68 20 Jahre ITEM-HSG Förderung von Unternehmertum Unternehmertum aktiv fördern – ein Schweizer Erfolgsmodell Der Vergleich zwischen Jungunternehmen, die gezielt gefördert und gecoacht werden, und anderen Start-ups, deckt klare Unterschiede auf. _ V O N F R I T Z F A H R N I , A N J A S C H U L Z E UND K ARL NEUMÜLLER Die Schweiz war ein Land von Firmengründern. Dem «Global Entrepreneurship Monitor – Swiss Report 2007» zufolge sind die Rahmenbedingungen für Unternehmertum hierzulande gut. Dennoch schaffen es bei weitem nicht genug Start-ups, sich erfolgreich am Markt zu etablieren. Verschiedene Jungunternehmen erhalten Unterstützung durch die staatliche KTI Start-up-Initiative. Um zu eruieren, was dies den Firmen bringt, ziehen die Autoren einen Vergleich zwischen Firmen, die von der Ini­ tiative profitieren und solchen, die es nicht tun. In Kürze Prof. Dr . F r i tz Fa h r n i ist Professor (em) für Technologiemanagement und Unternehmensführung an der Universität St. Gallen und der ETH Zürich. Zuvor war er CEO bei Sulzer. [email protected] D r . A n j a S c h u l z e ist Projektleiterin am Institut für Technologiemanagement der Universtität St. Gallen und an der ETH Zürich. An der ETH leitet sie das Swiss Center for Automotive Research (swiss CAR). [email protected] K a r l Neu m ü l l e r , Dipl.-Ing., ist Forschungsassistent am Transferzentrum für Technologiemanagement der Universität St. Gallen. [email protected] D ie Schweiz hat sich zum Ziel ge­ setzt, Gründungen von Jung­ unternehmen zu fördern. Mit der KTI Start-up-Initiative der Förder­ agentur für Innovation (KTI) des Bun­ des werden seit 1996 unternehmeri­sche Personen und Teams darin unterstützt, ihre innovativen, technologiebasierten Ideen mit einer eigenen Firma am Markt erfolgreich umzusetzen. Eine Studie des Instituts für Techno­ logiemanagement der Universität St. Gallen (ITEM-HSG) kommt zum Schluss, dass: ▶ KTI Start-up-Label-Firmen erfolg­ reich(er) sind. ▶ KTI Label Coaching gefragt und er­ folgsfördernd ist. ▶ die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt werden sollte. Die im Angelsächsischen oftmals Entre­ preneurship-Behavior genannte Grün­ dung neuer Unternehmen gilt als wich­ tige Einflussgrösse für die wirtschaft­ liche Entwicklung eines Landes. Die Schaffung von Arbeitsplätzen, höhere Produktivität und bessere Wettbe­ werbsfähigkeit gelten als erfreuliche Folgen. Staaten, Institutionen und grös­ sere Unternehmen (Corporate Ventu­ ring) haben begonnen, die Gründung von Jungunternehmen zu fördern. Der «Global Entrepreneurship Mo­ nitor – Swiss Report 2007» untersucht die Gründungsaktivitäten in 35 Län­ dern. Die Schweiz liegt (noch) im Mit­ telfeld, bietet aber überaus geeignete Rahmenbedingungen für «Entrepre­ neurship»: ausgebaute Infrastruktur, Schutz des geistigen Eigentums sowie gute Möglichkeiten für gründungsbe­ zogene Ausbildungen. Das Ziel der KTI Start-up-Initiative ist die Stärkung unternehmerischen Handelns, insbesondere die Umsetzung von Wissen in marktgerechte Erzeug­ nisse und Dienstleistungen. Im betrach­ teten zehnjährigen Zeitraum zeigte sich, dass hauptsächlich Unternehmen aus der Biotechnologie, Informationsund Kommunikationstechnologie so­ wie der Mikro- und Nanotechnologie unterstützt wurden. Fokussiert und zielorientiert Geschäftsideen umsetzen Mit der KTI Start-up-Initiative sollen so­ wohl die Anzahl der Unternehmens­ gründungen wie auch deren Erfolgs­ wahrscheinlichkeit erhöht werden. Ex­ perten und Coaches begleiten die Jung­ unternehmer-Teams bei der Erstellung eines Businessplans und bei der Aneig­ nung unternehmerischer Kompe­ tenzen. Das Gründungskonzept wird überarbeitet, die Ressourcenplanung kritisch geprüft, der Zugang zu Netzwer­ ken ermöglicht und die Qualifizierung der Unternehmen vorangetrieben. «Durch den KTI Label-Prozess werden aus idealistisch denkenden Jungunter­ nehmern Realisten gemacht, die fokus­ siert und zielorientiert ihre Geschäfts­ idee zur Umsetzung bringen», erklärt io new management Nr. 6 | 2008 20 Jahre ITEM-HSG Alinghi wurde von der Förderagentur KTI unterstützt. Innovationen an der Alinghi werden heute auch andersweitig genutzt. ein im Rahmen des Projektes befragter Experte. Die KTI Start-up-Initiative ver­ gibt für besonders erfolgversprechende Projekte ein sogenanntes KTI Start-up Label. Es dient als Gütesiegel, um bei­ spielsweise Geldgebern die Finanzie­ rungswürdigkeit der Jungunternehmen zu signalisieren. In den vergangenen zehn Jahren wurden über 1500 Projekte durch die Experten der KTI Start-up-Ini­ tiative beurteilt. Rund 170 Unterneh­ men sind bis heute mit dem KTI Startup Label ausgezeichnet worden. «Über 80 Prozent davon sind heute erfolgreich am Markt tätig, und nicht wenige gelten als Perlen der Schweizer Start-up-Szene», so das Fazit des Bundesamtes für Berufs­ bildung und Technologie. Trotz dieser Erfolge existierte bis­ lang kein fundierter Nachweis darüber, ob und in welchem Ausmass die von der KTI Start-up-Initiative eingeleiteten Massnahmen den Erfolg dieser Start-ups aktiv beeinflussen. Die vorliegende Un­ tersuchung klärt zwei zentrale Fragen: 1. Sind KTI Start-up-Label-Firmen er­ folgreicher als solche, die das Label nicht tragen? 2. Welche Wirkung haben die Coa­ ching-Massnahmen auf den Erfolg der Unternehmen? io new management Nr. 6 | 2008 Was bedeutet Erfolg im Kontext von Jungunternehmen? Kann man eine all­ gemeine Erfolgsdefinition etablierter Unternehmen heranziehen? Mitnich­ ten. Betrachtet man Jungunternehmen, ist es von hoher Relevanz, den Erfolg nicht nur auf Basis klassischer Unter­ nehmenskennzahlen zu evaluieren, da die Firmen sich in der Gründungs- oder frühen Wachstumsphase befinden. Oft haben sie noch nie Gewinn erzielt oder befinden sich gerade im Bereich der Ge­ winnschwelle. Herkömmliche Bewer­ tungsmethoden für den Erfolg eta­ blierter Unternehmen scheiden daher aus. Eine innovative Bewertungsme­ thode ist gefragt. Das ITEM-HSG hat eine solche entwickelt. Sie setzt sich aus drei Erfolgsaspekten zusammen: a.Indikatoren für den Erfolg und die fortwährende Existenz der Firma b.Ausgewählte zukunftsorientierte Unternehmenskennzahlen (etwa Mitarbeiter-Entwicklung, kumu­ liertes eingeworbenes Kapital) c. Wettbewerbsindikatoren, wie etwa Kompetenzen in Strategie, Teamzu­ sammensetzung und Organisation, Finanzen und Rechnungswesen, Fundraising, F&E, Marketing und Vertrieb sowie Produktion. 69 Bild: Keystone/LAURENT GILLIERON Förderung von Unternehmertum Für die Studie nahmen aus der ganzen Schweiz 45 KTI Label-Firmen teil, als Vergleichsgruppe 74 Unternehmen gleicher Technologiegebiete, die kein KTI Label besitzen. Damit standen 119 auswertbare Fragebogen zur Verfügung. Zusätzlich wurden zehn Expertenge­ spräche mit erfahrenen Persönlich­ keiten geführt. Spin-offs des ITEM-HSG Die Intellion AG, gegründet 2001 in St. Gallen, entwickelt und vertreibt Lösungen zur smarten Automation der Produktionslogistik für die Halbleiter- und Fertigungsindustrie. Die BGW AG, gegründet 2005 mit Standorten in St. Gallen und Wien, ist eine Strategie- und Managementberatung mit Spezialisierung auf die Gebiete ­Inno­vation, Unternehmensentwicklung und Intellectual Property Management. Die ­Synesix, AG, gegründet 2005 in Basel, entwickelt und ­vertreibt umfassende Präventions­­lö­sungen für die Versicherungs­ industrie. ▶ www.intellion.com ▶ www.bgw-sg.com ▶ www.synesix.com 20 Jahre ITEM-HSG Förderung von Unternehmertum terwachstum von fast drei Mitarbeitern pro Jahr auf. Dies ist erheblich höher als bei der Vergleichsgruppe (siehe Abbil­ dung 1 auf dieser Seite). Abb. 1: Anzahl Mitarbeiter im Verlauf der Unternehmensentwicklung KTI Label-Firmen Vergleichsgruppe KTI Label-Firmen Gründung ZEITPUNKT ZEITPUNKT Kumuliertes eingeworbenes Kapital (b2) Vergleichsgruppe Gründung Break Even Break Even Heute Heute 0 2 4 0 2 4 6 8 MITARBEITERZAHL 6 8 MITARBEITERZAHL 10 12 14 10 12 14 Punkto Mitarbeiterwachstum liegen KTI Label-Firmen klar vorne. Abb. 2: Kumuliertes eingeworbenes Kapital in CHF im Verlauf der Unternehmensentwicklung KTI Label-Firmen Vergleichsgruppe KTI Label-Firmen n = Vergleichsgruppe Anzahl Nennungen n = 29 Gründung n = 29 Gründung ZEITPUNKT ZEITPUNKT 70 n = Anzahl Nennungen n = 29 n=5 Break Even n=5 n = 12 Break Even n = 12 n = 29 Heute n = 29 n = 27 Heute Innovationen im Hightech-Bereich sind kapitalintensiv. Zum Beispiel bedingen in der Biotechnologie lange Entwick­ lungszeiten von zehn und mehr Jahren kostspielige Infrastrukturen, und auf­ wendige Versuche verursachen entspre­ chend grosse Ausgaben. Die Kapitalbe­ schaffung für solche Jungunternehmen ist existenziell. In der Studie zeigt sich, dass KTI Label-Firmen im Vergleich zur Referenzgruppe durchschnittlich das Siebenfache an Kapital einwerben konnten (siehe Abbildung 2 auf dieser Seite). Dieses gute Ergebnis wird vor allem durch den professionellen Zu­ gang zu Venture Capital, Corporate Venture ­ Capital und Business Angels über die Plattform CTI Invest ermögli­ cht. Ein Experte: «Das Coaching, der Zu­ gang zu Netzwerken wie beispielsweise CTI ­Invest, eröffnet den KTI Label-Fir­ men diverse Möglichkeiten, externe Fi­ nanzierungsvarianten für sich zu er­ schliessen.» n = 27 0 500 1000 1500 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 KAPITAL 2000 2500 CHF 3000 3500 4000 4500 5000 3500 4000 4500 5000 der KTI Start-up-Initiative schliessen. Die Überlebensquote der KTI Label-Fir­ men ist ausgesprochen hoch. Bleibt noch die Frage, wie aussagekräf­ tig die gewählten Unternehmenskenn­ zahlen für den Erfolg von Jungunter­ nehmen sind. Sie erweisen sich für Start-ups als wesentlich. Zwar bieten die Kennzahlen keine umfassende Be­ schreibung, die analysierten Trends er­ weisen sich dennoch als signifikant. Kriterium b: Unternehmenskennzahlen Mitarbeiterentwicklung (b1) Kriterium c: Wettbewerbsfähigkeit und Kompetenzen Die Förderung von Innovation und Entre­ preneurship hat aus volkswirtschaft­ licher Sicht zum Ziel, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Aufschluss darüber gibt die Entwicklung der durchschnittlichen Mitarbeiterzahl. Die KTI Label-Firmen weisen ein durchschnittliches Mitarbei­ Der Studie zufolge sehen sich KTI Label­ Unternehmen in den Kompetenzbe­ reichen Strategie und Organisation auf vergleichbarem Niveau wie die Ver­ gleichsfirmen. Im Bereich Finanzen und Rechnungswesen verzeichnen Ers­ tere einen Kompetenzvorsprung. KAPITAL CHF KTI Label-Firmen profitieren vom Zugang zu externen Finanzierungsvarianten. Frage 1: Sind Start-ups mit KTI Label erfolgreicher? Kriterium a: Fortwährende Existenz In der Analyse der Überlebensquoten zeigt sich, dass nach einem Zeitraum von drei bis zehn Jahren noch 84 Pro­ zent der KTI Label-Firmen am Markt ak­ tiv sind. Von den Firmen, die sich erfolg­ los um ein KTI Label beworben hatten, existieren nur noch rund 55 Prozent. Schon diese Fakten lassen auf einen pro­ fessionellen Auswahlprozess seitens io new management Nr. 6 | 2008 Förderung von Unternehmertum Abb. 3: Inanspruchnahme der Coachinginhalte seitens KTI LabelFirmen nach Kompetenzbereichen 20 Basiscoaching 18 Schwerpunktcoaching ANZAHL FIRMEN 16 14 12 20 Jahre ITEM-HSG Fazit Erfolg für KTI Label-Firmen Die hohe Überlebensquote, die Ent­ wicklung der relevanten Kompetenzen und die betrachteten Unternehmens­ kennzahlen sind klare Indikatoren für den Erfolg der KTI Label-Firmen. 10 8 Schwerpunktcoaching hat positiven Effekt 6 4 2 0 gie on Or g is an ng isi ati ate Str ra nd Fu en nz a Fin ng eti rk Ma ieb rtr Ve E F& n tio uk d Pro ech rnt ogien e K ol n Je nach Firma variiert das Schwerpunktcoaching. Alle profitieren überdurchschnittlich. Die Kompetenzen in den Bereichen Marketing und Vertrieb liegen ebenfalls auf höherem Niveau als bei der Ver­ gleichsgruppe, sind jedoch noch ent­ wicklungsfähig. Zusammenfassung der Ergebnisse Die unternehmerischen Erfolgsindika­ toren sowie die Kompetenzen fallen bei den KTI Label-Firmen signifikant besser aus als bei der Vergleichsgruppe. Neben dem Vergleich der Durch­ schnittswerte gilt es jedoch die Streu­ ung innerhalb der beiden Firmengrup­ pierungen zu beachten. Im Einzelfall sind Abweichungen sowohl in posi­ tiver wie auch in negativer Richtung möglich. Frage 2: Der Einfluss des Coachings Warum braucht eine Firma überhaupt einen Coach? Man könnte davon aus­ gehen, dass eine gute Idee, Motivation und genügend Ausdauer ausreichen, um ein Produkt erfolgreich am Markt zu platzieren. Dem ist häufig nicht so. Oft entstehen Innovationen in Köpfen von Technikern, die ihr Handwerk lie­ ben und es zur Perfektion treiben. Sie io new management Nr. 6 | 2008 machen sich indes über eine geeignete Marktpositionierung sowie eine Marke­ ting- und Vertriebsstrategie wenig Ge­ danken. Damit das Start-up-Projekt in erfolgversprechende Bahnen gelenkt wird, bietet die KTI Start-up-Initiative neben einem Basiscoaching ein bedarfs­ spezifisches Schwerpunktcoaching an (siehe Abbildung 3 auf dieser Seite). Investoren attestierten, dass die KTI Label-Firmen relativ gut und bedarfsge­ recht auf die vielseitigen Herausforde­ rungen vorbereitet werden, das Investi­ tionsrisiko wird reduziert. Deutlich abweichend sind die Be­ dürfnisse von KTI Label-Firmen im Be­ reich der Biotechnologie. Die oft lange Durststrecke von der Idee bis zur Pro­ duktreife führt zu einer hohen Priorität der Finanzierungsaspekte: Finanzie­ rung und Fundraising liegen hier vorne. Massnahmen im Schwerpunktcoa­ ching bewirken, dass Unternehmen eine deutliche Steigerung ihrer Kompe­ tenzen verzeichnen können. Chance Marketing und Vertrieb Marketing und Vertrieb sind wichtig, gilt es aber noch deutlich mehr zu be­ rücksichtigen. Technologiekompetenz intern vorhanden Die (wenigen) Technik-Coachingakti­ vitäten zeigen wenig Einfluss auf die Kompetenzen der Unternehmen. Mehr Kommunikation nach aussen Die Publizität über Jungunternehmen verdient es, stärker gefördert zu wer­ den. Breite Kreise der Bevölkerung gilt es vermehrt für Entrepreneurship­Aktivitäten zu sensibilisieren und zu motivieren. Literatur Kulicke, M. (1993): Chancen und Risiken junger Technologieunternehmen: Ergebnisse des Modellversuchs «Förderung technologieorientierter Unternehmensgründungen». Physica-Verlag, Heidelberg. Zusammenfassung der Ergebnisse Meier, A. (1998): Marketing junger Technologie­ unternehmen. Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden. Die Studie zeigt: Coaching führt zu ei­ ner Verbesserung der Kompetenzen. Firmen­spezifisches Schwerpunktcoa­ ching bringt dabei eine überdurch­ schnittliche Wirkung. Voelz, D. ; Fahrni, F. (2004): Mehr als Geldbe­ schaffung. In: io new management, Nr. 6/2004, S. 26–31. Volery, T. et. al. (2008): GEM - Global Entrepreneurship Monitor. Bericht 2007 zum Unternehmertum in der Schweiz und weltweit. St. Gallen und Lausanne, März. 71