I. Grundlagen

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Mathematik für Ingenieure I, WS 2008/2009
Freitag 24.10
$Id: aussagen.tex,v 1.2 2008/10/29 09:22:50 hk Exp hk $
I. Grundlagen
§1
Aussagen und Aussagenlogik
1.1
Aussagen
In diesem einleitenden Abschnitt wollen wir einige grundlegende Begriffe und Tatsachen
der Aussagenlogik vorstellen. Diese werden Ihnen wahrscheinlich bereits weitesgehend
bekannt sein, achten sollten Sie vor allem auf die in der Mathematik verwendeten
Interpretationen der logischen Junktoren oder“ und folgt“. Unter einer Aussagen
”
”
verstehen wir hier, und in dieser Vorlesung, einen sprachlichen Ausdruck der einen
eindeutigen Wahrheitsgehalt hat, also entweder wahr oder falsch ist. Streng genommen sollten wir eigentlich von einer mathematischen Aussage sprechen, nur diese sind
gemeint. Beispiele derartiger (mathematischer) Aussagen sind:
• 3 + 4 = 7.
• 7 · 8 = 44 (Dies ist zwar falsch, aber trotzdem eine Aussage).
• Die 5-te Nachkommastelle von π ist 9.
Alle diese Ausdrücke sind definitiv, und ohne jeden Verhandlungsspielraum jeweils wahr
oder falsch. Definitiv keine Aussagen in unserem Sinn sind dagegen Ausdrücke wie
• Dieses Gebäude müsste dringend gestrichen werden.
• Diese Vorlesung ist langweilig.
• Die Tafel ist grün.
Die ersten beiden dieser Beispiele sind reine Meinungsäußerungen, diese haben zwar für
eine gegebene Person zu einem bestimmten Zeitpunkt einen gewissen Wahrheitswert,
dieser ist aber sicher nicht definitiv festgelegt. Das dritte Beispiel ist dagegen bereits
von einer etwas objektiveren Natur. Trotzdem werden derartige von realen, physikalischen Objekten handelnde Aussagen üblicherweise nicht als mathematische Aussagen
behandelt, da ihr Wahrheitsgehalt stark vom Kontext abhängt. Man kann fragen was
den grün“ bedeutet, ob die Tafel selbst grün ist oder nur ihre Reflexion unter Licht”
einstrahlung grün ist, ob die Tafel bei völliger Dunkelheit noch immer grün ist, und so
weiter. Wir wollen uns auf Aussagen beschränken, die nur von mathematischen Objekten handeln. Im Rahmen der Mathematik ist dies eine sinnvolle Einschränkung, da wir
Aussagen wirklich im mathematischen Sinne beweisen wollen. Dies ist für Aussagen
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über physikalische Objekte schlichtweg nicht möglich. Vielleicht ändern sich ja morgen die Naturgesetze schlagartig, das ist keine sehr realistische Befürchtung, aber rein
logisch immer denkbar.
In einer anderen Hinsicht sind wir dagegen recht großzügig, es ist nicht nötig zu
wissen ob eine mathematische Aussage nun wahr oder falsch ist, es kommt nur darauf
an, daß sie eines von beiden ist. Beispiele solcher zweifelsfrei mathematischen Aussagen,
deren Wahrheitsgehalt wir zur Zeit nicht kennen sind:
• Die 104000 -te Nachkommastelle von π ist eine 7.
n
• Es gibt eine Fermat-Primzahl (das sind Primzahlen der Form 22 + 1), die größer
als 65537 = 216 + 1 ist.
• Es gibt beliebig große natürliche Zahlen n so, dass unter den ersten n Nachkommastellen von π die 7 genauso oft wie die 3 vorkommt.
Welche dieser Aussagen wahr oder falsch sind ist nicht bekannt. Für die dritte Aussage
können wir uns sogar ziemlich sicher sein, das man das nie wissen wird. Trotzdem
sind alle drei Aussagen auch mathematische Aussagen in unserem Sinn, denn entweder
wahr oder falsch sind sie allemal, auch wenn wir nicht wissen welche dieser beiden
Möglichkeiten nun zutrifft.
Außerdem dürfen Aussagen auch von freien Parametern abhängen. Zum Beispiel
können wir die Aussage x2 = 4 betrachten, in der x für eine reelle Zahl steht. Ob diese
Aussage wahr oder falsch ist, hängt vom konkreten Wert von x ab, aber wahr oder
falsch ist sie immer, unabhängig von x.
Wir nennen zwei Aussagen A und B äquivalent wenn entweder A und B beide wahr
sind oder A und B beide falsch sind. Alternativ sagen wir auch, A genau dann wenn
”
B“, oder A und B sind gleichbedeutent“, und so weiter. In Formelnotation wird die
”
Äquivalenz der beiden Aussagen A und B als A ⇔ B geschrieben.
1.2
Logische Junktoren
Es gibt verschiedene Konstruktionen aus bereits gegebenen Aussagen A, B, . . . neue
Aussagen zusammenzusetzen. Diese werden gelegentlich als aussagenlogische Junktoren
bezeichnet. Der einfachste dieser Junktoren ist die Verneinung. Ist A eine Aussage, so
ist die Verneinung von A die Aussage ¬A, die genau dann wahr ist wenn A falsch ist.
Ebenfalls ohne Überraschungen ist die Konjuktion, oder simpler die und“, Aussage.
”
Bei dieser sind zwei Aussagen A, B gegeben, und man bildet die neue Aussage A ∧ B,
gesprochen als A und B, die genau dann wahr ist wenn beide Aussagen A und B wahr
sind.
Diese Festlegungen sollten nicht besonders überraschend sein. Der nächste unserer
Junktoren wird nun die Disjunktion, beziehungsweise oder“ Aussage, sein. Hier gibt es
”
ein kleines Detail zu beachten, die Bedeutung der Disjunktion weicht gelegentlich etwas
von der sonst üblichen Verwendung dieses Wortes ab. Sind A, B wieder zwei Aussagen,
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so ist die Disjunktion A ∨ B, gesprochen als A oder B, genau dann wahr wenn eine der
beiden Aussagen A, B wahr ist. Hierbei ist immer der Fall erlaubt, dass sogar beide
Aussagen A, B wahr sind. In der umgangssprachlichen Verwendung des Wortes hängt
es dagegen gelegentlich vom vorliegenden Kontext ab, ob auch die Gültigkeit beider
Aussagen möglich ist. Beachte weiter, dass mit eine der beiden Aussagen“ implizit
”
mindestens eine der beiden Aussagen“ gemeint ist. Dies ist die übliche Konvention,
”
bei derartigen Zahlangaben ist immer implizit mindestens“ gemeint. Sagen wir bei”
spielsweise, dass zwei der drei natürlichen Zahlen a, b, c gerade sind. so ist ebenfalls
erlaubt das sogar alle drei Zahlen gerade sind.
Wollen wir dagegen sagen, dass eine, aber nicht alle beide, der Aussagen A, B wahr
sind, so sagen wir das genau eine der beiden Aussagen A, B wahr ist. Dies ist dann
das sogenannte ausschließende, oder exklusive, oder. Dieses kommt innerhalb der Mathematik relativ selten vor, und es hat daher auch kein allgemein verwendetes Symbol.
Gelegentlich ist es klarer logische Junktoren in Form sogenannter Wahrheitstabellen zu
beschreiben. Die Tabellen für Konjunktion und Disjunktion haben dabei die folgende
Form:
@A
A ∨ B: B
@ 0 1
0 0 1
1 1 1
A
A ∧ B: @
B @ 0 1
0 0 0
1 0 1
In diesen Tabellen schreiben wir 0 für falsch“ und 1 für wahr“. Dies soll nicht etwa
”
”
bedeuten, dass die Zahlen 0 und 1 irgendetwas mit wahr“ und falsch“ zu tun haben,
”
”
es handelt sich nur um Symbole für diese Begriffe. Alternativ könnten wir auch f
und w anstelle von 0 und 1 schreiben. Bei Formeln in denen mehr als zwei Aussagen
vorkommen ist diese simple Form einer Wahrheitstabelle nicht mehr möglich. Man
behilft sich dann mit einer tabellarischen Auflistung etwa der folgenden Form (in diesem
Beispiel für A ∨ (B ∧ C) mit drei Aussagen A, B, C):
A
0
0
0
0
1
1
1
1
B C
0 0
0 1
1 0
1 1
0 0
0 1
1 0
1 1
A ∨ (B ∧ C)
0
0
0
1
1
1
1
1
Zur Illustration der Verwendung dieser logischer Junktoren, sowie als ein erstes kleines Beispiel eines Beweises, wollen wir nun die sogenannten de Morganschen Regeln
beweisen. Diese beschreiben den Zusammenhang der Verneinung mit Konjuktion und
Disjunktion, und dürften Ihnen wahrscheinlich bekannt.
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Satz 1.1 (De Morgansche Regeln)
Seien A, B zwei Aussagen. Dann gelten:
(a) Es ist ¬(A ∨ B) ⇐⇒ (¬A) ∧ (¬B).
(b) Es ist ¬(A ∧ B) ⇐⇒ (¬A) ∨ (¬B).
Beweis: (a) Die Aussage ¬(A ∨ B) ist genau dann wahr, wenn A ∨ B falsch ist, d.h.
wenn A und B beide falsch. Dies bedeutet aber gerade, dass ¬A und ¬B beide wahr
sind, und dies besagt (¬A) ∧ (¬B).
(b) Dieses könnten wir analog zu (a) beweisen, da es uns hier aber um ein Beispiel eines
Beweises, und nicht um die De Morganschen Regeln selbst, geht, führen wir hier einen
anderen Beweis vor, der (b) auf den bereits bewiesenen Teil (a) des Satzes zurückführt.
Wir haben nämlich die folgende Kette von Äquivalenzumformungen:
¬(A ∧ B) ⇐⇒ ¬((¬¬A) ∧ (¬¬B))
⇐⇒ ¬¬((¬A) ∨ (¬B))
(a)
⇐⇒ (¬A) ∨ (¬B),
wobei wir Teil (a) auf die beiden Aussagen ¬A und ¬B anstelle von A und B anwenden.
Alternativ können wir Teil (a), und natürlich auch (b), auch mit Hilfe unserer Wahrheitstafeln einsehen. Zu diesem Zweck wird für beide Seiten der zu beweisenden Äquivalenz die jeweilige Wahrheitstafel aufgestellt, und überprüft das die beiden so entstehenden Tafeln identisch sind. Dies zeigt dann, dass die eine Aussage genau dann
wahr ist, wenn auch die andere wahr ist, und dies bedeutet genau die Äquivalenz der
betrachteten Aussagen. Für die erste der beiden de Morganschen Regeln hätten wir
dabei die Tafeln
¬(A ∨ B) :
0 1
0 1 0
1 0 0
(¬A) ∧ (¬B) :
0 1
0 1 0
1 0 0
Die Verwendung von Wahrheitstafeln sieht so aus, als wäre es eine eigenständige Beweismethode, aber in Wahrheit ist es nur eine kompakte Darstellung eines direkten
Beweises. Im Grunde machen wir dort ja nur eine vollständige Fallunterscheidung, und
könnten die Tabelle durch einen Text der Form Sind A und B beide falsch, so sind
”
auch ¬(A ∨ B) und (¬A) ∧ (¬B) beide wahr. Sind A wahr aber B falsch, so ...“ ersetzen. In diesem Stil kann ein Beweis durch Wahrheitstafeln rein mechanisch in einen
gewöhnlichen textlichen Beweis überführt werden.
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1.3
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Die Implikation
Der letzte noch zu diskutierende logische Junktor ist die Implikation oder auch Folgerung. Sind A, B zwei Aussagen, so ist die Aussage A ⇒ B, gesprochen als aus A
”
folgt B“ oder A impliziert B“, wahr wenn mit A auch B stets wahr ist. In Form einer
”
Wahrheitstafel soll diese Festlegung gerade
A
A ⇒ B: @
B @ 0 1
0 1 0
1 1 1
bedeuten. Beachte das die Implikation A ⇒ B insbesondere immer dann wahr ist
wenn die Voraussetzung A der Implikation falsch ist. Anders gesagt soll aus einer
falschen Aussage jede beliebige andere Aussage folgen. Dies erscheint zunächst als eine
etwas merkwürdige Festlegung, aber dieser Eindruck sollte bei näherer Betrachtung
verfliegen. Umgangssprachlich würde man eine Aussage der Form Wenn morgen das
”
Hörsaalgebäude einstürzt, so fällt die Vorlesung aus“, als wahr betrachten unabhängig
davon ob das Gebäude morgen noch steht, selbst dann wenn die Vorlesung trotz eines in
bestem Zustand befindlichen Hörsaals ausfällt. Ein weiterer Grund für die angegebene
Interpretation der Implikation, der für die Mathematik auch erheblich schwerwiegender
ist, sind Aussagen in denen noch freie Variablen vorkommen. Steht x beispielsweise für
eine reelle Zahl, so sollte die Aussage
x2 = 4 =⇒ x = 2 ∨ x = −2
immer wahr sein, unabhängig davon welchen konkreten Wert x jetzt hat.
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