18 Diagnose & Therapie Die 66 TOPFIT präsentiert Gefäßchirurgie im Klinikum der Universität München (LMU), Campus Großhadern und Campus Innenstadt Herz- und Gefäßerkrankungen sind in Deutschland die häufigste Todesursache. Mit Blick auf die demographische Entwicklung wird sich daran auch nichts ändern. Im Gegenteil: 2030 wird der Anteil der über 80-Jährigen bei ca. zehn Prozent liegen — ein Großteil von ihnen wird infolge einer Gefäß­ erkrankung auf intensive medizinische Betreuung angewiesen sein. Die moderne Gefäßchirurgie hat jedoch in den letzten Jahren effektive Verfahren etabliert, mit denen auch Patienten im höheren Lebensalter schonend und individuell therapiert werden können. Von Dr. Nicole Schaenzler D er Mensch ist so alt wie seine Gefäße« – was der Arzt und Wissenschaftler Rudolf Virchow im 19. Jahrhundert konstatierte, gilt noch heute: Unsere Lebenserwartung hängt weniger von unserem biologischen Alter, sondern eher vom Zustand unseres Gefäßsystems, insbesondere des arteriellen Gefäßsystems, ab. Umso alarmierender sind aktuelle Daten, wonach bereits jeder dritte Deutsche über 40 Jahren erste Anzeichen einer Gefäßverkalkung (Arteriosklerose) hat. Spürbare Beeinträchtigungen sind in diesem Alter meist noch nicht zu erwarten, denn die Erkrankung entwickelt sich schleichend über Jahre und Jahrzehnte, ohne Beschwerden zu verursachen. Das macht die chronische Gefäßerkrankung so gefährlich: »Wird nicht rechtzeitig gegengesteuert, kann die Arteriosklerose zum Ausgangspunkt für lebensbedrohliche Ereignisse wie einen Herzinfarkt und Schlaganfall oder für die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) werden, die für ca. 50 000 Amputationen pro Jahr verantwortlich ist«, betont Prof. Thomas Koeppel, Chefarzt der Gefäßchirurgie im Klinikum der Universität München. Topfit 1 / 2013 Mit einem Stent lassen sich z. B. Aneurysmen heute gut behandeln. Gefäßverengung durch Arteriosklerose Eine Arteriosklerose betrifft das ganze arterielle Gefäßsystem. Dabei verdicken und verhärten Gefäße, weil sich in ihren Wänden Ablagerungen (Plaques) aus Kalk, Fett und anderen Blutbestandteilen gebildet haben. Diese Ablagerungen führen über kurz oder lang zur Verengung der betroffenen Arterie: Das Blut kann nicht mehr richtig fließen, es entstehen Durchblutungsstörungen. Dadurch wird das Gewebe nur noch unzureichend mit Sauerstoff versorgt. Kommt es zum Arterienverschluss, wird der Blutfluss Am Samstag, den 13. April, ­referiert Prof. Dr. med. ­Thomas Koeppel um 12 Uhr in Raum D auf der Messe »Die 66« über das Thema: Risiko »Gefäßerkrankung« – ­ vorbeugen, erkennen und behandeln Jeder ist willkommen. vollständig zum Erliegen gebracht. Es gibt aber auch akute Gefäßverschlüsse, die durch Blutgerinnsel hervorgerufen werden, die sich an den Wandplaques angelagert haben. Sind Arterien betroffen, die das Gehirn versorgen, entsteht ein Schlaganfall. Kommt es zu einem Verschluss der Herzkranzgefäße, entwickelt sich ein Herzinfarkt. Auch die »Schaufensterkrankheit« oder pAVK geht auf Durchblutungsstörungen infolge einer Arteriosklerose zurück: In diesem Fall sind entweder Engstellen in den Beinarterien (periphere Arterien) oder in der Beckenarterie bzw. Bauchschlagader als vorgeschaltete Gefäßversorgung der Beine verantwortlich. Was nur wenige wissen: Eine krankhafte Erweiterung etwa der Bauchschlagader (Aneurysma) steht ebenfalls oft im Zusammenhang mit einer Arteriosklerose. »Zwar spielt auch Vererbung eine Rolle, denn bei etwa 20 Prozent der Betroffenen ist bei mindestens einem Familienmitglied ebenfalls ein Aneurysma aufgetreten. Gerade im Bauchaortenbereich überwiegen jedoch klar die arteriosklerotischen Aneurysmen«, erläutert Prof. Koeppel. Ein Aneurysma im Körper kann zu einer tickenden Zeitbombe werden: Reißt das erweiterte Gefäß, droht der Betroffene innerlich zu verbluten. Risikofaktoren ausschalten — schwere Folgeerscheinungen vermeiden Eine fortgeschrittene Arteriosklerose lässt sich nicht mehr rückgängig machen, doch kann ihr weiterer Verlauf erheblich verlangsamt und im Fotos: Klinikum der U ­ niversität München, Steffen Hartmann, Andreas Steeger Aufgaben und Herausforderungen der modernen Gefäßchirurgie ­ Illustrationen mit Genehmigung von Medtronic® Diagnose & Therapie 19 Verzweigte Stentprothese (links). Aneurysma mit Stent (rechts). Idealfall sogar gestoppt werden. Dies ist zugleich die beste Therapiestrategie, um schwerwiegenden Folgeerscheinungen vorzubeugen. Von entscheidender Bedeutung ist hierbei die Vermeidung von Risikofaktoren. »Bereits mit einer konsequenten Änderung der Lebensweise kann man viel bewirken. Dazu gehören Rauchverzicht, regelmäßiger Ausdauersport sowie eine ausgewogene, fett- und kalorienarme Kost, um Übergewicht zu reduzieren«, sagt Prof. Koeppel. Medizinische Risikofaktoren wie Bluthochdruck, zu hohe Blutfettwerte und/oder ein zu hoher Blutzucker müssen gegebenenfalls medikamentös behandelt werden, wenn sie sich mit einer Umstellung der Lebens- und Essgewohnheiten nicht nachhaltig bessern. Wichtig sind zudem regelmäßige Kontrolluntersuchungen, um eine drohende Verschlechterung rechtzeitig zu erkennen und gegebenenfalls behandeln zu können. »Moderne bildgebende Verfahren wie die Doppler- bzw. farbcodierte Duplexsonographie oder auch die MR-Angiographie erlauben präzise diagnostische Aussagen über den Zustand von Arterien, ohne dass der Patient dabei besonders belastet wird«, betont Prof. Koeppel. Hochspezialisiertes Gefäßzentrum Nicht nur die Häufigkeit und das Patientenalter, sondern auch die Komplexität von Gefäßerkrankungen stellt die Mediziner immer wieder vor Herausforderungen. Die Antwort darauf sind interdisziplinäre Behandlungskonzepte in einem hochspezialisierten Zentrum, das durch die Einbeziehung anderer Fachdisziplinen den Patienten in Diagnostik und Therapie eine individuell abgestimmte medizinische Versorgung gemäß dem aktuellen Stand der Forschung ermöglicht. Im Gefäßzentrum des Klinikums der Universität München arbeitet die Gefäßchirurgie deshalb eng mit den Fachbereichen Angiologie und interventionelle Radiologie zusammen. Darüber hinaus bietet die Gefäßchirurgie ein Zur Person Prof. Dr. med. Thomas Koeppel ist seit Februar 2011 Chefarzt der Gefäßchirurgie, der Vaskulären und Endovaskulären Chirurgie und gehört zum Leitungsgremium des Gefäßzentrums im Klinikum der LudwigMaxi­milians-Universität München. Prof. Koeppel war u. a. Forschungsstipendiat der DFG am Yale Liver Center, Yale University School of Medi­cine und zuletzt stellvertretender Klinikdirektor und leitender Oberarzt der Klinik für Gefäßchirurgie, Universitätsklinikum der RWTH Aachen, bevor er 2010 den Ruf auf die Professur für Gefäßchirurgie an der LMU München erhielt. Nähere Infos: Gefäßchirurgie im Klinikum der Universität München (LMU) Campus Großhadern Marchioninistr. 15 · 81377 München Tel.: 089 / 70 95-6510 Campus Innenstadt Pettenkoferstr. 8a · 80336 München Tel.: (089) 51 60-36 01 E-Mail: [email protected] www.klinikum.uni-muenchen.de/Gefaesschirurgie/de außergewöhnliches Behandlungsspektrum an, das von komplexen Operationen an der Hauptschlagader bis hin zur minimal-invasiven (endovenösen) Krampfaderverödung durch Radiowellen reicht. Schwerwiegende Krankheitsbilder und ihre Behandlung in der Gefäßchirurgie der LMU Schaufensterkrankheit (pAVK) In Deutschland sind über drei Millionen Menschen betroffen – Männer häufiger als Frauen. Ein stark erhöhtes Risiko für eine pAVK tragen vor allem Raucher und Diabetiker. ▶ Symptome: Je nach Stadium reichen die Beschwerden von uncharakteristischen Missempfindungen (Stadium 1) über zunehmende Schmerzen in den Beinen beim Gehen (Stadium 2) bis hin zu Schmerzen auch im Ruhezustand (Stadium 3) und schließlich einem manifesten Gewebsuntergang, der im Extremfall zum Absterben von Zehen und anderen Teilen des Fußes führen kann (Stadium 4). ▶ Mögliche Folgeerscheinungen: Amputa­ tion, lebensbedrohliche Blutvergiftung. ▶ Therapie: In enger Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern des Gefäßzentrums werden in der Gefäßchirurgie des Münchner Uniklinikums sämtliche etablierten und innovativen Behandlungsmethoden durchgeführt. Diese reichen von einer Ballonerweiterung kleinster Unterschenkelgefäße bis hin zu großen Operationen wie einer Kalkausschälung oder einer Bypassoperation an der Hauptschlagader. Halsschlagaderverengung (Karotisstenose) Die Halsschlagadern (Karotis) gehören zu den hirnversorgenden Gefäßen und ziehen jeweils auf einer Seite des Halses nach oben kopfwärts. Etwa drei Prozent der älteren Bevölkerung in Deutschland haben eine Karotisstenose. Von den etwa 200 000 Schlaganfallpatienten ist bei rund 30 000 eine hochgradige Verengung oder ein Verschluss der Halsschlagader der Auslöser. ▶ Symptome: Bei hochgradigen Verengungen kommt es zu Durchblutungsstörungen im Gehirn. Welche Symptome im Vordergrund stehen, hängt davon ab, welches Gehirnareal von der Sauerstoffunterversorgung betroffen ist. Besonders häufige Beschwerden sind Sehstörungen, Gefühlsstörungen und/oder Schwäche bis hin zu Lähmungserscheinungen einer Körperseite, z. B. eines Arms oder einer Gesichtshälfte, Sprech- und Sprachstörungen, Kopfschmerzattacken, Schwindel und/oder Gangstörungen. Handelt sich um ein einmaliges Ereignis, dass wenige Minuten bis einige Stunden anhält, sprechen die Ärzte von einer transistorischen ischämischen Attacke (TIA): In diesem Fall ist die Gefahr, dass sich in den nächsten Tagen oder Wochen ein Schlaganfall ereignet, bereits so groß, dass unverzüglich Behandlungsmaßnahmen eingeleitet werden müssen. ▶ Mögliche Folgeerscheinungen: Schlaganfall. »Bei asymptomatischen Patienten liegt der Schwellenwert bei einer Verengung von 70 Prozent, dann steigt das Schlaganfallrisiko deutlich an«, erläutert Prof. Koeppel. ▶ Therapie: Ziel der Behandlung ist die Vermeidung eines Schlaganfalls. Besteht zunächst keine akute Gefahr, kann mit einer Ausschaltung der Risikofaktoren und mit Medikamenten versucht werden, eine weitere Verengung zu verhindern. Die medikamentöse The­ra­pie verwendet Thrombozytenaggregationshemmer wie Azetylsalizylsäure oder Clopidogrel, die verhindern, dass sich Blutplättchen (Thrombozyten) zusammenlagern und dann ein Blutgerinnsel bilden. Bei einer hochgradigen Verengung ist eine invasive Therapie meist unumgänglich. Ziel ist es, die Ablagerungen durch einen Zugang am Hals herauszuschälen und so die Engstelle zu beseitigen. Auch eine Behandlung mit Stents kann in Einzelfällen sinnvoll sein. Die Therapieentscheidung wird im Gefäßzentrum in Absprache mit den Kooperationspartnern vor allem der Neurologie und Neuroradiologie getroffen. Bauchaortenaneurysma Betroffen sind vor allem Männer über 60 Jahren – und langjährige Raucher. »Menschen, die ein erhöhtes Risiko haben, raten wir spätestens ab dem 65. Lebensjahr zu einer Ultraschalluntersuchung, bei der sich ein mögliches Aneurysma früh erkennen lässt«, sagt Prof. Koeppel. ▶ Symptome: Überwiegend symptomlos; eher selten verspüren die Betroffenen Schmerzen im Rücken oder Bauch. ▶ Mögliche Folgeerscheinungen: Das Spektrum der Komplikationen ist groß. Besonders schwerwiegend ist der Gefäßwandriss, aber auch eine Embolie oder ein Gefäßverschluss können sich entwickeln. ▶ Therapie: Die Gefäßchirurgie am Klinikum der Universität München hat sich auf dieses komplexe Krankheitsbild spezialisiert und bietet für die Patienten ein maßgeschneidertes Behandlungskonzept an. Dabei reicht das Spektrum von der minimalinvasiven Behandlung mit einem Stent (Gefäßstütze) bis hin zur offenen Operation. Operationen an der Brusthauptschlagader werden in Kooperation mit der Klinik für Herzchirurgie durchgeführt. Sämtliche komplexen Operationen an der Hauptschlagader werden gemeinsam mit den Partnern der Aortenallianz München besprochen, mit dem Ziel der bestmöglichen Vorbereitung und Sicherheit der Patienten. Die Gefäßchirurgie der LMU München bildet das gesamte Behandlungsspektrum gefäßchirurgischer Krankheitsbilder ab — vaskulär und endovaskulär. Ein 365-Tage-24 Stunden-Hintergrunddienst sichert die Verfügbarkeit aller modernen Therapieverfahren rund um die Uhr. Topfit 1 / 2013