Consumer Industries & Retail Group Akzente 2’10 Was Kunden morgen wollen Fünf Trends prägen das Kaufverhalten in den kommenden Jahren. Wer sich heute darauf einstellt, wird morgen gewinnen. Premiumprodukte Eine Studie zeigt, wie man Premiumprodukte richtig positioniert und real erlebbar macht – und das zahlt sich aus Interview Werner Wolf, Chef der Bitburger Braugruppe, über den Wettbewerb im schrumpfenden Biermarkt Lebensmittel online Jetzt starten viele Lebensmittelhändler den Verkauf via Internet – was sie von den britischen Pionieren lernen können Trade Budget Rapid Return: Ein Ansatz, mit dem sich Handelsinvestitionen der Konsumgüterhersteller rasch rechnen Wasser Der verantwortliche Umgang mit der knappen Ressource birgt Wettbewerbschancen für Konsumgüterhersteller 2 Inhalt 4 McKinsey News: Word-of-Mouth-Marketing richtig steuern; Mehr Frauen ins Management; Profifußball als Wirtschaftsfaktor; Freiheit für Marketingmanager; Wirtschaftsstandort Berlin; Buchtipp: The Price Advantage 8 Titelthema: Was Kunden morgen wollen Kaufverhalten: Was, wo und wie wir in Zukunft einkaufen werden Titelthema: Händler und Hersteller sollten sich auf fünf Trends einstellen Seite 8 16 Premium auf dem Prüfstand Eine Studie zeigt, wie man Premiumprodukte erfolgreich positioniert 22 „Seit wir die Nationalmannschaft sponsern, gewinnen wir stetig Marktanteile“ Interview mit Dr. Werner Wolf, Chef der Bitburger Braugruppe 28 www.lebensmittelaus-dem-internet.com Was europäische OnlineLebensmittelhändler von britischen Vorbildern lernen können Interview: Bitburger-Chef Werner Wolf über den Wettbewerb im schrumpfenden Biermarkt Seite 22 36 Handelsinvestitionen: Rasche Rendite Ein Ansatz, wie sich Investitionen in das Trade Budget schnell auszahlen 42 Weniger Wasser, mehr Wert Wettbewerbschancen durch verantwortungsvollen Umgang mit der knappen Ressource 46 Von der Wasserknappheit zur globalen Nahrungsmittelkrise Kommentar von Peter BrabeckLetmathe, Präsident des Verwaltungsrats von Nestlé 48 Werkstatt Aktuelle McKinsey-Studien Wasser: Ein Kommentar von Peter Brabeck-Letmathe, Präsident des Verwaltungsrats von Nestlé Seite 46 49 Impressum Akzente 2’10 3 Editorial Die neue Online-Mobilität „Was Kunden morgen wollen“ ergründen meine Kollegen im Titelthema der aktuellen Akzente-Ausgabe. Einer der fünf Trends, die das künftige Nachfrageverhalten prägen, ist: die neue OnlineMobilität. Sie beschreibt die umfassende Online-Kompetenz der Verbraucher, die in Foren nach Produktinformationen suchen oder Produkte beurteilen und über Google Preise vergleichen, die ethisch fragwürdige Praktiken von Unternehmen in den Web Communities anprangern oder aber auf Unternehmenswebsites als hilfreiche „Prosumer“ (Producer + Consumer) neue Produkte mitentwickeln. Gemeinsam mit unserem neuen Joint-Venture-Partner, dem Informations- und Medienunternehmen Nielsen, ergründet McKinsey das Potenzial von Social Media für die Wirtschaft und beschreitet innovative Wege in dessen Nutzung. Nielsens Zahlen belegen, dass die neue Online-Mobilität schon Realität ist: Weltweit suchen mehr als zwei Drittel aller befragten Konsumenten Online-Diskussionsforen oder soziale Netzwerke im Internet auf, um dort Produktbesprechungen, Empfehlungen oder Warnungen zu lesen, bevor sie eine Kaufentscheidung treffen. Vier von zehn der befragten Verbraucher würden keine Unterhaltungselektronik, zwei von zehn keine Telekommunikationsdienste kaufen, ohne sich zuvor im Internet über die Erfahrungen anderer Konsumenten zu informieren. Facebook hat in diesem Sommer den fünfhundertmillionsten Teilnehmer begrüßt. Viele Konsumgütermarken und Einzelhändler haben schon ihre Pro¿le eingestellt und werben um Freunde. Markenkommunikation de¿niert sich neu. Wir lassen Sie auf dem Weg nicht allein. Anregende Lektüre wünscht Ihnen Klaus Behrenbeck, Herausgeber von Akzente, Leiter des europäischen Konsumgüter- und Handelssektors von McKinsey klaus_behrenbeck @mckinsey.com 4 News Word-of-MouthMarketing messen und steuern Kunden vertrauen Foren und Blogs – Unternehmen müssen reagieren. Gegenüber der Kakofonie der klassischen Werbung sind viele Verbraucher längst abgestumpft, doch wenn ihnen ein Freund über ein Produkt berichtet, hören sie aufmerksam zu. „Word of Mouth“ löst zwischen 20 und 50 Prozent aller Kaufentscheidungen aus, am stärksten ist der Einfluss bei Erstkäufen und teuren Anschaffungen. Und die Bedeutung der Online-Mundpropaganda nimmt rasant zu: In Blogs, Foren und Beratungsrunden tauschen Verbraucher Erfahrungen und Empfehlungen aus, vor größeren Anschaffungen gehört die Recherche im Internet schon zur Routine. Umso wichtiger für alle Unternehmen, Word of Mouth richtig zu verstehen und aktiv zu nutzen. McKinsey hat drei Grundformen der Word-of-MouthKommunikation identifiziert: „Experiential“: Diese Form ist die häufigste. Sie resultiert aus eigener – meist negativer – Erfahrung mit einem Produkt. Das Ansehen der Marke kann dabei beschädigt werden. Positive Erfahrungsberichte dagegen können einer Marke kräftig Rückenwind verschaffen. „Consequential“: Dies bezeichnet Reaktionen auf klassische Marketingkampagnen, etwa wenn Konsumenten Inhalte eines Werbespots oder einer Anzeige weitererzählen oder in Blogs und Foren einstellen. „Intentional“: Hier lösen Unternehmen eine Word-of-Mouth-Kampagne bewusst aus, indem sie Kernbotschaft und Mediamix entsprechend optimieren. Menge x Wirkung = Kapital Wer die drei Formen von Word of Mouth verstanden hat, will ihre Wirkung auf die Kaufentscheidung messen. McKinsey hat eine einfache Formel entwickelt, um diese Wirkung grob abzuschätzen: Menge x Wirkung = Word-of-Mouth-Kapital. Es beginnt mit dem Zählen der positiven und der negativen Erwähnungen. Diese werden dann gewichtet: Wer sagt es – Freund oder Unbekannter? Was ist das Thema – kaufentscheidende Faktoren oder unwichtige Features? Wie verlässlich ist die Quelle und worauf basiert sie – auf eigener Erfahrung oder auf Hörensagen? NM Incite: Joint Venture analysiert, was soziale Medien leisten Auf Facebook, Youtube und StudiVZ sind die Kunden von morgen unterwegs: Um Fakten über Social Media zu sammeln, haben McKinsey und das Medien- und Informationsunternehmen Nielsen das Joint Venture NM Incite gegründet. Es misst die Wirkung von Marketingmaßnahmen von Unternehmen in sozialen Medien und liefert Verbesserungsvorschläge. Außerdem optimiert es Produkteinführungen sowie den Kundendienst via Social Media. Mehr Informationen auf www.nmincite.com und demnächst in Akzente. Empfehlungen sind glaubwürdiger als Werbung: Zwischen 20 und 50 Prozent aller Kaufentscheidungen werden von ihnen entscheidend beeinÀusst. Als Apple etwa sein iPhone in Deutschland einführte, wurde das Produkt zwar von einem Drittel weniger Menschen diskutiert als der damalige Marktführer. Doch die iPhone-Fans waren die einflussreichsten unter den Bloggern und Forenmitgliedern und sie waren die eifrigsten. Ihre Wirkung lag beim Fünffachen der durchschnittlichen Wirkung – das iPhone startete mit starkem Rückenwind. WoM generiert doppelten Umsatz Wer weiß, welche Botschaften besonders häufig von Konsumenten weitergegeben werden, wird bald versuchen, Word of Mouth durch gezielte Kampagnen zu stimulieren. Das Handwerkszeug stammt aus dem klassischen Marketing. Am Anfang steht die Frage nach der richtigen Zielgruppe – wer sind die einflussreichsten Multiplikatoren? Dann kommt die Botschaft – welche Inhalte interessieren diese Menschen so sehr, dass sie sie weiterverbreiten? Und schließlich der Kanal – wie erreiche ich diese Menschen mit meiner Botschaft? Der Aufwand lohnt sich: McKinsey hat errechnet, dass vom Marketing gestartete Word-of-Mouth-Kampagnen pro investierten Euro im Schnitt mehr als doppelt so viel Umsatz generieren wie klassische Marketingkampagnen. Mehr unter: www.mckinseyquarterly.com/a_new_ way_to_measure_word-of-mouth_ marketing_2567 Akzente 2’10 5 McKinsey-Studie: Pro¿fußball als aftsf Wirtschaftsfaktor Weibliche Führungsqualitäten Mehr Frauen ins Management – die Studie „Women Matter 3“ zeigt: Topmanager rund um die Welt setzen auf weibliche Stärken. Mit einem höheren Frauenanteil auf Vorstandsebene steigt die Chance, dass ein Unternehmen die Krise gut bewältigt. Das ist die Einschätzung von Führungskräften, die McKinsey für die Studie „Women Matter 3“ befragte. Darin wurde untersucht, welche Fähigkeiten Unternehmen in und nach der Krise brauchen, um erfolgreich zu sein, und welche Führungsstile als entscheidend angesehen werden. Befragt wurden 763 Führungskräfte weltweit. Diese repräsentieren alle Regionen, Industrien und Funktionen. Ein wesentliches Ergebnis der Studie: Der richtige Mix der Geschlechter in den Managementpositionen sollte, bei Unternehmen eine strategische Priorität darstellen. Die befragten Entscheider halten die Fähigkeit zu führen für das wichtigste Kri- terium überhaupt, um ein Unternehmen erfolgreich durch Krisenzeiten und Veränderungen zu steuern. Zwei Führungsstile, die wesentlich öfter weiblichen als männlichen Führungskräften zugeschrieben werden, halten die Befragten für besonders wichtig, um durch die Krise und die Zeit danach zu führen: „Inspiration“ und „Erwartungen definieren/Belohnungen anbieten“. In der Krise sehen 48 Prozent, nach der Krise sehen 45 Prozent der Studienteilnehmer „Inspiration“ als wichtigste Führungsqualität an. 47 Prozent der Befragten finden „Erwartungen definieren/Belohnungen anbieten“ besonders wichtig. Die Umfrage zeigt, dass Unternehmen konsequenter versuchen sollten, mehr Frauen in ihre Führungsteams bis hinauf in den Vorstand zu holen. Frauen führen anders: Die Studie „Women Matter 3“ fand heraus, dass die Führungsstile „Inspiration“ und „Erwartungen de¿nieren/Belohnungen anbieten“, die von Frauen überproportional häu¿g angewandt werden, in und nach Krisenzeiten besonders wertvoll sind. Der Pro¿fußball erzeugt in Deutschland jährlich eine Wertschöpfung von mehr als 5 Milliarden Euro. Dies ist eines der Ergebnisse einer Studie von McKinsey, die die wirtschaftliche Bedeutung des Pro¿fußballs in Deutschland untersucht. „Damit trägt der Fußball jeden fünfhundertsten Euro zum Bruttoinlandsprodukt in Deutschland bei. Dies entspricht dem Bruttoinlandsprodukt einer mittleren deutschen Großstadt“, sagt Klaus Behrenbeck, der bei McKinsey den europäischen Handels- und Konsumgütersektor leitet, zu dem auch die Freizeitbranche gehört. Rund 110.000 Jobs in Deutschland stehen im Zusammenhang mit professionellem Fußball. Bereinigt um Teilzeitkräfte und Aushilfen entspricht dies rund 70.000 Vollzeitbeschäftigten. Thomas Netzer, Leiter der Studie: „Durch die wirtschaftlichen Aktivitäten rund um den Pro¿fußball Àießen dem deutschen Staat jährlich rund 1,5 Milliarden Euro netto an Steuern und Abgaben zu. Damit lassen sich beispielsweise die staatlichen Zuschüsse zu den fünf größten Universitäten des Landes ¿nanzieren.“ Sämtliche staatlichen Ausgaben für den Pro¿fußball sind dabei berücksichtigt und bereits abgezogen. 6 News Mehr Freiheit für Marketingmanager Markenmanager müssen zum Integrator werden. Dazu brauchen sie neue Fähigkeiten und schlankere Organisationen. Bei den meisten Markenartiklern ist die Zeit der omnipotenten Marketingmanager abgelaufen. Denn Konsumgüterunternehmen haben auf den grundlegenden Wandel von Verbraucherverhalten und Einzelhandelslandschaft reagiert, mit ihren Maßnahmen jedoch häufig ein Übermaß an Komplexität geschaffen. Die Veränderungen in ihrem Umfeld haben viele Unternehmen zu umfassenden strukturellen Neuerungen veranlasst und lassen sie scheinbar endlose Umorganisationen durchlaufen. Diese Neuerungen mögen gut gemeint sein, haben jedoch zur Folge, dass sich die Marketingabteilungen immer stärker spezialisieren und neue Kompetenzgefüge entstehen – zum Nachteil von Markenmanagern. Die meisten sind in komplexe Matrixorganisationen eingebunden, verbringen bis zu 80 Prozent ihrer Arbeitszeit in Meetings, verfügen über deutlich weniger Entscheidungsbefugnisse als früher und haben ihre alte Rolle als Integratoren verloren. Dieser Verlust hat deutliche Auswirkungen auf die Performance der Unternehmen: Spezialisierte Marketingorganisationen sind über 2 Prozentpunkte weniger effektiv und sogar 40 Prozent weniger effizient als Organisationen, die als Generalisten aufgestellt sind. Wie können sich Unternehmen aus diesem Dilemma befreien? In einem Artikel für das McKinsey Quarterly zeigen drei Berater der Organization Practice von McKinsey auf, wie Markenmanager die Fesseln abstreifen können. Um ihre Rolle als Integratoren aller relevanten Stufen von der Produktentwicklung bis zur Kundenbindung zurückzuerobern, Hierarchieebenen streichen, Kommunikation trainieren: Das entfesselt Marketingmanager, die heute ihr Potenzial nicht ausschöpfen können. schreiben die Autoren, müssen sie ihre Kommunikations- und Verhandlungsfähigkeiten ausbauen und gezielt Networking betreiben. Nur dann können sie ihre Funktion erfolgreich ausfüllen und den Anforderungen des neuen Umfelds gerecht werden. Um diese entscheidenden Fähigkeiten für den Erfolg zu entwickeln, müssen sich die Marketingmanager zunächst Freiräume schaffen. Das kann durch die Anwendung von Lean-Prinzipien auf die überkomplexe Organisation gelingen. Denn die Vielzahl gut gemeinter Neuerungen, so die Autoren, hat dazu geführt, dass sich die Verantwortlichkeiten der Marketingmanager überlappen, ihre Entscheidungskompetenzen unklar sind und sie übermäßig viel Zeit in Meetings verbringen – all dies zu Lasten ihrer Effektivität. Anhand von Fallstudien erläutern die Autoren, warum es oftmals möglich ist, auf mehrere Hierarchiestufen in einem Unternehmen zu verzichten und den Managern so die Freiräume zurückzugeben, die sie brauchen, um einen echten Wertbeitrag zu leisten. Schlagen die Unternehmen den von den Autoren skizzierten Weg ein, können sie für eine effektive Koordination sorgen, Ineffizienzen beseitigen und ihren Führungskräften Spitzenleistungen ermöglichen. Den ganzen Artikel und die Fallstudien gibt es im Download: www.mckinseyquarterly.com/retail_ consumer_goods Akzente 2’10 7 Exzellentes Pricing – so geht’s Wirtschaftsstandort Berlin: Wachstum mit Tourismus, Elektroautos, schnellem Internet und Gesundheit. Berlin kann in den nächsten zehn Jahren durch die gezielte Stärkung von Wachstumsfeldern bis zu 500.000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Jobs schaffen. Dies ist das Ergebnis der McKinseyStudie „Berlin 2020. Wirtschaftliche Perspektiven durch neue Wachstumskerne“. Arbeitsplätze können vor allem im Tourismus, im Bereich Elektromobilität, in der Informations- und Kommunikationsbranche und in der Gesundheitswirtschaft entstehen. „Dieses Wachstumsziel ist ambitioniert, aber nicht unrealistisch“, sagt Katrin Suder, Leiterin des Berliner McKinsey-Büros. Engagement für Berlin „Berlin 2020“ ist ein Pro-bono-Engagement von McKinsey. Anfang des Jahres wurden dafür über 150 Gespräche mit Experten geführt. Die Ergebnisse sind eine detaillierte Bestandsaufnahme der wirtschaftlichen Situation Berlins und eine genaue Analyse ausgewählter Wachstumspotenziale. Allein in den Branchen Tourismus, Elektromobilität, Internet und Gesundheit können in den kommenden zehn Jahren bis zu 160.000 neue Arbeitsplätze entstehen, also bereits rund ein Drittel der langfristig auch für einen ausgeglichenen Haushalt benötigten 500.000 Jobs. „Durch jeden neu geschaffenen Arbeitsplatz wird unserer Erfahrung nach die Basis für zwei bis drei weitere Arbeitsplätze geschaffen“, schätzt Katrin Suder. Berlins größter Jobmotor ist der Tourismus. Schon heute beschäftigt die Branche rund 10 Prozent aller Erwerbstätigen in der Stadt. Wenn sich das Wachstum wie bisher fortsetze, könnten hier laut Studie bis 2020 mindestens weitere 115.000 neue Jobs entstehen. Für die boomende Elektromobilität hat Berlin eine sehr gute Ausgangsposition. Ebenso gut sind die Chancen, sich als Standort für die Produktion und Fertigung von Lithium-Ionen-Batterien zu etablieren, wie sie für Elektroautos benötigt werden. Voraussetzung dafür sind der Studie zufolge ein wissenschaftliches Forschungs- und Entwicklungscluster sowie ein Businessplan für die Ansiedlung der Batteriezellenproduktion. Schöne Aussichten: Berlin hat Chancen in den Themenfeldern Tourismus, Elektromobilität, schnelles Internet und Gesundheit. John Wiley & Sons, 2010; ISBN 978-0-470-48177-6 Intelligentes Pricing liefert den besten Hebel, um den Gewinn eines Unternehmens zu steigern. Trotzdem bleibt es „one of the most undermanaged functions“, schreiben die Autoren Walter Baker, Michael Marn und Craig Zawada. Mit der zweiten AuÀage von „The Price Advantage“, dem Gemeinschaftswerk der drei McKinsey-Pricing-Experten, bieten sie das nötige Handwerkszeug an, um dies zu ändern. Das Buch stützt sich auf umfangreiche praktische Erfahrungen aus Hunderten von Unternehmen – deren Pricingstrategien die Autoren intensiv analysierten. „The Price Advantage“ gibt Managern einen Leitfaden durch das Labyrinth der relevanten Themen und konzentriert sich auf die Übersetzung der Erkenntnisse in tatsächliche Ertragssteigerungen eines Unternehmens. Die Autoren untersuchen die neuesten Ansätze zur Analyse und Verbesserung der Pricing-Performance, illustrieren diese anhand realer Fallstudien und zeigen auf, wie Unternehmen exzellentes Pricing erreichen können. Denn in wirtschaftlich guten wie auch schlechten Zeiten sind Preisvorteile kritisch für den Erfolg und die Pro¿tabilität des Unternehmens. Mehr Informationen zum Buch: www.mckinsey.com/ideas/books 8 Konsumtrends Was Kunden morgen wollen Fünf Trends werden in den kommenden Jahren das Einkaufsverhalten prägen. McKinsey zeigt, wie Unternehmen die Auswirkungen solcher Trends frühzeitig ermitteln – und damit Wettbewerbsvorteile erzielen. Akzente 2’10 9 Neuer Konsum: Wenn dieser Junge erwachsen ist, beeinÀussen Trends wie „Neuer Konsum“ und „Neue Verunsicherung“ sein Konsumverhalten. 10 Konsumtrends Von Florian Baumgartner, Peter Breuer und Dennis Spillecke Vorsprung durch Wissen: Erfolgreiche Hersteller und Händler fragen schon heute, was die Menschen in fünf bis zehn Jahren kaufen wollen – aber auch, wo und wie sie einkaufen werden. Denn künftige Verschiebungen bei Kundenpräferenzen und Konsumverhalten verlangen frühzeitige Anpassungen in der Unternehmensstrategie. Derzeit gibt es eine Reihe grundlegender konsumrelevanter Entwicklungen, die sich in fünf Megatrends zusammenfassen lassen. Diese fünf Trends sind zwar für sich genommen nicht neu, in ihrem Zusammenwirken werden sie jedoch die Kundenbedürfnisse in den nächsten Jahren deutlich verändern (Gra¿k 1). Neue Verunsicherung. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat viele Menschen verunsichert und das Vertrauen in Institutionen erschüttert. Die Konsumenten reagieren darauf mit unterschiedlichen Strategien. Einige entdecken für sich eine „neue Bescheidenheit“, die im ÜberÀuss keinen Mehrwert sieht, andere ziehen sich zurück in die leichter zu kontrollierende „Komfortzone“ des Privaten. An Bedeutung gewinnt zudem ein Konsum, der ethisch vertretbar ist und Anbieter favorisiert, die neben Pro¿tinteressen auch soziale Ziele verfolgen. Neue Online-Mobilität. Überall verfügbare, schnelle Breitbandzugänge und neue Formen der mobilen Kommunikation machen es möglich, jederzeit und überall ins Internet zu gehen und online einzukaufen. Im Zuge der Verschmelzung von virtueller und realer Identität wandelt sich auch der Konsument. So verlieren einseitige Werbebotschaften an Wirkung, während Dialog und Auseinandersetzung mit dem gut informierten Verbraucher immer wichtiger werden. Als „Prosumer“, der beispielsweise an Neuentwicklungen mitwirkt, wird der Konsument sogar produktiver Teil der Wertschöpfungskette. Neuer Öko-Zwiespalt. Viele Konsumenten schwanken zwischen der Einsicht, dass unsere natürlichen Lebensgrundlagen mehr Schutz benötigen, und dem Wunsch, sich persönlich möglichst wenig einzuschränken. Klimawandel und Ressourcenverknappung lassen Verbraucher verstärkt alte Gewohnheiten hinterfragen. Indizien dafür sind etwa die rasant gestiegene Nachfrage nach Bioprodukten oder der Zulauf zur LOHAS-Bewegung (Lifestyles of Health and Sustainability), die einen Lebensstil propagiert, der Ökologie und Nachhaltigkeit mit Genuss und Komfort versöhnt. Neuer Konsum. Im Spannungsfeld von knappen Ressourcen – in Bezug auf Zeit und Geld – sowie hohen Ansprüchen ist ein neues Konsumverhalten entstanden, das auf Lifestyle und Individualität ausgerichtet ist. So wird der Konsum selbst für immer mehr Menschen zu einem Teil ihres Lifestyles. Er bietet Ablenkung und/ oder Selbstvergewisserung: Einkaufen soll ein Erlebnis sein, dabei aber bequem und einfach (Convenience). Der Lifestyle-Aspekt spiegelt sich auch im „hybriden“ Einkaufsverhalten wider: Teure Anschaffungen gehen einher mit Schnäppchenjagd, weil beides je nach Situation zum Lebensstil des Konsumenten passt. Neue Lebensmodelle. Dieser Trend ist eng mit dem soziodemogra¿schen Wandel verknüpft und umfasst zwei Aspekte: zum einen die Verzögerung der Lebensphasen und hier insbesondere das längere „Jungbleiben“, zum anderen die Fragmentierung der Gesellschaft durch Individualisierung, multikulturelle Bevölkerung sowie die Erosion von Familienbild und Geschlechterrollen. Diese seit Langem zu beobachtenden Entwicklungen haben sich zuletzt beschleunigt und werden auch künftig weitreichende Auswirkungen auf das Konsumentenverhalten haben. Bei ihrer strategischen Planung stehen die Unternehmen vor einer doppelten Aufgabe: Zunächst geht es darum, den EinÀuss der Trends auf Konsumentenverhalten und Markt genauer zu untersuchen. Auf Grund der so gewonnenen Erkenntnisse lässt sich dann das eigene Nutzenversprechen überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Auswirkungen der Trends analysieren Im ersten Schritt können Hersteller und Händler mit Hilfe einer Konsumentenbefragung heraus¿nden, wie sich die Trends schon heute auf das Kundenverhalten auswirken. Diese Erhebung zielt ab auf die so genannten Kauftreiber, also auf jene Faktoren, die für den Kauf eines Produkts oder den Einkauf bei einem bestimmten Händler ausschlaggebend sind. Allerdings wird nicht nur nach herkömmlichen Kauftreibern wie Preis, Qualität oder Service gefragt, sondern auch nach trendbezogenen Faktoren wie etwa unternehmerischer Verantwortung des Anbieters oder Nachvollziehbarkeit der Produktherkunft. Aus den Umfrageergebnissen lassen sich wichtige Erkenntnisse ableiten: Erstens wird der gegenwärtige EinÀuss der Trends auf den Kaufprozess transparent. Zweitens macht eine Zeitreihenanalyse (sofern Marktforschungsergebnisse für mehrere Jahre vorliegen) Trendverschiebungen im Zeitverlauf sichtbar. Und drittens Akzente 2’10 11 1. Fünf Trends verändern das Konsumverhalten Wirtschaftliche Instabilität „Neue Verunsicherung“ Technologischer Wandel „Neue OnlineMobilität“ Ökologischer Wandel „Neuer ÖkoZwiespalt“ Neue Bescheidenheit • Freiwilliger Verzicht • Gut ist gut genug Digitalisiertes Leben • Social Software • Konvergenz von Privatem und Öffentlichem • „All apps on all screens“ Grünes Bewusstsein • Zurück zur Natur • Green & Clean Bedürfnis nach der Komfortzone • Retro • Cocooning Ethisch vertretbarer Konsum Soziodemografischer Basistrend „Neue Lebensmodelle“ Neue Kundenmacht • Einflussreiche Netzwerke • Prosumer LOHAS • Gesunder und nachhaltiger Lebensstil • Wunsch nach Genuss und Komfort „Junge Alte“ • Spätere Übernahme von Verantwortung • Längeres Jungbleiben Wertewandel „Neuer Konsum“ Konsum als Lifestyle • Einkauf als Erlebnis und Genuss • Convenience (Auswahl, Benutzerfreundlichkeit) • Wellness, Körperkult Hybrider Konsument • Kombination von Discount und Premium Fragmentierte Gesellschaft • Individualisierung/Ich-Fokussierung • Kleinere Haushalte • Multikulturelle Gesellschaft • Angleichung der Geschlechterrollen Quelle: McKinsey zeigt eine Simulation, wie sich die zunehmende Bedeutung eines Trends auf das Kundenverhalten auswirken würde und in welchen Kauftreibern das größte Potenzial für ein Unternehmen liegt. Da diese Erhebung nicht nur für die eigenen Marken, sondern auch für die mehrerer Wettbewerber durchgeführt wird, kann das Management schließlich ermitteln, wie das Unternehmen heute im Vergleich zur Konkurrenz abschneidet und wie zukunftssicher der Marktauftritt mit Blick auf die Trends ist. Mögliche Ergebnisse einer solchen Marktforschung veranschaulicht Gra¿k 2 (Seite 12): McKinsey hat im Januar 2010 Konsumenten zu ihrem Einkaufsverhalten bei Lebensmitteleinzelhändlern befragt. Hierbei handelt es sich um eine kleine, aber sehr aufschlussreiche Stichprobe: Es hat sich gezeigt, dass die Megatrends schon heute fünf der zehn wichtigsten Kauftreiber bestimmen. Vor allem die Trends „Neue Verunsicherung“ und „Neuer Konsum“ haben großen EinÀuss auf die Einkaufs- stättenwahl – stärkster Anreiz überhaupt ist Convenience, also der Komfort beim Einkauf. Zudem ergab ein Vergleich der Ergebnisse mit einer Konsumentenbefragung von 2006, dass die trendbezogenen Kauftreiber an Bedeutung gewinnen, während klassische Faktoren wie der Preis nicht mehr so stark ins Gewicht fallen. Fast jeder zweite Befragte legt heute mehr Wert auf regionale und exotische Angebote („Neue Lebensmodelle“) als noch 2006. Besonders interessant sind die Auswertungen für einzelne Lebensmittelhändler in Deutschland: Wie gut gelingt es den verschiedenen Unternehmen, trendbezogene Kundenbedürfnisse zu befriedigen? Hier tut sich eine beträchtliche Kluft auf zwischen Verbraucher- und Supermärkten auf der einen und Discountern auf der anderen Seite. Während die Konsumenten die klassischen Händler und insbesondere Edeka positiv bewerten, schneiden Aldi & Co bei der Trendabfrage insgesamt unterdurchschnittlich ab und lassen auch untereinander 12 Konsumtrends 2. Die Trends „Neue Verunsicherung“ und „Neuer Konsum“ zählen bereits zu den drei wichtigsten Kauftreibern Trendbezug Bedeutung aggregierter Kauftreiber, 2010 Korrelation mit Aussage „Dort erledige ich den Großteil meiner Einkäufe“ Convenience 0,44 Neue Verunsicherung 0,43 Neuer Konsum 0,43 Sortiment 0,34 Qualität 0,30 Neuer Öko-Zwiespalt 0,30 Neue Lebensmodelle 0,30 Preis 0,29 Neue Online-Mobilität 0,27 Angebote 0,26 Einkaufserlebnis Kundenkarte 0,24 0,20 Quelle: McKinsey kaum Differenzierung erkennen (Gra¿k 3). Mehr noch: Eine Zukunftssimulation deutet darauf hin, dass sich diese Kluft noch vergrößern wird und die Discounter massiv unter Druck geraten könnten. Zukunftsthesen entwickeln Um die Marktforschungsergebnisse zu validieren und das künftige Konsumentenverhalten genauer zu prognostizieren, emp¿ehlt sich im nächsten Schritt die Erarbeitung geschäftsbezogener Zukunftsthesen im Rahmen von Expertenworkshops. Die Teilnehmer übersetzen dabei die Auswirkungen von Trends in konkrete Aussagen zu Konsumenten und Märkten – und leiten daraus Konsequenzen für das Unternehmen ab. Sechs Zukunftsthesen und ihre potenziellen Folgen für Unternehmen illustrieren, wie das Resultat eines solchen Expertenworkshops am Beispiel des Lebensmitteleinzelhandels aussehen kann: 1. Keine Preisführerschaft ohne Kostenführerschaft. Diese These resultiert aus der neuen Fähigkeit des Konsumenten, bald per Handy jederzeit die Preise der Händler vergleichen zu können. Als Preisführer wird sich daher künftig pro¿lieren, wer nicht nur in der Wahrnehmung der Kunden, sondern tatsächlich die niedrigsten Preise bietet – und das gelingt nur mit minimalen Kosten. Konsequenz: Händler, die heute auf „gefühlte“ Preisführerschaft setzen, müssen entweder ihr Nutzenversprechen anpassen oder die Kostenführerschaft erlangen. 2. Kundenkontaktpunkte werden allgegenwärtig. Der Handel wird dem Wunsch seiner Kunden nach Convenience mit immer mehr Kontaktpunkten entgegenkommen. Zugleich lässt die wachsende Bedeutung des Internets die Bereitschaft zum Online- und kanalübergreifenden Einkauf weiter steigen. Konsequenz: Lebensmittelhändler werden beim Kundenkontakt wie auch im Kaufprozess ideenreich oder zumindest anpassungsfähig Akzente 2’10 13 3. Discounter schneiden insgesamt in den Trenddimensionen eher schwach ab und zeigen weniger Differenzierung untereinander Zustimmung zu ausgewählten trendbezogenen Aussagen Abweichung vom durchschnittlichen Top-2-Box-Rating1 in Prozentpunkten Trend Neue Verunsicherung Aussage A + 25% B D Einkauf vermittelt Gefühl persönlicher Nähe Händler geht verantwortungsvoll mit Kundendaten um Händler nutzt moderne Technologie, um mir den Einkauf zu erleichtern Neuer Öko-Zwiespalt Händler bietet gute Auswahl an Bioprodukten Händler bietet Produkte für Gesundheitsbewusste an Neue Lebensmodelle Ø C Das Geschäft hält, was es verspricht Neue OnlineMobilität Neuer Konsum - 25% Discounter • Konsumenten schätzen Discounter in den Trenddimensionen insgesamt unterdurchschnittlich gut ein Ich genieße es, in diesem Geschäft einzukaufen Händler bietet sowohl hochwertige als auch sehr günstige Produkte • Kein Anbieter differenziert sich klar vom Rest Die Geschäfte sind seniorenfreundlich Die Geschäfte sind kinderund familienfreundlich 1 Anteil der Befragten, die mit „stimme zu“ oder „stimme voll und ganz zu“ geantwortet haben Quelle: McKinsey sein müssen. Dazu gehört auch, mögliche KanalkonÀikte zwischen Online- und Filialangebot zu lösen. 3. Regionalisierung statt Standardisierung. Die fragmentierte Gesellschaft erfordert eine immer feinere Segmentierung – auch geogra¿sch. Händler mit regional und sogar lokal zugeschnittenen Angeboten erzielen bereits Erfolge. Konsequenz: Unternehmen werden sich bemühen, die Klientel vor Ort mit neuen, maßgeschneiderten Ladenformaten ebenso anzusprechen wie mit modularen Sortimenten (etwa mit spezi¿schen Ländermodulen in Gegenden mit hohem Migrantenanteil). 4. Kunden vertrauen Kunden. Der zunehmende EinÀuss von Kundenbewertungen sowie jederzeit und überall verfügbare Produktinformationen lassen die Autorität der Marken als Qualitätsgaranten schwinden. Konsequenz: Für die Unternehmen wird Mundpropaganda als Marketinginstrument immer bedeutsamer. Sie werden sich verstärkt um positive Kundenbewertungen und deren Verbreitung bemühen und auf negative Bewertungen offensiver reagieren. Umgekehrt können Händler die Kundenkommentare aber auch zur Sortimentsoptimierung nutzen. 5. Rosinenpicken statt Kundenloyalität. Das Internet macht den Markt immer transparenter und erleichtert es so den Konsumenten, die besten Angebote zu ¿nden. Dank der Ausweitung des Bestell- und Abholservices lassen sich zudem künftig mehrere Händler schnell und bequem nutzen. Konsequenz: Händler werden versuchen, ihre Kunden enger an sich zu binden, etwa mit attraktiveren Kundenkartenprogrammen, Aktionen wie Bündelpreisen oder Mengenrabatten und Àexiblen Lieferkosten. 6. Vertrauen wird zum Preisfaktor. Die zunehmende Verunsicherung der Konsumenten macht Vertrauen zu einem kostbaren Gut, für das die Menschen auch bereit 14 Konsumtrends „Ökologischer Wandel“: Hier kaufen die LOHAS – Bio-Supermarkt in Hamburg. sind, einen höheren Preis zu zahlen. So wollen sich die Kunden auf Qualität, Herkunft und Verträglichkeit der Produkte verlassen können. Konsequenz: Händler werden durch Formatveränderungen und Sortimentsanpassungen – etwa durch Fokus auf Produkte aus der Region oder Transparenz hinsichtlich Artikelherkunft und -zusammensetzung – einen Preisaufschlag erzielen können. Nutzenversprechen anpassen, Maßnahmen ableiten Auf Basis dieser Analysen gilt es schließlich, das Nutzenversprechen des Unternehmens zu überprüfen und gegebenenfalls an neue Anforderungen anzupassen. Das neue Wertversprechen bildet seinerseits den Rahmen, auf den sich künftig sämtliche Maßnahmen beziehen müssen. Diese Maßnahmen sind branchenindividuell zu entwickeln. Zur Erarbeitung kurzfristiger Maßnahmen bietet sich – um beim Beispiel des Lebensmitteleinzelhandels zu blei- ben – das „Handels-Pentagon“ an: Preis, Service, Convenience, Einkaufserlebnis und Sortiment. Für jedes dieser Elemente hilft die skizzierte quantitative Marktforschung zu ermitteln, welchen Nachholbedarf das Unternehmen gegenüber welchen Wettbewerbern hat. Grundlage für die Entwicklung langfristiger Maßnahmen ist ein Abgleich zwischen der bisherigen Positionierung und dem neuen Nutzenversprechen (Gap-Analyse), bei dem das Unternehmen Bereiche mit Anpassungsbedarf identi¿ziert. Die Maßnahmen selbst lassen sich dann anhand der vier zentralen strategischen Hebel gliedern: Vertriebskanäle. Wie möchten die Kunden am liebsten einkaufen (etwa in Filialen, von zu Hause aus oder mobil im Internet)? Filialnetz. Welche Filialdichte wird an welchen Standorten benötigt (etwa in Innenstadtlagen,in Bürovierteln)? Akzente 2’10 Ladenformat. Mit welchem Filialtyp lassen sich die strategischen Ziele am besten erreichen (durch große Märkte, Klein¿lialen, Kioske, Discounter)? Markenpositionierung. Wo sollten die Prioritäten innerhalb des Handels-Pentagons liegen (in Sortiment, Service, Preis)? Ein solches ganzheitliches Vorgehen, das quantitative mit qualitativen Analysen kreativ kombiniert, hilft Unternehmen bei der schwierigen Aufgabe, ihr kurzund langfristiges Handeln auf ein solides Fundament zu stellen. Denn nur wer neue gesellschaftliche Entwicklungen und Kundenwünsche frühzeitig erkennt und sein Geschäft darauf ausrichtet, wird sich in einem schärfer werdenden Wettbewerb behaupten. Haben Sie Fragen oder Anmerkungen? Die Autoren freuen sich auf Ihre Zuschrift. Bitte E-Mail an: [email protected] 15 Kernaussagen 1. Die wichtigsten konsumrelevanten Trends sind: die Verunsicherung vieler Menschen, das mobile Internet, ein geschärftes ökologisches Bewusstsein, die Lifestyle-Orientierung sowie neue Lebensmodelle. 2. Hersteller und Händler können die Auswirkungen dieser und anderer Trends auf ihr Geschäft mit Hilfe quantitativer und qualitativer Analysen ermitteln. 3. Auf Basis dieser Analysen lässt sich das Nutzenversprechen rechtzeitig anpassen – statt von Trends überrascht zu werden, pro¿tiert das Unternehmen vom veränderten Konsumverhalten. Autoren 1 Dr. Florian Baumgartner ist Berater im Münchner Büro von McKinsey. Er ist Mitglied des deutschen Konsumgüter- und Handelssektors und berät Klienten in den Bereichen Strategie und Einkauf. 2 Dr. Peter Breuer ist Partner im Kölner Büro und Leiter des deutschen Konsumgüter- und Handelssektors von McKinsey. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt im Bereich Strategieentwicklung und operative Verbesserungsprogramme. 3 Dr. Dennis Spillecke ist Partner im Kölner Büro und Mitglied des Konsumgüter- und Handelssektors sowie der Marketing & Sales Practice von McKinsey. 16 Premiumprodukte Premium auf dem Prüfstand Mit Premium lässt sich gutes Geld verdienen – wenn die Produkte richtig positioniert und erlebbar gemacht werden. Eine Studie aus dem Automobilsektor zeigt, worauf es ankommt. Von Andreas Cornet, Christoph D. Erbenich und Jan-Christoph Köstring Das Wort „Premium“ hat für Konsumenten von jeher einen besonderen Klang. Wer es hört, denkt sogleich an exquisite Ausstattung und überlegenes Prestige. Doch die Wahrnehmung von Premium wird breiter: Die einen assoziieren bestimmte Markenwerte, andere ein edles Äußeres, wieder andere Hightech-Neuheiten. Was also ist „Premium“ im aktuellen Verständnis der Kunden? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine neue Studie von McKinsey aus dem Automobilsektor. In der empirischen Untersuchung wurden mehr als 9.000 Neuwagenkäufer und 150 Experten befragt, um herauszu¿nden, was Premium treibt und wie diese Treiber beeinÀusst werden können. Viele Erkenntnisse der Studie lassen sich auf den Konsumgütersektor übertragen. Die Studie liefert zugleich eine De¿nition von Premium, die alle Auffassungen eint: Premium de¿niert sich danach über die Bereitschaft der Kunden, für ein Modell mehr zu bezahlen, obwohl ein vergleichbares Fahrzeug im selben Segment günstiger zu haben wäre. Was Premium aus Kundensicht bedeutet Die Preisbereitschaft der Kunden korreliert nahezu linear mit ihrer Wahrnehmung von Premium. Die Kernfrage für Hersteller muss daher lauten: Was bringt Kunden dazu, ein Produkt als Premium einzuordnen, und wie lässt sich diese Wahrnehmung beeinÀussen? McKinsey hat in seiner Studie zunächst aus Kundensicht analysiert, welches die wichtigsten Gründe für die Wahrnehmung als Premium sind (Gra¿k 1, Seite 18): Design/Technologie. Für ein Drittel der Befragten hebt sich ein Premiumfahrzeug weiterhin durch wegwei- Akzente 2’10 17 Premium – keine Frage: Eine McKinsey-Studie analysiert, warum Kunden ein Produkt als Premium wahrnehmen. 18 Premiumprodukte 1. Viele Faktoren treiben die Premiumwahrnehmung Die wichtigsten Gründe für Neuwagenkunden, ein Preispremium zu zahlen in Prozent Jenseits der Ratio • Unvernünftiger Preis • Keine Nachlässe •… Handel und Service • Exzellenter Service • Freundliche Mitarbeiter •… Exklusivität • Luxus • Statussysmbol •… 8 15 32 Design/Technologie • Außen-/Innendesign • Fahrerlebnis •… 22 23 Markenbindung • Bevorzugter Hersteller • Bereitschaft zum Wiederkauf •… Quelle: McKinsey sendes Design ab und setzt in puncto Technologie neue Maßstäbe. Dieser Treiber reÀektiert stark das klassische Premiumverständnis im Automobilsektor, wonach ein Premiumprodukt vor allem durch Innovationen und technische Überlegenheit besticht. Markenbindung. Für knapp ein Viertel der Befragten ist der Begriff Premium untrennbar mit einer bestimmten Automarke verbunden. Oft schon aus ihrer Historie heraus verstehen es einige Hersteller, das Image ihrer Fahrzeuge so wertig zu gestalten, dass die Kunden sie a priori als Premium wahrnehmen. Markenbindung spielt bei den Kaufentscheidungen dieser Kunden eine zentrale Rolle. Steht ein Autokauf an, wird der favorisierte Hersteller oder sein Vertragshändler als Erstes aufgesucht. Exklusivität. 22 Prozent der Autokäufer sehen im Fahrzeug ein Statussymbol, das durch Luxus und Exklusivität ihre soziale Stellung widerspiegelt. Das Auto soll den Er- folg seines Besitzers nach außen repräsentieren und sein Prestige heben. Der Faktor Exklusivität ist jedoch längst nicht mehr nur der Luxusklasse vorbehalten; immer häu¿ger ¿ndet er sich auch in kleineren Modellklassen. Handel und Service. Ausgezeichnete Dienstleistungen machen für jeden sechsten Befragten den Unterschied in der Premiumwahrnehmung eines Modells aus. Käufer schätzen die persönliche Ansprache über den Kauf hinaus, wollen individuell beraten und umfassend betreut werden. Kompetenz und Freundlichkeit des Personals sind neben der Serviceleistung die wichtigsten Mehrwertfaktoren. Jenseits der Ratio. Premium kann auch das Gegenteil von Vernunft sein. Für 8 Prozent der Käufer wirken sich praktische Vorzüge wie ein sparsamer Verbrauch oder Preisnachlässe negativ auf das Premium eines Fahrzeugs aus. Bei zu vielen taktischen, vermeintlich „vernünftigen“ Akzente 2’10 19 2. Die Premiummatrix hilft Herstellern, ihre Marken zu positionieren Anonymisierte Abbildung einzelner Fahrzeugmodelle Hoch „Spoiled Princess“ „Respected King“ B A J K L C G D E F Index für Premiumpreis I N H O P S U Mittel M T V Q Z W R Y Niedrig X „Tough Knight“ „Sleeping Beauty“ Niedrig Quelle: McKinsey Mittel Hoch Index für Premiumwahrnehmung Argumenten ist also Vorsicht geboten: Sie können der Premiumwahrnehmung sogar schaden. Premiumprodukte richtig positionieren Die Kenntnis der wichtigsten Kriterien der Premiumwahrnehmung von Kunden bieten Herstellern Ansatzpunkte, um den Premiumaspekt in ihren Produkten noch besser herauszuarbeiten. Doch wie viel Premium steckt tatsächlich im einzelnen Produkt – und trifft sein Preis die Erwartung des Kunden? Basierend auf den Studienergebnissen hat McKinsey eine „Premiummatrix“ entwickelt (Gra¿k 2). In ihr werden der tatsächliche Verkaufspreis und die relative Premiumwahrnehmung einzelner Fahrzeugtypen in ihrem jeweiligen Segment zueinander in Relation gesetzt. Der Premiumpreis – dargestellt als Index auf der y-Achse – bezeichnet die Preisprämie, die ein ausstattungsbereinigtes Fahrzeug gegenüber dem günstigsten Modell in seinem Segment erzielt. Die Premiumwahrnehmung der Kunden wie- derum – dargestellt auf der x-Achse – wurde mittels einer Skalenabfrage in der quantitativen Kundenforschung ermittelt. Langfristig sollen Wahrnehmung und tatsächliche Position natürlich übereinstimmen. Die „Ideallinie“ für die Preispositionierung von Modellen ist demnach die Diagonale. Darüber hinaus bildet die Matrix vier mögliche strategische Positionsfelder ab. Diese geben Aufschluss darüber, ob ein als Premium positioniertes Fahrzeug zu hoch oder zu niedrig bewertet, über- oder unterschätzt ist – oder ob es in seinem Preis und dem wahrgenommenen Premium den Erwartungen der Kunden entspricht: „Spoiled Princess“. Der Preis dieser Modelle steht im Missverhältnis zur Premiumwahrnehmung der Konsumenten. Mit anderen Worten: Kunden emp¿nden sie als zu teuer für das, was sie bieten, und könnten sie deshalb langfristig meiden. 20 Premiumprodukte 3. An verschiedenen Kontaktpunkten im Kaufprozess lässt sich die Premiumwahrnehmung der Kunden stimulieren Einfluss der Kontaktdimension auf die Premiumwahrnehmung Reales Erleben Digitales Erleben • Mehr als 9.000 Neuwagenkäufer bewerteten 24 Kontaktpunkte • Alle Kontaktpunkte flossen in die Faktorenanalyse ein • Die Analyse ermittelte 7 zentrale Kontaktdimensionen Word of Mouth Persönliches Verkaufsgespräch Traditionelle und neue Medien CRM-Interaktion Event-Erlebnis Quelle: McKinsey „Respected King“. Modelle, die in der Matrix rechts oben rangieren, liegen in Preis und Prestige klar über dem Durchschnitt. Ihr Premiumversprechen wird voll eingelöst, der höhere Preis von der Kundschaft akzeptiert. „Tough Knight“. Modelle, die in der Matrix unten links angesiedelt sind, haben wenig Schillerndes an sich, in den Augen der Kunden sind sie „solide Arbeiter“. Trotzdem können sie sehr wohl stabile Ergebnisse einbringen, solange die Kostenposition dem geringeren Premiumpotenzial Rechnung trägt. „Sleeping Beauty“. In den „schlafenden Schönen“ der Premiummatrix steckt wahrscheinlich das größte Potenzial. Denn für ihr vergleichsweise hohes Premiumimage am Markt ist der Preis zu niedrig angesetzt. Manche Hersteller tun dies durchaus mit Bedacht, um beispielsweise ein neues Modell in den Markt einzuführen oder ein auslaufendes im Volumen zu stabilisieren. Nicht nur das Premium ihrer Modelle können Hersteller gezielt stärken, sondern auch die Premiumwahrnehmung ihrer Kunden. McKinsey hat den Kaufprozess analysiert, um herauszu¿nden, an welchen Kontaktpunkten die Premiumwahrnehmung stimuliert wird und auf welche Kriterien der jeweilige Kontaktpunkt besonders wirkt. 24 mögliche Kundenkontaktpunkte wurden hierzu überprüft und insgesamt sieben Dimensionen zugeordnet. An ihnen können Unternehmen ansetzen, um Kunden für ihr Premiumprodukt zu begeistern (Gra¿k 3). Premium erlebbar machen Zentral für die Entstehung einer Premiumwahrnehmung ist das reale Erleben. Ein solches Live-Erlebnis entsteht etwa bei der Besichtigung ausgestellter Modelle im Autohaus oder bei einer Probefahrt. Wenn ein Verkäufer bei solchen Gelegenheiten ein Gefühl des Besonderen vermitteln kann, intensiviert dies die Premiumwahrnehmung noch weiter. Fast genauso stark wirkt die „Digital Experience“ über das Internet: Konsumenten recherchieren heute extensiv im Netz, bevor sie sich zum Kauf entscheiden – das können Unternehmen nutzen. Die Skala digitaler Interakti- Akzente 2’10 onsmöglichkeiten reicht von der Herstellerwebsite, auf der Produkteigenschaften im Detail präsentiert werden können, bis hin zu sozialen Netzwerken, in denen sich Informationen etwa über Neuheiten streuen lassen. Professionalität ist jedoch auch im Netz ein Muss: Schon ein schlechter Online-Kon¿gurator kann die Premiumwahrnehmung beschädigen. Die Studie hat deutlich gemacht: Mit Premium lässt sich nach wie vor gutes Geld verdienen – wenn die Produkte klar im Markt positioniert sind und ihr Premium vom Kunden hinreichend wahrgenommen wird. Hersteller sollten systematisch analysieren, wo ihre Produkte den relevanten Premiumkriterien entsprechen, und ebenso systematisch die Kontaktpunkte zu den Kunden auf dem Weg zum Kauf optimieren. Denn mit einem überzeugenden Premiumangebot lassen sich auch in Zukunft attraktive Preisprämien realisieren. Haben Sie Fragen oder Anmerkungen? Die Autoren freuen sich auf Ihre Zuschrift. Bitte E-Mail an: [email protected] 21 Kernaussagen 1. Innovation und Exklusivität sind die wichtigsten Treiber der Premiumwahrnehmung, doch das persönliche Erleben der Kunden sollte nicht unterschätzt werden – in der realen wie in der digitalen Welt. 2. Mit Hilfe der Premiummatrix können Unternehmen die relative Premiumpositionierung ihrer Produkte je Segment überprüfen und mögliche Anpassungen in die Wege leiten. 3. Durch aktives Management der Kundenkontaktpunkte lässt sich die Premiumwahrnehmung von Marken und Produkten gezielt verbessern. Autoren 1 Dr. Andreas Cornet ist Partner im Münchner Büro von McKinsey und Leiter der Sales & Marketing Group im europäischen Automotive & Assembly Sector. Er berät vorwiegend Klienten aus der Automobilindustrie in Produktentwicklung und Vertrieb. 2 Christoph D. Erbenich ist Partner im Frankfurter Büro von McKinsey. Innerhalb der europäischen Marketing & Sales Practice verantwortet er den Bereich B2C Sales & Channel. Er berät schwerpunktmäßig Unternehmen der Automobil- und der Konsumgüterindustrie. 3 Dr. Jan-Christoph Köstring ist Berater im Münchner Büro von McKinsey und Leiter der Sales & Channel Initiative im Automotive & Assembly Sector. Er berät vorwiegend Klienten aus der Automobilindustrie in Strategie, Marketing und Sales. 22 Interview „Wenn die Nationalmannschaft spielt, sitzt die Kernzielgruppe vor dem Fernseher – das haben meine Vorgänger lange vor allen anderen erkannt“: Dr. Werner Wolf im Akzente-Interview. Akzente 2’10 23 „Seit wir die Nationalmannschaft sponsern, gewinnen wir stetig Marktanteile“ Seinetwegen könnte jedes Jahr WM sein: Dr. Werner Wolf von der Bitburger Braugruppe über den Wettbewerb im schrumpfenden Biermarkt. Werner Wolf ist in der Voreifel aufgewachsen: „am Schnittpunkt zwischen Kölsch und Bitburger“. Den „genetischen Code von Bitburger“ hat der Sprecher der Geschäftsführung der Bitburger Braugruppe seitdem verinnerlicht: „Es ist wichtig, dass man weiß, wie das schmecken muss.“ Mit Bitburger, König Pilsener, Köstritzer, Licher und Wernesgrüner verfügt das Unternehmen über starke Premiummarken – doch Wolf und seine Kollegen kämpfen in einem kontinuierlich schrumpfenden Markt: Seit den Siebziger Jahren ist der Pro-Kopf-Konsum von Bier in Deutschland um fast ein Drittel gefallen. Im Gespräch mit Akzente erklärt Werner Wolf, wie er Bitburger trotzdem voranbringen will, warum er die Fußball-Nationalmannschaft sponsert und wie seine Marketingtruppe an einem Super-Premiumbier arbeitet. 24 Interview Akzente: Fußballweltmeisterschaften können den Brauern im Alleingang das Jahresergebnis retten. Wie ist es diesmal gelaufen? Wolf: Gegen den rückläu¿gen Trend hat sich der Bierkonsum im ersten halben Jahr 2010 insgesamt positiv entwickelt. Das spürt auch die Bitburger Braugruppe. Daher sind wir mit unserem Absatz im ersten Halbjahr sehr zufrieden. Wie sich diese Entwicklung auf das Gesamtjahr auswirkt, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Akzente: Wie haben Sie sich denn bei früheren Fußballgroßereignissen geschlagen? Wolf: Während des Turnierzeitraums der WM 2006 erreichte Bitburger einen Marktanteil bei Pils von 6,5 Prozent im Lebensmitteleinzelhandel und in Getränkeabholmärkten. Bei der Europameisterschaft 2008 haben wir dann sogar 6,8 Prozent Marktanteil erreicht. Parallel haben wir unsere Bekanntheit als Sponsor der Nationalmannschaft gesteigert. Das liegt an unserem kontinuierlichen Engagement als Partner des DFB und der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Akzente: Bitburger ist of¿zieller Sponsor der Nationalelf – was bringt das? Wolf: Wenn die deutsche Fußball-Nationalmannschaft spielt, sitzt die Kernzielgruppe der über 18-Jährigen fußballbegeisterten Männer vor dem Fernseher. Das haben meine Vorgänger schon erkannt, lange bevor die Wettbewerber das gesehen haben. Seitdem sind wir Feiernde WM-Fans: Eine Fußballweltmeisterschaft kann das Ergebnis eines ganzen Jahres herausreißen. Akzente 2’10 25 „Ein Segment, das wächst, ist natürlich eine attraktive Sache für Marketingleute in einer Branche, die seit Jahren schrumpft.“ Partner des DFB und der Nationalmannschaft. Und um die Biertrinker zu erreichen, haben wir bei der FußballWM 2010 das Presenting aller Live-Spiele auf ARD und ZDF übernommen. Akzente: Können Sie den Erfolg beziffern? Wolf: Wir können den Erfolg zwar nicht isoliert messen. Aber wir können ihn durch das ganze Geschäft durchdeklinieren: Bei einer Promotion im Handel macht es einen messbaren Unterschied, wenn Sie mit der Nationalmannschaft werben können. Und unsere WM-Pakete für die Gastronomie mit schwarz-rot-goldenen Hüten und Vuvuzelas, mit Girlanden, Schminke und Werbematerialien sind mit Nationalmannschaft natürlich auch attraktiver. Akzente: Ist gar nichts messbar? Wolf: Seit wir die Nationalmannschaft sponsern, haben wir kontinuierlich Marktanteile zugewonnen. Das liegt an der Qualität unseres Bieres, aber auch an der Reputation der Marke. Akzente: Sie agieren in einem stetig schrumpfenden Markt. Wo soll das künftige Wachstum herkommen? Wolf: In der Tat ist der Biermarkt in einer ständigen Rückwärtsbewegung, er schrumpft zwischen 1 und 2 Prozent im Jahr. Das hat noch nicht so viel mit der Demogra¿e zu tun – da werden wir die Auswirkungen erst in fünf oder sechs Jahren wirklich fühlen –, sondern mehr mit dem veränderten Lebensstil. Akzente: In der deutschen Gastronomie, die überproportional viel Bierabsatz verloren hat, sind Sie Marktführer. Hat Ihre Gruppe also überdurchschnittlich verloren? Wolf: Auch an der Bitburger Braugruppe ist diese Entwicklung nicht spurlos vorübergegangen. Trotzdem konnten wir unsere führende Position im Außer-HausMarkt erneut ausbauen. Vor allem die bieraf¿ne Gastronomie hat allerdings enorm gelitten. Akzente: Woran liegt das? Wolf: Das hat mehrere Gründe: Da ist einerseits der Trend zur gesunden Lebensweise und vor allem das Rauchverbot in der Gastronomie. Das trifft nicht nur Kneipen, in denen etwa Skatspieler ausbleiben, weil sie sich lieber privat treffen, wo sie ungestört rauchen können. Auch die Restaurantbesitzer klagen, weil viele Raucher gleich nach dem Hauptgericht aufbrechen, statt noch einen Wein oder ein Bier zu trinken – dabei fängt es für den Gastronomen da erst an, Spaß zu machen. Auch der Trend zum Homing macht den Gastronomen zu schaffen – die Leute gehen deutlich weniger weg als früher. Akzente: Wie viel Absatz haben Sie 2009 verloren? Wolf: Insgesamt haben die Brauer 2009 rund 2,8 Prozent Absatzrückgang verzeichnet. Die Bitburger Braugruppe hat nur 1,1 Prozent verloren, wir haben also wieder Marktanteile gewonnen. Akzente: Ein mäßiger Trost – mehr Umsatz wäre schöner. Die Bierbranche erreicht die jungen Leute nicht mehr – gibt es da Ideen? Wolf: Die junge Generation müssen wir noch besser verstehen lernen. Nur 30 Prozent der unter 30-Jährigen Erwachsenen trinken regelmäßig Bier. Bei dem Versuch, sie zu erreichen, hat unsere Branche massiv in die Biermischgetränke überinvestiert. Ein Segment, das wächst, ist natürlich eine attraktive Sache für die Marketingleute in einer Branche, die schrumpft. Akzente: Ihre Gruppe tat sich schwer mit den Mischgetränken. Ist die Startschwäche jetzt überwunden? Wolf: Es stimmt, wir waren da erst spät unterwegs. Inzwischen sind wir aber gut aufgestellt. 26 Interview „Wir registrieren: Wenn die Menschen Spaß haben, dann ist es ihnen auch etwas wert und sie geben gern Geld dafür aus.“ Akzente: Wie hoch ist der Anteil der Mischgetränke am Biermarkt? Wolf: Rund 5 Prozent, aber 3 Prozent kannten wir schon, die entfallen auf Bier mit Limonade oder mit Cola. Die Hoffnung, dass die Mischgetränke-Fans auf Pils umsteigen, wurde aber bislang enttäuscht. Akzente: Wenn Events wie die Fußball-WM Ihren Absatz beÀügeln, liegt die Idee nahe, selbst Events zu schaffen, bei denen das Bier in Strömen Àießt. Was unternehmen Sie auf diesem Feld? Wolf: Da probieren wir schon einiges aus. So haben wir uns zum Beispiel vom Erfolg der Kölner Variante des Oktoberfestes – da kommen die Damen im Dirndl und alle trinken Kölsch aus echten Maßkrügen – inspirieren lassen und für unsere Regionalmarke Licher in Hessen Bierzelte entwickelt, in die bis zu 5.000 Personen passen. Veranstalter bekommen zum Zelt die ganze Infrastruktur für ein örtliches Oktoberfest geliefert. Das läuft gut, dabei lernen wir und haben uns jetzt entschlossen, die Idee auf die anderen Marken zu übertragen. Mit unserer Marke Bitburger sind wir in unserer Heimatregion auf dem Musiksektor aktiv. Das „Bitburger Musikfestival live on stage“ bringt Musiker für Live-Auftritte in die Kneipen. Wir registrieren: Wenn die Menschen Spaß haben, dann ist es ihnen auch etwas wert und sie geben gern Geld dafür aus. Akzente: Ansonsten schauen die Verbraucher aber scharf auf den Preis: Das Billigbier Oettinger ist die einzige Marke, die in Deutschland wächst. Sie hat sich eng an den Discounter Lidl gebunden, inklusive gemeinsamer Investitionen und Volumengarantie. Ist das auch ein denkbarer Weg für Ihre Marken? Wolf: Nein, unsere Strategie baut auf starke Premiummarken. Biermischgetränk von Bitburger: Zielgruppe sind junge Erwachsene. Akzente: Auch Premiumbiere kosten heute schon mal unter 10 Euro pro Kasten – lassen sich dabei noch auskömmliche Margen erzielen? Wolf: Nein, das ist nicht darstellbar. Da wird unsere mühsam erkämpfte Preiserhöhung pulverisiert. Denn wer einmal unter 10 Euro gekauft hat, wartet darauf, dass sein Bier wieder so billig angeboten wird. Akzente: Wo soll das künftige Wachstum herkommen, wenn Sie nicht auf der Billigschiene fahren wollen? Wolf: Wir haben den Ehrgeiz, einerseits organisch, andererseits aber auch durch Übernahme weiterer Premiummarken, die Geld verdienen, zu wachsen. Wir wollen den Biermarkt mitgestalten. Die Erfahrung bringen wir mit – die Eigentümerfamilie der Gruppe betreibt das Geschäft seit 193 Jahren. Akzente: Die Installation des Begriffs „PremiumPils“ im Bewusstsein der Verbraucher vor 20 Jahren gilt als letzte wirkliche Innovation in Ihrem Markt. Jetzt erodiert das Preisplus, Carlsberg versucht es schon mit „SuperPremium“. Haben Sie auch bald ein „Super-Pils“? Wolf: Das Premium-Pils hat unsere Marke König Pilsener erfunden. Die Erfolgschancen eines „Super-Premium“ mit entsprechendem Preis sind schwer zu beurteilen, es dürfte von der Menge her nicht allzu bedeutsam werden. Aber natürlich habe ich meine Marketingleute gebeten, darüber nachzudenken. Akzente: Sie haben sich vom Wettbewerb abgekoppelt und statt der GemeinschaftsÀasche eine individuelle BierÀasche für Bitburger entwickelt. Honorieren die Bierfreunde dieses teure Extra ? Wolf: Bitburger ist das einzige nationale Premiumbier, das 2009 nicht nur im Zusatz-, sondern auch im Basisabsatz zugelegt hat. Das ist ein Zeichen für die Stärke der Marke und wir sind davon überzeugt, dass dazu auch unsere besondere Flasche beiträgt. Akzente 2’10 27 „Bitburger Musikfestival live on stage“: Ereignisse schaffen, bei denen die Menschen gern Bier trinken. Das Problem mit den PoolÀaschen war doch, dass viele unappetitlich angelaufen sind – so möchten wir unser Premiumbier nicht auf den Weg zum Verbraucher schicken. Wenn wir solche Flaschen auf eigene Kosten aussortieren, hilft es auch nichts, weil wir im nächsten Umlauf wieder jede Menge schlechter Flaschen zurückbekommen. Deshalb ist die IndividualÀasche eine Investition, die sich lohnt. Akzente: Einige Biermarken haben einen erstaunlichen Aufschwung geschafft. Im Norden ist die schon fast verblichene Marke Astra parallel zum Kiezklub FC St. Pauli aufgestiegen, im Südwesten der Republik gilt TannenzäpÀe als Szenegetränk, Bayern mögen gern das Export des Tegernseer Brauhauses. Was lässt sich aus derlei unerwarteten Erfolgen für die eigenen Marken lernen? Wolf: Diese Marken schreiben schöne Erfolgsgeschichten, aber wenn wir genauer hinschauen, relativiert sich das: Wir blicken in eine sehr enge Nische mit geringen Volumina. Zwar gibt es generell einen Trend der Verbraucher zu lokalem Konsum. Idealerweise kommt Dr. Werner Wolf (54) ist seit 2009 Sprecher der Geschäftsführung und Geschäftsführer Marketing und Vertrieb der Bitburger Braugruppe. Der promovierte Diplom-Psychologe startete seine Karriere bei Ireks-Arkady, ehe er in die Geschäftsleitung von Mars und später zu Intersnack Knabber-Gebäck wechselte. alles vom Bauern um die Ecke – darf aber nicht teurer sein als beim Discounter. Akzente: In Deutschland gibt es immer noch rund 1.300 Brauereien. Ist die Konsolidierung des atomisierten Markts nicht überfällig? Wolf: Der Biermarkt liefert ein Abbild der deutschen Industriestruktur – Mittelstand dominiert. Nach wie vor sind vor allem Familiengesellschaften im Geschäft, die meisten schon seit hundert Jahren oder noch länger. Im Ausland beneiden uns viele um diese mittelständische Struktur. Akzente: Aber ist es nicht überfällig, dass die globalen Braukonzerne wie AB InBev den Markt aufrollen? Wolf: In Deutschland hat das Thema Bier eine hohe Emotionalität. Den Bayern gilt es sogar als Teil der Kultur, Bier ist den Deutschen Heimat. Diese Bindung habe ich in keinem anderen Land erlebt. Und deshalb fassen auch internationale Konzerne so schwer Fuß bei uns. Trotzdem wird es zur Konsolidierung kommen – und dabei wollen wir eine aktive Rolle spielen. Zur Bitburger Braugruppe gehören neben der Bitburger Brauerei (Foto) unter anderem die König-Brauerei, die Köstritzer Schwarzbierbrauerei, die Licher Privatbrauerei, die Wernesgrüner Brauerei und zahlreiche Beteiligungen im Getränkefachgroßhandel. Insgesamt 1.800 Beschäftigte brauten und vertrieben 2009 etwa 7,3 Millionen Hektoliter Bier und Mischgetränke. Die Gruppe kam auf einen Umsatz von 763 Millionen Euro. Sie ist Marktführer in der deutschen Gastronomie und beliefert gut 70.000 Objekte. 28 Lebensmittel online www.lebensmittel-aus-dem-internet.com Europäische Lebensmitteleinzelhändler verkaufen bisher wenig per Internet. Doch jetzt ist der richtige Zeitpunkt, das zu ändern. Viele Anbieter wollen den Vorbildern in England folgen. Von Peter Breuer, Christoph Eltze, Alexander von Fritsch und Patrik Silén Der Online-Handel mit Elektrogeräten, Büchern und Kleidung Àoriert. So werden in Deutschland beispielsweise schon 21 Prozent aller Bücher über das Internet geordert. Doch anders als etwa die Briten oder auch die Schweizer kaufen die Deutschen, Spanier oder Italiener bislang kaum Lebensmittel online – mangels Angebot. In Frankreich wiederum starten die ersten großen Händler mit Online-Angeboten. Der Grund für die unterschiedliche Entwicklung in Europa: Einzelhändlern erscheint bislang das Geschäftsmodell eines webbasierten Angebots zu komplex, die Anfangsinvestition zu hoch und die Erfolgsaussicht zu ungewiss. Wie und wo werden die Kundenaufträge kommissioniert? Wie schnell und von wo aus wird die Ware geliefert oder für den Kunden zur Abholung bereitgestellt? Die Antworten darauf wollen wohlüberlegt sein, denn eine Erweiterung des Angebots um den Vertriebskanal Internet erfordert eine Überprüfung der gesamten Wertschöpfungskette. Als schwierigstes Glied gelten dabei zu Recht die operativen Prozesse, ihre Ef¿zienz entscheidet über den Erfolg im Online-Geschäft. Allein die drei folgenden Kernthemen betreffen einen Kostenblock in Höhe von rund 20 Prozent des Umsatzes: Das Logistik- und Angebotsmodell. Warenkörbe können entweder in bestehenden Märkten und/oder in Kommissionierungszentren zusammengestellt und danach an Kunden ausgeliefert oder selbst abgeholt werden. Dabei gibt es keinen Grund, warum zum Beispiel deutsche Kunden Online-Angebote wie die der englischen Einzelhändler Tesco, ASDA oder Sainsbury’s nicht annehmen sollten: Breitband-Internetzugänge sind fast ebenso verbreitet wie in Großbritannien, die Kundendichte ist vielerorts vergleichbar und die größten Lebensmittelhändler erreichen ähnliche Marktanteile wie beispielsweise Tesco. Infrastruktur und Kunden sind also bereit – und sollte Deutschland bis 2015 den aktuellen Online-Marktanteil von Großbritannien erreichen (rund 2,5 Prozent), dann entspräche dies mehr als 4 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr bei hohen Wachstumsraten. Die ef¿ziente Auslieferung (soweit diese angeboten wird). Auf diesen Prozess entfallen rund 45 Prozent der operativen Kosten des Online-Grocery-Geschäfts. Wer aber entwickelt in den großen europäischen Ländern das Gegenstück zu Tesco.com, dem wohl erfolgreichsten Online-Lebensmittelmarkt Europas? Das hängt davon ab, wer die besten Antworten auf die zentralen Fragen ¿ndet und in die Tat umsetzt: Wie erreicht man die richtigen Kunden und wie können diese zur Bestellung großer Warenkörbe animiert werden? Wie sollen Warenangebot und Bestellvorgang im Onlineshop gestaltet werden? Die Vorsicht der Händler ist angesichts der operativen Herausforderungen verständlich. Denn wer eine Àächendeckende Belieferungslogistik aufbaut, hat schnell einen dreistelligen Millionenbetrag investiert – und Fehler sind schwer zu korrigieren. Andererseits zeigen die internationalen Vorbilder, dass die operativen Aufgaben lösbar sind, und bieten auch Orientierung bei den ersten Schritten. Die Kommissionierung der Ware (Picking & Packing). Hier lauern Kostenfallen: Eine um 50 Prozent langsamere Kommissioniergeschwindigkeit allein kann schon einen Gesamtkostennachteil von rund 5 Prozent vom Umsatz ausmachen. Akzente 2’10 29 In England klappt’s schon: Dort liefern Einzelhändler wie beispielsweise Tesco den Kunden online bestellte Lebensmittel ins Haus. 30 Lebensmittel online 1. Unterschiedliche Ansätze bei der Wahl des Logistikmodells 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Picking nur in Filialen Investition von 4 Mio. GBP in Picking Center Investition in 1. Kommissionierungscenter Schließung Picking Center Investition von 10 Mio. GBP in Picking Center Picking ausschl. in Filialen Schließung Picking Center Investition von 200 Mio. GBP in Picking Center Investition von 3 Mio. CHF in Picking Center Ausschließlich Eröffnung des 2. Picking Center 2009: 1. Picking Center 2010: 2. Picking Center 2 Picking Center und ~ 300 Filialen, weitere Picking Center in Planung Eröffnung des 2. Picking Center in Enfield im Juli 2010 Picking ausschl. in Filialen Wachsendes Geschäft trotz Beschränkung auf Picking in Filialen Ausschließlich Picking Center Reiner OnlineAnbieter, daher Entscheidung für Picking Center Picking Center Reiner OnlineAnbieter, gekauft von Migros Eröffnung des 2. Picking Center Quelle: McKinsey Das richtige Logistik- und Angebotsmodell wählen Hähnchenschenkel und Frischmilch werden anders verschickt als Bücher und CDs, Bestellungen von bis zu 100 Lebensmittelartikeln laufen anders als die von zwei oder drei Kleidungsstücken. Darum bedarf es auch anderer Prozesse als im klassischen Versandhandel: Während Amazon im klassischen Non-Food-Geschäft für ganz Deutschland nur zwei Zentrallager unterhält und die Waren über Logistikdienstleister wie DHL verschickt, müssen Lebensmittelhändler für ein Komplettangebot schon aus Kostengründen die Warenkörbe nah beim Kunden zusammenstellen und direkt ausliefern (oder vom Kunden abholen lassen). Dafür wiederum gibt es zwei Optionen: die Kommissionierung in kundennahen Filialen oder in eigenen regionalen Kommissionierungszentren, die nur für den Online-Handel genutzt werden. Beide Modelle werden in Europa bereits erfolgreich angewandt. Sainsbury’s etwa stellt alle Lieferungen in den einzelnen Supermärkten zusammen (Store-based Picking), Ocado als reiner Online-Anbieter setzt dagegen auf Kommissionierungszentren (Picking Center). Tesco operiert mit beiden Modellen: Der Branchenführer startete 2000 mit Kommissionierung in den Märkten; erst als eine kritische Masse – und Pro¿tabilität – erreicht war, eröffnete er Kommissionierungszentren, so genannte „dark stores“, die in Größe und Aufbau klassischen LadenÀächen entsprechen, aber für den Publikumsverkehr geschlossen sind. Den ersten beiden Zentren sollen bei Tesco bald weitere folgen (Gra¿k 1). Während in Großbritannien (wie in den meisten europäischen Ländern) die Auslieferung an den Kunden das dominierende Modell ist, gehen französische Händler wie E.Leclerc einen anderen Weg: Nach der Online-Bestellung kommissionieren sie die Waren, lassen die Kunden sie dann aber selbst im Laden oder an separaten Stationen abholen. Der komplexe und teure Prozessschritt der Akzente 2’10 31 2. Beispiellösungen für Gegenden mit unterschiedlicher Bevölkerungsdichte in Deutschland Relevantes Distributionsgebiet Online-Simulationstool für den Lebensmittelhandel NordrheinWestfalen (Raum Köln): Auslieferungslager MecklenburgVorpommern (Raum Rostock): Lieferung ab Filiale • Lieferung ab Auslieferungslager (Raum Köln) • Wert der umgeschlagenen Waren: ~ 100 Mio. EUR Bevölkerungsdichte Gering (< 165 Einw./km2) Mittel (> 165 Einw./km2) Hoch (> 555 Einw./km2) Begründung • Stadtgebiet mit hoher Bevölkerungsdichte • Zahlreiche Kunden im direkten Distributionsgebiet, auf die die gesamten Fixkosten verteilt werden können • ~ 15.000 Kisten/Tag • Höhere Transportkosten (ggü. Filialmodell) werden durch geringere Kommissionierkosten wettgemacht • Lieferung ab Filiale (Rostock) • Überwiegend ländliche Gegend mit geringer Bevölkerungsdichte • Wert der umgeschlagenen Waren: 7 Mio. EUR • Wenige Kunden im direkten Distributionsgebiet, auf die die Fixkosten verteilt werden können • ~ 1.100 Kisten/Tag • Entfernung zum nächsten Auslieferungslager (Hamburg) zu groß, um Lieferung ab Lager zu rechtfertigen Quelle: McKinsey, illustratives Beispiel für ein Netzoptimierungsmodell „letzten Meile“ bei der Belieferung entfällt – allerdings sehen viele Verbraucher dann auch nur einen begrenzten Kundennutzen. Trotzdem handelt es sich um eine zu beachtende Option, wie auch der gerade angekündigte Eintritt von Tesco in dieses Geschäftsmodell zeigt. Die Briten nennen es „click-and-collect“. An diesen Beispielen könnten sich auch europäische Lebensmitteleinzelhändler orientieren. In einer ersten Stufe könnten sie ihre Kunden aus den Märkten bedienen und dabei – bei begrenzten Investitionen – Erfahrungen sammeln. Später würde dann der Aufbau erster Kommissionierungszentren folgen. Die erforderlichen Mindestmengen für die Zentren könnten zunächst in Ballungszentren und Großstädten zusammenkommen. McKinsey hat ein Modell entwickelt, das für eine prognostizierte Nachfrageentwicklung die richtige operative Umsetzung samt Kosten für ein solches Belieferungsangebot errechnet. Damit lassen sich für unterschiedliche Länder und Regionen jeweils optimale operative Modelle ableiten. So würden in einem Beispielszenario langfristig bis zu 80 Prozent der Waren von den zentralen Lagern und rund 20 Prozent aus den Märkten kommissioniert. Die Belieferung aus den Filialen heraus bleibt die Basislösung und wird gerade für die weniger dicht besiedelten Regionen Deutschlands auch langfristig vorteilhaft sein (Gra¿k 2). Effizientes Picking & Packing sicherstellen Ob im Kommissionierungszentrum oder im Markt: Bei der eigentlichen Zusammenstellung der Lieferungen kommt es auf Schnelligkeit und Genauigkeit an. Die Picking-Kosten machen rund 60 Prozent der gesamten operativen Kosten aus (insbesondere beim Store-based Picking, das in der Start-up-Phase das dominierende Modell sein wird). Bei Tesco versorgen Handscanner und große farbige Bildschirme die Mitarbeiter mit allen relevanten Infor- 32 Lebensmittel online mationen; dazu gehören Artikelliste, Laufroute, zeitliche Vorgaben, Vorschläge für Ersatzprodukte bei fehlender Ware oder Vorgaben für die Verpackungsweise. Das System weiß, wo genau sich der Regalplatz der einzelnen Artikel be¿ndet, und lotst den Kommissionierer gezielt von Artikel zu Artikel. Systematisch laufen die Mitarbeiter Gang für Gang ab. Die Einkaufswagen haben pro Auftrag eine Sammelkiste, die Kommissionierer bearbeiten bis zu sechs Aufträge gleichzeitig. Das führt beim Zusammenstellen der Aufträge zu einer deutlich höheren Geschwindigkeit als bei der Konkurrenz, die technisch weniger ausgefeilte Lösungen einsetzt und weniger systematisch vorgeht (Gra¿k 3, Seite 34). Durchdachte Ausstattung und unterstützende ITSysteme tragen entscheidend dazu bei, dass die Kommissionierer ihre Aufträge schnell und mit niedriger Fehlerquote zusammenstellen können, ohne den laufen- Wie die britische Einzelhandelsgruppe Tesco ihre Prozesse in der Kommissionierung optimiert hat Beim Zusammenstellen der Online-Bestellungen kommt es auf Tempo und Genauigkeit an. Exzellente Prozesse zahlen sich aus: Beim so genannten Picking fallen 60 Prozent der gesamten operativen Kosten an. 1. Die Kommissionierer gehen auf ihre Tour durch die Gänge des Supermarkts mit einem Wagen, der mit bis zu 6 Kisten bestückt ist – je eine Kiste pro Bestellung. Akzente 2’10 33 den Kundenverkehr im Laden zu stören. Da das Picking mehr als die Hälfte der operativen Kosten verursacht, kann der im positiven Fall resultierende Ef¿zienzvorteil den Unterschied zwischen einem pro¿tablen und einem unpro¿tablen Geschäftsmodell ausmachen. überprüfen und die Warenkörbe vor und im Fahrzeug umsortieren, ehe alles in der richtigen Reihenfolge für die Auslieferung bereitsteht. Dieser Vorgang dauert bis zu 30 Minuten pro Lieferwagen und bietet noch Einsparmöglichkeiten. Doch selbst beim Branchenführer Tesco gibt es Verbesserungspotenzial: So müssen bei der Beladung der Auslieferungsfahrzeuge die Fahrer mehrfach Papiere Prozesse bei der Auslieferung optimieren Bei der Auslieferung kommt es auf zweierlei an: kurze Wege zwischen den belieferten Kunden und ein mög- 2. Die Kisten unterscheiden sich durch farbliche Markierung. 3. Kommissionierer bleiben während des gesamten Prozesses beim Wagen. 4. Der Bildschirm leitet die Kommissionierer und gibt für jeden Artikel Hinweise zu Regalplatz, möglichen Ersatzprodukten und gewünschter Verpackung. 5. Der Computer teilt den Vorgesetzten mit, wenn Kommissionierer die Zeitvorgaben nicht einhalten. Die Kommissionierer werden mit Wegund Zeitvorgaben durch die Bereiche (Trocken-, Frisch-, Kühl-, Tiefkühlware) geführt. 34 Lebensmittel online 3. Optimierte Prozesse und Methoden können zu einer deutlich besseren Kommissionierleistung im Vergleich zu Wettbewerbern führen Beobachtete Kommissioniergeschwindigkeit, Artikel/Stunde 130 120 Wettbewerber 1 Wettbewerber 2 100 Quelle: McKinsey lichst kurzer Aufenthalt beim Kunden. Ein IT-basierter Logistikplaner hilft, die Route so zu wählen, dass der Fahrer möglichst wenig Zeit am Steuer verbringt. Ein Telematics-System in den Lieferwagen lotst den Fahrer von Kunde zu Kunde und achtet dabei noch auf einen ef¿zienten Fahrstil. Auch die Ausstattung des Lieferwagens birgt Vorteile: Bei Tesco können diese von der Seite be- und entladen werden, was den Prozessschritt beschleunigt. Mit diesen Methoden und Hilfsmitteln hat Tesco auch hier die Konkurrenz buchstäblich abgehängt. Die Entfernung zwischen den einzelnen Auslieferungsstellen ist nur halb so groß wie bei den Wettbewerbern – dadurch ergeben sich operative Kostenvorteile in Höhe von rund 1,5 Prozent des Umsatzes. Zu den geringeren Fahrzeiten trägt natürlich neben der ef¿zienten Steuerung auch der deutlich größere Kundenstamm bei – ein weiterer Grund, schnell in das Geschäft einzutreten und sich den FirstMover-Vorteil zu sichern. Appetitlich: Die Lebensmittel-Website des britischen Einzelhändlers Tesco bietet eine Auswahl wie ein Supermarkt. Die Ausgestaltung von Logistikmodell, Kommissionierung und Auslieferung wirkt sich damit signi¿kant auf die Rendite aus. Der Spielraum für Fehler ist gering, wie diese Zahlenbeispiele zeigen: Ist ein Händler bei der Kommissionierung nur halb so schnell wie der beste Wettbewerber, steigen seine Gesamtkosten um rund 5 Prozentpunkte. Sinkt die Auslastung seiner Lieferwagen um die Hälfte, büßt er 1,7 Prozentpunkte bei der Marge ein. Braucht der Fahrer anderthalbmal länger für die Auslieferung der Ware beim Kunden, gehen weitere 0,6 Prozentpunkte Marge verloren. Das alles sind realis- Akzente 2’10 tische Annahmen, wie sie bei Tesco-Wettbewerbern zu beobachten sind. In den Online-Handel mit Lebensmitteln einzusteigen ist eine Grundsatzentscheidung. Der Schritt sollte wohlüberlegt sein. Denn er erfordert ein neues Geschäftsmodell, das die gesamte Wertschöpfungskette betrifft. An den erfolgskritischen operativen Prozessen muss der Markteintritt aber nicht scheitern, denn dafür gibt es gute Lösungen, die es nur richtig anzuwenden gilt. Haben Sie Fragen oder Anmerkungen? Die Autoren freuen sich auf Ihre Zuschrift. Bitte E-Mail an: [email protected] 35 Kernaussagen 1. Lebensmitteleinzelhändler in Europa können über OnlineAngebote neue Ertragsfelder erschließen. 2. Sie brauchen dafür ein komplett neues Geschäftsmodell, das die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt. 3. Erfolg oder Misserfolg entscheiden sich an der Qualität der operativen Prozesse – die Wahl des Logistikmodells, Kommissionierung und Auslieferung stehen für einen Kostenblock in Höhe von rund 20 Prozent des Umsatzes. Autoren 1 Dr. Peter Breuer ist Partner im Kölner Büro und Leiter des deutschen Konsumgüter- und Handelssektors von McKinsey. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt im Bereich Strategieentwicklung und operative Verbesserungsprogramme. 2 Christoph Eltze ist Partner im Kölner Büro und Mitglied des deutschen Konsumgüter- und Handelssektors von McKinsey. Zu seinen Schwerpunkten gehören strategische und operative Verbesserungsprogramme für Händler und Hersteller. 3 Alexander von Fritsch ist Berater in McKinseys Hamburger Büro und berät vor allem Konsumgüter- und Handelsunternehmen. 4 Patrik Silén ist Berater bei McKinsey in London. Er berät Konsumgüterunternehmen und Händler vor allem zu Supply Chain Management, Logistik und Distribution. 36 Trade Budget Handelsinvestitionen: Rasche Rendite Konsumgüterhersteller stehen von zwei Seiten unter Druck: Die Eigentümer erwarten Wachstum, die Händler höhere Rabatte. Der Rapid-Return-Ansatz weist einen Weg aus der Zwickmühle. Von Thomas Tochtermann, Alexander Wellhöfer und Jens Weng Viele Konsumgüterhersteller stecken in einem strategischen Dilemma. Einerseits müssen sie, um die Wachstumsziele der Unternehmenseigner zu erfüllen, verstärkt in ihre Marken investieren. Andererseits verlangt der Handel immer höhere Rabatte – und drückt so weiter auf die Margen. Meist reicht das Geld nicht aus, um in Marketing und Handel gleichzeitig zu investieren. Angesichts des enormen Preiswettbewerbs geben viele Unternehmen dem Druck des Handels nach – und zweigen die Handelsinvestitionen kurzerhand aus ihren Marketingbudgets ab. Ein fataler Fehler: Höhere Handelsausgaben zwingen den Hersteller zur Beschneidung seines Marketingbudgets. Weniger Marketingaktivitäten wiederum schwächen die Marken und lassen die Nachfrage sinken. Die leistungsunabhängig gewährten zusätzlichen Konditionen geben dem Händler zugleich Spielraum für Preiskämpfe mit dem Wettbewerb: Er senkt die Verbraucherpreise und erhöht damit den Druck auf die Marken. Der Hersteller versucht, durch höhere Promotionausgaben gegenzuhalten, und belastet so weiter sein Budget. Ein Teufelskreis, der die eigenen Marken sukzessive in den Abgrund zieht und die Abhängigkeit vom Handel mehr und mehr erhöht (Gra¿k 1, Seite 38). Handelsinvestitionen richtig steuern – ein Fall für das Topmanagement Ein Durchbrechen der Abwärtsspirale gelingt nur, wenn das Problem von der Unternehmensführung selbst angegangen wird. Die Steuerung von Handelsinvestitionen ist Sache des Topmanagements. Erfolgreiche Hersteller meistern die Aufgabe, indem sie drei Prinzipien konsequent anwenden: Sie de¿nieren standardisierte Handelsbudgets entlang der Dimensionen Wachstum, Ef¿zienz, „4 P“-Management (Produktsortiment, Platzierung, Promotions, Preisarchitektur) und Volumen, die über alle Kanäle hinweg gesteuert und kontrolliert werden. Sie konzentrieren die Ausgaben systematisch auf Produktkategorien, Kanäle und Handelsunternehmen mit Wachstumsperspektiven. Sie zielen ab auf höchstmögliche Ef¿zienz und Effektivität beim Einsatz aller Handelsinvestitionen, um einen maximalen Return on Investment (ROI) zu erwirtschaften; das impliziert die Festlegung klarer Standards und anspruchsvoller Gegenleistungen auf Basis von Best Practices. Die Methode des Rapid Return Trade ROI basiert auf diesen Standards. McKinsey entwickelte den Ansatz gemeinsam mit zwei Experten, die TopmanagementErfahrung aus jeweils mehr als 18 Jahren bei einem führenden internationalen Konsumgüterkonzern mitbringen. Er gibt Herstellern die Möglichkeit, ihre Ressourcen mit größtmöglicher Ef¿zienz einzusetzen und ihre Handelsausgaben gewinnbringend zu managen. Der Rapid-Return-Ansatz ermöglicht ein ähnlich professionelles Management der Handelsinvestitionen, wie es bei Marketingausgaben vielfach schon üblich ist. Die Anstrengung lohnt allemal: Im Schnitt geben Konsumgüterhersteller inzwischen rund 30 Prozent vom Umsatz für das Trade Budget aus, bei vielen bildet es schon den größten Kostenblock. Und bei den meisten entwickelt es sich dynamisch. Steigerungsraten von 5 bis 7 Prozent sind üblich. Doch systematisches Management der Handelsinvestitionen ist bei den Herstellern noch allzu selten (siehe den Kommentar in Akzente 1’10: „In-Store-Marketing muss Chefsache sein“). Der Rapid Return Trade ROI liefert jetzt eine praxisnahe Methode, um dieses De¿zit zu beheben. Wer sie konsequent Akzente 2’10 37 Konditionen unter der Lupe: Rapid Return systematisiert alle Ausgaben aus dem Trade Budget. 38 Trade Budget 1. Steigende Handelsinvestitionen führen die Hersteller in eine Abwärtsspirale Abwärtsspirale der Handelsinvestitionen 1 Einzelhandel setzt beim Hersteller höhere Ausgaben 1 durch 2 2 Hersteller kürzt Marketingbudget, um Ergebnis zu halten; Einzelhandel senkt Verkaufspreis 5 3 6 Einzelhandel verlangt höhere Ausgaben zur Stützung der Marke 5 Markenwert und Wettbewerbsposition gegenüber Handelsmarken verschlechtern sich weiter 3 Markenwert sinkt und Wettbewerbsposition gegenüber Handelsmarken verschlechtert sich 6 4 4 Hersteller investiert verstärkt in Promotions zur Kompensation Verlust an Markenwert schwächt die Verhandlungsposition des Herstellers gegenüber dem Handel Quelle: McKinsey umsetzt, kann seinen Gewinn um bis zu 3 Prozent vom Umsatz steigern. Für den Rapid Return müssen viele Unternehmen gründlich umdenken. Ihnen fehlen bislang die Voraussetzungen, um diese Prinzipien adäquat umzusetzen. Ein Hauptproblem bei dem Versuch, Handelsinvestitionen effektiv zu gestalten, ist oft die mangelnde Transparenz der Vorgehensweisen im eigenen Unternehmen. Konsumgüterhersteller haben häu¿g keinen genauen Überblick über das bestehende Konditionengefüge, die tatsächlichen Gewinnmargen oder die eigentlichen Erfolgstreiber ihrer Aktivitäten. Gerade große Unternehmen laufen Gefahr, Blackbox-Strukturen auszubilden, in denen eingesetzte Mittel sinnlos versickern. Ein internationaler Lebensmittelkonzern beispielsweise besaß für seine 25 europäischen Länder weder einheitlich festgelegte Handelskonditionen noch eine eindeutige Zuordnung seiner Investitionen in der Bilanz. Die Folge solcher Intransparenzen sind verschwendete Mittel. Auch die Rabattpraxis vieler Unternehmen treibt die Ausgaben unnötig in die Höhe. Noch immer verfolgt ein Großteil der Hersteller gegenüber dem Handel eine Konditionenpolitik, die nicht oder nur unzureichend an den Leistungen der jeweiligen Händler orientiert ist. Vergleichende McKinsey-Analysen haben ergeben, dass nicht einmal ein Viertel der gewährten Rabatte eine echte Performanceorientierung aufweisen. Bei rund der Hälfte lassen sich die Händlerleistungen nicht genau differenzieren. Den verbleibenden Anteil ihrer Rabatte – zum Teil mehr als ein Drittel – vergeben Hersteller ohne jede Performanceprüfung an ihre Händler. Doch nur leistungsbasierte Konditionen rechtfertigen die Investition in den Handel – und nur so können Hersteller und Händler gemeinsam wachsen. Eine weitere wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Steuerung von Handelsinvestitionen ist das professionelle Management der „4 P“ und der Vertriebsmannschaft. Hierzu sollte die Unternehmensführung klare Leitlinien Akzente 2’10 39 2. Die meisten Promotions dieses Konsumgüterherstellers bringen Verluste Absatzzuwachs Verbesserungsmaßnahmen in Tsd. Einheiten • Budgetallokation neu justiert Investition von 800.000 Euro auf ertragreichere Mediaaktivitäten verlagert (auf den Händler zugeschnittener TV-Werbespot) 300 250 200 • Verkaufsförderung angepasst - Promotionaktivitäten reduziert - Promotions am Verkaufspunkt besser mit Mediakampagnen abgestimmt 150 100 0 -50 -50 0 50 Gewinnzuwachs 100 • Effekte - Konstant hoher Gewinn durch Absatzwachstum (Volumenzuwachs von > 400% in 5 Wochen) - Steigerung Promotion-ROI um 10% in Tsd. Euro Kernresultate der Analyse • 800.000 EUR in margenmindernde Promotions investiert • 30% der Sonderaktionen nicht mit Mediakampagnen abgestimmt Quelle: McKinsey formulieren, die dann vom Key Account Management in seinen Verträgen mit dem Handel umgesetzt werden. Um solche Leitlinien zu entwickeln, sollten Unternehmen zunächst ihre eigenen Aktivitäten kritisch überprüfen und an den Best Practices im Markt messen. Den Nutzen eines solchen Vorgehens zeigt beispielhaft die Analyse von Promotionaktivitäten bei einem großen europäischen Lebensmittelhändler (Gra¿k 2): Tatsächlich generiert dort ein Großteil der Verkaufsförderungen zwar mehr Absatzvolumen, aber gleichzeitig auch Verluste, da die Kosten den Ertrag übersteigen. Die Lösung ist in diesem Fall eine Verlagerung der Investitionen von der reinen Verkaufsförderung vor Ort hin zu Medienkampagnen, die idealerweise noch speziell auf das einzelne Handelsunternehmen zugeschnitten sind. So pro¿tieren Hersteller und Händler gleichermaßen von den eingesetzten Mitteln. Gleiches gilt für die Bereiche RegalÀäche und Zweitplatzierung: Erfolgreiche Unternehmen de¿nieren Regal- anteile und -positionen auf Basis von Kundenforschungsergebnissen und Kennziffern zur Rotationsef¿zienz. So wird eine optimale Regalbelegung und -gestaltung für Hersteller und Händler sichergestellt. Best Practice ist es auch hier, diese Vereinbarungen fest in den Handelsverträgen zu verankern, so dass die Leistungen mess- und kontrollierbar sind. Eine wichtige Instanz zur Kontrolle von Vertragsvereinbarungen vor Ort ist der Vertriebsaußendienst. Je besser dieser aufgestellt und organisiert ist, desto effektiver seine Arbeit. Die Realität sieht oft anders aus: In vielen Unternehmen herrschen historisch gewachsene, nicht mehr hinterfragte Strukturen, was Besuchsmuster, Frequenzen und Aufgaben des Außendienstes angeht. Optimierung tut auch hier in vielen Fällen not. Bewährt haben sich verbindlich festgelegte, nach Kundengröße und -bedeutung priorisierte Handelsbeziehungen, die auch vertraglich detailliert ¿xiert sind – bis hin zu den 40 Trade Budget 3. Die Trade ROI Heatmap zeigt für jedes Land Verbesserungspotenziale bei Investitionen in den Handel Heatmap der aktuellen Handelsperformance Kategorie 1 in Deutschland Produktkategorien Land (Marktgröße) Gesamt Kategorie 1 Marktanteil Deutschland (600 Mio. EUR) Kategorie 2 Kategorie 3 Kategorie 4 Bruttogewinnspanne • Überhöhte Handelsinvestitionen, jedoch in eine schnell wachsende Kategorie + 1,2 % Pkt. + 5,2 % Pkt. KategorieHandelswachstum investitionen + 3,2 % Pkt. + 2,1 % Pkt. GB (450 Mio. EUR) Marktanteil Italien (400 Mio. EUR) Kategorie 3 in Italien Bruttogewinnspanne - 0,9 % Pkt. - 2,4 % Pkt. • Marktanteilsverluste und unterdurchschnittliche Profitabilität KategorieHandelswachstum investitionen - 0,2 % Pkt. + 79 % Pkt. Frankreich (200 Mio. EUR) Kategoriedurchschnitt • Überdurchschnittliches Wachstum/ Profitabilitätssteigerung • Überhöhte Investitionen in eine stagnierende Kategorie xx xx xx xx xx xx xx xx xx xx xx xx xx xx xx xx xx xx xx xx Quelle: McKinsey, illustratives Beispiel einzelnen PÀichten der Partner, etwa in Bezug auf das Auffüllen von Regalen. Schließlich gilt es, dem Außendienst ein klares Erfolgszielbild für jedes Handelsformat zu vermitteln und dessen Realisierung sicherzustellen. Der schnellste Weg zum Rapid Return Der neue Ansatz Rapid Return Trade ROI schafft jetzt Abhilfe im Spannungsfeld zwischen Marketing- und Handelsinvestitionen: Seine Stärke liegt in der Kombination aus detaillierter Analyse (etwa von Verkaufszahlen und Verträgen) und pragmatisch umsetzbaren Ergebnissen. Mit der Trade ROI Heatmap etwa können Konsumgüterhersteller sich einen genauen Überblick über ihre aktuellen Handelsinvestitionen verschaffen, diese nach Ländern, Kunden und Produktkategorien differenzieren und sie ins Verhältnis zur relativen Performance im jeweiligen Markt setzen (Gra¿k 3). Erfolgreiche Hersteller schaffen diese Transparenz nicht nur einmalig, sondern kontinuierlich mit Hilfe standardisierter Prozesse und eines Reportingsystems, das die aktuellen Investitionen regelmäßig mit den Zielen abgleicht und den ROI der Ausgaben länderübergreifend misst. Auf diese Weise lassen sich rasch Bereiche identi¿zieren, bei denen eine Verlagerung der eingesetzten Mittel auf neue Wachstumsfelder sinnvoll erscheint. Zugleich hilft der Rapid-Return-Ansatz, neue Potenziale bei der Ausgestaltung von Verträgen mit dem Handel, in der Vertriebsorganisation und beim Management der „4 P“ zu erschließen. Nicht zuletzt lassen sich interne Best Practices heraus¿ltern und mit externen Benchmarks vergleichen, um die eigenen Handelsinvestitionen noch ef¿zienter zu gestalten. Neben diesen kurzfristig umsetzbaren Maßnahmen liegt der wesentliche Vorzug des Ansatzes für Konsumgüterunternehmen vor allem in der Akzente 2’10 langfristigen Stabilisierung der EBIT-Marge. Ein professionelles Management der Handelsinvestitionen ist essenziell für dauerhaftes Wachstum und eine starke Wettbewerbsposition. Rapid Return Trade ROI kann zur Optimierung wesentlich beitragen. Die Erfahrungswerte zahlreicher McKinsey-Studien belegen: Eine erfolgreiche Umsetzung des Rapid-Return-Ansatzes liefert den Unternehmen eine Pro¿tsteigerung von bis zu 3 Prozent ihres Umsatzes. Haben Sie Fragen oder Anmerkungen? Die Autoren freuen sich auf Ihre Zuschrift. Bitte E-Mail an: [email protected] 41 Kernaussagen 1. Die strategische Steuerung von Handelsinvestitionen und Vertragsgestaltungen ist Vorstandssache. 2. Transparente Investitionen, strikte Regeln beim Mitteleinsatz, klare Standards und Best Practices sind der Schlüssel zum Erfolg. 3. Wer den Rapid-Return-Ansatz in seinem Unternehmen konsequent umsetzt, kann seine Pro¿tabilität um bis zu 3 Prozent des Umsatzes steigern. Autoren 1 Dr. Thomas Tochtermann ist Partner im Hamburger Büro von McKinsey. Er berät seit mehr als 20 Jahren globale Unternehmen der Konsumgüterindustrie zu Strategie, Organisation, Marketing und Vertrieb. 2 Dr. Alexander Wellhöfer ist Berater im Hamburger Büro von McKinsey. Er unterstützt Konsumgüterhersteller vor allem bei operativer Vertriebssteuerung und Internationalisierungsstrategien. 3 Dr. Jens Weng ist Partner im Münchner Büro von McKinsey. Er leitet die Customer Management & Pricing Group im europäischen Konsumgütersektor. 42 Wasser Weniger Wasser, mehr Wert Wer Wasser vergeudet, kann inzwischen ebenso unter Druck geraten wie ein Luftverschmutzer. Doch Konsumgüterhersteller sollten das Thema nicht als Gefahr sehen, sondern als Chance zur Wertsteigerung. Von Merle Grobbel, Martin R. Stuchtey und Thomas Tochtermann Einige der mächtigsten Öko-Aktivisten kommen heute von der Wall Street. Zum Beispiel das Carbon Disclosure Project (CDP): Die von großen institutionellen Investoren getragene Organisation erhebt seit 2002 Unternehmensdaten zu CO2-Ausstoß und Reduktionszielen, woraus die weltweit größte Datenbank für Treibhausgasemissionen entstand. Kaum ein am Kapitalmarkt aktives Unternehmen kann es sich erlauben, dem CDP fernzubleiben. Vor einigen Wochen verschickte das CDP wieder einen Fragebogen an Großunternehmen in aller Welt, diesmal zum Umgang mit Wasser. Die Aktion ist ein Indiz mehr dafür, dass Wasser das nächste große ökonomischökologische Thema sein wird. So nennen sechs von zehn US-Amerikanern in einer Gallup-Umfrage die Verschmutzung des Trinkwassers als ihre größte Sorge in Bezug auf die Umwelt – noch vor Luftverschmutzung und Abholzung der Regenwälder. Zugleich rechnen fast alle Wirtschaftszweige damit, dass Wasserknappheit die Unternehmen in den kommenden zehn Jahren zwingen wird, ihre strategische Planung, die Produktion und sogar ihre Geschäftsmodelle anzupassen. Doch Unternehmen sollten Wasser nicht nur als operatives und strategisches Risiko betrachten (siehe Akzente 1’10). Vielmehr ist Wasser auch ein Mittel zur Wertsteigerung. Denn Umweltaktivitäten und sozial verantwortungsvolles Management steigern den Unternehmenswert – das sagen immerhin zwei Drittel der Finanzvorstände und drei Viertel der Investoren in einer McKinsey-Umfrage, zitiert im Bericht des Committee Encouraging Corporate Philanthropy (CECP). Und immer öfter werden Unternehmen auch daran gemessen, was sie zur Lösung von gesellschaftlichen Problemen beitragen. Vieles spricht also dafür, dass Firmen gut daran tun, aus eigener Initiative auf die Erwartungen der Öffentlichkeit zu reagieren. Wasser schafft Wert Konsumgüterunternehmen bietet der sorgsame Umgang mit Wasser gleich mehrere Vorteile. Ökonomischen Wert schaffen. Wasser sparen heißt Kosten sparen. Wie viel das sein kann, zeigt das Beispiel China. Dort stehen jährlich 620 Milliarden Kubikmeter Wasser zur Verfügung, der Bedarf steigt jedoch bis zum Jahr 2030 auf etwa 820 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Sofern es China gelingt, den Verbrauch durch aggressive Programme und Regulierung zu senken, kann vor allem die Industrie bis zu 22 Milliarden US-Dollar jährlich einsparen. Der Schlüssel zu den Einsparungen liegt hier vor allem in der industriellen Abwasserverwertung. Weltweit entdecken Unternehmen zurzeit Einsparpotenziale. So hat eine große britische Supermarktkette ihre Kosten um rund 2,5 Millionen US-Dollar allein dadurch gesenkt, dass sie Lecks in Wasserleitungen stopfte und wassersparende Toiletten installierte. Ein führender US-Nahrungsmittelproduzent hat seinen Wasserverbrauch innerhalb von drei Jahren um mehr als ein Fünftel verringert (um gut 12 Millionen Kubikmeter). Und ein Chemiekonzern spart durch ef¿zienten Umgang mit Wasser in seinen Werken jährlich mehr als 4 Millionen US-Dollar. Sozialen Wert stiften. Das UN-Entwicklungsprogramm hat errechnet, dass afrikanische Frauen südlich der Sahara etwa 40 Milliarden Stunden jährlich mit Wasserholen verbringen– mehr als alle Arbeitsstunden, die in ganz Frankreich geleistet werden. Initiativen, die in solchen Gebieten Wasser leichter zugänglich machen oder helfen, es ef¿zienter zu nutzen, stiften sozialen Wert. Nestlé setzt mit seinem Programm „Creating Shared Value“ bei der Akzente 2’10 43 Nutzung an: Das Unternehmen schult Bauern, die Nestlé beliefern, und zeigt ihnen, wie sie Felder besser bewässern und ihre Anbautechnik professionalisieren können. Das ist gut für die Bauern und gut für Nestlé, das von leistungsfähigeren Zulieferern pro¿tiert. Auch in Indien unterstützt Nestlé Farmer, hat außerdem die Wasserversorgung vieler Schulen verbessert und Ernährungsunterricht für junge Mädchen etabliert. Von den Investitionen in Infrastruktur und Ausbildung pro¿tieren die Gemeindemitglieder über Generationen – und die Nestlé-Shareholder wiederum von höherem Absatz. Nachfrage schaffen. Im Jahr 2000 waren erst 5 Prozent der Konsumenten an „grünen“ Produkten interessiert, heute sind es bereits 18 Prozent. Marktforschungen zeigen schon lange, dass sogar eine Mehrheit sich beim Einkauf stark an sozialen und ökologischen Faktoren orientieren würde, wenn damit kein zusätzlicher Aufwand und wenig Mehrkosten verbunden wären. Wer also – wie Rewe mit seinem „Pro Planet“-Siegel für nachhaltig hergestellte Produkte – ein entsprechendes Angebot macht, sorgt möglicherweise auch dafür, dass der Kunde unter „preiswert“ nicht immer nur „billig“ versteht. Reputation stärken. Wie nützlich es sein kann, sich bei Umweltthemen als Vorreiter zu positionieren, zeigt SABMiller eindrucksvoll in Südafrika. Der Bierbrauer verfolgt ein ambitioniertes Ef¿zienzziel: Um ein Viertel will er seinen Wasserverbrauch bis 2015 senken, obwohl er mit 4,3 Hektolitern Wasser pro Hektoliter Bier schon heute unter dem Durchschnitt liegt. Zudem engagiert sich SABMiller in zahlreichen Partnerschaften, etwa mit dem WWF oder im UNGC CEO Water Mandate, und pÀegt eine Reihe von Community-Programmen. Mit diesen Initiativen hat sich SABMiller einen Namen als umweltbewusstes Unternehmen gemacht, in dem Ökologie Chefsache ist. CEO Graham Mackay konstatiert: „Wasser Sauberes Wasser als Menschenrecht: Afrikas Frauen verbringen 40 Milliarden Stunden jährlich mit Wasserholen – die Water Resources Group will jetzt Wasser besser verfügbar machen. wird weder konsistent gemanagt, noch wird sein wahrer Wert erkannt (...) Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Regierungen und NGOs ist der einzige Weg, um diese risikoreiche Situation zu ändern.“ Regulierung vermeiden. Im vergangenen Jahr drohte der kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger damit, Wasser zu rationieren, falls die Industrie den Verbrauch nicht freiwillig senken sollte. Ein globaler Brauereikonzern kommt solchen Sanktionen zuvor, indem er sämtliche Prozesse der Reinigung, Heizung und Kühlung so optimiert, dass dafür kaum noch Wasser von außen zugeführt werden muss. Wie die meisten sozialen und ökologischen Fragen sind auch Wasserprobleme zu komplex, als dass sie ein Unternehmen allein lösen könnte. Erfolgversprechender ist ein gemeinschaftlicher Ansatz: Er ermöglicht Verbesserungen, die kein Kooperationspartner allein erzielen würde. So nützt es beispielsweise wenig, wenn entlang eines Flusses nur eine Fabrik ihre Abwässer klärt – erst wenn 44 Wasser So arbeitet die Water Resources Group Im Zentrum der Bemühungen steht die Umsetzung (oftmals vorhandener) Programme zur nachhaltigen Gestaltung des Wassersektors inWasserkrisengebieten. Um betroffenen Ländern oder Regionen zu helfen, haben McKinsey und der IFC ein Netzwerk aus Unternehmen, Behörden von Geberländern, Stakeholdern und Nicht-Regierungs-Organisationen zusammengebracht, die nach folgenden Prinzipien arbeiten: • Starke Vernetzung unter Sektoren und Stakeholdern • Engagiertes Führungsteam mit einem gemeinsamen Ziel • Ausreichende Autorität für Planung und Umsetzung • Priorisierte Ziele auf Systemebene • Transparenz und Verantwortlichkeit gegenüber Stakeholdern • Aufbau von Best-Practice-Prozessen alle Firmen und Kommunen dies tun, wird das Gewässer wieder sauber. Eine neue Generation von Umweltprojekten Doch wie entstehen solche gemeinsamen Initiativen? Und was macht sie erfolgreich? Bislang bevorzugen CEOs, wie die zitierte CECP-Umfrage belegt, zumeist Unternehmen der eigenen Branche oder Wertschöpfungskette als Partner für solche Projekte. Regierungen und andere öffentliche Stellen sowie multilaterale Organisationen, also etwa NGOs, werden hingegen weit seltener genannt. Doch gerade die Zusammenarbeit all dieser Gruppen hat sich vielfach als besonders durchsetzungsstark und effektiv erwiesen. Ein solches Bündnis haben das Weltbanktochterunternehmen IFC, McKinsey und zahlreiche Unternehmen mit der 2030 Water Resources Group (WRG) geschmiedet. Sie präsentierte Ende 2009 „Charting our Water Future“, eine Faktenbasis und Toolbox gegen Wasserkrisen in der ganzen Welt, und hat sich beim WEF Davos verpÀichtet, wasserarmen Ländern beim Aufbau eines nachhaltigen Wassermanagements zu helfen. Dabei Àießen gezielt die Stärken des privaten Sektors ein. Die Prinzipien: Faktenbasiert arbeiten. Eine stabile Faktenbasis verdeutlicht nicht nur die Situation, sie erleichtert auch die Konsens¿ndung. In ihren Länderinitiativen analysiert die WRG zunächst, wie sich die Wasserbilanz in der Region entwickelt. So erfahren die Stakeholder, wer welchem Wasserrisiko ausgesetzt ist, wo die Probleme am größten sind, woran dies liegt und wie die Probleme sich möglichst günstig beheben lassen: Wächst vor allem die Nachfrage aus der Industrie? Oder die der Landwirtschaft? Wie entwickelt sich der häusliche Verbrauch? Welche Hebel gibt es beim Nachfragemanagement oder bei der Angebotserweiterung? Wie teuer sind diese Maßnahmen? Solche Informationen sind unverzichtbar für erste Gespräche und die De¿nition von Zielen. Systemorientiert vorgehen. Die Partnerschaft will nicht nur Symptome kurieren, sondern den Gesamtzustand verbessern. Darum betrachtet sie das gesamte System, also alle Sektoren, die für eine Reform des Wassersektors wichtig sind – Industrie, Landwirtschaft, Privathaushalte, Kommunen – und berücksichtigt neben der Nachfrageseite auch das Angebot. Die WRG entwickelt Szenarien, quanti¿ziert deren Auswirkungen auf die Sektoren und bezieht unterschiedliche EinÀüsse ein. All dies hilft der gemeinsamen Initiative, sich auf einen Kurs zu einigen und eine gerechte Lösung zu ¿nden. Stakeholder einbinden. Um wirksam agieren zu können, holt die WRG alle Beteiligten ins Boot. Zwar verantwortet die jeweilige Regierung die Transformation, aber jede Projektphase wird intensiv mit den Partnern aus Industrie, Landwirtschaft, Kommunen und NGOs abgestimmt. Denn nur wenn alle Akteure eine Maßnahme für notwendig halten, werden sie diese auch umsetzen. Erfahrungen nutzen. Jeder Bündnispartner bringt andere Erfahrungen und Fähigkeiten in die Zusammenarbeit ein. Es kommt darauf an, diese Fähigkeiten in jeder Phase optimal zu nutzen. In der WRG geschieht dies: Projektmanagement und Transformationen sind den Teilnehmern bekannt; sie verstehen es, Roadmaps zu entwerfen und ihnen zu folgen. Auch Performancemanagement ist ihnen vertraut und sie können dazu beitragen, es auch in Institutionen zu etablieren. Und die WRG hat die notwendigen Tools, mit denen sie die Situation strukturiert und bis ins Detail analysiert. Replizierbarkeit sicherstellen. Projekte werden durch Routine nicht nur effektiver und ef¿zienter, weil sich die Methode stetig verbessert – die Erfolge werden auch Akzente 2’10 nachvollziehbar und vergleichbar. Auf diese Weise entwickelt sich ein replizierbares Vorgehen, das den Erfolg von Nachfolgeprojekten wesentlich wahrscheinlicher macht. Zudem können weitere Bündnispartner leichter einsteigen, wenn deren Rolle und Aufgaben klar sind. Wasserknappheit und Wasserverschmutzung stehen beispielhaft für Themen, die auf Grund ihrer Komplexität gemeinschaftliches Handeln erfordern. Statt unternehmerischer Einzelinitiative oder Warten auf die Politik ist hier eine neue Art von übergreifender, professionell geführter Gemeinschaftsinitiative notwendig. Als Mitglieder von High-Performing Partnerships sorgen Unternehmen dafür, dass Wasserprobleme mit analytischer Schärfe angegangen werden, nehmen als Quelle für Expertise und Investitionen ihre gesellschaftliche Verantwortung wahr. Der private Sektor nützt so der Gemeinschaft – und sich selbst. Den kompletten Report der 2030 Water Resources Group können Sie kostenfrei bestellen: [email protected] Haben Sie Fragen oder Anmerkungen? Die Autoren freuen sich auf Ihre Zuschrift. Bitte E-Mail an: [email protected] 45 Kernaussagen 1. Konsumgüterhersteller können durch ökologisches und soziales Engagement ihren Unternehmenswert steigern. 2. Um die Herausforderungen beim Thema Wasser zu bewältigen, sollten Firmen High-Performing Partnerships mit öffentlichen Stellen, NGOs und anderen Unternehmen vor Ort eingehen. 3. Diese neuartigen Partnerschaften machen den Erfolg eines Umweltprojekts wahrscheinlicher, denn sie werden der Komplexität des Themas eher gerecht. Sie zeichnen sich aus durch faktenbasiertes Arbeiten, eine Systemorientierung, die Einbindung aller relevanten Stakeholder, konsequente Nutzung vorhandener Stärken und Replizierbarkeit. Autoren 1 Dr. Merle Grobbel ist Beraterin im Züricher Büro von McKinsey. Sie berät Unternehmen im Rahmen von McKinseys Sustainability & Resource Productivity Initiative, hauptsächlich zum Thema Nachhaltigkeit, und ist verantwortlich für McKinseys Water Service Line. 2 Dr. Martin R. Stuchtey ist Partner im Münchner Büro von McKinsey, das er ebenso leitet wie den deutschen Travel, Transport & Logistics Sector. Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören Ressourcenproduktivität und Nachhaltigkeit. Er ist Initiator der 2030 Water Resources Group und Mitautor des Berichts „Charting our Water Future“. 3 Dr. Thomas Tochtermann ist Partner im Hamburger Büro von McKinsey. Er berät seit mehr als 20 Jahren globale Unternehmen der Konsumgüterindustrie zu Strategie, Organisation, Marketing und Vertrieb. 46 Kommentar Von der Wasserknappheit zur globalen Nahrungsmittelkrise ... ... ist es nicht weit, warnt Peter Brabeck-Letmathe, Präsident des Verwaltungsrats von Nestlé. Wasser ist knapp? Für uns Mitteleuropäer ist das ein ungewohnter Gedanke. Und doch ist es so: Schon heute überstrapaziert der Mensch die globalen Wasserreserven. Nach Abzug der für eine intakte Umwelt erforderlichen Menge bleiben rund 4.200 Kubikkilometer Wasser für den menschlichen Gebrauch. Doch wir nutzen schon rund 4.500 Kubikkilometer Wasser – Tendenz steigend. Bis 2030 könnte der Nachfrageüberhang auf über 60 Prozent der verfügbaren, sich natürlich erneuernden Menge steigen. Dies ist ein Ergebnis der Studie der 2030 Water Resources Group, einer Initiative von acht Unternehmen, dem WeltbankTochterunternehmen IFC und von McKinsey. Die Studie analysiert die Beim Wassereinsatz von Industrie und Landwirtschaft lässt sich noch viel sparen. Situation in den 154 weltweit wichtigsten Flussbecken und fasst die Lage in globalen Zahlen zusammen. Brisant sind die darauf basierenden Prognosen, denn die Landwirtschaft würde von der sich abzeichnenden Wasserkrise am härtesten getroffen. Die Autoren der Studie rechnen vor, dass die weltweite Produktion von Grundnahrungsmitteln um rund 30 Prozent zurückginge. Lokale Wasserprobleme würden dann zur globalen Hungersnot führen. Gleichzeitig beobachten wir vielerorts Mängel in der Versorgung mit munizipalem Trink- und Haushaltswasser in Entwicklungsländern. Zwar gab es Verbesserungen: Trotz einer rasch wachsenden Weltbevölkerung sank die Zahl der Menschen ohne Zugang zu sicherem Wasser von 1,2 Milliarden 1990 auf 850 Millionen im Jahr 2006. Aber 850 Millionen sind immer noch eine viel zu hohe Zahl – und die längerfristigen Aussichten sind ungewiss. Eines der Probleme: Viele Entwicklungsländer leisten sich Tarife, die häufig nicht einmal die Unterhaltskosten decken. Davon profitieren (meist wohlhabende) Bürgerinnen und Bürger mit einem Wasseranschluss im Haus. Die ärmsten Schichten zahlen hingegen ein Mehrfaches dieser Tarife für Wasser zweifelhafter Qualität aus Tanklastern. Die simple Idee, den Wasserverbrauch generell über höhere Preise auf ein verträgliches Maß zu drücken, greift zu kurz. Sie berücksichtigt nicht die verschiedenen Rollen von Wasser, das ein soziales, ökologisches und ökonomisches Gut zugleich ist. Wohl am wichtigsten ist seine soziale Rolle: Der Anspruch auf sauberes Wasser wurde kürzlich zum Menschenrecht erklärt. Der Zugang zum Minimum – weltweit ein relativ bescheidenes Volumen von 60 bis 125 Kubikkilometern – sollte gewährleistet sein, auch wenn eine Familie nicht dafür bezahlen kann. Akzente 2’10 47 Wasser ist zweitens ein ökologisches Gut. Bei den von Menschen genutzten Gewässern sollte eine Menge von bis zu 4.200 Kubikkilometern für die Natur, Feuchtgebiete, Seen und Flüsse reserviert bleiben – ein Zielwert, der vielerorts bereits heute massiv unterschritten wird. Drittens ist Wasser auch ein ökonomisches Gut. Wir verbrauchen zurzeit rund 4.400 Kubikkilometer als Haushaltswasser für Pools und Rasen, für Industrie und Dienstleistungen sowie für die landwirtschaftliche Produktion. Hier kann der Preis seine Steuerungsfunktion entfalten, denn ohne angemessenen Preis wird das Wasser schnell verschwendet. Nestlé engagiert sich in der Water Resources Group, weil das Unternehmen gleich mehrfach vom Thema betroffen ist: Wir stehen als Bindeglied zwischen Landwirtschaft und Konsumenten; wir verarbeiten Nahrungsmittel, sind also abhängig von Bauern, die mit dem verfügbaren Wasser produzieren. Wir benötigen Wasser für unsere Fabriken. Und zur Zubereitung unserer Produkte brauchen Konsumenten Zugang zu sauberem Wasser. Wir engagieren uns seit Langem auf diesem Feld. Bereits in den Dreißiger Jahren wurde die erste Abwasserkläranlage der Nestlé-Gruppe in Betrieb genommen. Wir nutzen alle Einsparmöglichkeiten – der Wasserbezug wurde über die vergange- nen zehn Jahre von 5 Litern auf weniger als 1,5 Liter pro US-Dollar Umsatz reduziert – gegenüber mehreren Hundert Litern in anderen Branchen. Und wir beraten die Bauern – weltweit arbeiten wir mit etwa 600.000 direkt zusammen – zum sorgsameren Umgang mit Wasser. Solche Einzelmaßnahmen lösen natürlich das Gesamtproblem nicht. Nestlé beteiligt sich deshalb auch am Politikdialog. Die 2030 Water Resources Group macht konkrete Vorschläge, wie die sich abzeichnende Wasserkrise vermieden werden kann. Für jedes der untersuchten Flusseinzugsgebiete können damit die Behörden eine umfassende, faktenbezogene Strategie entwickeln, in Partnerschaft mit allen Stakeholdern im jeweiligen Gebiet. Die gute Nachricht: Der globale Wassernotstand lässt sich vermeiden – Wassernot und Hunger müssen nicht sein. Mehr Informationen unter: www.2030waterresourcesgroup.com Nestlé hat den Wassereinsatz pro US-Dollar Umsatz um zwei Drittel reduziert, schreibt Autor Peter Brabeck-Letmathe. 48 Werkstatt: aktuelle Themen Flüssigkeiten im Fokus Benchmarking-Initiative COBI gestartet Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel sowie Kosmetik und Getränke stehen im Zentrum der weltweiten „Consumer Operations Benchmarking Initiative“ (COBI) von McKinsey. Ziel der Vergleichsstudie ist es, sowohl den Status quo als auch Best Practices in der Produktion und Supply Chain von Flüssigprodukten zu ermitteln. Eine Reihe namhafter internationaler Konsumgüterhersteller nimmt an COBI teil. Bei der ersten Benchmarking-Runde im Frühjahr konnten für alle Produzenten von Wasch-, Putz- und Reinigungsmitteln (WPR) signi¿kante Verbesserungspotenziale identi¿ziert werden. Auf dieser Basis haben die ersten Werke bereits Aktionspläne entwickelt. Inzwischen läuft das erste Benchmarking der Getränkehersteller, die zweite WPR-Runde startet in diesen Tagen. Mehr Informationen bei [email protected] oder [email protected] Wie werden Flüssigprodukte optimal produziert, abgefüllt und ausgeliefert? Das Benchmarking-Projekt COBI gibt Antworten. Beste MarketingDoktorarbeit Europas ausgezeichnet Von Frauen für Frauen: McKinsey Women’s Day in Frankfurt CSI Insights: Was asiatische Konsumenten zum Kauf reizt Die European Marketing Academy (EMAC) und McKinsey haben die beste Marketing-Doktorarbeit in Europa ausgezeichnet. Den „EMAC McKinsey Marketing Dissertation Award 2010“ erhielt Steven Sweldens für seine Doktorarbeit an der RSM Erasmus University in Rotterdam, Niederlande. Der Psychologe hat die verschiedenen Arten emotionaler Reaktionen untersucht, die die Einbettung einer Marke in einen bestimmten Kontext auslöst. Die Auszeichnung ist mit 7.000 Euro dotiert. Bewerbungen für den „EMAC McKinsey Marketing Dissertation Award 2011“ sind möglich unter www.marketingdissertation-award.eu Einsendeschluss ist der 31. Januar 2011. Vor allem an Studentinnen und Doktorandinnen aller Fachrichtungen, die mehr über Frauen in der Beratung wissen möchten, wendet sich McKinsey mit dem Women’s Day am 5. und 6. November 2010 in Frankfurt. Hier berichten McKinseyBeraterinnen aller Karrierestufen von ihrer Arbeit und zeigen an Fallstudien die Herausforderungen auf. In einem interaktiven Training lernen die Teilnehmerinnen, wie sie ihre weiblichen Stärken im Berufsleben richtig einsetzen. Für den McKinsey Women’s Day können sich nicht nur Studierende, die im und neben dem Studium Außergewöhnliches leisten, bewerben, sondern auch Young Professionals: www.womensday.mckinsey.de Bewerbungsschluss ist am 19. September 2010. Eine neue Website von McKinseys Consumer Shopper Insights (CSI) bietet jetzt wertvolle Einblicke in Vorlieben und Abneigungen asiatischer Konsumenten. Diese muss jedes Unternehmen verstehen, das auf den schnell wachsenden Märkten in Fernost erfolgreich verkaufen will. Website-Besucher ¿nden Informationen zu einzelnen Ländern oder Wissen zu bestimmten Themenkomplexen, aufbereitet in Artikeln und MultimediaPräsentationen. Dabei geht es um die Entwicklung der Nachfrage, den Markt für Luxusgüter, Konsumgüter oder elektronische Geräte, Mode und Bekleidung, aber auch um Themen wie Strategie und Wachstum. Mehr Informationen unter http://csia.mckinsey.com Haben Sie Fragen oder Anregungen? Wir freuen uns auf Ihre E-Mail: [email protected] Akzente 1’10 Impressum Herausgeber Dr. Klaus Behrenbeck McKinsey & Company, Inc. 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