Algebraic Number Theory Universität Zürich HS 2010 P. Habegger 29.9.2010, Vorlesung #2 Heute werden wir zunächst Spur und Norms eines Elements mit Hilfe von Körpereinbettungen beschreiben. Erinnerung. Aus der Algebra kennen wir die zwei folgenden Sätze. (i) (Satz des primitiven Elements.) Sei K eine endliche Körpererweiterung von F mit F von Charakteristik 0. Dann existiert ein x ∈ K mit K = F (x). In anderen Worten, es gibt ein irreduzibeles Polynom P ∈ F [X] so, dass K zum Körper F [X]/P F [X] isomorph ist. (ii) Seien F und K wie in (i) und L ein algebraisch abgeschlossener Körper mit L ⊃ K. Sei d = [K : F ]. Es gibt paarweise verschiedene Einbettungen σ1 , . . . , σd : K → L mit σi |F die Identität auf F . Beispiel. Das Resultat √ (ii) von oben wird durch folgendes Beispiel illustriert. Man nehme F = Q, K = Q( 5) und√ L = C. = 2 und die zwei Einbettungen √ Dann ist√[K : Q] √ σ1,2 : K → C sind durch σ1 ( 5) = 5 und σ2 ( 5) = − 5 festgelegt. Die Bedingung im Satz des primitiven Elements, dass F Charakteristik 0 haben soll kann durch eine schwächere ersetzt werden: man muss nur annehmen, dass K/F eine separabele Körpererweiterung ist. Dies gilt zum Beispiel wenn F ein endlicher Körper ist. Nun können wir Spur und Norm mit Hilfe der σi ausdrücken. Lemma 1.1. Seien F, K, L, d und σ1 , . . . , σd wie oben in (ii). Für x ∈ K gilt T rK/F (x) = NK/F (x) = d X i=1 d Y σi (x) = −a1 [K : F (x)] [K:F (x)] σi (x) = (−1)[K:F ] am i=1 m wobei X + a1 X m−1 + · · · + am ∈ F [X] das F -Minimalpolynom von x ist. Beweis. Wir werden annehmen, dass F (x) = K gilt. Der allgemeine Fall F (x) ⊂ K wird in einer Übungsaufgabe behandelt. Sei P das F -Minimalpolynom von x mit den Koeffizienten wie in der Behauptung. Wegen unserer Annahmen gilt aber nun m = d. Die Elements 1, x, x2 , . . . , xd−1 sind F -linear unabhängig. Deshalb ist (1, x, x2 , . . . , xd−1 ) eine F -Basis von K. Bezüglich dieser Basis wird ϕx durch 0 0 · · · 0 −ad 1 0 0 −ad−1 .. .. . . 0 1 . . . . . .. .. .. . . .. 0 0 · · · 1 −a1 1 repräsentiert. Spur und Determinante dieser Matrix sind −a1 und (−1)d ad . Somit gilt T rK/F (x) = −a1 und NK/F (x) = (−1)d ad und die Hälfte des Lemmas ist bewiesen. Über L faktorisiert P vollständig in Linearfaktoren P = X d + a1 X d−1 + · · · + ad = d Y (X − σi (x)). i=1 Ein Koeffizientenvergleich liefert −a1 = d X d σi (x) und (−1) ad = i=1 d Y σi (x) i=1 und damit ist der Beweis vollständig. Wir werden uns später mit Spur und Norm auf K beschäftigen. Zunächst konzentrieren wir uns aber auf Ringe. 1.3 Ring der ganzen Zahlen in einem Zahlkörper Das Ziel dieses Abschnitts ist es die “korrekte” Verallgemeinerung ZK für Z in einem √ −1) werden wir ZK = Zahlkörper K zu konstruieren. Zum Beispiel im Fall K = Q( √ Z[ −1] erhalten. Die Konstruktion ist aber ein ganz allgemeines Konzept aus der kommutativen Algebra. Definition. Sei K ein Körper und A ein Unterring von K. Dann heisst AK = {x ∈ K; es existieren a1 , . . . , ad ∈ A mit xd + a1 xd−1 + · · · + ad = 0} der ganze Abschluss von A in K. Elemente von AK heissen ganz über A. Diese Definition macht auch Sinn wenn der Körper K durch einen Ring ersetzt wird. Bemerkung. (i) Es ist a priori nicht klar, dass AK ein Unterring von K ist. Wir werden aber genau dies weiter unten beweisen. (ii) Auf jeden Fall gilt A ⊂ AK denn jedes a ∈ A ist Nullstelle von X − a. Bevor wir zu weiteren Eigenschaften von AK kommen werden wir uns ein wichtiges Beispiel anschauen: A = Z und K = Q. Lemma 1.2. Es gilt ZQ = Z. Beweis. Die Inklusion Z ⊂ ZQ wurde schon erwähnt. Es reicht also zu zeigen, dass x ∈ Z aus x ∈ ZQ folgt. Da x ∈ Q gibt es teilerfremd p, q ∈ Z mit q 6= 0 so, dass x = p/q. Nun ist x auch ganz über Z. Somit existieren a1 , . . . , ad ∈ Z mit xd + a1 xd−1 + · · · + ad = 0. Oder pd + a1 pd−1 q + · · · + ad q d = 0. (1) Sei nun l eine Primzahl welche q teilt. Aus (1) schliessen wir, dass l auch p teilen muss. Dies widersprich aber der Annahme, dass p und q teilerfremd sind. Somit hat q keine Primteiler. Also q = ±1 und x ∈ Z. 2 Wir zeigen weiter unten, dass AK ein Ring ist. Dafür brauchen wir eine alternative aber äquivalente Definition. Lemma 1.3. Sei K ein Körper und A ⊂ K ein Unterring mit x1 , . . . , xn ∈ K. Die folgenden zwei Aussagen sind äquivalent. (i) Wir haben x1 , . . . , xn ∈ AK . (ii) Der Ring A[x1 , . . . , xn ] is ein endlich erzeugter A-Modul. (Das heisst, es gibt y1 , . . . , ym ∈ A[x1 , . . . , xn ] mit A[x1 , . . . , xn ] = y1 A + · · · + ym A.) Beweis. Wir zeigen zunächst (i)⇒(ii) über Induktion auf n. Sei n = 1 und x = x1 . Es existieren a1 , . . . , an ∈ A mit xd + a1 xd−1 + · · · + ad = 0. Somit haben wir xd ∈ xd−1 A + 0 · · · + A. Induktion auf d0 zeigt nun, dass für d0 ≥ d die Beziehung xd ∈ xd−1 A + · · · + A gilt. Daraus folgt, dass A[x] als A-Modul von xd−1 , . . . , x, 1 erzeugt wird. Sei also n > 1. Aus der Induktionsvoraussetzung folgt A[x1 , . . . , xn−1 ] = y1 A + · · · + ym A für geeignet yi . Deshalb ist A[x1 , . . . , xn ] = y1 A[xn ] + · · · ym A[xn ]. Aus dem Fall n = 1 folgt, dass A[xn ] ein endlich erzeugter A-Modul ist. Somit ist die Implikation (i)⇒(ii) bewiesen. Nun zu (ii)⇒(i). Aus Symmetriegründen reicht es zu zeigen, dass x = x1 ganz über A ist. Sei also A[x1 , . . . , xn ] = y1 A + · · · + ym A. Für jedes 1 ≤ i ≤ m haben wir xyi = m X αij yj j=1 für geeignete αij ∈ A. Die Matrix M = [αij ]1≤i,j≤m hat Koeffizienten in A und erfüllt Av = xv mit v = (y1 , . . . , ym )t ∈ K m , wobei t transponieren bedeutet. Es gilt v 6= 0, also is v ein Eigenvektor von A mit Eigenwert x. Da sich alles im Körper K abspielt ist x Nullstelle des charakteristischen Polynoms von A. Dieses ist aber normiert mit Koeffizienten in A. Deshalb ist x ganz über A. Die Tatsache, dass AK ein Ring ist folgt nun leicht. Proposition 1.4. Sei K ein Körper und A ein Unterring von K. Dann ist AK ein Unterring von K. Beweis. Es reicht zu zeigen, dass mit x, y ∈ AK auch x − y und xy in AK liegen (die restlichen Ringaxiome sind trivialerweise erfüllt). Aus Lemma 1.3 (i)⇒(ii) folgt, dass A[x, y] = A[x, y, x − y, xy] ein endlich erzeugter A-Modul ist. Die Umkehrung (ii)⇒(i) zeigt aber, dass x, y, x − y, xy alle in AK liegen. Jetzt kommen wir zu einer wichtigen Definition, die der ganzen algebraischen Zahlen in einem Zahlkörper. 3 Definition. Sei K ein Zahlkörper. Dann heisst ZK der Ring der ganzen Zahlen in K. Element von ZK heissen ganze Zahlen von K. Algebraische Zahlentheorie ist zu einem grossen Teil das Studium von Eigenschaften dieser Ringe. Beispiel. Wir haben schon gesehen, dass ZQ = Z gilt. (Das gleiche Argument zeigt übrigens, dass ZK ∩ Q = Z für jeden Körper K ⊃ Q gilt.) Man erhält also nichts neues im Falle K = Q, was natürlich zu erwarten war. Auf der anderen Seite ist ZK ) Z für jeden Zahlkörper K mit K 6= Q. Bemerkung. Der Ring ZC is auch wohldefiniert. Er heisst Ring aller algebraischen Zahlen, wird jedoch in der Vorlesung keine besondere Rolle spielen. Das nächste Lemma ist oftmals nützlich um ZK zu bestimmen. Lemma 1.5. Sei K ein Zahlkörper und x ∈ K mit Q-Minimalpolynom P ∈ Q[X]. Dann gilt x ∈ ZK genau dann, wenn P ∈ Z[X]. Beweis. Die Richtung ⇐ folgt aus der Definition. Sei also x ∈ ZK . Es existiert R = X d + a1 X d−1 + · · · + ad ∈ Z[X] mit R(x) = 0. Somit teilt P das Polynom R im Ring Q[X]. In anderen Worten, es gilt R = P Q mit Q ∈ Q[X]. Da P und Q normiert sind gibt es p, q ∈ Z positiv mit pP, qQ ∈ Z[X] primitiv (d.h. ihre Koeffizienten sind teilerfremd). Das Gauss’sche Lemma impliziert, dass das Produkt (pP )(qQ) = pqR primitiv ist. Das ist aber nur möglich falls pq = 1 = p = q. Also hat P Koeffizienten in Z. Wir bestimmen nun ZK für die einfachsten nichttrivialen Zahlkörper, den quadratischen Erweiterungen von Q. Beispiel. Sei m ∈ Z r {0, 1} quadratfrei. Insbesondere gilt m 6≡ 0 mod 4. Aus dem Eisensteinschen Kriterium folgt, dass X 2 − m in Q[X] irreduzibel ist für m 6= −1. Im Fall m = −1 ist√dieses Polynom natürlich auch irreduzibel. Deshalb ist K = Q[X]/(X 2 − m)Q[X] = Q( m) eine quadratische Erweiterung von Q, d.h. [K : Q] = 2. Aus der Algebra sollte bekannt sein, dass jede quadratische Erweiterung von Q von dieser Form ist. √ Wir berechnen ZK . Zunächst bemerken wir, dass m ∈ ZK . Weil ZK ein Ring ist folgt √ √ daraus sofort, dass Z[ m] = Z + mZ ⊂ Z √K . Jedes Element x ∈ ZK hat die Form a + mb mit a, b ∈ Q. Wir werden nun weitere Bedingungen an a, b finden. Falls b = 0, dann ist x = a ∈ ZK ∩ Q = Z (siehe Bemerkung im Beispiel oben). Nehmen wir von nun an also b 6= 0 an. Es gilt m = ((x − a)/b)2 und eine kurze Rechnung zeigt, dass P = X 2 − 2aX + (a2 − b2 d) ∈ Q[X] bei x verschwindet. Somit ist P das Q-Minimalpolynom von x. Aus der ⇒ Richtung von Lemma 1.5 wissen wir, dass P ∈ Z[X]. In anderen Worten, a0 = 2a, a2 − b2 d ∈ Z. 4 Somit ist a02 − 4b2 m ∈ 4Z und deshalb 4b2 m ∈ Z. Weil m quadratfrei ist, folgt hieraus b0 = 2b ∈ Z (nutze die Primfaktorisierung in Z). Wir haben also a02 − b02 m ∈ 4Z oder a02 ≡ b02 m mod 4. Falls a0 ungerade ist, so gilt a02 ≡ 1 mod 4 und deshalb b02 m ≡ 1 mod 4. Das kann aber nur sein falls b0 auch ungerade ist und m ≡ 1 mod 4. 0 0 Diese Argument zeigt, dass im Falle m ≡ √2, 3 mod √ 4 beide a , b gerade sind. Dann sind a und b in Z und wir folgern x ∈ Z + Z m = Z[ m]. Zusammenfassend, √ ZK = Z[ m] falls m ≡ 2, 3 mod 4. (2) Es bleibt den Fall m ≡ 1 mod 4 zu betrachten ( m ≡ 0 mod 4 ist unmöglich). Hier wissen wir, dass a02 ≡ b02 mod 4. Also teilt 4 das Produkt (a0 − b0 )(a0 + b0 ). Das ist aber nur möglich, falls √ a0 − b0 gerade ist. Aber a − b = (a0 − b0 )/2 ∈ Z und somit ist x von der Form a00 +√b0 (1 + m)/2 mit a00 = (a0 − b0 )/2 ∈ Z. Andererseits ist einfach zu zeigen, dass (1 + m)/2 ganz über Z ist mit Q-Minimalpolynom X 2 − X + (1 − m)/4 ∈ Z[X]. Zusammenfassend, √ 1+ m falls m ≡ 1 mod 4. (3) ZK = Z 2 Bemerkung. Ist K ein Zahlkörper, so gibt es im Allgemeinen kein x ∈ ZK mit ZK = Z[x]. Lemma 1.6. Sei K ein Zahlkörper und x ∈ ZK . Dann sind T rK/Q (x) und NK/Q (x) in Z. Beweis. Wegen Lemma 1.5 liegt das Q-Minimalpolynom X m + a1 X m−1 + · · · + am von x in Z[X]. Spur und Norm von x sind also in Z wegen (1.1). Version des 15. Oktober 2010 5