Der Geschäftsführer der Boston Consulting Group im Interview. Top

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karriereführer consulting
2010.2011
Top-Manager
Der Geschäftsführer der Boston Consulting Group
im Interview.
Fabrice
Roghé
Der Transformator. Der Aufzug hält im 20. Stock, der Ausblick auf Düsseldorf
ist atemberaubend. Hier, in der obersten der drei Etagen des Sitzes der Boston
Consulting Group (BCG) in der Landeshauptstadt, hat Fabrice Roghé sein Büro. Er ist
Partner und einer der Geschäftsführer der Strategieberatung und erzählt im Interview, wie sich die Consultingbranche gewandelt hat und was das für junge Unternehmensberater zu Beginn ihrer Karriere bedeutet. Das Interview führte André Boße.
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2010.2011
”
Unsere jungen Berater spezialisieren sich nicht
schon in der Anfangsphase ihrer Karriere, denn
gerade Generalisten können einen Kunden ganzheitlich und langfristig betreuen.“
Top-Manager
Herr Roghé, es ist bestimmt ein
schönes Gefühl, morgens in sein Büro
zu kommen und einen Blick auf ganz
Düsseldorf zu genießen, oder?
Schon, aber so oft ist man in diesem
Beruf gar nicht in seinem Büro. Wenn
ich zum Beispiel an Projekten im Ausland arbeite, kann es schon mal vorkommen, dass ich einen Monat lang
nicht im Büro bin. Dann sehe ich
lange nichts anderes als BusinessHotels und die Konferenzräume meiner Kunden.
Strengen Sie solche Zeiten an?
Sie sind vor allem eine Herausforderung an das Zeitmanagement, denn
die Reiserei ist ein unglaublicher Zeitfresser. Beim Warten am Gate oder in
den Flughafen-Lobbys bin ich halt
nicht sehr produktiv – auch wenn ich
mittlerweile dank der Möglichkeiten
der modernen Kommunikation auf
Reisen etwas effizienter arbeiten kann
als früher.
Muss sich ein Unternehmensberater
am Anfang seiner Karriere eigentlich
darauf einstellen, immer und überall
erreichbar sein zu müssen?
Es gibt Menschen, die tatsächlich jede
E-Mail innerhalb von Minuten beantworten. Ich persönlich finde jedoch,
dass das meine Arbeit zu sehr fragmentiert, daher schaue ich nicht ständig auf mein Blackberry. Aber natürlich ist Beratung ein Dienstleistungsgeschäft. Wir arbeiten an den für den
Kunden bedeutenden und kritischen
Themen – und da kann es auch mal
brennen. Daher kann es bei BCG keine
dogmatische Regel geben, die
bestimmt, dass ab einer bestimmten
Uhrzeit nichts mehr geht. Unsere
Maxime ist: Wir werden nie einen
Kunden hängen lassen – aber wir
legen auch Wert auf persönliche Freiräume.
Können Sie auf den Punkt bringen,
wie sich in jüngerer Vergangenheit
die Consultantbranche gewandelt
hat?
Die Anforderungen an die Unternehmen, um wirtschaftlich erfolgreich
sein zu können, haben sich geändert –
und dadurch auch deren Anforderung
an die Berater. Eine richtige Strategie
ist zwar nach wie vor eine wichtige
Voraussetzung für Erfolg, jedoch nicht
mehr eine hinreichende. Die wirkliche
unternehmerische Herausforderung
verlagert sich in Richtung Umsetzung
und stetige Adaption dieser Strategie
in einem turbulenten Umfeld. Hinzu
kommt, dass die Beraterbranche
gereift ist und sich dadurch zunehmend Spezialgebiete herauskristallisieren.
Führt der Weg damit weg vom
Beratungsgeneralisten?
Das nicht, nein. Unsere jungen Berater
spezialisieren sich nicht schon in der
Anfangsphase ihrer Karriere, denn
gerade Generalisten können einen
Kunden ganzheitlich und langfristig
betreuen. Und das ist uns wichtig.
Man muss sich einen großen Konzern
wie einen Tanker vorstellen, der
unglaublich schwer zu bewegen ist.
Unser Ziel ist keine marginale Verbesserung, sondern eine echte Transformation. Und diese gelingt nur, indem
wir mit unseren Kunden ganzheitlich
und kontinuierlich Veränderungen
„Die Anforderungen an die Unternehmen, um wirtschaftlich
erfolgreich sein zu können, haben sich geändert – und dadurch
auch deren Anforderung an die Berater.“
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vorantreiben. Dafür müssen wir die
Generalisten mit den Experten kombinieren. Experten unter sich wären
dabei längst nicht so erfolgreich.
Transformationen haben immer auch
etwas mit Überzeugungsarbeit zu
tun. Können Sie Absolventen an dieser Stelle Tipps geben, wie diese
gelingen kann?
Zunächst helfe ich meinen Gesprächspartnern dabei, sich die neue Situation vorzustellen – beispielsweise mithilfe von Simulationen. Außerdem ist
es manchmal sinnvoll, externe Beispiele heranzuziehen, um zu zeigen,
dass bestimmte Konzepte und strategische Schritte in der Praxis schon
Erfolge erzielt haben. Dabei sollten
die Beispiele natürlich so gewählt
werden, dass sich der Kunde damit
identifizieren kann. Drittens kann es
überzeugend sein, Veränderungen in
bestimmten Segmenten des Unternehmens einfach mal zu testen – als
Showcase oder Pilot.
Wie muss ein Unternehmensberater
qualifiziert sein, um diese Tipps auch
anwenden zu können?
Zunächst muss er über starke analytische Fähigkeiten verfügen und strukturiert vorgehen können – nur so kann
er sicherstellen, dass die geplanten
Veränderungen das Problem tatsächlich an der Wurzel packen. Wenn zum
Beispiel Mitarbeiter in einem Unternehmen nicht das tun, was man sich
von ihnen erhofft, dann muss der
Unternehmensberater der Frage auf
den Grund gehen: Warum tun sie es
denn nicht? Er muss die Ursache
suchen – und die findet er nicht selten
im Top-Management selbst. Anschließend muss er seine kommunikativen
Fähigkeiten unter Beweis stellen und
alle für den Prozess wichtigen Kundenmitarbeiter einbinden. Der letzte
Schritt verlangt nach Rückgrat, denn
dann heißt es: Jetzt wird exekutiert. Es
wird nicht mehr das „Ob“ diskutiert,
sondern nur noch das „Warum“ erläutert. In dieser Phase ist der Unternehmensberater der Hüter der eigentlichen Idee. Kommt der Prozess vom
Kurs ab, muss er darauf aufmerksam
machen. Intervenieren jedoch muss
das Top-Management, denn es darf
nicht sein, dass dort Führungsaufgaben an den Berater delegiert werden.
Zum Abschluss: Gibt es Ihrer Ansicht
nach einen aktuellen Trend, der die
Branche auch noch in 15 Jahren
beschäftigen wird?
Volatilität wird künftig eine große
Rolle spielen. Zum Beispiel im Bereich
der Marktführerschaft, die in
bestimmten als relevant definierten
Märkten immer flüchtiger wird. Ausgehend von den Fünfzigerjahren bis
heute kann man eine kontinuierliche
Zunahme der Volatilität im Geschäftsleben beobachten, und diese Entwicklung wird aus meiner Sicht weitergehen. Zudem werden sich die Trends,
die ihre Ursache in der Globalisierung
haben, fortsetzen: Unsicherheit, Komplexität, Vielfalt, Wettbewerbsintensität. Auch die Anforderungen an die
Unternehmensorganisationen verändern sich: Sogenannte weiche Themen wie die Motivation der Mitarbeiter und eine hohe Führungskompetenz des Managements werden
gegenüber „harten“ Themen wie
Struktur- oder Prozessoptimierung
weiter an Bedeutung gewinnen. All
das wird unsere Branche auch 2020
und 2025 beschäftigen.
Zur Person Fabrice Roghé
Das Unternehmen
Fabrice Roghé, Jahrgang 1973, ist seit 2007
BCG-Partner und Geschäftsführer. Er
arbeitet im Büro Düsseldorf und beschäftigt sich mit Fragen um die nationale und
internationale Konzernorganisation, insbesondere in Bezug auf die Aufstellung
der Unternehmenszentrale. Er berät häufig Unternehmen aus der Berg-, Maschinen- und Schiffsbaubranche in strategischen und operativen Fragen. Fabrice
Roghé studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Darmstadt und der University of Illinois at Urbana-Champaign in
den USA. Nach seinem Abschluss stieg er
1999 im BCG-Büro in Düsseldorf ein, verbrachte als Teilnehmer des „AmbassadorProgramms“ ein Jahr im BCG-Büro in
Washington, bevor er nach Düsseldorf
zurückkehrte.
Die Boston Consulting Group (BCG) ist
mit einem Jahresumsatz von global
2,4 Milliarden Dollar (2008) eine der
weltweit größten Unternehmensberatungen. Gegründet wurde sie 1963 in
Boston von Bruce D. Henderson. Das
Unternehmen gehört mehr als 500
Partnern, weltweit arbeiten rund 4300
Berater in 68 Büros in 39 Ländern für
die BCG. Deutsche Büros unterhält die
Unternehmensberatung in München,
Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg,
Stuttgart, Berlin und Köln. Berater bei
der BCG arbeiten zunächst einige
Jahre lang als Generalisten und treten
danach in die sogenannten Praxisgruppen ein. Diese bündeln die Expertise einerseits nach Branche, also beispielsweise die Energie- oder die Konsumgüterbranche, sowie nach
Funktionen, beispielsweise Marketing
oder Strategie.
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