Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband Griechenland: Weitere Kredite nur gegen Reformen Standpunkte der Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe 16. Juni 2015 Autoren: Uwe Burkert - LBBW Uwe Dürkop - Berliner Sparkasse Folker Hellmeyer - Bremer Landesbank Dr. Ulrich Kater - DekaBank Dr. Jürgen Michels - BayernLB Dr. Cyrus de la Rubia - HSH Nordbank Dr. Gertrud Traud - Helaba Torsten Windels - NORD/LB Dr. Michael Wolgast - DSGV Koordinator: Dr. Reinhold Rickes - DSGV Standpunkt Berlin, 16. Juni 2015 Seite 2 Eine Lösung im Schuldenstreit mit Griechenland liegt nur in einer umfassenden politischen Einigung über Reformen in Griechenland als Vorbedingung für ein weiteres Unterstützungsprogramm. Scheinlösungen, wie eine Ausgabe von Schuldscheinen, Parallelwährungen oder vorübergehende Euro-Austrittsszenarien, verlagern dagegen die eigentliche Entscheidung nur in die Zukunft: Die Grundproblematik – die geringe Leistungsfähigkeit der griechischen Wirtschaft – liegt nicht allein in einer fehlenden preislichen Wettbewerbsfähigkeit begründet. Es sind vielmehr die mangelnden Rahmenbedingungen für unternehmerische Aktivitäten auf der einen Seite und dirigistische Eingriffe der Wirtschaftspolitik in die privatwirtschaftlichen Aktivitäten auf der anderen Seite, die die griechische Wirtschaft einschnüren und etwa eine Erweiterung der Exportmöglichkeiten behindern. Unzulänglichkeiten innerhalb der bisherigen wirtschaftlichen Anpassungsprogramme könnten im Rahmen der Verhandlungen über ein drittes Kreditprogramm thematisiert werden. Wesentlich sind jedoch die grundsätzliche Akzeptanz des Konditionalitätsprinzips und damit die Bereitschaft auf griechischer Seite zu Veränderungen. Ein weiteres Hilfsprogramm wäre nicht zielführend und politisch in den Geberländern nicht vermittelbar, wenn das Anpassungsprogramm für Griechenland nicht substanzielle und messbare Reformschritte umfasst. Hilfen sind sinnvoll als zeitliches Überbrücken bis Reformen greifen, nicht jedoch als Dauerlösung. Insofern müssen die Reformen wirtschaftliche Grundlagen haben und nicht allein dem Ziel dienen, Auflagen der Geldgeber zu erfüllen. Im Fall einer Einigung mit Griechenland über ein wirkliches Reformprogramm können finanzielle Hilfen nicht nur in der Bereitstellung neuer Gelder, sondern auch in weiteren Schuldenerleichterungen bestehen. Diese könnten durch die Kreditgeber-Institutionen ebenfalls im Rahmen eines Reformprogramms mit überprüfbaren Meilensteinen schrittweise gewährt werden. Der gegenwärtige Schuldenstand Griechenlands ist zu hoch und so auf Dauer nicht tragbar. Ist eine Einigung mit der griechischen Regierung nicht erzielbar, wäre dagegen ein Ausscheiden des Landes aus dem Euro die bittere, aber notwendige Konsequenz. Auch hierfür wäre eine Begleitung des Landes durch seine bisherigen Währungspartner notwendig. Ein Austritt würde hohe Schuldenausfälle erzeugen sowie ein einmaliges sofortiges Hilfsprogramm in Milliardenhöhe notwendig machen, um die größten wirtschaftlichen Belastungen in Griechenland abzufedern. Standpunkt Berlin, 16. Juni 2015 Seite 3 Griechenland: Weitere Kredite nur gegen Reformen Die Zeit drängt Der scheinbar endlos anhaltende Schuldenstreit mit Griechenland verlangt immer dringender nach Entscheidungen. Zum ersten läuft Ende Juni das bislang noch nicht komplettierte zweite Unterstützungsprogramm von Europäischer Union, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds aus. Zum zweiten droht gegen Ende Juni ohne neue Vereinbarungen mit den europäischen Partnern mit großer Sicherheit der Zahlungsausfall gegenüber den staatlichen Gläubigern – wahrscheinlich zunächst gegenüber dem IWF, im Juli dann auch gegenüber der EZB. Der Einsatz im gegenwärtigen Schuldenstreit ist hoch, vor allem politisch Die griechischen Verhandlungsinteressen sind politischer und wirtschaftlicher Art. Die griechische Bevölkerung möchte mehrheitlich den Umfragen zufolge den politischen Verbund der Europäischen Union wie auch den des Euro nicht verlassen. Ebenso groß ist jedoch auch das wirtschaftliche Interesse an weiteren Erleichterungen bei den bestehenden Schulden-, Zins- und Reformlasten. Für die Europäische Union wie auch die Euro-Staaten sind zwar die wirtschaftlichen Interessen ebenfalls groß – die potenziellen Forderungsausfälle allein der staatlichen Kreditgeber belaufen sich auf rund 3 Prozent des BIP des Euroraums –, jedoch steht hier das politische Interesse im Vordergrund, die Institution des Euro nicht durch ein Aufbrechen der Währungsunion zu beschädigen. Allerdings muss beachtet werden, dass eine Beschädigung der Währungsunion durch eine weitere Aufweichung von Regeln und Anreizen ebenfalls geschehen würde. Hinzu kommen auf europäischer Seite aber auch geopolitische Erwägungen des Verhältnisses zu Griechenland insgesamt. Die griechische Verhandlungsführung hat bislang danach getrachtet, durch die Andeutung der gravierenden Konsequenzen, sollte das Land den Euro verlassen, Druck auf die Euro-Partner aufzubauen. Diese versteckte Drohung ist aus rein wirtschaftlicher Sicht nicht mehr sehr gehaltvoll. Zwar könnten sich durch eine neue Einschätzung des Euro an den Finanzmärkten nach einem Austritt Griechenlands negative Effekte auf alle Länder des Euroraums als Investitionsstandort ergeben, diese Effekte wären jedoch vermutlich gering. Zu unterschiedlich ist inzwischen die Wahrnehmung Griechenlands und der anderen Länder des Euroraums. Bis auf vorübergehende Schwankungen an Aktien-, Renten- und Devisenmärkten in einer Ankündigungsphase des Austritts hielten sich die direkten Reaktionen in Grenzen. Dies liegt daran, dass eine unmittelbare Ansteckung des Finanzsystems durch Abschreibungen aufgrund der Forderungen und Verbindlichkeiten der Banken gegenüber Griechenland [für Deutschland nach Zahlen der Deutschen Bundesbank (März 2014) nur 0,9 Prozent aller Forderungen] nicht mehr gegeben ist und eine mögliche Spekulationswelle gegen andere Euro-Länder außerdem auch durch die EZB und den ESM abgesichert wäre. Außerhalb Griechenlands wären die größten unmittelbaren Schäden eines Austritts Griechenlands aus dem Euro damit wohl eher politischer Natur. Standpunkt Berlin, 16. Juni 2015 Seite 4 Aber auch ein solcher Glaubwürdigkeitsverlust des „politischen Projekts“ Europa und die hieraus resultierende Ungewissheit sowie die mögliche Destabilisierung, die in Griechenland selbst einsetzen könnte, sind hohe Einsätze. Daher sollten die Verhandlungen ausdauernd weiter geführt werden, allerdings nur solange eine realistische Chance auf eine Einigung besteht. Ein wahrscheinliches, aber schlechtes Szenario: Default Griechenlands im Euro Im Kern entsprechen die aktuellen Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen Geldgebern bereits einem Zahlungsverzug Griechenlands (Arrear). Solange es nicht zu einer politischen Einigung kommt, ist als nächste Eskalationsstufe ein Staatsbankrott Griechenlands – ein Default (die Erklärung der Zahlungsunfähigkeit) innerhalb des Euros – sehr wahrscheinlich. Dies könnte mit strengen Kapitalverkehrskontrollen, der Schließung von Banken und der Emission eines parallelen Zahlungsmittels zumindest als Verrechnungseinheit einhergehen. Die EZB müsste im Vertrauen auf eine endlich zu erreichende Verhandlungslösung die bisherige Notfall-Liquiditätsversorgung durch die griechische Zentralbank (ELA, Emergency Liquidity Assistance) möglicherweise zumindest eine Zeit lang weiter aufrechterhalten, obwohl die griechischen Banken faktisch insolvent wären. In diesem Fall sollte sie jedoch eine Frist nennen, bis zu der die Euro-Versorgung aufrecht erhalten werden würde. Zwar würde in einem solchen Szenario in Griechenland weiterhin (auch) der Euro verwendet, und Griechenland bliebe (offiziell) Mitglied des Euroraums. Faktisch käme es jedoch mehr und mehr zur Verwendung des neuen Parallelgeldes. Die Nachteile dieses Szenarios lägen auf Seiten der griechischen Unternehmen, die unter einem nicht funktionierenden Bankensystem noch stärker zu leiden hätten als jetzt. Ausländische Investoren würden Griechenland meiden. Private Haushalte wären ebenfalls benachteiligt, da sie über ihre Euro-Guthaben nur beschränkt verfügen könnten. Nachteile lägen auch auf Seiten der ausländischen staatlichen Gläubiger, die keinen Schuldendienst mehr erhalten würden, auch wenn de facto nach den derzeitigen Verträgen frühestens ab 2020 Schuldentilgungen vereinbart sind und die Zinssätze für die griechischen Schulden vergleichsweise moderat liegen. Die Vorteile dieses Szenarios lägen für die griechische Regierung darin, dass trotz der fiskalischen Lage Griechenlands dann eine weniger stark restriktive Fiskalpolitik möglich würde. In diesem Szenario würde sich der Internationale Währungsfonds vermutlich endgültig aus sämtlichen Griechenland-Programmen zurückziehen. Damit wäre eine wichtige politische und technische Kraft beim Beschreiten eines Reformweges eliminiert. Der IWF war bislang als unabhängige Institution in der Lage, wesentlich stringenter an der Umsetzung von Anpassungsprogrammen festzuhalten als die europäischen Institutionen, zumal der IWF im Gegensatz zu den europäischen Institutionen aus Jahrzehnten über entsprechende Erfahrungen im Umgang mit souveränen Schuldenstaaten an der Grenze zur Zahlungsunfähigkeit verfügt. Ein solcher Status eines Default Griechenlands innerhalb des Euro wäre ein Zustand, der sich sicherlich Wochen und Monate hinziehen könnte. Letztlich kann ein Land mit derart chaoti- Standpunkt Berlin, 16. Juni 2015 Seite 5 schen Geld-Verhältnissen aber nicht auf Dauer leben. Daher stellen sich auch in einem solchen Szenario in einigen Monaten wieder neu die Fragen, die auch gegenwärtig diskutiert werden. Auch nach einigen Monaten chaotischer Verhältnisse im Zuge eines griechischen Default sollte die europäische Politik eine Veränderung des Default-Status (also einen Verzicht auf die ausgefallenen Rückzahlungen sowie ein drittes Unterstützungsprogramm) auf gar keinen Fall ohne wiederum nur gegen ein Reformprogramm gewähren. Den griechischen Verhandlungspartnern müsste deutlich gemacht werden, dass die Bedingungen dann sogar noch härter ausfallen würden als wenn es bereits jetzt zu einer Übereinkunft käme. Insofern bleibt offen, ob es gelingen würde, Griechenland dann wieder vollständig zurück in den Euroraum bzw. auch nur in den internationalen Kapitalverkehr zu integrieren. Kommt es aber auch zu diesem späteren Zeitpunkt nicht zu einer Einigung, ist ein Ausscheiden des Landes aus dem Euro die wahrscheinlichste Entwicklung. Allerdings lässt sich angesichts der vielfältigen politischen und gesellschaftlichen Unwägbarkeiten innerhalb einer solchen Ausnahmesituation – die auch für Griechenland selbst angesichts seiner finanzhistorischen Erfahrungen sehr schmerzhaft sein dürfte – wenig über die weitere Entwicklung vorhersagen. Nach Auffassung der Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe liegt daher eine Lösung im Schuldenstreit und damit für die weitere Mitgliedschaft Griechenlands im Euro nur in einer umfassenden politischen Einigung über die Bedingungen für eine weitere Kreditvergabe und damit für ein weiteres Unterstützungsprogramm. Alle finanztechnischen Konstruktionen wie eine Ausgabe von Schuldscheinen, Parallelwährungen oder vorübergehende Euro-Austrittsszenarien sind dauerhaft nicht praktikabel und damit Scheinlösungen. Eine Währung setzt eine umfassende Verwendung voraus und nicht eine Umgehung durch komplizierte und intransparente finanztechnische Arrangements. Eine Währungsunion selbständiger Staaten lebt von der Fähigkeit ihrer Mitglieder zum politischen Kompromiss bei der Austarierung der finanziellen Rechte und Pflichten im Rahmen der geltenden Regeln. Der Weg in eine Parallelwährung wäre daher für Griechenland letztlich der Einstieg in den Ausstieg aus der Währungsunion. Dennoch - Grundsatz der Konditionalität einhalten, sonst keine weiteren Kredite Die weitere Bewältigung der griechischen Schuldenkrise muss sich in Bahnen bewegen, die durch die früheren beiderseitigen Bemühungen angelegt waren, wobei nur über die Details der Ausgestaltung eines weiteren Anpassungsplanes Verhandlungsspielraum besteht. In der internationalen Finanzordnung ist Konditionalität bei der Kreditvergabe an Staaten, die keinen oder nur unzureichenden Zugang zum Kapitalmarkt haben, ein fest etabliertes Prinzip: Der öffentliche Kreditgeber vereinbart mit dem öffentlichen Kreditnehmer ein wirtschaftspolitisches Anpassungsprogramm, um die wirtschaftliche und damit auch die finanzielle Leistungsfähigkeit des Nehmerlandes zu verbessern. Hiervon kann es auch im Rahmen der Kreditvergabe innerhalb der Europäischen Währungsunion keine Ausnahme geben, solange unter den Mitgliedstaaten keine echte Fiskalunion bzw. darüber hinaus eine Politische Union etabliert ist. Ein Abweichen von diesem Prinzip würde jegliche nachhaltige Finanzpolitik und Reformanstrengungen in anderen Ländern des Euro entmutigen und damit der künftigen finanziellen Solidität des Euroraums weiteren Schaden zufügen – zusätzlich zu dem Vertrauensverlust, dem die EZB Standpunkt Berlin, 16. Juni 2015 Seite 6 durch ihre erzwungenen Sonderprogramme zur Rettung des Euro bislang schon ausgesetzt ist. Bei Ausfällen von Zahlungen an die EZB und den IWF muss die EZB daher schließlich auch die Genehmigung für die Notfall-Fazilitäten widerrufen und damit die ELA-Kredite fällig stellen, um die Verhandlungen über eine Beendigung des Default-Zustandes zu beschleunigen und damit keinen weiteren Verlust an Glaubwürdigkeit zulassen. In der öffentlichen Debatte gibt es dabei immer wieder Missverständnisse über die Bedeutung der bislang gewährten Hilfen der europäischen Partnerländer an Griechenland. Konkret wird moniert, dass die an das Land gegebenen öffentlichen Gelder nur an die Banken gegangen seien. Es ist richtig: Ein großer Teil der an Griechenland ausgereichten Mittel ist im Zuge von Rückzahlungen auslaufender Anleihen an Finanzinstitutionen als Halter dieser Anleihen geflossen. Der Enttäuschung, dass die Gelder nicht in Griechenland selbst ankommen, liegt jedoch ein falsches Verständnis des Charakters dieses Programms zugrunde. Die Hilfen für Griechenland waren von Anfang an kein Hilfs-Programm im Sinne von Transfers zur Hebung des Lebensstandards oder von Wirtschaftshilfen zur Bereitstellung öffentlicher Leistungen in Griechenland während schwieriger Zeiten. Vielmehr handelte es sich von Anfang an um ein reines Stabilisierungsprogramm für die griechischen Staatsfinanzen, nachdem der private Finanzsektor spätestens seit dem Jahr 2010 angesichts der Höhe der aufgelaufenen Schulden nicht mehr bereit war, diese zu tragbaren Zinskonditionen zu prolongieren. Das Unterstützungsprogramm für Griechenland bewirkt in der Hauptsache lediglich einen Austausch der privaten Gläubiger gegen öffentliche Gläubiger. Damit wurden dem europäischen Finanzsektor – hinter dem private Haushalte als Kunden von Banken ebenso stehen wie die Sparer bei Kapitalsammelstellen oder die Versicherten in der privaten Altersvorsorge – die Verluste eines offenen griechischen Staatsbankrotts erspart, allerdings musste im März 2012 ein partieller Schuldenschnitt hingenommen werden. Auch der griechische Staat wurde vor diesen – selbst gegenüber der jetzigen Lage noch ernsthafteren – Folgen eines Staatsbankrotts bewahrt. Dahinter stand die Hoffnung, dass das Land beginnend mit der Laufzeit dieses Programms und darauf aufbauend im Laufe der kommenden Jahre und Jahrzehnte aus eigener Kraft in der Lage sein würde, seine Leistungsfähigkeit zu verbessern und seine Verbindlichkeiten wenigstens verzögert und schrittweise zu bedienen. Das Programm ist somit von dieser Grundkonstruktion her in der Hauptsache von Anfang an auf Eigen-Anstrengungen von griechischer Seite angelegt gewesen. Möglichkeiten der Konditionalität Im Rahmen des ersten Unterstützungsprogramms hatte Griechenland eine solche bedingte Kreditvergabe mitgetragen. Auch wenn frühere griechische Regierungen bei der Umsetzung von Reformen deutlich langsamer voran kamen als vereinbart, waren erste Erfolge der eingeleiteten wirtschaftlichen Reformmaßnahmen bis Ende 2014 erkennbar, insbesondere eine Trendwende bei der Wirtschaftsleistung. Ohne die Unterbrechung dieser Bemühungen durch die neue Regierung wäre Griechenland auf dem Erholungspfad bereits weiter vorangeschritten. Die Grundproblematik bei der mangelnden Leistungsfähigkeit der griechischen Wirtschaft liegt nicht allein in einer fehlenden preislichen Wettbewerbsfähigkeit. Der geringe Diversifizie- Standpunkt Berlin, 16. Juni 2015 Seite 7 rungsgrad der Wirtschaft und mangelnde unternehmerische Aktivität bei einem zu großen Staatssektor sind für eine geringe Produktivität mit verantwortlich. Dies liegt auch an schwachen und unsicheren Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln auf der einen Seite und dirigistischen Eingriffen der Wirtschaftspolitik in die privatwirtschaftlichen Aktivitäten auf der anderen Seite. Ein Ausstieg Griechenlands aus dem Euro und eine zu erwartende Abwertung der neuen Währung würden insofern voraussichtlich die gravierenden Strukturprobleme des Landes gar nicht beseitigen. Die Prioritäten innerhalb der bisherigen wirtschaftlichen Anpassungsprogramme könnten im Rahmen der Verhandlungen über ein drittes Kreditprogramm zwar thematisiert und geändert werden. Beispielsweise ist die Höhe des zu erwirtschaftenden Primärüberschusses (Haushaltsüberschuss vor Zinszahlungen) verhandelbar, ebenso wie etwa die weiteren Rückzahlungskonditionen. Auch sollte das Schwergewicht der Anpassungen bei Arbeitsmarktreformen, bei institutionellen Veränderungen wie dem Aufbau eines effektiven Steuer- und Abgabensystems, der Eindämmung des überdimensionierten Pensionswesens, mehr Effizienz bei öffentlichen Dienstleistungen und dem Abbau von Regulierungen auf Güter- und Dienstleistungsmärkten liegen. Solche Neupriorisierungen können in den Verhandlungen zwischen den Experten der griechischen Seite und den Institutionen festgelegt werden. Wesentlich ist aber die grundsätzliche Akzeptanz des Konditionalitätsprinzips und damit die Bereitschaft zu Veränderungen. Ein neues Programm wäre nicht zielführend und politisch in den Geberländern nicht vertretbar, wenn das Anpassungsprogramm nicht substanzielle und messbare Reformschritte umfasst. Würde dieses Konditionalitätsprinzip von der griechischen Seite akzeptiert, ist nach unserer Meinung sogar ein weiteres Entgegenkommen durch die Kreditgeber nicht nur möglich, sondern mittelfristig sogar geboten. Um Griechenland eine Perspektive zu bieten, ist ein langfristiger Sanierungsplan vorstellbar, in dem periodische Schuldenerleichterungen an das Erreichen festgelegter Reformziele geknüpft sind. Ein solches Vorgehen würde allerdings auch innerhalb der Währungsunion eine Ausnahme darstellen und wäre eine Konzession an die leider bereits erreichte und mit Recht als nicht tragbar erkannte Schuldenlast Griechenlands. Auf keinen Fall dürfen Schuldenerleichterungen aber ohne nachprüfbare Reformschritte gewährt werden, denn ein niedrigerer Schuldenstand würde es Griechenland ermöglichen, an den Märkten neue Verschuldung aufzunehmen. Letzteres sollte für eine Übergangsphase ohnehin besser Griechenland untersagt werden. Grexit – ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro - als Rückfalloption Die Verhandlungen mit Griechenland sollten insofern konsequent und ausdauernd geführt werden, um zu dem Verhandlungsziel eines Reformplans für Griechenland als Voraussetzung für weitere finanzielle Hilfen zu gelangen. Sollte eine solche grundlegende und nachhaltige Einigung der Geberinstitutionen mit der griechischen Regierung nicht möglich sein und soll Griechenland trotzdem unbedingt im Euro gehalten werden, blieben als eine Alternative nur noch reine Wirtschaftshilfen übrig, also Transfers wohlhabenderer Länder an Griechenland als Hilfe zur Entwicklung des Landes. Standpunkt Berlin, 16. Juni 2015 Seite 8 Diese Alternative ist ökonomisch jedoch wegen der davon ausgehenden Fehlanreize für Griechenland selbst wie für andere Länder nicht anzuraten; sie würde innerhalb des Euroraums zudem auch die Frage aufwerfen, warum Griechenland derartige Mittel im Gegensatz zu anderen, wirtschaftlich durchaus weniger wohlhabenden Ländern erhalten sollte. Damit würde ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro notwendig werden, sollte es nicht zu einer Einigung über Reformen kommen. Auch hierfür wäre aber eine Begleitung des Landes durch seine bisherigen Währungspartner hilfreich. Ein Austritt Griechenlands aus dem Euro würde hohe Schuldenausfälle verursachen sowie ein humanitäres Hilfsprogramm (Transfers) in Milliardenhöhe notwendig machen, um die größten wirtschaftlichen Belastungen in Griechenland abzufedern. Durch Verhandlungen über eine einvernehmliche Trennung könnte aber beispielsweise erreicht werden, dass Griechenland Mitglied der Europäischen Union bleibt. Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband Zuletzt veröffentlichte Standpunkte der Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe 20. April 2015 „Deflationssorgen übertrieben“ 19. Januar 2015 „Kann ein schwacher Euro die Probleme im Euroraum lösen?“ 17. Oktober 2014 „EZB in der Sackgasse“ 8. September 2014 „Europa – Wachstum in Zeiten der Konsolidierung schaffen“ 31. März 2014 „Spanien: Europäisches Erfolgsmodell“ 10. März 2014 „Wirtschafts- und finanzpolitische Agenda Deutschlands“ 10. Februar 2014 „Produktionspotential – Wo liegen die Chancen für Deutschland?“ 13. Januar 2014 „Geldpolitik nicht überfordern“ Disclaimer: Diese Darstellungen inklusive Einschätzungen wurden von den Chefvolkswirten der Sparkassen-Finanzgruppe nur zum Zwecke der Information des jeweiligen Empfängers erstellt. Die Informationen stellen weder ein Angebot, eine Einladung zur Zeichnung oder zum Erwerb von Finanzinstrumenten noch eine Empfehlung zum Erwerb dar. Die Informationen oder Dokumente sind nicht als Grundlage für irgendeine vertragliche oder anderweitige Verpflichtung gedacht, noch ersetzen sie eine (Rechts- und / oder Steuer) Beratung; auch die Übersendung dieser stellt keine derartige beschriebene Beratung dar. Die hier abgegebenen Einschätzungen wurden nach bestem Wissen und Gewissen getroffen, können im Detail auch andere Erkenntnisse als aktuelle Research-Publikationen der Landesbanken/DekaBank enthalten und stammen (teilweise) aus von uns nicht überprüfbaren, allgemein zugänglichen Quellen. Eine Haftung für die Vollständigkeit, Aktualität und Richtigkeit der gemachten Angaben und Einschätzungen, einschließlich der rechtlichen Ausführungen, ist ausgeschlossen. Jeder Empfänger sollte eine eigene unabhängige Beurteilung, eine eigene Einschätzung und Entscheidung vornehmen. Insbesondere wird jeder Empfänger aufgefordert, eine unabhängige Prüfung vorzunehmen und/oder sich unabhängig fachlich beraten zu lassen und seine eigenen Schlussfolgerungen im Hinblick auf wirtschaftliche Vorteile und Risiken unter Berücksichtigung der rechtlichen, regulatorischen, finanziellen, steuerlichen und bilanziellen Aspekte zu ziehen. Sollten Kurse/Preise genannt sein, sind diese freibleibend und dienen nicht als Indikation handelbarer Kurse/Preise.