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Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Ao.Univ.-Prof. Dr. Walter Scherrer
Fachbereich Sozial- und Wirtschaftswissenschaften
Universität Salzburg
Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Unterlagen zur Vorlesung im SS 2016
1. Gegenstandsbereich und Grundbegriffe der Volkswirtschaftslehre …...….…..… 2
1.1. Warum wir wirtschaften (müssen) – Das Problem der Knappheit........................... 2
1.2. Grundsätze des Wirtschaftens ............................................................................... 2
1.3. Wirtschaftliche Akteure, Arbeitsteilung und Tausch ............................................... 3
1.4. Geld als Tauschmittel und Recheneinheit .............................................................. 5
1.5. Geld als Wertaufbewahrungsmittel (?) ................................................................... 6
2. Methodische Grundlagen und Aufgaben der VWL ................................................... 7
2.1. Einordnung in die Wissenschaftssystematik .......................................................... 7
2.2. Beschreibung des Wirtschaftsprozesses ............................................................... 7
2.3. Erklärung des Wirtschaftsprozesses ...................................................................... 8
2.4. Einschub: Werturteile in der Ökonomie ................................................................ 10
2.5. Beratung bei der Steuerung des Wirtschaftsprozesses: ....................................... 10
2.6. Prognose des Wirtschaftsprozesses .................................................................... 11
3. Wirtschaftssysteme im Überblick ........................................................................... 12
3.1. Zentralverwaltungswirtschaft ................................................................................ 12
3.2. Marktwirtschaft/Kapitalismus ................................................................................ 13
3.3. Zur Rolle des Staates in der Marktwirtschaft ........................................................ 15
4. Grundlagen der Mikro- und Makroökonomie.......................................................... 18
4.1. Wozu „Mikro“ und „Makro“? ................................................................................. 18
4.2. Nachfrage und Angebot ....................................................................................... 19
4.3. Marktgleichgewicht............................................................................................... 22
4.4. Wirtschaftskreislauf und Bruttoinlandsprodukt ..................................................... 25
5. Zusammenhänge zwischen dem wirtschaftlichen und anderen
gesellschaftlichen Subsystemen ............................................................................ 33
5.1. Wirtschaft und neue Technologien ....................................................................... 33
5.2. Wirtschaft und Ökologie ....................................................................................... 36
5.3. Wirtschaft und Politik ........................................................................................... 39
5.4. Wirtschaftspolitische Ziele.................................................................................... 43
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Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
1. Gegenstandsbereich und Grundbegriffe der VWL
1.1. Warum wir wirtschaften (müssen) – Das Problem der Knappheit
Wirtschaften zielt auf die Befriedigung von Bedürfnissen durch den Konsum von
Waren und Dienstleistungen; Konsum stiftet Nutzen  Bedürfnisbefriedigung.
 Eigentliches wirtschaftliches Problem ist die Knappheit der Ressourcen, die für die
Bedürfnisbefriedigung zur Verfügung stehen. Güter bzw. die zu ihrer Erzeugung
erforderlichen Faktoren sind knapp. Mit Knappheit wird die Differenz zwischen
Erwünschtem und Verfügbarem, zwischen Bedürfnissen und den Mitteln zu ihrer
Befriedigung bezeichnet.
 Natur stellt nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung; vieles was sie zur Verfügung
stellt wird erst durch menschliche Arbeit brauchbar. Aber: sie ist gleichzeitig auch die
Quelle von Überfluss und Reichtum, sie ist Quelle des Lebens.
 Andere Menschen treten als Ressourcenkonkurrenten auf. Aber: Sie sind auch
Träger arbeitsteiliger, spezialisierter Produktion – zusammen können wir mehr
produzieren als jede/r für sich alleine!
 Grundlegend für das Phänomen der Knappheit ist daher auch die prinzipielle
Unbegrenztheit der menschlichen Wünsche.
 Knappheit ist kontextabhängig (Bsp. „freie“ Güter).
1.2. Grundsätze des Wirtschaftens
Das Phänomen der Knappheit zwingt zum wirtschaftlichen Umgang mit Ressourcen.
Wirtschaften heißt daher, Wahlhandlungen vorzunehmen, Entscheidungen zu treffen.
Eine Entscheidungssituation ist gekennzeichnet durch drei Elemente
 Alternativen, die sich wechselseitig ausschließen.
 Bewertung dieser Alternativen (Vergleich aus der Sicht des Entscheiders): Hier sind
die Präferenzen des Entscheiders maßgeblich.
 Verhaltens- bzw. Entscheidungsregel Ökonomisches Rationalverhalten (Rationalprinzip): Ein bestimmter Erfolg soll mit möglichst geringem Aufwand an knappen
Ressourcen (Zeit, Geld, Anstrengung...) erreicht werden bzw. mit einem bestimmten
Aufwand soll der bestmögliche Erfolg erzielt werden.
Bei Auswahlentscheidungen fallen stets Kosten an:
 Wenn man sich für eine Alternative entscheidet, entgeht einem der Nutzen aller
anderen Alternativen.
 Opportunitätskosten (= Nutzenentgang): entgangener Nutzen der besten Alternative
zur getroffenen Auswahlentscheidung.
Effizienz und Effektivität
 Ein ökonomisches Entscheidungsproblem ist dann effizient gelöst, wenn alle
Ressourcen so eingesetzt sind, dass eine Steigerung des Ergebnisses nicht mehr
möglich ist (Produktionseffizienz) und dieses Produktionsergebnis zugleich den
Bedürfnissen der Nachfrager bestmöglich entspricht (Tauscheffzienz).
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 Der Begriff der Effektivität bezieht sich auf den Grad der Zielerreichung (insbesondere durch Planung)  Effizienz bedeutet nicht immer auch Effektivität: Ein
ökonomisches Problem mag zwar effizient gelöst sein, wenn mit gegebenen
Ressourcen das bestmögliche Ergebnis erzielt wird, es muss aber nicht gleichzeitig
auch effektiv gelöst worden sein: Nämlich dann, wenn das eigentliche Ziel mehr oder
weniger weit verfehlt wurde.
„Versunkene“ Kosten
 Darunter versteht man Opportunitätskosten, die eine vergangene Alternative
betreffen. Entscheidungen beziehen sich auf die im jeweiligen Moment verfügbaren
Alternativen. Versunkene Kosten sind also derjenige Nutzenentgang, der mit einer
länger andauernden Handlung verbunden ist.
 Bsp. Urlaub und Storno: Sie haben im März (Frühbucherbonus!) einen Urlaub für 1.
bis 15. August an der Adria (Hotel in der 2. Reihe, nicht direkt am Meer) um 1000
Euro gebucht und bezahlt. Stornieren Sie den Urlaub nach dem 1. Juli, werden Ihnen
800 Euro rückerstattet, die restlichen 200 Euro sind Stornogebühr.
Am 22. Juli erfahren Sie von einem Last-Minute-Angebot zur von Ihnen gebuchten
Zeit am gleichen Ort um 800 Euro in einem Hotel der gleichen Kategorie direkt am
Meer. Ändert das etwas an Ihrer Entscheidung?
Variante 2: Sie hören von einem anderen Last-Minute-Angebot zur von Ihnen
gebuchten Zeit am gleichen Ort um 600 Euro in einem Hotel der ursprünglich
gebuchten Kategorie in der 2. Reihe am Meer. Ändert das etwas an Ihrer
Entscheidung?
1.3. Wirtschaftliche Akteure, Arbeitsteilung und Tausch
Unternehmen
 Fragen Produktionsfaktoren (Inputs) nach: Arbeit, Kapital, Boden; Technologie.
 Produzieren Waren und Dienstleistungen (Outputs): Zwischen- und Endprodukte.
 Endprodukte wiederum können Konsumgüter- und Investitionsgüter sein; Investitionsgüter werden im Produktionsprozess eingesetzt.
Haushalte
 Bieten Produktionsfaktoren an, erzielen Einkommen, das sie zum Konsumieren und
Sparen verwenden.
 Unterscheidung Konsumgut – Investitionsgut hängt u.a. von der Verwendung ab.
Bsp.: Ist ein Automobil ein Konsumgut oder ein Investitionsgut?
Staat
 Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände), andere
Einrichtungen öffentlichen Rechts, insbes. Kammern und Sozialversicherungen.
 Befriedigung kollektiver Bedürfnisse durch Angebot öffentlicher Güter, Setzung von
Rahmenbedingungen für das Wirtschaften (Ordnungspolitik), Eingriffe in den
Wirtschaftsprozess (Ablaufpolitik).
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Arbeitsteilung
 Andere Menschen sind nicht nur Ressourcenkonkurrenten, sondern ermöglichen es
uns auch, mehr Güter zu produzieren und Güter zu produzieren, die wir selbst nicht
herstellen können. Wirtschaften ist in die Gesellschaft vielfältig eingebettet: Erziehung,
Moden, Gruppennormen; Zuneigung, Bewunderung, Snobismus, Anpassung, Neid.
 Das Stecknadelbeispiel (Adam Smith, 1776, An Inquiry Into the Nature and
Causes of the Wealth of Nations):
„Wenn eine nicht angelernte Person bei der Produktion von Stecknadeln alle
Arbeitsgänge bewältigen müsste, würde er an einem Tage gewiss keine 20
Stecknadeln erzeugen können. In der Praxis (1776!) wird die Stecknadelproduktion in
18 verschiedene Verrichtungen aufgeteilt: Einer zieht den Draht, ein anderer richtet
ihn, ein dritter schrotet ihn ab, ein vierter spitzt ihn zu, ein fünfter schleift ihn am
oberen Ende, damit der Kopf angesetzt werde...“ Die Produktion pro Kopf steigt bei
Arbeitsteilung auf 4800 Nadeln pro Mann und pro Tag.
 Aus der Zusammenarbeit im Produktionsprozess entwickeln sich somit verschiedene
Formen der Spezialisierung und Arbeitsteilung:
>> Produktionsteilung: Spezialisierung auf die Herstellung bestimmter Produkte
>> Funktionale Arbeitsteilung: Spezialisierung auf Teile von Produktionsprozessen.
>> Räumliche Dimension der Arbeitsteilung: regionale/internationale Arbeitsteilung
Arbeitsteilung ist aber nicht notwendig gleichbedeutend mit Spezialisierung!
Vorteile der Arbeitsteilung
 Arbeitsvereinfachung: Arbeitszeit, die jeder einzelne für die Umstellung zwischen zwei
Funktionen aufwendet, fällt weg.
Bsp. Beladen eines LKW bei einer Übersiedlung: einer bleibt im Laderaum, die
anderen schaffen die Güter herbei.
 Ausnützen von individuellen Talenten.
 Entstehen von Lerneffekten.
 Einsatz arbeitssparender Maschinen wird möglich: Ausnutzen von Größenvorteilen.
Nachteile von Arbeitsteilung
 Monotonie der Arbeit.
 Entfremdung der Arbeitnehmer vom Produkt.
 Anfälligkeit von „Monokulturen“ gegen Marktschwankung und störende außerökonomische Einflüsse.
 Tauschakte werden erforderlich: Zunehmende Komplexität
zunehmende wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeit.
und
damit
auch
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Wie weit Arbeitsteilung gehen kann – Theorem der komparativen Kosten(vorteile)
Beispiel mit 2 Gütern (Wein und Weizen) und 2 Produzenten (Huber und Maier):
Produktionskosten gemessen in Arbeitseinheiten
für 1 kg Weizen
für 1 Liter Wein
Huber
100
125
Maier
75
50
 Maier braucht sowohl zur Weizen- als auch zur Weinproduktion weniger Zeit als
Huber (Zeiteinsatz steht hier für den gesamten Faktoreinsatz). Lohnt es sich für ihn,
sich zu spezialisieren und dann mit Huber in eine Tauschbeziehung einzutreten?
 Anwendung des Opportunitätskostenbegriffs:
Opportunitätskosten der Produktion einer Einheit
für 1 kg Weizen
für 1 Liter Wein
Huber
0,8
1,25
Maier
1,5
0,67
 Huber muss also auf 0,8 Liter Wein verzichten, um 1 kg Weizen mehr zu produzieren,
Maier dagegen muss auf 1,5 Liter Wein verzichten. Maier hat zwar einen absoluten
Vorteil in beiden Produktionen, Huber aber einen komparativen Vorteil (relativen
Vorteil) in der Weizenproduktion. Kommt es zur Arbeitsteilung und welches
Spezialisierungsmuster ist zu erwarten?
 Das Konzept der komparativen Kostenvorteile wird auch auf den internationalen
Handel übertragen: Außenhandel entsteht immer dann, wenn die Preisrelationen
zwischen zwei Gütern über Länder hinweg differieren.
 Vorsicht vor der Verallgemeinerung der Schlussfolgerung, dass Arbeitsteiligkeit
bei Vorliegen komparativer Vorteile immer für alle Beteiligten vorteilhaft ist. Diese
Schlussfolgerung muss u.a. dann nicht zutreffen, wenn Maier in der Weinproduktion
subventioniert wird oder wenn in der Produktion „Größenvorteile“ gegeben sind.
1.4. Geld als Tauschmittel und Recheneinheit
Naturaltauschwirtschaft
 Zwei Personen tauschen ihre Güter, wenn beide das Gut des jeweils anderen höher
schätzen als das eigene.
 Doppelte Übereinstimmung der Wünsche ist erforderlich: Der Weizenanbieter/ Weinnachfrager muss einen Weizenkonsumenten finden, der zugleich Weinproduzent ist.
 Die beiden Tauschpartner müssen sich über die Tauschrelationen einigen (wie viel
Wein für ein Kilogramm Weizen).
 Diese Form der Tauschwirtschaft ist umständlich und bindet viele Ressourcen: Man
tauscht oftmals Güter ein, die man vielleicht einmal später für etwas weitertauschen
will, was man dann wirklich benötigt.
 Die Vorteile von Spezialisierung und Arbeitsteilung können daher nur genützt werden,
wenn ein anerkanntes Tauschmedium ("Geld") vorhanden ist.
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Geldwirtschaft
 Der Tausch erfolgt nunmehr Ware gegen Geld und Geld gegen Ware  Geld als
„Intermediär“
 Die Preisrelationen zwischen den Waren werden in Geldwert beschrieben.
 Aus dem Zusammenhang zwischen Produktion, Arbeitsteilung und Tausch ergeben
sich damit die Geldfunktionen als Tauschmittel und Recheneinheit.
Geld kann seine Funktionen nur erfüllen, wenn es ein allgemein anerkanntes
Zahlungsmittel ist
 „Geld“ in Form der Landeswährung ist zwar in der Regel das „gesetzliche Zahlungsmittel“. Wichtig ist aber vor allem die allgemeine Anerkennung als Zahlungsmittel,
denn Geld hat nur einen Wert, wenn es von jedermann in Zahlung genommen wird.
 Allgemein anerkannt wird Geld als Zahlungsmittel aber nur, wenn es wertbeständig
ist. Daher ist die Sicherung der Stabilität des Geldwertes ein wichtiges Ziel der Wirtschaftspolitik. Wenn der Wert des Geldes nicht gesichert erscheint, verliert es seine
Funktionen!
1.5. Geld als Wertaufbewahrungsmittel (?)
 Sparen heißt: Das Geldvermögen wird jemandem anvertraut, von dem man glaubt,
dass er pünktlich Zinsen zahlt und am Ende der Laufzeit des Kredits die ganze
geborgte Summe zurückgibt  Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes. Mögliche
Sparmotive: Ansparen für künftige Anschaffungen, Vorsorge, Vermögensaufbau,
Gewohnheit, etc.  Bildung von Geldvermögen, das erst in der Zukunft und nicht
schon heute für Konsum verwendet werden soll: ein verbrieftes Anrecht auf
zukünftige, noch nicht existierende Güter
 Die Sparer glauben, dass eine Rückzahlung ihres verliehenen Einkommens in Zukunft
erfolgen wird („Gläubiger“).  künftige Leistungsfähigkeit des Kapitalstocks und der
Fähigkeit der Schuldner, mit diesem Kapitalstock Güter zu erzeugen ist entscheidend!
 Wenn die Sparer oder die Vermittler des Kredits – die Banken – die Fähigkeit der
Schuldner, künftig Einkommen zu erzielen, überschätzt haben, oder Kredite ohne
realistische Abwägung vergeben werden, ob die Schuldner die eingegangenen
Verpflichtungen künftig überhaupt erfüllen können, sinkt der Wert der Ersparnisse (die
Kaufkraft des aufbewahrten Geldes):
Wenn bankrotte Schuldner ihre Kredite in Konsumgüter gesteckt haben, wird der
Sparer später nichts mehr in der Hand haben.
Haben die Schuldner für das geliehene Geld langlebige Konsum- oder Investitionsgüter gekauft, bleibt den Gläubigern immerhin die Verwertung dieser Güter.
Wenn aber viele Schuldner gleichzeitig insolvent werden, bieten viele Sparer
gleichzeitig die ihnen verbliebenen Maschinen, Grundstücke oder Häuser zum
Verkauf an, um wieder an ihr Geld zu kommen: Das senkt den mit diesen Gütern
erzielbaren Preis, also den Wert der Ersparnisse.
 Spannungen zwischen Schuldnern und Gläubigern verschärfen sich in einem
konjunkturellen Abschwung: Kreditnehmer sind aufgrund des schlechteren
Geschäftsgangs nicht in der Lage, die Kredite zu bedienen.
 Die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes ist somit nicht gesichert.
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2. Methodische Grundlagen und Aufgaben der VWL
2.1. Einordnung in die Wissenschaftssystematik
 Methodisches Vorgehen und Aufgaben der Volkswirtschaftslehre: Beschreibung,
Erklärung, Beratung bei der Steuerung und Prognose des Wirtschaftsprozesses.
 Wirtschaftstheorie: Bildet Systeme von nicht an Raum und Zeit gebundenen,
generellen Aussagen ("Gesetze"). Grundfrage. Zuweisung von Produktionsfaktoren auf alternative Verwendungszwecke (=“Allokation der Ressourcen“).
 Theorie der Wirtschaftspolitik: Analysiert Ziele und Mittel der Wirtschaftspolitik,
entwirft Regeln für wirtschaftliches Handeln, berät bei der Steuerung des
Wirtschaftsprozesses. Grundfragen: Stabilisierung des Wirtschaftsablaufs, Verteilung
des Produktionsertrags/Einkommens/Vermögens
 Finanzwissenschaft: Untersucht die Rolle des Staates im Wirtschaftsprozess;
beschäftigt sich im deutschen Sprachraum aber vorwiegend mit dem Staat als
„Fiskus“.
 Wirtschaftsgeschichte: Formuliert raum- und zeitbezogene singuläre Aussagen.
 Dogmengeschichte: Ansichten und Erkenntnisse früherer Ökonomen haben ihren
Ursprung in aktuellen Anlässen.
Bsp: Aus den Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre entstand der
„Keynesianismus“; wichtige Grundlage bei der Bewältigung der Wirtschafts- und
Finanzmarktkrise 2008/09
 Betriebswirtschaftslehre: Analysiert unternehmerische Entscheidungen.
 Nachbarwissenschaften stehen in einem interdependenten Zusammenhang mit der
VWL: Politik-, Rechts- und historische Wissenschaft, Soziologie, Psychologie.

Hilfswissenschaften: Stellen einen Teil der formalen Methoden zur Verfügung, wie
z.B. Mathematik und Statistik.
2.2. Beschreibung des Wirtschaftsprozesses
 Der Wirtschaftsprozess ist so vielschichtig, dass es praktisch unbegrenzt viele
Möglichkeiten der Beschreibung und Registrierung von Ergebnissen gibt.
Beschreibung setzt ein, wenn Erscheinungen als theoretisches oder soziales Problem
empfunden werden.
 Was dabei im Einzelnen registriert werden soll kann wiederum nicht ohne
Vorstellungen über die Bedeutung der einzelnen Phänomene für die zu untersuchenden Zusammenhänge entschieden werden: "Beobachtung ist stets Beobachtung
im Lichte von Theorien" (Karl Popper).
 Diese Beobachtung ist eine Singularaussage, sie bezieht sich auf ein einmaliges, in
Raum und Zeit lokalisiertes Ereignis.
Bsp.: Das Einkommen der Familie Maier ist gestiegen, und die Maiers haben ihre
Konsumgüternachfrage erhöht.
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2.3. Erklärung des Wirtschaftsprozesses
Aufstellen einer Hypothese
 Definitionen zur Sprachregelung (Definitionsgleichungen):
Bsp.: Haushalte sind Wirtschaftseinheiten, die Produktionsfaktoren anbieten, Konsumgüter nachfragen und sparen, Unternehmen fragen Produktionsfaktoren nach,
produzieren und investieren.
 Definitionen werden zueinander in Beziehung gesetzt: Identitätsgleichungen.
Bsp.: Die Summe aus Konsum und Ersparnis ist identisch gleich dem Einkommen der
Haushalte.
 Generelle Aussage = "Gesetzesaussage“ (wenn-dann-Aussage) zwischen Ursache
und Folgen von menschlichem Verhalten  Verhaltensgleichungen:
Bsp.: c = f(y) bedeutet, dass sich c (Konsum) infolge von Änderungen von y ändert
(Einkommen) ändert.
 Generelle Aussagen über wirtschaftliches Durchschnittsverhalten können gemacht
werden auf der Basis von Regelmäßigkeiten des menschlichen Verhaltens, die grundsätzlich an der Realität überprüfbar sind. Dies ist insbesondere bei
„Normalverteilung“ der Fall, wenn die Anzahl der extremen Abweichungen nach
oben und unten einander aufheben.
Bsp.: Wenn unter sonst gleichen Rahmenbedingungen das Einkommen y steigt,
dann... nimmt auch die Konsumnachfrage nach Gütern und Dienstleistungen zu.
Bsp.: Wenn Haushalte um 100 Euro mehr Monats-Nettoeinkommen erhalten, dann...
geben sie im Durchschnitt 93,-- davon für zusätzlichen Konsum aus – manche mehr,
andere weniger).
 Die Gesetze des Durchschnittsverhaltens gelten nur eingeschränkt bei NichtNormalverteilung.
Bsp.: Die individuellen Begabungen in der Bevölkerung sind vermutlich normalverteilt;
wie sind die Einkommen verteilt?
Ableitung einer (wirtschaftswissenschaftlichen) Theorie
 Eine Theorie ist ein Satz von Hypothesen im Rahmen eines Erklärungszusammenhangs. Bsp.:
(1) Wenn das Einkommen steigt, dann steigt die Konsumnachfrage.
(2) Auf einen Einkommensrückgang, der nur für kurze Zeit erwartet wird, reagieren
die Haushalte nur mit einem geringen Rückgang der Konsumnachfrage.
 Festlegen der institutionellen, sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen, unter denen die Theorieaussage gelten soll. Häufig werden die ökonomischen
Bedingungen sehr eng gezogen: alle übrigen, im Rahmen der Theorie nicht betrachteten Variablen (Nebenvariablen), sollen unverändert bleiben (ceteris paribusAnnahme).
Bsp.: In unserer Konsumtheorie wird u.a. stillschweigend angenommen, dass... sich
Preise und Zinssätze nicht ändern.
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 Die Bewegungen der ERKLÄRENDEN VARIABLEN ("Bestimmungsfaktoren")
werden beschrieben und das zu erklärende Ereignis wird aus den
Bestimmungsfaktoren und den Hypothesen abgeleitet.
Bsp.: Wenn das Monatseinkommen eines Haushaltes von 2.000 auf 2.500 Euro steigt,
dann steigen im Durchschnitt die monatlichen Konsumausgaben um … Euro.
 Die Bestimmungsfaktoren hängen ihrerseits wieder von anderen Faktoren ab
(infiniter Regress). Jede Erklärung eines Ereignisses ist daher eine Teilerklärung: An
irgendeiner Stelle wird der Regress abgebrochen, gewisse Bestimmungsfaktoren
werden nicht mehr erklärt, sondern als exogene oder unabhängige Variable
bezeichnet, die man mit der Theorie nicht erklären will. Endogene (abhängige)
Variable will man durch die Hypothese bzw. Theorie erklären.
 Variablen, die in einem Erklärungszusammenhang exogen sind, können in
einem anderen endogen sein.
Bsp: Bei der Erklärung der Höhe der Konsumausgaben ist das Einkommen eine
exogene Variable. Es ist nämlich in anderem Zusammenhang eine endogene
Variable, nämlich wenn man die Einkommenshöhe von Individuen aus ihren jeweiligen
Eigenschaften heraus erklären will. Also: Qualifikation, Schulbildung, Dienstalter,
Lebensalter, Geschlecht, Branche können hier exogene Variable sein.
 Das "Anwendungsproblem": Üben tatsächlich nur die in der Theorie berücksichtigten exogenen Variablen einen Einfluss auf die endogene Variable aus oder sind
noch andere Variable aufzunehmen? Bleiben die Rahmenbedingungen wirklich
unverändert?
Bsp.: Ändert sich der Geschmack, die Vorliebe etc? Bleiben die Zinsen tatsächlich
unverändert?
Theorieüberprüfung I: Überprüfung der logischen Konsistenz (Freiheit von inneren
Widersprüchen): theorieimmanente Kritik.
Theorieüberprüfung II: empirische Überprüfung an der Realität.
 Lassen sich die Theorieaussagen mit den beobachteten Tatsachen vereinbaren, so
gilt die Theorie als vorläufig akzeptiert, sonst als falsifiziert.
 Beweisen oder widerlegen ist mit 100%-iger Sicherheit nicht möglich: Es sind immer
neue Situationen denkbar, in denen ursprünglich akzeptierte Hypothesen durch neue
Beobachtungen falsifiziert werden und in denen ursprünglich abgelehnte Hypothesen
sich als akzeptabel erweisen.
Streitpunkt: Deduktive oder induktive Vorgangsweise?
 Historische Schule Ende des 19.Jhdt.: nur aus der Detailkenntnis historischer Situationen lassen sich ökonomische Erkenntnisse ableiten  Induktion.
 Reine Modelltheorie: Grundannahmen (Axiome), aus denen logische Schlussfolgerungen abgeleitet werden  Deduktion.
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2.4. Einschub: Werturteile in der Ökonomie
Werturteilsproblematik – "Objektivität"
 Wirtschaftswissenschaftliche Forschungen und ihre Veröffentlichung können gesellschaftliche Werthaltungen beeinflussen und verändern.
 Ein subjektives Element kann in keiner Wissenschaft ausgeschaltet werden.
 Auswahl des Untersuchungsgegenstandes ist ein implizites Werturteil. Z.B. Boom der
Wachstumstheorie: Wachstumsfragen stehen im Vordergrund.
 Interessengebundenheit von Forschern, Abhängigkeit von der Finanzierung.
 (Wirtschafts-)Wissenschaftler sollen ihre Wertvorstellungen und Abhängigkeiten von
Finanziers offen legen.
Werthaltungen und Fachsprache
 Laxer Umgang mit Begriffen: begünstigt dadurch, dass man auf genaue Messung
der Variablen oftmals verzichtete.
 Alltagssprache ist kein neutrales Kommunikationsmittel, Begriffe sind
werthaltig. Mit ihr werden Sachverhalte nicht nur benannt, sondern gleichzeitig
bewertet. Das ist in der Ökonomie besonders problematisch, weil die Sachverhalte
von den am Wirtschaftsprozess beteiligten Wirtschaftssubjekten ihrerseits in
verschiedenster Weise bewertet werden. Es bedeutet einen Missbrauch der
wissenschaftlichen Kompetenz, dem Adressaten der Analyse schon durch die
Wortwahl nahe zu legen, welche Schlüsse er ziehen oder wie er sich verhalten soll.
Bsp: Welche Werte suggerieren die folgenden Begriffe?
 „Vollkommene“ Konkurrenz, "freie" Marktwirtschaft
 „Defizit“ – Es wird signalisiert, dass etwas fehlt. Wird dieser Zustand verbessert, wenn
es beseitigt wird?
2.5. Beratung bei der Steuerung des Wirtschaftsprozesses:
Wirtschaftspolitische Zielbestimmung
 Identifikation von wirtschaftspolitischen Zielen: z.B. "Vollbeschäftigung"
 Operationalisierung von Zielen (Indikatorenfindung): z.B. Arbeitslosenquote.
 Festlegung von Zielwerten der Indikatoren: Welcher Prozentsatz von Arbeitslosenquote kann noch als "Vollbeschäftigung" bezeichnet werden?
 Aufzeigen und Analyse von Zusammenhängen zwischen Zielbereichen.
Entwicklung und Einsatz von Instrumenten
 Institutionen: Träger der Wirtschaftspolitik – wer macht Wirtschaftspolitik, wer ist
zuständig?  Verfassungsrechtliche Fragen
 Instrumente der Wirtschaftspolitik – welche Instrumente stehen zur Verfügung und wie
werden sie rechtlich ausgestaltet?  Rechtliche Ausgestaltung von wirtschaftspolitischen Instrumenten.
 Analyse des Zusammenhangs von Zielen und Mitteln
Das Werturteilsproblem ist in der Wirtschaftspolitik von besonderer Relevanz, vor
allem bei der Zielfindung, Zielgewichtung und Instrumentenwahl.
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2.6. Prognose des Wirtschaftsprozesses
Kontrollierte Laborexperimente
 Bedingungen konstant halten;
 beliebig viele Wiederholungen unter gleichen Bedingungen;
 Variation nur jeweils eines Faktors.
Rückgriff auf historische Erfahrungen
 Historiker befassen sich mit raum- und zeitspezifischen Zusammenhängen und interpretieren sie entsprechend den jeweiligen geschichtlichen Bedingungskonstellationen.
 Soll der Ökonom den heroischen Schritt wagen, aus der Geschichte Aussagen über
die Zukunft abzuleiten? Grenzen zeigen sich insbesondere dort, wo historische
Erfahrungen fehlen (Bsp.: politische und Systemtransformation in Osteuropa).
Modellprognosen
 Ein Modell ist ein stark vereinfachtes Abbild der Wirklichkeit (ein 1:1- Modell wäre ja
sinnlos) und beruht auf:
 Verhaltensannahmen sind zu treffen, insbesondere gestützt auf wirtschaftliches Verhalten, wie es in der Vergangenheit auch schon zu beobachten war (z.B. ökonomisches Rationalprinzip, Nutzenmaximierung, Gewinnmaximierung; Urlaubsverhalten),
unter der Prämisse, dass diese Verhaltensweisen auch in der Zukunft gelten werden.
 Annahmen über künftig eintretende Bedingungskonstellationen: Bei Prognosen
handelt es sich um bedingte Vorhersagen (Unterschied zur Prophezeiung, die eine
unbedingte Vorhersage darstellt): Ceteris paribus Annahme über Nebenvariablen
(die ja gar nicht alle bekannt sein müssen!) und Annahmen über bestimmte zukünftige
Werte von exogenen Variablen.
Besondere Prognosekonstellationen
 Wenn die exogenen Variablen mit einer Verzögerung auf die endogenen wirken,
kann aus einer heute beobachtbaren Veränderung der exogenen Größe auf die
zukünftige Änderung der endogenen Größe geschlossen werden.
 Wenn exogene Variable zugleich wirtschaftspolitische Instrumentvariable sind:
Instrumentvariable = durch ihre Änderung können wirtschaftspolitische Instanzen
(Regierung, Notenbank) in den Wirtschaftsablauf steuernd eingreifen. Alternative
Annahmen über die Parameterwerte der Instrumentvariablen ermöglichen die
Simulation verschiedener Szenarien wirtschaftspolitischer Steuerungsmaßnahmen.
Eigendynamik von Wirtschaftsprognosen
 Durch die Abgabe der Prognose wird der Wirtschaftsablauf
(also das zu
prognostizierende Ereignis selbst) beeinflusst. Im Gegensatz zur Wetterprognose, die
den Wetterablauf nicht beeinflusst!!
 Sich selbst erfüllende Prognosen („self-fulfilling“): Prognose und Realisierung
stimmen überein. Das prognostizierte Ergebnis tritt aber ausschließlich aufgrund der
Prognose ein, es wäre ohne Prognose nicht eingetreten. Bsp. Börse.
 Sich selbst zerstörende Prognosen („self-destroying“): Prognose und Realisierung
stimmen nicht überein. Durch die Abgabe der Prognose werden Verhaltensänderungen veranlasst, die bewirkten, dass das prognostizierte Ereignis nicht eintritt.
Bsp. Eine ungünstige Arbeitsmarktprognose führt zu Gegenmaßnahmen.
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3. Wirtschaftssysteme im Überblick
Jedes Wirtschaftssystem hat drei grundlegende Fragen zu beantworten: Was, wie, für
wen wird produziert?
3.1. Zentralverwaltungswirtschaft
Hauptcharakteristikum: Hierarchische Autoritätsstruktur
 Maximale Ausnutzung von Ressourcen und Produktionskapazitäten: Rationierung =
administrative Zuteilung von Gütern, Arbeitskräften etc. in physischen Einheiten.
 Alle Entscheidungen müssen grundsätzlich auf höchster Ebene getroffen werden,
auch alle Konflikte müssen dort gelöst werden. Nur vertikale Kommunikation
basierend auf der vertikalen Anordnungsbefugnis findet statt: Absolute und oft
willkürliche Steuerung und Kontrolle durch die übergeordnete Instanz.
 Starre, höchst zentralisierte Planung von Produktion und Konsum (keine Freiheit
der Konsumenten: Planbehörde bestimmt, was produziert wird).
 Umfassende Preiskontrolle, die oftmals in multiplen Preisen resultiert
(verschiedene Preise für ein Gut je nach Verwendungszweck) und widersprüchliche
Preise (Löhne für Ärzte sind niedriger als für Fabrikarbeiter).
Systemschwäche: Ineffiziente Anreizstruktur
 Kein Privateigentum an Produktionsmitteln, keine freie Berufswahl; daher auch
kein Interesse an effizientem Einsatz;
 Kaum leistungsabhängige Entlohnung, oft sind die Anreize ineffizient gesetzt,
Planerfüllung führt zur „Tonnenideologie“: Es werden die vorgeschriebenen Mengen
produziert, ohne auf die Qualität zu achten.
 Selbst wenn den Beschäftigten finanzielle Anreize geboten werden, sind sie oft
nicht wirksam, wenn es die gewünschten Konsumgüter nicht gibt, weil die
Planbehörde ihre Produktion nicht vorgesehen hat.
 Kein Wettbewerb in der Industriegüterproduktion, große „Kombinate“ haben faktisch
eine Monopolstellung: erleichtert die Planung, aber es gibt keinen Wettbewerbsdruck,
von dem Anreize zur Steigerung der Produktqualität, Senkung der Kosten und
Förderung des technischen Fortschritts ausgehen.
 Es entstehen Koordinationsprobleme, denn es gibt keine Anreize zur Koordination.
 Innovationshemmendes System: Innovationen bergen technische und wirtschaftliche Risiken, aber keine Gewinnchancen. Dazu kommt das Risiko, den Plan nicht zu
erfüllen. Weiters sind Planänderungen erforderlich, weil Vormaterialbedarf oder
Zulieferverflechtungen sich ändern.
 Es bestehen Anreize zur Hortung von Ressourcen (Arbeitskräfte, Materialien), da
dies die Planerfüllung erleichtert.
Systemschwäche: Informationsbedarf und –verarbeitung, Bürokratie, Machtzusammenballung
 Aufgrund der begrenzten Informationsverarbeitungskapazität ist eine zentrale Planung
nur auf relativ hohem Aggregationsniveau möglich. In der Befehlskette nach unten
werden diese Plangrößen aber wieder mehr oder weniger willkürlich disaggregiert.
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 „Markt“-Informationen führen bei den Produzenten zu keinen unmittelbaren Reaktionen, sondern werden an die übergeordnete Stelle weitergereicht; sie kommen beim
zentralen Planer in hoch aggregierter Form und erst mit großer Verzögerung an.
Durch die Informations- und Befehlshierarchie entstehen daher große Verzögerungen
in der Informationsverarbeitung, was flexible Anpassungen an geänderte
Konsumentenwünsche fast unmöglich macht.
 Die Produktionseinheiten haben ein Interesse, ihre wahren Kapazitäten zu
verschleiern, weil sie die Anstrengungen minimieren wollen. Das gelingt, denn der
zentrale Planer ist „weit weg“: Im Laufe der Zeit entstand ein Planungssystem, das auf
Verhandlungen zwischen Planbehörde und Produktionsbetrieb beruht, in denen die
Befehle an die produzierenden Einheiten von diesen selbst (mit)formuliert werden.
 Je größer und differenzierter die Planungsanstrengungen, desto größer ist auch der
Ressourcenbedarf für die zentrale Planung.
Einige Aspekte des Übergangs von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft
(„Systemtransformation“):
 Eine „Nomenklatura“ hatte sich im alten System gebildet: Hier liefen die Informationen
und damit die Macht zusammen. Teile davon wurden aufgrund ihres Informationsvorsprungs über den Zustand der Unternehmen zu Hauptgewinnern der
Transformation insbesondere im Zuge von Privatisierungen.
 Der Übergang von staatlich festgesetzten Preisen zu Marktpreisen erwies sich als
schwierig und führte zu kaum beantwortbaren Fragen der Unternehmensbewertung im
Privatisierungsprozess, zu Hyper-Inflation und damit zur Verarmung großer Teile der
Bevölkerung (insbesondere der Pensionisten).
 Ineffizienzen des Wirtschaftssystem wurden sichtbar: Das führte nach dem Systemwechsel für einige Jahre sogar zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung in den
Transformationsländern!
 Rechtliche Unsicherheit und mangelnde Durchsetzung des Rechts, insbesondere von
Eigentumsrechten, durch Justiz und Sicherheitsexekutive. Mangelnde demokratische
Kontrolle dieser Einrichtungen, Korruption infolge schlechter Bezahlung und von
„Seilschaften“ aus der Zeit des alten Systems.
 Marktwirtschaft erfordert ein anderes wirtschaftliches Denken und Handeln als
in der Planwirtschaft: das Sicherheits- und Versorgungsdenken alten Stils ist
nicht mehr erfolgreich, Risiko wird belohnt; Entsolidarisierung.
3.2. Marktwirtschaft/Kapitalismus
Was ist eigentlich „der Markt“?
 Auf dem Markt finden sich Anbieter und Nachfrager von Gütern und Dienstleistungen:
Käufer und Verkäufer wissen, wo (Ort), wann (Zeit), zu welchem Preis (Preis) sie
was (Art und Qualität des Gutes) nachfragen bzw. anbieten können.
 Ein Markt ist daher ein Organisationsmechanismus (eine Institution), der durch
Bekanntgabe einer Zeit, eines Ortes, eines Preises und der Art und Qualität des
Gutes Käufer und Verkäufer zusammenführt, die Geld gegen Gut tauschen.
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Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
 Auf einem Markt werden oft nicht Güter gegen Geld gehandelt, sondern Verfügungsrechte über Güter gegen Geld. Durch den Kauf erwirbt der Käufer das Verfügungsrecht über ein Gut – nicht notwendigerweise aber gleichzeitig das Gut an sich (wenn
ein solches überhaupt existiert: man denke z.B. nur an Markenrechte)
Märkte können beitragen, die Transaktionskosten zu senken!
 Kaufen und Verkaufen ist mit Kosten verbunden (Transaktionskosten): Die beiden
Marktparteien (Anbieter und Nachfrager) müssen zusammengeführt werden (Informationskosten), der Vollzug des Tausches kann weitere erhebliche Kosten verursachen.
 Gelingt es Wirtschaftssubjekten, die Transaktionskosten für Anbieter und/oder
Nachfrager zu senken, so können sie diese Dienstleistungen marktmäßig anbieten
 es entstehen neue Märkte.
 Werden die Transaktionskosten gesenkt, so steigert dies die Wohlfahrt in einer
Volkswirtschaft: Es müssen weniger Ressourcen für eine gegebene Zahl von
Transaktionen aufgewendet werden, und bei niedrigeren Transaktionskosten können
mehr Transaktionen abgewickelt werden. Allerdings kann es Tauschmittlern gelingen,
durch eine Monopolisierung bezüglich der Informationen oder des Transaktions-knowhows sich die reduzierten Transaktionskosten vollständig anzueignen! Der Einsatz
von neuen Informations- und Kommunikationstechnologien schafft(e) neue
Möglichkeiten zur Senkung von Transaktionskosten.
 Freiwilliger Tausch wirkt annahmegemäß stets wohlfahrtssteigernd – doch Vorsicht
vor ethischen Bewertungen: Ein funktionierender internationaler Drogenmarkt senkt
auch die Transaktionskosten der einschlägigen Anbieter und Nachfrager…
Auf dem Markt bzw. in der Marktwirtschaft herrscht Konsumentensouveränität:
 Freie Konsum- und Sparentscheidung (kein Zwangssparen wie in der durch
Mangelerscheinungen gekennzeichneten Planwirtschaft). Die Unternehmen passen
sich an die Nachfrage an, letztlich bestimmen die Konsumenten, was produziert wird.
 Wichtige Differenzierung: Auch in der Marktwirtschaft können sich die Wirtschaftssubjekte nicht alle Wünsche erfüllen (Knappheit der Ressourcen), aber innerhalb der
jeweiligen Budgetrestriktion können sie über ihr Einkommen frei verfügen.
In einer Marktwirtschaft sind die Anreize für wirtschaftliches Handeln so gesetzt,
dass Eigeninteresse und Gemeinwohl konvergieren ("unsichtbare Hand des
Marktes", Adam Smith).
 Eigeninteressen als Triebfeder des Wirtschaftens: Privateigentum an den Produktionsmitteln, freie Berufswahl und die Möglichkeit zur Entfaltung des wirtschaftlichen
Eigeninteresses (die Freiheit, Verträge abzuschließen und zu beliebigen Preisen
anzubieten und nachzufragen) sind die wichtigsten Anreize für wirtschaftliches
Handeln in einer Marktwirtschaft.
 Eigeninteresse konvergiert mit dem Gemeinwohl: Auf den Konsumgütermärkten
stehen einander Nachfrager (die Bedürfnisse befriedigen wollen) und Anbieter
gegenüber. Sind die Anbieter eigennutzorientiert, werden sie Güter produzieren, mit
denen die Nachfragerbedürfnisse befriedigt werden können. Nur dann werden sie
nämlich ihre Güter auch verkaufen und Gewinne erzielen können.
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Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
 Der Markt erfüllt für die Unternehmen eine Informationsfunktion: Kaufentscheidungen der Nachfrager übermitteln dem Produzenten unmittelbar die Information, was
auf dem Markt gewünscht wird.
 Anreizfunktion: Der Markt lenkt die Unternehmer zu den profitabelsten Nutzungsmöglichkeiten, dorthin also, wo die stärkste Nachfrage ist. Der Wettbewerb zwischen
den Unternehmen sorgt somit für die Durchsetzung der Konsumentensouveränität.
 Der Markt liefert den Anreiz für den Einsatz der effizientesten (=kostengünstigsten)
Technologie und bestimmt daher auch, welche Technologien sich durchsetzen und
in der Wirtschaft verwendet werden.
 Der Markt erfüllt eine Verteilungsfunktion: Einkommen entstehen im Produktionsprozess; die Leistungsfähigsten und Flexibelsten im Wettbewerb, diejenigen, die
„knappe“ bzw. besonders stark nachgefragte Güter anbieten, erzielen die höchsten
Einkommen.
Stärken und Schwächen des Marktmodells
 Stärken des Marktmodells sind seine Effizienz und die Dynamik der wirtschaftlichen Anpassung.
 Schwächen des Marktmodells sind die entstehende soziale Problematik (NichtMarktteilnehmer, schwache Marktakteure) und die Umweltproblematik (fehlende
oder nicht definierte Eigentumsrechte; durch rasches Wachstum von Produktion und
Konsum werden Umweltvorteile des Systems kompensiert).
 In der Realität ist das Marktmodell in „reiner“ Form nicht anzutreffen. Es gibt allerlei
Einschränkungen des Marktmodells, man spricht daher von einer gemischten
Wirtschaft.
3.3. Zur Rolle des Staates in der Marktwirtschaft
Beschränkungen des Marktzugangs
 In einer Marktwirtschaft ist ungehinderter Marktzugang für alle Wirtschaftssubjekte
vorgesehen. Es bestehen aber mannigfaltige Regulierungen, die den Marktzugang
und damit den Wettbewerb einschränken: Zertifikate, Befähigungsnachweise,
Bedarfsprüfungen.
 Auf manchen Märkten ist eine wirtschaftliche Mindestgröße für den Markteintritt
eines Unternehmens ökonomisch erforderlich; dies schränkt den Wettbewerb ein.
Markttransparenz ist nicht immer in ausreichendem Maß gegeben
 Auf Märkten für homogene Güter wäre die Transparenz theoretisch leicht zu
erreichen. Doch oft haben die Unternehmen kein Interesse an Markttransparenz
 Bei inhomogenen Gütern ist die Herstellung von Markttransparenz auf Grund von oft
nur subjektiv als solche erkennbare Qualitätsunterschiede naturgemäß schwierig.
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Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Es ist fraglich, ob die Konsumentensouveränität tatsächlich immer gegeben ist!
 Die Informationsübertragung an die Unternehmen erfolgt durch den Kaufentscheid.
Wie ist das bei neuen Gütern? Wie erfahren die Unternehmer, dass Güter
nachgefragt würden, wenn sie noch nicht angeboten werden?
 Einschränkung der Konsumentensouveränität durch Werbung? Werden durch die
Werbung neue Bedürfnisse „erzeugt“ oder werden bloß latent immer schon
vorhandene Bedürfnisse „geweckt“?
Bsp.: Die Problematik der Privatverschuldung/Privatkonkurse wurde nicht zuletzt
ausgelöst durch Bankenwerbung für günstige Kredite.
Die Zahl an Anbietern und/oder Nachfragern ist oftmals gering
 In entlegenen Regionen ist die Zahl der Anbieter gering; dies kann sowohl die Güterals auch die Faktormärkte (z.B. Arbeitsmarkt!) betreffen.
 In vielen Branchen gibt es Größenvorteile (die vielfältige Ursachen haben können),
sodass im Laufe der Zeit immer weniger Anbieter übrig bleiben. Der Wettbewerb
führt in diesen Branchen zur Marktkonzentration, was die Intensität des
Wettbewerbs dämpfen kann. Die Teilnehmerzahl ist daher ein wichtiges Kriterium zur
Beschreibung der Marktform:
vollkommene Konkurrenz
(viele A, viele N)
Nachfrageoligopol
(viele A, wenige N)
Angebotsoligopol
(wenige A, viele N)
bilaterales Oligopol
(wenige A, wenige N)
Angebotsmonopol
(ein A, viele N)
beschränktes Angebotsmonopol
(ein A, wenige N)
Nachfragemonopol
(viele A, ein N)
beschränktes N-Monopol
(wenige A, ein N)
beidseitiges Monopol
(ein A, ein N)
 Abweichungen von der „vollkommenen Konkurrenz“ sind die Regel. Das
Konzept stellt aber trotzdem eine hilfreiche gedankliche Bezugsgröße („Referenzmarkt“) dar, anhand der die Abweichungen realer Märkte analysiert werden können.
 Ziel der Wettbewerbspolitik: Aufrechterhaltung bzw. Ermöglichung eines
funktionsfähigen Wettbewerbs. Wie wichtig ist dabei die Zahl der Anbieter auf
einem Markt? In vielen Bereichen wären Unternehmen bei vollständiger Konkurrenz
wegen ihrer Kleinheit längerfristig nicht in der Lage, ausreichend hohe Gewinne zu
erzielen, um technische Neuerungen zu entwickeln und ökonomisch zu realisieren. Es
genügt ein scharfer Wettbewerb zwischen wenigen und/oder die Angst vor neu in den
Markt eintretenden Konkurrenten ("contestability": potentieller Wettbewerb). Daher
ist die Regulierung der Marktzutrittsmöglichkeiten ein zentraler Bestandteil der
Wettbewerbspolitik.
 Instrumente der Wettbewerbspolitik: Regulierung des Marktzugangs, Kartellrecht,
Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, Wettbewerbsrecht i.e.S. (UWG,
Rabatte, Ladenschluss, Gewerbeordnung), Insider-Regeln, etc.
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Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Externe Effekte
 Negative externe Effekte: Ein Teil der Produktionskosten kann ausgelagert werden
und muss nicht durch den Preis gedeckt werden. Es wird daher tendenziell „zu viel“
von diesen Gütern erzeugt: Würden nämlich alle Kosten der Produktion (private und
soziale) in die Preiskalkulationen einbezogen, würde sich die Angebotskurve nach
links oben verschieben. So aber kommt es zur Überproduktion und obendrein fallen
Beseitigungskosten an. Es entstehen soziale Kosten. Beispiel: Schadstoffemissionen
 Positive externe Effekte: Dem Produzenten wird über den Preis nicht der gesamte
Nutzen abgegolten, den er mit dem Angebot seines Gutes stiftet. Kann er über den
Preis nicht mehr die Kosten decken, so muss er seine Produktion einstellen. Damit
fallen aber auch der Nutzen weg, der bei denjenigen gestiftet wurde, die keinen Preis
für die erhaltene Leistung zahlten. Beispiel: Leistungen für Landschaftspflege, die
Landwirten nicht über den Preis abgegolten werden.
Der Marktmechanismus versagt („Marktversagen“) u.a. auch,
 wenn Eigentumsrechte fehlen, wie etwa bei „freien" Gütern (z.B. Umweltgüter): Hier
besteht die Gefahr der Übernutzung solcher Güter, weil es keinen Eigentümer gibt,
der auf den sorgsamen Umgang mit diesem Gut achtet.
 bei Gütern, von deren Nutzung niemand ausgeschlossen werden kann bzw. soll. Dies
ist insbesondere dann der Fall, wenn mit dem Angebot dieser Güter positive externe
Effekte verbunden sind. Z.B. Gerichtsbarkeit: Alle sind der gleichen Gerichtsbarkeit
unterworfen; positive externe Effekte bestehen in der Abschreckungswirkung.
 bei Großrisiken (z.B. Atomtechnologie).
Funktionen des Staates: Eingriffe in den Markt bei Marktversagen
 Verbesserung der Allokation: Wichtigste Anlassfälle für staatliches Handeln sind
unvollständiger Wettbewerb, Marktversagen aufgrund von externen Effekten.
 Gewährleistung von Einkommens- und Verteilungs-“Gerechtigkeit“: Korrektur der
Marktmechanismen und des Marktergebnisses zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit.
(Werturteilsproblem!).
 Stabilisierung des Wirtschaftsablaufs: Dämpfung der Konjunkturschwankungen,
Vermeidung von (Massen-)Arbeitslosigkeit und von (hoher) Inflation.
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Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
4. Grundlagen der Mikro- und Makroökonomie
4.1. Wozu „Mikro“ und „Makro“?
Mikroökonomie: Einzelwirtschaftliche Analyse; das Verhalten einzelner Wirtschaftssubjekte wird untersucht.
 Bsp.: Welche Faktoren beeinflussen die Konsumentscheidungen eines Haushalts?
 Bsp.: Was beeinflusst das Investitionsverhalten der Unternehmen?
Makroökonomie: Analyse gesamtwirtschaftlicher Zusammenhänge.
 Bsp.: Wie wirken sich die Konsumentscheidungen der Haushalte auf das Investitionsverhalten der Unternehmer aus?
 Bsp.: Wie wirkte der EU-Beitritt auf die Verbraucherpreise in Österreich?
Für die gesamtwirtschaftliche Analyse ist eine Aggregation erforderlich:
 Darunter versteht man die Zusammenfassung von Wirtschaftssubjekten mit gleichen
Eigenschaften zu „Aggregaten“.
 Kriterien der Aggregation sind die Gleichheit von Zielen, Instrumentvariablen, Daten
für ökonomisches Handeln und Reaktionen auf Datenänderungen.
Was „mikro“ richtig ist, muss nicht auch „makro“ richtig sein!
 zB Preis und Einkommen in der Landwirtschaft: Ein einzelner Landwirt kann sein
Einkommen steigern, indem er mehr produziert und verkauft. Wenn alle Landwirte
mehr produzieren, dann... fallen aber die Preise und möglicherweise sinkt sogar das
Einkommen der Landwirte (das hängt von der Reaktion der Konsumenten ab).
 Strategien gegen Arbeitslosigkeit: Ein einzelner Arbeitsloser kann (wieder) zu
einem Job finden, wenn er bereit ist, zu einem niedrigeren Lohn zu arbeiten als ein
derzeit Beschäftigter. Wenn sehr viele Arbeitslose so vorgehen, dann... bekommen
sie möglicherweise einen Arbeitsplatz; dafür werden aber andere Personen arbeitslos.
 Sparparadoxon: Wenn ein einzelner Haushalt mehr Ersparnisse bilden will, dann
muss er einen größeren Teil seines Einkommens sparen bzw. weniger von seinem
Einkommen für Konsumzwecke ausgeben. Wenn nun aber alle Haushalte mehr
Ersparnisse bilden wollen und daher einen größeren Teil ihres Einkommens sparen
und weniger für Konsum ausgeben, dann... geht die Nachfrage nach Konsumgütern
zurück. Die Güterproduktion geht ebenfalls zurück, es werden weniger Arbeitskräfte
benötigt, das Einkommen in der gesamten Volkswirtschaft sinkt. Von diesem
niedrigeren Volkseinkommen wird dann zwar ein größerer Teil gespart, in Summe sind
die Ersparnisse aber nicht gestiegen oder sogar gesunken.
Seite 18
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
4.2. Nachfrage und Angebot
Haushaltsnachfrage
Bestimmungsfaktoren der Haushaltsnachfrage
 Bedürfnisstruktur und Nutzeneinschätzung („Präferenzen“).
 Preis des Gutes.
 Höhe des Einkommens: Inferiore Güter, Sättigungsgüter, superiore Güter.
 Preise anderer Güter: Komplementär- und Substitutionsgüter.
 Zinssatz: Wichtig für die Nachfrage nach dauerhaften Konsumgütern; er ist
insbesondere wichtig für die Sparstruktur, während die Höhe der Ersparnisse im
Wesentlichen durch das Einkommen bestimmt wird.
 Vermögensbestand.
Zusätzliche Determinanten der Marktnachfrage

Die Marktnachfrage erhält man durch Aggregation der einzelnen Haushaltsnachfragen beim jeweiligen Preis.

Vermögensverteilung und Einkommensverteilung.

Bevölkerungsstruktur (u.a. Altersstruktur, Haushaltsgröße).
Marktnachfrage: Preis und Nachfragemenge
Preis
N1
N0
P
Q0N
Q1N
Nachfragemenge
4
 Die
Nachfragefunktion No stellt den Zusammenhang zwischen dem Preis eines Gutes
© Walter Scherrer
University of Salzburg, 2005
und
der während eines bestimmten Zeitraums geplanten Nachfragemenge dar (Zahlungsbereitschaft). Bei der Präferenzstruktur No planen die Haushalte beim Preis P
eine Nachfragemenge in der Höhe von QoN. Ändert sich der Preis, so ändert sich
die nachgefragte Menge entlang der Linie No: Bei einem höheren Preis als P sinkt
die Nachfrage entlang der Linie No, bei einem niedrigeren Preis steigt sie entlang No.
Eine Situation, in der die Nachfrage auf Preisänderungen nicht reagiert (zB aufgrund
hoher Bedürfnisdringlichkeit oder Fehlens wahrgenommener Substitutionsmöglichkeiten), wird durch eine vertikale Nachfragefunktion dargestellt.
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Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Ändert sich hingegen ein anderer Einflussfaktor als der Preis, so ändert sich die Lage
der Nachfragefunktion (Verschiebung der Funktion von No zu N1). Die Nachfrager
planen nunmehr, beim gleichen Preis P die Menge Q1N nachzufragen.
Produktion und Investition
 Produktion ist die Kombination von Inputs (Produktionsfaktoren) zu Outputs (Ertragphysisch, Erlös-monetär) unter Benutzung einer Produktionstechnologie.
 Produktion bedeutet, sich unter Einsatz von Zeit, Mühe und Rohstoffen sowie unter
Herauszögerung des unmittelbaren Konsumwunsches später größere Mengen von
Konsumgütern zu verschaffen.
Investition
 Sachkapitalinvestitionen (=Anschaffung von dauerhaften Produktionsgütern):
Anlageinvestitionen (=Ausrüstungs- und Bauinvestitionen) und Lagerinvestitionen;
Finanzinvestitionen; Humankapitalinvestitionen (Ausbildungsinvestitionen).
 Konsumverzicht!
Brutto- und Nettoinvestition, Kapitalbildung
 Erweiterungsinvestition: Erweitert den Kapitalbestand und damit die Produktionskapazität  Kapitalbildung während eines Zeitraums („Nettoinvestition“)
 Kapitalbestand am Jahresanfang + Nettoinvestition während des Jahres =
Kapitalbestand am Jahresende
Kapitalbestand  „Bestandsgröße“ (Bestand zu einem bestimmten Zeitpunkt)
Investition  „Stromgröße“ (bezogen auf einen Zeitraum)
 Absetzung für Abnutzung (AfA, „Abschreibung“): Wertminderung eines Kapitalgutes in einem bestimmten Zeitraum (meist 1 Jahr) aufgrund der Nutzung im
Produktionsprozess.
 Ersatzinvestition: Investition zum Ausgleich der Abschreibung  Investition zum
Ersetzen eines aus dem Produktionsprozess ausscheidenden Kapitalguts.
 Bruttoinvestition = Ersatzinvestition + Erweiterungsinvestition
 Bruttoinvestition = Abschreibung + Nettoinvestition
 Nettoinvestition = Bruttoinvestition – Abschreibung
Wenn Bruttoinvestition = 0
 Nettoinvestition = – AfA
Wenn Bruttoinvestition < AfA
 Nettoinvestition < 0
Wenn Bruttoinvestition = AfA
 Nettoinvestition = 0
Wenn Bruttoinvestition > AfA
 Nettoinvestition > 0
Bestimmungsfaktoren der Investitionstätigkeit
 Aktuelle Gewinne (Einflussfaktor: Steuerrecht) und erwartete Gewinne (Einflussfaktoren: Marktchancen; Risikoeinschätzung und -bereitschaft).
 Technischer Fortschritt: Innovationstätigkeit (Risikobereitschaft) oder Nachziehen
mit der Konkurrenz („Notwendigkeit zur Investition“).
Innovationstypen: neues Produkt, neuer Produktionsprozess, neuer Werkstoff,
neuer Markt, neues Organisationsmodell.
 Re-Investitionszyklus: wenn alte Anlagen abgeschrieben sind.
 Zinssatz: direkter Einfluss (Kapitalkosten) & indirekter Einfluss (Opportunitätskosten)
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Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Unternehmensangebot
Bestimmungsfaktoren des Unternehmensangebots
 Preis des Gutes: Schranne um 12 Uhr; Lagerfähigkeit
 Preise der übrigen Güter (Anreizfunktion!)
 Preise der Produktionsfaktoren
 Ziele des Anbieters (Gewinn; Umsatz; Marktanteil; Unternehmensgröße)
 Produktionstechnologie
Graphische Darstellung des Unternehmensangebots im Preis-Mengen-Diagramm
 Die Angebotsfunktion Ao stellt den Zusammenhang zwischen dem Preis eines Gutes
und der während eines bestimmten Zeitraums von den Unternehmen geplanten
Angebotsmenge dar (Angebotsbereitschaft). Bei der Technologie und
Kostenstruktur Ao planen die Unternehmen beim Preis P eine Angebotsmenge in der
Höhe von QoA. Ändert sich der Preis, so ändert sich die Angebotsmenge entlang
der Linie Ao: Bei einem höheren Preis als P steigt das Angebot entlang der Linie Ao,
bei einem niedrigeren Preis geht es entlang dieser Linie zurück.
Marktangebot: Preis und Angebotsmenge
Preis
A1
A0
P
Q0A
Q1A
Angebotsmenge
6
© Walter Scherrer
University of Salzburg, 2005
 Ändert sich hingegen ein anderer Einflussfaktor als der Preis, so ändert sich die Lage
der Angebotsfunktion (Verschiebung der Funktion von Ao zu A1). Die Unternehmen
planen nunmehr, beim gleichen Preis P die Menge Q1A anzubieten.
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Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
4.3. Marktgleichgewicht
Gleichgewicht auf einem Markt bedeutet:
 Pläne der Anbieter (Angebotsbereitschaft; symbolisiert durch die Angebotsfunktion)
und die Pläne der Nachfrager (Zahlungsbereitschaft; symbolisiert durch die
Nachfragefunktion) stimmen überein.
 Marktgleichgewicht ist beim Gleichgewichtspreis P* erreicht: Jeder Anbieter kann
sein bei diesem Preis geplantes Angebot absetzen, und jeder Nachfrager kann seine
bei diesem Preis geplante Nachfrage auch realisieren („Markträumungsfunktion“
des Gleichgewichtspreises). Die beim Gleichgewichtspreis abgesetzte Menge Q* wird
als „Gleichgewichtsmenge“ bezeichnet.
Marktgleichgewicht
Preis
N
AÜ
P+
A
P*
P-
NÜ
0
Q*
Menge
7
© Walter Scherrer
Tendenz
Marktgleichgewicht
University ofzum
Salzburg, 2005
 Im einfacheren Fall gibt es eine solche Tendenz zum Marktgleichgewicht; man spricht
dann von einem stabilen Gleichgewicht:
Liegt der Preis über dem Gleichgewichtspreis (z.B. bei P+), übersteigt das geplante
Angebot die geplante Nachfrage. Ein Angebotsüberschuss (AÜ) wird sichtbar z.B.
durch ungewünschte Lagerbildung; die Anbieter müssen die Preise senken, um neue
Käufer anzulocken (und auch die inzwischen angesammelten Lager abzubauen). Das
Sinken des Preises in Richtung Gleichgewichtspreis verringert auch die geplante
Angebotsmenge der Unternehmen.
Liegt der Preis unter dem Gleichgewichtspreis (z.B. bei P-), übersteigt die geplante
Nachfrage das geplante Angebot. Ein Nachfrageüberschuss (NÜ) wird sichtbar z.B.
durch Warteschlangen vor den Geschäften oder Lieferfristen. Die Anbieter werden
den Preis in Richtung Gleichgewichtspreis anheben.
 Die Tendenz zum Marktgleichgewicht ist aber nicht immer gegeben: Ein labiles
Gleichgewicht liegt vor, wenn leichte Störungen des ursprünglichen Gleichgewichts
zum Verlust des Gleichgewichts führen.
Seite 22
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
 Eterne Effekte wirken sich das auf die Lage der Angebotskurve aus. Bei negativen
externen Effekten aufgrund der „zu niedrigen“ Preise mehr produziert als in einer
Situation ohne externe Effekte.
Beim Gleichgewichtspreis ist die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt maximal, wie
am Konzept der Konsumenten- und der Produzentenrente gezeigt werden kann:
 Auf dem Markt gibt es grundsätzlich einen einheitlichen Preis: jeder Nachfrager zahlt
für das Gut den gleichen Preis, jeder Anbieter kann um den gleichen Preis verkaufen.
 Beim Gleichgewichtspreis gibt es Nachfrager, die bereit wären, einen höheren als den
Gleichgewichtspreis zu bezahlen. Indem der Gleichgewichtspreis aber niedriger ist als
ihr geplanter Nachfragepreis, erhalten sie einen „Zusatznutzen“ – die so genannte
Konsumentenrente.
 Beim Gleichgewichtspreis gäbe es aber auch Anbieter, die bereit wären, schon zu
einem Preis, der unter dem Gleichgewichtspreis liegt, anzubieten. Indem der
Gleichgewichtspreis höher ist als ihr geplanter Angebotspreis, erhalten sie einen
„Zusatznutzen“ – die so genannte Produzentenrente.
Konsumentenrente und Produzentenrente
Preis
Nachfragekurve bildet die
Zahlungsbereitschaft der
Nachfrager ab
Angebotskurve bildet die Angebotsbereitschaft der Unternehmer ab
KR
P*
PR
Qvollk.Konk
Nachfragemenge
3
© Walter Scherrer
Fachbereich Sozial und Wirtschaftswissenschaften,
Universität Salzburg 2005
 Beim Marktgleichgewicht ist die Summe aus Konsumentenrente und Produzentenrente (also die Summe der „Zusatznutzen“) und damit der gesamtwirtschaftliche Wohlfahrtseffekt maximal.
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Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
 Kommt der Preis über P* zu liegen, so verringert sich die Konsumentenrente und die
Produzentenrente steigt  Umverteilung von Konsumenten zu Produzenten
 Gleichzeitig kommt es aber auch zu einem gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsverlust
(„deadweight loss“) im Ausmaß des rot markierten Dreiecks: In diesem Ausmaß
verringert sich die Summe aus Produzentenrente und Konsumentenrente gegenüber
der Situation beim Gleichgewichtspreis P*.
Seite 24
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
4.4. Wirtschaftskreislauf und Bruttoinlandsprodukt
Der gesamtwirtschaftliche Kreislauf: Akteure und Transaktionen
 Haushalte, Unternehmen, Staat und Ausland sind die Sektoren („Aggregate“), die
wirtschaftliche Transaktionen abwickeln. Transaktionen können durch Ströme
dargestellt werden: Die monetären Ströme (die strichlierten Pfeile in der Abbildung)
verlaufen entgegengesetzt zu den realen Strömen (die durchgezogenen Pfeile).
 Zwischen dem Sektor Haushalte und dem Sektor Unternehmen werden die
Transaktionen über Märkte abgewickelt: Konsumgütermärkte und Märkte für Produktionsfaktoren („Faktormärkte“: z.B. Arbeitsmarkt, Kapitalmarkt; Immobilienmarkt).
Wirtschaftskreislauf
31
© Walter Scherrer
University of Salzburg, 2005
Der Staat im Kreislaufmodell
 Marktmäßige Einbindung in den Wirtschaftskreislauf: Käufe von Gütern und Dienstleistungen bei Unternehmen, Nachfrage nach Produktionsfaktoren der Haushalte.
 Nicht-marktmäßige Einbindung: Keine Marktpreise gibt es für viele öffentliche
Dienstleistungen; es gibt daher auch keine unmittelbar den realen Strömen entgegenstehenden monetären Ströme; diese Leistungen sind über Steuern zu finanzieren.
Das Ausland im Kreislaufmodell
 Exporte von Gütern und Dienstleistungen sind reale Ströme, die ins Ausland fließen,
denen monetäre Ströme entgegengerichtet sind (Geldfluss vom Ausland ins Inland).
Importe stellen reale Ströme vom Ausland ins Inland dar, die Güter müssen aber von
Inländern bezahlt werden (daher Geldfluss vom Inland ins Ausland).
 Die Transaktionen mit dem Ausland werden in der Zahlungsbilanz erfasst.
Seite 25
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) – Begriff und Berechnungsarten
 Mit dem BIP wird der Umfang der in einer Volkswirtschaft neu geschaffenen
Werte erfasst. Das BIP entspricht dem Wert der Güter und Dienstleistungen
gerechnet in Marktpreisen, die in einem bestimmten Zeitraum in einer bestimmten Region produziert wurden und für die Endverwendung bestimmt sind.
Es ist der Wert von Gütern und Dienstleistungen enthalten
Marktpreise als Wertmaßstab: Nur die marktmäßige Produktion wird erfasst, das
Schaffen von Werten ist an wirtschaftliche Transaktionen (Markttransaktionen)
geknüpft. Wichtige Ausnahme: öffentliche Leistungen, für die es keinen Marktpreis
gibt, werden zu den Kosten der Erstellung in das BIP eingerechnet.
Stromgröße: Das BIP bezieht sich auf einen Zeitraum (Bestandsgrößen beziehen
sich dagegen auf einen Zeitpunkt).
Nur Güter, die für die Endverwendung bestimmt sind, werden in das BIP eingerechnet, um Doppelzählungen von Vorleistungen zu vermeiden.
Entstehungsrechnung des BIP
 Zentraler Begriff ist die „Wertschöpfung“: Umsatz minus Vorleistungen plus Eigenverbrauch und Wert der selbst erstellten Anlagen ergibt die (Brutto-) Wertschöpfung,
die in Unternehmen erwirtschaftet wird.
Quelle: Statistik Austria
 Primärer Sektor: Land- und Forstwirtschaft, Fischerei.
 Sekundärer Sektor: Bergbau einschließlich Gewinnung von Steinen und Erden,
Sachgütererzeugung, Energie- und Wasserversorgung, Bauwesen.
 Tertiärer Sektor: Handel einschl. Reparatur von Kfz und Gebrauchsgütern, Beherbergungs- u. Gaststättenwesen, Verkehr u. Nachrichtenübermittlung, Kreditinstitute u.
Versicherungen, Unternehmensbezogene Dienstleistungen einschl. Realitätenwesen
und Vermietung beweglicher Sachen, Öffentliche Verwaltung einschließlich
Landesverteidigung und Sozialversicherung, Sonstige Dienstleistungen.
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Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Strukturwandel zur Dienstleistungsgesellschaft („Tertiärisierung“)
 Änderung der Nachfragestruktur mit steigendem Wohlstand: Sättigung bzw.
verlangsamtes Wachstum der Nachfrage nach Industriegütern, rasche Zunahme der
Nachfrage nach Dienstleistungen
 Preise vieler Dienstleistungen steigen rascher als Preise von Industriegütern:
Dienstleistungen sind meist arbeitsintensiver, Arbeit ist nicht so leicht durch Kapital
ersetzbar  dadurch steigt selbst bei gleich bleibenden Mengen von produzierten
Industriegütern und Dienstleistungen der Anteil der Dienstleistungen am BIP.
 Vertiefte Arbeitsteilung/Branchenspezialisierung: Industrieunternehmen lagern
Tätigkeiten an Dienstleistungsunternehmen aus und kaufen Dienstleistungen zu, die
sie vorher im (Industrie-)Unternehmen herstellten  die statistische Erfassung der
Produktion erfolgt dann im tertiären Sektor.
Verwendungsrechnung – das BIP wird verwendet für:
Cpr
Konsumausgaben der Haushalte (”Privatkonsum”).
Cöff
Ausgaben für ”öffentlichen Konsum” (das sind die Ausgaben für Güter und
Dienstleistungen, die der Staat nicht für Investitionen tätigt).
I
Investitionen der privaten Unternehmen und des öffentlichen Sektors.
X-M
Außenbeitrag (entspricht der Differenz zwischen EXporterlösen und
Ausgaben für IMporte von Gütern und Dienstleistungen).
StD
Statistische Differenz
Y = Cpr + Cöff + I + (X – M)
Verwendung des nominellen BIP in Österreich
Quelle: Statistik Austria
Seite 27
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Staatseinnahmen, Staatsausgaben, Staatsverschuldung
Staatseinnahmen
 Steuern: sind verpflichtende Leistungen des Bürgers an den Staat, ohne dass ein
Anspruch auf eine spezielle Gegenleistung im Einzelfall entsteht.
 Direkte Steuern setzen unmittelbar bei der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des
Steuerzahlers an (z.B. Einkommensteuern).
 Indirekte Steuern setzen mittelbar an (z.B. Umsatzsteuer). Die Steuerlast aus
indirekten Steuern ist in der Regel leichter auf andere Steuerzahler „überwälzbar“
als die Steuerlast aus direkten Steuern.
 Gebühren und Beiträge: Sind ebenfalls verpflichtende Leistungen des Bürgers, es
entsteht jedoch ein Anspruch auf eine spezielle Gegenleistung des Staates.
 Erwerbseinkünfte des Staates aus marktmäßiger Tätigkeit.
Staatsausgaben
 Öffentlicher Konsum: laufende Ausgaben (Sachaufwand und Personalaufwand).
 Öffentliche Investitionen
 Transferzahlungen: an Haushalte, Unternehmen, andere öffentliche Körperschaften,
an internationale Institutionen.
 Schuldendienst: Zinszahlungen, Schuldentilgungen.
Budgetsaldo und Staatsverschuldung
 Budgetsaldo = Staatseinnahmen – Staatsausgaben
 Ausgaben > Einnahmen  Budgetdefizit: Neu zu finanzierender Budgetabgang
(Stromgröße).
 Der Schuldenstand ist eine Bestandsgröße: Der Schuldenstand zu Jahresende
minus Schuldenstand zu Jahresbeginn entspricht Neuverschuldung; zudem können
Wechselkursänderungen im Laufe des Jahres den Wert der Staatsschulden in
inländischer Währung verändern.
 Budgetsaldo und Schuldenstand werden häufig in Prozent des BIP angegeben;
damit wird die internationale und intertemporale Vergleichbarkeit hergestellt.
 "Administrativer" Saldo: Kassenprinzip: Zuflüsse minus Abflüsse in einem Jahr;
Liquiditätsperspektive
 Saldo nach dem ESVG – Europäisches System der Volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnung = ‘Maastricht-konformer‘ Saldo": „Accrual-Prinzip“; Vermögensperspektive.
Finanzierungssaldo laut Maastricht bzw. ESVG 2010 (vgl. Fiskalrat 2015)
 Veränderung der Verbindlichkeiten und Forderungen innerhalb eines bestimmten
Beobachtungszeitraums (z. B. Fiskaljahr).
 Ein
negativer
Finanzierungssaldo
(Defizit)
bedeutet,
dass
sich
das
Nettofinanzvermögen des Staates innerhalb des Beobachtungszeitraums reduziert
Seite 28
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
hat. Laut ESVG 2010 erfolgt die Verbuchung der Transaktionen grundsätzlich nach
dem „Accrual-Prinzip“, d. h. nach dem Zeitpunkt der Entstehung einer Forderung bzw.
einer Verbindlichkeit.
 Im Gegensatz zum administrativen Defizit führt weder die Deckung von Ausgaben
durch den Abbau von Finanzaktiva (Veräußerung von Beteiligungen etc.) sowie
Rücklagenentnahmen zu einem geringeren Defizit im Sinne von Maastricht, noch
steigt das Defizit durch budgetäre Ausgaben an, die dazu verwendet werden, das
Finanzvermögen zu erhöhen (z. B. Darlehensvergaben).
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP)
 Die Fiskalregeln über die Entwicklung und Höhe des strukturellen Budgetsaldos
(konjunkturbereinigter Budgetsaldo abzüglich Einmalmaßnahmen) prägen die
konjunkturpolitische Ausrichtung der Budgetpolitik in der Europäischen Union. Nach
Erreichen des MTO (Medium Term Budgetary Objective; strukturelles Budgetdefizit
von maximal 0,5% des BIP) soll dessen Einhaltung in den Mitgliedstaaten zu einer
konjunkturadäquaten, antizyklischen Ausrichtung der Budgetpolitik, die in der
Vergangenheit die Ausnahme war, beitragen.
 Ein verschärftes Korrekturverfahren im korrektiven Arm des Stabilitäts- und Wachstumspakts („ÜD-Verfahren“) wird ausschließlich bei Verletzung der MaastrichtKriterien (Defizitquote nachhaltig über 3% des BIP oder Verschuldungsquote über der
60-Prozent-Grenze ohne ausreichende Rückführung) eingeleitet.
Für Österreich sind derzeit die Bestimmungen des präventiven Arms des Stabilitätsund Wachstumspakts (SWP) gültig (vgl. Fiskalbericht 2014. Fiskalrat, Wien: Juni 2015).
Sie geben in Grundzügen Folgendes vor:
 Unterschreitung einer gesamtstaatlichen Maastricht-Defizitquote von 3% des BIP.
 Anpassung des strukturellen Budgetsaldos in Richtung des in Höhe von –0,45% des
BIP. Für das Jahr 2014 war gemäß EK eine Reduktion der strukturellen Defizitquote
des Staates um 0,6 Prozentpunkte erforderlich.
 Das MTO gilt auch dann als erreicht, wenn der strukturelle Budgetsaldo innerhalb
einer Bandbreite von 0,25 Prozentpunkten („margin of tolerance“) des länderspezifischen MTO liegt.
 Beschränkung des jährlichen realen Ausgabenzuwachses des Staates (u. a. ohne
Zinszahlungen und ohne zyklische Änderungen der Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung) mit der mittelfristigen Wachstumsrate des Potenzialoutputs, außer es erfolgt
eine diskretionäre Kompensation durch Einnahmen. Solange das MTO nicht erreicht
wird, ist der Ausgabenzuwachs stärker zu dämpfen. Im Jahr 2014 betrug die
Obergrenze für den realen Ausgabenzuwachs (bereinigt) laut EK -0,1% im
Jahresabstand.
 Rückführung der Staatsschuldenquote im Einklang mit der Schuldenregel. Nach
Einstellung eines ÜD-Verfahrens besteht ein dreijähriger Übergangszeitraum, der in
Österreich Zusammenfassung des Berichts 2014 die Jahre 2014 bis 2016 umfasst.
Währenddessen gilt die lineare Mindestanpassung des strukturellen Budgetsaldos
(„minimum linear structural adjustment“) als Benchmark, die am Ende des
Übergangszeitraums die Einhaltung der Schuldenregel sicherstellen muss. Laut EK
gilt in diesem Zusammenhang eine Beibehaltung des strukturellen Budgetdefizits für
2014 als ausreichend.
Seite 29
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Quelle: Fiskalbericht 2014. Fiskalrat, Wien: Juni 2015
Seite 30
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Gesamtstaatliche Budgetsalden; Quelle: OECD Economic Outlook 98, Dez. 2015
Seite 31
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Gesamtstaatliche Verschuldung; Quelle: OECD Economic Outlook 97, Juni 2015
Seite 32
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
5. Zusammenhänge zwischen dem wirtschaftlichen und anderen
gesellschaftlichen Subsystemen
5.1. Wirtschaft und neue Technologien
Lange Wellen der wirtschaftlichen Entwicklung (Nikolai D. Kondratieff, 1926)

Die Ausbreitung von neuen Technologien, die auf sämtliche Wirtschaftsbereiche
ausstrahlen, ist die treibende Kraft einer langfristigen wirtschaftlichen Dynamik, die
durch lange Wellen von 40 bis 60 Jahren Dauer gekennzeichnet ist.

Diejenigen neuen Technologien, die den Aufschwung einer langen Welle tragen
(„Schlüsseltechnologien“), sind zumindest in ihren Grundlagen bereits vor dem
Einsetzen des Aufschwunges bekannt. Sie wirken in alle Wirtschafts- und
Gesellschaftsbereiche.

Nur solche Technologien kommen aber als Träger eines Aufschwungs der langen
Welle in Betracht, die in (fast) alle Bereiche des Wirtschaftens einwirken.

Nicht die Erfindungen selbst oder deren erstmalige Anwendung setzen den
Aufschwung in Gang, sondern ihre wirtschaftliche Nutzung und Ausbreitung in der
Wirtschaft, was insbesondere Investitionen in Infrastruktur und Ausbildung sowie die
Reorganisation von Produktionsprozessen und -strukturen erforderlich macht bzw.
auslöst.

Dabei kommt „innovativen Unternehmern“ (Joseph A. Schumpeter) eine zentrale
Rolle zu.
Wirtschaftliche Entwicklungsschübe seit der Industrialisierung
(“Lange Wellen”, “Kondratieff-Zyklen”)
Informations- und
Kommunikationstechnologie
Industrielle
Massenproduktion
Elektrizität,
Metallindustrie
Eisenbahn und
Dampfkraft
Mechanisierung
Wasserkraft
Textil, Eisen
1780er
1840er
1890er
1940er
1990er
???
103
© Walter Scherrer
Universität Salzburg
Seite 33
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Phasen der langen Wellen / Entwicklungsschübe
Ausbreitung von IKT – Möglichkeiten der Wirtschaftspolitik
Nutzungsphase
Einführungsphase
Nutzen aus
der neuen
Technologie
Aufkommen „Frenzy“
IKT: 1970er, 1980er
1990er
Wendephase
Synergie
2000er
?????
Reifephase
Zeit 
8
© Walter Scherrer
FB Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Universität Salzburg
Installation (Aufkommen der neuen Technologie):
Irruption: Neue Technologie taucht mit einem „big bang“ auf
Frenzy: Investitionsboom, letztendlich platzen der (Spekulations-)„Blase“
Turning point (Wendepunkt):
Umgestaltung der Institutionen und Regeln  Rahmenbedingungen für einen
langfristigen Aufschwung auf der Grundlage der neuen Technologie
Deployment (flächendeckende Ausbreitung der neuen Technologie): Die neue
Technologie und die damit verbundenen neuen Organisationsmuster breiten sich
über Wirtschaft und Gesellschaft aus
Synergiephase: Wachstum – Chance auf ein „golden age“
Reifephase: Ausgereifte Technologien, Marktsättigung, schrumpfende
Investitionsmöglichkeiten
Sind Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) die Schlüsseltechnologie einer fünften „langen Welle“?

Die vierte lange Welle der wirtschaftlichen Entwicklung war geprägt durch hierarchisch organisierte Produktion, Massenproduktion, Trennung der Unternehmensfunktionen Fertigung, Design und Koordination der Produktion ("Fordismus").

Werden IKT-Anwendungen auf bestehende Organisationsformen aufgesetzt, kann
das wirtschaftliche Potential von IKT nicht erschlossen werden. Es entsteht Druck auf
Unternehmen, Arbeitnehmer und Wirtschaftspolitik(er), die Organisation des
Wirtschaftsprozesses einer tief greifenden Umgestaltung zu unterziehen.

Merkmale der IKT und der damit einhergehenden Produktionsorganisation:
Geschwindigkeit, Flexibilität, Vernetzung, Globalisierung.
 Senkung der Kosten der Produktion und der Transaktionskosten
Seite 34
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Institutioneller Wandel als Schlüsselfaktor für die Ausbreitung von IKT

Kristallisiert sich eine neue Schlüsseltechnologie heraus, bringt das Veränderungen
der Wirtschaftsstruktur und damit Probleme der Einkommensumverteilung mit sich:

Die potentiellen Verlierer dieses Strukturwandels können in der Regel klarer
identifiziert werden als die vom Strukturwandel Begünstigten.

Die potentiellen Verlierer verfügen – nachdem sie zu den Gewinnern im Regime der
„alten“ Technologie zählen – über durchschlagskräftige Interessensvertretungen.

Die von den Verlierern zu tragenden Verluste werden unmittelbarer mit dem
Strukturwandel in Zusammenhang gebracht als die Gewinne der Begünstigten;
potentielle Verluste werden damit deutlicher wahrgenommen als potentielle Gewinne.

Daraus resultieren soziale und institutionelle Beharrungskräfte. Erst wenn die
Wirtschaft stagniert, wird der Widerstand gegen die Umsetzung der neuen
Organisationsformen überwunden und es kann zu einem neuen Aufschwung
kommen.
Neue Technologien und Beschäftigung: Freisetzungs- vs. Kompensationseffekte

Die mit dem Einsatz neuer Technologien verbundene Freisetzung von Arbeitskräften
wird zumindest teilweise durch einen Anstieg der Produktion kompensiert
(Kompensationseffekte). Wichtig sind dafür drei Kompensationsmechanismen:

Beschäftigungszunahme
in
der
Investitionsgüterindustrie;
Beschäftigungsanstieg ist
möglicherweise nur kurzfristig wirksam, der
Freisetzungseffekt wirkt aber während der gesamten Nutzungsdauer der
Investitionsgüter.

Der technische Fortschritt bewirkt Kostensenkungen, die in einer Wettbewerbswirtschaft über niedrigere Preise an die Konsumenten weitergegeben werden,
wodurch die Kaufkraft und damit die Nachfrage gestützt werden. Der Kaufkraftsteigerung wird aber nicht automatisch wirksam, denn durch Investitionen in neue
Technologie erhöht sich zunächst nur die Produktivität und das Produktionspotential,
nicht aber oder erst mit Verzögerung die Nachfrage.

Betreffen die technischen Neuerungen nicht nur Produktionsverfahren, sondern sind
sie auch mit der Entwicklung neuer Produkte verbunden, können diese
Produktinnovationen zusätzliche Nachfrage erzeugen, wodurch schließlich in
Summe die Kompensationseffekte überwiegen.
Spezifische wirtschaftspolitische Herausforderungen im Zusammenhang mit IKT
 Für die Ausbreitung der mit der neuen Technologie verbundenen Organisationsformen
und für die Stärke der damit einhergehenden Beschäftigungswirkung kommt somit der
Bildungs- und Qualifizierungspolitik eine wichtige Rolle zu.
 Die (Neu-) Gestaltung der Regulierung des Arbeitsmarktes ist eine zentrale
wirtschaftspolitische Fragestellung mit gravierenden sozialen Auswirkungen.
 Die Globalisierung des Wirtschaftsprozesses begünstigt ferner eine Tendenz zum
regionalen Auseinanderfallen von Produktivitätsfortschritt und Einkommenserzielung,
was wiederum die Möglichkeiten einzelstaatlicher Regulierungen einschränkt.
Seite 35
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
5.2. Wirtschaft und Ökologie
Hauptproblemkreise der Umweltdiskussion
 Belastung der Biosphäre >> Grundfragestellung der UMWELTÖKONOMIE.
Übernutzung von Ressourcen >> Grundfragestellung der RESSOURCENÖKONOMIE
 Entwicklungsbedingte Ursachen: Bevölkerungswachstum, Wirtschaftswachstum,
Verstädterung, umweltungünstiger technisch-wirtschaftlicher Wandel.
 Sozio-ökonomische Ursachen: Umwelt als öffentliches Gut (Kollektivgutproblematik);
Entstehen von externen (Umwelt-) Kosten, umweltfeindliches menschliches Verhalten
(in Industrieländern und Entwicklungsländern).
 Wirtschaftssystembezogene Ursachen: Zentralverwaltungssysteme vs. marktwirtschaftliche Systeme
Ökonomische Funktionen des ökologischen Systems:
 Ressourcenspeicher für die Produktion
 „Abfalleimer“ für unerwünschten Output
 Unmittelbares Konsumgut
 Sicherung der Lebensgrundlagen
Betriebliche Umweltökonomie
 Gegenstand: Analyse der Beziehungen des Unternehmens zu seiner natürlichen
Umwelt; Analyse der Einwirkungen der Umwelt; Erarbeiten von Strategien, umweltbezogenen Forderungen des Marktes und des Staates an das Unternehmen am
besten gerecht zu werden.
 Aufgaben: Entscheidungsgrundlagen für relevante Unternehmensbereiche liefern
Seite 36
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Umweltrisiken und Umweltchancen auf der Unternehmensebene: Portfolioanalyse
Marktchancen des Unternehmens
durch Umweltschutz
groß
Offensiv
rechtzeitiger Markteintritt
„Öko“-Marketing
Innovativ
Herausforderung!
gering
Indifferent
„Umwelt“ hat keine
strategische Bedeutung
Defensiv
Auflagen erfüllen
Kosten minimieren
gering
hoch
Umweltrisiken, die
vom Unternehmen
ausgehen
Umwelt/Ökologie und Unternehmensstrategien
 In Abhängigkeit von den Marktchancen durch Forcierung des Umweltschutzes und
den Umweltrisiken, die vom eigenen Unternehmen bzw. Produkt ausgehen, ergeben
sich also unterschiedliche.
 INDIFFERENT werden jene Unternehmen dem Umweltgedanken gegenüberstehen
und daher dem Umweltschutz in der Regel auch keine strategische Bedeutung
beimessen, wenn weder besondere Marktchance noch besonderes Umweltrisiko
gegeben ist.
 Eine DEFENSIVE Strategie werden jene Unternehmen wählen, die durch vermehrte
Umweltschutzanstrengungen keine neuen Märkte erschließen können, von denen
aber ein hohes Umweltrisiko ausgeht.
 OFFENSIVE Strategien können von Unternehmen verfolgt werden, die schon jetzt ein
relativ geringes Umweltrisiko aufweisen, die sich aber von vermehrten
Umweltschutzanstrengungen eine Verbesserung der Marktchancen versprechen.
 INNOVATIVE Strategien stellen die eigentliche Herausforderung aus betriebswirtschaftlicher Sicht dar. Sie sind geeignet für Unternehmen, die derzeit ein hohes
Umweltrisiko aufweisen, denen vermehrte Umweltschutzanstrengungen aber neue
Märkte erschließen können. Glaubwürdig kann dieses Marktpotential aber nur
erschlossen werden, wenn gleichzeitig das vom eigenen Unternehmen und seinen
Produkten ausgehende Umweltrisiko minimiert wird; andernfalls leidet die Reputation
und damit leiden die Marktchancen.
 Nur für einen – möglicherweise kleinen – Teil aller Unternehmen besteht überhaupt
ein Marktanreiz, den Umweltschutz in der Unternehmensstrategie zu berücksichtigen.
Daher: Umweltschutz wird ohne staatliche Eingriffe/Maßnahmen nicht
funktionieren!
Seite 37
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Grundregeln für eine nachhaltige Entwicklung

„Nachhaltige Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart
befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse
nicht befriedigen können“.

Dreieck der Nachhaltigkeit (Brundtland-Bericht 1987: „Our Common Future“):
Wirtschaftliche, gesellschaftlich-politische und ökologische Nachhaltigkeit sind
gleichrangige Ziele.
Das Dreieck
der
Nachhaltigkeit
Erhaltung der wirtschaftlichen
Wettbewerbs-/Leistungsfähigkeit
Wirtschaft
Gesellschaft/Politik
Erhaltung des sozialen
Friedens
Ökologie
Erhaltung der natürlichen
Lebensgrundlagen
Nachhaltigkeit und Verwendung erneuerbarer Ressourcen
 Entnahme darf den Zuwachs nicht übersteigen.
 Die Selbstregenerationsfähigkeit der Umwelt darf nicht überfordert werden; sie ist
ökonomisch wie eine erneuerbare Ressource zu behandeln.
Nachhaltigkeit und nicht erneuerbare Ressourcen
 Nicht erneuerbare durch erneuerbare Ressourcen ersetzen.
 Nicht erneuerbare durch „Man-made“-Ressourcen ersetzen (Beschränkung durch den
ersten Hauptsatz der Thermodynamik: Materie kann nicht vernichtet, kann aber auch
nicht "gewonnen" werden).
 Effizienzsteigerung des Einsatzes der nicht erneuerbaren Ressourcen.
 Weniger produzieren und konsumieren, und dadurch Ressourcen einsparen.
Nachhaltigkeit und Risikoabwägungen im Zusammenhang mit Ressourcennutzung
 Informationsmängel.
 Irreversibilitäten beachten.
 Über das Minimum hinausreichende Bestände an Naturkapital ermöglichen eine
flexible Reaktion in Krisensituationen.
 Großrisiken, die eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung gefährden, sind nur
insoweit einzugehen, als sie kalkulierbar (d.h. versicherbar) sind.
Seite 38
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
5.3. Wirtschaft und Politik
Theoretische Ansätze der Wirtschaftspolitik
 Aufgabe der Wirtschaftwissenschaften ist es, Handlungsanleitungen für eine
rationale Wirtschaftspolitik zu geben: Finden von Zielen und Instrumenten, die
Gestaltung von wirtschaftspolitischen Institutionen und Strategien, die Analyse der
Wirkungen von wirtschaftspolitischen Eingriffen.
 Wohlfahrtsökonomie – ein „normativer“ Ansatz: Wie soll Wirtschaftspolitik
gemacht werden, um die größtmögliche Wohlfahrt zu erzielen  Maximierung der
Summe aus Konsumentenrente und Produzentenrente; (Wirtschafts-) Politiker agieren
selbstlos und sind ausschließlich an der Wohlfahrtsmaximierung interessiert.
 Public Choice – ein „positiver“ Ansatz: Wie kann die Art und Weise, wie
Wirtschaftspolitik betrieben wird, erklärt werden?  auch dem Verhalten der
(Wirtschafts-) Politiker liegt ein am Eigennutzen orientiertes Kalkül zu Grunde.
Wohlfahrtsökonomie
 Ausgangspunkt ist ein Wirtschaftssystem mit vollkommenen Märkten, das zu einer
effizienten Verwendung der Ressourcen führt.
 Pareto-effizient ist eine Allokation, bei der Tausch- und Produktionseffizienz
gleichzeitig erreicht werden: Durch eine Änderung der Allokation kann die Position
eines wirtschaftlichen Akteurs nur mehr verbessert werden, wenn gleichzeitig die Lage
eines anderen verschlechtert wird. Würde nämlich nur ein Wirtschaftssubjekt
schlechter gestellt, so wäre ein Anstieg des Gesamtnutzens nicht sichergestellt, auch
wenn durch die Reallokation sehr viele Wirtschaftssubjekte besser gestellt würden.
 Zentrale Bedeutung des interpersonellen Nutzenvergleichs für die
Rechtfertigung staatlicher Eingriffe: Staatliche Eingriffe bedeuten sehr oft, dass
ein(e Gruppe von) Wirtschaftssubjekt(en) Nutzen daraus zieht, ein(e) andere(s) aber
dadurch belastet wird. Wie ist aber der Nutzenzuwachs auf der einen mit dem
Nutzenentgang auf der anderen Seite zu vergleichen?
Bsp.: Welchen Nutzenentgang verursacht die Einhebung von 100 Euro Steuer beim
Haushalt A, welchen Nutzenentgang verursacht eine gleich hohe Zahlung beim
Haushalt B? Welchen Nutzen stiftet eine Transferzahlung von 100 Euro für C und D?
 Re-Allokationen und damit wirtschaftspolitische Eingriffe lassen sich bei strenger
Auslegung des Pareto-Kriteriums nur in Einzelfällen rechtfertigen, denn welcher
staatliche Eingriff in die Wirtschaft ist nicht mit Nachteilen zumindest für ein
Wirtschaftssubjekt verbunden? Das Konzept „Pareto-Optimum“ hinterfragt nicht (!),
wie die Ausgangslage (die ursprüngliche Allokation) zustande gekommen ist.
Bsp.: Wenn das Zustandekommen einer bestehenden Einkommensverteilung nicht
hinterfragt sondern als gegeben angesehen wird, so sind Eingriffe in diese Verteilung
praktisch unmöglich: Denn sogar durch einen Eingriff, der ein Wirtschaftssubjekt
absolut besser stellt (z.B. durch eine Transferzahlung von 100 Euro), alle anderen
Wirtschaftssubjekte in ihrer Absolutposition (Einkommen in Euro) aber unberührt lässt
(nehmen wir an, dass sie keine zusätzlichen Steuern dafür zahlen müssten), würden
diese anderen Wirtschaftssubjekte relativ schlechter gestellt.
Seite 39
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Public Choice – Politiker als Wählerstimmenmaximierer (-optimierer)
 Grundmodell von Anthony DOWNS (1959): Annahmen: Vollständige Information,
Rationalverhalten bei Wählern und Politikern, Wählermobilität, keine Koalitionen.
 Politische versus gesellschaftliche Rationalität: Politisch rational ist eine Politik, die
dem Interesse des Medianwählers entspricht ("mittlere" Position).
 Informationsbeschaffungs- und -verarbeitungskosten bewirken eine "rationale
Unwissenheit". Wähler orientieren sich an Ideologien, persönlichen Vorteilen,
"Führern", falschen Analogien (z.B. Staatsverschuldung); Stammwählerverhalten.
 Diese Unwissenheit (asymmetrische Information) wird durch Regierung und
Opposition ausgenutzt: Expansion merklicher Ausgaben und gruppenspezifisch
wirksamer Ausgaben insbesondere vor der Wahl. Die Bevorzugung "unmerklicher"
Finanzierungsformen kann kurzfristige "Lösungen" bringen, stellt aber eine
Symptombekämpfung dar. Notwendige, aber "unpopuläre" Maßnahmen werden
aufgeschoben (Regierungen, die unpopuläre Maßnahmen „zu früh“ setzen, werden
vom Wähler bestraft); politisches Marketing gewinnt dafür an Bedeutung.
 Massenparteien zielen auf ein so breites potentielles Wählerspektrum ab, dass
(wirtschafts-) politische Aussagen oft verwaschen bleiben.
 Massenparteien müssen eine große Zahl von Interessen integrieren, „für jeden
etwas“. Das schafft Raum für andere Parteien (zB „Umweltparteien“).
 Große Bedeutung von Public Choice-Ansätzen für die Erklärung des (wirtschafts-) politischen Prozesses!
Organisation von Interessen in Verbänden
 Bildung von Interessenmacht zur Durchsetzung von Gruppenzielen:
 Selektive Informationspolitik: Gutachten; Stellungnahmen; Medienpropaganda; informelle Kontakte mit politischen Funktionsträgern (Lobbying).
 Personalpolitik: Personalunionen; Netzwerke; Nepotismus.
 Finanzpolitik: Wahlkampfspenden und Parteienfinanzierung.
 Eigeninteresse des Verbandes und der Verbandsfunktionäre: Bestandssicherung und
Machtausweitung, Sicherung der Loyalität der Mitglieder durch immer neue
Forderungen.
 Für politische Parteien ist es rational, Verbandsinteressen nachzugeben  geringe
Streuverluste der politischen Werbung.
 Schwer organisierbare Interessen, die sich auf dem Markt nicht durchsetzen, setzen
sich oft auch im Verbandswesen nicht durch (z.B. "neue Armut").
Seite 40
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Verfassungsmäßige Institutionen der Wirtschaftspolitik – Gewaltenteilung und
verschiedene Ebenen von Gebietskörperschaften
 Parlament: Setzt rechtliche Rahmenbedingungen für das Wirtschaften u. für die
Wirtschaftspolitik, z.B. Steuerpolitik, Förderungsrichtlinien, Arbeitsrecht, Wettbewerbsrecht, Außenhandelspolitik. Die Gesetzesinitiative liegt beim Parlament, mehr als 90
Prozent der Gesetzesvorlagen bringt die Regierung ins Parlament ein.
Rechnungshof – ein Organ des Parlaments zur Kontrolle der Exekutive/Regierung.
 Regierung: Ist für die Durchführung/Umsetzung der Gesetze zuständig. Der durch
das Parlament vorgegebene gesetzliche Rahmen ist oft sehr weit und enthält
Interpretationsspielräume, was der Regierung Gestaltungsspielraum lässt. Weiters
fällt der Regierung bzw. den nachgeordneten Dienststellen eine wichtige
wirtschaftspolitische Rolle als Nachfrager von Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital,
Investitionsgüter) und als Anbieter von Dienstleistungen (öffentliche Güter) zu. Das
Finanzministerium ist von besonderer wirtschaftspolitischer Bedeutung. Es greift
durch die Steuerpolitik, die Festlegung des Umfangs der Staatsausgaben und der
Staatsverschuldung in die Kompetenz aller Ministerien ein.
 Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) als Teil des Europäischen Systems
der Zentralbanken (ESZB) ist für die Banknotenausgabe und die Stabilisierung des
Geldwertes zuständig. Sie steuert gleichsam als „verlängerter Arm“ der Europäischen Zentralbank (EZB) die Geldversorgung, beeinflusst u.a. die Höhe der
Kreditzinsen und die Kreditvergabemöglichkeiten der Banken. Sie ist autonom in ihren
Entscheidungen, d.h. unabhängig von Regierung(en), Parlament(en) oder der EUKommission. Insbesondere ist keine Kreditvergabe an öffentliche Stellen erlaubt.
 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof.
 Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände; Kompetenzverteilung im B-VG
 Institutionen der Europäischen Union
 Andere supranationale Organisationen, z.B. World Trade Organisation (WTO)
Informelle Institutionen der Wirtschaftspolitik in Österreich: Die Wirtschafts- und
Sozialpartnerschaft (WSP)
 ”Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft” ist die freiwillige Zusammenarbeit von vier
Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen auf allen Gebieten der Wirtschaftspolitik.
 Gesetzliche Interessenvertretungsorganisationen – die drei „großen“ Kammern:
Wirtschaftskammer Österreich, Bundesarbeitskammer, Präsidentenkonferenz der
Landwirtschaftskammern. Körperschaften öffentlichen Rechts mit Pflichtmitgliedschaft und Beitragspflicht.
 Österreichischer Gewerkschaftsbund – ÖGB: privater Verein, „Einheitsgewerkschaft“ (= keine Parteigewerkschaften) und nach dem „Industriegruppenprinzip“
(=nicht nach Berufsgruppen) organisiert.  in einem Unternehmen bzw. in einer
Branche steht nur eine Gewerkschaft der Arbeitgeberseite gegenüber und nicht
mehrere, die untereinander rivalisieren. Diese Organisation ermöglicht ein relativ
geschlossenes Auftreten der Gewerkschaften nach außen und stärkt die Position der
Gewerkschaften insgesamt.
Seite 41
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Funktionsweise der WSP
 Einstimmigkeit (d.h. gleiches Gewicht für alle Organisationen) plus Freiwilligkeit der
Teilnahme (die WSP ist eine informelle Zusammenarbeit, die nirgendwo gesetzlich
geregelt ist) ergibt einen starken Druck zum Konsens.
 Zentralistische Organisation: Verhandlungen auf höchster Ebene; straffe interne
Organisation der einzelnen Verbände.
 Grundsätzlich haben sozialpartnerschaftliche Übereinkünfte ein großes politisches
Gewicht, weil sie die Interessenlagen der großen gesellschaftlichen Gruppen
repräsentieren. Veränderungen gehen aber in der Regel nur langsam vor sich.
 Die Durchsetzungsfähigkeit der Sozialpartner bei den eigenen Mitgliedern ist wichtig!
Daher steht und fällt das System der Sozialpartner mit dem gesetzlichen
Vertretungsanspruch, der wiederum an die Pflichtmitgliedschaft geknüpft ist.
Funktionen der WSP
 Beratung bei der Gesetzgebung und Begutachtung von Gesetzesentwürfen:
Große praktische Bedeutung; ein Minister hat es schwer, gegen eine durch eine
Gesetzesvorlage besonders betroffene Interessenvertretung anzukämpfen.
 Mitwirkung an der Vollziehung von Gesetzen: z.B. Sozialversicherung im Wege
der Selbstverwaltung durch die Betroffenen, nämlich Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
 Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen: Zielt auf die Versachlichung wirtschaftspolitischer Themen. Studien des Beirats haben besondere Bedeutung, weil sie von
allen Interessenvertretungsorganisationen getragen werden.
Die Rolle der WSP in der österreichischen Wirtschaftspolitik
 Sie wirkt grundsätzlich stabilisierend. Ein sozialpartnerschaftlicher Konsens ist nur
erreichbar, wenn durch wirtschaftspolitische Maßnahmen keine Gruppe schlechter
gestellt wird. Schaffung eines stabilen sozialen Klimas ( Streikstatistik!), was u.a.
ausländische Investitionen begünstigt.
 Dämpfung des Preisniveauanstiegs: Ermöglichte in den 1980er und 1990er Jahren
die „Hartwährungspolitik“ (= stabiler Wechselkurs zwischen Schilling und D-Mark); ist
auch ein wichtiger Aspekt jetzt, da Österreich Mitglied in der Europäischen
Wirtschafts- und Währungsunion (Euro-Raum) ist.
Probleme und Entwicklungstendenzen der WSP

Effektive Politik in Zeiten starken wirtschaftlichen Wachstums (Verteilung von
Zuwächsen ist unproblematisch); schwieriger Konsens bei langsamerem Wachstum.

Funktionäre haben ihre Legitimation nicht vom Volk erhalten, ihre Aktionen (die oft
Grundlage für Parlaments- und Regierungsentscheidungen sind) betreffen aber das
gesamte Volk; zT kommt es zu einer Verquickung von Exekutive und Legislative.

Nur traditionelle politische Kräfte (Unternehmer, Arbeitnehmer, Landwirte) sind in der
WSP vertreten, die Gesellschaft wird aber differenzierter, die WSP deckt immer
weniger Bereiche der Gesellschaft ab.

In den einzelnen Interessenvertretungsorganisationen wird es immer schwieriger,
gemeinsame Interessen zu formulieren: Wie viel an gemeinsamen „Unternehmerinteressen“ gibt es noch, wie viel an gemeinsamen „Arbeitnehmerinteressen“?

Erosion der Sozialpartnerschaft infolge der Krise des ÖGB.
Seite 42
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
5.4. Wirtschaftspolitische Ziele
 Zielfindungsprozess
1. Inhaltliche Begründung von Zielen (Identifikation).
2. Entwicklung von Indikatoren, um die Zielerreichung beurteilen zu können, d.h. die
Zielerreichung muss messbar gemacht werden (Operationalisierung).
3. Festlegung von Zielwerten bzw. -bereichen (Zielwertfestlegung).
 Primäre bzw. originäre Ziele der Wirtschaftspolitik
Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung, Preisniveaustabilität, Verteilungsgerechtigkeit, Außenwirtschaftliches Gleichgewicht.
 Sekundäre Ziele bzw. Zwischenziele: zB Budgetziele, Zinssatzziele.
Wirtschaftswachstum
Wozu ”Befriedigendes Wirtschaftswachstum”?
 Eine leistungsfähige Wirtschaft ist eine Voraussetzung, um das Einkommensniveau,
den materiellen Wohlstand und sozialen Frieden sicherzustellen.
 Die Steigerung der Wirtschaftskraft und somit des materiellen Wohlstandes einer
Gesellschaft ist durch wirtschaftliches Wachstum erreichbar. Wirtschaftswachstum
bedeutet, dass das in einer Region für Ausgaben zur Verfügung stehende Einkommen
im Laufe der Jahre zunimmt. Gleichzeitig steigt der Wert der Güter und
Dienstleistungen, die für die Endverwendung zur Verfügung stehen (Konsum,
Investition), d.h. die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen verbessert sich.
Seite 43
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Veränderungsraten des realen Bruttoinlandsprodukts; OECD Economic Outlook 98
Preisniveaustabilität
Wozu ”Preisniveaustabilität”? Ist das Preisniveau instabil (= Inflation), so hat das
einen Vertrauensverlust in das Geld zur Folge; Geld verliert seine Funktionen als
Tauschmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel.
Operationalisierung des Zieles ”Preisniveaustabilität”
 Inflation heißt, dass nicht nur einzelne Preise ansteigen, sondern das Preisniveau,
was die wirtschaftliche Position aller Wirtschaftssubjekte beeinflusst. BIP (nominell)
steigt, obwohl real (BIP real) nicht im gleichen Ausmaß mehr produziert wird.
 Konzeption des Verbraucherpreisindex (VPI)
Warenkorb und Gewichtung der Waren sollen das Verbraucherverhalten erfassen;
Basisjahr = Indexwert 100; Veränderungsrate des Preisindex = "Inflationsrate".
Preiserhebungen: Monatlich; regional gestreut.
 Bedeutung des VPI
Wichtiger wirtschaftspolitischer Indikator: Preisniveaustabilität (= keine Inflation)
bedeutet Geldwertstabilität. Die Europäische Zentralbank definiert Preisniveaustabilität
bei einer Inflationsrate von 2 Prozent.
Warum nicht 0 Prozent?  Problem der Durchschnittsbildung über alle Euro-Länder.
Wertsicherungsklauseln; Entscheidungshilfe bei Vermögensanlagen.
Seite 44
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Inflationsrate des Verbraucherpreisindex; Quelle: OECD Economic Outlook 98, Dec.
2015
Seite 45
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
Wozu ”Außenwirtschaftliches Gleichgewicht”?
 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht besteht, wenn von den wirtschaftlichen
Aktivitäten des Inlandes mit dem Ausland keine negativen Effekte auf die
binnenwirtschaftliche Entwicklung ausgehen. Es ist somit notwendige Voraussetzung
zur Realisierung der binnenwirtschaftlichen Ziele.
 Die außenwirtschaftliche Absicherungspolitik dient dazu, Gefährdungen der binnenwirtschaftlichen Ziele an der Grenze abzufangen. Das kann allerdings bedeuten, dass
binnenwirtschaftliche Probleme gleichsam auf Kosten des Auslandes "gelöst" werden.
Operationalisierung von ”Außenwirtschaftlichem Gleichgewicht”: Wechselkurs
 Angebot und Nachfrage auf den Devisenmärkten bestimmen den Wechselkurs
Wechselkurs: Preis einer Währung ausgedrückt in einer anderen Währung.
Eine Nachfrage nach ausländischer Währung bedeutet gleichzeitig ein Angebot an
inländischer Währung und führt somit tendenziell zu einer Senkung des
Wechselkurses der inländischen Währung ( Abwertung).
Eine Nachfrage nach inländischer Währung bedeutet gleichzeitig ein Angebot
ausländischer Währungen und führt somit tendenziell zu einem Ansteigen des
Wechselkurses der inländischen Währung ( Aufwertung).
Devisenmarktgleichgewicht
Wechselkurs
Angebot an
Euro
Aufwertung
Wk*
Nachfrage
nach Euro
Q*
Menge an Devisen
21
© Walter Scherrer 2005
FB Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Universität Salzburg
Seite 46
Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
 Ökonomische Einflüsse auf Währungsangebot und -nachfrage:
Importe/Exporte von Gütern und Dienstleistungen
Exporte/Importe von Kapitalanlagen
Zur Stabilisierung des Wechselkurses können Währungsangebot und -nachfrage – in
Grenzen – auch von den Notenbanken durch Interventionen beeinflusst werden.
”Außenwirtschaftliches Gleichgewicht” – Operationalisierung: Zahlungsbilanz
 Zahlungsbilanz: Aufzeichnungen über die Zahlungsströme zwischen Inländern und
Ausländern; grundsätzlich doppelte Buchführung (geschlossenes System), der Saldo
über alle Konten ist daher immer gleich null. Der Begriff Zahlungsbilanzgleichgewicht bezieht sich auf eine der Teilbilanzen.
Wirkungen eines Leistungsbilanzpassivums / -aktivums
 Es wird mehr / weniger konsumiert als produziert!
 Netto-Kapitalimport: „Ausverkauf der Heimat?“ / Netto-Kapitalexport: „Wir kaufen den
Rest der Welt auf.“
 Kapitalimport: Import von Kapital und Know-how steigert die Produktions- und
Beschäftigungsmöglichkeiten im Inland
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Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Leistungsbilanzsalden in % des BIP Quelle: OECD Economic Outlook 98, Dec.2015
Arbeitsmarktziele
Wozu ”Vollbeschäftigung”?
 Funktionen des Arbeitsmarktes:
Allokation des Produktionsfaktors ”Arbeit”: Die Ressource Arbeit wird laufend in jene
Produktionen geleitet, wo sie den größten wirtschaftlichen Ertrag abwirft.
Auf dem Arbeitsmarkt wird die Verteilung von Einkommen wesentlich beeinflusst.
Mit dem Arbeitsmarktstatus ist der soziale Status verknüpft, es werden Lebenslagen
bestimmt und in hohem Maße die Lebenschancen des einzelnen und von Gruppen.
Eine allein am Wirtschaftswachstum orientierte Wirtschaftspolitik greift daher zu kurz.
Operationalisierung des Zieles ”Vollbeschäftigung”
 Messung der Zahl von Arbeitslosen: Registrierung (Kriterien: arbeitswillig,
arbeitsfähig, arbeitslos gemeldet und ohne Arbeit; herkömmliche Methode) ODER
Befragung (Kriterium: Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt; Eurostat-Methode)
 Messung der Beschäftigtenzahl: Registrierung (sozialversicherungspflichtige
Beschäftigungsverhältnisse) ODER Schätzung der Beschäftigten auf dem
Umfrageweg: Gemäß EU-Methode zählt jeder, der eine Stunde pro Woche einer
marktmäßigen Arbeit nachgeht, als „beschäftigt“!
 ”Alte” vs. ”neue” Arbeitslosenquote: unselbständiges vs. gesamtes Erwerbspersonenpotential; Registrierung vs. Umfrage:
AL
ALQ = ---------------------- . 100
UE + AL (+ SE)
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Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Arbeitslosenquote nach nationaler Definition; Qu: OECD Economic Outlook 98, Dec.2015
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Scherrer – Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Einkommensverteilung: Verteilungsgerechtigkeit
Wozu ”Verteilungsgerechtigkeit”?
 Stellt der Markt eine ”gerechte” Entlohnung sicher, sind Eingriffe in die Einkommensverteilung ökonomisch nicht zu rechtfertigen. Gewährleistet aber der Wettbewerb in
der Marktwirtschaft eine ”leistungsgerechte” Entlohnung? Worin besteht eigentlich
”Leistung”?). Werden gleiche Qualifikationen, gleiche Tätigkeiten, gleiche Anstrengungen gleich entlohnt? Warum in vielen Fällen nicht?
 Primärverteilung (Marktergebnis): Nur die Marktteilnehmer können ihre Interessen
durchsetzen; Nicht-Marktteilnehmer (Kranke, Behinderte, Alte, Kinder) und schwache
Marktteilnehmer fallen durch den Rost. Soziale Marktwirtschaft als Ausweg.
Bsp.: Können Umverteilungsmaßnahmen zugunsten einkommensschwacher Gruppen
auch im ökonomischen Interesse einkommensstarker Gruppen sein?
 Sekundärverteilung: Verteilungsergebnis nach Umverteilung durch den Staat
Operationalisierung des Zieles ”Verteilungsgerechtigkeit”
 Lohnquote und Gewinnquote: Die statistische Erfassung weist Mängel auf, vor
allem ist die Trennung von Unternehmens- und Kapitaleinkünften nicht möglich.
 Personelle Verteilung/Haushaltsverteilung): Auch hier stößt man an Grenzen der
statistischen Erfassung bei den Einkommen der Selbständigen und auf konzeptionelle
Probleme beim Vergleich von Selbständigen- und Unselbständigeneinkommen.
Verhältnis oberstes Quintil zu unterstem Quintil; Quelle: eurostat, Feb.2016
EU (27 countries)
Euro area (18)
Belgium
Bulgaria
Czech Republic
Denmark
Germany
Estonia
Ireland
Greece
Spain
France
Croatia
Italy
Cyprus
Latvia
Lithuania
Luxembourg
Hungary
Malta
Netherlands
Austria
Poland
Portugal
Romania
Slovenia
Slovakia
Finland
Sweden
United Kingdom
Iceland
Norway
Switzerland
FYRep of Macedonia
Serbia
Turkey
2004
:
5,0
3,9
:
:
3,4
:
7,2
4,9
5,9
5,2
4,2
:
5,6
:
:
:
3,9
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:
:
3,8
:
7,0
:
:
:
3,5
3,3
:
3,4
3,6
:
:
:
:
2005
5,0
4,6
4,0
:
3,7
3,5
3,8
5,9
5,0
5,8
5,5
4,0
:
5,6
4,3
6,7
6,9
3,9
4,0
3,9
4,0
3,8
6,6
7,0
:
3,4
3,9
3,6
3,3
5,9
3,5
4,1
:
:
:
:
2006
4,9
4,7
4,2
5,1
3,5
3,4
4,1
5,5
4,9
6,1
5,5
4,0
:
5,4
4,3
7,8
6,3
4,2
5,5
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:
3,4
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3,6
3,6
5,4
3,7
4,8
:
:
:
11,3
2007
5,0
4,8
3,9
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3,5
3,7
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4,8
6,0
5,5
3,9
:
5,4
4,4
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5,9
4,0
3,7
3,9
4,0
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5,3
6,5
7,8
3,3
3,5
3,7
3,3
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3,9
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:
:
9,3
2008
5,0
4,9
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5,9
5,6
4,4
:
5,2
4,3
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6,1
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5,1
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3,4
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3,8
3,5
5,6
3,8
3,7
4,9
:
:
9,3
2009
4,9
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3,5
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5,0
4,2
5,8
5,9
4,4
:
5,3
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3,5
4,0
4,0
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5,0
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3,2
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3,7
3,7
5,3
4,2
3,5
4,8
:
:
10,3
2010
4,9
4,9
3,9
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:
:
:
2011
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:
:
:
2012
5,0
5,0
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4,5
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3,7
3,7
3,7
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3,4
3,2
4,4
10,2
:
:
2013
5,0
5,0
3,8
6,6
3,4
4,0
4,6
5,5
4,5
6,6
6,3
4,5
5,3
5,8
4,9
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6,1
4,6
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3,6
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8,4
8,6
:
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2014
5,2
5,2
3,8
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3,5
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5,1
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6,8
4,3
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3,8
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6,2
7,2
3,7
3,9
3,6
3,9
5,1
3,1
3,4
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7,2
9,8
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