Schwerpunkt Friedensförderung Kinder im Mittelpunkt Kinder stehen im Mittelpunkt der Arbeit von World Vision. Als schwächste Glieder der Gesellschaft kennen sie ihre Rechte oftmals nicht und können sich nicht für deren Durchsetzung einsetzen. Nachhaltige, gesamtgesellschaftliche Entwicklung ist der beste Weg Kinder zu stärken. So engagiert sich World Vision über die traditionellen Arbeitsbereiche der Entwicklungszusammenarbeit wie Bildung und Gesundheit hinaus auch für den Kinderschutz und die Kinderrechte sowie für eine Förderung des Friedens. Frieden und Konflikt Konflikte sind grundsätzlich unvermeidbar. In latenter Form treten Spannungen überall dort auf, wo Menschen in einer Gemeinschaft zusammen leben, und es um den Zugang zu Nahrung, Land, Ressourcen und Machtpositionen geht. Es hängt davon ab, wie mit diesen Spannungen umgegangen wird. Gewaltsame Konflikte haben immense Auswirkungen auf jede Gemeinschaft und ihr alltägliches Leben. Menschen können verletzt, vertrieben und getötet werden. Ihnen können Lebensgrundlagen genommen und so die Möglichkeiten der Einkommenssicherung entzogen werden. Die schutzbietenden Gemeinschaften können zerrissen werden. Entwicklungserfolge, die über Jahre hinweg gemeinsam mit den lokalen Gemeinschaften erarbeitet wurden, kommen zum Stillstand oder werden gar binnen kurzer Zeit zunichte gemacht. Kinder sind diejenigen, die am meisten Leid in bewaffneten und gewaltsamen Konflikt tragen. Sie werden nicht nur als Kindersoldaten und Sexsklaven missbraucht, sondern leiden auch unter den zerbrochenen sozialen Strukturen. Gewalt und Flucht traumatisieren die gesamte Gesellschaft aber vor allem die Kinder. World Vision und die Friedensförderung Frieden zu fördern, bedeutet im Verständnis von World Vision Deutschland gesellschaftliche Strukturen nachhaltig zu stärken, Netzwerke von sozialen Beziehungen zu fördern, gemeinsam mit den Gemeinden die Ursachen von Gewalt zu bearbeiten, und ihre Fähigkeit für friedfertigen Umgang hin zu gerechten Lebensverhältnissen zu fördern. Wir integrieren Friedensförderung als Querschnittsthema in unseren Projekten, setzen aber auch Projekte mit dem inhaltlichen Schwerpunkt Friedensförderung um. Dabei arbeiten wir auf allen gesellschaftlichen Ebenen; der Fokus liegt jedoch auf langfristigem Engagement auf der Gemeindeebene. Gemeinsam mit unseren Partnern und der Zivilbevölkerung geht es in der Arbeit darum, die Ursachen und die Konfliktdynamik zu verstehen. Mit diesem Wissen konzipieren wir mit unseren Partnern Projekte, die auf die gesellschaftliche Stärkung und langfristige Förderung des Friedens abzielen. Unsere Projektarbeit setzt bei den Einstellungen und dem Verhalten der Menschen an. So unterstützen wir Toleranzund Demokratieprozesse. Außerdem unterstützen wir die Reformen von gesellschaftlichen Strukturen und Institutionen. Letztendlich sollen diese zu sozialer Gerechtigkeit und einer Kultur des Friedens führen. Im Rahmen der Friedensförderung in unseren Projekten arbeiten wir in sieben Bereichen: 1. Stärkung von Kindern als Friedensförderer 2. Förderung von Rechtsstaatlichkeit 3. Friedensbildung und konfliktspezifische Aus- und Fortbildung 4. Medienarbeit 5. Gewaltprävention: Begegnung und Dialog 6. Förderung von Versöhnung nach gewaltsamen Konflikten 7. Psychosoziale Unterstützung 1. Stärkung von Kindern als Friedensförderer Kinder und Jugendliche stehen im Zentrum der Arbeit von World Vision. In einem eigens entwickelten Projektmodell mit dem Titel "Empowering Children as Peacebuilders" (ECaP), werden sie zur gewaltfreien Problem- und Konfliktbearbeitung ausgebildet. Sie lernen über Toleranz und Akzeptanz, und Spannungen friedlich anzugehen und zu bearbeiten. ECaP wird bereits in unseren Projekten in Asien und Afrika umgesetzt. Beispiele: In Kenia lernen Kinder und Jugendliche durch partizipative und kindgerechte Methoden, wie gegnerische Hirtengruppen gewaltfrei miteinander leben können. Gemeinsam mit ihnen werden die Spannungen mithilfe eines Konfliktbaumes analysiert, sodass sie nicht nur die Ursachen von Gewalt, sondern auch deren Auswirkungen identifizieren. Dadurch erfahren sie, dass ihre Stimmen und Meinungen Gewicht haben und Gehör finden. Durch an Schulen 1 angegliederte Friedensclubs können die Kinder und Jugendlichen einen Austausch aufrechterhalten und gemeinsam den Dialog mit Entscheidungsträgern suchen. In Burundi thematisieren die Gemeinden mit partizipativen Theaterstücken lokale Probleme. Eine kleine Gruppe spielt einen Problemfall vor und die Zuschauerschaft ist aufgefordert, bei der Lösungssuche zu helfen. So reflektieren alle gemeinsam über die Herausforderungen, ohne dass eine Gruppe ihr Gesicht verliert. 2. Förderung von Rechtsstaatlichkeit (insbesondere Menschenrechte) Jeder Mensch besitzt Menschenrechte. In Entwicklungsländern ist die Rechtsstaatlichkeit oft relativ schwach ausgeprägt. Kommen Gewaltkonflikte hinzu, sind die Strukturen oft derart schwach, dass die Menschenrechte kaum gewährt werden können. World Vision setzt sich in seinen Projekten deshalb für die Förderung der Rechtsstaatlichkeit ein. Beispiel: Im Südsudan, wie auch in vielen anderen Teilen der Welt, sind Frauen in besonderem Maße Menschenrechtsverletzungen und Marginalisierung ausgesetzt. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass die vorhandenen Rechtssysteme ihre Rechte und Freiheiten nicht ausreichend schützen. Um das Bewusstsein für den rechtlichen Status der Frauen im Südsudan zu stärken, und ihre rechtliche Situation zu verbessern, führt World Vision ein partizipatives Forschungsprojekt durch. Außerdem wird ein Workshop für Vertreter des Nord- und Südsudans organisiert, in dem sie die rechtliche Stellung von Frauen im gesamten Land diskutieren können. Dieser Workshop wird den Dialog fördern und zu gegenseitigem Verständnis sowie zu einem gemeinsamen Bild von der aktuellen Situation führen; außerdem werden konkrete Empfehlungen zur Überarbeitung von Gesetzen erarbeitet, welche die Stellung der Frau im Sudan bestimmen. Diese sollen den politischen Entscheidungsträgern vorgelegt werden und zu einer Stärkung der traditionellen Rolle der sudanesischen Frauen als Friedensstifterinnen führen. Das Projekt wurde von einer speziellen Friedensförderungs-Budgetlinie des Auswärtigen Amtes und von UNICEF finanziert. 3. Friedensbildung sowie konfliktspezifische Aus- und Fortbildung Nach einer langen Zeit von Konflikten und Kriegen besteht die Gefahr, dass sich Kulturen der Gewalt entwickeln. Da traditionelle Strukturen zur Konfliktbearbeitung meist nicht mehr funktionieren, wachsen die Kinder in einem Umfeld mit Werten auf, die gewaltsames Verhalten fördern. Die immer wiederkehrende Gewalt droht sich dadurch zu verstetigen und wird zum allgemein akzeptierten Konfliktlösungsmechanismus. Als besonders Kindern zugewandte Organisation möchte World Vision dieser Entwicklung aktiv entgegenwirken. Aus diesem Grund engagieren wir uns im Bereich der Friedensbildung und konfliktspezifischen Aus- und Fortbildung. Dabei werden Kindern sowie anderen Gemeindemitgliedern, wie Ältesten und Frauen, Fähigkeiten für den friedlichen und konstruktiven Umgang mit Herausforderungen vermittelt. So wird die Friedensbildung im Lehrplan der Schulen integriert und Dialoge initiiert. Gemeindemitglieder, die sich zusammenschließen, um fortan die erlernten Fähigkeiten umzusetzen, werden aktiv von World Vision unterstützt. Nachstehend zeigen zwei Beispiele, wie vielseitig unsere Bildungsarbeit ist. Beispiel Regionalbüro Ostafrika: World Vision integriert die Gewaltprävention in seine langfristige Entwicklungszusammenarbeit. Vor diesem Hintergrund hat das World Vision-Regionalbüro Ostafrika „AmaNet“ eingerichtet, ein Netzwerk für Ausbildung, Anwaltschaftsarbeit, Forschung und Dokumentation sowie den Austausch und die Zusammenarbeit in Koalitionen mit gleichgesinnten Organisationen. Die Aktivitäten von AmaNet richten sich sowohl an die Gemeinden in den Projektgebieten als auch an die Mitarbeiter von World Vision. Sie sind darauf ausgerichtet, Kenntnisse und Fähigkeiten zur zivilen Konfliktbearbeitung zu stärken und die Ursachen und Hintergründe der gewaltsamen Konflikte in der Region zu identifizieren. Darauf aufbauend werden Möglichkeiten der Friedensförderung geprüft und entsprechende Projekte geplant. Zudem werden Fähigkeiten und Methoden der Mediation und Verhandlung weiterentwickelt und vermittelt. Die betroffenen Gemeinschaften und ihre Führungspersönlichkeiten werden so in die Lage versetzt, Konflikte untereinander und mit Nachbarn besser und gewaltfrei auszutragen. Langfristig wollen wir v. a. durch die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu einem friedfertigen Zusammenleben beitragen. 4. Medienarbeit Medien sind ein machtvolles Mittel, um eine Vielzahl von Menschen gleichzeitig zu erreichen. Radio und Printmedien sind noch die am häufigsten genutzten Medien in Entwicklungsländern aber das Internet und vor allem mobile Geräte sind auf dem Vormarsch und werden zum Teil häufiger genutzt als in einigen europäischen Ländern. Wissen und Botschaften erreichen innerhalb kürzester Zeit viele Menschen, weswegen World Vision dies zur Friedensarbeit nutzt. Beispiel: Derzeit ist ein Projekt in Planung, in dem spezifische Radioprogramme zum Thema Frieden und Menschenrechte für fünf Länder in Afrika, Burundi, Kenia, Ruanda, Südsudan und Uganda, erarbeitet werden. Radios sind nach wie vor das Medium, mit dem die meisten Menschen binnen kurzer Zeit erreicht werden können. Innerhalb des Projekts werden Themen wie u. a. Identität, Gewalt, Vergebung, Frieden und Toleranz aufgearbeitet und in Clips aufgenommen. Unter Einbindung von Interviews und Fallbeispielen können die Zuhörer nicht nur ein unterhaltendes, sondern gleichwohl auch bildendes Programm hören, dass Kommunikation schürt. Die Programme werden in die jeweiligen Landessprachen übersetzt. 5. Gewaltprävention: Begegnung und Dialog In gewaltsamen Konflikten verhärten sich Positionen oftmals derart, dass eine gemeinsame Lösungssuche deutlich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich wird. Kommunikation ist für die Förderung des Friedens unerlässlich. Deshalb unterstützen wir weltweit Maßnahmen zur Begegnung und zum Dialog. Da es ein Anliegen von World Vision ist, ein 2 (Wieder-)Aufflammen von Konflikten präventiv entgegenzuwirken, werden diese Maßnahmen häufig präventiv und zur sozialen Stabilisierung von Gemeinden genutzt. Beispiel: Im Laufe des letzten Jahrzehnts wurden in Georgien immer wieder sozio-ökonomische Probleme als interethnische Gegensätze dargestellt. Das ist vor allem im Süden und Südosten des Landes der Fall, wo armenische und aserische Minderheiten leben. Es war dringend notwendig, die tatsächlichen Ursachen von sozialer Marginalisierung anzugehen. Daher hat World Vision Deutschland das Projekt „Inter-communal Centres for Youth“ begonnen. Diese Jugendzentren unterstützten die jüngere Generation dabei, sich durch Bildungsmaßnahmen und gemeinsame Sportund Freizeitangebote von Vorurteilen zu befreien. Jugendliche wurden dazu ermutigt, am interethnischen Dialog teilzunehmen, und sich dabei als aktive Bürger des gemeinsamen Staates Georgien zu verstehen. Die Jugend vor Ort soll erleben, wie eine multiethnische Gesellschaft in einem strukturierten, kreativen und freundlichen Umfeld funktionieren kann. Im Jahr 2011 endete das Projekt. Alle Zentren arbeiten heute eigenständig weiter und fördern die Fortführung der positiven Entwicklungen. Dieses Projekt wurde von der Europäischen Union und der deutschen Regierung finanziert. 6. Förderung von Versöhnung nach gewaltsamen Konflikten In Nachkriegsgesellschaften verursacht das erfahrene Leid oft eine jahrzehntelange Traumatisierung. Um den Weg hin zur gesellschaftlichen Stabilisierung und gleichwohl auch nachhaltigen Entwicklung gemeinsam zu ebnen, ist die Versöhnungsarbeit überaus wichtig. Sie muss kulturell und politisch sensibel angegangen werden. Die Individuen müssen ernst genommen werden und es muss ausreichend Raum für Gespräche gelassen werden. Die Versöhnung bedeutet für die Parteien, das Vergangene und Erfahrene zu verarbeiten und Schritt für Schritt aufeinander zuzugehen. Sie wird als Methode der Friedensförderung angewandt, um den Dialog und den Beziehungs(wieder)aufbau zwischen den Parteien zu unterstützen. Beispiel: Der Nordwesten Kenias ist von einem dauerhaften Konflikt zwischen den drei Hirtenvölkern Marakwet, Pokot und Turkana geprägt. Hintergrund der gewaltsamen Auseinandersetzungen ist der Kampf um Weideland, Wasser und die Größe des Viehbestandes. Zunehmend werden diese Diebstähle auch mit Hilfe von automatischen Schusswaffen gerächt und kosten so noch mehr Leben. Ein Projekt, das World Vision Deutschland seit Juli 2003 erfolgreich durchführt, soll diesen Kreislauf der Gewalt durchbrechen. Statt auf den Diebstahl mit Gewalt zu reagieren, sollen die Diebe durch Vermittlungsbemühungen dazu veranlasst werden, das gestohlene Vieh zurückzugeben oder den Schaden auf eine andere Art zu regulieren. Dies geschieht durch die Initiierung von Friedenstreffen, bei denen Mitglieder der unterschiedlichen Stämme nach friedlichen Lösungen suchen. Bei diesen Treffen präsentieren u. a. Schulkinder eingeübte Theaterstücke, die von Konflikten handeln und zu Lösungsmöglichkeiten anregen. Das Ziel ist, dass die Gemeinschaften ein stärkeres Bewusstsein für die negativen Auswirkungen von Gewalt entwickeln und von gewaltsamen Überfällen auf ihre Nachbarn absehen. Des Weiteren werden die Ältesten dazu ermutigt, einander regelmäßig in Friedenskomitees zu begegnen und friedliche Lösungen für das Problem des Viehdiebstahls zu finden. 7. Psychosoziale Unterstützung Leidtragende von Konflikten und Gewalt brauchen bei der Verarbeitung der Traumata dringend psychosoziale Unterstützung. Die psychosoziale Unterstützung ist eine Hilfe zur Selbsthilfe – Vergangenes zu verarbeiten und Lebensmut und Lebenslust wieder aufzufrischen. Allein in Südsudan zeigten über ein Drittel der Bevölkerung Anzeichen einer post-traumatischen Belastungsstörung, sodass Unterstützung zur Notwendigkeit wird. Beispiel: Der Einsatz von Kindern als Soldaten sowie die Anwendung sexueller Gewalt gegen Kinder zeigt, mit welcher Brutalität der Krieg in der Demokratischen Republik Kongo geführt wird. Seit vielen Jahren bekämpfen sich im Osten des zentralafrikanischen Landes verschiedene Milizen und die kongolesischen Streitkräfte. Dabei schrecken die Kriegsherren vor der Rekrutierung von Jungen und Mädchen nicht zurück. Minderjährige werden entführt, manipuliert, auf brutale Weise gefügig gemacht und als Boten, Köche, Sexsklaven oder bewaffnete Kämpfer missbraucht. In der Stadt Beni ermöglicht das Projekt „Rebound“ diesen Kindern einen Neuanfang. Hier werden Ausbildungszentren eingerichtet, in denen ehemalige Kindersoldaten und sexuell missbrauchte Mädchen und Jungen fachlich geschult und psycho-sozial betreut werden. Ihnen werden aber auch Zukunftsperspektiven eröffnet. Unter qualifizierter Anleitung können die Teilnehmer dieses Programms ein Handwerk wie Maurern, Tischlern oder Schneidern lernen. Aber auch die Vermittlung von sozialen Fähigkeiten und Werten sowie die psychologische Begleitung gehören zum Konzept. Jugendliche, die eine Unterkunft in Beni brauchen, werden an Gastfamilien vermittelt. Am Ende erhält jeder ein Zertifikat sowie ein Starter-Paket für die ersten Schritte in das neue Leben. Das Ziel ist es, die Jungen und Mädchen wieder mit ihren Familien zusammenzuführen und in ihre Dorfgemeinschaften zu integrieren. Das Projekt wird durch Wolfgang Niedecken und Privatspender in Deutschland ermöglicht. „Do No Harm“ und konfliktsensible Programmplanung Wenn externe Akteure wie Nichtregierungsorganisationen (NRO) im Kontext von bewaffneten Konflikten oder politischer Instabilität arbeiten, kann das dazu führen, dass sie unbeabsichtigt zu einer weiteren Eskalation der Gewalt beitragen. Das ist bspw. der Fall, wenn Milizen gestohlene Hilfsgüter für die Versorgung ihrer kämpfenden Truppen missbrauchen. Der Ansatz wird nicht nur in Friedensförderungsprojekten angewandt, sondern auch in anderen Projekten der Entwicklungszuammenarbeit wie Bildungs- oder Gesundheitsprojekten, um zu verhindern, dass durch die Arbeit Schaden entsteht. World Vision hat deshalb zusammen mit anderen NRO und Wissenschaftlern an dem Forschungsprojekt „Local Capacities for Peace“ mitgewirkt. Dies führte zur Entwicklung eines praxisorientierten Analyseinstrumentes (auch unter dem Namen „Do No Harm“ bekannt). Mit diesem Instrument kann eine Organisation das sozio-politische Umfeld untersuchen, in dem sie ihre Projekte durchführt. Es hilft Projektplanern dabei, die möglichen 3 Auswirkungen eines Entwicklungs- oder Nothilfeprojektes auf einen bestehenden Konflikt zu bewerten. Dazu werden der Konfliktkontext untersucht und Faktoren identifiziert, die die wichtigsten Akteure des Konfliktes trennen bzw. verbinden. Die Ergebnisse dieser Analyse geben Hinweise darauf, wie Projekte angepasst werden müssen, um Friedensprozesse zu fördern. „Do No Harm“ bedeutet, die unbeabsichtigten Folgen von Hilfsmaßnahmen kritisch zu bewerten; es muss z. B. gefragt werden, wie implizite ethische Botschaften jene Akteure stärken könnten, die Interesse an fortgesetzter Gewalt haben. Die Mitarbeiter von World Vision werden systematisch in konfliktsensibler Programmplanung ausgebildet. Unser Ziel ist, das „Do No Harm“-Konzept regelmäßig in allen Projekten anzuwenden – auch wenn es noch nicht zu einer Gewaltanwendung gekommen ist. Ergänzend nutzt World Vision zusätzliche Instrumente, die eine Makroanalyse von Konflikten auf nationaler und regionaler Ebene ermöglichen, so etwa MSTC, „Making Sense of Turbulent Contexts". Anwaltschaftsarbeit Das Verhalten der internationalen Politik, die Ausgestaltung der Entwicklungspolitik, die Sicherheitspolitik der westlichen Länder sowie die Gewährleistung unabhängiger und unparteiischer humanitärer Hilfe entscheiden mit über das Wohlbefinden und den Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten. Im Dialog mit Politikern versuchen wir deshalb, die politischen Rahmenbedingungen zu verändern, damit Kinder in Kriegszeiten besseren Schutz vor Gewalt und Misshandlung erhalten. World Vision beeinflusst die Politik nicht nur vor Ort, sondern auch in Deutschland. Die Bundesregierung könnte sich gerade gegenüber Konfliktländern viel aktiver für eine zivile Konflikttransformation engagieren, als bisher – beispielsweise in Somalia, im Süd-Sudan oder in der Demokratischen Republik Kongo. Wir treten mit konkreten Forderungen an Politiker des Auswärtigen Amtes, des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages heran. Wir setzen uns dafür ein, dass durch Transparenz beim Abbau von Rohstoffen und beim Handel mit natürlichen Ressourcen eine gerechtere Verteilung der Gewinne auf die ansässige Bevölkerung erfolgt. In Ländern mit illegalem Abbau natürlicher Ressourcen sind es oft Kinder, die in den Minen arbeiten und die die Leidtragenden des Konflikts um die Ressourcen sind, wie im Osten des Kongos. Wir setzen uns auch für eine Reglementierung des Waffen-, insbesondere des Kleinwaffenhandels ein. Durch diese kommen nicht nur die meisten Kinder in Konfliktländern ums Leben, sondern sie werden wegen der leichten Handhabung auch oft von Kindersoldaten eingesetzt. Durch Anreize für gute Regierungsführung, beispielsweise durch eine Konditionierung der Budgethilfen für Entwicklungsländer, und den Aufbau von Institutionen zur zivilen Konfliktbewältigung („Infrastructures for Peace“) kann man der gewaltsamen Eskalation von Konflikten um Macht oder Ressourcenzugang entgegenwirken. Auf der Ebene der Vereinten Nationen erreichte World Vision eine Ausweitung der Kriterien zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten. Bei der groben Missachtung dieser Kriterien werden die Verursacher – sei es eine Rebellengruppe oder die Regierung eines Landes – von der Beauftragten des UN Generalsekretärs auf eine sogenannte „Liste der Schande“ gesetzt. Bei Nichteinhaltung von Auflagen führt dies im weiteren Verlauf zu Sanktionen, die die meisten Konfliktakteure vermeiden wollen. Die Anwendung dieser „Liste der Schande“ hat daher eine präventive Wirkung. Um den Blick der Öffentlichkeit auf Kinder und ihre Sorgen im Krieg zu lenken, konzipierten wir die Ausstellung „ich krieg dich – Kinder in bewaffneten Konflikten“. Die Bilder und Texte machen die Besucher auf die besonders prekäre Situation von Kindern in Konfliktgebieten aufmerksam. Sie sollen nicht nur ein stärkeres Bewusstsein für das Schicksal dieser Kinder schaffen, sondern fordern auch von der Politik einen besonderen Schutz für diese Kinder ein. Beim Besucher soll Empathie erzeugt werden, damit er selbst dazu etwas beiträgt und sich für diese Kinder einsetzt. Die Ausstellung wurde unter großer Anteilnahme bereits in verschiedenen Landtagen, Regierungspräsidien, aber auch im Europäischen Parlament und in der deutschen Vertretung bei den Vereinten Nationen in New York gezeigt. Im Sommer 2012 eröffnete Bundestagsvizepräsident Thierse die Ausstellung im Deutschen Bundestag. Die Ausstellung hilft uns, politische Entscheidungsträger von der Notwendigkeit zu überzeugen, sich für eine bessere Zukunft von Kindern in Konfliktgebieten einzusetzen. Weitere Informationen erhalten Sie bei Ulrike Krause, Fachreferentin für Friedensförderung, Gender, Menschenrechte E-Mail: [email protected] Ekkehard Forberg, Themenmanager für Friedensförderung und Anwaltschaftsarbeit E-Mail: [email protected] www.worldvision.de/konfliktbearbeitung World Vision ist ein christliches Hilfswerk mit den Arbeitsschwerpunkten nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit, Katastrophenhilfe und entwicklungspolitische Anwaltschaftsarbeit. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Unterstützung von Kindern, ihren Familien und ihrem Umfeld im Kampf gegen Armut und Ungerechtigkeit. Als Christen unterschiedlicher Konfessionen helfen die Mitarbeiter von World Vision weltweit Menschen in Not, unabhängig von ethnischer Herkunft, Religion oder Nationalität. 4