8.1. DER RAUM RN ALS BANACHRAUM 17 Beweis. Natürlich ist d ≥ 0 und d(x, y) = 0 genau dann, wenn x = y. Wegen (N2) ist k − xk = kxk und damit d(x, y) = d(y, x). Die letzte Eigenschaft einer Metrik schließt man leicht mittels d(x, z) = kx − zk = kx − y + y − zk ≤ kx − yk + ky − zk = d(x, y) + d(y, z). Damit können wir von stetigen Abbildungen zwischen normierten Räumen sprechen. Speziell wollen wir uns für die Stetigkeit linearer Abbildungen interessieren. Satz 8.1.7 (Stetigkeit linearer Abbildungen) Es seien (Vj , k · kVj ) für j = 1, 2 normierte Räume, L : V1 → V2 sei linear. Dann ist L : (V1 , dV1 ) → (V2 , dV2 ) stetig, genau dann wenn n o sup kLxkV2 kxkV1 = 1 < ∞. Die Menge L(V1 , V2 ) der stetigen linearen Abbildungen (V1 , k · kV1 ) → (V2 , k · kV2 ) bildet in natürlicher Weise einen linearen Raum, mit n o kLkL(V1 ,V2 ) = sup kLxkV2 kxkV1 = 1 wird dieser zum normierten linearen Raum. Beweis. Ist L : V1 → V2 bezüglich der angegebenen Metriken stetig, so ist L insbesondere bei x = 0 stetig. Dann gibt es zu ε > 0 ein δ > 0, so dass kxkV1 < δ impliziert, dass kLxkV2 < ε. (Beachte (d(x, 0) = kxk.) Dann ist für x mit kxkV1 = 1 2δ x ∈ BδV1 (0), der δ–Kugel in V1 bzgl. dV1 um 0 ∈ V1 . Also ist δ kL( x)kV2 < ε 2 und damit 2ε < ∞. δ Zur Gegenrichtung bemerken wir, dass die Voraussetzung die Stetigkeit bei x = 0 impliziert. Daraus folgt aber leicht die Stetigkeit in jedem Punkt x0 ∈ V1 . Dass die stetigen linearen Abbildungen einen linearen Raum bilden ist sofort klar. Wir müssen noch (N 1) − (N 3) nachprüfen. Dabei ist die einzige wirklich ernsthafte Fragestellung, ob (N3) gilt. Sind L1 , L2 zwei stetige lineare Abbildungen, so gilt für kxkV1 = 1 kL(x)kV2 < k(L1 + L2 )xkV2 ≤ kL1 (x)kV2 + kL2 (x)kV2 18 KAPITEL 8. DIFFERENTIALRECHNUNG wegen der Linearität und der Dreiecksungleichung in V2 . Nehmen wir nun das Supremum über alle x von der V1 –Norm 1, so erhalten wir kL1 + L2 kL(V1 ;V2 ) ≤ kL1 kL(V1 ;V2 ) + kL2 kL(V1 ;V2 ) . In der linearen Algebra wird auch der Zusammenhang zwischen inneren Produkten und gewissen Normen hergestellt. Definition 8.1.8 (Skalarprodukt) Auf einem linearen Raum V über R nennen wir eine Abbildung V × V → R : (x, y) 7→ hx, yiV mit den Eigenschaften (SP1) hx, xiV ≥ 0 und hx, xiV = 0 genau dann, wenn x = 0. (SP2) hx + y, ziV = hx, ziV + hy, ziV ; (SP3) hx, yiV = hy, xiV ; (SP4) hλx, yiV = λhx, yiV ein Skalarprodukt oder auch ein inneres Produkt auf V . Im Fall K = C hat man eine ähnliche Struktur, indem man (SP3) durch hx, yiV = hy, xiV ersetzt. Beispiel 8.1.9 (Normen und Skalarprodukte) 1. Auf den Räumen Rn findet man die Abbildung * n + n X X (x, y) 7→ hx, yiRn = xi e i , y i ei i=1 i=1 Rn = n X xi y i . i=1 Die Eigenschaften eines Skalarproduktes P weist man leicht nach. Entsprechend definiert man hz, wiCn = ni=1 zi wi . 2. Es sei [a, b] ⊂ R kompakt. Auf dem Raum C([a, b]; R) findet man ein Skalarprodukt durch Zb (f, g) 7→ f (x)g(x) dx. a Auf einem Raum mit Skalarprodukt erhält man auf einfache Weise eine Norm. 8.1. DER RAUM RN ALS BANACHRAUM Satz 8.1.10 (Cauchy–Schwarzsche–Ungleichung) Ist h·, ·iV ein Skalarprodukt auf einem linearen Raum V über p kxk = hx, xiV 19 R, so ist eine Norm auf V und es gilt die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung (CSU) |hx, yiV | ≤ kxkkyk. Beweis. Wir müssen die Eigenschaften (N1-3) nachprüfen. (N1) folgt sofort aus (SP1). Für (N2) setzen wir p p kλxk = hλx, λxiV = λ2 hx, xiV = |λ|kxk. Es bleibt die sogenannte Dreiecksungleichung (N3). Wir betrachten für λ ∈ R kx + λyk2 = hx + λy, x + λyiV = kxk2 + 2λhx, yi + λ2 kyk2 . Ist y 6= 0, so ist dies eine quadratische Funktion in λ mit positivem Koeffizienten bei λ2 . Die Funktion besitzt ein eindeutiges Minimum bei λ=− hx, yiV . kyk2 Es gilt dann 2 hx, yi hx, yi hx, yi V V V 0≤ . x − kyk2 y = x − kyk2 y, x − kyk2 y V Durch Auswerten dieses Ausdrucks ergibt sich 0 ≤ kxk2 − 2 hx, yi2V hx, yi2V hx, yi2V 2 + = kxk − . kyk2 kyk2 kyk2 Damit hat man hx, yi2V ≤ kxk2 kyk2 oder durch Wurzelziehen |hx, yiV | ≤ kxkkyk. Damit haben wir die Cauchy-Schwarzsche1 Ungleichung. Um (N3) zu beweisen betrachten wir nun kx + yk2 = hx + y, x + yiV = kxk2 + 2hx, yiV + kyk2 ≤ kxk2 + 2kxkkyk + kyk2 = (kxk + kyk)2 . 1 Hermann Amandus Schwarz (25.1.1843–30.11.1921) studierte zunächst Chemie und wechselte unter dem Einfluss von Karl Weierstraß zur Mathematik. Nach Promotion (1864), Habilitation (1867) wurde er schließlich Professor für Mathematik an der ETH Zürich, schließlich wurde er 1892 Nachfolger von Weierstraß an der Berliner Universität. Seine Hauptarbeitsgebiete waren konforme Abbildungen, Minimalflächen und Arbeiten zur Potentialtheorie, Funktionentheorie (Schwarz’sches Spiegelungsprinzip) und Variationsrechnung. 20 KAPITEL 8. DIFFERENTIALRECHNUNG Damit ist (Wurzelziehen!) kx + yk ≤ kxk + kyk. Also ist k · k eine Norm auf V . Eine wichtige Abschätzung für die verschiedenen Normen auf dem das folgende Lemma. Rn gibt uns Lemma 8.1.11 (Vergleich zweier Normen) Für x ∈ Kn gilt √ kxk∞ ≤ kxk2 ≤ nkxk∞ . Beweis. kxk∞ = max{|xi | | i = 1, . . . , n} p = max{ |xi |2 | i = 1, . . . , n} v u n uX ≤t |xi |2 i=1 p ≤ n max{|xi |2 | i = 1, . . . , n} √ = nkxk∞ . Korollar 8.1.12 (2-Norm, Vollständigkeit) k · k2 ist eine Norm auf Kn und d2 eine Metrik auf Metrik wird Kn zum vollständigen metrischen Raum. Kn × Kn. Mit dieser Beweis. Alle Eigenschaften bis auf die Vollständigkeit sind geklärt. Angenommen {xm }m∈N ist eine Cauchy-Folge bezüglich d2 , so bedeutet dies, dass zu jedem ε > 0 ein N ∈ N existiert, so dass für j, k > N gilt kxj − xk k2 ≤ ε. Dann gilt für jede Koordinate i = 1, . . . , n , dass die Folge {xi,m }m∈N eine CauchyFolge ist, denn für j, k > N gilt nach Lemma 8.1.11, dass |xi,j − xi,k | ≤ ε, und damit konvergiert diese Folge gegen einen Wert xi,0 . Damit konvergiert die Folge xm gegen x0 , also in Kurzform x1,0 limm→∞ x1,m x2,0 limm→∞ x2,m x0 = .. = . .. . . xn.0 limm→∞ xn,m 8.1. DER RAUM RN ALS BANACHRAUM 21 Es ist (mit Lemma 8.1.11) leicht nachzuprüfen, dass die Konvergenz im Sinne der Metrik d2 vorliegt. Wir wollen im folgenden den metrischen Raum (Rn , d2 ) betrachten, sollte eine andere Metrik gemeint sein, wollen wir das explizit angeben. Die folgenden Überlegungen zeigen, dass ein Wechsel der Norm im Regelfall keine Veränderung der Begriffe bringt, wir formulieren dies explizit für die Kompaktheit. Definition 8.1.13 (Äquivalenz von Normen) Zwei Normen k · ka , k · kb auf einem linearen Raum V heißen äquivalent, wenn es Zahlen 0 < m < M gibt, so dass für alle x ∈ V gilt mkxka ≤ kxkb ≤ M kxka . Lemma 8.1.14 (Äquivalenz von Normen) 1. Äquivalenz von Normen ist eine Äquivalenzrelation. 2. Je zwei Normen auf dem Kn sind äquivalent. Beweis. Die erste Aussage ist (fast) trivial, die zweite beweisen wir in den Übungen. Definition 8.1.15 (Banachraum) Sei K = R oder K = C. 1. Ist (V, k · kV ) ein normierter linearer Raum, der bezüglich der Metrik dV (x, y) = kx − ykV vollständig ist, so nennen wir (V, k · kV ) einen K–Banachraum2. 2. Ist (V, k · kV ) ein Banachraum und gibt es ein Skalarprodukt h·, ·iV auf V mit kvk2V = hv, viV für alle v ∈ V , so nennen wir den Raum (V, h·, ·iV ) einen Hilbertraum3 . 3 Stefan Banach (30.3.1892–31.8.1945), polnischer Mathematiker. Er war der Begründer der Theorie linearer, normierter Räume und ihren linearen Abbildungen. Seine Arbeiten sind die Grundlage der modernen Funktionalanalysis. Er und seine Schüler zeigten viele Anwendungen der Funktionalanalysis auf. 3 David Hilbert (23.1.1862–14.2.1943) war einer der bedeutendsten deutschen Mathematiker und einer der bedeutendsten Mathematiker seiner Zeit. Er befasste sich mit vielen Aspekten 22 KAPITEL 8. DIFFERENTIALRECHNUNG Beispiel 8.1.16 (Beispiele von Banachräumen) 1. (Rn , k · k), wobei k · k eine beliebige Norm auf Banachraum. 2. Entsprechend ist (Cn , k · k) ein Rn ist, ist ein R– C–Banachraum. 3. Sei K ein kompakter metrischer Raum, dann ist C(K; K) mit n o kf kC(K;K) = max |f (x)| x ∈ K ein K–Banachraum. 4. Sei K ein kompakter metrischer Raum, dann ist C(K; Kn ) mit der Norm n o kF kC(K;Kn ) = max kF (x)k2 x ∈ K ein K–Banachraum. 5. Wir haben gesehen, dass (L(V1 ; V2 ), k · kL(V1 ;V2 ) für normierte Räume (V, j, k · kVj ) j = 1, 2 ein normierter Raum ist. Ist (V2 , k · kV2 ) ein Banachraum, so ist auch (L(V1 ; V2 ), k · kL(V1 ;V2 ) ) ein Banachraum. Wir haben in der Analysis I (Definition 4.1.11) den Begriff der Kompaktheit in metrischen Räumen kennen gelernt und auch kompakte Mengen in R mit dem Satz von Heine-Borel (Satz 4.1.14) charakterisiert, wobei im Beweis der Satz von Bolzano-Weierstraß (Satz 2.5.12) eine große Rolle spielte. Wir beweisen nun eine Version des Satzes von Bolzano-Weierstraß für den Rn und auch eine entsprechende Charakterisierung kompakter Mengen. Definition 8.1.17 (Beschränktheit) 1. Eine Menge A in einem normierten linearen Raum (V, k · k) heißt beschränkt, wenn es ein K > 0 gibt, so dass für alle a ∈ A gilt kak ≤ K. 2. Eine Folge {x N heißt n m }m∈ o beschränkt, wenn die zugrunde liegende Menge X = xm m ∈ N beschränkt ist. Bemerkung 8.1.18 (Beschränktheit im Rn ) 1. Eine Menge A ⊂ Kn ist genau dann beschränkt, wenn es eine Kugel der Mathematik und stellte diese auf neue Grundlagen. Er hat mit einem Vortrag im Jahr 1900 in Paris, wo er 10 Probleme (aus einer späteren Liste von 23 Problemen) vorstellte, von denen er glaubte, dass sie die Mathematik des zwanzigsten Jahrhunderts prägen würden und auch über seine Schüler großen Einfluss auf die Entwicklung der Mathematik ausgeübt. 8.1. DER RAUM RN ALS BANACHRAUM 23 BK (0) bezüglich der Metrik d2 gibt mit A ⊂ BK (0). 2. Der Begriff der Beschränktheit im Norm ab. Kn hängt nicht von der Wahl der Bemerkung 8.1.19 (Kompaktheit und Einheitskugel) Die abgeschlossene Einheitskugel ist in einem nicht-endlich dimensionalen Banachraum beschränkt, aber nicht kompakt. Insofern gelten die nachfolgenden Aussage nicht für unendlich dimensionale Banachräume. Satz 8.1.20 (Bolzano-Weierstraß) Eine beschränkte Folge in Kn besitzt eine konvergente Teilfolge. Beweis. Diesen Beweis erhält man direkt aus dem Beweis von Satz 2.5.12. Satz 8.1.21 (Heine-Borel) Eine Menge in Kn ist genau dann kompakt, wenn sie beschränkt und abgeschlossen ist. Beweis. Der Beweis von Satz 4.1.14 kann wörtlich übertragen werden. Bemerkung 8.1.22 (Kompaktheit, Beschränktheit, Norm) Der Begriff der Kompaktheit im Kn hängt nicht von der Norm ab, denn 1. die offenen Mengen bezüglich verschiedener Normen sind die gleichen. 2. wie bereits bemerkt hängt der Begriff der Beschränktheit nicht von der Wahl der Norm ab. Ein weiterer wichtiger Begriff ist der Begriff des Zusammenhangs. Wir wollen diesen nun definieren und dann ein paar einfache Konsequenzen herleiten. Definition 8.1.23 (Zusammenhang) Es sei (X, dX ) ein metrischer Raum. Eine Menge U ⊂ X heißt zusammenhängend, wenn es keine nichtleeren und offenen Mengen V, W ⊂ X gibt, so dass V ∩U 6= ∅ = 6 W ∩U , (V ∩U )∩(W ∩U ) = ∅ und (U ∩V )∪(U ∩W ) = U ist. Satz 8.1.24 (Zwischenwertsatz) Ist (X, dX ) ein metrischer Raum und U ⊂ X zusammenhängend, f : U → R stetig, x, y ∈ U . Dann gibt es zu jedem w ∈ [f (x), f (y)] bzw. w ∈ [f (y), f (x)] ein u ∈ U mit f (u) = w.