Michael Schmuckenschläger

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Michael Schmuckenschläger
INHALTSVERZEICHNIS
ii
Inhaltsverzeichnis
1
2
3
4
Elementare Funktionalanalysis
1.1 Abzählbare Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Normierte Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Metrische Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.4 Sukzessive Approximation . . . . . . . . . . . . . .
1.5 Kompakte metrische Räume . . . . . . . . . . . . .
1.6 Banachräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.7 Hilberträume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.8 Die Sätze von Stone-Weierstraß und Arzelà-Ascoli
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1
1
2
2
7
8
11
13
23
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27
27
30
33
37
40
42
44
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48
48
52
55
61
65
Anwendungen
4.1 Faltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2 Kompakte Teilmengen von L p (Ω) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
72
73
Maßtheorie
2.0 Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1 Mengensysteme und Maße . . . . . . . . . . .
2.2 Der Satz von Caratheodory . . . . . . . . . . .
2.3 Vervollständigung . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4 Reguläre Maße . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5 Meßbare Abbildungen . . . . . . . . . . . . . .
2.6 Konvergenz von Folgen meßbarer Funktionen
Integrationstheorie
3.1 Definition des Integrals .
3.2 Konvergenzsätze . . . .
3.3 Die L p Räume . . . . . .
3.4 Der Transformationssatz
3.5 Der Satz von Fubini . . .
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INHALTSVERZEICHNIS
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Literatur: [1], [2], [3], [4], [5], [6], [7], [8], [9], [10], [11], [12], [13], [14], [15], [16],
[17], [18], [19], [20], [21], [22], [23], [24], [25], [26], [27], [28], [29], [30].
Wikipedia:
http://en.wikipedia.org/wiki/Measure_theory,
http://en.wikipedia.org/wiki/Probability_theory,
http://en.wikipedia.org/wiki/Functional_analysis
1
1 Elementare Funktionalanalysis
1.1 Abzählbare Mengen
Definition 1.1.1 Eine Menge X heißt abzählbar, wenn eine surjektive Abbildung f :
N → X existiert. Existiert keine Surjektion f : N → X, so heißt X überabzählbar.
Falls X abzählbar ist, dann ist X entweder endlich oder es existiert eine Bijektion
f : N → X.
Proposition 1.1.2 1. Sind X und Y abzählbar, so ist X × Y abzählbar.
2. Die abzählbare Vereinigung von abzählbaren Mengen ist abzählbar.
S
3. Q und Q(N) : = n∈N Qn sind abzählbar.
4. {0, 1}N ist überabzählbar.
B EWEIS : 1. Es genügt zu zeigen, daß N × N abzählbar ist:
r
r
r
r
(4, 1■
)
❅
(4, 2)
(4, 3)
(4, 4)
(1, 1)
(1, 2)
(1, 3)
(1, 4)
❅
r
r
r
❅r
(3, 1❅
)
(3, 2■
)
(3, 3)
(3, 4)
❅
✻
❅
❅
r
r
❅r
❘
❅r
(2, 1■
)
(2, 2❅
)
(2, 3■
)
(2, 4)
❅
❅
❅
❅
❅
r
❅
✲r
❅
✲r
❘
❅r
f : N → N×N
f (1) = (1, 1)
f (2) = (1, 2)
f (3) = (2, 1)
f (4) = (3, 1)
f (5) = (2, 2)
..
.
S
2. Seien f n : N → Xn Surjektionen, dann ist F : N2 → Xn , F (m, n): = f m (n) eine
Surjektion.
3. f : Z × {1, 2 . . .} → Q, f (m, n): = m/n ist eine Surjektion.
4. Sei F : N → {0, 1}N = { f : N → {0, 1}} eine Surjektion und
f ( n ): =
1 falls F (n)(n) = 0
0 falls F (n)(n) = 1
Dann ist f ∈
/ F ( N ).
Definition 1.1.3 Zwei Mengen X und Y besitzen die gleiche Kardinalität, wenn es
eine Bijektion f : X → Y gibt.
Sei X 6= ∅ eine Menge und f : X → P ( X ) eine Abbildung in die Potenzmenge
von X. Dann ist f nicht surjektiv, d.h. X und P ( X ) besitzen nicht die gleiche
Kardinalität – der Beweis ist i.w. derselbe wie der von Proposition 1.1.2.4.
1 ELEMENTARE FUNKTIONALANALYSIS
2
1.2 Normierte Räume
Die topologische Struktur des Vektorraums Rn bzw. Cn definiert man mit Hilfe
der euklidischen Norm
1/2
n
.
k x k2 : = ∑ | x j |2
j =1
Wir bezeichnen den dermaßen normierten Vektorraum Rn bzw. Cn mit ℓ2n .
Definition 1.2.1 Eine Funktion p : E → R0+ auf einem Vektorraum E heißt eine Halbnorm, wenn
1. Für alle λ ∈ R (bzw. C) und alle x ∈ E gilt: p(λx ) = |λ| p( x ).
2. Für alle x, y ∈ E gilt: p( x + y) ≤ p( x ) + p(y).
Gilt darüber hinaus p( x ) = 0 ⇒ x = 0, so heißt p eine Norm auf E und ( E, p) ein
normierter Raum.
1. Sei p ∈ [1, ∞], n ∈ N, E = Rn bzw. Cn , dann sind
 1/p

p
|
x
|
falls p < ∞
∑
j
kxk p : =

sup | x j |
falls p = ∞
Normen auf E. Den Raum ( E, k.k p ) bezeichnen wir mit ℓnp . Mit ℓ p bezeichnen wir
den unendlich dimensionalen Raum { x ∈ RN : ∑n | xn | p < ∞}.
2. Sei X eine beliebige Menge und ( E, k.k) ein normierter Raum.
B( X, E): = { f : X → E : sup{k f ( x )k : x ∈ X } < ∞} .
Die Funktion f 7→ sup{k f ( x )k : x ∈ X } ist dann eine Norm auf B( X, E). Ist insbesondere X ein metrischer Raum, so bezeichnen wir mit Cb ( X ) den Unterraum
von B( X, R), der aus allen stetigen Funktionen besteht. Falls X kompakt ist, dann
ist jede stetige Funktion auf X beschränkt; in diesem Fall bezeichnet man Cb ( X )
einfach mit C ( X ). Ist X ∗ ein kompakter, metrischer Raum und x0 ∈ X ∗ ein beliebiger Punkt, so bezeichnen wir mit C0 ( X ) den Unterraum C0 ( X ): = { f ∈ C ( X ∗ ) :
f ( x0 ) = 0}.
1.3 Metrische Räume
Definition 1.3.1 Sei X eine beliebige Menge und d : X × X → R0+ eine Funktion mit
folgenden Eigenschaften:
1. Für alle x, y ∈ X gilt: d( x, x ) = 0 und d( x, y) = d(y, x ).
2. Für alle x, y, z ∈ X gilt: d( x, z) ≤ d( x, y) + d(y, z).
Dann heißt d eine Halb- oder Pseudometrik auf X. Gilt außerdem d( x, y) = 0 ⇒
x = y, so nennt man d eine Metrik auf X und ( X, d) einen metrischen Raum.
1.3 Metrische Räume
3
1. Ist ( E, k.k) ein normierter Raum, so ist dk.k ( x, y): = k x − yk eine Metrik auf E.
2. Sei ( Xn , dn ) eine Folge von metrischen Räumen, dann ist auf X: = ∏ Xn durch
∞
d( x, y): =
dn ( xn , yn )
∑ 2− n 1 + d n ( x n , y n )
(1)
n =1
eine Metrik definiert. d heißt die Produktmetrik.
3. Seien X, Y metrische Räume, f : X → Y eine Abbildung und x0 ∈ X. Wir
nennen f stetig in x0 , wenn zu jedem ε > 0 ein δ > 0 existiert, so daß für alle
x ∈ X mit d( x, x0 ) < δ gilt: d( f ( x ), f ( x0 )) < ε. f heißt stetig auf X, wenn f in
allen Punkten stetig ist. Falls f : X → Y eine Bijektion ist, so daß sowohl f wie
f −1 stetig sind, dann heißt f ein Homöomorphismus. X und Y nennt man in
diesem Fall homöomorph. f heißt gleichmäßig stetig, wenn zu jedem ε > 0 ein
δ > 0 existiert, so daß für alle x, y ∈ X mit d( x, y) < δ gilt: d( f ( x ), f (y)) < ε.
f heißt Lipschitz stetig oder eine Lipschtz Abbildung, wenn eine Konstante L <
∞ existiert, so daß für alle x, y ∈ X gilt: d( f ( x ), f (y)) ≤ Ld( x, y). Schließlich nennt
man f eine Isometrie von X in Y, wenn für alle x, y ∈ X: d( f ( x ), f (y)) = d( x, y).
4. Eine Folge xn in einem metrischen Raum ( X, d) heißt konvergent gegen x ∈ X,
wenn limn d( xn , x ) = 0.
5. Falls ( Ej , k.k j ), j ≤ n eine endliche Folge normierter Räume ist, so ist für x =
( x1 , . . . , xn ) durch
k x k : = max{ x j : 1 ≤ j ≤ n}
eine Norm auf dem Produktraum E: = ∏nj=1 En definiert. Bezeichnet d die unter
2. definierte Produktmetrik auf E, so ist die identische Abbildung id : ( E, dk.k ) →
( E, d) ein Homöomorphismus.
6. Ist E ein normierter Raum, so sind die Abbildungen E × E → E, ( x, y) 7→ x + y
und R × E → E, (λ, x ) 7→ λx stetig.
Sei ( X, d) ein metrischer Raum, x ∈ X und r > 0. Mit Br ( x ) oder B( x, r ) bezeichnen wir die (offene) r-Kugel um x, i.e.
Br ( x ): = B( x, r ): = {y ∈ X : d( x, y) < r } .
(2)
Ist X ein normierter Raum, so bezeichnen wir mit BX die (offene) Einheitskugel
B(0, 1); ferner gilt in diesem Fall B( x, r ) = x + rBX .
Eine Teilmenge U des metrischen Raumes X heißt offen, wenn zu jedem x ∈ U
ein r > 0 existiert, so daß B( x, r ) ⊆ U. Eine Teilmenge A von X heißt abgeschlossen, wenn Ac offen ist. Ist B ⊆ X, so bezeichnen wir mit B◦ bzw. B die größte
offene bzw. die kleinste abgeschlossene Menge, die in B enthalten ist bzw. die B
enthält; ∂B: = B \ B◦ heißt der Rand von B. Ein Punkt x ∈ X liegt z.B. genau dann
im Abschluß B von B, wenn für alle r > 0: B ∩ Br ( x ) 6= ∅; es folgt, daß B aus der
Menge aller Punkte x ∈ X besteht, für die es eine Folgen xn ∈ B gibt mit xn → x.
1 ELEMENTARE FUNKTIONALANALYSIS
4
A ⊆ X heißt dicht in X, wenn A = X. Das Mengensystem Td : = {U ⊆ X :
U ist offen} heißt die metrische Topologie auf X und sie besitzt folgende Eigenschaften:
1. ∅ und X liegen in Td .
2. Ist Uα eine beliebige Familie von Mengen in Td , so liegt
3. Ist Uα eine endliche Familie von Mengen in Td , so liegt
S
T
α Uα
in Td .
Uα in Td .
Proposition 1.3.2 Seien ( X, d X ), (Y, dY ) metrische Räume mit den entsprechenden metrischen Topologien T X bzw. TY , und f : X → Y eine Abbildung. Dann sind folgende
Aussagen äquivalent:
1. f ist stetig auf X.
2. Für alle V ∈ TY liegt f −1 (V ) in T X .
Eine Abbildung f : X → R (bzw. R) heißt von unten halbstetig (l.s.c.), wenn für
alle t ∈ R die Menge [ f > t]: = f −1 ((t, ∞)) offen ist. Die Indikatorfunktionen offener Mengen sind z.B. von unten halbstetig. f heißt von oben halbstetig (u.s.c.),
wenn − f l.s.c. ist.
Proposition 1.3.3 f : X → R ist genau dann l.s.c., wenn für alle x ∈ X und alle
Folgen xn mit xn → x gilt: lim inf f ( xn ) ≥ f ( x ). Sind f α : X → R l.s.c., so ist auch
supα f α l.s.c.
B EWEIS : 1. Seien a = lim inf f ( xn ) und x = lim xn . Falls a < f ( x ), dann ist U: =
[ f > ( a + f ( x ))/2] offen und x ∈ U. Da aber xn gegen x konvergiert, existiert ein
Index n0 , so daß für alle n ≥ n0 : xn ∈ U, also lim inf f ( xn ) ≥ ( a + f ( x ))/2.
Falls [ f ≤ t] nicht abgeschlossen ist, dann existiert ein x ∈
/ [ f ≤ t] sowie eine
Folge xn ∈ [ f ≤ t] mit xn → x.
T
2. Für alle t ∈ R gilt: [ f ≤ t] = [ f α ≤ t].
Ist f : X → R sowohl l.s.c. als auch u.s.c., so ist f stetig (cf. Übungen).
Definition 1.3.4 Sei X ein metrischer Raum. Eine Folge xn in X heißt eine CauchyFolge, wenn zu jedem ε > 0 ein n0 ∈ N existiert, so daß für alle n, m ≥ n0 : d( xn , xm ) <
ε. X heißt vollständig, wenn jede Cauchy Folge konvergiert. Einen vollständigen normierten Raum ( E, k.k) nennt man einen Banachraum.
1. Eine Teilmenge Y eines vollständigen metrischen Raumes X ist genau dann
vollständig, wenn Y in X abgeschlossen ist (cf. Übungen).
2. Ist k.k eine beliebige Norm auf Rn (bzw. Cn ), dann ist (Rn , k.k) (bzw. (Cn , k.k))
ein Banachraum.
1.3 Metrische Räume
5
3. Ist X ein metrischer Raum und Y ein Banachraum, so ist der Raum Cb ( X, Y ) der
stetigen und beschränkten Funktionen f : X → Y mit k f k : = sup{k f ( x )k : x ∈
X } ein Banachraum – insbesondere sind Cb ( X ), C ( X ) und C0 ( X ) Banachräume.
4. B( X, R) ist vollständig. Sei insbesondere ( X, d) ein metrischer Raum und x0 ∈
X, dann ist die Abbildung J : X → B( X, R), x 7→ d( x, .) − d( x0 , .) eine Isometrie
b von J ( X ) in B( X, R) vollständig ist, exivon X in B( X, R). Da der Abschluß X
b der X als
stiert zu jedem metrischen Raum ein vollständiger metrischer Raum X,
dichten isometrischen Unterraum enthält. Ferner ist jeder vollständige metrische
b – dies folgt aus
Raum Y mit dieser Eigenschaft isometrisch homöomorph zu X
Proposition 1.3.7.
5. Sei φ : R → (−1, 1) die Abbildung x 7→ x/(1 + | x |). dann ist d( x, y): = |φ( x ) −
φ(y)| eine Metrik auf R und xn : = n ist eine Cauchy-Folge in (R, d), die nicht
konvergiert, d.h. (R, d) ist nicht vollständig.
Ist ( X, d) ein metrischer Raum, x0 ∈ X und A ⊆ X, so heißen d( A): = sup{d( x, y) :
x, y ∈ A} bzw. d A ( x0 ): = inf{d( x0 , x ) : x ∈ A} der Durchmesser oder Diameter
von A bzw. der Abstand von x0 zu A. Ist z.B. xn eine Folge in X und An : = { xm :
m ≥ n}, so ist xn genau dann eine Cauchy-Folge, wenn limn d( An ) = 0. Ferner
ist d A : X → R 1-Lipschitz stetig (cf. Übungen).
Lemma 1.3.5 Ein metrischer Raum ist genau dann vollständig, wenn für jede fallende
T
Folge abgeschlossener Teilmengen An 6= ∅ mit d( An ) → 0 gilt: An 6= ∅.
Die Bedingung d( An ) → 0 ist notwendig, denn z.B. gilt für An : = { x ∈ R : x ≥
T
n}: An = ∅.
Lemma 1.3.6 Sei ( X, d) ein vollständiger metrischer Raum, D : X × X → [0, ∞] eine
von unten halbstetige ‘Metrik’, so daß jede Cauchy-Folge bezüglich D eine Cauchy-Folge
bezüglich d ist, x0 ∈ X und Y = [ D ( x0 , .) < ∞]. Dann ist (Y, D ) vollständig.
B EWEIS : Sei yn eine Cauchy-Folge in (Y, D ), dann ist yn eine Cauchy-Folge in
( X, d) mit Limes x ∈ X. Da D von unten halbstetig ist, ist [ D ≤ ε] abgeschlossen
in X × X, also folgt für alle m ≥ n(ε): (ym , x ) ∈ [ D ≤ ε].
Achtung! Eine Teilmenge A von Y, die in ( X, d) dicht liegt, muß i.a. nicht dicht in
(Y, D ) sein: z.B. ist c0 zwar dicht in RN , aber nicht in ℓ∞ .
B EMERKUNG: Ist E ein Banachraum und p : E → [0, ∞] eine von unten halbstetige
‘Norm’ mit z.B. k x k ≤ p( x ) und F = [ p < ∞]. Dann ist ( F, p) ein Banachraum
(cf. Übungen).
Beispiel: Für alle p ∈ [1, ∞] ist ℓ p ein Banachraum: Da RN vollständig (cf. Satz 1.5.5)
ist und
n
1/p
k x k p : = sup ∑ | x j | p
n∈N
j =1
1 ELEMENTARE FUNKTIONALANALYSIS
6
von unten halbstetig, ist ℓ p nach Lemma 1.3.6 ein Banachraum.
Beispiel: Sei ( X, d) ein metrischer Raum und Lip1 ( X ) die Menge aller Lipschitz
Funktionen f : X → R mit der Norm
k f k1 : = sup
n | f ( x ) − f (y)|
o
: x 6= y, x, y ∈ X + sup{| f ( x ) : x ∈ X } .
d( x, y)
Dann ist (Lip1 ( X ), k.k1 ) ein Banachraum, denn k.k1 ist nach Proposition 1.3.3
l.s.c. auf Cb ( X ).
Seien X, Y metrische Räume, A ⊆ X und f : A → Y. Für alle x ∈ A heißt
ω f ( x ): = inf{d( f ( B( x, 1/n) ∩ A)) : n ∈ N}
(3)
die Schwankung von f in x bezüglich A. Falls A = X, so sprechen wir einfach
von der Schwankung von f in x.
Sei nun Y vollständig und x ∈ A mit ω f ( x ) = 0, dann ist für jede Folge xn in A
mit xn → x die Folge f ( xn ) eine Cauchy-Folge und konvergiert daher gegen y.
Ist xn′ eine weitere Folge in A mit xn′ → x, so konvergiert f ( xn′ ) gleichfalls gegen
y, d.h. es existiert genau ein y ∈ Y, so daß für jede Folge xn in A mit xn → x gilt:
f ( xn ) → y.
Proposition 1.3.7 Sei A eine dichte Teilmenge eines metrischen Raumes X, Y vollständig und f : A → Y gleichmäßig stetig. Dann existiert genau eine stetige Abbildung
F : X → Y, so daß F | A = f ; ferner ist F gleichmäßig stetig.
B EWEIS : Da für alle a, a′ ∈ A mit d( a, a′ ) < δ gilt: d( f ( a), f ( a′ )) < ε und A × A
dicht ist in X × X, folgt für alle x, x ′ ∈ X mit d( x, x ′ ) < δ: d( F ( x ), F ( x ′ )) ≤ ε, i.e.
F ist gleichmäßig stetig.
Die Aussage der voranstehenden Proposition ist falsch, wenn man bloß die Stetigkeit verlagt: z.B. besitzt die stetige Funktion f : (0, 1) → [−1, 1], x 7→ sin(1/x )
keine stetige Fortsetzung auf [0, 1]. Es gilt jedoch folgender Fortsetzungssatz (cf.
Topologie)
Satz 1.3.8 Sei X ein metrischer Raum, A eine abgeschlossene Teilmenge von X und f :
A → R stetig. Dann gibt es eine stetige Abbildung F : X → R mit F | A = f .
Eine entsprechende Aussage gilt auch für glatte Funktionen, wobei man eine reellwertige Funktion f auf einer Teilmenge A von Rn als glatte bezeichnet, wenn
es zu jedem Punkt x ∈ A eine offene Umgebung U und eine glatte (i.e. C ∞ -)
Funktion F : U → R gibt, so daß F und f auf U ∩ A übereinstimmen.
Ist dann A eine abgeschlossene Teilmenge von Rn und f : A → R eine glatte
Funktion, dann gibt es eine glatte Funktion F : Rn → R mit F | A = f (cf. Topologie).
1.4 Sukzessive Approximation
7
1.4 Sukzessive Approximation
Satz 1.4.1 Seien 0 ≤ L < 1, X, Y Banachräume und u : rBX × RBY → Y eine stetige
Abbildung, so daß für alle x ∈ rBX und alle y1 , y2 ∈ RBY :
ku( x, y1 ) − u( x, y2 )k ≤ L ky1 − y2 k
und
u( x, 0) < R(1 − L) .
Dann gibt es genau eine Abbildung f : rBX → RBY , so daß f ( x ) = u( x, f ( x )). Ferner
ist f stetig.
B EWEIS : Sei für x ∈ rBX : f 0 ( x ): = 0 und f n+1 ( x ): = u( x, f n ( x )). Dann ist f n stetig
und
k f n+1 ( x ) − f n ( x )k = ku( x, f n ( x )) − u( x, f n−1 ( x ))k
≤ L k f n ( x ) − f n−1 ( x )k ≤ · · ·
≤ Ln k f 1 ( x ) − f 0 ( x )k < Ln R(1 − L)
Somit konvergiert f n in dem Banachraum Cb (rBX , Y ) gegen eine stetige Funktion
f mit k f ( x )k < R; da u stetig ist, folgt: f ( x ) = u( x. f ( x )). Ist g : rBX → RBY eine
weitere Funktion mit u( x, g( x )) = g( x ), so folgt:
k f ( x ) − g( x )k = ku( x, f ( x )) − u( x, g( x ))k < L k f ( x ) − g( x )k
i.e. g( x ) = f ( x ).
Korollar 1.4.2 Sei X eine Banachraum, R > 0, h : RBX → X eine Lipschitz Abbildung mit der Konstante L < 1 und h(0) = 0. Setzen wir f ( x ): = x + h( x ), so gilt:
f ( RBX ) ⊇ R(1 − L) BX und f ist ein lokaler Homöomorphismus um 0, d.h. es gibt
offene Umgebungen U bzw. V von 0, so daß f : U → V ein Homöomorphismus ist.
B EWEIS : f ist injektiv, denn aus f ( x1 ) = f ( x2 ) folgt: x1 − x2 = h( x2 ) − h( x1 ), i.e.
x1 = x2 .
Seien r: = R(1 − L) und u : rBX × RBX → X die Abbildung ( x, y) 7→ x − h(y). Da
ku( x, y1 ) − u( x, y2 )k ≤ L ky1 − y2 k
und
ku( x, 0)k < R(1 − L)
existiert nach dem Satz von der sukzessiven Approximation eine eindeutig bestimmte stetige Abbildung g : rBX → RBX , so daß für alle x ∈ rBX gilt: u( x, g( x )) =
g( x ), i.e. x − h( g( x )) = g( x ), also x = f ( g( x )) und damit: rBX ⊆ f ( RBX ). Da f
injektiv ist, ist g : rBX → g(rBX ) die inverse Abbildung zu f : g(rBX ) → rBX ,
also ist f : g(rBX ) → rBX ein Homöomorphismus und da f −1 (rBX ) = g(rBX ), ist
g(rBX ) offen.
8
1 ELEMENTARE FUNKTIONALANALYSIS
1.5 Kompakte metrische Räume
Sei ( X, d) eine metrischer Raum und Uα , α ∈ I, eine Familie von Teilmengen von
S
X. Falls Uα = X, so nennt man die Familie Uα , α ∈ I, eine Überdeckung von X;
falls darüber hinaus sämtliche Mengen Uα offen sind, so heißt Uα , α ∈ I, eine offene Überdeckung von X. Ist z.B. r : X → R+ irgendeine Funktion, so ist B( x, r ( x )),
x ∈ X, eine offene Überdeckung. Sei Uα , α ∈ I, eine Überdeckung von X, dann
versteht man unter einer Teilüberdeckung eine Teilmenge J von I, so daß auch
die Familie Uα , α ∈ J, eine Überdeckung von X ist. Eine Teilüberdeckung ist daher nicht bloß die Überdeckung eines Teils von X; der Terminus “Teil”bezieht
sich also auf die Indexmenge und nicht auf die überdeckte Menge.
Definition 1.5.1 Ein metrischer Raum X heißt kompakt, wenn jede offene Überdeckung
von X eine endliche Teilüberdeckung besitzt. X heißt folgenkompakt, wenn jede Folge
in X eine konvergente Teilfolge besitzt. X heißt präkompakt, wenn zu jedem r > 0 eine
S
endliche Teilmenge A von X existiert, so daß X = { B( x, r ) : x ∈ A}. X heißt separabel, wenn eine abzählbare Teilmenge A von X existiert, so daß A = X, d.h. es gibt eine
abzählbare und dichte Teilmenge von X.
Beispiel: Eine Teilmenge A eines endlichdimensionalen normierten Raumes X ist
genau dann präkompakt, wenn sie beschränkt ist; sie ist genau dann kompakt,
wenn sie beschränkt und abgeschlossen ist.
Beispiel: Die Räume ℓ p , 1 ≤ p < ∞ und c0 : = { x ∈ ℓ∞ : limn xn = 0} sind
separabel; ℓ∞ ist jedoch nicht separabel.
Eine Teilmenge A eines metrischen Raumes ist nur dann folgenkompakt, wenn
jede Folge in A eine in A konvergente Teilfolge besitzt. Die Forderung, daß jede
Folge in A eine in X konvergente Teilfolge besitzt (man sagt in diesem Fall, daß
A relativ kompakt ist) ist nur dann hinreichend, wenn A abgeschlossen ist
Proposition 1.5.2 1. Ein präkompakter metrischer Raum ist separabel.
2. Ist X ein separabler metrischer Raum, so existiert eine abzählbare Familie F = { B( xn , rn ) :
n ∈ N} offener Kugeln, so daß jede offene Teilmenge U Vereinigung einer Teilfamilie von
F ist.
3. Jede offene Teilmenge von R ist die disjunkte Vereinigung von abzählbar vielen offenen
Intervallen.
B EWEIS : 1. Ist X präkompakt, so existiert zu jedem n ∈ N eine endliche Teilmenge
S
S
An mit { B( x, 1/n) : x ∈ An } = X. Die Menge n An ist dann dicht in X.
2. Sei D dicht, abzählbar und F : = { B( x, r ) : x ∈ D, r ∈ Q+ }. F ist abzählbar und
S
für jede offene Menge U gilt: U = { B( x, r ) ∈ F : B( x, r ) ⊆ U }: Bezeichnen wir
die Menge auf der linken Seite mit V, so gilt offensichtlich V ⊆ U. Sei umgekehrt
x ∈ U, dann gibt es erstens ein r ∈ Q+ , so daß B( x, r ) ⊆ U und zweitens gibt es
1.5 Kompakte metrische Räume
9
ein y ∈ D, so daß y ∈ B( x, r/3), also: x ∈ B(y, r/3) ⊆ B( x, 2r/3) ⊆ U und damit
x ∈ V.
3. Sei xn , n ∈ N, dicht in U und In die Vereinigung aller in U enthaltenen offenen
S
Intervalle, die auch xn enthalten. Dann folgt nach 2.: In = U; ferner gilt für alle
n, m ∈ N entweder In = Im oder In ∩ Im = ∅.
Unter einem Häufungspunkt einer Folge xn in einem metrischen Raum X verT
steht man einen Punkt der Menge n { xm : m ≥ n}. Setzen wir An : = { xm : m ≥ n},
dann ist An eine Folge abgeschlossener Teilmengen von X und somit ist Un : = Acn
eine Folge offener Teilmengen von X; ferner besitzt die Folge xn genau dann keinen Häufungspunkt, wenn Un eine Überdeckung von X ist. Dies sollte zumindest
den Zusammenhang zwischen offenen Überdeckungen einerseits und Folgen andererseits verdeutlichen.
Satz 1.5.3 Für einen metrischen Raum X sind folgende Aussagen äquivalent:
1. X ist kompakt.
2. X ist präkompakt und vollständig.
3. X ist folgenkompakt.
4. Jede Folge in X besitzt einen Häufungspunkt.
B EWEIS : Wir beweisen nur die Implikation: 2.⇒3.: Ist X präkompakt, so gibt es
S
zu jedem n ∈ N eine endliche Teilmenge An von X, so daß X = { B( x, 2−n ) : x ∈
An }. Sei nun xk eine Folge in X, dann gibt es mindestens einen Punkt a1 ∈ A1 , so
daß B( a1 , 2−1 ) eine Teilfolge xn1 (k) enthält; zu dieser Teilfolge gibt es wiederum
mindestens ein a2 ∈ A2 , so daß B( a2 , 2−2 ) eine Teilfolge xn1 (n2 (k)) enthält; u.s.w.
Die sogenannte Diagonalfolge y1 : = xn1 (1) , y2 : = xn1 (n2 (2)) , . . . ist dann eine Teilfolge von xk und da für alle m ≥ n: ym ∈ B( an , 2−n ), ist ym eine Cauchy-Folge.
Das folgende, einfache Resultat ist z.B. von entscheidender Bedeutung in der Variationsrechnung: Ist X kompakt und f : X → (−∞, ∞] l.s.c., dann gibt es einen
Punkt x0 ∈ X, so daß f ( x0 ) = inf{ f ( x ) : x ∈ X }, denn mit a: = inf{ f ( x ) : x ∈ X }
T
ist An : = [ f ≤ a + 1/n] abgeschlossen. Falls An = ∅, dann wäre Acn eine offene
Überdeckung.
Stetige Funktionen bilden zwar kompakte Mengen auf kompakte Mengen ab,
aber die Präkompaktheit bleibt i.a. nicht erhalten; dazu bedarf es einer stärkeren
Voraussetzung, nämlich der gleichmäßigen Stetigkeit, also: das Bild einer präkompakten
Teilmenge unter einer gleichmäßig stetige Funktion ist wiederum präkompakt
(cf. Übungen).
Lemma 1.5.4 Seien X, Yk metrische Räume, A ⊆ X Jk : X → Yk und Ik : Yk → X
gleichmäßig stetige Abbildungen, so daß: limk supx∈ A d( Ik ( Jk ( x )), x ) = 0. Ist dann für
alle k ∈ N die Menge Jk ( A) präkompakt, so ist A präkompakt
1 ELEMENTARE FUNKTIONALANALYSIS
10
B EWEIS : Nach Definition ist eine Teilmenge A von X genau dann präkompakt,
wenn es zu jedem ε > 0 eine präkompakte Teilmenge Kε gibt, so daß A ⊆ [dKε <
ε]. Wählen wir also zu ε > 0 ein n ∈ N, so daß supx∈ A d( Ik ( Jk ( x )), x ) < ε, so
folgt für Kk : = Ik ( Jk (K )): A ⊆ [dKk < ε]. Da Ik gleichmäßig stetig und Jk (K )
präkompakt ist, ist auch Kk präkompakt.
Beispiel: Eine Teilmenge A von ℓ p , 1 ≤ p < ∞ ist präkompakt, wenn A beschränkt ist und
lim sup ∑ | f (n)| p = 0 .
k
f ∈ A n≥k
Wähle zu ε > 0 ein k ∈ N, so daß für alle f ∈ A: ∑n≥k | f (n)| p < ε und definiere:
Jk : ℓ p → ℓkp durch Jk f (n) = f (n) falls n ≤ k und Ik : ℓkp → ℓ p : Ik f (n) = f (n) falls
n ≤ k und sonst: Jk f (n) = 0. Dann ist Jk ( A) präkompakt und für alle f ∈ A gilt:
d( f , Ik ( Jk ( A))) < ε.
Satz 1.5.5 Seien Xn , n ∈ N, metrische Räume, X der Produktraum mit der Produktmetrik und Prn : X → Xn die Projektionen.
1. Eine Folge xk in X konvergiert genau dann, wenn für alle n ∈ N die Folge Prn ( xk ) in
Xn konvergiert.
2. Sind alle Räume Xn vollständig, so ist auch X vollständig.
3. Sind alle Räume Xn separabel, so ist auch X separabel.
4. Sind alle Räume Xn kompakt, so ist auch X kompakt.
Ein vollständiger separabler metrischer Raum heißt ein Polnischer Raum!
Beispiel: Sei Ω eine offene Teilmenge von Rn und C ∞ (Ω) der Raum der glatten
Funktionen f : Ω → R. Dann gibt es eine Metrik auf C ∞ (Ω), so daß die konvergenten Folgen genau jene Folgen sind, für die alle partiellen Ableitungen auf
kompakten Teilmengen gleichmäßig konvergieren. Dieser Raum ist z.B. ein Polnischer Raum.
Satz 1.5.6 Sei X metrisch. X ist genau dann kompakt, wenn für jeden metrischen Raum
Y die Projektion PrY : X × Y → Y abgeschlossen ist (d.h. PrY bildet abgeschlossene
Teilmengen von X × Y auf abgeschlossene Teilmengen von Y ab).
B EWEIS : Sei Y metrisch, d(( x, y), ( x ′ , y′ )): = max{d X ( x, x ′ ), dY (y, y′ )}, A ⊆ X × Y
abgeschlossen und y ∈
/ PrY ( A); dann folgt: X × {y} ∩ A = ∅ und da X × {y}
kompakt ist: inf{d A ( x, y) : x ∈ X } = r > 0, also X × B(y, r ) ∩ A = ∅.
Ist xn eine Folge in X, die keinen Häufungspunkt besitzt und Y: = {1/n : n ∈
N} ∪ {0}, so ist A: = {( xn , 1/n) : n ∈ N} abgeschlossen in X × Y aber PrY ( A) =
{1/n : n ∈ N} ist nicht abgeschlossen in Y.
1.6 Banachräume
11
Das folgende Argument erlaubt eine Vielzahl notwendiger Kompaktheitsbedingungen aufzustellen: Ist X kompakt und F : X × Y → R stetig, so ist f : Y → R,
f (y): = sup{ F ( x, y) : x ∈ X } stetig: Nach Proposition 1.3.3 ist f l.s.c. Da ferner
für alle t ∈ R aufgrund der Kompaktheit von X und der Stetigkeit von F:
[ f ≥ t] = {y ∈ Y : ∃ x ∈ X : F ( x, y) ≥ t] = PrY [ F ≥ t] .
ist f nach Satz 1.5.6 auch u.s.c., also ist f stetig.
Beispiel: Eine Teilmenge A von ℓ p , 1 ≤ p < ∞ ist genau dann präkompakt, wenn
A beschränkt ist und
lim sup ∑ | f (n)| p = 0 .
k
f ∈ A n≥k
Sei A präkompakt, dann ist A nach Satz 1.5.3 kompakt – denn ℓ p ist ein Banachraum. Definiere auf N × ℓ p : s(k, f ): = ∑n≥k | f (n)| p und s(∞, f ) = 0. Dann ist s
stetig und somit ist auch S : k 7→ sup{ F (k, f ) : f ∈ A} stetig auf N.
Beispiel: Die abgeschlossene Einheitskugel B2′ von ℓ2 ist schwach kompakt. Dies
bedeutet folgendes: zu jeder Folge f n in B2′ gibt es eine Teilfolge f n(k) sowie ein
f ∈ B2′ , so daß für alle g ∈ ℓ2 , gilt: limk h f n(k) , gi = h f , gi: = ∑ f (n) g(n). Da k.k2
auf RN l.s.c. ist, ist B2′ eine abgeschlossene Teilmenge von RN ; weiter ist B2′ ⊆
[−1, 1]N und damit ist B2′ nach Satz 1.5.5.4 eine kompakte Teilmenge von RN .
Somit besitzt jede Folge f n in B2′ eine Teilfolge f n(k) , die punktweise gegen eine
Funktion f ∈ B2′ konvergiert. Sei nun g ∈ ℓ2 , dann gilt für alle N ∈ N:
N
lim sup |h f n(k) − f , gi| ≤ lim sup ∑ | f n(k) ( j) − f ( j)|| g( j)|
k
k
+
j =1
∑ |( f n(k) ( j) − f ( j)) g( j)|
j> N
≤ lim sup f n(k) − f ( ∑ | g( j)|2 )1/2 .
k
2
j> N
Da N ∈ N beliebig war, f n(k) − f ≤ 2 und g ∈ ℓ2 , folgt: lim supk |h f n(k) −
f , gi| = 0.
1.6 Banachräume
Proposition 1.6.1 Seien ( X, k.k X ) und (Y, k.kY ) normierte Räume und A : X → Y
eine lineare Abbildung. Dann sind folgende Aussagen äquivalent:
1. A ist stetig auf X.
2. A ist im Punkt 0 stetig.
3. k Ak : = sup{k A( x )kY : k x k X ≤ 1} < ∞.
4. A ist Lipschitz stetig mit der Konstante k Ak.
12
1 ELEMENTARE FUNKTIONALANALYSIS
B EWEIS : 2.⇒3.: Es existiert ein δ > 0, so daß k x k ≤ δ ⇒ k A( x )k ≤ 1. Sei nun
k x k ≤ 1, dann ist kδx k ≤ δ und aufgrund der Linearität: k A( x )k ≤ δ−1 .
3.⇒4.: Sei x0 ∈ X fixiert, dann gilt für alle x ∈ X \ { x0 }:
− x0
≤ k A k k x − x0 k .
k A( x ) − A( x0 )k = k x − x0 k A k xx−
x0 k Wegen 3. nennt man eine stetige lineare Abbildung A : X → Y auch eine beschränkte lineare Abbildung oder einen beschränkten linearen Operator und
k Ak heißt die Operatornorm von A. Die Operatornorm ist eine Norm auf dem
Raum der stetigen linearen Abbildungen L( X; Y ) von X in Y. Ist B : Y → Z stetig
und linear, so gilt: k BAk ≤ k Bk k Ak. Eine bijektive lineare Abbildung A : X → Y
heißt ein Isomorphismus, wenn sowohl A als auch A−1 stetig sind, i.e. wenn
k Ak k A−1 k < ∞. L( X; Y ) ist ein abgeschlossener Unterraum von Cb ( BX , Y ) (cf.
Übungen); ist also Y ein Banachraum, so ist auch L( X; Y ) – mit der Operatornorm
– ein Banachraum.
Ist C eine Teilmenge von X, so bezeichnen wir mit [C ] den von C erzeugten Unterraum von X, i.e. den “kleinsten”Unterraum von X, der C enthält. Ist insbesondere C = { xn : n ∈ N}, so schreiben wir für [C ] auch [ xn : n ∈ N]. Häufig kommt
es vor, daß man eine lineare Abbildung zunächst auf einer linear unabhängigen
Menge L mit Werten in Y definiert, dann ist A : [ L] → Y als lineare Abbildung eindeutig festgelegt. Falls diese Abbildung stetig und Y ein Banachraum
ist, dann gibt es nach Proposition 1.3.7 genau eine stetige (und lineare) Abbildung A : [ L] → Y.
Ist A : X → Y linear, so bezeichnen ker A: = { x ∈ X : A( x ) = 0} bzw. im A: =
A( X ) = { A( x ) : x ∈ X } den Kern bzw. das Bild von A.
Beispiel:
Sei X ein n-dimensionaler normierter Raum, x j eine Basis von X mit
x j = 1. Dann ist A : ℓn → X, A(en ) = xn ein Isomorphismus und folglich sind
1
je zwei n-dimensionale normierte Räume X und Y isomorph.
Da k A( x )k ≤ kx k1 , ist A stetig. Angenommen es existiert eine Folge xn ∈ X mit
k xn k → 0 und A−1 ( xn ) = 1. Da [k.k1 = 1] kompakt ist, können wir o.B.d.A.
annehmen, daß yn : = A−1 ( xn ) gegen y ∈ [k.k1 = 1] konvergiert. Die Stetigkeit
von A impliziert dann A(y) = 0, d.h. A ist nicht injektiv.
Beispiele: 1. Jeder endlich-dimensionale normierte Raum X (über R oder C) ist
ein Banachraum; ferner ist eine Teilmenge von X genau dann präkompakt, wenn
sie beschränkt ist.
2. c0 ist ein abgeschlossener Teilraum von ℓ∞ (cf. Übungen), also ist c0 ein Banachraum.
3. Ist Ω eine offene Teilmenge von Rn und Cb1 (Ω) der Raum der beschränkten,
stetig differenzierbare Funktionen f : Ω → R mit der Norm
k f k1 : = sup{| f ( x )| : x ∈ Ω} + sup{kd f ( x )k : x ∈ Ω}
1.7 Hilberträume
13
Dann ist Cb1 (Ω) nach einem Satz aus der Analysis ein Banachraum. Falls darüber
hinaus Ω z.B. konvex ist, dann ist Cb1 (Ω) ein abgeschlossener Unterraum von
Lip1 (Ω) (cf. Übungen).
Eine Reihe ∑ xn in einem normierten Raum ( X, k.k) nennt man absolut summierbar, wenn ∑ k xn k < ∞. Ist X ein Banachraum, so ist jede absolut summierbare
Reihe offensichtlich konvergent; es gilt aber auch die Umkehrung (cf. Übungen),
d.h. ein normierter Raum X ist genau dann ein Banachraum, wenn jede absolut
summierbare Reihe konvergent ist.
Seien X, Y normierte Räume. Eine lineare Abbildung A : X → Y ist genau dann
eine Isometrie des metrischen Raumes X in den metrischen Raum Y, wenn für
alle x ∈ X: k A( x )k = k x k. Ist A darüber hinaus surjektiv, so nennt man A eine
Isometrie von X auf Y. In diesem Fall sagt man, daß X und Y isometrisch isomorph sind. Ein Isomorphismus A : X → Y ist genau dann eine Isometrie von X
auf Y, wenn A( BX ) = BY .
Unterräume und Quotientenräume: Sei E ein Unterraum des normierten Raumes ( X, k.k), dann ist ( E, k.k) ein normierter Raum mit der offenen Einheitskugel
BE = BX ∩ E.
Ist E ein abgeschlossener Unterraum des normierten Raumes X und π : X →
X/E die Quotientenabbildung – das Urbild unter π von π ( x ) ist die Menge x + E,
also: π −1 (π ( x )) = x + E. Dann ist auf dem Quotientenraum X/E durch
kπ ( x )k : = inf{k x + yk : y ∈ E} = d E ( x ) .
(4)
eine Norm definiert – die Quotientennorm. Ist X ein Banachraum, so ist auch
X/E ein Banachraum: Ist ∑ π ( xn ) absolut summierbar, so gibt es nach Definition
yn ∈ xn + E, so daß ∑ kyn k < ∞; da X ein Banachraum ist, konvergiert die Reihe
∑ yn und wegen π (yn ) = π ( xn ) ist damit ∑ π ( xn ) konvergent.
Häufig bezeichnet man die Elemente von X/E auch mit [ x ], x ∈ X, also π ( x ) =
[ x ], und nennt sie die Klassen von X. Da in unserer Notation [ x ] bereits den von
x ∈ X erzeugten Unterraum von X bezeichnet, ziehen wir die Schreibweise π ( x )
für die Klassen der Schreibweise [ x ] im weiteren vor.
1.7 Hilberträume
Definition 1.7.1 Unter einem inneren Produkt auf einem Vektorraum E (über C bzw.
R) versteht man eine Abbildung h., .i von E × E in C bzw. R mit folgenden Eigenschaften:
1. Für alle x, y, z ∈ E und alle λ ∈ C bzw. R gilt:
hλx, yi = λh x, yi, h x, yi = hy, x i und h x + y, zi = h x, zi + hy, zi .
2. Für alle x ∈ E gilt: h x, x i ≥ 0 und h x, x i = 0 impliziert x = 0.
14
1 ELEMENTARE FUNKTIONALANALYSIS
Eine Abbildung Q : E × E → C mit der Eigenschaft 1. nennt man eine Sesquilinearform – im reellen Fall ist dies nichts anderes als eine symmetrische
Bilinearform. Ist E ein Vektorraum und h., .i ein inneres Produkt auf E, so ist
k x k2 : = h x, x i eine Norm auf E und der mit dieser Norm versehene Raum E
heißt ein Prähilbertraum. Ist E vollständig, so nennt man E einen Hilbertraum.
In jedem Prähilbertraum gilt die sogenannte Parallelogrammgleichung :
k x + y k2 + k x − y k2 = 2 k x k2 + 2 k y k2
(5)
sowie die Cauchy-Schwarz Ungleichung: |h x, yi| ≤ k x k kyk und die Polarisationsformel:
ℜh x, yi = 14 (k x + yk2 − k x − yk2 ) .
(6)
Ferner nennt man die durch θ ∈ [0, π ) und cos θ = ℜh x, yi/ k x k kyk eindeutig
definierte Zahl θ den Winkel, den die Vektoren x 6= 0 und y 6= 0 einschließen.
Sei A ⊆ E und x ∈ E; x heißt orthogonal zu A (i.Z. x ⊥ A), wenn für alle y ∈ A gilt:
h x, yi = 0. Falls x ⊥y, dann gilt der Satz von Pythagoras: k x + yk2 = k x k2 + kyk2 .
Unter einer konvexen Teilmenge C von E versteht man eine Menge mit der Eigenschaft: aus x, y ∈ C und 0 ≤ t ≤ 1 folgt: (1 − t) x + ty ∈ C.
Der Approximationssatz: Ist C eine abgeschlossene, konvexe Teilmenge des Hilbertraumes E, so besagt der Approximationssatz i.w., daß es zu jedem Punkt
x ∈ E genau einen Punkt PC ( x ) in C gibt, der zu x minimalen Abstand besitzt;
ferner ist die Abbildung x 7→ PC ( x ) 1-Lipschitz stetig; ist C insbesondere ein abgeschlossener Unterraum, so ist PC linear.
Satz 1.7.2 (Approximationssatz) Sei C eine abgeschlossene, konvexe Teilmenge des
Hilbertraumes E, dann gilt:
1. Zu jedem x ∈ E existiert genau ein Punkt PC ( x ) ∈ C, so daß k x − PC ( x )k = d( x, C ).
2. Für alle y ∈ C gilt: ℜh x − PC ( x ), y − PC ( x )i ≤ 0.
3. Gibt es einen Punkt z ∈ C, so daß für alle y ∈ C gilt: ℜh x − z, y − zi ≤ 0, dann folgt:
z = PC ( x ).
4. Die Abbildung PC : E → C ist Lipschitz stetig mit der Konstante 1.
B EWEIS : 1. Sei o.B.d.A. x = 0, d = d(0, C ) und Kr : = B(0, r ). Falls K R ∩ C 6= ∅
und Kr ∩ C = ∅, dann impliziert die Parallelogrammgleichung (5) für alle x, y ∈
K R ∩ C:
1.7 Hilberträume
15
0
b
R
b
r
b
C
x − y 2
2 =
1
2
x + y 2
k x k2 + 21 kyk2 − 2 .
Da ( x + y)/2 ∈ C folgt: k x − yk2 ≤ 4( R2 − r2 ). Definieren wir Cn : = Kd+1/n ∩ C,
so ist Cn abgeschlossen, Cn+1 ⊆ Cn und d(Cn )2 ≤ 8d/n + 4/n2 . Da C vollständig
T
ist existiert nach Lemma 1.3.5 genau ein Punkt PC ( x ) ∈ Cn .
2. Definieren wir f : [0, 1] → R durch
f (t): = k(1 − t) PC ( x ) + ty − x k2 = k(1 − t)( PC ( x ) − x ) + t(y − x )k2 ,
so folgt nach 1.: f (t) ≥ f (0), also f ′ (0) ≥ 0 und dies ist gleichbedeutend mit der
Behauptung 2.
3. Addition der Ungleichungen ℜh x − PC ( x ), z − PC ( x )i ≤ 0 und ℜh x − z, PC ( x ) −
zi ≤ 0 ergibt: k PC ( x ) − zk2 ≤ 0.
4. Nach 2. gilt für alle x, y ∈ E:
ℜh x − PC ( x ), PC (y) − PC ( x )i ≤ 0 und
ℜh−y + PC (y), PC (y) − PC ( x )i ≤ 0 .
Nach Addition dieser Ungleichungen erhalten wir:
ℜhy − x, PC (y) − PC ( x )i ≥ k PC (y) − PC ( x )k2
und 3. folgt aus der Cauchy-Schwarz Ungleichung.
Ist insbesondere C = F ein abgeschlossener Unterraum, so ist die zweite bzw.
die dritte Aussage gleichbedeutend mit: x − PF ( x )⊥ F – i.e. die beste Approximation y eines Punktes x ist durch: y ∈ F und x − y ⊥ F eindeutig bestimmt.
Daraus folgt, daß PrF : = PF eine lineare Abbildung ist. PrF heißt die orthogonale
Projektion auf F und
F ⊥ : = { x ∈ E : ∀ y ∈ F : h x, yi = 0}
(7)
16
1 ELEMENTARE FUNKTIONALANALYSIS
heißt der zu F orthogonale Raum. Man überzeugt sich leicht, daß PrF⊥ = 1 − PrF
und F ⊥⊥ = F. Ist z.B. x1 , . . . , xn eine Folge linear unabhängiger Vektoren, F =
[ x j : l ≤ j ≤ n] der von diesen Vektoren aufgespannte n-dimensionale Unterraum
von E und ( g jk )nj,k=1 die inverse Matrix der Gramschen Matrix (h x j , xk i)nj,k=1 , so
gilt:
n
PrF ( x ) =
∑
j,k=1
g jk h x, x j i xk .
(8)
Das folgende Korollar findet man auch häufig unter dem Namen: Rieszscher Darstellungssatz.
Korollar 1.7.3 Sei E ein Hilbertraum und f : E → C eine stetige lineare Abbildung.
Dann existiert genau ein y ∈ E, so daß für alle x ∈ E: f ( x ) = h x, yi.
B EWEIS : Sei f 6= 0, F = ker f , dann ist F ein abgeschlossener Unterraum; da
dim F ⊥ = 1, existiert genau ein y1 ∈ F ⊥ , so daß f (y1 ) = 1; für r: = 1/ ky1 k2 und
y: = ry1 gilt dann: f (y) − hy, yi = 0, also: f − h., yi = 0.
Hilberträume sind also selbstdual; dies ist jedoch keine charakteristische Eigenschaft von Hilberträumen, denn z.B. ist der Dualraum von ℓ1n ⊕2 ℓ∞
n zu sich selbst
2
2
2
isometrisch isomorph: k( x, y)k : = k x k1 + kyk∞ .
Orthonormale Basen separabler Hilberträume.
Definition 1.7.4 Eine Folge von Vektoren xn in einem separablen Hilbertraum E heißt
eine orthonormale Basis, wenn h xn , xm i = δnm und wenn der von der Folge xn erzeugte Unterraum dicht ist, i.e. [ xn : n ∈ N] = E.
Nach dem Orthonormalisierungsverfahren von Gram-Schmidt angewandt aud
eine dichte Folge an , besitzt jeder separable Hilbertraum E eine orthonormale Basis xn . Sodann ist durch xn 7→ en ein isometrischer Isomorphismus von E auf
ℓ2 definiert, d.h. jeder separable unendlich dimensionale Hilbertraum ist isometrisch isomorph zu ℓ2 . Insbesondere gibt es zu jeder in E beschränkten Folge yn
eine Teilfolge yk(n) und einen Vektor y ∈ E, so daß für alle z ∈ E: limn hyk(n) , zi =
hy, zi – man sagt: jede beschränkten Folge in E besitzt eine schwach konvergente
Teilfolge – oder: beschränkte Teilmengen von E sind schwach relativ kompakt.
Proposition 1.7.5 Sei xn , n ∈ N, eine orthonormale Folge in dem Hilbertraum E.
1. Für alle x ∈ E gilt die Besselsche Ungleichung: ∑n |h x, xn i|2 ≤ k x k2 und Gleichheit
gilt genau dann, wenn x = lim N ∑nN=1 h x, xn i xn .
2. Sei F der Abschluß des Unterraumes [ xn : n ∈ N]. Dann ist die orthogonale Projektion
N
auf F gegeben durch: PrF ( x ) = ∑∞
n=1 h x, xn i xn : = lim N ∑n=1 h x, xn i xn .
1.7 Hilberträume
17
B EWEIS : 1. Sei y N : = ∑nN=1 h x, xn i xn , dann folgt
k x − y N k2 = k x k2 −
N
∑ |h x, xn i|2 .
n =1
2. Da y N nach 1. eine Cauchy-Folge in F ist, konvergiert sie gegen y ∈ F und es
gilt für alle n ∈ N: h x, en i = hy, en i, also: x − y ⊥ F.
√
Beispiel: Die Funktionen en ( x ): = exp(inx )/ 2π, n ∈ Z, bilden eine orthonormale Basis des komplexen Hilbertraumes L2 [−π, π ] (cf. die Folgerung zu Korollar 3.3.7) und somit gilt z.B. für f ( x ) = x: k f k22 = ∑n∈Z |h f , en i|2 , i.e. 2π 3 /3 =
(2π )−1 ∑n∈Z |2i/n|2 oder: ∑n≥1 n−2 = π 2 /6.
Hilbertsumme von Hilberträumen: Seien En Hilberträume mit den inneren Produkten h., .in . Unter der Hilbertsumme von En versteht man den Raum ℓ2 ( En ): =
{( xn ) ∈ ∏ En : ∑ k xn k2n < ∞ mit dem inneren Produkt: h( xn ), (yn )i: = ∑h xn , yn in .
Der mit diesem inneren Produkt versehene Raum ℓ2 ( En ) ist dann wiederum ein
Hilbertraum. Ist E1 , . . . , En eine endliche Folge, so bezeichnen wir den Raum
ℓ2 ( En ) auch mit E1 ⊕2 . . . ⊕2 En , also gilt z.B.: ℓ2n+m = ℓ2n ⊕2 ℓ2m .
Beschränkte lineare Operatoren auf Hilberträumen.
Der Schur-Test auf ℓ2 : Seien K : N × N → C und b : N → R+ . Existieren Konstanten M1 bzw. M2 , so daß für alle n, m ∈ N:
∑ |K(n, m)|b(m) ≤ M1 b(n)
und
m
∑ |K(n, m)|b(n) ≤ M2 b(m) .
n
Dann ist durch A f (n): = ∑m K (n, m) f (m) ein stetiger linearer Operator A : ℓ2 →
ℓ2 definiert und es gilt: k Ak2 ≤ M1 M2 . Denn für f ∈ ℓ2 gilt:
2
2
k A f k ≤ ∑ ∑ | f (m)||K (n, m)|
n
m
2
−1/2
1/2
|
f
(
m
)||
K
(
n,
m
)|
b
(
m
)
b
(
m
)
∑ ∑
2
−1
≤ ∑ ∑ | f (m)| |K (n, m)|b(m)
∑ |K(n, m)|b(m)
=
≤
≤
∑ ∑ | f (m)|2 |K(n, m)|b(m)−1 M1 b(n)
M1 M2 ∑ | f (m)|2 b(m)−1 b(m) = M1 M2 k f k2
.
Der Schur-Test auf L2 (Ω): Analog gilt der Schur-Test auf z.B. L2 (Ω), wobei Ω
eine beliebige meßbare Teilmenge von Rn ist. Seien K : Ω × Ω → C und b : Ω →
R+ meßbar. Existieren Konstanten M1 bzw. M2 , so daß für fast alle x, y ∈ Ω:
Z
|K ( x, y)|b(y) dy ≤ M1 b( x ) und
Z
|K ( x, y)|b( x ) dx ≤ M2 b(y) .
18
1 ELEMENTARE FUNKTIONALANALYSIS
R
Dann ist durch A f ( x ): =
K ( x, y) f (y) dy ein stetiger linearer Operator A :
L2 (Ω) → L2 (Ω) definiert und es gilt: k Ak2 ≤ M1 M2 . Die Stärke des Schur-Test
liegt in der Wahl der Funktion b; sie muß nur strikt positiv und meßbar sein!
Beispiel: Sei K ( x, y) = K (y, x ) ≥ 0; existiert
eine strikt positive meßbare Funktion
R
b : Ω → R+ , so daß für A f ( x ): = K ( x, y) f (y) dy: Ab( x ) ≤ Mb( x ), dann ist A
ein beschränkter linearer Operator von L2 (Ω) in sich und es gilt: k Ak ≤ M.
Beispiel:[Hilbert-Hardy] Sei K : R+ × R+ → R0+ , so daß K (λx, λy) = λ−1 K ( x, y).
R∞
Dann gilt: k Ak ≤ 0 K (1, y)y−1/2 dy. Wähle b( x ) = x −1/2 ; da unter den obigen
R∞
R∞
Voraussetzungen 0 K (1, y)y−1/2 dy = 0 K ( x, 1) x −1/2 dx, folgt: M1 = M2 =
R∞
−1/2 dy.
0 K (1, y ) y
Rx
Beispiel: Der durch A f ( x ): = x −1 0 f (y) dy definierte lineare Operator A : L2 (R+ ) →
L2 (R+ ) ist beschränkt und es gilt: k Ak ≤ 2. In diesem Fall ist K ( x, y) = 1/x falls
y ≤ x und sonst
R ∞0. Die Voraussetzungen des voranstehenden Beispiels sind also
erfüllt und da 0 K (1, y)y−1/2 dy = 2 folgt: k Ak ≤ 2.
Definition 1.7.6 Sei E ein Hilbertraum und A : E → E ein beschränkter linearer Operator, dann heißt der durch h Ax, yi = h x, A∗ yi definierte Operator der zu A adjungierte
Operator. A heißt selbstadjungiert, bzw. unitär bzw. normal, wenn A = A∗ bzw.
A∗ = A−1 bzw. AA∗ = A∗ A. Ein selbstadjungierter linearer Operator heißt positiv,
wenn für alle x ∈ E: h Ax, x i ≥ 0.
Da die Abbildung x 7→ h Ax, yi stetig ist, existiert nach Korollar 1.7.3 genau ein
z ∈ E, so daß h Ax, yi = h x, zi, also A∗ y = z. p
Man bestätigt nun leicht, daß
∗
∗
y 7→ A y linear ist. Ferner gilt: k A k = k Ak = k A∗ Ak, ( AB)∗ = B∗ A∗ und
jede orthogonale Projektion PF ist selbstadjungiert, denn h PF x, yi = h PF x, PF yi.
Eine weiter Konsequenz von Korollar 1.7.3 ist folgende Version des sogenannten
Lax-Milgram Theorems (cf. Übungen): Sei E ein Hilbertraum, δ > 0 und B : E ×
E → E eine stetige Sesquilinearform, i.e. B( x, y) ≤ C k x k kyk, so daß für alle x ∈
E: B( x, x ) ≥ δ k x k2 . Dann gibt es genau einen selbstajungierten Isomorphismus
A, so daß B( x, y) = h x, Ayi. Insbesondere gibt es für alle y ∈ E genau ein z ∈ E,
so daß für alle x ∈ E: B( x, z) = h x, yi, nämlich z = A−1 y. Ferner gilt im reellen
Fall: 12 hy, A−1 yi = sup{h x, yi − 12 B( x, x ) : x ∈ E}.
Lemma 1.7.7 Sei A ein selbstadjungierter, beschränkter linearer Operator, dann gilt: 1.
k Ak = sup{|h Ax, x i| : k x k ≤ 1} = sup{±h Ax, x i : k x k ≤ 1}.
2. Ist F ein Unterraum von E, dann ist A( F )⊥ = A−1 ( F ⊥ ). Falls insbesondere A( F ) ⊆
F, dann gilt: A( F ⊥ ) ⊆ F ⊥ .
1.7 Hilberträume
19
B EWEIS : 1. Da A selbstadjungiert ist, gilt:
4ℜh Ax, yi = h A( x + y), x + yi − h A( x − y), x − yi .
Setzen wir M = sup{|h A( x ), x i| : k x k ≤ 1}, so erhalten wir nach der Parallelogrammgleichung (5):
4|ℜh Ax, yi| ≤ M (k x + yk2 + k x − yk2 ) = 2M (k x k2 + kyk2 ),
also k Ak = sup{ℜh Ax, yi : k x k , kyk ≤ 1} ≤ M. Die zweite Beziehung folgt aus
der Tatsache, daß für selbstadjungierte Operatoren A der Wert h Ax, x i reell ist.
2. y liegt genau dann in A( F )⊥ , wenn für alle x ∈ F:
0 = hy, Ax i = h Ay, x i
i.e.
Ay ∈ F ⊥ .
Falls nun A( F ) ⊆ F, dann folgt: A( F )⊥ ⊇ F ⊥ und damit: A−1 ( F ⊥ ) ⊇ F ⊥ , also:
A( F⊥ ) ⊆ F⊥ .
Definition 1.7.8 Seien X, Y Banachräume. Ein linearer Operator A : X → Y heißt
kompakt, wenn A( BX ) eine kompakte Teilmenge von Y ist.
Beispiel: Ist An : X → Y eine Folge von beschränkten Operatoren mit dim im An <
∞ und limn k An − Ak = 0, dann ist A kompakt.
Beispiel: Ist 1 ≤ p < ∞ und a ∈ c0 . Dann ist der durch en 7→ a(n)en definierte
linearer Operator A : ℓ p → ℓ p kompakt. Für alle k f k p < 1 gilt:
lim sup
sup | a(n)| = 0 .
∑ |a(n) f (n)| p ≤ klim
→∞
k → ∞ k f k <1 n ≥ k
p
n≥k
Nach dem in Anschluß an Satz 1.5.6 formulierten Kompaktheitskriterium für ℓ p ,
ist A kompakt.
Beispiel: Sei A : ℓ2 → ℓ2 ein durch A f (n) = ∑m K (n, m) f (m) definierter stetiger
linearer Operator. Nach der Cauchy-Schwarz Ungleichung sowie dem Kompaktheitskriterium für ℓ2 ist A kompakt, falls
lim
∑ ∑ |K(n, m)|2 = 0 .
k n≥k m
(9)
Beispiel: Sei E ein separabler Hilbertraum, A : E → E ein beschränkter linearer
Operator, e j eine orthonormale Basis von E, En : = [e1 , . . . , en ] und Pn : E → En
die orthogonale Projektion. Nach dem Kompaktheitskriterium für ℓ2 ist A ist A :
E → E genau dann kompakt, wenn limn sup{k(1 − Pn ) Ax k : x ∈ BE } = 0.
1 ELEMENTARE FUNKTIONALANALYSIS
20
Der Spektralsatz für kompakte, normale Operatoren: Zunächst bemerken wir,
daß ein beschränkter linearer Operator A : E → E eines separablen Hilbertraumes E genau dann kompakt ist, wenn A∗ kompakt ist (dies folgt aus einem allgemeineren Resultat cf. Korollar ??) : Sei e j eine orthonormale Basis von E, En : =
[e1 , . . . , en ] und Pn : E → En die orthogonale Projektion. Nach dem oben stehenden Beispiel ist A( BE ) genau dann präkompakt, wenn limn sup{k(1 − Pn ) Ax k2 :
x ∈ BE } = 0. Da A = Pn A + (1 − Pn ) A, folgt: A∗ = A∗ Pn + A∗ (1 − Pn ); nun
ist aber A∗ Pn ( BE ) präkompakt und limn k A∗ (1 − Pn )k = limn k(1 − Pn ) Ak =
0. Nach Lemma 1.5.4 ist daher A∗ ( BE ) präkompakt. Die Umkehrung folgt aus:
A∗∗ = A.
Satz 1.7.9 1. Sei E ein Hilbertraum und A : E → E ein kompakter selbstadjungierter
Operator mit λ = k Ak, dann existiert ein x ∈ E mit k x k = 1 und Ax = λx oder
Ax = −λx.
2. Es existiert eine Nullfolge reeller Zahlen λn mit |λn | ≥ |λn+1 | sowie eine Folge paarweise orthonormaler Vektoren xn , so daß für alle n ∈ N: Axn = λn xn . Ferner gilt für
jeden Vektor x, der orthogonal zu sämtlichen xn ist, notwendig x ∈ ker A.
3. Ist A : E → E ein kompakter, normaler Operator auf dem komplexen Hilbertraum E,
dann existiert eine Nullfolge komplexer Zahlen λn sowie eine Folge paarweise orthonormaler Vektoren xn , so daß für alle n ∈ N: Axn = λn xn . Ferner gilt für jeden Vektor x,
der orthogonal zu sämtlichen xn ist, notwendig x ∈ ker A.
B EWEIS : 1. Sei o.B.d.A. λ1 = sup{h Ax, x i : k x k = 1} = k Ak > 0 und xn eine
Folge in der abgeschlossenen Einheitskugel B von E, so daß h Axn , xn i ≥ λ1 −
1/n. Da A kompakt ist, können wir o.B.d.A. annehmen, daß ein y ∈ E existiert,
so daß k Axn − yk ≤ 1/n – dann ist kyk = λ1 .
b
BE
2
√
y/λ1
Cε
2ε − ε2
ε
Definieren wir für n ∈ N: ε = 2/λ1 n und Cε : = { x ∈ B : ℜh x, y/λ1 i ≥ 1 − ε}, so
ist Cε abgeschlossen und wegen k Axn − yk ≤ 1/n gilt:
b
ℜh xn , yi = ℜh xn , Axn + (y − Axn )i ≥ h Axn , xn i −
1
n
≥ λ1 −
2
n
i.e.
xn ∈ Cε .
1.7 Hilberträume
21
Nach der Parallelogrammgleichung (5) folgt nun für alle x, z ∈ Cε :
k x − z k2 = 2 k x k2 + 2 k z k2 − k x + z k2
≤ 4 − (ℜh x + z, y/λ1 i)2 ≤ 4 − 4(1 − ε)2 .
T
Nach Lemma 1.3.5 folgt: n Cε = y/λ1 und damit konvergiert xn gegen y/λ1 .
2. Sei x1 = y/λ1 und F1 = [ x1 ]. Nach Lemma 1.7.7 und 1. ist A : F1⊥ → F1⊥
selbstadjungiert und kompakt, also existiert nach 1. ein λ2 ∈ R mit |λ2 | ≤ |λ1 |
sowie ein zu x1 orthonormaler Vektor x2 , so daß Ax2 = λ2 x2 . Nun setzen wir
F2 = [ x1 , x2 ] und fahren mit unserer Konstruktion fort. Falls ein n ∈ N existiert,
so daß λn = 0, dann ist nichts mehr zu zeigen. Angenommen es existiert ein
ε > 0, eine Folge |λn | > ε und eine Folge paarweise orthonormaler Vektoren xn ,
so daß Axn = λn√
xn , dann kann aber A nicht kompakt sein, da ja für n 6= m:
k Axn − Axm k ≥ ε 2.
3. Ist A kompakt, so ist auch A∗ kompakt und somit sind v: = ( A + A∗ )/2 und
w: = ( A − A∗ )/2i kompakt, selbstadjungiert und es gilt: A = v + iw und vw =
wv. Sei E(λ) = ker(v − λ), so folgt: w( E(λ)) ⊆ E(λ) und somit besitzt jeder
Eigenraum von v eine orthonormale Basis, die aus Eigenvektoren von w besteht.
Bezeichnen wir für x, y ∈ E mit x ⊗ y den Operator z 7→ hz, x iy, so folgt aus dem
Beweis des Spektralsatzes für kompakte, normale Operatoren A : E → E mit
Fn : = [ x1 , . . . , xn ]:
n
A| Fn =
∑ λj xj ⊗ xj
und
j =1
n
A − ∑ λ j x j ⊗ x j = | λ n +1 | .
j =1
D.h.: für alle x ∈ E gilt: Ax = ∑λ λ PrE(λ) ( x ), wobei die Summe über sämtliche
Eigenwerte von A zu erstrecken ist. Ist schließlich λ 6= 0 ein Eigenwert von A, so
kann der Eigenraum E(λ) = ker( A − λ) nur endlich-dimensional sein.
Korollar 1.7.10 (Minimax Prinzip) Sei A : E → E kompakt und positiv und λ1 ≥
λ2 ≥ · · · die fallende Folge der Eigenwerte von A mit den paarweise orthonormalen
Eigenvektoren x1 , x2 , . . .. Für jeden endlich-dimensionalen Unterraum F von E seien:
M ( F ) : = sup{h Ax, x i : x ∈ F ⊥ , k x k = 1}
m( F ) : = inf{h Ax, x i : x ∈ F, k x k = 1} .
bzw.
Dann gilt für jeden n-dimensionalen Unterraum F:
λn+1 = M ([ x1 , . . . , xn ]) ≤ M ( F ),
und
λn = m([ x1 , . . . , xn ]) ≥ m( F ),
und damit:
λn = inf{ M ( F ) : dim F = n − 1} = sup{m( F ) : dim F = n} .
1 ELEMENTARE FUNKTIONALANALYSIS
22
B EWEIS : Nach dem Beweis des Spektralsatzes für kompakte, selbstadjungierte
Operatoren gilt:
λn = sup{h Ax, x i : x ∈ [ x1 , . . . , xn−1 ]⊥ } = inf{h Ax, x i : x ∈ [ x1 , . . . , xn ]},
also: λn = M ([ x1 , . . . , xn−1 ]) = m([ x1 , . . . , xn ]). Sei dim F = n − 1 und x ∈
[ x1 , . . . , xn ] ∩ F ⊥ 6= {0} ein normierter Vektor, dann folgt:
n
h Ax, x i =
∑ λ j |h x, x j i|2 ≥ λn
j =1
n
∑ |h x, x j i|2 = λn
M ( F ) ≥ λn
i.e.
j =1
Sei dim F = n und x ∈ F ∩ [ x1 , . . . , xn−1 ]⊥ 6= {0} normiert, dann folgt:
∞
h Ax, x i =
∞
∑
j=n
λ j |h x, x j i|2 ≤ λn
∑ |h x, x j i|2 = λn
m( F ) ≤ λn .
i.e.
j=n
Seien z.B. A, B kompakte, positive Operatoren auf dem Hilbertraum E und λn
bzw. νn die fallende Folge der Eigenwerte von A bzw. B. Falls für alle x ∈ E:
h Ax, x i ≤ h Bx, x i, dann gilt: λn ≤ νn .
Hilbert-Schmidt Operatoren: Sei xn eine orthonormale Basis des Hilbertraumes
E und A : E → E ein sogenannter Hilbert-Schmidt Operator, d.h. A ist linear
und
k Ak2HS : = ∑ k Axn k2 = ∑ |h Axn , xm i|2 < ∞ .
n
n,m
Dann ist k Ak HS unabhängig von der orthonormalen Basis, k A∗ k HS = k Ak HS
und A ist kompakt, denn
2
n
A − ∑ A∗ ( x j ) ⊗ x j ≤
j =1
2
∑ A∗ ( x j )
j>n
.
Beispiel: Sei K : N × N → C und A der durch A f (n): = ∑ K (n, m) f (m) definierte linearer Operator. Falls A : ℓ2 → ℓ2 beschränkt ist, dann gilt: A∗ f (n): =
∑ K (m, n) f (m). Falls C2 : = ∑m ∑n |K (n, m)|2 < ∞, dann ist A ein Hilbert-Schmidt
Operator mit k Ak HS = C.
Beispiel:
Sei K : Ω × Ω → C meßbar und A : L2 (Ω) → L2 (Ω) der durch A f ( x ): =
R
(y) dy definierte linearer Operator. Falls A beschränkt ist, dann gilt:
Ω K ( x, y ) f R
RR
∗
A f ( x ): = K (y, x ) f (y) dy. Falls C2 : =
|K ( x, y)|2 dx dy < ∞, dann ist A ein
Hilbert-Schmidt Operator mit k Ak HS = C.
1.8 Die Sätze von Stone-Weierstraß und Arzelà-Ascoli
23
1.8 Die Sätze von Stone-Weierstraß und Arzelà-Ascoli
Der Satz von Stone-Weierstraß: Im folgenden bezeichne X stets einen kompakten metrischen Raum und C ( X ) den Banachraum der stetigen reellwertigen Funktionen auf X mit der Norm k f k : = sup{| f ( x )| : x ∈ X }. C ( X ) ist nicht nur ein
Vektorraum, sondern auch eine Algebra, d.h. für alle f , g ∈ C ( X ) ist f g ∈ C ( X ).
Der Satz von Stone-Weierstraß gibt hinreichende Bedingungen für die Dichtheit
einer Unteralgebra A von C ( X ) in C ( X ) an. Cf. e.g. 1 .
Lemma 1.8.1 Sei A eine Unteralgebra von C ( X ).
1. Ist I ein offenes Intervall, u : I → R eine durch eine kompakt konvergente Potenzreihe
definierte Funktion und f ∈ A mit f ( Xp
) ⊆ I, dann gilt: u( f ) ∈ A.
2. Für alle nicht negativen f ∈ A gilt: f ∈ A.
3. Für alle f , g ∈ A gilt: | f | ∈ A und f ∧ g: = min f , g, f ∨ g: = max f , g ∈ A.
B EWEIS : 1. Sei f ∈ A. Da f ( X ) kompakt ist, konvergiert die u definierende Potenzreihe auf f ( X ) gleichmäßig gegen u. Ist f ∈ A, so existiert eine Folge f n ∈ A
S
mit f n → f , damit ist aber n f n ( X ) kompakt, also konvergiert u( f n ) gleichmäßig
gegen u( f ).
2. Die durch u0 (t): = 0 und un+1 (t) = un (t) + 12 (t − un (t)2 ) definierte Folge von
Polynomen konvergiert
auf dem kompakten Intervall [0, 1] monoton
gegen die
√
√
Funktion t 7→ t: da √
un ≤ un+1 genau dann, wenn un √
(t) ≤ t, reicht es zu zeigen, daß aus un (t) ≤ t folgt: un (t) + 21 (t − un (t)2 ) ≤ t i.e. un (t) − un (t)2 /2 ≤
√
t − t/2 dies folgt aber aus der Tatsache, daß x 7→ x − x2 /2 auf [0, 1] monoton
steigend ist. Nach dem √
Satz von Dini (cf. Analysis I,II) konvergiert un auf [0, 1]
gleichmäßig
p gegen t 7→ t.
3. | f | = f 2 , f ∧ g = ( f + g − | f − g|)/2 und f ∨ g = ( f + g + | f − g|)/2.
Definition 1.8.2 Sei X ein metrischer Raum und A eine Menge von (reellwertigen)
Funktionen auf X. A trennt die Punkte von X, wenn zu allen Paaren x 6= y ∈ X eine
Funktion f ∈ A existiert, so daß f ( x ) 6= f (y).
Satz 1.8.3 (Stone,Weierstraß) Sei A eine Unteralgebra von C ( X ). Falls A die Punkte
von X trennt und falls 1 ∈ A, dann ist A dicht in C ( X ).
B EWEIS : Seien f ∈ C ( X ), a, b ∈ X und h ∈ A mit h( a) 6= h(b), dann gilt für
f a,b ( x ): =
f (b) − f ( a)
(h( x ) − h( a)) + f ( a)
h(b) − h( a)
und f a,a ( x ): = h( x ) − h( a) + f ( a): f a,b ∈ A, f a,b ( a) = f ( a) und f a,b (b) = f (b).
Sei ε > 0, dann sind die Mengen Ua,b : = [ f a,b < f + ε] bzw. Va,b : = [ f a,b >
1 http://en.wikipedia.org/wiki/Stone-Weierstrass
theorem
1 ELEMENTARE FUNKTIONALANALYSIS
24
f − ε] offene Umgebungen von { a, b}. Fixieren wir b, dann existiert eine endliche Teilüberdeckung Ua j ,b von X. Nach Lemma 1.8.1 ist f b : = min j f a j ,b ∈ A und
es gilt:
fb < f + ε
und
∀ x ∈ Vb : =
\
j
Va j ,b : f b ( x ) > f ( x ) − ε .
Da {Vb : b ∈ X } eine offene Überdeckung von X ist, existiert eine endliche
Teilüberdeckung Vbk . Setzen wir f ε : = maxk f bk , so ist nach Lemma 1.8.1: f ε ∈ A
und | f − f ε | < ε.
B EMERKUNG: Sind X und Y kompakte Räume und Φ : X → Y ein Homöomorphismus, so ist J : C (Y ) → C ( X ), g 7→ g ◦ Φ ein isometrischer Isomorphismus. Falls
also G ein dichter Unterraum von C (Y ) ist dann { g ◦ Φ : g ∈ G } ein dichter
Unterraum von C ( X ).
Korollar 1.8.4 Für jeden kompakten metrischen Raum X ist C ( X ) separabel.
B EWEIS : Sei r ∈ Q+ , xn dicht in X und f n,r ( x ): = (1 − d( x, xn )/r )+ . Dann ist
die von diesen Funktionen erzeugte Q-Algebra A mit rationalen Koeffizienten
abzählbar und A ist eine separable und punktetrennende Unteralgebra.
Der Satz von Stone-Weierstraß gilt auch für komplexwertige Funktionen, wenn
man an die Unteralgebra A die zusätzlich Forderung stellt: f ∈ A ⇒ f¯ ∈
A. Ist z.B. X eine kompakte Teilmenge von Cn , dann spannen die Funktionen
β
β
(z1 , . . . , zn ) 7→ z1α1 · · · zαnn z̄1 1 · · · z̄n n , einen dichten Unterraum von C ( X, C) auf –
für α = (α1 , . . . , αn ) ∈ N0n , bzw. z = (z1 , . . . , zn ) ∈ Cn schreibt man für z1α1 · · · zαnn
meist nur zα : die oben definierten Funktionen sind dann einfach z 7→ zα z̄ β . Falls
X = Tn : = {z ∈ Cn : |z1 | = · · · = |zn | = 1}, dann spannen die Funktionen
zα , α ∈ Zn , einen dichten Unterraum von C (Tn , C) auf, denn in diesem Fall ist
z̄α = z−α . Somit spannen aber auch die Funktionen ℜ(zα ) und ℑ(zα ) einen dichten Unterraum von C (Tn , R) auf!
Korollar 1.8.5 Sei A eine punktetrennende Unteralgebra von C0 (Rn ), so daß zu jedem
x ∈ Rn ein f ∈ A existiert mit f ( x ) 6= 0. Dann ist A dicht in C0 (Rn ).
B EWEIS : Sei Rn die Einpunktkompaktifizierung von Rn , dann ist Ae: = {t + f :
t ∈ R, f ∈ A} eine punktetrennende Unteralgebra von C (Rn ) mit 1 ∈ Ae; also ist
Ae dicht in C (Rn ) und damit ist A dicht in C0 (Rn ).
1.8 Die Sätze von Stone-Weierstraß und Arzelà-Ascoli
25
B EMERKUNG: Ist X ∗ ein kompakter metrischer Raum, x0 ∈ X ∗ X: = X ∗ \ { x0 }
und C0 ( X ): = { f ∈ C ( X ∗ ) : f ( x0 ) = 0}, so zeigt derselbe Beweis, daß eine
punktetrennende Unteralgebra A von C0 ( X ) dicht ist, wenn zu jedem x ∈ X ein
f ∈ A existiert mit f ( x ) 6= 0. Ist z.B. X = Ω eine offene Teilmenge von Rn , so liegt
eine stetige Funktion f : Ω → R genau dann in C0 (Ω), wenn limx→∂Ω f ( x ) = 0.
Beispiel: Sei Ω eine offene Teilmenge von Rn , dann sind die Räume Cc (Ω) bzw.
Cc∞ (Ω) der stetigen Funktionen mit kompaktem Träger – d.h. für alle f ∈ Cc (Ω)
ist [ f 6= 0] eine kompakte Teilmenge von Ω bzw. der glatten, i.e. beliebig oft differenzierbaren, Funktionen mit kompaktem Träger dichte Teilmengen von C0 (Ω).
Der Satz von Arzelà-Ascoli gibt eine Charakterisierung kompakter Teilmengen
des Raumes C ( X ) für kompakte Räume X an. Cf. e.g. 2 .
Lemma 1.8.6 Sei M eine präkompakte Teilmenge von C ( X ). Dann ist M gleichgradig
stetig, d.h. für alle x ∈ X gilt: limy→ x sup{| f (y) − f ( x )| : f ∈ M } = 0.
B EWEIS : Zu x ∈ X ist die Abbildung ( f , y) 7→ | f (y) − f ( x )| von M × X in R
stetig. Da M kompakt ist, ist auch y 7→ sup{| f (y) − f ( x )| : f ∈ M } stetig (cf.
Bemerkung zu Satz 1.5.6).
Proposition 1.8.7 Sei M eine beschränkte, gleichgradig stetige Teilmenge von C ( X ).
Ferner sei D eine dichte Teilmenge von X und f n eine Folge in M, so daß für alle x ∈ D
die Folge f n ( x ) konvergiert. Dann konvergiert f n in C ( X ).
B EWEIS : Seien zu ε > 0 und x ∈ X ein r x > 0 so bestimmt, daß für alle f ∈
M und alle y ∈ B( x, r x ): | f (y) − f ( x )| < ε. Dann ist { B( x, r x ) : x ∈ X } eine
offene Überdeckung von X und besitzt somit eine endliche Teilüberdeckung Uj =
B( x j , r j ), j ≤ N. Sei z j ∈ D ∩ Uj und | f n (z j ) − f m (z j )| < ε für alle n, m ≥ n0 und
alle j ≤ N, dann folgt für alle j und alle y ∈ Uj :
| f n (y) − f m (y)| ≤ | f n (y) − f n (z j )| + | f n (z j ) − f m (z j )| + | f m (z j ) − f m (y)|
Nun ist aber für alle f ∈ M und alle z, y ∈ Uj :
| f n (y) − f n (z)| ≤ | f n (y) − f n ( x j )| + | f n ( x j ) − f n (z)| < 2ε ;
damit folgt für alle y ∈ X und alle n, m ≥ n0 : | f n (y) − f m (y)| < 5ε. Da C ( X )
vollständig ist, konvergiert f n in C ( X ).
Satz 1.8.8 (Arzelà-Ascoli) Sei M eine beschränkte Teilmenge von C ( X ). M ist genau
dann präkompakt, wenn M gleichgradig stetig ist.
2 http://en.wikipedia.org/wiki/Ascoli’s
theorem
1 ELEMENTARE FUNKTIONALANALYSIS
26
B EWEIS : Ist M präkompakt, so ist M nach Lemma 1.8.6 gleichgradig stetig. Sei
umgekehrt D eine dichte, abzählbare Teilmenge von X. Da M beschränkt ist, besitzt jede Folge f n in M nach der Diagonalfolgenkonstruktion eine Teilfolge f k(n) ,
so daß für alle x ∈ D die Folge f k(n) ( x ) in R konvergiert; nach Proposition 1.8.7
konvergiert diese Teilfolge in C ( X ).
Beispiel: Sei L > 0 und M: = { f ∈ C ( X ) : Lip( f ) ≤ L}. Dann ist M kompakt.
Beispiel: Sei Ω eine beschränkte, konvexe und offene Teilmenge von Rn und
Cb1 (Ω) der Raum der stetig differenzierbaren Funktionen f : Ω → R mit der
Norm
k f k1 : = sup{| f ( x )| : x ∈ Ω} + sup{kd f ( x )k : x ∈ Ω}
Jede Funktion f ∈ Cb1 (Ω) ist dann nach dem Mittelwertsatz Lipschitz-stetig mit
der Konstante k f k1 und somit gibt es nach Proposition 1.3.7 genau eine stetige
Fortsetzung fe auf Ω – fe besitzt dann dieselbe Lipschitz-Konstante wie f . Nach
dem voranstehenden Beispiel ist also die kanonische Einbettung f 7→ fe von
Cb1 (Ω) in C (Ω) kompakt.
Beispiel: Sei X eine kompakte Teilmenge
von Rn und K ∈ C ( X × X ). Dann ist der
R
Operator A : C ( X ) → C ( X ), f 7→ K ( x, y) f (y) dy kompakt, denn
sup | A f ( x ) − A f ( x0 )| ≤ sup |K ( x, y) − K ( x0 , y)|λn ( X )
k f k≤1
y
und x 7→ supy |K ( x, y) − K ( x0 , y)| ist nach der Bemerkung zu Satz 1.5.6 stetig
27
2 Maßtheorie
2.0 Prolog
Wir geben hier eine vorläufige Definition des Lebesgue-Maßes λn auf Rn – auch
n-dimensionales Volumen genannt, die sich an zwei Eigenschaften orientiert: der
Monotonie (aus A ⊆ B soll folgen: λn ( A) ≤ λn ( B)) sowie der Additivität (aus
A ∩ B = ∅ soll folgen: λn ( A ∪ B) = λn ( A) + λn ( B)).
n : = (− N, N ]n . Unter einem Quader Q in Rn verstehen wir stets
Zu N ∈ N sei: IN
eine Menge der Form ( a1 , b1 ] × · · · × ( an , bn ], wobei für alle 1 ≤ j ≤ n: a j ≤ b j .
1. Jedem Quader Q = ( a1 , b1 ] × · · · × ( an , bn ] in Rn ordnen wir sein n-dimensionales Lebesguemaß zu:
λn ( Q): = (b1 − a1 ) · · · (bn − an ),
also insbesondere:
n
λn ( IN
) = (2N )n . (10)
2. Sei Q1 , Q2 , . . . eine Folge von paarweise disjunkten Quadern in Rn , dann defiS
nieren wir das Lebesguemaß der Menge A: = Qk durch:
∞
λ n ( A ): =
∑ λn ( Qk ) .
k =1
Bezeichnen wir mit P n die Menge aller Teilmengen A von Rn , für die eine Folge
S
Qk paarweise disjunkter Quader in Rn existiert, so daß A: = Qk , dann ist (zu
zeigen, daß) das Lebesguemaß λn ( A) für alle A ∈ P n wohldefiniert (ist).
3. Für jede Teilmenge B von Rn definieren wir:
λn ( B): = inf{λ( A) : A ∈ P n und B ⊆ A} .
Dadurch ist zwar λn ( B) für jede Teilmenge B von Rn definiert und es gilt für
A ⊆ B: λn ( A) ≤ λn ( B), d.h. λn ist monoton, aber λn ist nicht additiv – es existiert
z.B. eine Teilmenge B von Rn , so daß λn ( B ∩ I1n ) + λn ( Bc ∩ I1n ) = 2λn ( I1n ). Wir
nennen daher eine Teilmenge B von Rn Lebesgue meßbar, wenn für alle N ∈ N:
n ) + λn ( Bc ∩ I n ) = λn ( I n ). Ist B meßbar, so nennt man λn ( B ) ∈ [0, ∞ ]
λn ( B ∩ IN
N
N
das n-dimensionale Lebesguemaß von B. Das Lebesguemaß auf Cn ist einfach
das Lebesguemaß auf R2n .
Eigenschaften des Lebesguemaßes: Die voranstehenden Definitionen eignen sich
aber i.a. überhaupt nicht für konkrete Berechnungen. Daher nehmen wir die wichtigsten Eigenschaften des Lebesguemaßes vorweg:
1. Jeder Quader ist Lebesgue meßbar; ∅ und Rn sind Lebesgue meßbar und es
gilt: λn (∅) = 0 und λn (Rn ) = ∞.
2. Sind A, B Lebesgue meßbare Teilmengen von Rn , so sind auch B \ A und
A ∩ B Lebesgue meßbar und es gilt: λn ( B \ A) + λn ( A ∩ B) = λn ( B). Insbesondere ist Ac Lebesgue meßbar.
28
2 MASSTHEORIE
3. Ist Ak , k ∈ N, eine Folge paarweise disjunkter Lebesgue meßbarer TeilS
mengen von Rn , so ist A: = Ak Lebesgue meßbar und es gilt λn ( A) =
∑ k λ n ( A k ).
4. Ist λn ( B) = 0 i.e. B ist eine Lebesguesche Nullmenge und A ⊆ B, so ist A
Lebesgue meßbar und es gilt: λn ( A) = 0.
5. Ist A eine Lebesgue meßbare Teilmenge von Rn und B eine Lebesgue meßbare Teilmenge von Rm , so ist A × B eine Lebesgue meßbare Teilmenge von
Rn+m und λn+m ( A × B) = λn ( A)λm ( B) (mit der Konvention 0.∞: = 0).
6. Für alle a, b ∈ R mit a < b sind ( a, b), ( a, b], [ a, b) und [ a, b] Lebesgue meßbar
und es gilt: λ(( a, b)) = λ(( a, b]) = λ([ a, b)) = λ([ a, b]) = b − a.
7. Ist A ⊆ Rn meßbar, x ∈ Rn und t ∈ R, dann sind x + A und tA meßbar und
es gilt: λn ( x + A) = λn ( A) und λn (tA) = |t|n λn ( A).
Sind z.B. A, B, C Lebesgue meßbare Teilmengen von Rn mit A ⊆ B ⊆ C, so folgt
aus 2.: λn ( A) ≤ λn ( B) ≤ λn (C ).
Da Q(⊆ R) abzählbar ist und jede Menge, die aus nur einem Punkt besteht eine
Nullmenge ist, folgt nach 3., daß Q eine Nullmenge ist, also λ(Q) = 0 und damit
nach 5.: λn (Q × Rn−1 ) = 0.
Jede offene Teilmenge U von Rn ist nach Proposition 1.5.2.2 die abzählbare Vereinigung offener Quader, also ist jede offene und damit auch jede abgeschlossene
Menge Lebesgue meßbar.
Beispiel: Für jeden Quader Q in Rn gilt: λn ( Q◦ ) = λn ( Q) = λn ( Q).
Ist Q = ( a1 , b1 ] × · · · × ( an , bn ], so folgt: Q◦ = ( a1 , b1 ) × · · · × ( an , bn ), Q =
[ a1 , b1 ] × · · · × [ an , bn ] und nach 5. und 6.: λn ( Q◦ ) = λn ( Q) = λn ( Q).
Beispiel: Seien z0 , z1 ∈ C, dann gilt: λ2 ((z0 , z1 ]) = 0, wobei (z0 , z1 ]: = {(1 − t)z0 +
tz1 : t ∈ (0, 1]}.
Seien z0 = x0 + iy0 und z1 = x1 + iy1 und o.B.d.A. x0 < x1 und y0 < y1 . Sei
für N in N und j = 0, . . . , N: z j/N : = (1 − ( j/N ))z0 + ( j/N )z1 . Für das Rechteck
R j mit dem linken unteren Eckpunkt z j/N und dem rechten oberen Eckpunkt
S
z( j+1)/N gilt: λ2 ( R j ) = ( x1 − x0 )(y1 − y0 )/N 2 ; da R j ⊇ (z0 , z1 ] folgt mit N ↑ ∞:
λ2 ((z0 , z1 ]) = 0.
Beispiel: Seien a < b, h ≥ 0 und D ⊆ C das offene Dreieck mit den Eckpunkten
a, b und b + ih. Dann gilt: λ2 ( D ) = (b − a) h = λ2 ( D ).
e das offene Dreieck mit den Eckpunkten a, b + ih und ih. Wir können nun
Sei D
e k von paarweie disjunkten Quadern auffüllen,
e mit Folgen Qk bzw Q
D und D
e k ). Da λ2 (( a, b + ih)) = 0, folgt: λ2 ( D ) = λ2 ( D
e ) und
so daß λ2 ( Qk ) = λ2 ( Q
e ) = (b − a) h, also: λ2 ( D ) = λ2 ( D
e ) = (b − a) h.
λ2 ( D ) + λ2 ( D
2.0 Prolog
29
e3
Q
e1
Q
e2
Q
Q3
Q1
Q2
Beispiel: Seien z1 , z2 ∈ C und D das Dreieck mit den Eckpunkten 0, z1 und z2
Dann gilt: λ2 ( D ) = 21 |ℑ(z1 z̄2 )| = 21 |ℑ(z̄1 z2 )|. Cf. Übungen.
Folgende Reformulierungen sind u.a. für konkrete Berechnungen von Vorteil: Sei
Ak , k ∈ N, eine Folge Lebesgue meßbarer Teilmengen von Rn .
8.
S
Ak und
T
Ak sind Lebesgue meßbar und es gilt λn (
9. Falls A1 ⊆ A2 ⊆ · · ·, dann gilt: λn (
S
S
A k ) ≤ ∑ k λ n ( A k ).
Ak ) = limk λn ( Ak ).
10. Falls A1 ⊇ A2 ⊇ · · · und λn ( A1 ) < ∞, dann gilt: λn (
T
Ak ) = limk λn ( Ak ).
Beispiel: Die Fläche des Cantor Dreiecks. Wir zerlegen ein gleichseitiges Dreieck
D0 in vier kongruente gleichseitige Dreiecke. Entfernen wir das mittlere Dreieck, so erhalten wir eine Menge D1 . Die verbleibenden drei Dreicke zerlegen wir
wiederum in je vier kongruente gleichseitige Dreicke und erhalten D2 indem wir
T
neuerlich aus jedem das mittlere entfernen; u.s.w. Die Menge D: = Dk heißt das
Cantordreieck. Es gilt: λ2 ( D ) = 0.
Eine Funktion f auf Rn mit Werten in [0, ∞] heißt Lebesgue meßbar, wenn für alle
t ∈ R die Menge [ f > t] eine Lebesgue meßbare Teilmenge von Rn ist. Dann ist
T
erstens auch [ f ≥ t] = q∈Q+ [ f > t − q] Lebesgue meßbar und zweitens ist auch
der sogenannte Subgraph {( x, t) ∈ Rn × [0, ∞) : 0 ≤ t < f ( x )} eine Lebesgue
meßbare Teilmenge von Rn+1 (dies ist weniger offensichtlich) und das (Lebesgue)
Integral ist definiert durch
Z
Rn
f ( x ) dx: =
Z
Rn
f dλn : = λn+1 ({( x, t) ∈ Rn × [0, ∞) : 0 ≤ t < f ( x )}) .
Sei f : Rn → [−∞, ∞] eine beliebige Funktion; setzen wir f + ( x ): = f ( x ) ∨ 0 und
f − ( x ): = −( f ( x ) ∧ 0), so gilt f = f + − f − und | f | = f + + f − . f heißt (Lebesgue) meßbar, wenn f + und f − (Lebesgue) meßbar sind – dies läuft auf dasselbe
hinaus wie die Forderung, daß für alle t ∈ R die Menge [ f > t] meßbar ist. Z.B.
sind stetige Funktionen f : Rn → R stets meßbar, denn [ f > t] ist offen und
damit meßbar. Weiters ist die Summe zweier meßbarer Funktionen meßbar, denn
S
[ f + g > t] = q∈Q [ f > t − q, g > q]; analog ist das Produkt zweier meßbarer
Funktionen meßbar.
2 MASSTHEORIE
30
Eine unmittelbare Konsequenz der Definition des Integrals ist der Satz von der
monotonen Konvergenz: Ist f k eine Folge meßbarer Funktionen,
soR daß 0 ≤ f k ≤
R
f k+1 , dann ist f ( x ): = limk f k ( x ) meßbar
es gilt: f dλR= limk f k dλ.
R und
+
f heißt (Lebesgue) integrierbar, wenn f dλn < ∞ und f − dλn < ∞. In diesem Fall definieren wir:
Z
Rn
f ( x ) dx =
Z
n
f dλ : =
Z
+
n
f dλ −
Z
f − dλn
Eine Funktion f : Rn → C heißt (Lebesgue) meßbar, wenn
ℜ f und ℑ f (Lebesgue)
R
meßbar sind; sie heißt (Lebesgue) integrierbar,
wenn
|
f
|
dλn < ∞.
R
R
Ist A ⊆ Rn Lebesgue meßbar, so heißt A f dλ: R= f I A dλ das Integral von f über
A. Falls A eine Nullmenge ist, dann gilt stets: A f dλ = 0.
Stetige Funktionen f : Rn → C sind stets meßbar und über jede kompakte Menge
K integrierbar.
Das wichtigste Hilfsmittel zur Berechnung (eindimensionaler) Integrale ist der
sogenannte Hauptsatz: Sei I ein Intervall,
a ≤ b ∈ I, f : I → C stetig und F eine
R
Stammfunktion von f , dann gilt: ( a,b] f dλ = F (b) − F ( a).
Beispiel: Sei f : R0+ → R0+ monoton fallend, dann ist f ist meßbar und
∞
∑
n =1
f (n) ≤
Z
∞
R+
f dλ ≤
∑
f (n)
n =0
Da f monoton fallend ist, ist [ f > t] stets ein Intervall; ferner folgt mit
∞
M: =
∞
∑
k =1
0 ≤ m ≤ f ≤ M, also:
R
f (k − 1) I(k−1,k]
m dλ ≤
R
und
f dλ ≤
m: =
∑
k =1
R
f (k ) I(k−1,k]
M dλ.
2.1 Mengensysteme und Maße
Definition 2.1.1 Sei Ω eine Menge. S ⊆ P (Ω) heißt eine Semialgebra, wenn 1. Ω ∈
S , 2. A, B ∈ S ⇒ A ∩ B ∈ S und 3. A ∈ S ⇒ Ac ist disjunkte Vereinigung endlich
vieler Mengen aus S .
A ⊆ P (Ω) heißt eine Algebra, wenn Ω ∈ A und A, B ∈ A ⇒ Ac , A ∩ B, A ∪ B ∈ A.
F ⊆ P (Ω) heißt
eine σ-Algebra, wenn F eine Algebra ist und wenn für jede Folge
S
An ∈ F gilt:, An ∈ F .
1. Ist S eine Semialgebra, so ist das Mengensystem aller disjunkten endlichen Vereinigungen von Mengen aus S eine Algebra – dies ist die kleinste Algebra, die S
umfaßt.
2. Ist Ω eine beliebige Menge, so ist A: = { A ⊆ Ω : A oder Ac endlich} eine
Algebra und A: = { A ⊆ Ω : A oder Ac abzählbar} eine σ-Algebra.
2.1 Mengensysteme und Maße
31
3. Das Mengensystem der Quader
{( a1 , b1 ] × · · · × ( an , bn ] : ∀ 1 ≤ j ≤ n : −∞ ≤ a j ≤ b j ≤ ∞} ∩ Rn
(11)
bildet eine Semialgebra auf Rn .
4. Sei Ω = (0, 1], n ∈ N, k = 1, . . . , 2n und An,k = ((k − 1)2−n , k2−n ]. Die von
πn : = { An,k : 1 ≤ k ≤ 2n } erzeugte Algebra heißt die dyadische σ-Algebra auf
(0, 1] der Stufe n.
Sei C ⊆ P (Ω), dann bezeichnen wir mit A(C) bzw. σ (C) die kleinste Algebra bzw.
σ-Algebra, die C umfaßt – die von C erzeugte Algebra bzw. σ-Algebra. Ist insbesondere (Ω, d) ein metrischer Raum und T die metrische Topologie, so nennt
man B(Ω): = σ (T ) die σ-Algebra der Borelmengen auf Ω und jede Menge A ∈ B
heißt eine Borelmenge.
Proposition 2.1.2 Sei S die durch die (11) definierte Semialgebra und B die Borelsche
σ-Algebra auf Rn . Dann gilt: σ (S) = B .
Definition 2.1.3 Unter einer additiven Mengenfunktion µ auf einer Semialgebra S
versteht man eine Abbildung µ : S → [0, ∞] mit folgenden Eigenschaften: µ(∅) = 0
und für jedes Paar disjunkter Mengen A, B in S mit A ∪ B ∈ S gilt: µ( A ∪ B) =
µ( A) + µ( B). Eine additive Mengenfunktion µ heißt σ-additiv, wenn für jede Folge
S
paarweise disjunkter Mengen An ∈ S mit An ∈ S gilt:
[ µ
An = ∑ µ( An ) .
µ heißt in diesem Fall ein Maß auf S . Ein Maß µ heißt endlich, wenn µ(Ω) < ∞. Falls
µ(Ω) = 1, dann nennt man µ ein Wahrscheinlichkeitsmaß .
Das n-dimensionale Lebesguemaß ist ein Maß auf der Semialgebra der Quader
(cf. Proposition ?? bzw. Satz 2.4.3).
Sei Ω eine beliebige Menge, A ⊆ Ω und | A| die Anzahl der Elemente von A,
dann ist |.| ein Maß auf (Ω, P (Ω)). |.| heißt das Zählmaß auf Ω.
Ist Ω ein metrischer Raum und µ ein Maß auf den Borelmengen von Ω, so nennt
man µ ein Borelmaß. Eines dieser Maß ist z.B. das in einem Punkt y ∈ Ω konzentrierte Punkt- oder Diracmaß δy ( A) = 1 falls y ∈ A und δy ( A) = 0 falls y ∈
/ A.
Ist yn eine Folge in Ω und λn > 0, so nennt man das Maß ∑ λn δyn ein diskretes
Maß
Wir benutzen im folgenden ein einfaches Resultat aus der Analysis: ist an ein
Folge in [0, ∞] und π : N → N eine Bijektion, so gilt: ∑ an = ∑ aπ (n) , also insbesondere: ∑n ∑m an,m = ∑m ∑n an,m .
Proposition 2.1.4 Sei µ ein Maß auf der Semialgebra S . Dann existiert genau ein Maß
µ′ auf der von S erzeugten Algebra A, das auf S mit µ übereinstimmt.
2 MASSTHEORIE
32
B EWEIS : Ist A ∈ A: = A(S), dann existiert eine endliche Folge paarweise disS
junkter Mengen Bn ∈ S , so daß Bn = A. Definieren wir dann
µ ′ ( A ): =
∑ µ ( B j ),
so ist dadurch eine wohldefinierte additive Mengenfunktion auf A festgelegt, die
auf S mit µ übereinstimmt; denn falls Cm eine weitere endliche Folge paarweise
S
disjunkter Mengen in S ist mit Cm = A, so gilt aufgrund der Additivität von µ:
∑ µ( Bn ) = ∑ µ( Bn ∩ Cm ) = ∑ µ(Cm ) .
m
n,m
n
S
Sei nun An eine Folge paarweise disjunkter Mengen in A und A = An ∈ A,
dann existieren für alle n ∈ N paarweise disjunkte Mengen Cn,1 , . . . , Cn,M(n) ∈ S
sowie paarweise disjunkte Mengen B1 , . . . , BN ∈ S , so daß
A=
[
Bk , An =
[
Cn,m
und
µ′ ( An ) =
k
∑ µ(Cn,m ) .
m
m
S
Wir können daher o.B.d.A. annehmen, daß An ∈ S . Da Bk = n Bk ∩ An und
Bk ∩ An ∈ S , folgt: µ( Bk ) = ∑n µ( Bk ∩ An ). Summation über k ergibt:
µ′ ( A) =
∑ µ( Bk ) = ∑ ∑ µ( Bk ∩ An ) = ∑ µ( An ) .
k
k
n
n
Proposition 2.1.5 Sei µ ein Maß auf der Algebra A. Dann gilt:
1. A, B ∈ A und A ⊆ B, dann folgt: µ( A) ≤ µ( B) – Monotonie.
S
2. An , A: = An ∈ A, dann ist µ( A) ≤ ∑ µ( An ) – σ-Subadditivität.
3. An , A ∈ A und An ↑ A, dann gilt: µ( An ) ↑ µ( A) – Stetigkeit von unten.
4. An , A ∈ A, An ↓ A und gibt es ein m ∈ N, so daß µ( Am ) < ∞, dann gilt:
µ( An ) ↓ µ( A) – Stetigkeit von oben.
Ist µ eine additive Mengenfunktion, so gilt zwar 1. aber i.a. keine der anderen
S
Eigenschaften. Ist z.B. An eine paarweise disjunkte Folge in A mit A: = An ∈ A,
so gilt für alle n ∈ N:
∞
n
µ( A) ≥
∑ µ( A j )
j =1
also
µ( A) ≥
∑ µ( A j ) .
j =1
Eine additive Mengenfunktion µ ist somit genau dann σ-additiv, wenn sie σsubadditiv ist.
2.2 Der Satz von Caratheodory
33
2.2 Der Satz von Caratheodory
Wir behandeln in diesem Abschnitt das Problem der Fortsetzung eines auf einer
Semialgebra S definierten Maßes zu einem Maße auf der σ-Algebra F : = σ (S).
Zunächst zur Eindeutigkeit dieser Fortsetzung: Stimmen zwei Maße µ und ν
auf einer Semialgebra S überein, so stimmen sie auch auf F : = σ (S) überein,
wenn das Mengensystem C : = { A ⊆ Ω : µ( A) = ν( A)} eine σ-Algebra ist.
Probleme macht hierbei z.B. der Nachweis, daß mit A und B auch A ∩ B in C liegt.
Der folgende Satz von Dynkin ist in einer Vielzahl ähnlicher Probleme äußerst
hilfreich.
Definition 2.2.1 Ein Mengensystem P ⊆ P (Ω) heißt ein π-System, wenn es unter
Durchschnittsbildung abgeschlossen ist, i.e. A, B ∈ P ⇒ A ∩ B ∈ P . Ein Mengensystem L ⊆ P (Ω) heißt ein λ-System, wenn Ω ∈ L und
1. Falls A, B ∈ L und A ⊆ B, dann ist B \ A ∈ L.
2. Falls An ∈ L und An ↑ A, dann ist A ∈ L.
P (Ω) ist z.B. ein λ-System und jede Semialgebra und jede Topologie ist ein πSystem – eine Topologie ist jedoch i.a. keine Semialgebra!
Da der Durchschnitt von λ-Systemen ein λ-System ist, gibt es zu jedem Mengensystem C ⊆ P (Ω) ein eindeutig bestimmtes kleinstes λ-System ℓ(C), das C
umfaßt.
Satz 2.2.2 (Dynkin) Sei P ein π-System und L ein λ-System mit P ⊆ L. Dann ist
die von P erzeugte σ-Algebra in L enthalten, i.e.: σ (P ) ⊆ L.
B EWEIS : Sei ℓ(P ) das kleinste λ-System, welches P umfaßt. Wir zeigen, daß ℓ(P )
eine σ-Algebra ist. Hierzu genügt es zu zeigen, daß ℓ(P ) unter Durchschnitten
abgeschlossen ist, denn falls ein λ-System L unter Durchschnitten abgeschlossen
ist, so ist L eine σ-Algebra: Ist A ∈ L, so ist Ac = Ω \ A ∈ L. Weiters ist mit
A, B ∈ L auch A ∪ B = ( Ac ∩ Bc )c ∈ L, und schließlich ist mit jeder Folge An ∈ L
S
auch An ∈ L.
Zu jeder Teilmenge A von Ω definieren wir
C( A): = { B ⊆ Ω : A ∩ B ∈ ℓ(P )} .
1. Ist A ∈ ℓ(P ), so ist C( A) ein λ-System, denn Ω ∩ A = A ∈ ℓ(P ); ferner folgt
aus B, C ∈ C( A) und B ⊆ C:
(C \ B) ∩ A = (C ∩ A) \ ( B ∩ A) ∈ ℓ(P ) .
Sei schließlich Bn ↑ B eine steigende Folge in C( A), dann ist Bn ∩ A ↑ B ∩ A eine
steigende Folge in ℓ(P ), also B ∩ A ∈ ℓ(P ).
Folglich gilt für alle A ∈ P : ℓ(P ) ⊆ C( A). Insbesondere gilt für alle A ∈ P und
alle B ∈ ℓ(P ): A ∩ B ∈ ℓ(P ). Das heißt aber, daß für alle B ∈ ℓ(P ) das System P
in C( B) enthalten ist, also ℓ(P ) ⊆ C( B) und somit ist ℓ(P ) unter Durchschnitten
abgeschlossen.
2 MASSTHEORIE
34
Korollar 2.2.3 Sei P ein π-System und µ bzw. ν Maße auf F : = σ (P ), die auf P
übereinstimmen. Existiert eine Folge An ∈ P , so daß An ↑ Ω und µ( An ) < ∞, dann
stimmen µ und ν auf F überein.
B EWEIS : Sei A ∈ P , µ( A) < ∞ und L: = { B ∈ F : µ( A ∩ B) = ν( A ∩ B)}. Dann
ist Ω ∈ L und mit B ⊆ C ∈ L folgt:
µ( A ∩ (C \ B)) = µ( A ∩ C ) − µ( A ∩ B)
= ν( A ∩ C ) − ν( A ∩ B) = ν( A ∩ (C \ B))
also ist C \ B ∈ L. Falls Bn ↑ B und Bn ∈ L, dann folgt nach Proposition 2.1.5:
µ( A ∩ B) = lim µ( A ∩ Bn ) = lim ν( A ∩ Bn ) = ν( A ∩ B) .
n
n
D.h. L ist ein λ-System, das P umfaßt. Nach Satz 2.2.2 gilt daher: L = F .
Existenz der Fortsetzung: Sei nun µ ein beliebiges Maß auf einer Algebra A, dann
definieren wir für jede Teilmenge A von Ω:
n
o
[
µ∗ ( A): = inf ∑ µ( An ) : An ∈ A, An ⊇ A .
(12)
B EMERKUNG: Ist S eine Semialgebra und A, die von S erzeugte Algebra, so
kann man in der obigen Definition von µ∗ die Algebra A durch die Semialgebra
S ersetzen.
Es gilt: µ∗ (∅) = 0, µ∗ ist monoton (A ⊆ B ⇒ µ∗ ( A) ≤ µ∗ ( B)) und σ-subadditiv,
S
S
d.h. µ∗ ( An ) ≤ ∑ µ∗ ( An ): zu ε > 0 und n ∈ N seien Bnm ∈ A, so daß m Bnm ⊇
S
An und µ∗ ( An ) + ε/2n ≥ ∑m µ( Bnm ), dann folgt: n,m Bnm ⊇ A und damit
µ∗ ( A) ≤
∑ µ( Bnm ) ≤ ∑ µ∗ ( An ) + ε
n,m
n
Die einzige Eigenschaft, die µ∗ zu einem Maß fehlt ist also die Additivität, denn
diese Eigenschaft impliziert zusammen mit der σ-Subadditivität, die σ-Additivität
(cf. die Bemerkungen im Anschluß an Proposition 2.1.5).
Jede nicht negative Mengenfunktion µ∗ auf P (Ω) mit diesen drei Eigenschaften
(also µ∗ (∅) = 0, Monotonie und σ-Subadditivität), heißt ein äußeres Maß auf Ω.
Für jedes äußere Maß µ∗ auf Ω sei
F ∗ : = { A ⊆ Ω : ∀ B ⊆ Ω : µ∗ ( B) = µ∗ ( B ∩ A) + µ∗ ( B ∩ Ac )} .
(13)
Wir zeigen im folgenden, daß F ∗ eine σ-Algebra ist und µ∗ ein Maß auf F ∗ (Lemma 2.2.5). Falls darüber hinaus µ∗ durch (12) definiert ist, dann enthält F ∗ die Algebra A und µ und µ∗ stimmen auf A überein: letztere Aussage ist leicht zu zeiS
gen, denn falls A, An ∈ A und A ⊆ An , dann folgt aufgrund der σ-Additivität
2.2 Der Satz von Caratheodory
35
von µ: µ( A) ≤ ∑ µ( An ), also µ∗ ( A) ≥ µ( A) – die umgekehrte Ungleichung folgt
aus der Definition (12) von µ∗ .
B EMERKUNG: Ist µ ein endliches Maß auf einer Algebra A und µ∗ das durch die
Beziehung (12) definierte äußere Maß auf Ω, so gilt: F ∗ = { A ⊆ Ω : µ∗ (Ω) =
µ∗ ( A) + µ∗ ( Ac )} (cf. Übungen).
Lemma 2.2.4 Sei µ ein Maß auf der Algebra A und µ∗ sei durch (12) definiert. Dann
gilt: A ⊆ F ∗ .
B EWEIS : Sei A ∈ A und B ⊆ Ω. Aufgrund der Subadditivität von µ∗ gilt:
µ∗ ( B) ≤ µ∗ ( B ∩ A) + µ∗ ( B ∩ Ac ) .
Zum Beweis der umgekehrten Ungleichung können wir voraussetzen, daß µ∗ ( B)
S
endlich ist. Dann existiert zu jedem ε > 0 eine Folge An ∈ A, so daß An ⊇ B
und ∑ µ( An ) ≤ µ∗ ( B) + ε. Da µ∗ und µ auf A übereinstimmen und dort additiv
sind, folgt dann wiederum aufgrund der σ-Subadditivität:
µ∗ ( B) + ε ≥
∑ µ∗ ( An ∩ A) + µ∗ ( An ∩ Ac ) ≥ µ∗ ( B ∩ A) + µ∗ ( B ∩ Ac ) .
Lemma 2.2.5 Sei µ∗ ein äußeres Maß, dann ist F ∗ eine σ-Algebra und µ∗ |F ∗ ist ein
Maß. F ∗ heißt die σ-Algebra der µ∗ -meßbaren Mengen.
B EWEIS : Zunächst liegt mit F auch F c in F ∗ .
1. Falls F1 , F2 ∈ F ∗ , dann liegen F1 ∪ F2 und F1 ∩ F2 in F ∗ : Sei B ⊆ Ω, dann folgt
aus F1 , F2 ∈ F ∗ :
µ∗ ( B ∩ ( F1 ∪ F2 )) + µ∗ ( B ∩ ( F1 ∪ F2 )c ) = µ∗ ( B ∩ F1 ) + µ∗ ( B ∩ F1c ∩ F2 )
+µ∗ ( B ∩ F1c ∩ F2c )
= µ∗ ( B ∩ F1 ) + µ∗ ( B ∩ F1c )
= µ∗ ( B) .
2. Seien F1 , F2 ∈ F ∗ disjunkte Mengen, dann gilt für alle B ⊆ Ω: µ∗ ( B ∩ ( F1 ∪
F2 )) = µ∗ ( B ∩ F1 ) + µ∗ ( B ∩ F2 ):
µ∗ ( B ∩ ( F1 ∪ F2 )) = µ∗ ( B ∩ ( F1 ∪ F2 ) ∩ F1 ) + µ∗ ( B ∩ ( F1 ∪ F2 ) ∩ F1c )
= µ∗ ( B ∩ F1 ) + µ∗ ( B ∩ F2 ) .
Da µ∗ σ-subadditiv ist, ist µ∗ auf F ∗ σ-additiv.
S
S
3. Ist Fn eine Folge in F ∗ , so folgt: F: = Fn ∈ F ∗ : Nach 1. liegt Fn′ : = Fn \ k<n Fk
in F ∗ , also können wir o.B.d.A. annehmen, die Folge Fn sei paarweise disjunkt.
2 MASSTHEORIE
36
Setzen wir An : =
alle B ⊆ Ω:
S
k≤n Fk , so folgt nach 1. bzw. 2. sowie der Monotonie von
µ∗ ( B) = µ∗ ( B ∩ An ) + µ∗ ( B ∩ Acn ) ≥
µ∗ für
n
∑ µ∗ ( B ∩ Fk ) + µ∗ ( B ∩ Fc )
k =1
und mit n → ∞ erhalten wir aufgrund der σ-Subadditivität:
µ∗ ( B) ≥
∑ µ∗ ( B ∩ Fk ) + µ∗ ( B ∩ Fc ) ≥ µ∗ ( B ∩ F) + µ∗ ( B ∩ Fc ) .
Beispiel: Sei h : [0, ∞) → [0, ∞) eine stetige monoton steigende Funktion mit
h(0) = 0 und (Ω, d) ein metrischer Raum. Für jede Teilmenge A von Ω sei
Hh∗ ( A): = lim inf
δ →0
n
∑ h(d(Cn )) :
[
o
Cn ⊇ A, d(Cn ) < δ .
(14)
Dann ist Hh∗ ein äußeres Maß auf Ω. Ist insbesondere h(t) = tα , so heißt Hα das
Hausdorffmaß der Dimension α und für jede Teilmenge A von (Ω, d) heißt
dim( A): = sup{α : Hα∗ ( A) = ∞}
(15)
die Hausdorffdimension von A. Das auf F ∗ eingeschränkte äußere Maß Hα∗ ist
zwar nach Lemma 2.2.5 ein Maß, aber es bleibt ist an dieser Stelle noch nicht klar
ob z.B. F ∗ die Borelmengen enthält.
Definition 2.2.6 Ein Maß µ auf einer Algebra A heißt σ-endlich, wenn eine Folge
S
An ∈ A existiert, so daß An = Ω und µ( An ) < ∞.
Satz 2.2.7 (Caratheodory) Sei µ ein σ-endliches Maß auf der Semialgebra S . Dann
existiert genau ein Maß auf F : = σ (S), das auf S mit µ übereinstimmt.
B EWEIS : Nach Lemma 2.2.4 bzw. Lemma 2.2.5 ist durch µ′ : = µ∗ |F eine Fortsetzung definiert, und nach Korollar 2.2.3 ist diese Fortsetzung eindeutig.
Wir bezeichnen die Fortsetzung gleichfalls mit µ.
Definition 2.2.8 Ist F eine σ-Algebra auf Ω, so heißt (Ω, F ) ein meßbarer Raum.
Ist ferner µ ein Maß auf (Ω, F ), dann nennt man (Ω, F , µ) einen Maßraum. Falls
µ(Ω) = 1, so heißt (Ω, F , µ) ein Wahrscheinlichkeitsraum.
2.3 Vervollständigung
37
2.3 Vervollständigung
Im folgenden sei µ ein Maß auf der Algebra A und µ∗ das durch (12) definierte
äußere Maß. Welche Beziehung besteht zwischen F = σ (A) und F ∗ ? Genauer, welche Mengen liegen in F ∗ aber nicht in F ? Nach Definition von F ∗ liegt
jede Teilmenge N von Ω mit µ∗ ( N ) = 0 in F ∗ , denn aufgrund der Monotonie
gilt für alle B ⊆ Ω: µ∗ ( B ∩ N ) + µ∗ ( B ∩ N c ) = µ∗ ( B ∩ N c ) ≤ µ∗ ( B) und die
umgekehrte Ungleichung folgt aus der σ-Subadditivität. Solche Mengen heißen
µ-Nullmengen oder einfach Nullmengen.
Sei C ein beliebiges Mengensystem von Teilmengen von Ω. Mit Cσ bzw. Cδ bezeichnen wir jene Mengensysteme, die aus abzählbaren Vereinigungen bzw. Durchschnitten von Mengen aus C bestehen.
Lemma 2.3.1 Sei A ⊆ Ω mit µ∗ ( A) < ∞. Dann gilt:
1. Zu jedem ε > 0 existiert ein B ∈ A bzw. ein C ∈ Aσ mit µ∗ ( B∆A) ≤ ε bzw. A ⊆ C
und µ∗ (C ) ≤ µ∗ ( A) + ε.
2. Es existiert ein D ∈ Aσδ mit A ⊆ D und µ∗ ( D ) = µ∗ ( A).
S
B EWEIS : 1. Nach Definition von µ∗ existiert eine Folge Bk in A, so daß C: = Bk ⊇
A und ∑ µ∗ ( Bk ) ≤ µ∗ ( A) + ε. Wählen wir n ∈ N, so daß ∑k>n µ∗ ( Bk ) < ε, so folgt
für B: = B1 ∪ · · · ∪ Bn : µ∗ ( B∆A) ≤ 2ε und die σ-Subadditivität von µ∗ impliziert:
µ∗ ( B) ≤ µ∗ ( A) + ε.
T
2. Sei Cn ∈ Aσ , so daß Cn ⊇ A und µ∗ (Cn ) ≤ µ∗ ( A) + 1/n. Dann ist D: = Cn ∈
Aσδ , D ⊇ A und µ∗ ( D ) ≤ µ∗ ( A). Die Behauptung folgt nun aus der Monotonie
von µ∗ .
Proposition 2.3.2 Sei µ ein σ-endliches Maß auf der Algebra A. Eine Teilmenge A von
Ω liegt genau dann in F ∗ , wenn eine Menge N ⊆ Ω existiert mit µ∗ ( N ) = 0 sowie ein
B ∈ Aσδ , so daß A = B \ N.
Sei A ∈ F ∗ , dann ist Ac = B \ N, also A = Bc ∪ N; jede Menge aus F ∗ ist daher
die Vereinigung einer Menge aus F mit einer Nullmenge.
Definition 2.3.3 Ein Maßraum (Ω, F , µ) heißt vollständig, wenn F alle µ-Nullmengen
enthält.
Ist z.B. µ∗ ein äußeres Maß auf Ω, so ist (Ω, F ∗ , µ∗ ) ein vollständiger Maßraum.
Proposition 2.3.4 Sei (Ω, F , µ) ein Maßraum und F µ das Mengensystem aller Teilmengen A von Ω, zu denen B, C ∈ F und N ⊆ C existieren, so daß µ(C ) = 0 und
A = B ∪ N. Setzen wir µ durch µ( A): = µ( B) auf F µ fort, so ist (Ω, F µ , µ) ein
vollständiger Maßraum. (Ω, F µ , µ) heißt die Vervollständigung von (Ω, F , µ).
2 MASSTHEORIE
38
Da die Fortsetzung für σ-endliche Maße eindeutig ist, folgt im Falle der σ-Endlichkeit
von µ: F µ = F ∗ .
Die Vervollständigung B λ der Borelschen σ-Algebra B auf Rn bezüglich des Lebesguemaßes heißt die σ-Algebra der Lebesgue meßbaren Teilmengen von Rn .
Definition 2.3.5 Unter einem Radonmaß auf Rn versteht man ein Borelmaß µ mit der
Eigenschaft, daß jede kompakte Teilmenge von Rn endliches Maß besitzt.
Ist µ ein Radonmaß auf den Borelmengen von R, so ist
µ((0, x ]) falls x ≥ 0
F ( x ): =
−µ(( x, 0]) falls x < 0
eine monoton steigende, rechtsstetige Funktion d.h. limx↓y F ( x ) = F (y). Für
µ(( x, y]), µ(( x, y)), etc. schreiben wir im weitern der Einfachheit halber µ( x, y],
µ( x, y), etc. Man nennt F auch die Verteilungsfunktion von µ.
Satz 2.3.6 Sei F : R → R eine monoton steigende und rechtsstetige Funktion. Dann
existiert genau ein Maß µ F auf (R, B) mit µ F ( a, b] = F (b) − F ( a).
B EWEIS : Da die Limiten limx→±∞ F ( x ) existieren, ist µ F auf der Semialgebra S
der halboffenen Intervalle definiert. Ferner ist µ F additiv auf S . Seien a, b ∈ R
S
und ( a, b] = ( an , bn ], ( an , bn ] paarweise disjunkt. Zu ε > 0 wählen wir α > 0
und β n > 0, so daß
F ( a + α) < F ( a) + ε
und
F (bn + β n ) < F (bn ) + ε2−n .
Dann ist {( an , bn + β n ) : n ∈ N} eine offene Überdeckung des kompakten Intervalls [ a + α, b]. Sei also o.B.d.A. {( an , bn + β n ) : n ≤ N } eine endliche Teilüberdeckung,
dann folgt:
µ F ( a, b] = F (b) − F ( a + α) + ( F ( a + α) − F ( a)) ≤ µ F ( a + α, b] + ε
N
[
N
( a n , bn + β n ] + ε ≤ ∑ µ F ( a n , bn + β n ] + ε
≤ µF
n =1
n =1
N
=
=
N
∑ ( F(bn + β n ) − F(an )) + ε ≤ ∑ ( F(bn ) − F(an )) + 2ε
n =1
N
∞
n =1
n =1
n =1
∑ µF (an , bn ] + 2ε ≤ ∑ µF (an , bn ] + 2ε .
Da ε > 0 beliebig war, folgt: µ F ( a, b] ≤ ∑ µ F ( an , bn ] und die umgekehrte Ungleichung folgt aus der Additivität von µ F .
2.3 Vervollständigung
39
B EMERKUNG: Falls ( a, b] disjunkte Vereinigung einer Folge ( an , bn ] ist, dann gibt
es i.a. nicht zu jedem bn < b ein ak , so daß ak = bn ; ist z.B. a1 = −1, b1 = 0 und
S
für n ≥ 2: an = 1/n, bn = 1/(n − 1), so ist (−1, 1] = ( an , bn ] aber für alle n ∈ N
ist an 6= b1 .
Beispiel: 1. Sei y ∈ R und F ( x ): = 0 falls x < y und F ( x ) = 1 falls x ≥ y. Dann ist
das entsprechende Maß das im Punkt y konzentrierte Diracmaß.
2. Ist yn eine Folge in R und λn > 0, so nennt man jedes Borelmaß µ der Form
µ: = ∑ λn δyn diskret. Die entsprechende Verteilungsfunktion F ist gegeben durch
F ( x ) = ∑n:yn ≤ x λn .
Definition 2.3.7 Eine σ-Algebra F heißt abzählbar erzeugt, wenn ein abzählbares
Mengensystem C existiert, so daß F = σ (C).
Ist (Ω, d) ein separabler metrischer Raum, so ist die Borelsche σ-Algebra B(Ω)
nach Proposition 1.5.2 abzählbar erzeugt.
Ist F abzählbar erzeugt, so besitzt F höchstens die Kardinalität der Menge NN ,
also höchstens die Kardinalität c des Kontinuums. Andererseits ist z.B. die Cantormenge ∆ eine Lebesguesche Nullmenge der Kardinalität c, folglich besitzen in
diesem Fall die Nullmengen die Kardinalität 2c > c. Das folgende Beispiel zeigt,
daß B λ (R) 6= P (R). Zuvor jedoch eine besondere Eigenschaft des Lebesguemaßes auf Rn :
Lemma 2.3.8 Sei A ⊆ Rn Lebesgue meßbar, dann gilt für alle x ∈ Rn : λ( A + x ) =
λ( A), man sagt: λ ist translationsinvariant.
n ) : ∀ x : λ ( A + x ) = λ ( A )}. Klarerweise enthält C die
B EWEIS : Sei C : = { A ∈ B( IN
Semialgebra S der Quader. Ferner ist C ein λ-System, also folgt nach Satz 2.2.2:
n ). Da A genau dann eine Lebesguesche Nullmenge ist, wenn A + x eine
C = B( IN
Lebesguesche Nullmenge ist, folgt die Behauptung.
Seien I: = [0, 1), + die Addition Modulo 1 auf I und R: = Q ∩ I, dann ist durch
x ∼ y :⇔ x − y ∈ R eine Äquivalenzrelation erklärt. Sei A eine Teilmenge von
I, die aus jeder Äquivalenzklasse genau einen Punkt enthält – das Auswahlaxiom garantiert die Existenz einer derartigen Menge A. Dann ist A nicht Lebesgue
meßbar: Für alle q, r ∈ R, q 6= r gilt (q + A) ∩ (r + A) = ∅; andererseits liegt
jedes x ∈ I in einer der Mengen q + A, q ∈ R. Wäre A Lebesgue meßbar, so folgte
λ(q + A) = λ( A) und ∑q∈ R λ(q + A) = 1.
Der Rekurs auf das Auswahlaxiom ist für die Konstruktion einer nicht Lebesgue meßbaren Teilmenge von R unumgänglich, d.h. in einem Axiomensystem,
in dem man auf das Auswahlaxiom verzichtet, kann man i.w. an dessen Stelle
fordern, daß alle Teilmengen von R Lebesgue meßbar sind.
2 MASSTHEORIE
40
2.4 Reguläre Maße
Eine besondere Eigenschaft von endlichen Maßen auf (Rn , B) ist ihre Regularität.
Die folgende Definition fordert mehr als die in der Literatur übliche Definition:
Definition 2.4.1 Sei Ω ein metrischer Raum und µ ein Borelmaß auf Ω. µ heißt regulär, wenn zu jedem ε > 0 und jeder Borelmenge A eine offene Teilmenge U und eine
kompakte Teilmenge K existieren, so daß K ⊆ A ⊆ U und µ(U \ K ) < ε.
Satz 2.4.2 Jedes endliche Borelmaß µ auf einem Polnischen Raum (Ω, d) ist regulär.
B EWEIS : 1. Sei U eine offene Teilmenge von Ω, ωn dicht in U und
rn : = sup{r > 0 : B(ωn , r ) ⊆ U } ∧ 1 .
S
Dann ist B(ωn , rn ) ⊆ U und für alle k ≥ 1 gilt: U = B(ωn , rn 2−k ) – vgl. den
Beweis zu Proposition 1.5.2.2. Da µ(U ) < ∞, existiert zu jedem k ≥ 1 ein n(k ) ∈
N, so daß für
Ck : =
[
B ( ω n , r n 2− k )
n≤n(k)
gilt:
µ(U \ Ck ) ≤ ε2−k .
T
Nun besitzt aber die Menge C: = k Ck für jedes δ > 0 ein endliches δ-Netz, also
ist C präkompakt und da C abgeschlossen und (Ω, d) vollständig ist, ist C nach
Satz 1.5.3 kompakt. Ferner ist
[
µ (U \ C ) = µ
U \ Ck ≤ ∑ µ(U \ Ck ) ≤ ∑ ε2−k ≤ ε .
k
k
2. Sei nun C das System aller Teilmengen A von Ω, so daß zu jedem ε > 0 eine
offene Menge U sowie eine kompakte Menge K existieren mit U ⊇ A ⊇ K und
µ(U \ K ) < ε. Nach 1. enthält C sämtliche offenen Teilmengen von Ω. Ferner
bestätigt man leicht, daß C ein λ-System ist: ist z.B. A1 ⊆ A2 und Cj ⊆ A j ⊆ Uj
mit µ(Uj \ Cj ) < ε, so ist C2 \ U1 ⊆ A2 \ A1 ⊆ U2 \ C1 und µ((U2 \ C1 ) \ (C2 \
U1 )) ≤ µ(U2 \ C2 ) + µ(U1 \ C1 ) < 2ε. Falls Ak ↑ A und Ck ⊆ Ak ⊆ Uk mit
µ(Uk \ Ck ) < ε/2k und Ck ↑, Uk ↑ U, dann folgt für alle n: Cn ⊆ A ⊆ U und
µ(U \ Cn ) ≤ µ(U \ Un ) + µ(Un \ Cn ).
Der Beweis zeigt, daß C die Vervollständigung B µ der Borelmengen bezüglich µ
enthält; da umgekehrt B µ das Mengensystem C enthält, folgt für jeden Polnischen
Raum (Ω, d), daß B µ mit folgendem Mengensystem übereinstimmt:
{ A ⊆ Ω : ∀ ε > 0 ∃ U offen, K kompakt : U ⊇ A ⊇ K, µ(U \ K ) < ε}
(16)
Universell meßbare Mengen: Sei (Ω, d) ein Polnischer Raum, B die Borelsche
σ-Algebra und M (Ω) die Menge aller endlichen Borelmaße auf Ω, dann heißt
T
B ∗ : = { Bµ : µ ∈ M(Ω)} die σ-Algebra der universell meßbaren Mengen.
Der folgende Satz ist eine Verallgemeinerung von Satz 2.3.6:
2.4 Reguläre Maße
41
Satz 2.4.3 (Alexandrov) Sei (Ω, d) ein metrischer Raum und µ eine additive Mengenfunktion auf einer Semialgebra S , so daß zu jedem ε > 0 und jedem A ∈ S Mengen C, B ∈ S existieren, mit der Eigenschaft, daß B◦ ⊇ A ⊇ C, C kompakt und
µ( B) − µ(C ) < ε. Dann ist µ ein Maß auf S .
B EWEIS : Da µ additiv ist, genügt es zu zeigen, daß µ σ-subadditiv ist. Sei An eine
S
paarweise disjunkte Folge in S mit An = A ∈ S . Zu jedem ε > 0 existieren
Mengen Bn , C ∈ S , so daß: A ⊇ C, C kompakt, µ( A \ C ) < ε, Bn◦ ⊇ An und
S
µ( Bn \ An ) < ε2−n . Da Bn◦ ⊇ C und C kompakt ist, existiert ein N ∈ N, so daß
SN
◦
n=1 Bn ⊇ C, also:
∞
∑
n =1
N
µ( An ) ≥
N
∑
n =1
≥ µ
µ( An ) ≥
N
[
n =1
∑ µ( Bn ) − ε
n =1
Bn − ε ≥ µ(C ) − ε ≥ µ( A) − 2ε .
Beispiel: Ist S die Semialgebra der Quader auf Rn und µ eine additive Mengenfunktion auf S , so daß für alle N ∈ N: µ((− N, N ]n ) < ∞, dann ist die Voraussetzung des Satzes z.B. erfüllt, wenn für jeden beschränkten Quader Q = ∏ j ( a j , b j ]
gilt:
lim µ
r ↓0
∏(a j , bj + r) \ ∏[a j + r, bj ]
j
=0.
(17)
j
Für n = 1 bedeutet dies, daß für alle x ∈ R: limr↓0 µ( x, x + r ) = 0 i.e. die Verteilungsfunktion ist rechtsstetig! Offensichtlich erfüllt das Lebesguemaß die Bedingung (17) und somit ist das Lebesguemaß auf Rn tatsächlich ein Maß!
Beispiel: Sei Ω = {0, 1}N , Xn : Ω → {0, 1} die Projektion auf die n-te Komponente und S die Menge aller Teilmengen A ⊆ Ω, mit der Eigenschaft, daß ein n ∈ N
und ε 1 , . . . , ε n ∈ {0, 1} existieren, so daß A = [ X1 = ε 1 , . . . , Xn = ε n ]. Dann ist S
eine Semialgebra und durch P( A): = 2−n ist eine additive Mengenfunktion auf S
definiert. Da die Mengen A ∈ S sowohl offen als auch kompakt sind, ist P nach
Satz 2.4.3 ein Maß auf S . Ω ist mit der komponentenweisen Addition mod(2) eine Gruppe und P ist das normalisierte Haarmaß auf Ω, d.h. für alle Borelmengen
A von Ω und alle ε ∈ Ω gilt: P(ε + A) = P( A).
Beispiel: Sei Ω = [0, 1]N , Xn : Ω → [0, 1] die Projektion auf die n-te Komponente
und S die Menge aller Teilmengen A ⊆ Ω, mit der Eigenschaft, daß ein n ∈ N
und a1 < b1 , . . . , an < bn ∈ [0, 1] existieren, so daß A = [b1 ≥ X1 > a1 , . . . , bn ≥
Xn > an ]. Dann ist S eine Semialgebra und durch P( A): = ∏ j (b j − a j ) ist eine
additive Mengenfunktion auf S definiert (cf. Übungen). Mit Cr : = [b1 ≥ X1 >
a1 + r, . . . , bn ≥ Xn > an + r ] und Br : = [b1 + r > X1 > a1 , . . . , bn + r > Xn > an ]
gilt: limr↓0 P( Br ) − P(Cr ) = 0.
2 MASSTHEORIE
42
2.5 Meßbare Abbildungen
Definition 2.5.1 Seien (Ω, F ) und (S, Σ) meßbare Räume. Eine Abbildung X : Ω → S
heißt meßbar, wenn für alle B ∈ Σ gilt: X −1 ( B) ∈ F . In diesem Fall schreiben wir
X : (Ω, F ) → (S, Σ).
Dies impliziert unmittelbar, daß die Komposition meßbarer Funktionen meßbar
ist.
Ist X : Ω → S und B ⊆ S, so bezeichnen wir mit [ X ∈ B] die Mengen
[ X ∈ B ] : = { ω ∈ Ω : X ( ω ) ∈ B } = X −1 ( B ) .
(18)
Ist S ein metrischer Raum mit der Borelschen σ-Algebra B , so heißt jede meßbare Abbildung X : (Ω, F ) → (S, B) F -meßbar. Ist darüber hinaus auch Ω ein
metrischer Raum und F = B(Ω), so nennen wir X Borel meßbar.
Proposition 2.5.2 Sei (Ω, F ) ein meßbarer Raum und C ein Mengensystem auf S. Eine
Abbildung X : Ω → S ist genau dann meßbar bezüglich F und σ (C), wenn für alle
C ∈ C gilt: [ X ∈ C ] ∈ F .
B EWEIS : Das Mengensystem {C ⊆ S : [ X ∈ C ] ∈ F } ist eine σ-Algebra und
enthält C .
Beispiel: Eine Abbildung X : (Ω, F ) → R ist genau dann meßbar, wenn für alle
t ∈ R: [ X > t] ∈ F , denn die von den Mengen {( a, ∞) : a ∈ R} erzeugte σAlgebra ist die Borelsche σ-Algebra auf R.
Beispiel: Seien S1 , S2 metrische Räume und X : S1 → S2 stetig. Dann ist X Borel
meßbar.
Sei (S, Σ) ein meßbarer Raum und X : Ω → S eine Abbildung, so ist das Mengensystem σ ( X ): = {[ X ∈ B] : B ∈ Σ} eine σ-Algebra auf Ω. σ ( X ) heißt die von X
erzeugte σ-Algebra, sie ist die kleinste σ-Algebra F auf Ω, so daß X : (Ω, F ) →
(S, Σ).
Initiale Strukturen: Seien (Sα , Σα ), α ∈ I, meßbare Räume und Xα : Ω → Sα . Die
von {[ Xα ∈ B] : α ∈ I, B ∈ Σα } erzeugte σ-Algebra σ ( Xα , α ∈ I ) ist dann die
kleinste σ-Algebra auf Ω, so daß alle Abbildungen Xα meßbar sind. Aus Proposition 2.5.2 folgt unmittelbar:
Korollar 2.5.3 Sei (Ω′ , F ′ ) ein meßbarer Raum. Eine Abbildung F : Ω′ → Ω ist genau
dann meßbar bezüglich σ ( Xα , α ∈ I ), wenn alle Abbildungen Xα ◦ F meßbar sind.
1. Sind (Ωα , Fα ) meßbare Räume und Ω: = ∏ Ωα . Die von den Projektionen Prα :
N
Ω → Ωα erzeugte σ-Algebra heißt die Produkt σ-Algebra
FαN
. Seien z.B. Ωn ,
n ∈ N, metrische Räume und Ω = ∏ Ωn , dann gilt: B(Ω) ⊇
B(Ωn ), denn
2.5 Meßbare Abbildungen
43
N
id : (Ω, B(Ω)) → (Ω, B(Ωn )) ist nach Korollar 2.5.3 genau dann meßbar, wenn
sämtliche Projektionen Prn : Ω → Ωn meßbar sind, diese sind aber stetig. Sind
N
ferner sämtliche Räume Ωn separabel, so gilt: B(Ω) =
B(Ωn ) – dies folgt i.w.
aus Proposition 1.5.2 (cf. Übungen).
2. Ist Ω ein metrischer Raum und Ω′ ⊆ Ω ein Unterraum, so gilt: B(Ω′ ) = B(Ω) ∩
Ω′ . Z.B. ist die Borelsche σ-Algebra B(Sn−1 ) auf der Sphäre Sn−1 die von den
Mengen U ∩ Sn−1 , U offen in Rn , erzeugt σ-Algebra.
3. Sei z.B. Ω: = C ([0, 1], Rn ) und für alle t ∈ [0, 1]: Xt : Ω → R die Abbildung
Xt (ω ) = ω (t). Die σ-Algebren Ft : = σ ( Xs , 0 ≤ s ≤ t) sind z.B. in der Stochastik
von Bedeutung.
4. Sind X, Y : (Ω, F ) → (R, B) meßbar, so ist auch X + Y meßbar, denn die Addition ist eine stetige und folglich meßbare Abbildung von (R2 , B(R2 )) in (R, B)
und ω 7→ ( X (ω ), Y (ω )) ist eine meßbare Abbildung von (Ω, F ) in (R2 , B ⊗ B).
Nach 1. ist aber B ⊗ B = B(R2 ).
Proposition 2.5.4 Sei Xn : (Ω, F ) → (R, B) eine Folge meßbarer Funktionen, dann
sind inf Xn , sup Xn , lim inf Xn und lim sup Xn meßbar.
S
S
B EWEIS : Da [inf Xn < t] = [ Xn < t] und [sup Xn > t] = [ Xn > t], sind inf Xn
und sup Xn meßbar. Die weiteren Behauptungen folgen nun aus
lim inf Xn : = sup inf Xm
n
m≥n
und
lim sup Xn : = inf sup Xm .
n m≥n
Ist A ⊆ Ω, so bezeichnen wir mit I A die sogenannte Indikatorfunktion von A,
i.e. I A (ω ) = 1 falls ω ∈ A und I A (ω ) = 0 falls ω ∈
/ A. I A ist genau dann meßbar,
wenn A ∈ F .
Definition 2.5.5 Sei (Ω, F ) ein meßbarer Raum. Eine Funktion X : Ω → R heißt
einfach, wenn ein n ∈ N existiert, x1 , . . . , xn ∈ R und paarweise disjunkte Mengen
A1 , . . . , An ∈ F , so daß
n
X=
∑ x j IAj .
j =1
Falls µ( A j ) < ∞, so nennt man X eine einfache µ-integrierbare Funktion).
Limiten von Mengen: Sei An eine Folge von Teilmengen von Ω, dann definieren
wir die Menge lim supn An als die Menge aller Elemente von Ω, die in unendlich
vielen An liegen, und lim infn An als die Menge aller Elemente von Ω, die in fast
allen An zu finden sind. Es gilt (cf. Übungen):
lim sup An =
n
∞ [
\
n =1 k ≥ n
Ak
bzw.
lim inf An =
n
∞ \
[
n =1 k ≥ n
Ak
2 MASSTHEORIE
44
sowie: I A∩ B = I A IB , I A∆B = | I A − IB | und Ilim sup An = lim sup I An bzw. Ilim inf An =
lim inf I An . Man sagt, die Folge An konvergiert gegen eine Menge A, wenn gilt:
A = lim supn An = lim infn An und schreibt dann analog zur Konvergenz reeller Zahlen limn An = A oder An → A oder (falls An ⊆ An+1 bzw. An ⊇ An+1 :
An ↑ A bzw. An ↓ A.
2.6 Konvergenz von Folgen meßbarer Funktionen
Proposition 2.6.1 Zu jeder beschränkten meßbaren Funktion X existiert eine Folge einfacher Funktionen Xn , so daß
Xn ↑ X
und
lim sup | X (ω ) − Xn (ω )| = 0 .
n ω ∈Ω
B EWEIS : Sei o.B.d.A. 0 ≤ X ≤ 1 und für m = 1, . . . , 2n sei Anm : = [(m − 1)2−n <
X ≤ m2−n ]. Setzen wir
2n
Xn : =
∑
m =1
m −1
2n I Anm ,
so folgt: Xn+1 ≥ Xn und 0 ≤ X − Xn ≤ 2−n .
Satz 2.6.2 (Monotone Class Theorem) Sei P ein π-System mit Ω ∈ P und E ein
Vektorteilraum der beschränkten meßbaren Funktionen auf Ω mit folgenden Eigenschaften:
1. Für alle A ∈ P ist I A ∈ E.
2. Ist Xn eine nicht negative monoton steigende und gleichmäßig beschränkte Folge in E,
so ist limn Xn ∈ E.
Unter diesen Bedingungen enthält E alle σ (P )-meßbaren und beschränkten Funktionen.
B EWEIS : L: = { A : I A ∈ E} ist ein λ-System, also enthält E alle einfachen Funktionen und nach Proposition 2.6.1 alle beschränkten meßbaren Funktionen.
Definition 2.6.3 Sei (Ω, F , µ) ein Maßraum und M (Ω, F ) der Raum der meßbaren
Funktionen X : (Ω, F ) → (R, B). Eine Folge Xn ∈ M (Ω, F ) konvergiert im Maß
gegen X ∈ M (Ω, F ) bzw. Xn ist eine Cauchy-Folge im Maß, wenn für alle ε > 0 gilt:
lim µ(| Xn − X | > ε) = 0 bzw.
n
lim µ(| Xn − Xm | > ε) = 0 .
n,m
Sei (Ω, F , µ) ein Maßraum und P irgendeine Aussage, die für alle ω ∈ Ω definiert
ist, dann sagen wir P gilt fast überall, wenn eine Nullmenge N existiert, so daß
die Aussage P(ω ) für alle ω ∈ N c wahr ist. Ist z.B. (Ω, F , µ) ein σ-endlicher
Maßraum, F µ die Vervollständigung von F bezüglich µ und X : (Ω, F µ ) →
(R, B), so existiert eine Funktion Y : (Ω, F ) → (R, B), so daß X = Y f.ü.
Unter einer µ-Nullfunktion X versteht man eine meßbare Abbildung, so daß
µ( X 6= 0) = 0. Bezeichnen wir mit N (µ) den Unterraum der Nullfunktionen, so
definieren wir M (Ω, F , µ): = M (Ω, F )/N (µ).
2.6 Konvergenz von Folgen meßbarer Funktionen
45
Definition 2.6.4 Eine Folge Xn ∈ M (Ω, F , µ) heißt fast überall konvergent gegen
X ∈ M (Ω, F , µ), wenn eine Nullmenge N existiert, so daß für alle ω ∈ N c die Folge
Xn (ω ) gegen X (ω ) konvergiert.
Klarerweise folgt aus der gleichmäßigen Konvergenz sowohl die Konvergenz im
Maß als auch die Konvergenz f.ü.: Proposition 2.6.1 impliziert unmittelbar, daß zu
jeder nicht negativen meßbaren Funktion X eine Folge nicht negativer einfacher
Funktionen Xn existiert, so daß Xn ↑ X. Im Gegensatz zur Konvergenz im Maß
existiert i.a. keine Metrik auf M (Ω, F , µ), deren konvergente Folgen genau die
f.ü. konvergenten Folgen sind (cf. Übungen).
Xn (ω ) konvergiert genau dann nicht gegen X (ω ), wenn lim supn | Xn (ω ) − X (ω )| >
0, also ist die Menge aller ω, für die Xn (ω ) nicht gegen X (ω ) konvergiert, gegeben durch:
[
lim sup[| Xn − X | > 1/m] .
n
m∈N
Notwendig und hinreichend für die Konvergenz f.ü. ist daher
∀ε > 0 :
µ lim sup[| Xn − X | > ε] = 0 .
(19)
n
Ist nun µ endlich, so ist dies nach Proposition 2.1.5 gleichbedeutend mit:
\ [
[
∀ε > 0 : 0 = µ
[| Xk − X | > ε] = lim µ
[| Xk − X | > ε] .
n
n k≥n
(20)
k≥n
Daher folgt im Falle eines endlichen Maßes µ endlich, die Konvergenz im Maß
aus der Konvergenz f.ü. Für nicht endliche Maße gilt dies i.a. nicht!
Proposition 2.6.5 Sei (Ω, F , µ) ein endlicher Maßraum und Xn eine Folge meßbarer
Funktionen. Xn konvergiert genau dann f.ü., wenn
∀ ε > 0 : lim µ sup[| Xk − Xn | > ε] = 0 .
n→∞
k≥n
B EWEIS : Beachten wir, daß eine Folge reeller Zahlen genau dann konvergiert,
wenn sie eine Cauchy-Folge ist, so erhalten wir aus den obigen Überlegungen,
daß Xn genau dann f.ü. konvergiert, wenn
[
∀ ε > 0 : lim µ
[| Xk − Xm | > ε] = 0 .
n→∞
k,m≥n
Da [supk,m≥n | Xk − Xm | > ε] ⊆ [supk | Xk − Xn | > ε/2] ∪ [supm | Xm − Xn | > ε/2],
folgt die Behauptung.
2 MASSTHEORIE
46
Ein weiterer Konvergenzbegriff liegt zwischen der (schwächeren) Konvergenz
f.ü. und der gleichmäßigen Konvergenz.
Definition 2.6.6 Eine Folge meßbarer Funktionen Xn ∈ M (Ω, F , µ) heißt fast gleichmäßig
konvergent gegen X ∈ M (Ω, F , µ), wenn zu jedem ε > 0 eine Menge A(ε) ∈ F existiert mit µ( A(ε)) < ε, so daß Xn auf A(ε)c gleichmäßig gegen X konvergiert.
Die fast gleichmäßige Konvergenz impliziert sowohl die Konvergenz f.ü. als auch
die Konvergenz im Maß: Konvergiert Xn auf Nkc gleichmäßig gegen 0 und gilt:
S c
µ( Nk ) < 1/k, so konvergiert Xn auf A: =
Nk gegen 0 und gilt: µ( Ac ) = 0.
Ferner ist für alle ε > 0 und alle k > 1/ε: lim supn µ(| Xn | > ε) ≤ µ( Nk ).
Lemma 2.6.7 Sei Xn eine Cauchy-Folge im Maß. Dann existiert eine Teilfolge Xn( j) , die
fast gleichmäßig gegen eine meßbare Funktion X konvergiert.
B EWEIS : Nach Voraussetzung gibt es zu jedem j ∈ N eine Menge A j ∈ F und
einen Index n( j), so daß für alle n, m ≥ n( j):
sup | Xn (ω ) − Xm (ω )| ≤ 2− j
ω∈ Aj
und
µ( Acj ) ≤ 2− j .
Folglich existiert eine Teilfolge Xn( j) , so daß
∀ ω ∈ Aj :
Setzen wir Nk : =
j > i ≥ k:
S
j≥k
| Xn( j+1) (ω ) − Xn( j) (ω )| ≤ 2− j .
Acj , so folgt: µ( Nk ) ≤ 2−k+1 und für alle ω ∈
/ Nk und alle
| Xn( j) (ω ) − Xn(i) (ω )| ≤
j −1
∑ |Xn(m+1) (ω ) − Xn(m) (ω )| ≤ 2−i+1 .
m =i
T
Falls ω ∈
/ Nk , dann ist Xn( j) (ω ) eine Cauchy-Folge. Sei X (ω ): = lim Xn( j) (ω ),
T
dann ist X ∈ M (Ω, F , µ) und Xn( j) konvergiert auf jeder Menge Nkc = j≥k A j
gleichmäßig.
Satz 2.6.8 (Egorov) Ist (Ω, F , µ) ein endlicher Maßraum, so konvergiert eine Folge
meßbarer Funktionen genau dann f.ü., wenn sie fast gleichmäßig konvergiert.
2.6 Konvergenz von Folgen meßbarer Funktionen
47
T
B EWEIS : 1. Zunächst gilt für jede Folge An ∈ F : µ( An ) ≥ µ(Ω) − ∑ µ( Acn ).
2. Da µ endlich ist, konvergiert Xn genau dann f.ü. gegen X (cf. Beziehung (20),
wenn für alle ε > 0:
[
lim µ
[| Xm − X | > ε] = 0 .
n
T
m≥n
Definieren wir also An (ε) = m≥n [| Xm − X | ≤ ε], so folgt für alle ε > 0: An+1 (ε) ⊇
An (ε) und limn µ( An (ε)) = µ(Ω). Folglich existiert zu jedem δ > 0 und jedem k ∈ N ein Index n(δ, k ), so daß µ( An(δ,k) (1/k )) ≥ µ(Ω) − δ2−k ; setzen wir
T
nun A: = k An(δ,k) (1/k ), so ist µ( A) ≥ µ(Ω) − δ und für alle ω ∈ A und alle
m ≥ n(δ, k ) gilt: | Xm (ω ) − X (ω )| ≤ 1/k. D.h. Xm konvergiert auf A gleichmäßig
gegen X.
3 INTEGRATIONSTHEORIE
48
3 Integrationstheorie
Für das gesamte Kapitel sei (Ω, F , µ) ein σ-endlicher Maßraum.
3.1 Definition des Integrals
Ist X = ∑ x j I A j eine einfache integrierbare Funktion, so definieren wir das Integral von X bezüglich µ durch:
Z
X dµ: =
Z
X (ω ) µ(dω ): =
∑ x j µ( A j ) .
(21)
j
Ist ∑k yk IBk eine weitere Darstellung von X, so gilt: x j I A j ∩ Bk = yk I A j ∩ Bk und folglich:
∑ yk µ( Bk ) = ∑ yk µ( A j ∩ Bk ) = ∑ x j µ( A j ) .
j,k
Also
von X bezüglich µ wohldefiniert. Ist A ∈ F , so schreiben
R ist das Intergal
R
wir A X dµ: = XI A dµ.
Lemma 3.1.1 Seien X, Y einfache
Funktionen.
R integrierbare
R
1. Falls X ≥ Y f.ü., dann
R folgt: X dµ
R ≥ Y dµ.
2. F
ür
alle
λ
∈
R
gilt:
λX
dµ
=
λ
X dµ.
R
R
R
R
R
3. X + Y dµ = X dµ + Y dµ und | X dµ| ≤ | X | dµ.
B EWEIS : 3. Seien X = ∑ j≥1 x j I A j , Y = ∑k≥1 yk IBk , A0 : =
S
Bk und x0 = y0 = 0. Dann ist
X+Y =
S
Bk \
S
A j , B0 : =
∑ ∑ ( x j + yk ) IAj ∩Bk
j ≥0 k ≥0
und da die Mengen A j ∩ Bk paarweise disjunkt sind:
Z
X + Y dµ =
=
∑ ∑ ( x j + yk )µ( A j ∩ Bk )
j ≥0 k ≥0
∑ ∑ x j µ( A j ∩ Bk ) + ∑ ∑ yk µ( A j ∩ Bk )
j ≥0 k ≥0
j ≥0 k ≥0
=
∑ x j µ( A j ) + ∑ yk µ( Bk ) =
j ≥0
k ≥0
Z
X dµ +
Z
Y dµ .
S
Aj \
3.1 Definition des Integrals
49
Wir erweitern nun das Integral auf beschränkte meßbare Funktionen X, die auf
dem Komplement einer Menge A endlichen Maßes verschwinden: Seien Y, Z einc
fache integrierbare Funktionen,R die auf
und die die Beziehung
R A verschwinden
R
Y ≤ X ≤ Z erfüllen, dann soll Y ≤ X ≤ Z gelten, also definieren wir:
Z
X dµ: = sup
Y≤X
Z
Y dµ = inf
Z≥X
Z
Z dµ
(22)
Wir müssen nur noch zeigen, daß das Supremum mit dem Infimum übereinstimmt. Nach Lemma 3.1.1 ist das Supremum kleiner gleich dem Infimum. Andererseits existieren nach (dem Beweis zu) Proposition 2.6.1 einfache Funktionen
Yn , Zn mit Yn ≤ X ≤ Zn und Zn − Yn ≤ 2−n .
Lemma 3.1.2 Seien X, Y beschränkte meßbare Funktionen, die auf dem Komplement
einer Menge A endlichen MaßesR verschwinden.
Dann gilt:
R
1. Falls X ≥ Y f.ü., dann
R folgt: X dµ
R ≥ Y dµ.
2. F
R ür alle λ ∈ R Rgilt: λX Rdµ = λ X dµ.
R
R
3. X + Y dµ = X dµ + Y dµ und | X dµ| ≤ | X | dµ.
Im nächsten Schritt definieren wir das Integral für beliebige nicht negative meßbare Funktionen X durch:
Z
o
nZ
Y dµ : 0 ≤ Y ≤ X, Y beschränkt und µ(Y > 0) < ∞ . (23)
X dµ: = sup
Lemma 3.1.3 Sei An ↑ Ω eine Folge in F mit µ( An ) < ∞, dann gilt für jede meßbare
Funktion X : Ω → [0, ∞]:
Z
An
X ∧ n dµ ↑
Z
X dµ .
B EWEIS : Nach Lemma 3.1.2 ist die Folge auf der linken Seite monoton steigend
und nach Definition stets kleiner gleich der rechten. Sei 0 ≤ Y ≤ X eine durch M
beschränkte, meßbare Funktion mit µ(Y > 0) < ∞, dann gilt für alle n ≥ M nach
Lemma 3.1.2:
Z
Z
X ∧ n dµ ≥
Y dµ
An
An
und da µ(Y > 0) < ∞ folgt nach Proposition 2.1.5:
0≤
Z
Acn
Y dµ ≤ Mµ( Acn ∩ [Y > 0]) → 0
mit n → ∞ .
3 INTEGRATIONSTHEORIE
50
Lemma 3.1.4 Seien X, Y : ΩR → [0, ∞]Rmeßbare Funktionen. Dann gilt:
1. Falls X ≥ Y f.ü., dannR ist X dµ ≥R Y dµ.
+
2. F
R ür alle λ ∈ R R gilt: λX
R dµ = λ X dµ.
3. X + Y dµ = X dµ + Y dµ.
4. Es gibt eine Folge einfacher, integrierbarer Funktionen Xn , so daß Xn ↑ X.
B EWEIS : 3. Falls X ≥ X1 , Y ≥ Y1 , dann ist X + Y ≥ X1 + Y1 und folglich:
Z
X + Y dµ ≥
sup
X1 ≤ X,Y1 ≤Y
Z
X1 dµ +
Z
Y1 dµ =
Z
X dµ +
Z
Y dµ .
Andererseits ist ( X + Y ) ∧ n ≤ X ∧ n + Y ∧ n, also folgt nach Lemma 3.1.3 die
umgekehrte Ungleichung.
4. Dies folgt unmittelbar aus Lemma 3.1.3 und Proposition 2.6.1.
Schließlich definieren wir das Integral für integrierbare Funktionen:
R
Definition 3.1.5 Eine meßbare Funktion X heißt integrierbar, wenn | X | dµ < ∞. X
heißt integrierbar über A ∈ F , wenn XI A integrierbar ist.
Ist X integrierbar und X + : = X ∨ 0, X − : = − X ∨ 0, dann sind 0 ≤ X + , X − ≤ | X |
und X = X + − X − und folglich ist
Z
X dµ: =
Z
+
X dµ −
Z
X − dµ ∈ R .
Lemma
3.1.6
R
R Seien X, Y, Z integrierbar, Y, Z ≥ 0 und X = Y − Z. Dann gilt:
Y dµ − Z dµ.
(24)
R
X dµ =
B EWEIS : Da X + + Z = X − + Y und beide Seiten nicht negativ sind, folgt nach
Lemma 3.1.4:
Z
Z
Z
Z
+
−
X dµ + Z dµ = X dµ + Y dµ
Aufgrund der Integrierbarkeit sind alle vier Terme nicht negativ und < ∞.
Proposition 3.1.7 Seien X, Y
R integrierbare
R Funktionen. Dann gilt:
1. Falls X ≥ Y f.ü., dann
R ist X dµ ≥
R Y dµ.
2. F
R ür alle λ ∈ R Rgilt: λX Rdµ = λ X dµ.
R
R
3. X + Y dµ = X dµ + Y dµ. und | X dµ| ≤ | X | dµ.
4.
R Zu jedem ε > 0 gibt es eine einfache integrierbare Funktion Z, mit der Eigenschaft:
| X − Z | dµ < ε.
3.1 Definition des Integrals
51
B EWEIS : 3. X + Y = ( X + + Y + ) − ( X − + Y − ), also folgt nach Lemma 3.1.6 und
Lemma 3.1.4:
Z
Z
X + Y dµ =
Z
=
+
+
X + Y dµ −
+
X dµ +
Z
Z
X − + Y − dµ
+
Y dµ −
Z
−
X dµ −
Z
Y − dµ .
4. Nach Proposition 2.6.1 gilt dies für jede beschränkte, meßbare Funktion X, die
auf dem Komplement einer Menge endlichen Maßes verschwindet. Sei X ≥ 0
integrierbar, dann gibt es aber nach Lemma 3.1.3 für alle ε > 0 eine beschränkte,
meßbare Funktion Y, die auf demRKomplement
einer Menge endlichen Maßes
R
verschwindet, mit 0 ≤ Y ≤ X und Y dµ > X dµ + ε.
S PEZIELLE N OTATIONEN: 1. Ist (Ω, F , P) ein Wahrscheinlichkeitsraum, so heißt
jede meßbare Abbildung X : (Ω, F ) → (R, B) eine Zufallsvariable. Ferner schreiben wir für jede integrierbare Zufallsvariable und jede Menge A ∈ F :
EX: =
Z
X dP
und
E( X; A): =
Z
A
X dP .
(25)
Außerdem sagen wir in diesem Fall, daß eine Aussage fast sicher (f.s.) gilt, wenn
sie P-f.ü. gilt.
2. Falls (Ω, F , µ) = (Rn , B , λ) und f : Rn → R integrierbar, dann schreiben wir
auch
Z
Z
Z
Z
f ( x ) dx: =
f dλ und
f ( x ) dx: =
f dλ
(26)
A
A
3. Falls (Ω, F , µ) = (R, B , µ F ) und f : R → R integrierbar, dann schreiben wir
für a, b ∈ R:
R
Z b
Rf I(a,b] dµ F falls a ≤ b
f ( x ) dF ( x ): =
− f I(b,a] dµ F falls a > b
a
4. Ist Ω abzählbar, F = P (Ω) und µ das Zählmaß, so schreiben wir
∑
ω ∈Ω
f ( ω ): =
Z
f dµ .
(27)
Beispiel: Sei µ das diskrete Maß µ = ∑ j p j δω j mit p j > 0. Dann gilt für jede
R
Funktion X : Ω → [0, ∞]: X dµ = ∑ j X (ω j ) p j .
R∞
Beispiel: Für alle a > 1 gilt: 1 x −a dx = ( a − 1)−1 , denn nach Lemma 3.1.3 sowie
R∞
Rn
dem Hauptsatz ist 1 x −a dx = limn 1 x −a , dx = limn (1 − n1−a )/( a − 1) = ( a −
1 ) −1 .
Beispiel: Für alle a ist die Funktion f ( x ) = log x über (0, 1) integrierbar. WiederR
R1
um nach Lemma 3.1.3 sowie dem Hauptsatz folgt: | f ( x )| dx = limn 1/n − log x dx =
1 − limn (log n + 1)/n = 1.
3 INTEGRATIONSTHEORIE
52
3.2 Konvergenzsätze
Proposition 3.2.1 (Beschränkte Konvergenz) Sei µ( A) < ∞ und Xn eine Folge
meßbarer Funktionen, so daß für alle n ∈ N: Xn | Ac = 0 und | Xn | ≤ M. Falls Xn
im Maß gegen X konvergiert, dann gilt:
Z
X dµ = lim
n
Z
Xn dµ .
B EWEIS : Sei ε > 0, An : = [| Xn − X | ≤ ε] und Bn = A \ An , dann folgt:
Z
Z
Z
X dµ − Xn dµ ≤
An
| X − Xn | dµ +
Z
Bn
| X − Xn | dµ
≤ εµ( A) + 2Mµ( Bn ) .
Satz 3.2.2 (Lemma von Fatou) Seien Xn nicht negative meßbare Funktionen, dann
gilt:
lim inf
n
Z
Xn dµ ≥
Z
lim inf Xn dµ .
n
B EWEIS : Sei Yn : =
R infm≥Rn Xm , dann ist Xn ≥ Yn und Yn ↑ lim inf
R Xn =R: Y. Nach
Lemma 3.1.4 ist Xn ≥ Yn , also genügt es zu zeigen, daß lim Yn ≥ Y. Seien
Am ↑ Ω mit µ( Am ) < ∞, dann gilt für alle m ∈ N: (Yn ∧ m) I Am ↑ (Y ∧ m) I Am .
Nach dem Satz von der beschränkten Konvergenz (Proposition 3.2.1) folgt daher:
lim
n
Z
Yn dµ ≥ lim
n
Z
Am
Yn ∧ m dµ =
Z
Am
Y ∧ m dµ .
Die Behauptung folgt nun aus Lemma 3.1.3.
Satz 3.2.3 (Monotone Konvergenz) Sei Xn eine Folge nicht negativer meßbarer Funktionen, so daß Xn ↑ X. Dann gilt:
lim
Z
Xn dµ =
Z
X dµ .
B EWEIS : Nach dem Lemma von
R Fatou
R gilt: lim inf
nach Lemma 3.1.4 für alle n: Xn ≤ X.
R
Xn ≥
R
X. Andererseits gilt
3.2 Konvergenzsätze
53
R
R
Beispiel: Sind Xn nicht negativ und meßbar, so gilt: ∑ Xn dµ = ∑ Xn dµ. Dies
folgt aus dem Satz von der monotonen Konvergenz angewandt auf die Partialsummen Sn : = X1 + · · · + Xn .
Ist X : Ω → [0, ∞] eine nicht Rnegative meßbare Funktion auf dem Maßraum
(Ω, F , µ), so ist durch ν( A): = A X dµ, A ∈ F , ein Maß auf (Ω, F ) definiert –
dies folgt unmittelbar aus dem Satz von der monotonen Konvergenz. Falls µ( X =
∞) = 0, dann ist ν σ-endlich – man sagt, ν besitzt bezüglich
µ dieRDichte X. Für
R
jede weitere nicht negative meßbare Funktion Y gilt: Y dν = XY dµ. Diese
Beziehung gilt nach Definition für alle Indikatorfunktionen Y = I A und nach
Konstruktion des Integrals für alle nicht negativen meßbarenR Funktionen.
Schließlich ist Y genau dann integrierbar bezüglich ν, wenn |Y | X dµ < ∞.
Beispiel: Ist F : R → R eine stetig differenzierbare Verteilungsfunktion,
R
R so gilt′ für
jede nicht negative, meßbare Funktion f : R → [0, ∞]: f ( x ) dF ( x ) = f ( x ) F ( x ) dx:
Rb
Da F ′ stetig ist, gilt für alle a < b nach dem Hauptsatz: a F ′ ( x ) dx = F (b) −
F ( a) = µ F (( a, b]) und damit besitzt das Maß µ F bezüglich des Lebesguemaßes
die Dichte F ′ .
Satz 3.2.4 (Dominierte Konvergenz) Falls Xn fast überall (oder im Maß) gegen X
konvergiert und eine integrierbare Funktion Y existiert, so daß für alle n ∈ N: | Xn | ≤ Y,
dann gilt:
Z
Z
lim
n
Xn dµ =
X dµ .
B EWEIS : 1. Xn → X f.ü.: Da Xn + Y ≥ 0, folgt nach dem Lemma von Fatou:
lim inf
n
Z
Xn + Y dµ ≥
Z
X dµ +
Z
Y dµ,
R
R
R
also:
lim
inf
X
≥
X.
Ersetzen
wir
X
durch
−
X
,
so
folgt:
lim
sup
Xn ≤
n
n
n
R
X.
2. Nach Lemma 2.6.7 besitzt jede Teilfolge von Xn eine
R f.ü. gegen X konvergente
R
Teilfolge, also folgt nach 1., daß jede RTeilfolge von XnR eine gegen X konvergente Teilfolge besitzt, d.h. aber, daß Xn selber gegen X konvergiert.
Eine Erweiterung des Satzes von der dominierten Konvergenz geht auf J. W.
Pratt zurück: Seien Xn , Yn , Zn Folgen integrierbarer Funktionen, die im Maß oder
f.ü. Rgegen X, Y,
R Z konvergieren.
R Falls Y,R Z integrierbar sind, RYn ≤ Xn R≤ Zn ,
lim Yn dµ = Y dµ und lim Zn dµ = Z dµ,
R dann gilt: lim Xn dµ = X dµ.
Gilt darüber hinaus Yn ≤ 0 ≤ Zn , so folgt: lim | Xn − X | dµ = 0.
Parameterintegrale: Sei T ein metrischer Raum, (Ω, F , µ) ein Maßraum und f :
T × Ω → R eine Abbildung mit folgenden Eigenschaften:
1. Für alle ω ∈ Ω ist f ω : t 7→ f (t, ω ) stetig.
3 INTEGRATIONSTHEORIE
54
2. Für alle t ∈ T ist f t : ω 7→ f (t, ω ) meßbar.
3. Zu jedem t ∈ T existiert ein ε > 0, so daß sup{| f (s, ω )| : s ∈ B(t, ε)} integrierbar ist.
Dann ist die durch
Z
F ( t ): =
f (t, ω ) µ(dω )
(28)
definierte Funktion F : T → R nach dem Satz von der dominierte Konvergenz 3.2.4 – stetig.
Sei insbesondere T = ( a, b), f ω differenzierbar und zu jedem t ∈ T existiert ein
ε > 0, so daß g(ω ): = sup{|∂s f (s, ω )| : s ∈ B(t, ε)} integrierbar ist. Dann ist F
differenzierbar und es gilt:
′
F (t) =
Z
∂t f (t, ω ) µ(dω ) .
(29)
Denn sei t ∈ ( a, b) und hn 6= 0 eine Nullfolge, so daß t + hn ∈ ( a, b) ∩ B(t, ε);
nach dem Zwischenwertsatz folgt dann:
1
hn ( f ( t + h n , ω ) −
f (t, ω )) = ∂t f (t + shn , ω ) .
Da für alle s ∈ [0, 1] und alle n ∈ N: |∂t f (t + shn , ω )| ≤ g(ω ), folgt die Behauptung aus dem Satz von der dominierten Konvergenz 3.2.4.
Beispiel: Sei f : R+ × (0, π/2] → R die Abbildung (t, x ) 7→ sint x und F (t): =
R π/2
R π/2
f (t, x ) dx. Dann ist F stetig differenzierbar und F ′ (t) = 0 log(sin x ) sint x dx.
0
Da |∂t f (t, x )| = | log(sin x ) sint x | ≤ | log(2x/π )| und supt |∂t f (t, x )| = | log(2x/π )|
auf (0, π/2) integrierbar ist, folgt die Behauptung.
Proposition 3.2.5 (Chebyshev) Sei f : R0+ → R0+ monoton steigend, dann gilt die
Chebyshev Ungleichung
f (t)µ(| X | > t) ≤
Z
f (| X |) dµ .
Unter einer konvexen Funktion ϕ : ( a, b) → R versteht man eine Funktion mit
der Eigenschaft: aus x, y ∈ ( a, b) und 0 ≤ t ≤ 1 folgt: ϕ((1 − t) x + ty) ≤ (1 −
t) ϕ( x ) + tϕ(y).
Satz 3.2.6 (Jensen) Sei (Ω, F , P) ein Wahrscheinlichkeitsraum, ϕ : ( a, b) → R konvex
und X integrierbar (oder nicht negativ) mit Werten in ( a, b). Falls ϕ( X ) integrierbar
(oder nicht negativ) ist, dann gilt die Jensen-Ungleichung:
Eϕ( X ) ≥ ϕ(EX ) .
Ist ϕ strikt konvex, so gilt Gleichheit genau dann, wenn X f.s. konstant ist.
3.3 Die L p Räume
55
B EWEIS : Seien an ↓ a und bn ↑ b Folgen in R. Da ϕ konvex ist, existiert zu jedem
x0 ∈ ( a, b) ein c ∈ R, so daß für alle x ∈ ( a, b): ϕ( x ) ≥ ϕ( x0 ) + c( x − x0 ). Setzen
wir x = Xn : = XIan ≤X ≤bn und x0 = EXn , so folgt nach Integration: Eϕ( Xn ) ≥
ϕ(EXn ).
Beispiel: Seien x1 , . . . , xn ∈ R+ und λ1 , . . . , λn ∈ (0, 1), so daß ∑ λ j = 1. Setzen
wir y j : = log x j , so ist µ: = ∑ λ j δy j ein diskretes Wahrscheinlichkeitsmaß auf R.
Da ϕ( x ): = e x konvex ist, folgt nach der Jensen-Ungleichung für X : R → R,
X ( x ) = x die Ungleichung zwischen geometrischem und arithmetischem Mittel,
kurz GM-AM-Ungleichung:
λj
∏ x j = exp ∑ y j λ j ≤ ∑ eyj λ j = ∑ x j λ j .
j
j
j
j
2. Seien 0 < c < C Konstanten und X eine Zufallsvariable mit c ≤ X ≤ C. Dann
gilt für alle −∞ < p ≤ q < ∞ die Mittelungleichung (EX p )1/p ≤ (EX q )1/q . Die
Funktion ϕ(t) = tq/p ist für 0 < q/p < 1 konkav (i.e. − ϕ ist konvex) und sonst
konvex. Falls p > 0 ist, dann ist ϕ stets konvex (da q ≥ p > 0); falls p < 0 ist,
dann ist ϕ stets konkav (da 0 < p ≤ q). Nach der Jensen-Ungleichung gilt also
für p > 0: (EX p )q/p = ϕ(EX p ) ≤ Eϕ( X p ) = EX q ; die Funktion t 7→ t1/q ist aber
monoton steigend, also folgt in diesem Fall: (EX p )1/p ≤ (EX q )1/q . Für p < 0
und 0 > q ≥ p ist ϕ konkav, also: (EX p )q/p = ϕ(EX p ) ≥ Eϕ( X p ) = EX q ; die
Funktion t 7→ t1/q ist aber nun monoton fallend, somit folgt auch in diesem Fall:
(EX p )1/p ≤ (EX q )1/q . Schließlich sind für p < 0 und q > 0 ϕ wiederum konvex
und t 7→ t1/q monoton steigend.
3.3 Die L p Räume
Sei 0 < p < ∞, dann ist der Raum L p (Ω, F , µ) definiert durch
Z
n
o
p
L p (Ω, F , µ): = X ∈ M (Ω, F , µ) :
| X | dµ < ∞ .
(30)
Für p = 0 bzw. p = ∞ seien L0 (Ω, F , µ) = M (Ω, F , µ) bzw.
L∞ (Ω, F , µ): = { X ∈ M (Ω, F , µ) : ∃ M ∈ R : µ(| X | > M ) = 0} .
(31)
Da (| x | + |y|) p ≤ 2 p (| x | p + |y| p ) sind sämtliche L p Räume Vektorräume. Sei ϕ0 :
[0, ∞] → [0, 1] die Funktion t 7→ t/(1 + t). Nun definieren wir auf den L p -Räumen
folgende Funktionen:

inf{ ϕ0 (t + Rµ(| X | > t)) : t > 0} falls p = 0



p
falls 0 < p < 1
R | Xp| dµ1/p
kXk p : =
( | X | dµ)
falls 1 ≤ p < ∞



inf{ M : µ(| X | > M ) = 0}
falls p = ∞
3 INTEGRATIONSTHEORIE
56
Wir werden im weiteren zeigen, daß k.k p für 1 ≤ p ≤ ∞ eine Norm auf L p (µ) ist
und für 0 ≤ p < 1 ist ( X, Y ) 7→ k X − Y k p eine Metrik auf L p (µ). Die dermaßen
normierten bzw. metrisierten Vektorräume bezeichnen wir gleichfalls mit L p (µ)
oder einfach L p . Zunächst folgt aus der elementaren Ungleichung
∀ x, y ∈ R ∀ p ∈ (0, 1] :
| x + y| p ≤ | x | p + |y| p ,
daß ( X, Y ) 7→ k X − Y k p für 0 < p ≤ 1 eine Metrik auf L p (µ) ist. Damit ist aber
auch k.k1 eine Norm auf L1 (µ).
Für alle X, Y ∈ L0 und s, t > 0 gilt: [| X + Y | > s + t] ⊆ [| X | > s] ∪ [|Y | > t], also:
k X + Y k0 = inf{ ϕ0 (s + t + µ(| X + Y | > s + t)) : s, t > 0}
≤ inf{ ϕ0 (s + µ(| X | > s)) + ϕ0 (t + µ(|Y | > t)) : s, t > 0}
= k X k 0 + kY k 0 ,
i.e. ( X, Y ) 7→ k X − Y k0 ist eine Halbmetrik auf L0 (µ) und da aus k X k0 = 0 folgt:
µ(| X | > 0) = 0, ist ( X, Y ) 7→ k X − Y k0 eine Metrik.
Lemma 3.3.1 (Young) Sei ϕ : ( a, b) → ( ϕ( a), ϕ(b)) stetig und streng monoton steigend mit der inversen ψ. Dann gilt für alle x ∈ ( a, b) und alle y ∈ ( ϕ( a), ϕ(b)):
xy − aϕ( a) ≤
Z x
a
ϕ(t) dt +
Z y
ϕ( a)
ψ(s) ds
und Gleichheit gilt genau dann, wenn y = ϕ( x ).
B EWEIS : Setzen wir ϕ1 : (0, b − a) → (0, ϕ(b) − ϕ( a)), ϕ1 ( x ): = ϕ( x + a) − ϕ( a),
so folgt: ψ1 (y) = ψ(y + ϕ( a)) − a und wir können o.B.d.A. annehmen, daß a =
ϕ( a) = 0.
y
Ry
0
ϕ −1
Rx
0
ϕ
x
3.3 Die L p Räume
57
Wir benötigen das Lemma für ( a, b) = R+ und ϕ( x ) = x p−1 , p > 1. Dann ist
ψ(y) = yq−1 mit 1/p + 1/q = 1.
Proposition 3.3.2 (Hölder) Seien p, q ≥ 1, 1/p + 1/q = 1 und X ∈ L p (µ), Y ∈
Lq (µ). Dann gilt:
Z
XY dµ ≤ k X k p kY kq .
Gleichheit gilt im Fall p > 1 genau dann, wenn Y = λsign( X )| X | p−1 . Ferner ist für
alle 1 ≤ p ≤ ∞ und alle X ∈ L p (µ):
o
nZ
≤
1
.
XY
dµ
:
Y
=
sup
X
k kq
k kp
B EWEIS : Die Ungleichung ist für p = 1 trivial. Sei p > 1 und o.B.d.A. X, Y ≥ 0,
dann folgt aus Lemma 3.3.1 für ϕ( x ) = x p−1 : xy ≤ x p /p + yq /q. Setzen wir
x = X/ k X k p , y = Y/ kY kq , so folgt die Behauptung nach Integration und Gleichheit gilt nur für Y = λX p−1 . Sei X ∈ L p (µ) mit k X k p = a > 0, dann ist Y: =
R
a− p/q sign( X )| X | p−1 in Lq (µ) mit kY kq = 1 und XY dµ = a.
Für p = q = 2 ist dies eine Form der Cauchy-Schwarz Ungleichung.
Proposition 3.3.3 (Minkowski) Sei p ≥ 1, dann gilt für alle X, Y ∈ L p (µ):
k X + Y k p ≤ k X k p + kY k p .
2. Falls 0 < p ≤ 1 und X, Y ≥ 0, dann gilt:
1/p
.
≥ k X k1/p
k X + Y k1/p
p + kY k p
p
B EWEIS : Nach Proposition 3.3.2 ist k.k p für p ≥ 1 konvex, also:
1
2 X + 12 Y ≤ 12 (k X k p + kY k p ) .
p
Sei 0 < p < 1, X, Y ≥ 0, x = k X k p , y = kY k p und r = 1/p, dann folgt mit
r −1 + s−1 = 1:
1/p p
r
r 1/r
= sup{ ax + by : a, b ≥ 0, as + bs ≤ 1},
(k X k1/p
p + kY k p ) = ( x + y )
somit ist die behauptete Ungleichung
mit der Aussage, daß für
R p
R gleichbedeutend
R
s
s
p
p
alle a, b ≥ 0, a + b = 1: a X + b Y ≤ ( X + Y ) . Nun ist aber
Z
p
p
( aX + bY ) ≤
Z
p
p
sup ( aX + bY ) =
a s + b s =1
Z
rp
rp 1/r
(X + Y )
=
Z
(X + Y) p .
3 INTEGRATIONSTHEORIE
58
Für q ≥ p ist die Funktion t 7→ tq/p auf R+ konvex, also folgt nach der JensenUngleichung 3.2.6: (E| X | p )1/p ≤ (E| X |q )1/q , d.h. für ein Wahrscheinlichkeitsmaß
P gilt: Lq (P) ⊆ L p (P) und k.k p ≤ k.kq .
Beispiel: Sei X ≥ 0 eine Zufallsvariable, dann gilt lim p→∞ (EX p )1/p = k X k∞ :
Die Funktion F ( p): = (EX p )1/p ist monoton steigend, also existiert der Limes in
[0, ∞]. Falls X ∈ L∞ (P), dann folgt: F ( p) ≤ k X k∞ . Fall c: = lim F ( p) < ∞, dann
folgt nach der Chebyshev Ungleichung für alle ε > 0 und alle p > 0: P( X >
c + ε) ≤ (1 + ε/c)− p , i.e. P( X > c + ε) = 0 und damit k X k∞ ≤ c.
Beispiel: Seien 1 ≤ p1 ≤ p ≤ p2 ≤ ∞ und λ ∈ (0, 1) so bestimmt, daß 1/p = (1 −
λ)/p1 + λ/p2 . Für alle X ∈ L p1 (µ) ∩ L p2 (µ) gilt die Interpolationsungleichung:
p
p
λ
k X kλp2 . Seien s = p(1−1 λ) und t = pλ2 , dann ist s−1 + t−1 = 1 und
k X k p ≤ k X k1p−
1
Z
|X|
p
=
=
Z
|X|
Z
(1−λ) p+λp
|X|
p1
≤
Z
(1−λ) p/p1 Z
|X|
(1−λ) ps
| X | p2
1/s Z
λp/p2
| X |λpt
1/t
.
Beispiel: Sei 0 < c ≤ X ≤ C eine Zufallsvariable, dann ist die Funktion F ( p): =
(EX p )1/p glatt und es gilt: lim p→0 (EX p )1/p = exp(E log X ). Sei G ( p) = F ( p) p ;
G ist nach dem Abschnitt über Parameterintegrale differenzierbar mit der Ableitung: G ′ ( p) = E log( X ) X p – mittels Induktion folgt daraus, daß G und damit
F glatt sind. Schließlich ist log F ( p) = log G ( p)/p, nach z.B. dem Satz von der
beschränkten Konvergenz folgt:
log G ( p)
G′ ( p)
E log( X ) X p
= lim
= lim
= E log( X ) .
p →0
p →0 G ( p )
p →0
p
EX p
lim log F ( p) = lim
p →0
Vollständigkeit von L p (µ): Wir zeigen nun, daß sämtliche L p Räume vollständige
metrische Räume sind; insbesondere sind die Räume L p für 1 ≤ p ≤ ∞ Banachräume und L2 ein Hilbertraum. Zunächst der Fall p = 0:
Proposition 3.3.4 Der metrische Raum L0 (µ) ist vollständig.
B EWEIS : Wir zeigen zunächst, daß eine Folge meßbarer Funktionen genau dann
eine Cauchy-Folge in L0 (µ) ist, wenn sie eine Cauchy-Folge im Maß ist: Falls
µ(| X | > ε) < δ, dann ist k X k0 ≤ ϕ0 (ε + δ). Andererseits existiert zu jedem ε > 0
ein t > 0, so daß ϕ0 (t + µ(| X | > t)) ≤ k X k0 + ε, also:
µ(| X | > t) ≤
k X k0 + ε
1−k X k0 −ε
und
t≤
k X k0 + ε
1−k X k0 −ε
.
Da jede Cauchy-Folge nach Lemma 2.6.7 eine konvergente Teilfolge besitzt, muß
sie selbst konvergieren.
3.3 Die L p Räume
59
R
B EMERKUNGEN: 1. Falls µ endlich ist, dann ist ϕ0 (| X − Y |) dµ eine Metrik auf
L0 (µ), die dieselben Cauchy-Folgen wie die oben definierte Metrik auf L0 (µ) besitzt (cf. Übungen).
2. Nach der Chebyshev-Ungleichung
3.2.5 gilt für jede Funktion X ∈ L p (µ):
R
µ(| X | > t) ≤ t− p | X | p dµ, also ist jede Cauchy Folge in L p (µ) eine CauchyFolge in L0 (µ).
Satz 3.3.5 Für alle 0 ≤ p ≤ ∞ ist L p (µ) vollständig.
B EWEIS : Sei An ∈ F , An ↑ Ω mit µ( An ) < ∞ und ϕn ( X ): = k I An | X | ∧ nk p . Nach
dem Satz von der beschränkten Konvergenz ist ϕn : L0 (µ) → [0, ∞] stetig und
es gilt: k X k p = supn ϕn ( X ), i.e. k.k p ist auf L0 (µ) von unten halbstetig und die
Behauptung folgt aus Lemma 1.3.6.
Dichte Teilmengen von L p (µ): Sei X ∈ L p (µ), 0 < p < ∞ und An wie oben.
Setzen wir Xn : = XI[|X |≤n]∩ An , so folgt aus dem Satz von der dominierten KonR
vergenz: limn | X − Xn | p = 0. Daher liegen die beschränkten meßbaren Funktionen, die auf dem Komplement einer Menge endlichen Maßes verschwinden,
dicht in L p (µ). Nach Proposition 2.6.1 liegen dann auch die einfachen integrierbaren Funktionen dicht in L p (µ). Ist weiters A eine Algebra mit σ (A) = F , so liegen
damit nach Lemma 2.3.1.1 die einfachen integrierbaren Funktionen X = ∑ x j I A j
mit A j ∈ A dicht in L p (µ)!
Der folgende Satz zeigt, daß die beschränkten Lipschitz-Funktionen auf einem
Polnischer Raum Ω dicht liegen in L p (µ), falls µ endlich ist. Eine Lipschitz-Funktion,
die nicht beschränkt ist muß i.a. – selbst wenn µ endlich ist – nicht integrierbar
sein!
Satz 3.3.6 Sei Ω ein Polnischer Raum, 0 ≤ p < ∞ und µ ein endliches Borelmaß auf Ω.
Dann existiert zu jedem ε > 0 und jedem X ∈ L p (µ) eine beschränkte Lipschitz stetige
Funktion Y, so daß k X − Y k p < ε.
B EWEIS : Aufgrund der Regularität des Borelmaßes existiert zu jedem A ∈ B(Ω)
und jedem ε > 0 eine offene Menge U und eine abgeschlossene Menge K, so daß
U ⊇ A ⊇ K und µ(U \ K ) < ε. Sei
Y ( ω ): =
dU c ( ω )
,
dU c ( ω ) + d K ( ω )
dann ist Y Lipschitz stetig (mit der Konstante 1/ inf{dU c (ω ) : ω ∈ K }), 0 ≤
Y ≤ 1, Y |U c = 0, Y |K = 1 und | I A − Y | p ≤ IU \K , also k I A − Y k p < ε. Somit ist
die Aussage des Satzes für alle integrierbaren einfachen Funktionen richtig. Ist
X eine beliebige integrierbare Funktion, so existiert eine einfache integrierbare
Funktion Z, so daß k X − Z k p < ε und zu Z existiert eine beschränkte Lipschitz
stetige Funktion Y mit k Z − Y k p < ε, also: k X − Y k p < 2ε.
60
3 INTEGRATIONSTHEORIE
Ist µ σ-endlich und existiert z.B. eine Folge offener oder abgeschlossener Mengen
Ωn ↑ Ω, so daß µ(Ωn ) < ∞, dann zeigt der obige Beweis, daß die beschränkten
Lipschitz-Funktionen Y, für die ein n ∈ N existiert mit Y |Ωcn = 0, dicht liegen in
L p (µ). Dies ist u.a. für jedes Radonmaß auf einem Gebiet Ω ⊆ Rn erfüllt. In diesem Fall können wir aber noch viel stärkere Forderungen an die approximierenden Funktionen stellen; der Grund hierfür ist folgender: Ist A eine abgeschlossene
Teilmenge eines Gebietes Ω in Rn , so gibt es eine glatte Funktion ϕ A : Ω → [0, 1],
so daß A = [ ϕ A = 0] – cf. Übungen. Ersetzen wir im obigen Beweis die Distanzfunktionen dU c bzw. dK durch ϕU c bzw. ϕK , so erhalten wir folgendes
Korollar 3.3.7 Ist µ ein Radonmaß auf Ω und Cc∞ (Ω) der Raum der glatten Funktionen
mit kompaktem Träger, so ist Cc∞ (Ω) für alle 0 < p < ∞ ein dichter Unterraum von
L p (µ). Ist µ endlich, so ist Cc∞ (Ω) auch dicht in L0 (µ).
Beispiel: Ist z.B. K eine kompakte Teilmenge von Rn oder Cn und µ ein endliches Borelmaß auf K, so bilden die Polynome für alle 0 ≤ p < ∞ einen dichten
Unterraum von L p (K, µ).
Beispiel: 2. Sei σ das normalisierte Haarmaß auf Tn , dann bilden die Funktionen
zα , α ∈ Zn , eine orthonormale Basis des komplexen Hilbertraumes L2 (Tn ): der
von den Funktionen zα , α ∈ Zn , erzeugte Unterraum ist dicht in C (Tn , C) und
damit auch in L2 (Tn ), also genügt es zu zeigen, daß die
zα , α ∈ Zn ,
R αFunktionen
α
α
α
orthonormal sind. Zunächst ist z z̄ = 1 und damit; zR z̄ σ (dz) = 1. DaR σ ein
Haarmaß ist, folgt für alle f ∈ L1 (Tn ) Rund alle wR ∈ Tn : f (wz) σR(dz) = f dσ.
Setzen Rwir f (z) = zα z̄ β , so folgt: wα− β f dσ = f (wz) σ (dz) = f dσ, also für
α 6= β: f dσ = 0.
Beispiel: Die Funktionen exp(i ∑ α j x j )/(2π )−n/2 , α ∈ Zn , bilden eine orthonorn
male Basis des komplexen Hilbertraumes
die Funktio√ L2 ([−π, π ] ). Ferner sind √
√
nen sn ( x ): = sin(nx )/ π, c0 ( x ) = 1/ 2π und cn ( x ): = cos(nx )/ π, n ∈ N,
zusammen eine orthonormale Basis des reellen Hilbertraumes L2 [−π, π ].
Proposition 3.3.8 Ist F abzählbar erzeugt, so ist L p (Ω, F , µ) für alle 0 < p < ∞
separabel.
B EWEIS : 1. Ist C ein abzählbares System von Teilmengen von Ω, dann ist A: =
A(C) abzählbar: Sei D das Mengensystem aller endlichen Vereinigungen von
Mengen aus C , D ′ die Menge aller Komplementärmengen von D . Dann ist C1 : =
D ∪ D ′ abzählbar. Auf
analoge Weise konstruieren wir C2 ausgehend von C1 , usw.
S
Das Mengensystem Cn ist dann abzählbar und für A, B ∈ Cn gilt: Ac , A ∪ B ∈
S
Cn+1 und A ∩ B = ( Ac ∪ Bc )c ∈ Cn+2 , i.e. Cn ist eine Algebra.
2. Die Menge der einfachen Funktionen X = ∑ xn I An mit xn ∈ Q, An ∈ A ist
dann dicht und abzählbar.
3.4 Der Transformationssatz
61
Beispiel: Sei an eine orthonormale Basis von L2 (µ) und Prn die orthogonale Projektion auf den von a1 , . . . , an erzeugten Unterraum. Dann gilt für alle f ∈ L2 (µ):
Prn f ( x ) =
Z n
∑ an ( x)ān (y)
k =1
f (y) µ(dy)
Beispiel: Ist E ein separabler Hilberraum mit der orthonormalen Basis en und
aller meßbaren Funktionen X : Ω → E, so daß k X k2 : =
RL2 (µ, E) der Raum
2
∑n |h X, en i| dµ < ∞. Dann ist L2 (µ, E) isometrisch isomorph zur Hilbertsumme ℓ2 ( En ), wobei En : = L2 (µ). Ist weiters ϕn eine orthonormale Basis von L2 (µ),
so bilden die Funktionen ω 7→ ϕn (ω )em , n, m ∈ N, eine orthonormale Basis von
L2 (µ, E).
3.4 Der Transformationssatz
Seien (Ω, F ) und (S, Σ) meßbare Räume und X : (Ω, F ) → (S, Σ). Ist µ ein Maß
auf (Ω, F ), so definieren wir ein Maß µ X auf (S, Σ) durch
∀B ∈ Σ :
µ X ( B ): = µ ( X ∈ B ) .
Man nennt µ X das Bildmaß von µ unter X.
Proposition 3.4.1 Sei Ω eine Menge und X : Ω → S eine Abbildung in den meßbaren
Raum (S, Σ). Eine Abbildung f : Ω → R ist genau dann σ ( X )-meßbar, wenn eine
Σ-meßbare Abbildung g : S → R existiert, so daß f = g( X ).
B EWEIS : Ist f : (Ω, σ ( X )) → (R, B) einfach, also f = ∑ j a j I[X ∈ Bj ] , so ist g: =
∑ a j IBj eine geeignete Funktion. Ist f nicht negativ, so existiert eine Folge nicht negativer einfacher Funktionen f n mit f n ↑ f . Klarerweise ist dann auch gn eine monoton steigende Folge nicht negativer einfacher Funktionen und für g = lim gn
gilt: g( X ) = lim gn ( X ) = lim f n = f .
Satz 3.4.2 (Transformationssatz) Seien (Ω, F , µ) ein Maßraum und X eine meßbare
Abbildung von (Ω, F ) in (S, Σ). Dann gilt für alle nicht negativen meßbaren Funktionen f (bzw. f ( X ) integrierbar):
Z
f ( X ) dµ =
Z
f dµ X .
3 INTEGRATIONSTHEORIE
62
B EWEIS : Die Formel gilt nach Definition für Indikatorfunktionen f und aufgrund
der Linearität des Integrals für einfache, nicht negative Funktionen. Ist f n eine
Folge einfacher Funktionen mit f n ↑ f , dann ist auch f n ( X ) eine Folge einfacher
Funktionen mit f n ( X ) ↑ f ( X ). Nach dem Satz von der monotonen Konvergenz
folgt daher:
Z
f ( X ) dµ = lim
Z
f n ( X ) dµ = lim
Z
f n dµ X =
Z
f dµ X .
Beispiel: Für jede nicht negative meßbare Funktion f : R+ → [0, ∞] gilt:
Z
f (| x − 1/x |) dx =
Z
f ( x ) dx .
Sei X : R+ → R+ die Funktion X ( x ) = | x − 1/x |, dann ist für x ≤ 1: X ( x ) =
1/x − x und für x > 1: X ( x ) = x − 1/x; die Gleichungen 1/x − x = t bzw.
x − 1/x = t besitzen auf [0, 1] bzw. [1, ∞) die Lösungen x1 = −t/2 + (t2 /4 + 1)1/2
bzw. x2 = t/2 + (t2 /4 + 1)1/2 , also folgt: λ( X ≤ t) = x2 − x1 = t, i.e. λ X = λ.
Beispiel: Sei ϕ : ( a, b) → (c, d) eine stetig differenzierbare Bijektion, so daß für
alle x ∈ ( a, b): ϕ′ ( x ) 6= 0. Dann ist die inverse ψ von ϕ stetig differenzierbar und
für jede nicht negative, meßbare Funktion f : (c, d) → [0, ∞] gilt die Substitutionsregel:
Z b
a
f ( ϕ( x )) dx =
Z d
c
f (y)|ψ′ (y)| dy
denn falls ϕ′ > 0, dann ist λ( ϕ ≤ y) = ψ(y) − a, also besitzt das Bildmaß λ ϕ
bezüglich des Lebesguemaßes auf (c, d) die Dichte ψ′ .
Beispiel: Sei f : Rn → [0, ∞) meßbar, so daß für alle t ≥ 0: F (t): = λn ([ f ≤ t])
stetig differenzierbar ist. Ist ϕ ◦ f integrierbar, dann gilt:
Z
Rn
ϕ ◦ f dλ =
Z ∞
0
ϕ(t) F ′ (t) dt
(32)
denn das Bildmaß λ f auf R0+ und das durch ν(dt): = F ′ (t) λ(dt) definierte Maß
Rb
stimmen auf R0+ überein: λ f ( a, b] = λ( a < f ≤ b) = F (b) − F ( a) = a F ′ (t) dt =
ν( a, b].
Beispiel: Ist z.B. k.k eine beliebige Norm auf Rn mit der Einheitskugel B, so gilt
für jede nicht negative meßbare Funktion ϕ : R0+ → [0, ∞]:
Z
n
ϕ(k x k) dx = nλ ( B)
Z ∞
0
ϕ(t)tn−1 dt .
(33)
3.4 Der Transformationssatz
63
Beispiel: Sei Ω = G eine Gruppe mit der Verknüpfung ( x, y) 7→ xy, so daß für
alle x ∈ G die Abbildungen L x , R x : G → G, L x : y 7→ xy bzw. R x : y 7→ yx
meßbar sind. Ein Maß µ auf G heißt ein Haarmaß, wenn für alle x ∈ G und alle
RA ∈ F gilt: µ( xB)R= µ( Bx ) = µ( B). Ist
R dann f integrierbar, so gilt für alle x ∈ G:
f
(
xy
)
µ
(
dy
)
=
f
(
y
)
µ
(
dy
)
=
f (y) µ(dy) – denn µ Lx = µ – und analog
Lx
R
R
f (yx ) µ(dy) = f (y) µ(dy).
Falls G endlich ist, dann gibt es genau ein normalisiertes Haarmaß µ, nämlich
µ( A) = | A|/| G |, wobei |.| das Zählmaß bezeichnet. Auf z.B. kompakten Gruppen gibt es nur ein normalisiertes Borelmaß, das auch ein Haarmaß ist. Aus der
e( B): =
Eindeutigkeit des Haarmaßes µ folgt, daß µ( B) = µ( B−1 ), denn durch µ
−
1
e( G ) = 1, also folgt: µ
e = µ.
µ( B ) ist wiederum ein Haarmaß definiert mit µ
Substitutionsregel in Rn : Wir benötigen im folgenden ein einfaches Resultat:
Sei u : Rn → Rn eine lineare Abbildung, dann gilt für jeden Quader Q in Rn :
λn (u( Q)) = | det u| λn ( Q). Ist also u eine Bijektion, so ist das Bildmaß λu ein
Vielfaches des Lebesguemaßes: λu ( Q) = λ(u−1 ( Q)) = | det u|−1 λn ( Q).
Sind U, V offene Teilmengen von Rn , so versteht man unter einem Diffeomorphismus F : U → V eine stetig differenzierbare Bijektion, so daß auch F −1 : V →
U stetig differenzierbar ist. Nach dem Satz über inverse Funktionen ist eine stetig
differenzierbar Bijektion F : U → V genau dann ein Diffeomorphismus, wenn
für alle x ∈ U gilt: det DF ( x ) 6= 0.
Lemma 3.4.3 Sei Q ein Quader in Rn , U eine offene Umgebung von Q und F : U → V
ein Diffeomorphismus. Dann gilt:
n
λ ( F ( Q)) =
Z
Q
| det DF ( x )| λn (dx ) .
B EWEIS : Sei o.B.d.A. Q = (−1, 1]n . Wir zerlegen Q in N n kongruente, paarweise
disjunkte Teilwürfel Q j mit dem Mittelpunkt q j und der Seitenlänge 2/N. Da DF
auf Q gleichmäßig stetig ist, kann man zu vorgegebenem ε > 0 ein N ∈ N finden,
so daß für alle x ∈ Q j mit u j : = DF (q j ):
F ( x ) = F (q j ) + u j ( x − q j ) + φj ( x − q j )
wobei wir N so groß wählen, daß:
sup sup kφj ( x − q j )k ≤ ε x − q j ,
j
x∈Q j
sup sup | det DF ( x ) − det u j | ≤ ε
j
x∈Q j
Sei ferner C: = sup{ DF ( x )−1 : x ∈ Q} und die Norm als Norm einer linearen
Abbildung von ℓn∞ in sich zu verstehen ist.
Zur Bestimmung des Volumens von F ( Q j ) können wir o.B.d.A. annehmen, daß
n (i.e. q = 0) und F ( q ) = 0. Dann ist für alle x ∈ Q : F ( x ) = u ( x ) +
Q j = N1 B∞
j
j
j
j
3 INTEGRATIONSTHEORIE
64
φj ( x ) und somit erhalten wir für x, y ∈ Q j :
−1
−1
−1
1
ku−
j ( F ( x )) − x − ( u j ( F ( y )) − y )k = k u j ( φ j ( x )) − u j ( φ j ( y ))k
≤ C kφj ( x )) − φj (y))k ≤ Cε k x − yk .
1
Nach Korollar 1.4.2 für X = ℓn∞ folgt: u−
j ( F ( Q j )) ⊇ (1 − Cε ) Q j . Klarerweise ist
1
u−
j ( F ( Q j )) ⊆ (1 + Cε ) Q j , also
(1 − Cε)n | det u j | λn ( Q j ) ≤ λn ( F ( Q j )) ≤ (1 + Cε)n | det u j | λn ( Q j ) .
Ist U eine offene Teilmenge von Rn und F : U → Rn stetig differenzierbar, so
nennt man die Menge Z: = { x ∈ U : det DF ( x ) = 0} die Menge der kritischen
Punkte von F. Der Beweis zu Lemma 3.4.3 zeigt i.w., daß F ( Z ) eine Lebesguesche
Nullmenge ist – dies ist eine Version des Satzes von Sard.
Satz 3.4.4 (Substitutionsregel) Seien U, V offene Teilmengen von Rn und F : U → V
ein Diffeomorphismus. Ist A eine Lebesgue meßbare Teilmenge von U und f : V →
[0, ∞] eine Lebesgue meßbare Abbildung, so gilt:
Z
F ( A)
f (y) λ(dy) =
Z
A
2. Ist F nur stetig differenzierbar, so gilt:
f ( F ( x ))| det DF ( x )| λ(dx ) .
R
F ( A)
f (y) dy ≤
R
A
f ( F ( x ))| det DF ( x )| dx.
B EWEIS : 1. Nach dem Transformationssatz gilt für alle Borelmengen B, die in U
enthalten sind:
Z
Z
f ◦ F ( x ) λ F−1 (dx ) =
f (y) λ(dy) .
B
F ( B)
Nach Lemma 3.4.3 ist aber für alle kompakten Quader Q in U:
λ F−1 ( Q) = λ( F −1 ∈ Q) = λ( F ( Q)) =
Z
Q
| det DF ( x )| λ(dx ),
und nach Proposition 1.5.2
R sowie dem Satz von Caratheodory 2.2.7 folgt, daß die
Maße λ F−1 und ν( B): = B | det DF | dλ auf V übereinstimmen, i.e. λ F−1 besitzt
bezüglich λ die Dichte | det DF ( x )|.
Ist A ⊆ U Lebesgue meßbar, so gibt es Borelmengen B, N ⊆ U mit B ⊆ A ⊆
B ∪R N undR λ( N ) R= 0. Nach 1. gilt aberRλ( F ( N )) = 0, also folgt wiederum nach
1.: A f = B f = F( B) f ( F )| det DF | = F( A) f ( F )| det DF |.
2. Zerlegen wir einen Quader Q in die Mengen Zεc : = [| det DF | > ε] und Zε : =
[| det DF | ≤ ε], so folgt: λn ( F ( Q)) ≤ λn ( F ( Q ∩ Ze )) + λn ( F ( Q ∩ Ze )). Mit ε ↓ 0
konvergiert
der zweite Summand gegen 0 und der erste ist stets beschränkt durch
R
Q | det DF ( x )| dx.
3.5 Der Satz von Fubini
65
Beispiel: Sei a > 0 und F : (1, ∞) × (−1, 1) × (−π, π ) → R3 der Diffeomorphismus
q
q
2
2
(ζ, η, φ) 7→ a (ζ − 1)(1 − η ) cos φ, a (ζ 2 − 1)(1 − η 2 ) sin φ, aηζ
Die Koordinaten (ζ, η, φ) nennt man elliptischen Koordinaten. Für alle meßbaren f : R3 → [0, ∞] gilt:
Z
R3
f ( x ) dx = a
3
Z ∞Z 1 Z π
−1 − π
1
f ( F (ζ, η, φ))(ζ 2 − η 2 ) dφ dη dζ .
Beispiel: Wir betrachten die Gruppe Gl(n, R) der invertierbaren n × n Matrizen
2
als offene Teilmenge von M(n, R) = Rn . Dann ist das durch m(dX ): = | det X |−n λ(dX )
definierte Maß ist ein Haarmaß.
Sei L A : Gl(n, R) → Gl(n, R) die Tranlation X 7→ AX, dann gilt für jede Borelmenge A in Gl(n, R): λ( L A (A) = | det A|n λ(A) und folglich
m( A
−1
A) = m( L A (A) =
Z
LAA
| det Y |
−n
λ(dY ) =
Z
A
| det( AX )|−n | det DL A ( X ) λ(dX )
Analog zeigt man m(A A−1 ) = m(A).
3.5 Der Satz von Fubini
Seien (Ωi , Fi , µi ), i ∈ {1, 2} σ-endliche Maßräume und (Ω, F ) der Produktraum
( Ω1 × Ω2 , F1 ⊗ F2 ).
Proposition 3.5.1 Es existiert genau ein Maß µ = µ1 ⊗ µ2 auf (Ω, F ), so daß für alle
A ∈ F1 und alle B ∈ F2 : µ( A × B) = µ1 ( A)µ2 ( B).
B EWEIS : Da F1 × F2 eine Semialgebra ist, genügt es zu zeigen, daß für alle paarS
weise disjunkten Folgen An × Bn mit An × Bn = A × B gilt: µ( A × B) =
∑ µ( An × Bn ).
A5 × B5
A6 × B6
A4 × B4
A1 × B1
A2 × B2
ω1
A7 × B7
A3 × B3
3 INTEGRATIONSTHEORIE
66
Für ω1 ∈ A sei I (ω1 ): = {n : ω1 ∈ An }, dann ist B =
j, k ∈ I (ω1 ) sind Bj und Bk disjunkt, also:
I A ( ω1 ) µ 2 ( B ) =
∑
µ2 ( Bn ) =
S
j ∈ I ( ω1 )
Bj und für alle
∑ IAn (ω1 )µ2 ( Bn ) .
n
n ∈ I ( ω1 )
Nach dem Satz von der monotonen Konvergenz 3.2.3 folgt dann: µ1 ( A)µ2 ( B) =
∑ µ1 ( An )µ2 ( Bn ).
Sei X : (Ω, F ) → (R, B), dann bezeichnen wir mit Xω2 bzw. Xω1 die Schnittfunktionen ω1 7→ X (ω1 , ω2 ) bzw. ω2 7→ X (ω1 , ω2 ). Ist C ⊆ Ω, so bezeichnen wir mit
Cω2 bzw. Cω1 die Schnitte {ω1 : (ω1 , ω2 ) ∈ C } bzw. {ω2 : (ω1 , ω2 ) ∈ C }.
Lemma 3.5.2 Für alle C ∈ F ist die Funktion f (ω1 ): = µ2 (Cω1 ) meßbar und es gilt:
Z
f dµ1 = µ(C ) .
B EWEIS : 1. Sei C : = {C ∈ F : Cω1 ∈ F2 }, dann enthält C sämtliche Mengen von
S
S
F1 × F2 und da (C c )ω1 = (Cω1 )c und ( Cn )ω1 = (Cn )ω1 , ist C eine σ-Algebra,
also C = F .
2. Da µ1 und µ2 σ-endlich sind, können wir o.B.d.A. voraussetzen, daß beide
Maße endlich sind. Sei
Z
n
o
D : = C ∈ F : ω1 7→ µ2 (Cω1 ) ist F1 -meßbar und µ2 (Cω1 ) µ1 (dω1 ) = µ(C ) .
Dann enthält D sämtliche Mengen von F1 × F2 , und folglich genügt es zu zeigen, daß D ein λ-System ist. Dies folgt aber aus dem Satz von der monotonen
Konvergenz 3.2.3 sowie der Beziehung ( D \ C )ω1 ) = Dω1 \ Cω1 .
Satz 3.5.3 (Fubini I) Sei X : (Ω, F ) → (R, B), dann ist Xω1 für alle ω1 ∈ Ω1
F
R 2 -meßbar. Falls X ≥ 0 oder falls X integrierbar ist, dann ist die Abbildung ω1 7→
Xω1 dµ2 F1 -meßbar und es gilt:
ZZ
Xω1 (ω2 ) µ2 (dω2 ) µ1 (dω1 ) =
Z
X dµ =
ZZ
Xω2 (ω1 ) µ1 (dω1 ) µ2 (dω2 ) . (34)
B EWEIS : Nach Lemma 3.5.2 gilt (34) für alle Indikatorfunktionen und aufgrund
der Linearität für einfache integrierbare Funktionen. Nach dem Satz von der monotonen Konvergenz 3.2.3 gilt (34) für alle nicht negativen X. Sei schließlich X
integrierbar, dann gilt (34) für X + und X − , und da alle Integrale endlich sind,
folgt (34) auch für integrierbare X.
3.5 Der Satz von Fubini
67
Beispiel: Sei p > 0 und Bnp : = { x ∈ Rn : ∑ j | x j | p < 1}. Dann gilt: λ( Bnp ) =
2n Γ(1 + 1/p)n /Γ(1 + n/p). Sei k x k : = (∑ j | x j | p )1/p , dann folgt:
Z
e
−k x k p
dx =
λ( Bnp )
Z ∞
0
p
ntn−1 e−t dt dx
= λ( Bnp )np−1
Z ∞
0
sn/p−1 e−t dt
= λ( Bnp )np−1 Γ(n/p) = λ( Bnp )Γ(1 + n/p) .
Andererseits ist
Z
e
−k x k p
dx =
Z
e
−|t| p
dt
n
= 2n Γ(1 + 1/p)n .
µ
µ
2
Falls C ∈ F µ und µ(C ) = 0, dann liegt C i.a. nicht in F1 1 ⊗ F
R 2 , jedoch existiert
eine Teilmenge D von Ω mit C ⊆ D, D ∈ F und µ( D ) = 0; da µ2 ( Dω1 ) µ1 (dω1 ) =
µ( D ) = 0, muß µ2 ( Dω1 ) auf dem Komplement einer µ1 -Nullmenge N1 verschwinµ
den. Für alle ω1 ∈ N1c folgt somit: Cω1 ∈ F2 2 und ω1 7→ µ2 (Cω1 ) ist meßbar
µ
bezüglich F1 1 . Definieren wir
n
µ
D : = C ∈ F : ω1 7→ µ2 (Cω1 ) ist
µ
F1 1 -meßbar,
Z
o
µ2 (Cω1 ) µ1 (dω1 ) = µ(C ) ,
so ist D ein λ-System, das F und sämtliche µ-Nullmengen enthält, also D = F µ .
Satz 3.5.4 (Fubini II) Sei X : (Ω, F µ ) → (R, B), dann ist Xω1 für fast alle ω1 ∈ Ω1
µ2
X ≥ 0 oder falls X integrierbar ist, dann ist die Abbildung ω1 7→
RF2 -meßbar. µFalls
1
Xω1 dµ2 F1 -meßbar und es gilt:
ZZ
Xω1 (ω2 ) µ2 (dω2 ) µ1 (dω1 ) =
Z
X dµ =
ZZ
Xω2 (ω1 ) µ1 (dω1 ) µ2 (dω2 ) .
1. Sei µ das Zählmaß auf (N, P (N)) und f (m, m) = 1, f (m + 1, m) = −1 und
sonst 0. Dann folgt: ∑m ∑n f (m, n) = 1 und ∑n ∑m f (m, n) = 0.
2. Sei Ω1 = (0, 1), Ω2 = (1, ∞) und f : Ω1 × Ω2 → R die Funktion ( x, y) 7→
e− xy − 2e−2xy , dann ist
Z 1Z ∞
0
1
f ( x, y) dy dx > 0 und
Z ∞Z 1
1
0
f ( x, y) dx dy < 0 .
Das Haarmaß auf Sn−1 : Für alle Borelmenge A von Sn−1 definieren wir durch
σ ( A) = λn ((0, 1] A)/λn ( B2n ) ein Wahrscheinlichkeitsmaß auf Sn−1 – σ heißt das
normalisierte Haarmaß auf Sn−1 .
3 INTEGRATIONSTHEORIE
68
A
(0, 1] A
b
Da das Lebesguemaß unter linearen Isometrien u : ℓ2n → ℓ2n invariant ist, u(Sn−1 ) =
Sn−1 und u((0, 1] A) = (0, 1]u( A), folgt für jede Borelmenge A von Sn−1 : σ (u( A)) =
σ ( A). Sei nun f : Rn → [0, ∞] meßbar, dann gilt:
Z
f ( x ) dx =
nλ( B2n )
Z ∞Z
0
S n −1
r n−1 f (rζ ) σ (dζ ) dr .
Zunächst ist durch ν((0, r ] × A): = λ( B2n )r n σ ( A) ein Maß auf R+ × Sn−1 definiert
und es gilt nach Fubini:
Z
R + × S n −1
h(r, ζ ) dν = nλ( B2n )
Z ∞Z
0
S n −1
r n−1 h(r, ζ ) σ (dζ ) dr .
Bezeichnet nun F : Rn \ {0} → R+ × Sn−1 die Abbildung x 7→ (k x k , x/ k x k),
dann ist G: = F −1 die Abbildung (r, ζ ) 7→ rζ und damit:
Z
f ( x ) dx =
Z
f ◦ G ◦ F dλ =
Z
R + × S n −1
f ( G (r, ζ )) dλ F .
Nun ist erstens f ( G (r, ζ )) = f (rζ ) und zweitens gilt für jede Borelmenge A von
Sn−1 und alle r > 0:
λ F ((0, r ] × A) = r n λ((0, 1] A) = r n σ ( A)λ( B2n ) = ν((0, r ] × A) .
Cavalieri Prinzip: Sei f : Rm → Rn Borel meßbar. dann ist die Abbildung
F : Rm × Rn → Rm × Rn
( x, y) 7→ ( x, y + f ( x ))
eine Bijektion und sowohl F als auch F −1 sind Borel meßbar; ferner gilt aufgrund
der Translationsinvarianz des Lebesguemaßes nach Fubini:
λ( F ( A × B)) =
Z
A
λn ( B + f ( x )) λm (dx ) = λm ( A)λn ( B) = λ( A × B) .
Aus dem Cavalieri Prinzip folgt, daß für jede lineare Abbildung A : Rn → Rn
und jeden Quader Q gilt: λ( A( Q)) = | det A|λ( Q) (cf. Übungen).
3.5 Der Satz von Fubini
69
Korollar 3.5.5 (Partielle Integration) Sei X eine nicht negative meßbare Funktion auf
(Ω, F , µ) und λ das Lebesguemaß auf R0+ . Dann gilt:
Z
X dµ = µ ⊗ λ({(ω, t) : 0 ≤ t < X (ω )}) =
Z ∞
0
µ( X > t) dt .
Ist f : R+ → R+ stetig differenzierbar monoton steigend und f (0) = 0, so gilt
Z
f ( X ) dµ =
Z ∞
0
f ′ (t)µ( X > t) dt .
B EWEIS : Die Menge C: = {(ω, t) : 0 ≤ t < X (ω )} = [0 ≤ Pr2 < X ◦ Pr1 ] ist
meßbar und nach dem Satz von Fubini folgt:
Z
X dµ =
=
Z Z ∞
0
Z ∞Z
IC (ω, t) dt µ(dω ) = µ ⊗ λ(C )
IC (ω, t) µ(dω ) dt =
0
Z
µ( X > t) dt .
2. In diesem Fall sind beide Integrale gleich
Z
f ′ (t) IC (ω, t) µ ⊗ λ(dω, dt) .
Beispiel: Sei für a > 0, Γ( a): =
alle a, b > 0:
R∞
0
t a−1 e−t dt die Gammafunktion. Dann gilt für
Γ( a)Γ(b) = Γ( a + b)
Z 1
0
t a−1 (1 − t)b−1 dt .
β( a, b): = Γ( a)Γ(b)/Γ( a + b) heißt die Betafunktion.
Wir betrachten die lineare Abbildung T : R2 → R2 , T ( x, y) = ( x, x + y); sie besitzt
die Determinante 1 und bildet des Gebiet (0, ∞)2 auf das Gebiet {(u, v) : 0 < u <
v} ab.
Γ( a)Γ(b) =
=
ZZ
x
a −1 b −1 − x − y
Z ∞Z 1
0
0
y
e
dy dx =
Z ∞Z v
0
0
u a−1 (v − u)b−1 e−v du dv
t a−1 (1 − t)b−1 dtv a+b−1 e−v du dv
= Γ( a + b)
Z 1
0
t a−1 (1 − t)b−1 dt .
Beispiel: Seien an bzw. bm orthonormale Basen der Räume L2 (µ1 ) bzw. L2 (µ2 ).
Dann ist an ⊗ bm (ω1 , ω2 ): = an (ω1 )bm (ω2 ) eine orthonormale Basis von L2 (µ1 ⊗
µ2 ).
3 INTEGRATIONSTHEORIE
70
Sei µ = µ1 ⊗ µ2 und X ∈ L2 (µ), so daß für alle n, m ∈ N:
Z
Z Z
0 = Xan ⊗ bm dµ =
Xan dµ1 bm dµ2 ,
R
Setzen wir f (y): = X ( x, y) an ( x ) µ1 (dx ), so gibt es nach Voraussetzung eine
meßbare Teilmenge Ω2′ von Ω2 mit µ2 (Ω2′c ) = 0, Rso daß f |Ω2′ = 0. Somit verschwindet aber für alle y ∈ Ω2′ die Funktion y 7→ X ( x, y) an ( x ) µ1 (dx ) und damit gibt es zu µ2 fast allen y eine meßbare Teilmenge Ω1 (Ry) mit µ2 (Ω1RR
(y)c ) = 0, so
daß: X ( x, y) = 0. Nach dem Satz von Fubini folgt daher: | X |2 dµ =
| X |2 dµ1 dµ2 =
0, i.e. X = 0.
Beispiel: Sei K ∈ L2 (µ ⊗ µ). Dann gilt für den linearen Operator A : L2 (µ) →
L2 ( µ ):
A( f )( x ): =
Z
k Ak2HS
K (y, x ) f (y) µ(dy),
=
Z
K2 dµ ⊗ µ .
Ist umgekehrt A : L2 (µ) → L2 (µ) ein Hilbert-Schmidt
Operator, so gibt es eine
R
Funktion K ∈ L2 (µ ⊗ µ), so daß: A( f )( x ) = K (y, x ) f (y) µ(dy). Somit ist die
Abbildung L2 (µ ⊗ µ) → HS( L2 (µ), K 7→ A, ein isometrischer Isomorphismus –
dieser Isomorphismus bildet die für f , g ∈ L2 (µ) die Funktion f ⊗ g ∈ L2 (µ ⊗ µ)
auf den Operator f ⊗ g : h 7→ h h, f i g ab.
Wir bemerken zunächst, daß für K ∈ L2 (µ ⊗ µ) gilt: für µ fast alle x liegt K (., x )
in L2 (µ). Sei nun an eine orthonormale Basis von L2 (µ) und k n,m : = hK, an ⊗ am i,
dann ist h Aam , an i = hK, an ⊗ am i und somit
k Ak2HS =
∑ h A(an ), am i2 = ∑ k2n,m = kKk2
.
n,m
n,m
Sei umgekehrt A : L2 (µ) → L2 (µ) ein Hilbert-Schmidt Operator und an eine
orthonormale Basis von L2 (µ). Definieren wir sodann k n,m : = h A( am ), an i, so ist
durch K: = ∑n,m k n,m an ⊗ am eine Funktion K ∈ L2 (µ R⊗ µ) definiert und es gilt:
hK, an ⊗ am i = k n,m = h Aan , am i, also gilt µ-f.ü: Aan = K (., y) an (y) µ(dy).
B EMERKUNG: Ist A : L2 (µ) → L2 (µ) ein stetigerR linearer Operator, so existiert
i.a. keine meßbare Funktion K, so daß A( f )( x ) = K ( x, y) f (y) µ(dy). Z.B für die
identische Abbildung L2 (R) → L2 (R).
Schur-Test für L p (µ): Seien 1/p + 1/q = 1, K : Ω × Ω → R meßbar und b : Ω →
R+ eine meßbare Funktion; existieren Konstanten M1 bzw. M2 , so daß:
Z
|K ( x, y)|b(y)q µ(dy) ≤ M1 b( x )q
Dann ist durch A f ( x ): =
R
und
Z
|K ( x, y)|b( x ) p µ(dx ) ≤ M2 b(y) p .
K ( x, y) f (y) µ(dy) ein stetiger linearer Operator A :
1/q
1/p
L p (µ) → L p (µ) definiert und es gilt: k Ak ≤ M1 M2 .
3.5 Der Satz von Fubini
71
Der Beweis verläuft analog zum Beweis des Schur-Tests für ℓ2 , nur daß wir anstelle der Cauchy-Schwarz-Ungleichung die Hölder-Ungleichung verwenden:
kA f kp ≤
Z Z
| f (y)||K ( x, y)| µ(dy)
Z Z
p
µ(dx )
p
| f (y)||K ( x, y)|1/p+1/q b(y)−1 b(y) µ(dy) µ(dx )
Z Z
p/q
Z
p
−p
≤
|K ( x, y)|b(y)q µ(dy)
| f (y)| |K ( x, y)|b(y) µ(dy)
µ(dx )
=
≤
Z Z
y
p/q
p/q
| f (y)| p |K ( x, y)|b(y)− p M1 b( x ) p µ(dy) µ(dx ) ≤ M1 M2 k f k pp .
4 ANWENDUNGEN
72
4 Anwendungen
4.1 Faltung
Definition 4.1.1 Seien µ, ν zwei beschränkte signierte Maße auf (Rn , B) und f , g ∈
L1 (Rn ). Unter der Faltung µ ∗ ν bzw. f ∗ g versteht man das Maß bzw. die Funktion
µ ∗ ν ( A ): =
Z
µ( A − y) ν(dy)
bzw.
f ∗ g ( x ): =
Z
f ( x − y) g(y) dy .
(35)
Besitzen µ bzw. ν die Dichten f bzw. g bezüglich des Lebesguemaßes λ, so besitzt
µ ∗ ν die Dichte f ∗ g bezüglich λ (cf. Übungen).
Ist F : Rn × Rn → Rn die Abbildung ( x, y) 7→ x + y und A ∈ B , so gilt nach dem
Satz von Fubini:
(µ ⊗ ν) F ( A) = µ ⊗ ν( F
−1
( A)) =
Z
µ( F
−1
( A)y ) ν(dy) =
Z
µ( A − y) ν(dy) .
also µ ∗ ν = (µ ⊗ ν) F ; insbesondere ist die Faltung kommutativ, also: µ ∗ ν = ν ∗ µ
b.z.w. f ∗ g = g ∗ f .
Sei L x f (y): = f (y − x ) die (Links-)Translation; das negative Vorzeichen von x
kommt daher,
R daß mit dieser Definition gilt: L x I A = I A+x . Es folgt dann weiters:
f ∗ g( x ) = Ly f ( x ) g(y) dy.
Lemma 4.1.2 Sei 1 ≤ p < ∞, x ∈ Rn und f ∈ L p (Rn ). Dann ist die Abbildung
x 7→ L x f von Rn in L p (Rn ) gleichmäßig stetig.
B EWEIS : Ist f ∈ Cc (Rn ), so ist die Aussage richtig. Sei nun f ∈ L p (Rn ) und
g ∈ Cc (Rn ) mit k f − gk p < ε, dann folgt mit z = x − y:
L x f − Ly f = k Lz f − f k ≤ k Lz f − Lz gk + k Lz g − gk + k f − gk
p
p
p
p
p
≤ 2 k f − gk p + k Lz g − gk p .
Proposition 4.1.3 1. Sei 1 ≤ p ≤ ∞, f ∈ L p (Rn ), g ∈ L1 (Rn ). Dann gilt k f ∗ gk p ≤
k f k p k g k1 .
2. Sei 1 ≤ p < ∞, f ∈ L p (Rn ), g ∈ Lq (Rn ), 1/p + 1/q = 1. Dann ist f ∗ g
gleichmäßig stetig und beschränkt. Falls darüber hinaus g ∈ Cc∞ (Rn ), so ist f ∗ g glatt
und es gilt: ∂α f ∗ g = (∂α f ) ∗ g.
4.2 Kompakte Teilmengen von L p (Ω)
73
B EWEIS : 1. Folgt aus dem Schur-Test für L p (Rn ) indem wir für b die konstante
Funktion b( x ) = 1 wählen.
2. Sei z = y − x, dann folgt mit der Substitution u → y − u:
| f ∗ g( x ) − f ∗ g(y)| ≤
=
Z
Z
| f ( x − u) − f (y − u)|| g(u)| du
| f (u − z) − f (u)|| g(y − u)| du ≤ k Lz f − f k p k gkq .
Die gleichmäßige Stetigkeit von f ∗ g folgt nun aus Lemma 4.1.2. Ist g ∈ Cc∞ (Rn ),
so folgt nach dem Satz von der dominierten Konvergenz für alle j = 1, . . . , n:
Z
h( x + te j ) − h( x )
= ∂ j g( x − y) g(y) dy = f ∗ ∂ j g( x ) .
lim
t →0
t
Da g ∈ Cc∞ (Rn ), liegen auch sämtliche partiellen Ableitungen von g in Cc∞ (Rn ).
Die Behauptung folgt nun mittels Induktion.
Ist z.B. A ⊆ Rn Lebesgue meßbar und λ( A) > 0, so ist 0 ein innerer Punkt von
A − A, denn f : = I A ∗ I− A ist nach Proposition 4.1.3 stetig, verschwindet auf ( A −
A)c und es gilt: f (0) = λ( A) > 0.
Ist g ∈ L1 (Rn ), so ist durch A f : = f ∗ g ein beschränkter linearer Operator A :
L2 (Rn ) → L2 (Rn ) mit k Ak = k gk1 definiert und der adjungierte Operator ist
A∗ f = f ∗ ǧ, wobei ǧ( x ): = g(− x ).
4.2 Kompakte Teilmengen von L p (Ω)
Im folgenden sei 1 ≤ p < ∞ und Ω eine offene Teilmenge von Rn ; mit L p (Ω)
bezeichnen wir den Raum L p (Ω, B , λ). Zunächst gibt es eine steigende Folge Km
kompakter Teilmengen von Ω, so daß Km ↑ Ω und – aus formalen Gründen –
c
c
d ( Km , Km
+1 ) > 0, etwa Km : = { x ∈ Ω : k x k ≤ m, d ( x, Ω ) ≥ 1/m }.
Satz 4.2.1 Eine beschränkte Teilmenge M von L p (Ω) ist genau dann präkompakt, wenn
lim sup
m
f ∈M
Z
c
Km
| f ( x )| p dx = 0 und
lim sup
Z
y →0 f ∈ M K m
| f ( x + y) − f ( x )| p dx = 0 .
B EWEIS : Die Notwendigkeit folgt nach Satz 1.5.6 aus der Stetigkeit der Abbildungen
Z
Z
( f , m) 7→
c
Km
| f ( x )| p dx,
( f , y) 7→
Km
| f ( x + y) − f ( x )| p dx
auf L p (Ω) × N bzw. L p (Ω) × Br – falls r so bestimmt ist, daß der Abstand von
∂Ω zu Km größer als r ist.
4 ANWENDUNGEN
74
Für die Umkehrung genügt es aufgrund der ersten Bedingung zu zeigen, daß
für alle m die Menge M |Km in L p (Km ) präkompakt ist. Dazu konstruieren wir
c
zu jedem jedem m ∈ N und jedem t < d(Km , Km
+1 ) stetige lineare Abbildungen Jt : L p (Km ) → C (Km ) und I : C (Km ) → L p (Km ). Sodann zeigen wir, daß
erstens: limt↓0 sup f ∈ M k I Jt f − f k L p (Km ) = 0 und zweitens die Menge Jt ( M ) in
C (Km ) präkompakt ist.
Konstruktion von I: Sei I f ( x ) = f ( x ).
R
Konstruktion von Jt : Sei ϕ eine nicht negative stetige Funktion mit ϕ = 1 und
supp( ϕ) ⊆ B1 ; wir setze für t > 0: ϕt ( x ): = ϕ( x/t)/tn und definiere: Jt ( f ): =
( ϕt ∗ f )|Km - nach Proposition 4.1.3.2 ist Jt stetig mit k Jt k ≤ k ϕt kq .
1.
Fubini sowie der Jensen-Ungleichung folgt wegen ϕt ≥ 0,
R Nach dem Satz von
c
ϕt = 1 und I Jt f |Km = 0:
Z Z
p
p
( f ( x − y) − f ( x )) ϕt (y) dy dx
k I Jt f − f k L (K ) =
p
m
≤
≤
Z
Km
Z
Rn
| f ( x − y) − f ( x )| p ϕt (y) dy dx
Km
p
sup Ly f − f L (K ) .
p
m
Rn
y∈supp( ϕt )
Nach Voraussetzung gilt daher: limt↓0 sup f ∈ M k I Jt f − f k L p (Km ) = 0.
2. Nach dem Satz von Arzelà-Ascoli 1.8.8 genügt es zu zeigen, daß Jt ( M ) gleichgradig stetig ist; nach dem Beweis zu Proposition 4.1.3 gilt aber für k x − yk ≤
c
d ( Km , Km
+1 ) und 1/p + 1/q = 1:
sup | Jt f ( x ) − Jt f (y)| ≤ sup L x−y f − f L (K ) k ϕt kq .
p
f ∈M
m +1
f ∈M
Sei nun M eine Teilmenge von C ∞ (Rn ) und K ⊆ Rn kompakt, so daß für alle f ∈
M: supp( f ) ⊆ K. Es ist dann naheliegend, die zweite Bedingung von Satz 4.2.1
mithilfe von Ableitungen auszudrücken: Nach der Jensen-Ungleichung gilt:
p Z 1
Z 1
p
d f ( x + ty)y dt ≤
|d f ( x + ty)y| p dt
| f ( x + y) − f ( x )| = 0
0
Nach Fubini sowie der Translationsinvarianz des Lebesguemaßes folgt:
Z
p
Rn
| f ( x + ty) − f ( x )| dx ≤
=
Z 1Z
0
Z 1Z
0
Rn
p
Rn
|d f ( x )y| dx dt =
Insbesondere folgt für p = 2 mit k f k2H1 (Rn ) : =
sup
f ∈M
Z
Rn
|d f ( x + ty)y| p dx dt
R
Rn
Z
Rn
|d f ( x )y| p dx .
| f ( x )|2 + kd f ( x )k2 dx :
| f ( x + y) − f ( x )|2 dx ≤ kyk2 sup k f k2H1 (Rn ) .
f ∈M
4.2 Kompakte Teilmengen von L p (Ω)
und somit ist M in L2 (Rn ) präkompakt, falls M in H 1 (Rn ) beschränkt ist.
75
76
LITERATUR
Literatur
[1] Patrick Billingsley. Convergence of Probability Measures. Wiley, 1968.
[2] Patrick Billingsley. Probability and Measure, 3rd Edition. Wiley-Interscience,
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[10] Jürgen Elstrodt. Mass- und Integrationstheorie (Springer-Lehrbuch). Springer,
2004.
[11] K. J. Falconer. The Geometry of Fractal Sets (Cambridge Tracts in Mathematics).
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[12] W. Feller. An Introduction to Probability Theory and Its Applications II. Wiley
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[13] Paul R. Halmos. Measure Theory (Graduate Texts in Mathematics). Springer,
1978.
[14] Sadri Hassani. Mathematical Physics. Springer Verlag 1/2/1999, 1999.
[15] E. Hewitt and K. Stromberg. Real and Complex Analysis. Springer, 1965.
[16] John L Kelley. Measure and integration,. Dept. of Mathematics, University of
California], 1969.
[17] Krickberg. Probability Theory. Addison Wesley, 1965.
[18] Michel Loeve. Probability Theory. Van Nostrand company inc, 1963.
[19] Stanislaw Lojasiewicz. An Introduction to the Theory of Real Functions. John
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LITERATUR
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[23] K. R. Parthasarathy. Probability Measures on Metric Spaces (AMS Chelsea Publishing). American Mathematical Society, 2005.
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[30] Kosaku Yosida. Functional Analysis (Springer Classics in Mathematics). Springer, 2003.
Index
B( X, E), 2
B( X, R), 2
C ( X ), 2
C ∞ (Ω), 10
C0 ( X ), 2, 25
Cb ( X ), 2
Cb1 (Ω), 12
Cc (Ω), 25
Cc∞ (Ω), 25
H 1 (Rn ), 74
L( X; Y ), 12
L p (Ω, F , µ), 55
ℓ2n , 2
ℓp, 2
λ-System, 33
limn An , 44
lim infn An , 43
lim supn An , 43
Lip1 ( X ), 6
⊕2 , 17
⊗, 21, 42, 65, 69
π-System, 33
σ-Algebra, 30
σ-Subadditivität, 32
σ-additiv, 31
σ-endlich, 36
c0 , 8
Überdeckung, 8
äusseres Maß, 34
überabzählbar, 1
abgeschlossene Menge, 3
abzählbar, 1
abzählbar erzeugt, 39
additive Mengenfunktion, 31
Algebra, 30
Approximationssatz, 14
Banachraum, 4
Betafunktion, 69
Bildmaß, 61
Borelmaß, 31
Borelmenge, 31
Cauchy-Folge, 4
Cauchy-Folge im Maß, 44
Cauchy-Schwarz Ungleichung, 14
Cavalieri Prinzip, 68
Chebyshev Ungleichung, 54
Diagonalfolge, 9
Diameter, 5
dicht, 4
Dichte, 53
Diffeomorphismus, 63
Diracmaß, 31
diskretes Maß, 31
Durchmesser, 5
dyadische σ-Algebra, 31
einfach integrierbar, 43
einfache Funktion, 43
Einheitskugel, 3
elliptischen Koordinaten, 65
endliches Maß, 31
erzeugte σ-Algebra, 42
Faltung, 72
fast gleichmäßige Konvergenz, 46
folgenkompakt, 8
Fubini Theorem, 66, 67
glatte Funktion, 6
gleichgradig stetig, 25
gleichmäßig stetig, 3
GM-AM-Ungleichung, 55
Gramsche Matrix, 16
Häufungspunkt einer Folge, 9
Hölder-Ungleichung, 57
Haarmaß, 63
Haarmaß auf Sn−1 , 67
Halbmetrik, 2
78
INDEX
Halbnorm, 2
halbstetig, 4
Hauptsatz, 30
Hausdoffmaß, 36
Hausdorffdimension, 36
Hilbert-Schmidt Operator, 22
Hilbertraum, 14
Hilbertsumme, 17
Homöomorphismus, 3
Indikatorfunktion, 43
inneres Produkt, 13
integrierbar, 50
Interpolationsungleichung, 58
Isometrie in, 3
Isomorphismus, 12
Jensen-Ungleichung, 54
Kardinalität, 1
Kern, 12
kompakt, 8
kompakter Operator, 19
Konvergenz f.ü., 45
konvexe Funktion, 54
konvexe Menge, 14
l.s.c., 4
Lax-Milgram-Theorem, 18
Lebesgue meßbar, 38
Lebesguemaß, 27
linearer Operator, 12
Lipschitz stetig, 3
Maß, 31
Maßkonvergenz, 44
Maßraum, 36
meßbare Abbildung, 42
messbarer Raum, 36
Metrik, 2
metrische Topologie, 4
Minimax Prinzip, 21
Minkowski Ungleichung, 57
Mittelungleichung, 55
Monotonie, 32
79
Norm, 2
normaler Operator, 18
Nullfunktion, 44
Nullmenge, 37
offene Menge, 3
Operatornorm, 12
orthogonal, 14
orthogonale Projektion, 15
orthonormale Basis, 16
Parallelogrammgleichung, 14
Polarisationsformel, 14
Polnischer Raum, 10
positiver Operator, 18
Prähilbertraum, 14
präkompakt, 8
Produkt σ-Algebra, 42
punktetrennend, 23
Pythagoras, 14
Quotientennorm, 13
Quotientenraum, 13
Radonmaß, 38
Rand, 3
reguläres Maß, 40
relativ kompakt, 8
Rieszscher Darstellungssatz, 16
Sard, 64
Schur-Test, 17
Schur-Test für L p (µ), 70
schwach kompakt, 11, 16
schwach konvergent, 16
selbstadjungiert, 18
Semialgebra, 30
separabel, 8
Sesquilinearform, 14
Spektralsatz, 20
stetige Abbildung, 3
Stetigkeit von oben, 32
Stetigkeit von unten, 32
Stone-Weierstraß Theorem, 23
Substitutionsregel, 62, 64
80
Teilüberdeckung, 8
Translationsinvarianz, 39
u.s.c., 4
unitärer Operator, 18
universell meßbare Menge, 40
Verteilungsfunktion, 38
vollständig, 4
vollständiger Maßraum, 37
Wahrscheinlichkeitsmaß, 31
Wahrscheinlichkeitsraum, 36
Young Ungleichung, 56
Zählmaß, 31
INDEX
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