Das endokrine System und die hormonellen Veränderungen in der Pubertät Susanne Schleevoigt Gabriele Tinscher Der Körper verfügt über zwei Kommunikationssysteme: - das vegetative Nervensystem - das endokrine System Ziel: - Gemeinsame Regelung und Koordination der Organfunktionen - Kontinuierliche Anpassung des Körpers an die wechselnden UmweltbelastungenÆ Gleichgewicht (Homöostase) herstellen Hormone als Botenstoffe • „chemisch codierte Nachrichten“ • Bildungsorte sind die Drüsenzellen Æ endokrine Drüsen • Weiterleitung zu ihren Bestimmungsorten über den Blutkreislauf Æ endo = innen, krinien = ausschütten • Wegstrecke der Hormone zu den Zellen der Zielorgane unterschiedlich lang • es ist Aufgabe der Zielzellen, die Hormone mittels Rezeptoren abzufangen • Keine einheitliche Struktur Æ unterschiedliche Wirkungsweisen Einteilung der Hormone: • Klassische Hormone nach ihrer chemischen Zusammensetzung: – Hormone, die sich aus 1 Aminosäure ableiten – Steroidhormone – Peptid- und Glykoproteinhormone weitere Unterteilung: – glandotrope Hormone – nicht-glandotrope Hormone • Nicht-klassische Hormone • Parakrine Botenstoffe Wirkungsweise der Hormone: • keine einheitliche Struktur • Substanzen zeigen den endokrinen Organen die Notwendigkeit einer Hormonausschüttung bzw. Produktion an Æ bei veränderten Stoffwechsel wird aufgrund einer meldenden Substanz die Produktion gedrosselt • anders glandotrope Hormone: sie regen wiederum andere endokrine Organe zur Hormonproduktion an • Hormone wie Adrenalin und Noradrenalin werden durch Nervenimpulse freigesetzt Das „Schlüssel-Schloss-Prinzip“ • Konzeption der Hormone so, dass die Empfangszellen besondere Moleküle besitzen, wo sie wie ein „Schlüssel“ ins „Schloss“ passen Æ Rezeptoren • Moleküle, die den Hormonen ähneln fehlt der entscheidende Kontakt Hormone als Teil von Regelkreisen • Regelkreis am Beispiel der Pankreashormone (Insulin, Glukagon, Somatostatin): – Nahrungsaufnahme Æ erhöhte Glukosekonzentration im Blut Æ Anregung der Insulinproduktion Æ Zellen anregen, die Glukose zu verbrauchen – wird keine Nahrung aufgenommen Æ Umwandlung von Glukagon in Glukose – Somatostatin sorgt für ein konstantes Niveau des Blutzuckerspiegels: bewirkt die Verlangsamung der Verdauung und Resorption der Nahrungsmittel Æ Verhinderung eines Anstiegs Hormondrüsen im Körper Hypophyse und Hypothalamus: • wichtigste Steuerungszentrale des Hormonhaushaltes • Hypophyse als Ausführungsorgan des Hypothalamus • Unterteilung in Hypophysenvorder- und Hypophysenhinterlappen • Freisetzung der Hormone des HVL durch Neurohormone Æ Releasing- oder Inhibitinghormone • Hypophysenhinterlappen wird mit den Hormonen des Hypothalamus versorgt, die dieser nach Bedarf dem Blutkreislauf zur Verfügung stellt Die Hormone der Hypophyse: • Hypophysenvorderlappen: • Hypophysenhinterlappen: – ADH (Antidiuretische Hormon): Hemmung der Wasserausscheidung der Niere – Oxytocin: Hormon zur Unterstützung des Stillvorganges Die Bauchspeicheldrüse: • auch Hormondrüse, obwohl die Hauptfunktion von exokriner Art • Langerhansschen Inseln produzieren Insulin, Glukagon und Somatostatin Æ Peptidhormone • zur Regulation des Stoffwechsels Die Schilddrüse: • Thyreoglobulin: – Jodzufuhr durch Nahrungsaufnahme – aus jodierten Thyrosinmolekülen entstehen: • Trijodthyronin (T3) und Tetrajodthyronin (T4) • Stimulation des Stoffwechsels und Förderung des Körperwachstums bei Kindern • Steuerung über den Hypothalamus Nebennierenrinde und Nebennierenmark: • Hormone der Nebennierenrinde: – Androgene, Glucocortoide, Mineralocorticoide • Erhöhung der Blutzuckerkonzentration, das dem Gehirn und der Muskulatur zur Verfügung gestellt wird • Hormone des Nebennierenmarks: – Adrenalin, Noradrenalin • Blutdrucksteigerung, Erhöhung der Herzkraft und des Herzschlages, Erweiterung der Bronchien, hemmende Wirkung auf die Aktivität des MagenDarm-Traktes Die Keimdrüsen: • Primäre Geschlechtsorgane (Gonaden): – beim Mann die Testikel (Hoden) – bei der Frau die Ovarien (Eierstöcke) • gehören dem Regelkreis des Hypothalamus und der Hypophyse an • Geschlechtshormone: Androgene, Östrogene und Gestagene • Steroidhormone, die die Fortpflanzung und das Sexualverhalten steuern • Entwicklung der sichtbaren – sekundären Geschlechtsmerkmale Pubertät und Adoleszenz „Wenn die Kinder klein sind, gib ihnen Wurzeln, wenn sie groß sind, gib ihnen Flügel“ Pubertät: Eine aus dem Lateinischen abgeleitete Begriffskonstruktion aus pubes = Schamhaare und pubertas = Mannbarkeit, bezeichnet die Zeitspanne der körperlichen Geschlechtsreifung Adoleszenz (lat: heranwachsend): beschreibt die Zeit des körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Heranreifens Pubertät und Adoleszenz als „Übergänge“ • • • • Entwicklungsaufgaben nach Dreher und Dreher (1985) Aufbau eines Freundeskreises: Zu Altersgenossen beiderlei Geschlechts werden neue, tiefere Beziehungen hergestellt Akzeptieren der eigenen körperlichen Erscheinung Sich das Verhalten aneignen, das man in unserer Gesellschaft von einem Mann bzw. einer Frau erwartet. Aufnahme intimer Beziehungen zum Partner • Von den Eltern unabhängig werden • Wissen, was man lernen will und was man dafür können muss • Vorstellungen entwickeln, wie Ehepartner und die zukünftige Familie sein sollen • Über sich selbst im Bild sein; wissen wer man ist und was man will • Entwicklung der eigenen Weltanschauung • Entwicklung einer Zukunftsperspektive Æ Emotionale Extreme oder Schwankungen zwischen exzessiver Unabhängigkeit und extremer Abhängigkeit In Anlehnung an Wilhelm Busch Phasen von der späten Kindheit bis zum Erwachsenenalter vorgeschlagen von Oerter und Montada (1995) Mädchen 8 – 10 Jahre 10 – 12 Jahre 12 – 14 Jahre 14 – 15 Jahre 15 – 17 Jahre 17 – 19 Jahre 19 – 25 Jahre Jungen 10 –12 Jahre 12 – 14 Jahre 14 – 16 Jahre 16 – 17 Jahre 17 – 19 Jahre 19 – 21 Jahre 21 – 25 Jahre Phase späte Kindheit Vorpubertät Pubertät frühe Adoleszenz mittlere Adoleszenz späte Adoleszenz frühes Erwachsenenalter Die somatische Entwicklung Drei wesentliche Reifungsschritte kennzeichnen die Pubertät: • Ein enormer Wachstumsschub • Die Reifung der inneren und äußeren Geschlechtsorgane • Das Erwachen sexueller Triebe Wachstumshormone • Somatotropes Hormon = STH (gebildet im Hypophysenvorderlappen) • Somatomedine (werden mit Hilfe von STH in der Leber oder Niere produziert) Æ gelangen in den Blutkreislauf Æ wirken direkt auf das Knochen- und Muskelgewebe Æ pubertärer Wachstumsschub • Thyroxin (Hormon der Schilddrüse, wird auf Anweisung der Hypophyse erzeugt) Æ fördert das Wachstum des Gehirns, der Zähne und der Knochen Æ trägt zum Längenwachstums bei Æ hat Einfluss auf den Stoffwechsel • Testosteron (Gebildet in den Hoden, Eierstöcken und Nebennierenrinde) ÆAufbau der Muskeln und der körperlichen Kraft Nichtsynchronität des Wachstums Hände und Füße 1. Hüften und Schultern Beine und Arme 2. 3. Wachstum 4. Rumpf 5. Kopf Geschlechtshormone Gehören der Gruppe der Steroidhormone an Steuerhormone (FSH, IZSH, LH) auch gonadotrope Hormone genannt, werden in der Hypophyse unter Beteiligung der Epiphyse (Zwirbeldrüse) abgesondert Æ regen die weiblichen bzw. männlichen Keimdrüsen = Gonaden (Eierstöcke, Hoden) an, ihrerseits Geschlechtshormone auszuschütten Æ gelten als nicht geschlechtsspezifisch Androgene (maskulierende Tendenz) Testosteron (wird in den Hoden, Eierstöcken und in der Nebennierenrinde gebildet) Dihydrotesteron, DHT (wird hauptsächlich in der Prostata gebildet) Æ bewirkt hautsächlich die sexuelle Entwicklung zum Mann Æ nur bei Jungen und Männern Æ sekundäre männliche Geschlechtsmerkmale (z.B. Bartwuchs, Stimmbruch etc.) Æ Bildung von Samenzellen Æ kann Aggressions- und Sexualtrieb steigern Æ beeinflusst sehr stark das Wachstum der männlichen Geschlechtsorgane Östrogene (feminisierende Tendenz) Östradiol Östron Östriol ¾ Bildungsorgane: Ovarien, Plazenta, Nebennierenrinde und Hoden ¾ Bildung der sekundären weiblichen Geschlechtsmerkmale ¾ Freisetzung der Eizellen aus den Eierstöcken ¾ macht die Frau fruchtbar Gestagene (feminisierende Tendenz) Progesteron (bekanntestes Gestagen) 9 wird in den Ovarien und Hoden produziert 9 steuert den Menstruationszyklus und die Empfängnisbereitschaft 9 die Funktion des Progesterons beim Mann ist unklar Die maskulinisierenden Androgene fördern in der Pubertät • beim Jungen: das Wachsen von Penis, Skrotum (Hodensack), Prostata usw., die Ausbildung der Muskeln; sie führen auch zum Stimmbruch • beim Mädchen: das Wachsen der Klitoris und der Schamlippen • bei beiden Geschlechtern: den Wachstumsschub, die Körperbehaarung, die Bildung von Akne, indirekt über den Einfluss auf die Epiphysenknorpel (Skelett) auch generell das Längenwachstum Die feminisierenden Östrogene beeinflussen in der Pubertät, insbesondere • beim Mädchen: das Wachstum von Uterus, Uterusschleimhaut, Scheide, Schamlippen, Brüsten (Busen) und die Menstruation • Bei beiden Geschlechtern: die Brustdrüsenentwicklung und Knochenreifung Die erste Menstruation (Menarche) und die erste Ejakulation (Ejakularche) • Menarche ist wichtiger Markierungspunkt in der weiblichen Pubertätsentwicklung • Durchschnittalter in den USA zwischen 12 und 13, normale Spanne zwischen 11 und 15 Jahren • Medianwert der Menarche hat sich um 1,3 Jahre vorverlagert • Vorverlagerung der Ejakulation um 1,7 Jahre (von 14,2 auf 12,5 Jahre) Melatonin und ein erhöhtes Schlafbedürfnis • Pubertierende Mädchen und Jungen brauchen mehr Schlaf • Melatonin ist ein Schlafhormon • Konzentration liegt nachts deutlich höher als tagsüber • beeinflusst Schilddrüsen und Keimdrüsen • wird in der Pubertät später in der Nacht ausgeschüttet Æ wichtige Tiefschlafphasen treten erst in den Morgenstunden ein Das Ende der Adoleszenz Mit dem Ende der Adoleszenz erreicht der Körper wieder eine Phase, in der die biologischen Veränderungen relativ gering sind. Schlussfolgerung: Bessere Aufklärung, damit wir die Jugendlichen während der Pubertät bzw. Adoleszenz besser verstehen.