TECHNIK Ferienanlage „Marina Wolfsbruch“ an der Mecklenburgischen Seenplatte: Lebendige Dachlandschaften entstehen durch das Miteinander von Farben und Dachformen. Die gestalterische Kraft DACHGESTALTUNG: Immer wieder gibt es Diskussionen zu diesem Thema. Wir sprechen über einen neuen Trend, bei dem die klassischen Farben im Vordergrund stehen. Z u früheren Zeiten war für den einfachen Bauherrn die Dachdeckung in erster Linie an zweckmäßigen und funktionalen Vorgaben orientiert. Es wurden vorzugsweise Dachbaustoffe verwendet, die regional angeboten und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten verfügbar waren. Lohn- und Verarbeitungskosten spielten im Gegensatz zu heutigen Verhältnissen eine untergeordnete Rolle. Die Ästhetik eines Daches, einer Dachlandschaft war für die normale Bauherrenschaft ein Fremdwort. Hier war es wichtig und entscheidend, mit seinen verfügbaren Mitteln eine langfristig sichere Dachdeckung zu erhalten. Allein herrschaftliche und kirchliche Bauwerke hoben sich in ihrer Gestaltung und Dachdeckung aus der Masse heraus. Sie waren schon früh die Farb- und Gestaltungstupfer in den Dachlandschaften, die in weiten Teilen mit grauen Farbtönen, wie sie von Holz und Stroh gebildet werden, 6 DDH_0807-Seiten_06-29.indd 6 die Orts- und Landschaftsbilder prägten. Daran erkennt man auch schon, dass es zu allen Zeiten Veränderungen der Dachlandschaften gab. So brachte der Übergang von brennbaren Dachbaustoffen wie Stroh und Holz zu harten Bedachungen wie den Dachziegel in weiten Teilen des Landes Veränderungen der Dachlandschaften und auch der Dachformen mit sich. Neue Bauaufgaben und technische Herausforderungen veränderten schon in der Vergangenheit das Gesicht unserer bebauten Umwelt. So waren mit Beginn der Industriealisierung die Dachlandschaften in Europa einem starken Veränderungsprozess durch Projekte wie Bahnhöfe, Fabriken und Arbeitersiedlungen unterworfen. Aber auch Dachbaustoffe, die industriell hergestellt und durch moderne Transportmittel praktisch überall verfügbar waren, veränderten das Gesicht unserer Dachlandschaften. In der Wiederaufbauzeit nach dem Zweiten Weltkrieg gab es andere Sorgen, als sich über gestaltete und farbige Dächer Gedanken zu machen. Hier hat insbesondere die Frankfurter Pfanne von Braas entscheidend dazu beigetragen, dass die zerstörten Dächer wieder sicher und wirtschaftlich gedeckt werden konnten. Erst mit steigendem Wohlstand wurde das Bedürfnis nach vielfältiger Gestaltung auf dem Dach geweckt. Derzeit wird ein neues Feld der Dacharchitektur aufgemacht: Dieses zeichnet sich vor allem durch Nichtgestaltung in Form von einfachen, flachgeneigten Pultdächern aus. Hier wird das Dach mit seiner gestalterischen Wirkung ganz dem A/V-Verhältnis nach der Energieeinsparverordnung (EnEV) geopfert. Gerade in unserer Branche von Verarbeitern, Handel, Planern und Herstellern müsste ein Schrei der Entrüstung durch das Land gehen. Bei der Gestaltung des Daches kann es nicht nur um die Erfüllung physikalischer und gesetzlicher Rahmenbedingungen gehen. Es geht im8/2007 18.04.2007 8:44:56 Uhr TECHNIK GESTALTUNG: GESETZLICHE REGELUNGEN Bei der Frage der Zulässigkeiten von Dachformen und Dachfarben sind gleich mehrere gesetzliche Bestimmungen zu beachten: FOTOS: LAFARGE DACHSYSTEME n Denkmalrecht Aus Gründen der Denkmalpflege können die unteren Denkmalschutzbehörden Auflagen für Dachbaustoffe, Dachformen und Dachfarben zur Wahrung der Identität eines Gebäudes machen. Auch für Sanierungen und in Neubauten in der Nähe von Denkmälern können Vorgaben in eingeschränkter Weise getroffen werden (Anmerkung der Redaktion: Eine Liste der Denkmalpflegeämter finden Sie in unserem Themenfeld Dachziegel auf www.ddh.de). mer auch um die gebaute Umwelt, denn diese begleitet uns ein Leben lang. Dachdecker als Berater Die Bewahrung von bestehenden Dachlandschaften mit ortsbildprägender Wirkung ist häufig eine Frage des Denkmalschutzes oder wird in örtlichen Erhaltungs- und Gestaltungssatzungen geregelt. Die Gestaltung von neuen, interessanten Dachlandschaften darüber hinaus ist eine Aufgabe, in die sich neben den Stadtplanern und Architekten auch die Beteiligten, nämlich die Bürger, Bauherren und Renovierer einbringen. Dem Dachdecker kommt hier eine hohe Verantwortung zu, ist er doch häufig der wichtigste Berater des Bauherrn. Denn es geht nicht zuletzt um die Frage: „Wie sieht ein harmonisches Stadt- und Siedlungsumfeld aus?“ Hervorragende Ansätze wurden in der Vergangenheit zum Thema regionaltypisches Bauen – durchaus auch in moderner Wei8/2007 DDH_0807-Seiten_06-29.indd 7 n Baugesetzbuch – Bauplanungsrecht Das Baugesetzbuch (BauGB) des Bundes sieht das Bauen grundsätzlich im Rahmen der Bauleitplanung nach den Vorgaben eines Bebauungsplanes vor. Für Gebiete ohne Bebauungsplan im Innenbereich sieht der § 34 BauGB ein allgemeines Beeinträchtigungsverbot des Ortsbildes vor. Dies bereitet in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten. Problematisch waren zum einen die Abgrenzung zum (bauordnungsrechtlichen) Verunstaltungsverbot und zum anderen die Reichweite der Regelung schlechthin. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer Entscheidung (Urteil vom 11. Mai 2000, Az.: 4 C 14.98) die Vorgabe zugunsten des Bauherrn und zu Lasten des Ortsbilds sehr eng ausgelegt. Nach diesem Urteil ist eine Beeinträchtigung des Ortsbildes nur sehr schwer nachzuweisen. se interpretiert – entwickelt. Positive Beispiele nehmen traditionelle und bekannte Gestaltungsbilder auf und verarbeiten sie im modernen Sinn. Bezüge zu historischen Vorbildern entstehen durch bewusste Parzellenstruktur, Gebäudestellung und Höhenentwicklung. Mit den Empfehlungen zur Gestaltung von Trauflinie, Firstrichtung, Dachformen und -neigungen formen sie städtebaulich spannende und vor allem dauerhaft wirkende Dachlandschaften als Erlebnisräume. Und so entstehen auch in neuen Siedlungen liebenswerte Orte, mit denen sich die Bewohner identifizieren. Dachgestaltung ist mehr als nur die Gestaltung einer Dachfläche, sondern durch ihre Bezüge zur gebauten Umwelt entstehen n Bauordnungsrecht – Landesrecht Die Landesbauordnungen bestimmen die Anforderungen, wie auf den Grundstücken gebaut werden darf. Die Regelung der konkreten Bauausführung durch das Bauordnungsrecht fällt in die Kompetenz der Länder und kann daher in einzelnen Punkten zwischen den Ländern verschieden sein. Zur Durchführung baugestalterischer Absichten, zur Erhaltung schützenswerter Bauteile, zum Schutz bestimmter Bauten, Straßen, Plätze oder Ortsteile von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung sowie zum Schutz von Kulturund Naturdenkmalen können entsprechend der Landesbauordnungen die Gemeinden in bestimmten bebauten oder unbebauten Teilen des Gemeindegebiets Satzungen mit örtlichen Bauvorschriften erlassen, die Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen stellen. Diese Anforderungen können in eigenständigen Ortssatzungen oder in Bebauungsplänen mit Gestaltfestsetzungen enthalten sein. Da im Rahmen einer kommunalen Satzung Inhalt und Schranken des Eigentums geregelt werden, müssen besondere städtebauliche Gründe vorliegen und es gilt das Gebot der Abwägung von öffentlichen und privaten Belangen (vgl. VGH Bad.-Württ. a.a.O. unter Hinweis auf VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 30. Juli 1987 – 5 S 2906/86 – NVwZ-RR 1988, 63; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 9. Februar 2000 – 7 A 2386/98 – BauR 2000, 1472; HessVGH, Urt. v. 2. April 1992 – 3 N 2241/89 – BRS 54 Nr. 116). und leben Dachlandschaften. Jedes Gebäude und seine Dachfläche sind Bestandteile eines größeren Ganzen. Respekt vor der Individualität In weiten Teilen unseres Kulturraumes haben sich kleinteilige Bedachungsmaterialien, allen voran Dachsteine und -ziegel durchgesetzt. Diese Dachbaustoffe prägen zu einem wesentlichen Teil unsere Dachlandschaften (Anmerkung der Redaktion: Alle DDH Abonnenten erhalten mit der DDH Ausgabe 20/2007 den neuen Band 22 der DDH EDITION Ratgeber Kleinformatige Deckwerkstoffe kostenfrei zugestellt). Eine wichtige Rolle spielen dabei neben den traditionellen Formen auch die Far7 18.04.2007 8:44:58 Uhr TECHNIK Dachgestaltung ist mehr als nur die Gestaltung einer Dachfläche. Durch die Stellung der Dachflächen, durch Versprünge und Verschnitte entstehen spannende Dachlandschaften. ben (siehe Titelbild). Gerade in den vergangenen Jahren gab es bei Dachbaustoffen einen Trend zu neuen und modernen Farben. Oft mussten diese zum Beispiel blauen oder grünen Bedachungen auch vor Gericht erstritten werden. Hierbei zeigte sich, dass die Gerichte hinsichtlich zeitgemäßer und moderner Architektur bestimmte Bauvorschriften zur Dachgestaltung in- Jedes Gebäude und seine Dachflächen sind Bestandteile eines größeren Ganzen. zwischen jedoch als überholt betrachten und einen Eingriff in das nach Artikel 14 GG geschützte Wesen des Eigentums oder als Verletzung des Übermaßverbotes und des Prinzips der Verhältnismäßigkeit sehen. Bei allem Respekt vor der Individualität des Einzelnen und des einzelnen Gebäudes bleibt dennoch die Erkenntnis, dass in den seltensten Fällen die Architektur und das Umfeld allzu dominierende Farbgestaltungen des Daches ertragen. Ein Wohnzimmer kann alle drei bis fünf Jahre durch einen Anstrich auch neuen Wohntrends angepasst werden. Die Investition in ein Dach hält erfahrungs- und erwartungsgemäß deutlich länger als eine Generation. Darüber hinaus gibt es nicht nur Rechte, die sich aus dem Grundgesetz ergeben, sondern vielmehr auch Pflichten, so zum Beispiel in der Sozialverpflichtung des Eigentums. Der Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ schließt auch die Verantwortung jedes einzelnen für die gebaute Umwelt mit ein. So kann ein schreiend buntes Dach für Nachbarn durchaus einen Störfaktor darstellen. (siehe Kasten: Gesetzliche Regelungen). Trend zu klassischen Farben Die aktuellen Statistiken führender Hersteller zeigen allerdings, dass der Trend zu den klassischen Farben geht. Dabei werden auch zunehmend wieder die regionalen 8 DDH_0807-Seiten_06-29.indd 8 Schwerpunktfarben Rot, Rotbraun sowie Anthrazit entdeckt. Standen bei der Farbverteilung Anfang der neunziger Jahre mit über sechzig Prozent Rottöne im Vordergrund des Bauherreninteresses, so gewinnen seit Anfang des neuen Jahrtausends die Farben Grau, Anthrazit und Schwarz an Boden. Auch geht in einigen Gemeinden der Trend weg vom hochglänzenden und hin zum seidenglänzenden oder gar matten Dach. Erfrischend ist hier das Beispiel der Ferienanlage „Marina Wolfsbruch“ an der Mecklenburgischen Seenplatte. Durch die Gebäudestellung, Ausrichtung der Firstlinien, Dachversprünge, durch Einheit in der Vielfalt entsteht ein Siedlungsbild, dass – obwohl geplant – einen gewachsenen Charakter hat. Jedes Gebäude hat eine individuelle Note, ohne aus dem städtebaulichen Bild heraus zu stechen. Sogar die unterschiedlichen Farben der Dächer passen zum lebendigen Bild. Es ist die gestalterische Kraft des Geneigten Daches, die in Verbindung mit den harmonischen Fassaden das neue Ortsbild prägt. Hier wurden ein bemerkenswertes Stadtbild und ein lebenswertes Wohnumfeld geschaffen. AUTORIN Dr.-Ing. Gabriele Krüner ist Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit der Lafarge Dachsysteme GmbH. 8/2007 18.04.2007 8:44:59 Uhr TECHNIK Jedes Gebäude zeigt eine individuelle, gestalterische Note. SONDERDRUCKSERVICE Von den in den Zeitschriften veröffentlichten Beiträgen können auf Wunsch und mit Zustimmung des Autors Sonderdrucke angefertigt werden. Mindestauflage 1.000 Exemplare. Ausführliche Informationen erteilt Ihnen auf Anfrage: Sonder druck aus der Fachze Zusatzma ßnahm Fazit: Dachlandschaften gestalten Verlagsge sellsc Rudolf Mülle haft Stolberge r GmbH & Co.KG r Str. 84 50933 Köln Tel.: 02 21/5 4 97-0 Fax: 02 21/54 97-3 26 (-$7f h_b(&& - :79>= ;IJ7B >[\j. %(&&- JKD= :_[] [ijWb j[h_iY^[A hW\j DKJP<7 de >HP; K=; F[hie Wk\7 dWb#7Xj[_b Y^i[ kd] ?DJ;H L?;M Pkak <kdZ d\jWk\ijW Wc[d ha[c j Gabriele Krüner Schlagworte fürs DDH Online-Archiv auf www.ddh.de: Farbe, geneigtes Dach, Gestaltung. VU / 03.2007 Dachgestaltung, Dacharchitektur und Dachlandschaften, Farben und Formen prägen unsere gebaute Umwelt. Dabei zeigt sich, dass auch mit modernen Dachbaustoffen in modernen Farben Dachlandschaften gestaltet werden können. Architektur, Design und Wirkung eines Gebäudes leben immer vom Zusammenhang. In der ge- zielten Kombination entstehen lebendige Dachlandschaften, die die Bedeutung eines Daches für die Umwelt aufzeigen und nicht zuletzt dem Image des Daches und seiner Verarbeiter zu Gute kommen. Verlagsgesellschaft Rudolf Müller GmbH & Co. KG Redaktion DDH Adelheid Dettmann Postfach 41 09 49 50869 Köln Telefon 0221 5497-2 01 Telefax 0221 5497-3 26 [email protected] e: Keine Ch für Feuc ance htigkeit Zusatzma heit die ßnahmen zu nen häufig als während d Arnitel-EinBehelfsdecku besond lage haben s ers bew ährt. Bauen mit Dachverstand DDH_0807-Seiten_06-29.indd 9 18.04.2007 8:45:01 Uhr