FAKULTÄT FÜR MATHEMATIK Prof. Dr. Patrizio Neff Christian Thiel 14.01.2014 Lösungsvorschlag zu den Hausaufgaben der 12. Übung Aufgabe 1: (2+2+2 Punkte) Bestimmen Sie alle reellen Zahlen x0 , in denen die Funktion f stetig ist. b) f (x) = [x] · (1 − x) , a) f (x) = [x] , c) f (x) = x · (x − [x]) . Lösung: Wir beweisen mit dem Kriterium der Folgenstetigkeit: f stetig in x0 ⇔ für alle Folgen (xn )n∈N mit xn → x0 gilt lim f (xn ) = f (x0 ). a) Sei x0 ∈ Z. Dann ist f (x0 ) = x0 . Betrachte die Folge (xn )n∈N mit xn = x0 − n1 . Es gilt [x0 − n1 ] = x0 − 1 und somit limn→∞ f (xn ) = x0 − 1 6= f (x0 ), deshalb ist f in x0 ∈ Z nicht stetig. Sei x0 ∈ R \ Z. Ist (xn )n∈N eine beliebige Folge mit limn→∞ xn = x0 . Wähe δ > 0 so, dass (x0 − ε, x0 + ε) ⊆ ([x0 ], [x0 ] + 1) gilt. Dann ist [xn ] = [x0 ] und somit f (xn ) = f (x0 ) für alle n ≥ n0 und es ist limn→∞ f (xn ) = f (x0 ). Damit ist f in x0 ∈ R \ Z stetig. b) Sei x0 ∈ Z \ {1}. Dann ist f (x0 ) = x0 (1 − x0 ). Betrachten wir die Folge (xn )n∈N mit xn = x0 − n1 . Es gilt limn→∞ [xn ] = limn→∞ x0 − 1 = x0 − 1 und limn→∞ xn = x0 und damit lim f (xn ) = lim [xn ](1 − lim xn ) = (x0 − 1)(1 − x0 ) 6= f (x0 ) . n→∞ n→∞ n→∞ Somit ist f in x0 ∈ Z \ {1} nicht stetig. Sei x0 ∈ R \ Z. Ist (xn )n∈N eine beliebige Folge mit limn→∞ xn = x0 . Dann gilt wie in a) limn→∞ [xn ] = [x0 ]. Wir erhalten lim f (xn ) = [xn ](1 − xn ) = [x0 ](1 − x0 ) = f (x0 ) . n→∞ Somit ist f in x0 ∈ R \ Z stetig. Sei x0 = 1. Mit einer beliebigen Folge (xn )n∈N mit limn→∞ xn = x0 ist x0 ∈ R \ Z ist x0 − 1 ≤ [xn ] ≤ x0 für hinreichend großes n und wir erhalten lim f (xn ) = lim [xn ](1 − xn ) ≤ lim x0 (1 − xn ) = x0 (1 − 1) = 0 n→N n→∞ n→∞ und lim f (xn ) = lim [xn ](1 − xn ) ≥ lim (x0 − 1)(1 − xn ) = (x0 − 1) (1 − 1) = 0 , n→N n→∞ n→∞ also limn→N f (xn ) = 0 = f (1) und f ist in x0 = 1 stetig. c) Sei x0 ∈ Z \ {0}. und (xn )n∈N eine Folge mit xn = x0 − n1 . Dann ist lim f (xn ) = lim xn (xn − [xn ]) = x( x0 − (x0 − 1)) = x0 6= 0 = x0 (x0 − [x0 ]) = f (x0 ) , n→∞ n→∞ und f ist nicht stetig in x0 ∈ Z \ {0}. Sei x0 ∈ R \ Z und (xn )n∈N eine beliebige Folge mit limn→∞ xn = x0 , analog zu b) gilt 0 = 0 (0 − 0) = lim xn (xn − 0) ≤ lim xn (xn − [xn ]) = f (xn ) ≤ lim xn (xn − (−1)) = 0 , n→∞ n→∞ n→∞ somit ist f in x0 ∈ R \ Z stetig. Aufgabe 2: (3+3 Punkte) Der Graph der Funktion f : R → R mit f (x) = x für x ∈ Q und f (x) = 0 für x ∈ R \ Q ist sicherlich nicht mit einem Stift zu zeichnen ohne abzusetzen, ja sogar überhaupt nicht zu zeichnen. Heißt dies, dass f für alle x ∈ R unstetig ist? Falls nein, bestimmen sie alle Stellen, in denen f stetig ist. Wir wollen nun diese Fragestellungen auf zwei Arten beantworten und dabei den Nachweis von Stetigkeit/Unstetigkeit per Folgenstetigkeit und per ε-δ-Kriterium vergleichen: 1 a) Zunächst widmen wir uns der klassischen ε-δ-Definition: Anschaulich gesprochen bedeutet sie: Eine Funktion f : D ⊆ R → R ist an der Stelle x0 ∈ D genau dann stetig, wenn – egal wie klein „winzig“ sein soll – eine hinreichend kleine Änderung des Arguments, d.h. für x mit |x − x0 | klein genug, eine winzige Änderung des Funktionswertes bewirkt, also |f (x) − f (x0 )| dann winzig ist. D.h. für jedes beliebige ε > 0 existiert eine kleine Umgebung von x0 , gegeben durch ein δ > 0, sodass für alle x ∈ D mit |x − x0 | < δ auch |f (x) − f (x0 )| < ε gilt. (Hier machen Sie sich bewusst, dass |x − x0 | < δ nichts anderes bedeutet als x ∈ (x0 − δ, x0 + δ).) Untersuchen Sie nun f für ein irrationales x0 , also x0 ∈ R \ Q: Geben Sie sich ein beliebiges ε > 0 vor und finden Sie ein δ > 0 derart, dass alle rationalen und alle irrationalen (Fallunterscheidung!) x mit |x − x0 | < δ dann |f (x) − f (x0 )| < ε erfüllen oder zeigen Sie, dass es kein solches δ > 0 geben kann. Analog führen Sie den Nachweis für rationale x. Hinweis: Auch im letzten Schritt werden Sie wahrscheinlich eine weitere Falluntescheidung benötigen. Machen Sie sich gegebenenfalls eine „Skizze“ des Graphen. b) Eine Funktion f : D ⊆ R → R ist an der Stelle x0 ∈ D genau dann stetig, wenn gilt: Immer dann, wenn sich eine Folge in D der Stelle x0 annähert, nähert sich auch die Folge des zugehörigen Punktes auf dem Graphen von f . Verdeutlichen Sie sich dies in einer Zeichnung. Sei nun x0 ∈ R. Betrachten Sie nun eine rationale Folge (an ) und eine irrationale Folge (bn ) mit limn→∞ an = limn→∞ bn = x0 . Warum muss es beide Folgen geben? Bestimmen Sie nun f (an ) und f (bn ) für n ∈ N. Für welche x0 können Sie so die Unstetigkeit von f nachweisen? Für die Übrigen – reichen diese zwei Folgen für den Nachweis der Stetigkeit? Falls nein, wie können Sie die bisherigen Ergebnisse dennoch nutzen, um Stetigkeit nachzuweisen? Lösung: a) Sei x0 = 0 und ε > 0 vorgegeben. Für δ := ε und alle x ∈ R mit |x − x0 | < δ gilt nun ( |x − 0| für x ∈ Q ≤ |x| = |x − x0 | < δ = ε . |f (x) − f (x0 )| = |0 − 0| für x ∈ R \ Q Somit ist f in 0 stetig. Seit x0 ∈ Q \ {0}. Für jedes 0 < ε ≤ |x0 | und für jedes δ > 0 gibt es nun mit x ∈ R und |x − x0 | < δ eine irrationale Zahl, d.h. es existiert ein x ∈ (x0 − δ, x0 + δ) ∪ (R \ Q). Für diese Zahl gilt |f (x) − f (x) | = |0 − x0 | = |x0 | ≥ ε . Für ε > |x0 | lässt sich übrigens ein δ > 0 mit |x − x0 | ⇒ |f (x) − f (x0 )| < ε für alle x ∈ R mit |x − x0 | < δ finden. Allerdings müss für die Stetigkeit zu jedem ε > 0 ein δ > 0 mit den obigen Eigenschaften existieren. Aber wir haben gezeigt, zu 0 < ε ≤ |x0 | existiert kein solches δ > 0. Somit ist f in Q \ {0} nicht stetig. Der Beweis für die Unstetigkeit von f in x0 ∈ R \ Q funktioniert ähnlich. Hier existiert zu jedem 0 < ε ≤ |x0 | und jedem δ > 0 ein x ∈ R mit |x − x0 | < δ, x ∈ Q und |x| ≥ |x0 |: Im Falle von x0 < 0 ist x ∈ [x0 , x0 + δ) ∩ Q \ {0}, im Falle von x0 < 0 ist x ∈ (x0 − δ, x0 ] ∩ Q \ {0} ein x mit solchen Eigenschaften. Für dieses x gilt nun |f (x) − f (x0 )| = |x − 0| = |x| ≥ x0 ≥ ε , somit gibt es wider nicht zu jedem ε > 0 ein δ > 0 und |f (x) − f (x0 )| < ε für alle x ∈ R mit |x − x0 | < δ und f ist unstetig in x0 ∈ R \ Q. Insgesamt ist f nur in der 0 stetig. b) Sei x0 ∈ Q \ {0} und wir setzen an := x0 + n1 ∈ Q. Zudem wählen wir bn ∈ x0 , x0 + n1 ∩ (R \ Q). Für jedes n ∈ N ist die Menge, aus der wir wählen, nicht leer, da zwischen zwei rationalen Zahlen stets eine irrationale exisitert. Nun gilt f (an ) = x0 + n1 und f (bn ) = 0, also limn→∞ f (an ) = x0 und limn→∞ f (bn ) = 0. Somit ist f für x0 6= 0 unstetig. Sei x0 ∈ R \ Q und wir setzen bn := x0 + n1 ∈ R \ Q und wähle an ∈ (x0 , x0 + n1 ) ∩ Q. Hier existiert wieder an für jedes n ∈ N, da zwischen zwei irrationalen Zahlen stets auch eine irrationale existiert. Nun ist x0 < f (an ) < x0 + 1 n n→∞ → x0 , also limn→∞ f (an ) = x0 6= 0 aber f (bn ) = 0 und somit limn→∞ f (an ) = 0 6= limn→∞ f (bn ). f ist in x0 ∈ R \ Q nicht stetig. 2 Sei xn eine beliebige Nullfolge. Es ist ( xn für xn ∈ Q , f (xn ) = 0 für xn ∈ R \ Q . Somit gilt |f (xn )| ≤ |xn | und auch lim |f (xn )| ≤ lim |xn | = 0 , n→∞ n→∞ woraus limn→∞ f (xn ) = 0 = f (0) für jede beliebige Nullfolge (xn )n∈N folgt. Damit ist f in 0 stetig. Aufgabe 3: (6 Punkte) Sei h : R → R stetig und sei h(x0 ) > 0. Zeigen Sie: Es gibt eine Zahl δ > 0, sodass h(x) > 0 für alle x ∈ (x0 −δ, x0 +δ) gilt. Lösung: Aufgrund er Stetigkeit von h existiert zu jedem ε > 0, so auch für ε = h(x0 ) ein δ > 0, so dass für alle x ∈ R mit x ∈ |x − x0 | < δ, also für alle x ∈ (x0 − δ, x0 + δ) eben |h(x) − h(x0 )| < ε, also h(x) ∈ (h(x0 ) − ε, h(x0 ) + ε) und damit h(x) > h(x0 ) − ε = 0 gilt. Aufgabe 4: (6 Punkte) Sei f : D ⊆ R → R mit D nichtleer, kompakt eine stetige Funktion. Beweisen Sie: Das Infimum einer Menge von Nullstellen von f ist selbst wieder Nullstelle von f . Lösung: Sei x das Infimum der Nullstellenmenge M ⊆ D, d.h. f (y) = 0 ∀y ∈ M . Da D kompakt, gilt x ∈ D. Ist x das Infimum einer Menge M , so gilt Für jedes ε > 0 gibt es ein y ∈ M mit |x − y| < ε. Mit Aufgabe (??) ist dies gleichwertig zu Es existert eine Folge (yn ) mit yn ∈ M mit lim yn = x. n→∞ Weil f stetig ist, gilt somit 0 = lim f (yn ) = f ( lim yn ) = f (x) . n→∞ Aufgabe 5: (3+3 Punkte) Seien (pn ), (qn ) Folgen mit pn ∈ Z, qn ∈ N und limn→∞ n→∞ pn qn =a∈R\Q a) Zeigen Sie: ( q1n ) ist eine Nullfolge. Hinweis: Betrachten Sei eine beliebige Teilfolge (qnk ) von (qn ) und nehmen Sie ihre Beschränktheit an. Nun überlegen Sie, wie viele unterschiedliche Folgenglieder pqkk sich in einer festen Umgebung von a befinden können und leiten daraus einen Widerspruch her. b) Stellen Sie eine Abbildung f : R → R auf, die a) ausnutzend, per Folgenstetigkeit die Stetigkeit in den irrationalen Zahlen gewährleistet, aber in allen rationalen Zahlen unstetig ist. Hierzu geben Sie jeweils für die . . . geeignete Ausdrücke an: . . . für x ∈ Q \ {0} f (x) = . . . für x ∈ R \ Q 1 für x = 0 Lösung: a) Sei (qn )n∈M mit M ⊆ N unbeschränkt eine beliebige Teilfolge von (qn )n∈N . Angenommen (qn )n∈M ist beschränkt. Dann muss es nach dem Satz von Bolzano-Weierstraß eine gegen ein q ∈ R konvergierende Teilfolge (qn )n∈L mit L ⊆ M unbeschränkt geben, d.h. es muss L ⊆ M unbeschränkt existieren und zu jedem ε > 0, somit auch zu ε = 21 ein n0 ∈ N geben, sodass qn ∈ (q − 21 , q + 12 ) für alle n ∈ L mit n ≥ n0 gilt. Da (q − 12 , q + 12 ) ∩ N nur aus einem Element bestehen kann, ist qn = q ∈ N für alle n ∈ L mit n ≥ n0 . 3 Aufgrund der Konvergenz von pn qn n∈N = pqn gegen den Grenzwert a ∈ R \ Q ist auch limn∈L,n→∞ pn qn = a, d.h. für 1 1 1 ε := 2q gibt es ein n0 , sodass pqnn ∈ (a − 2q , a + 2q ), also pn ∈ (a · q − 12 , a · q + 12 ) für alle n ∈ L mit 1 1 n ≥ n0 gilt. Da (a · q − 2 , a · q + 2 ) ∩ N nur ein Element besitzt, müssen auch alle pn für n ∈ L konstant sein, so gibt es ein p ∈ +z mit p = pn für alle n ∈ L mit n ≥ n0 , somit limn∈L,n→∞ pqnn = pq = a, im Widerspruch zu a 6∈ Q. Somit ist jede beliebige Teilfolge (qn )n∈M unbeschränkt. Also hat (qn )n∈N und somit (|qn |)n∈N keine beschränkte Teilfolge. Dann gibt es nach Präsenzaufgabe 4 a) von Übungsblatt 7 für jedes l ∈ R ein n0 ∈ N, sodass |qn | ≥ l für alle n ≥ n0 gilt, oder in anderer Notation: limn→∞ |qn | = ∞. So gibt es für jedes ε > 0 ein l ∈ R mit 0 < l < 1ε ein n0 ∈ N, sodass |q1n | ≤ 1l < ε für alle ist eine Nullfolge. n ≥ n0 , d.h. q1n n∈N Insbesondere gilt allgemein für eine Folge (an )n∈N mit an ∈ R \ {0}: lim |an | = ∞ n→∞ ⇔ lim n→∞ 1 = 0, an und aus Präsenzaufgabe 4 a) von Übungsblatt 7 lässt sich direkt folgern: Hat eine Folge (an )n∈N mit an ∈ R\{0} keine beschränkte Teilfolge, so ist 1 an eine Nullfolge. n∈N b) Definieren wir f (x) := 1q für x = pq ∈ Q mit teilerfremden p ∈ Q, q ∈ N (d.h. der Bruch ist maximal gekürzt). Weiterhin f (x) = 0 für alle x ∈ R \ Q und f (0) := 1. f ist nun genau dann in a ∈ R stetig, wenn für alle Folge (xn )n∈N mit limn→∞ xn = a auch limn→∞ f (xn ) = f (a) gilt. Sei a ∈ R\Q und sei (xn )n∈N eine beliebige Folge mit limn→∞ xn = a. Für die Teilfolge (xñk )k∈N der irrationalen Glieder von (xn )n∈N gilt f (xñk ) = 0 und somit limk→∞ f (xñk ) = 0. Für die Teilfolge (n̂k )k∈N der rationalen Glieder von (xn )n∈N gilt nach a) limk→∞ f (xn̂k = 0. Nach Hausaufgabe ??? gilt somit lim n → ∞f (xn ) = 0 = f (a) und f ist in a stetig. Sei a = pq ∈ Q \ {0} mit ggT (p, q) = 1. Dann gilt für jede irrationale Folge (xn )n∈N mit limn→∞ xn = a auch f (xn ) = 0, also lim n → ∞f (xn ) = 0. Aber es ist f (a) = 1q und somit limn→∞ f (xn ) = 0 6= 1q = f (a) und f ist in a nicht stetig. Sei a = 0. Analog zum letzten Fall gilt für jede irrationale Folge (xn )n∈N mit limn→∞ xn = a auch limn→∞ f (xn ) = 1 6= 1 = f (a) und f ist auch in 0 nicht stetig. Insgesamt ist f genau in den irrationalen Zahlen stetig. 4