, erkennt die Symptome ihres
Vaters als Herzinfarkt und alarmiert über
die Nummer 144 die Ambulanz zum Transport ins Spital Sion. Auf der Fahrt ereignet
sich ein Herzstillstand, der vom Beifahrer
prompt defibrilliert wird. Ein vororientierter
Kardiologe und seine Helfer eröffnen im
Spital die vorne absteigende Koronararterie
unverzüglich mit einem kleinen Ballon.
Zwischen dem Beginn der Brustschmerzen
und der Wiedereröffnung des Gefässes
mit Stent-Einsatz vergehen kaum zwei
Stunden, sodass das Herz des Weinbauers
praktisch keinen Schaden erlitten hat. Vor
dreissig Jahren wäre der Mann gestorben –
warum ist es heute möglich, sein Leben zu
retten? Nur durch Forschung, Innovation
und Anwendung der Erkenntnisse im medizinischen Alltag!
Angiografie, Ballonkatheter und Stents
In den Siebzigerjahren, als ich Kardiologe in Zürich war, eignete sich das Kardiologieteam die Koronarangiografie an, das
heisst die radiologische Darstellung der Herzkranzge­fässe.
Der Widerstand des Radiologie-Chefarztes war gross – er
wollte nicht, dass Kontrastmittel ausserhalb des Röntgeninstituts eingespritzt würde; deshalb schickte ich einzelne meiner Mitarbeiter als Assistenten in die Radiologie und widmete
mich in meiner Habilitationsarbeit der Röntgendensitometrie, welche die Grundlage der Angiografie und der Computer­
tomografie darstellt.
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Einem meiner damaligen Assistenten, Andreas Grüntzig,
gelang es im Jahr 1977 erstmals, bei einem 36-jährigen
wachen Patienten eine verengte, aber nicht verschlossene
Koronararterie mit dem Ballonprinzip aufzudehnen. Untersuchungen an Arterien von Verstorbenen und Forschungen an
Schweinen und Hunden waren vorausgegangen. Die kardiologische Welt war zuerst äusserst skeptisch, dass man ohne
Eröffnung des Brustkorbs – sozusagen den natürlichen Wegen
folgend – in den Koronararterien arbeiten konnte. Im Vergleich zu den heutigen, perfektionierten Kathetern und Ballonen waren unsere Instrumente primitiv und schwer zu
handhaben. Doch dank der Materialforschung, zunächst an
der ETH, dann in verschiedenen Zweigen der Industrie, wurden die Instrumente über die Jahre wesentlich verbessert.
Gegen den Herzinfarkt war zu dieser Zeit aber noch kein
Kraut gewachsen. Erst allmählich erkannte man dessen Ursache: eine Thrombose in einem Koronargefäss. Also erforschte
man Substanzen, welche Thrombosen auflösen konnten. Die
intravenöse Gabe dieser Substanzen führte zur Auflösung von
frischen Thromben, leider aber auch zu einer allgemeinen Blutungsneigung, die manchmal eine fatale Hirnblutung auslöste. Ein weiterer Schritt nach vorne waren die Stents, kleine
Röhren aus Drahtgeflecht. Einer meiner früheren Mitarbeiter,
Ulrich Sigwart, entwickelte solche Stents in Zusammen­arbeit
mit einer kleinen Firma. 1986 wendete er sie in Lausanne
erstmals an: zum Offenhalten einer nach Ballondilatation
erneut verschlossenen Herzkranzarterie bei einer 51-jährigen
Frau. Leider kam es manchmal sogar bei der Einlage von
Stents zu den gefürchteten Stent-Thrombosen. Diese konnten
erst durch die Einsicht, dass die Blutplättchen in der ersten
Phase der Thrombosierung die Hauptrolle spielen, besser
gemeistert werden. In Labors von Universitäten und in Firmen
wurde fieberhaft nach neuen Substanzen zur Plättchenhemmung gesucht, die heute bei der Stent-Einlage Routine
geworden sind.
Mit der Anwendung jeder neuen Methode eröffnen sich neue
Horizonte, manchmal auch neue Therapiemöglichkeiten. Man
denke etwa an den Ultraschall für die Darstellung des schlagenden Herzens oder an die Anwendung von elektrischen
Stromstössen zur Defibrillation des Herzens oder an die
Schrittmachertherapie – weitere Meilensteine der Forschung,
die heute Tausenden von Patienten von Nutzen sind.
Forschung zu neuen Medikamenten
Trotz Chirurgie, Ballondilatation und Stent-Einsatz lässt sich
die koronare Herzkrankheit nicht heilen, sondern nur «flicken». Damit diese Krankheit erst gar nicht entsteht, spielen
ein gesunder Lebensstil in Eigenverantwortung und verschiedene Medikamente eine wichtige Rolle. Diese Medikamente
können vielfach sogar Einriffe ersetzen.
Bei der Vorbeugung von Herzinfarkt, Herzschwäche, Hirnschlag und der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit sind
im Wesentlichen vier grosse Medikamentengruppen bedeutsam: Plättchenhemmer wie beispielsweise Aspirin, Statine
zur Verminderung der Blutfettwerte, ACE-Hemmer und/oder
Angio­tensinblocker zur Senkung des Blutdrucks und Betablocker. Verschiedene Vertreter dieser Medikamentengruppen
kommen heute fast allen Gefässkranken zugute.
Einige Schwerpunkte der heutigen Herz-Kreislauf-Forschung
sind bessere Verfahren zur Bildgebung, die ursächliche Erforschung krankmachender Mechanismen, die weitere Verfeinerung der operativ-interventionellen Techniken am wachen
Menschen sowie die Nutzung des Potenzials von Stammzellen aus dem Knochenmark und anderen Quellen, um den
geschädigten Herzmuskel durch Gefässneubildung zu regenerieren.
Diese Wirkstoffe wurden durch kluge Köpfe vorwiegend in
der forschenden pharmazeutischen Industrie entwickelt. Dazu
waren und sind grosse Auslagen nötig. Die grundlegende Entwicklung und die anschliessend notwendigen klinischen Studien, die zwischen Wert und Unwert einer Substanz entscheiden, verschlingen enorme Summen. Man rechnet, dass ein
innovatives Medikament bis zu seiner breiten klinischen Einführung ohne weiteres eine Milliarde Franken kosten kann.
Die enge Zusammenarbeit von Grundlagenforschern und Klinikern spielt in diesem Zusammenhang eine sehr wichtige
Rolle, damit in der Forschung und Entwicklung Durchbrüche
erzielt werden können.
Warum also Forschung – und Forschungsförderung?
Forschung ist nicht nur wichtig zur Verbesserung von Einzelschicksalen, sei es durch bessere Vorbeugung oder optimale
Behandlung. Es hat sich gezeigt, dass generell Forschung und
Entwicklung im Gesundheitswesen und in anderen Sektoren
entscheidende Kräfte für das ökonomische Wachstum eines
Landes bilden. Die Kapazität zur Innovation garantiert Wohlstand und Vollbeschäftigung. Zwar steht die Schweiz in dieser
Hinsicht zurzeit immer noch in den vordersten Rängen. Aber
es gilt, die Zeichen der Zeit vorausschauend zu erfassen. Der
staatliche Anteil der Ausgaben für Ausbildung und Forschung
an den gesamten Finanzausgaben hat Ende der Neunzigerjahre nachgelassen. Für die Jahre 2008–2011 haben die eidgenössischen Räte aber eine Zunahme von 6 Prozent pro Jahr
für Bildung und Forschung vorgesehen. Die Sicherung hoher
Forschungsqualität und Innovation und die Stärkung des
wissenschaftlichen Nachwuchses gehören zu den grössten
Herausforderungen für unser Land.
Hoffnungsträger Forschung
Forschung war und ist auch der Garant für eine bessere HerzKreislauf-Gesundheit. In allen Bereichen der Forschung sind
in Zukunft noch grössere und besser koordinierte Anstrengungen notwendig. Denn in der Forschung und Entwicklung
geht es ständig darum, ein hohes Niveau aufrechtzuerhalten.
Ein nationales Herz-Kreislauf-Institut, wie es in vielen Ländern existiert, gibt es bei uns nicht. Die föderalistische Vielfalt
der Schweiz ist eine Stärke unseres Landes, im Gesundheits­
wesen stösst sie jedoch an ihre Grenzen. Um den Rückstand
der Schweiz in bestimmten Bereichen der Vorbeugung aufzuholen, wäre eine stärkere Koordination durch den Bund wünschenswert, zum Beispiel in Form eines Präventionsgesetzes.
Vorbeugung, Früherkennung, rasche und optimale Behandlung im Notfall, Rehabilitation, Förderung des Gesundheits-/
Krankheitsverständnisses durch Einsicht in die eigene Verantwortung und definitive Umstellung auf einen gesunden
Lebensstil leisten neben flankierenden gesundheitsfördernden
Massnahmen den besten Beitrag für eine «herzkreislaufgesunde» Schweiz. Ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel, Rauchen und Übergewicht wurden allgemein als Hemmnisse auf diesem Weg erkannt. Hier sind vermehrt positive
Anreize notwendig. Wesentliche Fortschritte sind beispielsweise in der Tabakprävention durch gesetzliche Grundlagen
zu erwarten.
Forschungsförderung war und ist seit der Gründung der
Schweizerischen Herzstiftung unsere zentrale und damit traditionsreichste Aufgabe. Sie als unsere Gönner können dabei
eine ganz wesentliche Rolle spielen! Für solche wichtigen
Aufgaben sind Ihre grossen und kleinen Spenden notwendig.
Wir sind allen Gönnerinnen und Gönnern der Schweizerischen
Herzstiftung für ihre Unterstützung in der Vergangenheit und
in Zukunft zu tiefem Dank verpflichtet.
Prof. Wilhelm Rutishauser
Prof. Wilhelm Rutishauser ist Mitglied
der Direktion und des Stiftungsrates der
Schweizerischen Herzstiftung. Er war
während fünfzehn Jahren Vorsitzender
des Wissenschaftlichen Ausschusses und
von 1997–2003 Präsident der Schweizerischen Herzstiftung.
Es geht also in der Forschung in Zukunft auch um ein vertieftes Studium und Verständnis der vaskulären Erkran­kungen,
des Übergewichts, des Diabetes sowie der Alterungsvor­gänge.
5
Aktuelle Themen der
Herz-Kreislauf-Forschung
Trotz medizinischem Fortschritt sind Häufigkeit und Sterblichkeit von Herz-Kreislauf-Krankheiten immer noch sehr hoch.
Die Forschung auf dem Gebiet der HerzKreislauf-Erkrankungen hat zum Ziel, einerseits diese Erkrankungen durch gezielte
vorbeugende Massnahmen zu verhindern, andererseits die Lebensqualität und
Lebensdauer der betroffenen Patienten zu
erhöhen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind
sowohl Grundlagenforschung als auch klinische Forschung mit Patienten nötig. Auf
den folgenden Seiten werden aktuelle Forschungsgebiete vorgestellt, von denen man
eine wesentliche Verbesserung der Prävention, Diagnostik und Behandlung der HerzKreislauf-Erkrankungen erwartet. Auf allen
Gebieten tragen Forschende in der Schweiz
entscheidend zu den Erfolgen bei.
■ Forschungsthema Herzmuskel:
Hoffnungsträger Stammzell­
therapie
Bei den meisten Herz-Kreislauf-Erkrankungen
sind die eingeschränkte Lebensqualität und der
vorzeitige Tod durch eine Schädigung des Herzmuskels bedingt. Das bekannteste Beispiel ist der
Herzinfarkt. Aber auch andere Krankheiten wie
Bluthochdruck, Herzklappenfehler, Entzündung
des Herzmuskels und angeborene Herzfehler führen zu einem fortschreitenden Absterben von
Herzmuskelzellen.
Den Schaden am Herzmuskel begrenzen
Die Signalwege in der Zelle, welche die Schädigung der Herzmuskelzellen bewirken, werden heute intensiv erforscht. So
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weiss man inzwischen, dass sich die Schädigung des Herzmuskels vermindern lässt, wenn der Signalweg des Hormons
Angiotensin II durch so genannte ACE-Hemmer oder Angio­
tensin-Rezeptor-Blocker gehemmt wird. Es gibt aber auch
Signalwege, welche die Herzmuskelzellen vor schädigenden
Einflüssen schützen. Eine Berner Forschergruppe hat kürzlich einen «Überlebens-Signalweg» (Neuregulin-1-Signalweg)
identifiziert. Das Ausschalten schädigender und das Aktivieren schützender Signalwege werden es ermöglichen, das
Absterben von Herzmuskel bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen
weiter zu vermindern und den Verlust an Herzmuskelzellen zu
begrenzen.
Abgestorbene Herzmuskelzellen wachsen
nicht nach
Die Muskelzellen des Herzens können sich nach der Geburt
nicht mehr teilen. Deshalb können Herzmuskelzellen, die bei
einem Herzinfarkt oder einer anderen Herzerkrankung absterben, nicht ersetzt werden. Anstelle der geschädigten Zellen
entsteht Narbengewebe, das sich aber nicht wie Muskelgewebe zusammenziehen kann. Dadurch wird die Leistungsfähigkeit des Herzens eingeschränkt.
Bis vor wenigen Jahren schien die Herztransplantation die
einzige Möglichkeit, einem Patienten mit schwer reduzierter
Herzleistung funktionsfähige Herzmuskelzellen zurückzugeben. Im Tierreich können gewisse Fische und Amphibien
geschädigten Herzmuskel aber ersetzen. Deshalb interessieren sich Forscher für die Frage, ob sich nicht auch beim Menschen die Zellmechanismen, die den Ersatz von abgestor­­­­b­enem Herzmuskel ermöglichen, reaktivieren lassen. Dazu ist
intensive Grundlagenforschung notwendig. Wie entstehen
Herzmuskelzellen beim Embryo? Welche Gene müssen aktiv
werden, damit eine Zelle im Verlauf der Entwicklung zur Herzmuskelzelle wird? Wann und weshalb geht die Teilungsfähigkeit der Zellen verloren?
Trotz intensiver Suche nach Antworten auf diese Fragen sind
die Aussichten aber gering, dass ein Herzmuskelschaden in
näherer Zukunft repariert werden kann, indem man die Teilung von den verbleibenden Herzmuskelzellen stimuliert. Deshalb konzentriert sich die Forschung derzeit vor allem auf die
Bildung neuer Herzmuskelzellen aus Stammzellen. Dies sind
Vorläuferzellen, welche zwar (noch) nicht die hoch spezialisierte Struktur der Herzmuskelzellen besitzen, sich aber noch
teilen und zu Herzmuskelzellen «spezialisieren» können.
Neue Herzmuskelzellen aus Stammzellen?
Stammzellen können in der Regel nicht nur zu Herzmuskel,
sondern auch zu anderen Zellen heranwachsen. Deshalb ist
es möglich, geeignete Stammzellen aus anderen Organen als
dem Herzen zu gewinnen, zum Beispiel aus Blut oder Kno-
chenmark. Diese Zellen werden dann in den Herzmuskel eingepflanzt. In Zellkulturen und im Tierversuch zeigt sich, dass
die Zellen tatsächlich Bestandteile des Herzmuskels bilden
können. In ersten klinischen Studien, an denen ebenfalls verschiedene Schweizer Zentren teilnahmen, wurden bei Patienten mit Herzinfarkt Stammzellen direkt in die abgestorbene
Herzmuskelregion gespritzt. Die Pumpfunktion des Herzens verbesserte sich dadurch zwar leicht, aber nicht genug,
um diese Behandlung bereits heute als Routinetherapie für
Herzinfarktpatienten zu empfehlen. Deshalb ging die Frage
zurück an die Grundlagenforscher, wie die Regeneration der
Herzmuskel­zellen verbessert werden könnte.
Neuste Erkenntnisse weisen darauf hin, dass sich leider nur
ein sehr kleiner Anteil der Stammzellen, die in der Klinik
­verwendet werden, zu funktionstüchtigen Herzmuskelzellen
entwickelt. Es ist deshalb von zentraler Bedeutung, die Bedingungen zu erforschen, welche die Spezialisierung zu Herzmuskelzellen fördern. Eine von der Schweizerischen Herzstiftung unterstützte Forschergruppe in Lausanne hat kürzlich
einen Signalweg in den Zellen identifiziert («Notch»-Signalweg), der die Spezialisierung von Stamm- zu Herzmuskelzellen entscheidend beeinflusst. Eine weitere wichtige Beobachtung derselben Forschungsgruppe war, dass Stammzellen
im Herzmuskel selbst vorhanden sind. Aus diesem Grund
erforscht man nun die Möglichkeit, diese bereits im Herzen
vorhandenen, «schlummernden» Stammzellen durch geeignete Substanzen so zu stimulieren, dass sie «erwachen» und
neue Muskelzellen bilden.
Rhythmusstörungen des Herzens
Im normalen Herz wird ein elektrisches Signal von bestimmten Schrittmacherzellen gebildet und dann von Zelle zu Zelle
weitergegeben, bis alle Zellen aktiviert sind. Diese elektrische
Erregung löst die Kontraktion des Herzmuskels und damit die
Pumpfunktion aus. Ist die Erregungsbildung oder Erregungsleitung gestört, kann dies die Herzfunktion behindern, weil
das Herz zu langsam, zu schnell oder unregelmässig schlägt.
Gewisse Formen dieser Rhythmusstörungen sind lebens­
bedrohlich. Dank technologischem Fortschritt können solche
Rhythmusstörungen wirksam behandelt werden: Kleine elektronische Wunderwerke wie Herzschrittmacher und implantierbare Defibrillatoren bringen den Puls bei anfälligen Patienten rasch wieder in den richtigen Takt.
oberfläche und durch Verbindungselemente (Gap-junctions)
zwischen den Zellen bestimmt. Ionenkanäle und Gap-junctions bilden «Poren» aus spezialisierten Proteinen. Verschiedene Forschungsgruppen in der Schweiz möchten herausfinden, wie sich Veränderungen in der Zusammensetzung
der Ionenkanäle und der Gap-junctions auf die Entstehung
von Rhythmusstörungen auswirken. Diese Kenntnisse sind
notwendig, wenn man zukünftig Medikamente entwickeln
möchte, welche die Funktion dieser Poren stabilisieren und
damit Rhythmusstörungen verhindern.
Fortschritte bei der Behandlung des Vorhofflimmerns
In einer anderen Forschungsrichtung versucht man diejenigen
Zellen, die Herzrhythmusstörungen verursachen, zu lokalisieren und schliesslich auszuschalten. Auf diesem Gebiet wurden
gerade in jüngster Zeit Fortschritte erzielt, dank denen sich
die Behandlung des Vorhofflimmerns verbessern lässt. In der
Schweiz leiden rund 70 000 Menschen an Vorhofflimmern.
Bei dieser Krankheit werden die Zellen der Herzvorhöfe nicht
mehr im richtigen «Takt» aktiviert, was zu einem unregelmässigen, oft sehr schnellen Pulsschlag führt. Der Patient verspürt dies als Herzklopfen, seine Leistungsfähigkeit ist eingeschränkt und das Risiko eines Schlaganfalls erhöht.
Neuere Untersuchungen an Mensch und Tier haben gezeigt,
dass lokalisierte Zellnester im Vorhof, die sehr schnelle elektrische Impulse aussenden, die unregelmässige Aktivierung
der Vorhöfe auslösen. Meist befinden sich diese schnell «feuernden» Zellen an der Mündungsstelle der Lungenvenen in
den linken Vorhof. Diese Erkenntnis hat zur Entwicklung einer
spezifischen Behandlungsmethode geführt: Über einen ins
Herz eingeführten Katheter wird eine Art Demarkationslinie
um diese Zellnester eingebrannt. Die fehlerhaften Zellen werden dadurch isoliert und ihre falschen Impulse können die
normale Erregungsleitung im Vorhof nicht mehr stören.
Prof. René Lerch
Prof. René Lerch ist Mitglied der Direktion, des Stiftungsrates und des Wissenschaftlichen Ausschusses der Schweizerischen Herzstiftung. Er ist Leitender
Arzt der Abteilung Kardiologie am Universitätsspital in Genf.
Forschende wollen die zellulären Ursachen der Rhythmusstörungen besser verstehen, um in Zukunft die elektrischen
Defekte vermeiden oder ursächlich behandeln zu können.
Man versucht beispielsweise, die zellulären und molekularen
Mechanismen aufzuklären, welche die elektrischen Aktivitäten stören. Die elektrischen Eigenschaften der Herzmuskelzellen werden durch so genannte Ionenkanäle an der Zell­
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■ Forschungsthema Arteriosklerose:
Gesunde Gefässe für ein
gesundes Herz
Die Arteriosklerose entsteht wegen einer chronischen Schädigung der Arterien durch verschiedene kardiovaskuläre Risikofaktoren. Die wichtigsten sind das Altern, hoher Blutdruck, hohe
ungünstige Blutfettwerte, Zuckerkrankheit und
Rauchen. Die Schädigung der Blutgefässe zeigt
sich vor allem am Endothel, also der innersten
Gefässschicht. Ein gesundes Endothel fördert die
Erweiterung der Gefässe und hemmt die Bildung
von Blutgerinnseln – ein geschädigtes Endothel
­kann diese Funktionen nicht mehr wahrnehmen.
Deshalb begünstigen Erkrankungen des Endothels sowohl die Entstehung als auch das Fortschreiten der arteriosklerotischen Veränderungen.
Gene und Proteine
Moderne Technologien machen es möglich, die Rolle einzelner Gene und Proteine bei der Entwicklung der Arteriosklerose zu untersuchen. Ein Beispiel ist das Protein p66, ein so
genanntes Adaptorprotein: Es leitet Signale, die an der Zell­
oberfläche entstehen, an untergeordnete Signalwege weiter.
p66 reagiert besonders stark auf oxidativen Stress, der beispielsweise durch kardiovaskuläre Risikofaktoren – speziell
Diabetes – ausgelöst wird. Entsprechend fördert p66 die
Schädigung des Endothels, was sich in einer verminderten
Gefässerweiterung und letztlich in einer beschleunigten Arteriosklerose äussert. Interessanterweise ist p66 auch in den
Alterungsprozess involviert. Aus diesem Grund werden p66
sowie andere Proteine und Gene, die am Alterungsprozess
beteiligt sind, besonders intensiv erforscht. Man erhofft
dadurch mehr über die Stoffwechselvorgänge zu erfahren, die
im Detail zur Arteriosklerose führen.
Gefährliche Plaques darstellen
Ein Herzinfarkt entsteht in den meisten Fällen dann, wenn
eine arteriosklerotische Plaque aufbricht und sich ein Gerinnsel bildet, das die Herzkranzarterie verschliesst. Die Darstellung von gefährlichen Plaques mittels bildgebender Verfahren
ist deshalb von grosser Bedeutung. Die meisten gefährlichen
Plaques weisen einen hohen Anteil an Entzündungszellen
(Leukozyten) und Fresszellen (Makrophagen) auf. Daher richtet sich die Forschung insbesondere darauf aus, diese Zellen darzustellen. Weil eine Plaque nur dann aufbrechen kann,
wenn ihr Bindegewebe geschädigt ist, konzentriert man sich
in einem anderen Forschungszweig auf das Bindegewebe von
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arteriosklerotischen Plaques. Zellen oder Bindegewebe werden mittels radioaktiv markierter Antikörper oder anderer Trägersubstanzen identifiziert und anschliessend bildlich dargestellt, sodass sich genau feststellen lässt, wo in der Arterie
sich die gefährliche Plaque befindet.
Herzinfarkt verhindern
Wenn ein Herzkranzgefäss durch einen Thrombus verschlossen und dadurch ein Herzinfarkt ausgelöst wird, lässt sich
dieses Gefäss mit einem kathetertechnischen Eingriff wieder
eröffnen. Solche Eingriffe werden auch durchgeführt, um verengte Herzkranzgefässe zu erweitern – damit kann eventuell
einem Herzinfarkt vorgebeugt werden. In das erweiterte
Gefäss legt man Röhrchen aus Metallgitter, so genannte
Stents, ein, um zu verhindern, dass sich die Arterie nach dem
Eingriff langsam wieder verengt. Diese Massnahme reduziert
die Zahl neuer Verengungen von über 30 auf etwa 10 Prozent.
Stents der jüngeren Generation setzen Wirkstoffe wie Rapamycin oder Paclitaxel frei. Diese Substanzen hemmen die
Vermehrung und Einwanderung von Gefässmuskelzellen in
die innerste Schicht der Arterie und reduzieren damit die
Zahl erneuter Verengungen noch zusätzlich. Allerdings müssen diese Stents weiter verbessert werden, weil sich in ihnen
manchmal Gerinnsel ausbilden können, die zum plötzlichen
Gefässverschluss und zu einem Herzinfarkt führen. Die auf
den Stents verwendeten Medikamente verhindern leider nicht
nur Verengungen, sie hemmen auch die Heilung der Arterien, insbesondere des Endothels. Ausserdem fördern die
Medikamente die Produktion von Tissue Factor, einem natürlichen Protein, das die Blutgerinnung anregt. In der Forschung
sucht man deshalb nach neuen Substanzen, die besser wirken und weniger Nebenwirkungen auslösen. Zudem werden
neue Stents entworfen: Sie sollen verschiedene Wirkstoffe in
verschiedene Richtungen innerhalb der Arterie abgeben. Das
Ziel besteht darin, in Zukunft die einzelnen Wandschichten
der Arterien mit unterschiedlichen Substanzen zu behandeln,
die den Bedürfnissen der jeweiligen Schicht präzis angepasst
sind.
Prof. Felix C. Tanner
Prof. Felix C. Tanner ist Mitglied der
Direktion, des Stiftungsrates und des
Wissenschaftlichen Ausschusses der
Schweizerischen Herzstiftung. Er ist als
Bereichsleiter der kardiovaskulären Forschung an der Klinik für Kardiologie des
Universitätsspitals Zürich tätig.
■ Forschungsthema Hirnschlag:
Weniger Behinderungen dank
besserer Therapie
Lange galt der Hirnschlag als nahezu unabwendbarer Schicksalsschlag. In den vergangenen beiden Jahrzehnten konnten jedoch bahnbrechende
Fortschritte erzielt werden – dank neuen Erkenntnissen in der Grundlagenforschung, verbesserten
bildgebenden diagnostischen Methoden und
wirksamen therapeutischen Möglichkeiten.
Akutbehandlung von Hirnschlägen
Ein Hirnschlag ist ein Notfall. Wenn bei einem Hirninfarkt,
der durch den Verschluss eines Gefässes verursacht wird,
das Gefäss über längere Zeit verschlossen bleibt, kommt es
zum Zelltod. Mit jeder Minute vergrössert sich die unwiederbringlich geschädigte Kernzone des Hirninfarkts, was für die
Betroffenen eine schwerere Behinderung oder gar den Tod
bedeutet. Durch ein rasches Wiedereröffnen des verschlossenen Gefässes mit Substanzen, die das Blutgerinnsel auf­
lösen (Thrombolyse), kann das Schicksal der Hirnschlag­­pa­tienten deutlich verbessert werden.
Mehrere grosse Studien haben gezeigt, dass die Thrombolyse
12–15 Prozent der behandelten Patienten eine Behinderung
ersparen kann. Die Verabreichung der Thrombolytika über
eine Infusion in eine Vene ist mindestens in den ersten drei
Stunden nach Symptombeginn wirksam. Werden die Medikamente über einen Gefässkatheter direkt in die verschlossene
Hirnarterie gespritzt, ist die Wirksamkeit der Substanzen bei
ausgewählten Patienten bis sechs Stunden nach Symptombeginn belegt. Mehrere Studien – darunter auch eine von der
Schweizerischen Herzstiftung unterstützte – untersuchen,
welche Patienten am meisten von einer Thrombolyse profitieren und ob die intravenöse oder intraarterielle Thrombolyse
über einen Gefässkatheter wirksamer ist.
Trotz dieser grossen Fortschritte bleiben viele Patienten nach
einem Hirnschlag behindert, manche sterben auch. Zahlreiche aktuelle Forschungsprojekte zielen darauf hin, die
Akuttherapie des Hirnschlags weiter zu verbessern. Die Hirnschlagsymptome müssen unverzüglich erkannt werden. Mehrere Studien befassen sich mit dem Wissensstand der Bevölkerung zu Hirnschlagsymptomen. Andere Studien untersuchen
die organisatorischen Abläufe in der Rettungskette sowie die
Infrastruktur in den Spitälern, damit durch gezielte Massnahmen mehr Patienten von einer frühzeitigen Therapie profitieren können.
In den letzten Jahren wurden im Bereich der bildgebenden
Darstellung des Gehirns grosse Fortschritte erzielt. Die Computertomografie (CT) und insbesondere moderne Magnetresonanz-Tomografen (MRI) liefern in wenigen Minuten ein
präzises Bild des Hirngewebes, das durch den Hirnschlag
bedroht und geschädigt ist. Moderne MRI-Verfahren ermöglichen es, das unwiederbringlich geschädigte Hirngewebe von
dem Gewebe abzugrenzen, das noch gerettet werden kann.
Zudem lässt sich der Hirngefässverschluss direkt darstellen.
Diese Informationen dienen schon jetzt als Entscheidungshilfen in der Notfallsituation, müssen aber noch genauer
erforscht werden.
Weitere Fortschritte verspricht man sich von neuen thrombolytischen Medikamenten, die das Blutgerinnsel spezifischer
auflösen, sowie von neuroprotektiven Substanzen, die den
Zelluntergang verhindern können. Auch die lokale Unterkühlung (Hypothermie) des Hirngewebes schützt die Zellen vor
dem Absterben, was als therapeutische Massnahme beim
akuten Hirnschlag erforscht wird. Ebenso hofft man auf neue
Techniken zur mechanischen Wiedereröffnung der Gefässe.
Neu entwickelte Katheter können das Blutgerinnsel durchstechen und anschliessend absaugen oder herausziehen.
Auch Lasertechnik und Ultraschallwellen konnten in ersten
kleineren Studien verschlossene Hirngefässe erfolgreich eröffnen. Wie in der Kardiologie werden beim akuten Hirnschlag
vermehrt Gefässdilatationen mit einem Ballon sowie StentEinlagen in die Hirngefässe angewendet.
Hirnschlag bei jungen Menschen
Hirnschläge bei jungen Menschen sind keine Seltenheit. Häufig haben solche Ereignisse besonders gravierende Konsequenzen. Trotz zahlreicher neuer Erkenntnisse kann bei mehr
als einem Viertel der jungen Hirnschlagpatienten die Ursache
nicht geklärt werden. Die häufigsten Auslöser von Hirnschlägen bei jungen Menschen sind Embolien bei angeborenen
Herzfehlern oder anderen Herzkrankheiten sowie Einrisse in
der Wand hirnversorgender Blutgefässe (Dissektionen). Weitere Ursachen sind Störungen der Blutgerinnung, die Antibabypille (insbesondere in Kombination mit Rauchen und Migräne), Erbkrankheiten sowie Gefässentzündungen.
Der häufigste angeborene Herzfehler ist das offene Foramen
ovale, eine kleine Öffnung zwischen dem rechten und dem
linken Vorhof des Herzens. Normalerweise schliesst sich diese
Öffnung in den ersten Wochen nach der Geburt. Bei etwa
einem Viertel der Bevölkerung bleibt die Öffnung aber lebenslang bestehen. Bildet sich in der venösen Blutbahn ein Blutgerinnsel, kann dieses durch das offene Foramen ovale in
den linken Vorhof gelangen und von dort in die linke Herzkammer und weiter in eine Hirnarterie (Embolie). Das offene
Foramen ovale ist bei unter 55-Jährigen ein Risikofaktor für
9
Hirnschläge. Es ist jedoch noch nicht klar, wie die jungen Hirnschlagpatienten mit einem offenen Foramen ovale behandelt
werden sollen. In Frage kommen eine medikamentöse Blutverdünnung sowie ein Verschluss des offenen Foramens über
einen Herzkatheter. Mehrere Forschungsprojekte vergleichen
die beiden Therapieoptionen im Langzeitverlauf, darunter
auch eine weltweite Studie, die von der Neurologie und Kardiologie des Inselspitals Bern geleitet wird. In einigen Jahren
wird hoffentlich klar sein, welche Therapiemöglichkeit für die
Patienten vorteilhafter ist.
PD Dr. Marcel Arnold ist Mitglied der
Mittelbeschaffungskommission und
arbeitet aktiv mit an Projekten der
Schweizerischen Herzstiftung. Er ist
Oberarzt der Neurologischen Universitätsklinik des Inselspitals in Bern.
Prof. Heinrich Mattle ist Mitglied der
Direktion, des Stiftungsrates und
des Wissenschaftlichen Ausschusses der
Auch bei den Gefässdissektionen sind noch viele Fragen zu
klären. Zurzeit wird intensiv nach den Ursachen geforscht;
dazu gehören beispielsweise vorausgehende Infektionen, heftige, ungewöhnliche Bewegungen oder ein Schlag gegen den
Hals, abnorme Gefässschlingen sowie erbliche Bindegewebskrankheiten. Auch die Frage der optimalen medikamentösen
Therapie (Aspirin oder stärkere Blutverdünner) ist Gegenstand
von aktuellen Studien. Erbliche oder erworbene Störungen
der Blutgerinnung können bei jungen Hirnschlagpatienten
eine wichtige Rolle spielen. Deren klinische Bedeutung und
insbesondere therapeutische Ansätze müssen ebenfalls weiter
erforscht werden.
Schweizerischen Herzstiftung. Er arbei­­­­tet
als Chefarzt-Stellvertreter an der Neurologischen Klinik und Poliklinik
des Inselspitals Bern.
Bei der vererbten Fabry-Krankheit, einer Stoffwechselstörung,
die bei jungen Menschen Hirnschläge verursachen kann, lässt
sich das fehlende Enzym dank intensiver Forschung nun durch
gentechnisch hergestellte Enzyme ersetzen. Die Hoffnung ist
gross, dass eine frühzeitige Enzymtherapie Hirnschläge erfolgreich verhindern kann.
Mehr Hirnschlagforschung zum Wohl der
Patienten
Die Fortschritte im Bereich Diagnostik und Therapie des Hirnschlags waren im letzten Jahrzehnt so gross wie nie zuvor.
Dennoch ist ein Hirnschlag eine der häufigsten Ursachen für
eine bleibende Behinderung. Ein Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weist darauf hin, dass zwischen der
gesundheitspolitischen Bedeutung des Hirnschlags und den
relativ geringen Mitteln, die für die Hirnschlagforschung zur
Verfügung stehen, eine Diskrepanz besteht. Weltweit wurden in den letzten Jahren achtmal weniger wissenschaftliche
Arbeiten über Hirnschlag veröffentlicht als über die koronare
Herzkrankheit. Diese Daten verdeutlichen die dringend nötige
Intensivierung der Hirnschlagforschung, damit in Zukunft
mehr Hirnschlagpatienten vor einer Behinderung bewahrt
werden können.
PD Dr. Marcel Arnold und Prof. Heinrich P. Mattle
10
Grundlagenforschung und klinische
Forschung
In der Grundlagenforschung werden im Labor genetische,
zelluläre und molekulare Vorgänge in Zellen und Geweben erforscht. Das Ziel ist, besser zu verstehen, warum
und wie eine Krankheit entsteht und fortschreitet. Diese
Kenntnisse sind notwendig, damit später neue Möglichkeiten zur Diagnose oder Behandlung entwickelt werden
können.
In der klinischen Forschung versucht man, die Antwort
auf eine klinisch-praktische Frage zu finden, zum Beispiel
den Nutzen einer neuen Behandlungsmethode oder eines
diagnostischen Tests. Die klinische Forschung findet meistens in Kliniken oder Praxen und in Zusammenarbeit mit
betroffenen Patientinnen und Patienten statt.
■ Forschungsthema Gefässkrankheiten:
Von den Beinen zu Herz und Hirn
Schon vor Jahrhunderten erkannte man, dass
Erkrankungen der Beingefässe ein Warnsignal für
eine schwere Krankheit sein können. Das Parade­
beispiel ist das «Raucherbein» (arterielle Verschlusskrankheit der Beine): Sowohl Mediziner
als auch Laien wissen um die schädlichen Auswirkungen des Rauchens auf die Gefässe, die sich
bei dieser Krankheit zeigen. In den letzten Jahren wurde bestätigt, dass bei Patienten mit einem
Raucherbein oft auch die Herzkranz- oder die
Hirngefässe in Mitleidenschaft gezogen sind und
deshalb immer sorgfältig nach Verengungen dieser Gefässe gesucht werden muss. Die Risikofaktoren von Herz-Kreislauf-Krankheiten müssen
unbedingt ausgeschaltet oder behandelt werden,
um katastrophalen Folgen wie Herzinfarkt oder
Schlaganfällen vorzubeugen.
Die Beingefässe als Modelle für Herzgefässe
Deutsche und angelsächsische Ärzte entdeckten im 19. Jahrhundert fundamentale Zusammenhänge zwischen Erkrankungen der Beingefässe und anderen Herz-Kreislauf-Krank­­
heiten. Besonders wichtig war in der Mitte des 20. Jahrhunderts die epidemiologische Arbeit des Schweizers Leo
Widmer: Er untersuchte während Jahrzehnten eine grosse
Gruppe von Angestellten der Basler Industrie und beschrieb
die wichtigen Folgen von Beinarterien- und Beinvenener­krankungen.
Die technologische Entwicklung führte dazu, dass in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts viele Untersuchungs­
methoden und invasive Eingriffe zuerst einmal an den Beingefässen angewendet wurden, bevor man sich wagte, diese
am Herz und teilweise auch an den Hirngefässen einzusetzen.
Ein Beispiel sind Bypass-Operationen: Erst als feststand, dass
ein solcher Eingriff die Blutzirkulation in den Beinen wiederherstellen kann, wurden Bypässe an den Herzkranzgefässen
gesetzt. Die Pioniere der nichtinvasiven Behandlung von Arterien waren Spezialisten für Beingefässe (Angiologen). Speziell
zu erwähnen ist Andreas Grüntzig, der in den Siebzigerjahren
in Zürich die Ballonkathetertherapie zuerst an den Beinen
entwickelte, um damit arterielle Gefässverschlüsse ohne Operation behandeln zu können.
einer langen und intensiven Forschungsphase erstmals an
den Beinvenen angewendet. Später erfolgte ihr Einsatz ebenfalls bei herzkranken Patienten.
Aktuelle Forschungsthemen
Zurzeit beschäftigt man sich in der Erforschung der Beingefässerkrankungen vielfach mit der Vorbeugung, der Verfeinerung der diagnostischen Methoden sowie auch mit neueren
therapeutischen Strategien. Im Bereich der epidemiologischen
Forschung wurde in den letzten fünf Jahren die Bedeutung
des Ankle-Brachial-Index weltweit anerkannt. Dieser Index
entspricht dem Verhältnis zwischen dem höchsten arteriellem Blutdruck am Unterschenkel und am Oberarm. Er dient
dazu, Patienten zu erkennen, die ein erhöhtes Risiko für einen
Herzinfarkt oder Hirnschlag haben. Bei den diagnostischen
Untersuchungen haben in den letzten Jahren die Magnetresonanz und die Computertomografie an Bedeutung gewonnen. Es werden heute spezielle Magnetresonanzverfahren
zur Darstellung von Gefässwand und Gefässbrücken sowie
neue molekularbiologische bildgebende Prototypen entwickelt; diese technischen Innovationen sollen helfen, den
noch nicht klaren Mechanismus aufzuklären, wie sich Arterienverengungen und -verkalkungen entwickeln. Man weiss
beispielsweise noch nicht, warum sich eine Verengung in
einem Gefäss plötzlich verschliesst, weil die verkalkte Stelle
aufbricht. Die Forschung könnte erklären, warum es nach
Bypass-Operationen, nach Ballonkatheter-Eingriffen oder
nach Stent-Einlagen manchmal zu Rückfällen kommt.
Im therapeutischen Bereich steht ein Problem im Brennpunkt des Interesses: Wie kann man vermeiden, dass nach
einem längeren akuten Arterienverschluss und einer eigentlich erfolgreichen wiedereröffnenden Massnahme trotzdem
Gewebe abstirbt? Bei der Lösung dieser Frage spielen Gefässkreisläufe, welche die verschlossene Stelle umgehen, sowie
die Gefässneubildung eine wichtige Rolle. Ein Projekt der
Forscherin Iris Baumgartner in Bern, das von der Schweizerischen Herzstiftung unterstützt wird und das auf amerikanischen Pionierstudien aufbaut, beschäftigt sich mit der Möglichkeit, mittels Gentherapie die Zirkulation in absterbendem
Gewebe zu verbessern. Gemeinsam mit der Anwendung von
Stammzellen steht diese Methode im Zentrum der aktuellen
Erforschung der Gefässkrankheiten.
Prof. Augusto Gallino
Prof. Augusto Gallino ist Mitglied der
Direktion, des Stiftungsrates und
des Wissenschaftlichen Ausschusses
Die Beingefässe waren auch eminent wichtig für die Entwicklung der Blutverdünnungstherapie. Diese Behandlungsmethode wurde Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts nach
der Schweizerischen Herzstiftung und
Chefarzt Kardiologie am Ospedale
San Giovanni in Bellinzona.
11
■ Forschungsthema Herzchirurgie:
Medizin und Technologie gehen
Hand in Hand
Die klinische und experimentelle Forschung
sowie die Entwicklung neuer Verfahren, Produkte und Geräte sind ein fester Bestandteil der
Aktivität der akademischen Herzchirurgie in der
Schweiz. Biologische und technologische Fortschritte ermöglichen es, innovative Konzepte zur
chirurgischen Behandlung von Herzerkrankungen
zu entwickeln. Die enge Zusammenarbeit mit
den Partnerdisziplinen Kardiologie und Anästhesie hilft bei der Realisierung und raschen Anwendung neuer Techniken. Im Folgenden werden
einige Beispiele für zukunftsträchtige Entwick­
lungen vorgestellt.
Miniaturisierung der Herz-Lungen-Maschine
Die Herz-Lungen-Maschine ist eine komplexe Apparatur, die
es erstmals im Jahr 1953 ermöglichte, eine offene Herzoperation durchzuführen. Das Gerät enthält eine Pumpe, eine
künstliche Lunge (Membran-Oxygenator) und verschiedene
Schläuche, die den Patienten mit der Maschine verbinden.
Das Blut fliesst während der Operation künstlichen Oberflächen entlang und wird dadurch teilweise geschädigt. Schweizer Chirurgen und Kardiotechniker waren in Zusammenarbeit
mit internationalen Industriepartnern daran beteiligt, dieses
Gerät zu verkleinern, damit Nebenwirkungen für den Patienten reduziert werden.
Schonendere Verfahren für den
Klappenersatz
Die Rekonstruktion oder der Ersatz einer defekten Herzklappe
ist – neben der Bypass-Operation wegen verengter Herzkranzgefässe – die zweithäufigste Herzoperation bei erwachsenen Patienten. Üblicherweise braucht es für diesen Eingriff
eine Eröffnung des Brustkorbes mit einem grossen Schnitt
und eine Herz-Lungen-Maschine. Die herkömmliche Technik kann in ausgewählten Fällen aber durch weniger invasive
Techniken ersetzt werden.
Als Ergänzung besteht seit kurzem die Möglichkeit, eine biologische Herzklappe mittels Herzkatheter einzusetzen. Die
sich selbst entfaltende Klappenprothese ist auf einem Stent
montiert, der zusammengefaltet mit einem Katheter eingeführt wird. Man schiebt den Katheter von der Leiste her in die
Hauptschlagader vor, bis die gewünschte Position der Klappenprothese erreicht ist. Diese wird dann aufgefaltet, wobei
die erkrankte Klappe auf die Seite gedrückt wird.
Herzchirurgie bei Herzinsuffizienz
Die Behandlung der fortgeschrittenen Herzschwäche erfolgt
mit Medikamenten, herkömmlichen Herzeingriffen, künstlichen Herzkammern («Ventricular Assist Devices») und der
allerletzten Option der Herztransplantation. Bis vor einigen
Jahren wurden künstliche Herzkammern, auch Kunstherzen
genannt, lediglich eingesetzt, um die Zeit bis zur Herztransplantation zu überbrücken. Solche Unterstützungssysteme
bewirken aber auch eine teilweise Erholung des Herzmuskels.
Dieses Phänomen könnte als neuer Therapieansatz genutzt
werden, um Herztransplantationen zu umgehen. Da die Spenderzahl ohnehin knapp ist, wäre dies ein wichtiger Fortschritt.
Ebenfalls könnten Patienten, die beispielsweise wegen zu
hohen Risikos oder fortgeschrittenen Alters nicht mehr für eine
Transplantation in Frage kommen, in naher Zukunft von längerfristig einsetzbaren künstlichen Herzkammern profi­tieren.
Experimentelle Herzchirurgie
Ein weiteres faszinierendes und viel versprechendes Forschungsgebiet ist das «Tissue Engineering». Ausserhalb des
Körpers gezüchtetes Gewebe könnte bei der Behandlung
von Abnützungserscheinungen am Herz eingesetzt werden.
Momentan beschäftigt man sich in der herzchirurgischen Forschung vor allem mit der Konstruktion von Herzklappen, aber
auch die Herstellung von Blutgefässen und Herzmuskel wird
angestrebt. Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig,
zum Beispiel um angeborene Herzdefekte zu reparieren, Herzklappen oder abgestorbenen Herzmuskel zu ersetzen oder
Gefässe für Bypass-Operationen bereitzustellen.
Prof. Thierry Carrel
Prof. Thierry Carrel ist Mitglied der
Direktion, des Stiftungsrates und des
Wissenschaftlichen Ausschusses der
Bei einem Verfahren wird die neue Herzklappe, die auf einem
Maschendrahtgerüst montiert ist, entweder direkt über die
Hauptschlagader (Aorta) oder über einen kleineren seitlichen
Schnitt über der Herzspitze eingesetzt. Die Hauptvorteile dieser Methode sind eine verkürzte Operationszeit und eine
schnellere Erholung der Patienten.
12
Schweizerischen Herzstiftung und
Direktor der Universitätsklinik für Herzund Gefässchirurgie am Inselspital in
Bern.
Meilensteine der HerzKreislauf-Forschung
Vor dem Jahr 1900 starben am meisten
Menschen an Infektionskrankheiten, die
auch zu einer hohen Kindersterblichkeit
führten. Erst nach 1945 wurden die HerzKreislauf-Krankheiten in der Schweiz und
in den anderen westlichen Industrieländern
zur häufigsten Todesursache.
Sitzen statt gehen, Pommes frites statt Suppe
Erkrankungen von Herz und Gefässen haben mit dem modernen Lebensstil zu tun. Die Risikofaktoren für Herz-KreislaufKrankheiten – also Rauchen, Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte, Zuckerkrankheit (Diabetes), Übergewicht und Bewe­­gungsmangel – sind zum grössten Teil Folgen der industriellen Revolution. Autos, Züge, Lifte, Rolltreppen und Maschinen
haben die körperliche Betätigung weitgehend aus dem
Lebensalltag verbannt. Auch die einstmals eher karge Ernährung hat sich verändert: Heute essen viele Menschen zu viel,
zu fett, zu süss und zu salzig – nicht zuletzt auch deswegen,
weil industriell gefertigte Nahrungsmittel, Fast Food und
Snacks sich inzwischen in die Grundnahrungsmittel eingereiht
haben. Den Gefässen und dem Herz bekommt dieser neue
Lebensstil nicht. Herzinfarkt, Hirnschlag, Diabetes und krankhaftes Übergewicht sind nur einige der Folgen. Sie wurden
nach dem Zweiten Weltkrieg zu den neuen Geisseln der
«sitzenden» Wohlstandsgesellschaft.
Eine Herausforderung für die Forschung
Die Forschung ist in dieser Situation gefordert. Immer mehr
Wissenschaftler begannen sich in den letzten 50 Jahren für
Herz-Kreislauf-Krankheiten zu interessieren, deren Ursachen
zu studieren und Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Zu etlichen wertvollen Entdeckungen
und Erkenntnissen hat die Schweizerische Herzstiftung entscheidend beigetragen. Diese Kenntnisse ermöglichen es
heute, dass viele Betroffene erfolgreich behandelt werden
können, sodass sie trotz ihrer Krankheit eine gute Lebensqualität haben.
200
Der griechische Arzt Galen entdeckt, dass das Blut sich im
Körper bewegt. Galen wusste aber noch nichts über den
Kreislauf.
1628
William Harvey, ein Arzt aus London, entdeckt den Blutkreislauf. Er erkennt, dass das Herz als Pumpe wirkt, die das Blut
durch die Arterien treibt, und die Venen Klappen enthalten,
die den Rückfluss des Blutes verhindern.
1715
Der französische Arzt Raymond de Vieussens weist nach,
dass das Herz in zwei Kammern aufgeteilt ist. So bleibt das
sauerstoffarme Blut aus den Venen vom sauerstoffreichen
Blut in den Arterien getrennt.
1733
Der englische Pfarrer und Physiologe Stephen Hales
beschreibt erstmals die Blutdruckmessung. Er hat einen
Schlauch in die Halsschlagader eines Pferdes geschoben und
beobachtet, wie hoch das Blut in einem Steigrohr angestiegen ist.
1768
Der Londoner Arzt William Heberden beschreibt zum ersten ­
Mal die Symptome der Angina pectoris (Brustenge). Acht Jahre später erkennt Edward Jenner einen Zusammenhang zwischen verkalkten Herzkranzgefässen und Angina pectoris.
1785
Der Engländer William Withering entdeckt das Medikament
Digitalis (Fingerhut) zur Verlangsamung des Herzschlags und
Stärkung des Herzens. Digitalis-Präparate gelten ab diesem
Zeitpunkt für lange Zeit als Mittel der ersten Wahl bei Vorhofflimmern und Herzschwäche.
1816
Der französische Arzt René Laënnec publiziert ein Buch über
die Auskultation, also das Abhören von Lunge und Herz mittels Stethoskop.
1902
Der niederländische Mediziner Willem Einthoven entwickelt
den Elektrokardiografen, mit dem die Herzströme aufgezeichnet werden können (Elektrokardiografie, EKG). Für
diese Entdeckung erhält er 1924 den Nobelpreis.
1912
Der Amerikaner James Herrick beschreibt erstmals den
Zusammenhang zwischen einer Thrombose in den Herz-
13
kranzgefässen und dem Herzinfarkt. Er erkennt, dass Herzkrankheiten eine Folge der Arteriosklerose sind.
1929
In einem Selbstversuch führt sich der Berliner Arzt Werner
Forssmann einen 65 cm langen Schlauch durch eine Armvene zum Herzen. Dann geht er zu Fuss zur Röntgenabteilung
und lässt ein Röntgenbild von sich machen: Das Ende des
Schlauchs liegt im rechten Vorhof des Herzens. Die Idee des
Herzkatheters war geboren.
1938
Am 28. August 1938 macht der Amerikaner Robert Gross
die erste erfolgreiche Operation an einem herznahen Gefäss
(Ductus Botalli) bei einem jungen Mädchen. Die Ära der
modernen Herzchirurgie hat begonnen.
1941
Die beiden Amerikaner André Cournand und Dickinson
Richards führen erstmals eine Herzkatheteruntersuchung
durch, um den Blutausstoss der Herzkammern zu messen.
1944
Der schwedische Chirurg Clarence Crafoord operiert als
Erster erfolgreich eine angeborene Aortenisthmusstenose,
also eine Verengung der Aorta am Ende des Aortenbogens.
1953 kommt seine Maschine zum ersten Mal erfolgreich bei
der Operation eines 18-jährigen Mädchens zum Einsatz.
1958
Mason Sones, ein Kardiologe an der Cleveland Clinic, spritzt
bei einer Röntgenuntersuchung ungewollt Kontrastmittel in
das rechte Herzkranzgefäss eines Patienten. Entgegen seiner Erwartung wird die Herzaktivität dadurch nicht gestört.
Durch diesen Zufall entdeckt Sones die Koronarangiografie,
also die Darstellung der Herzkranzgefässe im Röntgenbild.
Rune Elmquist, ein schwedischer Arzt, entwirft wiederaufladbare Herzschrittmacher. Sein Kollege Åke Senning
implantiert am 8. Oktober 1958 einem 43-jährigen Patienten
den ersten künstlichen Herzschrittmacher. Das Gerät muss
noch am gleichen Tag entfernt werden, weil es nicht mehr
funktioniert. Am nächsten Tag wird ein zweiter Schrittmacher eingepflanzt, der ebenfalls nach kurzer Zeit aussetzt.
Erst das dritte Modell funktioniert wie vorgesehen. Der
Patient überlebt mit weiteren Schrittmachern mehrere
Jahrzehnte.
1965
Der später zum «Sir» geadelte Brite James Black entwickelt
einen ersten Betablocker. Diese Medikamente werden noch
heute gegen hohen Blutdruck und bei Herzkrankheiten eingesetzt.
1948
Der Amerikaner Charles Bailey beschreibt die ersten fünf
erfolgreichen Operationen von Mitralklappenstenosen (Verengungen der Herzklappe zwischen linkem Vorhof und linker Herzkammer).
1952
Harald Reuter beschreibt an der Universität Bern den Kalziumeinstrom in die Herzmuskelzelle. Er entdeckt die ersten
Grundlagen für das Verständnis, wie das Zusammenziehen
der Herzmuskelzellen reguliert wird.
Am 2. September 1952 operiert der Amerikaner John Lewis
als Erster erfolgreich am offenen Herzen: er verschliesst bei
einem fünfjährigen Mädchen einen Vorhofseptumdefekt (ein
Loch in der Scheidewand zwischen den beiden Vorhöfen).
Der Argentinier René Favarolo führt als erster Chirurg erfolgreich eine Bypass-Operation am Herzen durch. Er verwendet
für die Überbrückung eines verengten Gefässabschnitts eine
Beinvene des Patienten.
Der Amerikaner Paul Zoll bringt das Herz eines 65-jährigen
Mannes, der einen Herzstillstand erlitten hat, wieder zum
Schlagen, indem er das Herz durch die Brustwand mit Plattenelektroden elektrisch stimuliert. Der Patient überlebt
sechs Monate.
Am 3. Dezember 1967 transplantiert der Chirurg Christiaan
Barnard in einer Klinik in Südafrika zum ersten Mal ein Herz.
Heute ist die Herztransplantation für die Spezialisten ein
Routineeingriff, aber es besteht ein grosser Mangel an Spenderherzen.
1953
Nach mehrjähriger Forschungsarbeit setzt der Amerikaner
Charles Hufnagel eine künstliche Aortenklappe bei einem
Patienten mit schwerer Aortenklappeninsuffizienz ein.
Über viele Jahre arbeitete der Amerikaner John Gibbon an
der Entwicklung der Herz-Lungen-Maschine. Am 6. Mai
14
1967
1976
Der Japaner Akiro Endo entdeckt den ersten Vertreter der
Statine. Diese Medikamente eignen sich zur Vorbeugung
und Behandlung von Gefässkrankheiten, indem sie die Blutfettwerte senken.
1977
Andreas Grüntzig entwickelt in Zürich die Ballondilatation,
die er am 16. September 1977 erstmals erfolgreich an einem
Herzkranzgefäss durchführt. Dieser Eingriff erlaubt es, verengte Gefässe mit einem kleinen Ballon wieder aufzudehnen. Heute ist die Ballondilatation der häufigste Eingriff in
der Medizin.
1979
Peter Rentrop spritzt einem Patienten, der einen Herzinfarkt
hat, den Wirkstoff Streptokinase mittels Katheter direkt an
das Blutgerinnsel (Thrombus), welches das Herzkranzgefäss
verstopft. Das Medikament löst den Thrombus auf und das
verstopfte Gefäss wird wieder durchgängig.
1980
In den Siebzigerjahren entwickelt Michael Mirowski den
ersten implantierbaren Defibrillator zur Behandlung von
Herzrhythmusstörungen. 1980 werden die ersten Modelle
beim Menschen eingepflanzt. Heutzutage erhalten jährlich
Tausende von Patienten ein solches Gerät, das sie vor einem
plötzlichen Herztod schützt.
1986
Am 28. März setzt Jacques Puel in Toulouse die ersten
Stents aus Metall in die Herzkranzgefässe eines Menschen
ein. Stents sind Gefässstützen, welche die Wiederverengung
eines durch Ballondilatation geöffneten Gefässes verhindern. Bald darauf führt Ulrich Sigwart in Lausanne, der die
Entwicklung und klinische Erprobung der Stents entscheidend gefördert hat, ähnliche Eingriffe durch.
1995
Der Venezolaner José Condado verwendet erstmals Gammastrahlen zur Behandlung einer Restenose (Wiederverengung
eines Herzkranzgefässes nach Ballondilatation). Im gleichen
Jahr führt Vitali Verin am Universitätsspital Genf die ersten
Restenose-Behandlungen mit weniger gefährlichen Betastrahlen durch.
Was bringt die Zukunft?
Immer noch gibt es in der Herz-Kreislauf-Forschung unzählige
ungeklärte Aspekte. Manche Krankheiten können nicht oder
nur ungenügend behandelt werden, und auch bei der Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Krankheiten stehen viele Fragen
offen, zum Beispiel:
• Wie lassen sich die modernen bildgebenden Untersuchungsmethoden für Herz und Gefässe verbessern, ohne
dass die Patienten einer potenziell schädlichen Strahlung
ausgesetzt werden müssen?
• Wie lassen sich neue Operationstechniken am schlagenden ­Herzen (ohne Herz-Lungen-Maschine) entwickeln,
damit sich die Patienten schneller erholen?
• Welche Kenntnisse über genetische Veranlagungen werden es den Menschen in Zukunft ermöglichen, bessere
vorbeugende Massnahmen zu treffen?
• Stammzellen aus dem Knochenmark und anderen Quellen
haben ein hohes Potenzial. Wie lässt sich dieses einsetzen,
um geschädigten Herzmuskel zu regenerieren, die Gefässneubildung anzuregen und die Herzfunktion zu verbessern?
• Wie lassen sich die schädigenden Einflüsse des modernen
Lebensstils (ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel,
Übergewicht usw.) bekämpfen, damit die Zunahme der
Herz-Kreislauf-Krankheiten eingedämmt wird?
In der Zukunft wird es weitere Meilensteine der Herz-Kreislauf-Forschung geben: neue Erkenntnisse, verbesserte
Behandlungsmethoden und innovative Technologien, die Patientinnen und Patienten mit Herz- und Gefässerkrankungen
zugute kommen.
Dr. Eva Ebnöther, Basel
Dieser Beitrag basiert auf der Website der Schweizerischen
Herzstiftung zum Thema Meilensteine und Forschung
www.swissheart.ch/forschung.
Dr. Eva Ebnöther ist freischaffende
2000
Der Brasilianer Edouardo Sousa führt in São Paulo einen
mit dem Wirkstoff Sirolimus beschichteten Stent ein. Solche
beschichteten Stents schützen besser vor einer Restenose
nach Ballondilatation als normale, unbeschichtete Stents.
Wissenschafts- und Medizinjournalistin
und Redaktorin in Basel.
2001
Bodo Strauer aus Düsseldorf berichtet erstmals darüber,
dass sich die Funktion der linken Herzkammer bei Patienten
mit Herzinfarkt verbessern lässt, indem man körpereigene
Stammzellen in das zunächst verstopfte und anschliessend
aufgedehnte Herzkranzgefäss spritzt.
15
Förderung der Herzforschung in der Schweiz:
Wo stehen wir heute?
Die Herzforschung hat in der Schweiz eine
jahrzehntelange Tradition, und gemessen
an der Zahl der Einwohner weist sie viele
Erfolge auf. Damit weiterhin wichtige neue
Erkenntnisse gewonnen werden können,
braucht es die entsprechenden finanziellen
Mittel und die optimale Förderung von
begabten Wissenschaftern.
lung der Wiederverengungen nach Ballonerweiterungen und
Stenting möglich.
In den Neunzigerjahren befasste man sich vor allem mit
der Erforschung der biologischen Ursachen der Arteriosklerose und damit der Angina pectoris und des Herzinfarkts. Die
Bedeutung der Endothelzellen für diese Erkrankung und ihre
Beeinflussung durch medikamentöse Therapie wurde entscheidend von der kardiovaskulären Forschung der Universität Basel, dann Bern und schliesslich Zürich geprägt. Die Forschungsgruppe von François Mach am Universitätsspital in
Genf rückte Entzündungsmechanismen, die bei der Angina
pectoris und dem Herzinfarkt eine Rolle spielen, in den Vordergrund. In den letzten Jahren machte vor allem die interventionelle Kardiologie am Inselspital in Bern unter Bernhard
Meier und in Basel unter Matthias Pfisterer mit klinischen
Studien zum Langzeitverlauf nach Stent-Implantation auf sich
aufmerksam.
Bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg untersuchten die
Schweizer Ärzte Robert Hegglin und Alfred A. Bühlmann in
Zürich die Hämodynamik des Herz-Keislauf-Systems und trugen erstmals zum internationalen Ruf der Schweizer Herzforschung bei. Wichtig für die weitere Entwicklung war die
Berufung von Åke Senning 1962 zum Direktor der Klinik für
Herz- und Gefässchirurgie am Universitätsspital Zürich. Åke
Senning hatte kurz davor den ersten Schrittmacher bei einem
Patienten implantiert und damit weltweit Aufsehen erregt.
Kurz danach führte Paul Lichtlen als Erster in der Schweiz
Koronarangiografien durch, also die Darstellung der Herzkranzgefässe mittels Röntgenkontrastmittel. Damit ermöglichte er Åke Senning die Bypass-Operation. Gleichzeitig
erforschten Wilhelm Rutishauser und Hans-Peter Krayenbühl
die Regulation der Herzfunktion und des Kreislaufs.
Die Schweiz hat in den letzten fünfzig Jahren trotz ihrer Kleinheit das Fachgebiet der Kardiologie entscheidend mitgeprägt.
Umso wichtiger ist es, diese beeindruckende Tradition fortzusetzen, damit Schweizer Forscherinnen und Forscher auch
weiterhin international eine wichtige Rolle spielen können.
Eine Tradition mit Zukunft
Am 16. September 1977 führte Andreas Grüntzig zum ersten
Mal eine Ballonerweiterung eines Herzkranzgefässes am Universitätsspital Zürich durch. Damit entstand eine neue Fachrichtung: die interventionelle Kardiologie. Herzspezialisten
konnten erstmals nicht nur Diagnosen stellen, sondern Krankheiten wie Angina pectoris und später auch Herzinfarkt mittels Katheterballonen behandeln. Grüntzigs Tat veränderte die
Kardiologie weltweit: die Erweiterung der Herzkranzgefässe
mittels Ballonkatheter ist heute einer der häufigsten Eingriffe
in der Medizin. In den Achtziger- und Neunzigerjahren entwickelten Ulrich Sigwart am Universitätsspital Lausanne und
Jacques Puel in Montpellier den Koronarstent und verbesserten Grüntzigs Methode erheblich. In einem weiteren
Schritt entwickelten Vitali Verin und Philip Urban am Universitätsspital in Genf die Strahlentherapie der Herzkranzgefässe
mit speziellen Kathetern und machten erstmals eine Behand-
Leider ist die Forschung in den letzten Jahrzehnten enorm
teuer geworden. In der Grundlagenforschung werden zunehmend komplexere Experimente nötig, um wichtige Fragen
zu beantworten, was zu einem enormen Anstieg der Projektkosten geführt hat. In der klinischen Forschung sind heute
grosse Patientenzahlen gefragt – die Studien verursachen
daher einen hohen administrativen und personellen Aufwand.
Entsprechend sind die Forschungskosten fünf- bis zehnmal
höher als in früheren Jahren. Die steigenden Kosten für Forschungsvorhaben können von den Universitäten nur zum Teil
und von Zentrumsspitälern kaum finanziert werden. Klinische
und experimentelle Forscher sind deshalb in der Schweiz fast
vollständig auf so genannte Drittmittel angewiesen, die es
ihnen ermöglichen, Forschungsassistenten und Laboranten
projektbezogen anzustellen und den administrativen Aufwand sowie die Verbrauchsmaterialkosten zu bezahlen.
16
Warum ist Forschungsförderung so wichtig?
In einem Land ohne natürliche Ressourcen ist die Förderung der Innovation entscheidend. Forschung ist Innovation. Die Herzforschung in der Schweiz hat bewiesen, dass sie
Neues und Eindrückliches hervorbringen kann. Erfolgreiche
Forschungsprogramme tragen zum Ruf der Schweizer Universitäten bei, schaffen Stellen für Nachwuchsforscher und
können zu Firmengründungen führen oder anderweitig die
Wirtschaft beleben.
Welche Arten von Unterstützung gibt es?
Universitäten haben normalerweise für Forschungsvorhaben
nur bescheidene Budgets, die meist nicht ausreichen, um ein
Projekt in Gang zu bringen. Klinisch und experimentell Forschende benötigen somit Beiträge des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. In
der Regel kann ein Forscher nur für ein Projekt einen Unterstützungsbeitrag von CHF 100 000 bis höchstens CHF 200 000
pro Jahr erhalten – diese Summen decken heutzutage kaum
die Kosten eines einzelnen Projekts. Die Europäische Union
bietet Schweizer Forschern die Möglichkeit, an europäischen
Projekten teilzunehmen und damit mit weiteren Drittmitteln
zu arbeiten. Die finanziellen Beiträge sind hier etwa gleich
hoch wie beim Schweizerischen Nationalfonds. Um grössere
Forschungsgruppen und -projekte zu finanzieren, braucht es
zwingend zusätzliche Mittel von Stiftungen. Die Schweizerische Herzstiftung ist die gesamtschweizerisch wichtigste
Institution für die Förderung der Herz-Kreislauf-Forschung.
In den letzten Jahren hat die Herzstiftung eine beachtliche
Zahl von Nachwuchsforschern mit Beiträgen von CHF 1,5 bis
2 Mio. pro Jahr unterstützt.
Schliesslich trägt auch die forschende pharmazeutische Industrie entscheidend zur Forschungsförderung in der Schweiz bei.
In der globalisierten Welt ist die Konkurrenz für solche Mittel
aber gross, und Schweizer werden von hier ansässigen Firmen
gleich behandelt wie ausländische Forschungsgruppen. Dennoch ist es in der Schweiz einigen prominenten Forschungsgruppen gelungen, namhafte Beiträge von der forschenden
Industrie zu erhalten.
hoch, beispielsweise für die Substanzen, die für die Experimente verwendet werden.
Was braucht es in Zukunft mehr?
Klinische und experimentelle Forscher sind an einer akademischen Karriere interessiert. Eine solche Karriere muss sich
über Jahre entwickeln, da sie sowohl eine klinische als auch
eine wissenschaftliche Ausbildung erfordert und Lehrstühle
in der Regel erst nach Jahren zu erlangen sind. Der Schweizerische Nationalfonds hat aus diesem Grund Professuren für
junge Nachwuchskräfte geschaffen. Diese auf fünf bis sieben
Jahre begrenzten Professuren, die über Drittmittel finanziert
werden, machen es möglich, eine eigene Forschungsgruppe
aufzubauen und gleichzeitig in Teilzeit noch klinisch tätig zu
sein. Die verfügbaren Professuren des Schweizerischen Nationalfonds genügen allerdings nicht, um den Nachwuchs in
klinischen Fächern nachhaltig zu fördern. Es braucht auch in
diesem Bereich zusätzliche Mittel. Aufgrund der erwähnten
steigenden Kosten für eine international anerkannte Forschung sind zusätzliche Forschungsmittel von Stiftungen
deshalb überlebenswichtig.
Prof. Thomas F. Lüscher
Prof. Thomas F. Lüscher ist Mitglied der
Direktion und des Stiftungsrates der
Schweizerischen Herzstiftung und Direktor der Klinik für Kardiologie am Universitätsspital Zürich sowie Leiter Kardiovaskuläre Physiologie am Institut für
Physiologie der Universität Zürich.
Was wird mit Forschungsmitteln bezahlt?
Die kardiologische Forschung beschäftigt sich mit der Funktion von Herz und Kreislauf sowie den Ursachen und der
Behandlung von Herz-Kreislauf-Leiden. Die Forscher müssen
in der Regel über eine klinische Grundausbildung verfügen,
damit sie Krankheitsbilder und deren Symptome verstehen
und in der Folge ihre Ursachen klären oder neue Therapien
entwickeln können. Die meisten Forschungsgruppen sind deshalb den Universitätsspitälern angegliedert; nur wenige Forscher arbeiten an Zentrums- und Kantonsspitälern. Aufgrund
der grossen klinischen Belastung ist es Assistenzärzten, Oberärzten sowie Leitenden Ärzten nur teilweise möglich, Zeit für
die Forschung aufzubringen. Entsprechend sind Drittmittel
zur Schaffung von Forschungsstellen entscheidend, damit sich
begabte Wissenschaftler nach ihrer klinischen Ausbildung für
einige Jahre der Forschung widmen und eine eigene Gruppe
aufbauen können.
Zusätzlich benötigt man in der Forschung heute teure –
zum Teil sehr teure – Geräte. Vor allem in der Grundlagenforschung sind auch die Kosten für Verbrauchsmaterial sehr
17
Die Forschungsförderung
der Schweizerischen
Herzstiftung
Die Schweizerische Herzstiftung verleiht ausserdem jedes Jahr
einen Forschungspreis, der einen erfolgreichen Schweizer Forschenden für seine wichtigsten Arbeiten auf dem Gebiet der
Herz-Kreislauf-Forschung mit derzeit CHF 20 000.– auszeichnet. Viele Projekte der Ausgezeichneten wurden und werden
auch durch die Schweizerische Herzstiftung unterstützt.
Neben der Aufklärungsarbeit (Prävention, Gesundheitsprogramme und -aktionen sowie Patienteninformation) ist die
Forschungsförderung die wichtigste Aufgabe der Schweizerischen Herzstiftung.
Ziel ist die finanzielle Unterstützung von
Forschungsprojekten, die in der Schweiz
durchgeführt oder initiiert werden und an
denen Schweizer Forschende massgeblich
beteiligt sind. Dabei sollen experimentelle
Projekte der Grundlagenforschung ebenso
berücksichtigt und gefördert werden wie
klinische und angewandte Forschungsvorhaben.
Forschungsprojekte: von der Ausschreibung
bis zur Zusprache
Die finanzielle Unterstützung von Forschungsprojekten
durch die Schweizerische Herzstiftung wird alljährlich in der
«Schweizerischen Ärztezeitung», der Zeitschrift «Kardiovaskuläre Medizin» und in weiteren medizinischen Fachmedien
sowie in den Publikationen der universitären kardiologischen
Zentren der Schweiz ausgeschrieben. Stichtag für das Einreichen der Gesuche ist der 30. Juni. Ein Reglement, das alle
Interessierten auf der Website der Herzstiftung einsehen können, regelt die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Projekteingabe: Beschreibung von Hintergrund und Ziel des Projekts, Stand der allgemeinen und eigenen Forschung auf dem
entsprechenden Gebiet, vorgeschlagene Methodik inklusive
Statistik und eventuell Ethik, beantragte Kreditsummen mit
detaillierten Angaben sowie potenzielle Relevanz der Untersuchungsresultate.
Die Themen dieser Projekte können alle Gebiete der kardiovaskulären Medizin betreffen; das Schwergewicht liegt traditionell bei den Herzkrankheiten, es werden aber immer auch
Krankheiten der Blutgefässe und Durchblutungsstörungen des
Gehirns berücksichtigt. Das Spektrum reicht von den Grundlagen dieser Erkrankungen, deren Epidemiologie, Prävention,
Diagnostik und Therapie bis hin zu den pädiatrischen und
chirurgischen Aspekten.
Qualität der Forschungsprojekte ist
entscheidend
Unterstützt werden nur Projekte, die einen rigorosen ReviewProzess erfolgreich überstehen. Das bedeutet, dass wissenschaftliche Experten der entsprechenden Fachgebiete die eingereichten Unterlagen zu einem Forschungsprojekt studieren
und kritisch hinterfragen. Dabei geht es einerseits um die wissenschaftliche Qualität des Projekts (Originalität, Methodik,
bisheriger Wissenschaftsausweis der Forschenden), andererseits um die Realisierbarkeit und einen möglichen Nutzen für
Patienten. Die Titel der unterstützten Projekte werden zusammen mit dem Jahresbericht der Schweizerischen Herzstiftung publiziert, sodass auch die Geldgeber erkennen können,
wofür ihre Spenden eingesetzt werden.
18
Die Beurteilung der Gesuche erfolgt zunächst formell:
Sind alle Unterlagen vollständig? Haben die Projektplaner
noch andere Institutionen, wie zum Beispiel den Schweizerischen Nationalfonds, um Unterstützung angefragt? Wird
das Reglement der Schweizerischen Herzstiftung eingehalten? Anschliessend begutachten alle zehn Mitglieder des
Wissenschaftlichen Ausschusses der Schweizerischen Herzstiftung das Gesuch inhaltlich. Auch diese Beurteilung ist
reglementarisch festgelegt: Kriterien sind Originalität, Methodik, Relevanz (je doppelt gewichtet) sowie Realisierbarkeit und bisherige Arbeiten der Forschenden, jeweils benotet entsprechend einer Skala von 6 bis 1. Jedem Gesuch wird
ein Haupt-Reviewer zugeordnet, dessen fachliche Qualifikation dem Thema des Forschungsprojekts entspricht und der
das Projekt in allen Details begutachtet. Da nur zwei Neurologen im Wissenschaftlichen Ausschuss einsitzen, werden Forschungsgesuche aus dem Bereich der Neurologie auch von
einem externen Fach-Reviewer beurteilt. Die Notengebung
des Haupt-Reviewers zählt fünffach, während die Noten der
anderen Reviewer einfach gewertet werden. Um Interessenskonflikte zu vermeiden, dürfen die Mitglieder des Ausschusses
Projekte aus der eigenen Klinik und aus der eigenen Region
nicht beurteilen.
Neben der fachlichen und qualitativen Beurteilung der
Gesuche wird auch die Kreditsumme kritisch hinterfragt. Als
Limite für die Unterstützung eines Gesuchs über ein Jahr wur-
den CHF 100 000.– festgelegt, ein Betrag, der in Ausnahmefällen auf maximal CHF 200 000.– über zwei Jahre steigen
kann.
An einer gemeinsamen Sitzung des Wissenschaftlichen Ausschusses werden die etwa 25 bis 30 Gesuche mit den besten
Durchschnittsnoten besprochen. Die Vorschläge der HauptReviewer werden diskutiert und über jedes Gesuch wird einzeln abgestimmt. Bei Abstimmungen über Gesuche, an denen
einzelne Mitglieder des Wissenschaftlichen Ausschusses
beteiligt sind, enthalten sich diese Mitglieder der Stimme. Von
der Direktion der Schweizerischen Herzstiftung wird vorgängig ein Forschungsbudget festgelegt, weshalb Forschungs­
gesuche nur bis zu diesem Gesamtbetrag unterstützt werden
können.
Die letzten zehn Jahre Forschungsförderung
Die Zahl der eingereichten Gesuche hat in den letzten zehn
Jahren stetig zugenommen. Entsprechend ist die beantragte
Kreditsumme in diesem Zeitraum um einen Drittel angestiegen. Die Zahl der bewilligten Gesuche betrug 26 (1998) resp.
30 (2007) mit insgesamt bewilligten Forschungskrediten von
im Schnitt CHF 1,8 Mio. pro Jahr. Ausnahmen bildeten die
Jahre 1998 und 2001: Damals konnte das Forschungsbudget
im Zusammenhang mit den grossen Kampagnen «Frau und
Herz» bzw. «Hirnschlag» dank einem speziellen Legat auf
CHF 3,2 Mio. bzw. CHF 2,3 Mio. aufgestockt werden.
Dieser Zahlenvergleich zeigt, dass der Anteil unterstützter
Gesuche von 54 Prozent in den Jahren 1998/99 auf 46 Prozent in den Jahren 2006/07 gesunken ist; das heisst, dass in
den letzten Jahren nur noch knapp die Hälfte der eingereichten Gesuche unterstützt werden konnte.
Anzahl beantragte und bewilligte Forschungsgesuche 1998–2007
Beantragte und bewilligte Forschungsbeiträge 1998–2007
50
8 in Mio. CHF
7
60
6
50
5
40
4
30
3
20
2
10
0
1
1998
1999 2000 2001 2002 2003 2004
2005 2006 2007
In einem nächsten Schritt legt der Wissenschaftliche Ausschuss seine Beurteilung der Direktion der Schweizerischen
Herzstiftung zur Beschlussfassung vor. Sobald entschieden
ist, welche Gesuche eine Unterstützung erhalten, werden
die Bewerber schriftlich über die Entscheide orientiert. Diese
Entscheide sind nicht anfechtbar. Alle Gesuchsteller, deren
Gesuche unterstützt werden, müssen eine kurze, auch für
Laien verständliche Zusammenfassung ihres Projekts einreichen und das ihnen zugesprochene Geld innerhalb von sechs
Monaten abrufen. In wissenschaftlichen Publikationen über
Projekte, die durch die Schweizerische Herzstiftung gefördert
werden, soll diese Unterstützung anerkennend erwähnt
werden.
0
1998
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
Das mit Beiträgen am meisten geförderte Themengebiet ist
die Arteriosklerose (Grundlagen der Arteriosklerose sowie klinische Projekte im Zusammenhang mit koronaren und peripheren Durchblutungsstörungen). Es folgen Projekte, die sich
mit der Herzinsuffizienz beschäftigen (verstärkt in den letzten
Jahren), und Projekte zu Durchblutungsstörungen des Gehirns
(2006/07 gingen 20 Prozent der bewilligten Gelder an Projekte aus diesem Themenbereich). Es wurden ziemlich gleichmässig Forschungsprojekte aus allen fünf Universitäten
der Schweiz berücksichtigt (Basel, Bern, Genf, Lausanne,
Zürich). Die Universitäten Bern und Zürich erhielten etwas
mehr Gelder, etwas geringere Anteile – bei gleichzeitig weniger Anträgen – gingen nach Genf und Lausanne.
19
Eine wichtige Säule der Forschungsförderung in der Schweiz
Die Forschungsunterstützung der Schweizerischen Herzstiftung hat sich über die Jahre als feste Säule der Forschungsförderung in der Schweiz bewährt. Sie hat wesentlichen
Anteil an der herausragenden Stellung und den Erfolgen von
Schweizer Forscherinnen und Forschern im kardiovaskulären
Bereich. Kaum einer dieser Forschenden konnte nicht zumindest einmal während seiner Karriere von der Unterstützung
durch die Schweizerische Herzstiftung profitieren.
Der Schweizerischen Herzstiftung ist es sehr wichtig, die eingereichten Gesuche dem strengen und weitgehend unabhängigen Review-Prozess durch den Wissenschaftlichen
Ausschuss zu unterziehen. Damit haben die Geldgeber –
Spenderinnen und Spender von kleineren und grossen Beträgen, von spezifischen Zuwendungen und Legaten – Gewähr,
dass mit ihren Mitteln gute und wichtige Forschungsarbeit
geleistet wird, die schliesslich wieder den Patienten zugute
kommt.
Prof. Matthias Pfisterer
Die Schweizerische Herzstiftung dankt im Namen aller Geförderten für die grosszügige finanzielle Unterstützung durch
Private und durch Institutionen und die Industrie. Die Forschungserfolge zeigen, dass die eingesetzten Mittel auf
fruchtbaren Boden fallen. Jedes Jahr werden deutlich mehr
Gesuche zur Unterstützung eingereicht, als bewilligt werden
können – dies weist darauf hin, dass im Gebiet Herz-Kreislauf
ein sehr aktives Schweizer Forschungsumfeld besteht, was
auch zu einem aktiven Wettbewerb um die finanzielle Unterstützung führt.
Prof. Matthias Pfisterer ist Mitglied der
Direktion und des Stiftungsrates sowie
Vorsitzender des Wissenschaftlichen Ausschusses der Schweizerischen Herzstiftung. Er ist Chefarzt der Klinik für Kar­
diologie am Universitätsspital in Basel.
Der Wissenschaftliche Ausschuss der Schweizerischen Herzstiftung
Die Mitglieder des Wissenschaftlichen Ausschusses beurteilen die eingegangenen Gesuche zur finanziellen Unterstützung
eines Forschungsprojekts. Die besten Projekte erhalten einen Beitrag der Schweizerischen Herzstiftung.
Vorsitzender
Prof. Dr. Matthias Pfisterer, Chefarzt Klinik für Kardiologie, Universitätsspital Basel
Mitglieder
Prof. Dr. Thierry Carrel, Direktor der Universitätsklinik für Herz- und Gefässchirurgie, Inselspital Bern
Prof. Dr. Augusto Gallino, Chefarzt Kardiologie, Ospedale San Giovanni, Bellinzona
Prof. Dr. med. Lukas Kappenberger, Vizepräsident CardioMet (Centre des Maladies Cardio-vasculaires et Métaboliques),
Universitätsspital Lausanne
Prof. Dr. René Lerch, Leitender Arzt, Abteilung Kardiologie, Universitätsspital Genf
Prof. Dr. Heinrich Mattle, Chefarzt-Stellvertreter, Neurologische Klinik und Poliklinik, Inselspital Bern
PD Dr. Rubino Mordasini, Chefarzt Innere Medizin und Herzzentrum, CMO Sonnenhofgruppe Bern
PD Dr. Roman Sztajzel, Leitender Arzt Neurologische Klinik, Universitätsspital Genf
Prof. Dr. Felix C. Tanner, Bereichsleiter kardiovaskuläre Forschung, Klinik für Kardiologie, Universitätsspital Zürich
Prof. Dr. Ludwig K. von Segesser, Chefarzt Departement Kardiovaskuläre Chirurgie, Universitätsspital Lausanne
Geschäftsstelle und Sekretariat
Therese Junker, Geschäftsführerin Schweizerische Herzstiftung
Rahel Bracher, Sekretariat Wissenschaftlicher Ausschuss Schweizerische Herzstiftung
20
Schweizerische Herzstiftung, Schwarztorstrasse 18, Postfach 368, 3000 Bern 14
[email protected], www.swissheart.ch, Telefon 031 388 80 80, Fax 031 388 80 88
Informationen zur Forschung und zur Einreichung von Gesuchen unter www.swissheart.ch/forschung
Die unterstützten
Forschungsprojekte 2006
Nur dank kontinuierlicher Forschung können die Lebensbedingungen von HerzKreislauf-Patienten weiterhin verbessert
werden. Die öffentliche Hand ist allerdings
nicht in der Lage, die Finanzierung der Forschung sicherzustellen. Deshalb unterstützt
die Schweizerische Herzstiftung wichtige
Forschungsprojekte mit unterschiedlich
hohen Beiträgen. Im Jahr 2006 hat die
Schweizerische Herzstiftung insgesamt
CHF 2,084 Millionen in Forschungsaktivitäten investiert. Davon gingen CHF 2,046
Millionen an insgesamt 27 Forschungsprojekte aus den Gebieten Herz-KreislaufKrankheiten und Hirnschlag.
■ Projekte aus dem Gebiet Arteriosklerose
Dr. Abdul Dulloo, Universität Fribourg
Mechanismen, durch welche Aufholwachstum zu Herz-Kreislauf-Krankheiten prädisponiert
_ Manche Kinder kommen zu klein und zu leicht auf die Welt, oder
sie wachsen im Säuglingsalter nicht genug. Die meisten dieser Kinder holen im Verlauf ihrer Entwicklung diesen Wachstumsrückstand
auf. Das bedeutet, sie wachsen während Monaten oder sogar Jahren schneller und nehmen mehr an Gewicht zu als andere Kinder.
Inzwischen weiss man, dass dieses rasche «Aufholwachstum» das
Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten im Erwachsenenalter erhöht.
Dr. Dulloo erforscht die Mechanismen, die – vor allem im Fettstoffwechsel – zur Risikoerhöhung führen. Erst wenn diese Mechanismen bekannt sind, besteht auch die Möglichkeit, Vorbeugemassnahmen zu entwickeln.
CHF 20 000
Prof. Paul Erne, Kantonsspital Luzern
Kontrolle chronischer Neovaskularisierung bei Arteriosklerose
durch Beeinflussung der Entzündung
_ Entzündung und Neubildung von Blutgefässen sind wichtige
Mechanismen, die dazu beitragen, dass atherosklerotische Plaques
und damit Komplikationen wie Angina pectoris oder Herzinfarkt entstehen können. Auch Zellen des Immunsystems sind an diesen Prozessen beteiligt. Prof. Erne und sein Team untersuchen, wie Immunzellen das Wachstum von neuen Blutgefässen beeinflussen und
welche Signale dabei von Zelle zu Zelle übertragen werden. Auf-
grund dieser Kenntnisse können in Zukunft eventuell neue Medikamente zur Bekämpfung der Atherosklerose entwickelt werden.
CHF 95 000
Prof. Andreas Hoffmann, Universitätsspital Basel
Motivation und Effekt der Teilnahme an einer Herzgruppe
_ Menschen, die einen Herzinfarkt erleiden oder sich einer Herz­
operation unterziehen müssen, benötigen danach eine Rehabilitation. Dort lernen sie, wie sie ihren Lebensstil der Situation nach dem
Herzereignis anpassen können. In der Studie von Prof. Hoffmann
werden über 1700 Patientinnen und Patienten befragt, die in den
letzten Jahren ein ambulantes Rehabilitationsprogramm absolviert
haben. Die Forscher möchten herausfinden, wie sich der Lebensstil
und die Risikofaktoren der Teilnehmer langfristig entwickeln. Insbesondere wird dabei die Rolle der Herzgruppen untersucht, deren Verbreitung in der Schweiz von der Schweizerischen Herzstiftung gefördert wird.
CHF 80 000
Dr. Marc Husmann, Universitätsspital Bern
Evaluation der perkutanen Nierenarterien-Angioplastie
auf die Nierenperfusion mittels funktioneller Magnet­
resonanz
_ Bei einer Verengung der Nierenarterie wird diese Engstelle oft
mit einem Ballonkatheter aufgeweitet. Es ist allerdings nicht genau
bekannt, ob diese Behandlung wirklich die Durchblutung der Niere
verbessert. Mit einer neu entwickelten Technik der Magnetresonanztomografie (MRI) kann man nun die Nierendurchblutung vor und
nach der Katheterbehandlung messen. In dieser Studie wird untersucht, bei welchen Patienten sich die Durchblutung der Niere nach
dem Eingriff um wie viel verbessert. Dank dieser Kenntnisse wird
man zukünftig besser beurteilen können, ob die Behandlung mit
Ballonkatheter bei einem Patienten sinnvoll ist oder nicht.
CHF 35 000
Dr. Alexey Kuredov, Universität Zürich
Antiatherosklerotische Wirkung von PKC-beta-Inhibitoren
_ Das Enzym Proteinkinase C-beta (PKCb) fördert im Stoffwechsel das Wachstum von neuen Blutgefässen. Nicht immer ist ein solches Wachstum aber erwünscht. Deshalb wurden Substanzen entwickelt, welche die Wirkung von PKCb hemmen (PKCb-Inhibitoren);
diese Substanzen werden zur Behandlung von Gefässkrankheiten
bei Diabetes eingesetzt. Man vermutet, dass PKCb-Inhibitoren aber
auch das Fortschreiten der Atherosklerose bremsen können. Deshalb untersucht Dr. Kuredov im Rahmen seiner Studie, wie sich die
Gabe von PKCb-Inhibitoren auf die Bildung von Plaques bei Mäusen
auswirkt. Längerfristig stellt sich die Frage, ob PKCb-Inhibitoren als
Medikament bei Atherosklerose geeignet sind.
CHF 75 000
Dr. David J. Kurz, Universität Zürich
Rolle der endogenen Telomerase in der Proliferation von
Endothelzellen
_ Die Telomerase ist ein Enzym, das bei der Zellteilung eine wichtige Rolle spielt. Medikamente, welche die Wirkung von Telomerase hemmen, werden in der Behandlung von verschiedenen Krebsarten eingesetzt. Es wird vermutet, dass die Telomerase ebenfalls
das Wachstum von ganz normalen Zellen reguliert. Eine Hemmung
der Telomerase könnte deshalb auch das (krankhafte) Wachstum der
Endothelzellen bei Atherosklerose stoppen. Diese Hypothese wird im
vorliegenden Forschungsprojekt untersucht. Ausserdem möchte man
herausfinden, mit welchen Mechanismen die Telomerase das Zellwachstum steuert.
CHF 65 000
21
Prof. Thomas Lüscher, Universitätsspital Zürich
Die Rolle von L-Selectin in der Entwicklung der Atherosklerose
_ Die Atherosklerose ist eine entzündliche Erkrankung, bei der sich
Leukozyten (weisse Blutkörperchen) in der Gefässwand anhäufen.
Das Molekül L-Selectin reguliert gemeinsam mit anderen Molekülen, wann sich wie viele Leukozyten an die Zellen der Gefässwand
(Endothelzellen) anlagern. Nun hat man beobachtet, dass in den
ersten Stadien einer Atherosklerose besonders viel L-Selectin produziert wird – offenbar sollen damit Leukozyten in die Gefässwand
«gelockt» werden, was die Entzündung fördert. Im Forschungsprojekt von Prof. Lüscher wird die Rolle des L-Selectins genauer untersucht. In der Zukunft könnten dank der gewonnenen Kenntnisse
eventuell neue Medikamente entwickelt werden.
CHF 50 000
Prof. François Mach, Universitätsspital Genf
Überwinden höhere Dosen die Clopidogrel-Resistenz?
_ Das Medikament Clopidogrel verhindert das Verklumpen von Blutplättchen. Viele Patienten, die unter Herz-Kreislauf-Krankheiten leiden, nehmen Clopidogrel ein, um erneuten Ereignissen vorzubeugen. Clopidogrel wirkt aber nicht bei allen Patienten gleich. In der
vorliegenden Studie hat man untersucht, ob eine Erhöhung der täglichen Clopidogrel-Dosis die Wirkung bei Patienten verbessern kann,
die bisher nicht gut auf das Medikament angesprochen haben. Dazu
wurde bei ausgewählten Personen die Dosis verdoppelt und der
Effekt beobachtet. Bei allen Studienteilnehmenden wurden auch
genetische Tests durchgeführt, um herauszufinden, ob bestimmte
Gene die Wirkung des Medikaments beeinträchtigen. Letztlich geht
es darum, die Therapie mit Clopidogrel zu verbessern.
CHF 40 000*
Dr. Nicolas Rodondi, Universität Lausanne
Auswirkung der Tabakentwöhnung auf Entzündungs­
marker und Karotisatherosklerose
_ In der Schweiz rauchen 31 Prozent der Erwachsenen. Man schätzt,
dass die Hälfte aller Raucherinnen und Raucher an Krankheiten sterben, die durch das Rauchen bedingt sind – hauptsächlich Herz-Kreislauf-Krankheiten. Wer mit Rauchen aufhört, reduziert sein Erkrankungsrisiko. Es ist allerdings unklar, welche Mechanismen dazu
führen, dass ein Rauchstopp das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten senkt. In der Studie von Dr. Rodondi wird untersucht, ob sich
dank eines Rauchstopps die atherosklerotische Verengung der Halsschlagader zurückbildet. Ausserdem möchte man herausfinden, ob
nach dem Rauchstopp Entzündungszeichen zurückgehen.
CHF 36 000
Prof. Felix Tanner, Universitätsspital Zürich
Molekulare Regulation der arteriellen Thrombose in vivo
_ Ein Blutgerinnsel (Thrombose), das eine Arterie verstopft, kann
einen Herzinfarkt oder einen Hirnschlag auslösen. Aus diesem Grund
wird intensiv erforscht, wie Thrombosen entstehen. Eine wichtige
Ursache ist Tissue Factor, ein Eiweiss, das die Blutgerinnung anregt.
Verschiedene Enzyme, darunter auch die so genannten MAP-Kinasen, regulieren die Produktion des Tissue Factor. Im Forschungsprojekt von Prof. Tanner wird in speziell gezüchteten Mäusen getestet,
wie Tissue Factor und MAP-Kinasen aufeinander wirken und wie daraus Thrombosen entstehen können. Letztlich sollen die Erkenntnisse
dazu führen, dass neue Behandlungsmöglichkeiten für Thrombosen
entwickelt werden können.
CHF 80 000
Dr. Marten Trendelenburg, Universitätsspital Basel
Plasmakonzentration von Komplement MBL und Prognose
von Patienten mit Katheterintervention bei Herzinfarkt
_ Das Eiweiss «Komplement MBL» beteiligt sich im Organismus an
den Immunreaktionen. Man vermutet, dass Komplement MBL zu
einer Schädigung des Herzmuskels bei einem Herzinfarkt beiträgt. In
22
der vorliegenden Forschungsarbeit wird bei Patientinnen und Patienten mit einem akuten Herzinfarkt der Wert des Komplement MBL
im Blut gemessen. Danach erhalten die Patienten entweder eine
Substanz, welche die Wirkung des Komplement MBL hemmt, oder
Placebo, und man dehnt mit einem Kathetereingriff das verschlossene Herzkranzgefäss auf. Anschliessend wird der Krankheitsverlauf
in den unterschiedlichen Patientengruppen beobachtet. Eventuell
kann die medikamentöse Hemmung des Komplement MBL zukünftig die Prognose von Herzinfarktpatienten verbessern.
CHF 90 000
Dr. Peter Wenaweser, Universitätsspital Bern
Plättchenaggregationsmessung vor perkutaner koronarer
Intervention
_ Heutzutage wird vielen Patienten mit verengten Herzkranzgefässen ein Stent – ein winziges rohrförmiges Metallgitter, welches das
Gefäss offen hält – eingesetzt. Bei diesem Eingriff besteht die Gefahr,
dass sich in dem behandelten Blutgefäss eine Thrombose entwickelt.
Deshalb erhalten alle Patienten vor und nach dem Eingriff Medikamente, die das Verklumpen von Blutplättchen hemmen. In der Studie von Dr. Wenaweser wird ein neues Gerät getestet (Multiplate[r]),
mit dem man vor dem Eingriff sehr einfach testen kann, wie die Blutplättchen des Patienten auf die Medikamente reagieren. Patienten,
bei denen die Medikamente nicht genügend wirken, können erkannt
und entsprechend behandelt werden. Dadurch lässt sich möglicherweise die Rate von Komplikationen bei Stent-Einlagen senken.
CHF 32 800*
■ Projekte aus dem Gebiet Herzinsuffizienz
Dr. Thomas Dieterle, Universitätsspital Basel
Urocortin I, II und III: ein neuer Ansatz für die Diagnostik
und Therapie der Herzinsuffizienz
_ Die Eiweisse Urocortin I, II und III sind noch nicht lange bekannt.
Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass diese Substanzen bei der Diagnose und Therapie der Herzinsuffizienz eine wichtige Rolle spielen
könnten. Eine Studie hat gezeigt, dass Urocortin II vermehrt produziert wird, wenn die Funktion der linken Herzkammer eingeschränkt
ist. Hier stellt sich die Frage, ob durch die Messung der Urocortin-IIWerte nicht frühzeitig festgestellt werden könnte, ob sich die Funktion der linken Herzkammer verschlechtert – und zwar schon bevor
der Patient Beschwerden hat. Möglicherweise kann Urocortin II auch
zur Vorbeugung einer Herzinsuffizienz eingesetzt werden. Diese Fragen werden im Rahmen der Forschungsarbeit von Dr. Dieterle untersucht.
CHF 70 000
Dr. Siv Fokstuen, Universitätsspital Genf
DNA resequencing array für die molekulargenetische
Diagnostik der hypertrophen Kardiomyopathie
_ Die hypertrophe Kardiomyopathie (HKM) ist die häufigste erbliche
Herzkrankheit. Der Herzmuskel verdickt sich so stark, dass die Funktion des Herzens stark eingeschränkt wird und die Patienten unter
Herzinsuffizienz leiden. Bei der Diagnose untersucht man auch die
Gene der Patienten, da gewisse Genmutationen das Risiko für eine
HKM erhöhen. In Genf wurde ein Test (DNA resequencing array) entwickelt, mit dem die molekulargenetische Diagnostik der HKM effektiver und rascher durchgeführt werden kann. In der Studie von Dr.
Fokstuen wird getestet, ob die neue Diagnosemethode sich im klinischen Alltag bewährt. Ein Ziel besteht darin, die betroffenen Patienten und ihre Familien individueller zu betreuen.
CHF 60 000
Prof. Paul Mohacsi, Universitätsspital Bern
Das Schweizerische Register der akuten Herzinsuffizienz
_ In der Schweiz sollen Patienten mit akuter Herzinsuffizienz in
einem Register erfasst werden. Im Sommer 2007 enthielt das Register bereits Daten von über 1000 Patienten, beispielsweise aus den
Zentrumsspitälern Bern, Lugano, Basel und Baselland. Sobald genügend Daten vorhanden sind, werden diese ausgewertet. Dadurch
lässt sich beispielsweise feststellen, ob die Patienten an unterschiedlichen Orten auch unterschiedlich behandelt werden und wie die
Behandlung verbessert werden kann.
CHF 160 000*
Prof. Georg Noll, Universitätsspital Zürich
Einfluss dunkler Schokolade auf die Endothel-, Barorezeptor- und Plättchenfunktion bei Patienten mit chronischer
Herzinsuffizienz
_ Im Stoffwechsel werden dauernd so genannte «freie Radikale»
gebildet; dies sind sehr reaktive Moleküle, welche die Zellen angreifen und vorzeitig altern lassen. Dieser «oxidative Stress» ist ein
wichtiger Faktor für das Altern und die Entstehung der Atherosklerose. Kakao enthält viele natürliche Antioxidantien – Substanzen,
welche die freien Radikale neutralisieren und damit den oxidativen
Stress reduzieren können. Bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz ist der oxidative Stress verstärkt. Das Ziel der vorliegenden Studie besteht darin, den kurzzeitigen (2 Stunden) und den langfristigen
(1 Monat) Effekt von dunkler Schokolade auf den oxidativen Stress
von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz zu untersuchen.
CHF 40 000
Dr. Thierry Pedrazzini, Universität Lausanne
Die Rolle der Notch-Signalisierung in der Integritätserhaltung von erwachsenem Herzgewebe
_ Seit wenigen Jahren wird die Stammzellentherapie bei Herzinsuffizienz erforscht. Stammzellen sollen die Erneuerung von Herzmuskelgewebe anregen und damit die Symptome einer Herzinsuffizienz lindern. Bevor dieses Verfahren in der Praxis angewendet werden kann,
muss man die Mechanismen verstehen, die das Wachstum und die
Entwicklung der Stammzellen steuern. «Notch» ist ein molekularer
Mechanismus, der in verschiedenen Organen für die Neubildung von
Zellen verantwortlich ist. In der Forschungsarbeit von Dr. Pedrazzini
wird untersucht, wie Notch funktioniert und ob seine Funktionen im
Labor abgeändert werden können. Die Kenntnisse über Notch werden es in Zukunft erlauben, Herzstammzellen zu aktivieren und die
Erneuerung von Herzgewebe anzuregen.
CHF 160 000
■ Projekte aus dem Gebiet Herzrhythmus­
störungen
Dr. Eugène Katz, Universitätsspital Lausanne
Register der Personen mit plötzlichem Herzstillstand in
der Romandie
_ Es ist nicht genau bekannt, wie viele Menschen in der Schweiz
einen plötzlichen Herzstillstand ausserhalb eines Spitals haben.
Dieses Forschungsprojekt hat zum Ziel, in der Romandie während
36 Monaten alle plötzlichen Herzstillstände zu registrieren sowie
Häufigkeit, Umstände, Ursachen, die Art der Wiederbelebungsmassnahmen und den Verlauf festzuhalten. Besonders wichtig ist dem
Forscherteam, Herzstillstände im Zusammenhang mit sportlichen
Aktivitäten zu protokollieren. Die Interpretation der gesammelten
Daten soll dazu beitragen, die Notfallversorgung in der Romandie
zu verbessern und die Überlebensrate von Patienten mit plötzlichem
Herzstillstand zu erhöhen (momentan nur 5%).
CHF 100 000*
Dr. Dragana Radovanovic, Universität Zürich
Evaluation der nationalen Öffentlichkeitskampagne der
Schweizerischen Herzstiftung bezüglich Zeitverzögerung,
Symptomen bei Spitaleintritt und Outcome bei Patienten
mit akutem Koronarsyndrom
_ Die Schweizerische Herzstiftung informiert die Öffentlichkeit mit
der nationalen Kampagne «HELP» darüber, wie Herznotfälle erkannt
werden können und wie man im Notfall richtig handelt. Das Ziel
der Kampagne besteht darin, dass mehr Patienten mit akutem Herz­
infarkt rasch ins Spital gebracht werden. Denn je früher ein Patient
das Spital erreicht, umso grösser sind seine Chancen, dass der Herzinfarkt keine bleibenden Schäden hinterlässt. Im Rahmen des Forschungsprojekts von Dr. Radovanovic wird der Effekt der HELP-Kampagne wissenschaftlich untersucht. Man möchte wissen, ob dank
der Informationen Herzinfarktbetroffene das Spital durchschnittlich
früher erreichen und ob mehr Patienten dieses bedrohliche Ereignis überleben.
CHF 50 000*
■ Projekte aus anderen Gebieten der Herz-Kreislauf-Krankheiten
Dr. Christoph Kalka, Universitätsspital Bern
Optimierte zelltherapeutische Strategien zur Regeneration
ischämischer Gewebe bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit
_ Bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) verengen
sich die Arterien in den Beinen, und die Beinmuskulatur erhält nicht
genügend Sauerstoff. Deswegen leiden die Patienten beim Gehen
zunehmend an Schmerzen. Im Endstadium der Krankheit stirbt das
Gewebe der Füsse ab, und manchmal muss sogar amputiert werden.
Dr. Kalka untersucht im Rahmen seiner Forschungsarbeit, wie die
PAVK mit Stammzellen behandelt werden könnte. Stammzellen, die
in das erkrankte Gewebe eingebracht werden, fördern die Bildung
von neuen Blutgefässen und die Regeneration. Diese Effekte werden
im Labor und an Tiermodellen geprüft.
CHF 76 000
23
Dr. Gabor Matyas, Institut für medizinische Genetik,
Schwerzenbach
Hochauflösende Analyse der DNA-Kopienzahl im MarfanSyndrom und in ähnlichen Krankheiten
_ Das Marfan-Syndrom ist eine angeborene Krankheit, die durch
Mutationen in bestimmten Genen ausgelöst wird. Das Bindegewebe
der Patienten hat nicht die gleiche Festigkeit wie normales Bindegewebe, deshalb sind beispielsweise die Gelenke der betroffenen
Menschen beweglicher als üblich. Die Hauptschlagader (Aorta) ist
oft krankhaft ausgedehnt, und leider sterben viele Marfan-Patienten
daran, dass die Aorta plötzlich reisst. Dr. Matyas erforscht die Genveränderungen, die im Zusammenhang mit dem Marfan-Syndrom
bereits bekannt sind, und mithilfe modernster Analysemethoden
sucht er nach weiteren Genen, die an der Entstehung des Syndroms
beteiligt sind.
CHF 30 000
Dr. Jérôme Badaut, Universitätsspital Lausanne
Vasopressin-Behandlung beim Hirnschlag: Auswirkungen
auf die Expression von Aquaporinen und Hirnödem
_ Bei manchen Patienten mit Hirnschlag entwickelt sich ein Hirn­
ödem: Das Gehirn schwillt an, weil Flüssigkeit in die Hirnzellen eingelagert wird. Ein Hirnödem ist eine gefürchtete Komplikation, da
der erhöhte Druck im Gehirn zu Blutungen führen und die Hirnschädigung vergrössern kann. In der vorliegenden Studie untersucht
man, welche Rolle die so genannten Aquaporine – «Kanäle» in den
Hüllen der Hirnzellen – bei der Entstehung eines Hirnödems spielen.
Dr. Badaut erforscht ausserdem, ob sich die Funktion der Aquaporine
durch das Hormon Vasopressin stimulieren lässt. Diese Kenntnisse
könnten dazu beitragen, in Zukunft neue Medikamente zur Vorbeugung und Behandlung von Hirnödemen zu entwickeln.
CHF 60 000
PD Dr. Dirk Hermann, Universitätsspital Zürich
Dr. Mladen Pavlovic, Universitätsspital Bern
Einfluss von Genvarianten des Renin-Angiotensin-Systems
auf den Verlauf des Blutdrucks in der Jugendzeit und im
jungen Erwachsenenalter
_ Man weiss heute, dass bei der Entstehung von Bluthochdruck auch
die Gene eine wichtige Rolle spielen. In der vorliegenden Studie wird
untersucht, wie sich die Blutdruckwerte bei rund 200 jungen Frauen
und Männern mit Typ-1-Diabetes entwickeln. Patienten mit dieser
Krankheit haben ein besonders hohes Risiko für Bluthochdruck und
Herz-Kreislauf-Krankheiten. Die Gene der Studienteilnehmer werden auf unterschiedliche Genvarianten getestet, die für die Regulierung des Blutdrucks wichtig sind. Man möchte herausfinden, ob
eine bestimmte genetische Ausstattung das Risiko für Bluthochdruck
stark erhöht; eine solche Erkenntnis könnte helfen, die betroffenen
Personen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
CHF 37 000
■ Projekte aus dem Gebiet Hirnschlag
PD Dr. Marcel Arnold, Universitätsspital Bern
Schweizerische Thrombolyse-Studien beim akuten ischämischen Hirnschlag (SWISS)
_ Wenn ein Patient, der wegen einer Thrombose oder einer Embolie
einen Hirnschlag erleidet, innerhalb von wenigen Stunden ins Spital gebracht wird, kann in manchen Fällen eine Thrombolyse-Therapie durchgeführt werden. Dabei spritzt man ein Medikament, das
den Thrombus oder die Embolie auflösen soll, damit sich das verstopfte Blutgefäss wieder öffnet. In der Studie von PD Dr. Arnold
wird geprüft, wie wirksam die Thrombolyse-Behandlung ist. Man
untersucht, wie es den Patienten drei Monate sowie ein Jahr nach
der Behandlung geht. Ausserdem werden die Gaben des Thrombolyse-Medikaments über eine Vene oder über eine Arterie verglichen.
Die Studie zielt darauf hin, die Thrombolyse-Therapie zu verbessern
und herauszufinden, welche Patienten von welcher Behandlung am
meisten profitieren.
CHF 275 000*
24
Effekte von tissue-Plasminogenaktivator und Rosuvastatin auf die funktionelle Erholung des ischämischen Gehirns
_ Bei einem Hirnschlag wird Hirngewebe geschädigt, weil es nicht
mehr genügend Sauerstoff erhält. Die Forschung sucht deshalb nach
Wegen, die Sauerstoffversorgung des Gehirns nach einem Hirnschlag möglichst rasch zu verbessern. PD Dr. Herrmann untersucht in
seiner Studie, wie sich die Substanz «Thrombolytic tissue-plasminogen activator» (t-PA) auf die Erholung des Gehirns auswirkt. Dabei
werden molekularbiologische, radiologische (MRI) und neuroanatomische Techniken verwendet. Man möchte auch wissen, ob die pharmazeutische Substanz Rosuvastatin, die dem t-PA entgegenwirkt,
zur Behandlung bei Hirnschlag eingesetzt werden kann.
CHF 88 000
*Finanziert über den Von-Muralt-Fonds der Schweizerischen Herzstiftung (total CHF 657 000)
Für zwei Projekte (PD Dr. Egger und PD Dr. Sztajzel) wurden bewil­
ligte Gelder nicht in Anspruch genommen. Die entsprechende
Summe von CHF 141 000 wird deshalb im Jahr 2007 für die Unterstützung von anderen Forschungsprojekten eingesetzt.
Die bewilligten
­Forschungsprojekte 2007
Kardiovaskuläre Projekte
Prof. Hugues Abriel, Lausanne
CHF 90 000
Down-Regulierung von Natriumkanälen in Muskelzellen von Mäusen ohne Dystrophin-Gen: Erklärung der Mechanismen und pharmakologische Strategien zur Gegensteuerung
Down-regulation of voltage-gated sodium channels in dystrophindeficient mice: Elucidation of the mechanisms and pharmacological
rescue strategies
Prof. Alex J. Baertschi, Genf
CHF 60 000
Apelin: ein intrakrines Peptid in Endothel, glatter Muskulatur und
Herz
Apelin: Intracrine peptide in endothelium, smooth muscle and heart
Prof. Hans-Jürg Beer, Baden
CHF 50 000
Das «alpine Paradox»: Molekulare und zelluläre Effekte der AlphaLinolensäure auf die Atherogenese
The «alpine paradox»: Molecular and cellular effects of alpha-lino­
lenic acid on atherogenesis
Dr. Alain Bernheim, Basel
CHF 45 000
Der Einfluss von Alter und Trainingszustand auf die diastolische
Funktion in der Stress-Echokardiografie
The influence of age and training state on diastolic stress echocardiography
Dr. Clive Brown, Freiburg
CHF 45 000
Kardiovaskuläre Nebenwirkungen von «Energy Drinks» bei jungen
Erwachsenen – Interaktion mit mentalem Stress
Adverse cardiovascular effects of energy drinks in young adults – the
interaction with mental stress
Dr. Giovanni G. Camici, Zürich
CHF 65 000
Neue Perspektiven für die Verbesserung von medikamentenbeschich­
teten Stents
Novel perspectives for improving drug eluting stents
Prof. Urs Eriksson, Basel
CHF 50 000*
Interferon alpha/beta-Signalling verlangsamt die Progression einer
Myokarditis zur Herzinsuffizienz
Interferon alpha/beta signalling attenuates the progression of myocarditis to heart failure
Prof. Paul Erne, Luzern
CHF 80 000
Endotheliale Dysfunktion und zirkulierende Marker geschädigter
Endothelzellen zur Beurteilung von Risikopatienten für akute Koronarsyndrome
Endothelial dysfunction and circulating markers of injured endothelial cells to assess patients at risk of acute coronary syndromes
Dr. Pierre Fontana, Genf
CHF 50 000*
Resistenz gegen Plättchenaggregationshemmer und ischämische
Ereignisse
Antiplatelet drug resistances and ischemic events (ADRIE)
PD Dr. Roger Hullin, Bern
CHF 60 000
Polymorphismus der betaadrenergen Rezeptoren und Leistungskapa­
zität nach Herztransplantation
Polymorphism of the β-adrenergic receptors and exercise capacity
after orthotopic heart transplantation
Dr. Marc Husmann, Bern
CHF 40 000
Der Einfluss der venösen Morphologie und Hämodynamik kombi­
niert mit Gerinnungsmustern auf die Wiederholung von venösen
thromboembolischen Ereignissen
The impact of venous morphology and hemodynamics combined
with thrombophilic patterns on recurrence of venous thromboembolic events
PD Dr. Christoph Kaiser, Basel
CHF 176 000*
Die Evaluation von späten klinischen Ereignissen bei Risikopatien­t­en
mit medikamentenbeschichteten Stents versus Patienten mit unbeschichteten Stents
Evaluation of late clinical events after drug-eluting versus baremetal stents in patients at risk
Dr. Beat Kaufmann, Basel
CHF 70 000
Zeitliche und räumliche Korrelation von molekularen Veränderungen
und der Entwicklung von Plaques bei Atherosklerose mit targeted
ultrasound molecular imaging
Temporal and spatial correlation between molecular alterations and
plaque development in atherosclerosis with targeted ultrasound
molecular imaging
PD Dr. Dagmar Keller, Basel
CHF 43 000
Familiärer plötzlicher Herztod bei Kardiomyopathien und arrhythmischen Syndromen: der Einfluss von genetischen Tests auf die Risikobeurteilung
Familial sudden cardiac death in related cardiomyopathies and
arrhythmic syndromes: Impact of genetic testing on risk stratification
Dr. Gabriela Kuster Pfister, Basel
CHF 65 000
Die Rolle von Nox2 bei der Regulation von beta-1-Integrinen im
Herz
Role of Nox2 in the regulation of beta-1 integrins in the heart
PD Dr. Ulf Landmesser, Zürich
CHF 60 000
Vaskuläre Effekte von High Density Lipoprotein (HDL) von Patienten
mit akutem Koronarsyndrom oder stabiler koronarer Herzkrankheit
im Vergleich zu HDL von gesunden Personen
Vascular effects of high density lipoprotein (HDL) isolated from
pa­tients with acute coronary syndrome or stable coronary disease as
compared to HDL from healthy subjects
Prof. Thomas F. Lüscher, Zürich
CHF 80 000
Die Rolle des Rezeptors LOX-1 bei endothelialer Dysfunktion und
Atherosklerose
Role of the scavenger receptor LOX-1 in endothelial dysfunction and
atherosclerosis
Prof. Christian Müller, Basel
CHF 45 000*
Prognose bei asymptomatischer Regurgitation im Bereich der Mitralklappe
Prognosis in asymptomatic mitral regurgitation
Dr. Otmar Pfister, Basel
CHF 80 000
Die Rolle des hämatopoietischen Wachstumsfaktors «Flt3-ligand»
auf die Homöostase von Herzmuskelzellen
Role of the hematopoietic growth factor «Flt3-ligand» in myocardial
cell homeostasis
Dr. Nicolas Rodondi, Lausanne
CHF 90 000
Screening von atherosklerotischen Plaques in den Carotiden: Einfluss auf den Rauchstopp und die Kontrolle anderer kardiovaskulärer Risikofaktoren
Impact of carotid plaque screening on smoking cessation and control of other cardiovascular risk factors
25
Dr. Jean-Paul Schmid, Bern
CHF 40 000
Die Kombination von körperlichem Training und niedrig dosierter
Stosswellentherapie an den Beinen bei Patienten mit intermittierender Claudicatio
The combination of exercise training and low-energy shock wave
therapy of the lower limb in patients with intermittend claudication
Prof. Christian Seiler, Bern
CHF 90 000
Messung der Herzmuskel-Durchblutung im transplantierten Herz:
eine neue Methode zur Diagnose einer Abstossungsreaktion
Absolute myocardial perfusion measurement in the transplanted
heart: a new method for accurate detection of allograft rejection
Prof. Felix C. Tanner, Zürich
CHF 80 000
Stress und arterielle Thrombosen in vivo
Stress and arterial thrombosis in vivo
Dr. Oliver Weber, Basel
CHF 75 000
Nicht-invasive Diagnose und Klassifizierung von Herzmuskelschädigungen mit MT-MRI
Non-invasive detection and classification of myocardial injury with
magnetization transfer magnetic resonance imaging (MT-MRI)
PD Dr. Michael J. Zellweger, Basel
CHF 60 000
Eine neue statistische Methode (memetic profile-based algorithm)
für die Diagnose oder den Ausschluss einer möglichen koronaren
Herzkrankheit
Memetic profile and artificial evolution based algorithm to reliably
predict coronary artery disease
Total CHF 1 689 000
Zerebrovaskuläre Projekte
PD Dr. Stefan Engelter, Basel
CHF 75 000
Genetische Analyse von Patienten mit Dissektionen der Cervicalarterien und assoziierten Bindegewebsveränderungen
Genetic analysis of patients with cervical artery dissections and associated connective tissue alterations
Dr. Urs Fischer, Bern
CHF 38 000
Morphologie von intramuralen Hämatomen bei Patienten mit akuten, spontanen Dissektionen der Arteria carotis interna
Morphology of intramural hematoma in patients with acute spontaneous internal carotid artery dissections
Prof. Philippe Lyrer, Basel
CHF 40 500
Schweizer Beitrag zur dritten internationalen Hirnschlag-Studie
(IST-3) zur Thrombolyse bei akutem ischämischem Hirnschlag – Patienten über 80 Jahre
Swiss contribution to the third international stroke trial (IST-3) of
thrombolysis for acute ischaemic stroke (IST-3 SWISS) – subset of
patients aged over 80 years
PD Dr. Maja Steinlin, Bern
CHF 130 000
Schweizerisches neuropädiatrisches Hirnschlag-Register: epidemiologische Studie zu Inzidenz, Risikofaktoren, Rückfällen und Outcome
Swiss neuropaediatric stroke registry: an epidemiological study on
incidence, risk factors, recurrence and outcome
PD Dr. Roman Sztajzel, Genf CHF 64 500
Kontrastmittel-verstärkte Sonografie der Neovaskularisation von Plaques in den Carotiden: Korrelation mit histopathologischen Gewebeproben von Endarterektomien
Contrast enhanced ultrasound imaging of carotid plaque neovascularisation: correlation with histopathological endarterectomy specimens
Total CHF 348 000
* Finanziert über den Von-Muralt Fonds der Schweizerischen Herzstiftung CHF 271 000
Die Aufstellung der Projekte wurde von
Rahel Bracher zusammengestellt. Rahel
Bracher betreut das Sekretariat des
Wissenschaftlichen Ausschusses in der
Schweizerischen Herzstiftung.
26
Der Forschungspreis
der Schweizerischen Herzstiftung
Die Schweizerische Herzstiftung verleiht
jährlich den mit CHF 20 000 dotierten
Forschungspreis. Der Preis wird vergeben
für eine oder mehrere hervorragende wissenschaftliche Forschungsarbeiten auf
dem Gebiet der Vorbeugung, Diagnose
oder Behandlung von Herz-Kreislauf-Krankheiten. Teilnahmeberechtigt sind im Inoder Ausland tätige Schweizer Forscherinnen, Forscher und Forschungsteams und
auch in der Schweiz arbeitende ausländische Forschende. Die Wahl der Preisträgerin oder des Preisträgers erfolgt durch
den Wissenschaftlichen Ausschuss der
Schweizerischen Herzstiftung.
Der Forschungspreis 2007:
Teuer ist nicht einfach besser
Im Jahr 2007 erhielt der Basler Kardiologe Dr. Christoph Kaiser den Forschungspreis. Er untersuchte die Wirtschaftlichkeit von Stents: Das sind Röhrchen aus Metallgitter, die man
in verstopfte oder verengte Herzkranzgefässe einsetzt, um
diese wieder durchgängig zu machen. Ziel der «BASKET»-Studie (Basel Stent Kosten Effektivitäts-Trial) war es, Kosten und
medizinischen Nutzen einer jüngeren – aber teureren – Generation von Stents gegeneinander abzuwägen.
Die herkömmlichen Stents haben eine Schwachstelle: Bei
ungefähr einem Viertel der damit behandelten Patienten
kann dort, wo der Stent eingesetzt wird, Narbengewebe entstehen und das Herzkranzgefäss wieder verengen (Restenose). Betroffene Patienten müssen sich das Gefäss im Spital
noch einmal öffnen lassen. Diese Gefahr wird mit einer neueren Generation von Stents deutlich gesenkt. Ihre Oberfläche
ist mit Medikamenten beschichtet, welche die zu starke Narbenbildung verhindern. Dieser Vorteil hat den neuen Stents
– obwohl sie deutlich teurer sind als die nicht beschichteten
Stents – vor allem in der Schweiz und in den USA rasch zum
Durchbruch verholfen.
Dr. Christoph Kaiser und sein Team stellten sich folgende
Frage: Wird der höhere Preis der beschichteten Stents aufgewogen durch die mögliche Einsparung an späteren Spitaltagen? Um das herauszufinden, wurden 826 Patienten während
sechs Monaten untersucht und beobachtet. Das Ergebnis der
Studie: Die Behandlung mit einem beschichteten Stent ist mit
durchschnittlich 10 544 Euro etwas teurer als die Behandlung
mit einem herkömmlichen Stent (9 639 Euro) – trotz einge­
sparter Spitaltage. Die neuen Stents bringen auch keinen entsprechend höheren gesundheitlichen Nutzen. Christoph Kaiser schliesst daraus: «Der Einsatz der teureren beschichteten
Stents bei allen Patienten ist gegenwärtig nicht kosteneffektiv. Nur bei bestimmten Hochrisikopatienten stimmt das
Kosten-Nutzen-Verhältnis.
Dr. Christoph Kaiser, Oberarzt Abteilung
für Kardiologie, Universitäts­spital Basel
27
Der Forschungspreis 2006:
Wenn «Herz-Kinder» erwachsen werden
Der Forschungspreis 2005:
zwei Preisträger
Der Waadtländer Kardiologe Prof. Etienne Delacrétaz vom
Universitätsspital Bern erhielt im Jahr 2006 den Forschungspreis. Er hat sich auf eine neuartige Behandlung von Patienten spezialisiert, die wegen eines angeborenen Herzfehlers
im Erwachsenenalter an Herzrhythmusstörungen leiden.
Im Jahr 2005 erhielten gleich zwei Forscher den Forschungspreis: Prof. Christian Müller von der Medizinischen Universitätsklinik Basel und PD Dr. Marco Roffi von der Universitätsklinik Zürich. Die beiden Geehrten arbeiten zwar nicht auf
dem gleichen Gebiet, aber sie haben beide mit den Erkenntnissen ihrer Forschungsarbeiten dazu beigetragen, die
Behandlung von Patienten mit akuter Herzkrankheit zu verbessern.
Dank des medizinischen Fortschritts erreichen heute neun von
zehn Kindern, die mit einem Herzfehler zur Welt kommen, das
Erwachsenenalter. Allerdings leiden die ehemaligen «HerzKinder» als Erwachsene überdurchschnittlich häufig an Herzrhythmusstörungen. Denn die chirurgischen Eingriffe am Herz
hinterlassen Narben, welche die Signalübermittlung für den
«Takt» des Herzschlags stören.
Solche Herzrhythmusstörungen können mit Thermoablation
behandelt werden. Bei dieser Technik wird ein langer Katheter durch die Oberschenkelvene zum Herzen geführt, wo man
kleine Bereiche des Herzens mit Hitze verödet. Dadurch wird
die falsche Übermittlung von Signalen ausgeschaltet. Bei Patienten, die mit einem Herzfehler zur Welt gekommen sind, ist
diese Behandlung besonders anspruchsvoll, weil bis zu drei
oder vier falsche Schaltkreise zugleich auftreten können, was
die Suche nach der richtigen Verödungsstelle erschwert.
Mit diesem Problem hat sich Prof. Etienne Delacrétaz im Rahmen seiner Forschertätigkeit auseinandergesetzt. Zusammen
mit seinem Team verwendet er computerunterstützte Katheter, mit denen der genaue Mechanismus komplexer Rhythmusstörungen erkannt werden kann. Diese Katheter sind
Hochleistungsgeräte: Ein Modell vereinigt auf 2,5 Millimeter Durchmesser eine Elektrode zur Verödung, vier Elektroden, um die elektrische Aktivität des Herzens zu erfassen, und
schliesslich einen Empfänger für elektromagnetische Felder.
Letzterer zeigt dem Arzt auf einen Zehntelmillimeter genau
die Position des Katheters im Herzen an. Die Lebensqualität
der Betroffenen erhöht sich erheblich, wenn ihre Herzrhythmusstörungen erfolgreich behandelt werden.
Prof. Etienne Delacrétaz, Leitender
Arzt, Klinik und Poliklinik für Kardio-
Die Arbeitsgruppe um Prof. Christian Müller konnte beweisen,
dass die Verwendung von BNP, einem einfachen Marker für
Herzinsuffizienz (Herzschwäche), den Ärzteteams auf Notfallstationen die Diagnose wesentlich erleichtert und die Patientenbehandlung optimiert. In der Schweiz leiden über 150 000
Personen an Herzinsuffizienz. Betroffene müssen oft wegen
starker Atemnot ins Spital eingewiesen werden und haben
ein hohes Risiko, an ihrer Krankheit zu sterben. Atemnot kann
aber verschiedene Ursachen haben. Eine schnelle und genaue
Diagnose in der Notfallstation erspart deshalb viel Zeit, Leid
und Kosten.
BNP ist die Abkürzung für Brain Natriuretic Peptide. Diese
Substanz ist im Blut von Patienten mit Herzinsuffizienz deutlich erhöht. Wird im Spital ein hoher BNP-Wert bestimmt,
kann dies – zusammen mit weiteren Untersuchungen – rasch
zur Diagnose «Herzinsuffizienz» führen. Ein niedriger BNPWert dagegen hilft, eine Herzschwäche mit grosser Wahrscheinlichkeit auszuschliessen. Die Ergebnisse der Studie, die
Prof. Christian Müller mit seinem Team durchgeführt hat, wurden in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift «New
England Journal of Medicine» veröffentlicht.
PD Dr. Marco Roffi konzentrierte sein Forschungsinteresse
während eines zweijährigen Aufenthalts an der Cleveland Clinic (Ohio, USA) auf die Frage, welche Patienten am meisten
von potenten Plättchenhemmern profitieren, den so genannten -IIb/IIIa-Blockern. Diese Medikamente verhindern das
Verklumpen von Blutplättchen, die bei einer Atherosklerose bevorzugt an den befallenen Gefässabschnitten anheften, miteinander verkleben und so ein Blutgerinnsel (Thrombus) bilden. Ein solcher Thrombus kann der Auslöser für einen
Herzinfarkt oder Hirnschlag sein.
logie, Inselspital Bern
PD Dr. Marco Roffi konnte zeigen, dass sich die beiden am
häufigsten verwendeten Glykoprotein-IIb/IIIa-Blocker zwar
im Preis, nicht aber wesentlich in ihrer Wirksamkeit bei Diabetes-Patienten voneinander unterscheiden. Ferner fand er
mit seiner Arbeitsgruppe heraus, dass sich die Medikamente
28
nicht für alle Patienten gleich gut eignen. Aufgrund der erhobenen Daten empfiehlt heute die Europäische Gesellschaft
für Kardiologie, Diabetes-Patienten mit akuter Herzkrankheit
mit Glykoprotein-IIb/IIIa-Blockern zu behandeln. Damit kann
die Sterblichkeit in dieser Patientengruppe wesentlich gesenkt
werden.
Prof. Christian Müller, Leitender Arzt
Innere Medizin, Universitätsspital Basel
PD Dr. Marco Roffi, Leitender Arzt,
Kardiologische Klinik, Universitätsspital Zürich (ab 1. 1. 2008 am Universitätsspital Genf)
Redaktion: Medienstelle der Schweizerischen Herzstiftung in
Kooperation mit den Preisträgern
Die Preisträger seit 1981
1981
PD Dr. Felix Gutzwiller* und PD Dr. Bernard Junod
1982
PD Dr. Matthias Pfisterer* sowie Dr. Otto M. Hess*
1983
PD Dr. Lukas Kappenberger*
1984
PD Dr. Marc Zimmermann
1985
PD Dr. André Kléber*
1986
PD Dr. René Lerch*
1987
PD Dr. Bernhard Meier*
1988
Dr. Thomas Felix Lüscher*
1989
Dr. François Chappuis
1990
Dr. Werner Inauen*
1991
PD Dr. Ludwig Karl von Segesser*
1992
PD Dr. Wolfgang Kiowski*
1993
PD Dr. Martin Fromer*
1994
Dr. Stephan Maier* sowie Dr. Guiseppe Vassalli*
1995
Dr. Beat J. Meyer*
1996
PD Dr. Dan Atar*
1997
PD Dr. Philip Urban sowie Dr. Zhihong Yang*
1998
Wegen der Anpassung des Geschäftsjahrs der
Schweizerischen Herzstiftung an das Kalenderjahr wurde 1998 kein Preis vergeben
1999
PD Dr. Christian Seiler*
2000
PD Dr. Vincent Mooser*
2001
PD Dr. Philipp Kaufmann*
2002
PD Dr. Patrick Hunziker
2003
PD Dr. Xavier M. Mueller*
2004
Dr. Marcel Arnold und Dr. Krassen Nedeltchev
2005
PD Dr. Marco Roffi sowie Prof. Dr. Christian Müller
2006
Prof. Etienne Delacrétaz
2007
Dr. Christoph Kaiser
* Die medizinischen Titel der Preisträger entsprechen dem Stand zur Zeit der
jeweiligen Preisverleihung. Die 21 mit einem Stern (*) gekennzeichneten
Preisträger haben in der Zwischenzeit den Titel eines Professors erhalten.
Der Wissenschaftliche Ausschuss der Schweizerischen Herzstiftung hat
somit den Forschungspreis weit vorausschauend dem Potenzial und der
Qualität der Kandidaten entsprechend zugesprochen.
29
Aktiv gegen Herzkrankheiten und Hirnschlag
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in der Schweiz eine Hauptursache für vorzeitige Todes­
fälle, Krankheit, Invalidität und Arbeitsunfähigkeit. Für die Patienten und ihre Ange­hörigen
bedeuten Herz-Kreislauf-Krankheiten viel Leid und häufig auch eine massive Einschränkung
der Lebensqualität. Jedes Jahr sind zehntausende von Frauen und Männern – jüngere wie
ältere – und sogar Kinder davon betroffen.
Die Schweizerische Herzstiftung engagiert sich seit Jahrzehnten als führende gemeinnützige Förderorganisation auf
dem Gebiet Herz-Kreislauf mit dem Ziel, dass
▪ weniger Menschen an Herz-Kreislauf-Leiden erkranken
oder dadurch behindert blei­ben,
▪ weniger Menschen vorzeitig an einer Herz-KreislaufKrankheit sterben,
▪ für Betroffene das Leben lebenswert bleibt.
Konkret setzt sich die Schweizerische Herzstiftung auf breiter Ebene mit vielfältigen Projek­ten und Programmen gegen
diese weit verbreiteten Erkrankungen und ihre oft schwer
wiegenden Folgen zur Wehr.
▪ Sie unterstützt qualitativ hoch stehende Forschungsprojekte in den Bereichen Herz­krankheiten, Hirnschlag und
Krankheiten der peripheren Gefässe mit namhaften finanziellen Beiträgen.
▪ Sie leistet mit vielfältigen Programmen, Aktionen, Kampagnen und Informationsmitteln einen wichtigen Beitrag
zur umfassenden Aufklärung über Herz-Kreislauf-Krankheiten; Ziel sind die Sensibilisierung und die Motivation
der Menschen, diesen Krankheiten vorzubeugen und Früh­
erkennungsmassnahmen in Anspruch zu nehmen.
▪ Sie setzt sich mit dem Lebensrettungsprogramm HELP
dafür ein, dass lebensretten­des Wissen und entsprechende
Massnahmen in der Bevölkerung verbreitet und auch
durch Laien angewandt werden.
▪ Sie steht Betroffenen und ihren Angehörigen mit Rat und
Tat zur Seite, informiert über Untersuchungs- und Behandlungsmassnahmen und unterstützt notwendige Verhaltensänderungen.
▪ Sie bietet Aufklärung und Hilfsmittel für die Rehabilitation
an und fördert den Aufbau eines flächendeckenden Netzes
von Herzgruppen für die lebenslange Nachsorge von HerzKreislauf-Patienten.
30
Ihre Hilfe bewegt viel
Gerade auf dem Gebiet der Herz-Kreislauf-Krankheiten wurden in den vergangenen Jahr­zehnten bahnbrechende medizinische Fortschritte erzielt. Für viele Herz-Kreislauf-Patienten
haben sich dadurch die Überlebenschancen, die Lebensqualität und die Lebenserwartung deutlich verbes­sert. Weitsichtige
und grosszügige Menschen haben mit Spenden, Donationen,
Legaten und anderen Zuwendungen unsere Tätigkeiten unter­
stützt und diese positive Entwicklung ermöglicht.
Trotzdem liegt noch immer viel Arbeit vor uns. Weitere
Anstrengungen sind nötig, um Herz-Kreislauf-Krankheiten
besser verstehen, früher erkennen und wirksamer behandeln
zu können. Dazu bedarf es weiterhin grosser Investitionen
in die Forschung. Dank Ihrer Unterstüt­zung gewinnen Forschende in der Schweiz wichtige neue Erkenntnisse.
Sie können auch bestimmen, wie Ihr Beitrag verwendet werden soll:
▪ für die Förderung der qualitativ besten Forschungsprojekte im Bereich Herz, Hirnschlag und Gefässkrankheiten
▪ für die Erforschung einer bestimmten Krankheit (z.B. Arteriosklerose, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen,
Hirnschlag, angeborene Herzkrankheiten)
▪ für die Arbeiten eines bestimmten Forschungsteams in
einem unserer universitären For­schungszentren von Basel,
Bern, Genf, Lausanne oder Zürich
▪ für die Ausrichtung eines Preises, mit dem besonders herausragende wissenschaftli­che Leistungen anerkannt und
gefördert werden
▪ für die Errichtung einer Stiftung bzw. eines Fonds auf Ihren
Namen innerhalb der Schweizerischen Herz­stiftung
Die Schweizerische Herzstiftung ist von der Stiftung ZEWO
zertifiziert, als gemeinnützig anerkannt und berechtigt, das
ZEWO-Gütesiegel zu führen. Dieses zeichnet Organisationen
aus, die ihre Spendengelder zweckbestimmt, wirksam und
wirtschaftlich einsetzen und Transparenz hinsichtlich ihrer
Tätigkeit und Rechnungslegung aufweisen. Der Stiftungsrat
der Schweizerischen Herzstiftung arbeitet ehrenamtlich und
bezieht keine Entschädigungen.
Gerne informiert Sie die Mittelbeschaffungsabteilung oder
die Geschäftsführerin ausführli­cher über die Spendemöglichkeiten. Für Ihre Unterstützung danken wir Ihnen herzlich.
Therese Junker, Geschäftsführerin
Schweizerische Herzstiftung
Aktiv gegen Herzkrankheiten und Hirnschlag
Schwarztorstrasse 18
Postfach 368, 3000 Bern 14
Telefon031 388 80 80
Telefax 031 388 80 88
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